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Morgen

von

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Ein letzter Notiz

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Ich bezweifle, dass ich Morgen noch sehen werde. Das Licht der Sonne ist für mich eine Erinnerung. Heute Nacht ist es soweit. Alle wissen es. Einige laufen noch verzweifelt herum und versuchen, irgendetwas zu tun. Andere sitzen nur da, apathisch, und warten. Wie Schlachtvieh.

Es ist Nacht, es sollte dunkel sein. Doch der Horizont ist ein einziges rotes Leuchten. Dort warten sie. Der Mensch lebt hunderttausend Jahre auf der Erde, entwickelt sich fort und erobert de Planeten, aber wenn wir es sehen, dann ist da nur noch ein uralter Instinkt. Feuer! Lauf!

Wir laufen nicht, wir bereiten uns auf das Ende vor. Seit wie vielen Wochen schon? 7, 8? Zeit hat keine Bedeutung mehr. Wir kamen hierher, weil auf den Plänen ein Bunker eingezeichnet war, mit Waffen von früher. Die hohen Anführer hielten es für eine gute Idee. Waffen, egal welche, konnten wir dringend gebrauchen. Unsere waren abgenutzt und wir hatten die Fabriken und Herstellungsanlagen verloren. Kezem kann man nicht einfach so herstellen. Keine Materialien, keine Herstellung, keine Waffen. So einfach ist das. Früher haben sie doch auch Schlachten gewonnen!

Was sie nicht bedacht hatten war, dass alte Waffen, nun ja, alt waren. Und schlecht hergestellt wurden. Früher haben sie Waffen aus Eisen gemacht. Eisen! Alles, was wir fanden, war ein Haufen Rost. Minderwertiges Zeug. Eisen ist schwerer und weicher als Kezem und geht viel schneller kaputt. Kein Chance, damit etwas gegen die Waffen der Feinde auszurichten.

Als sie ihren Fehler bemerkten, war es zu spät. Der Weg zurück – abgeschnitten. In Gebirge warteten ihre Verbündete. Wir hätten es sowieso nicht geschafft. Wir harren jetzt aus. Die Gläubigen werden gottlos, die Gottlosen gläubig. Wer Familie hat, versucht, die Zeit noch ein bisschen zu genießen. Der Rest genießt Chems. Sie haben sogar ein paar alte Flaschen im Bunker gefunden. Alkohol. Man muss mehr davon nehmen, es ist nicht so heftig wie Chems, aber das hat sie nicht gestört. Man kann es ihnen auch nicht übel nehmen. Sie haben gekämpft und gelitten für ein Ideal oder einfach nur für Geld und Ruhm, aber den Lohn werden sie nie erhalten.

Das Warten ist schlimmer als der Tod. Tod sein ist keine Empfindung, nicht gut, aber auch nicht schlecht. Warten ist in Erinnerungen schwelgen, solange man noch kann. Warten ist hoffen, das sich das Blatt wendet. Warten ist, diese Hoffnung aufzugeben. Warten ist wissen, das bald ein größeres Leid kommt und dann nichts. Warten ist Schmerz, Trauer, Verzweiflung, Wut, die man nicht rauslassen kann, ohne andere noch mehr zu verletzen. Warten ist Folter. Ein langsamer, erbarmungsloser Folter.

Ich habe mich schon längst damit abgefunden, meine Heimat nie wiederzusehen und nie wieder Blumen am Grab meiner Eltern niederzulegen. Zu viel ist passiert, zu viele sind gestorben. Erst Mutter, dann Vater, Daniel, Lizzie. Freunde, Verwandte, Mitstreiter. Krieger, die man nur flüchtig kannte, Anführer, denen man vertraute, Helfer, die an einen glaubten. Erschossen, ertrunken, verbrannt, zusammengebrochen und ihren Wunden erlegen. Mit ihnen starb eine Idee von Gemeinschaft und Freiheit. Das Lied der Hoffnung, unser Kampflied, verstummte.

Der Tod schockt einen, weil er plötzlich kommt. Unerwartet steht er vor dir und nimmt dir deine Liebsten. Aber ich mit ihm Tee getrunken. Ich kenne ihn. Ich habe keine Angst mehr.

Ich mache mir nur Sorgen um Hani. Sie ist noch so jung und muss Dinge verstehen und aushalten, die Erwachsene erdrücken. Ich habe versprochen, sie zu beschützen. Mutter hat mich darum gebeten, Vater hat mich darum angefleht. Ich kann meine kleine Schwester nicht beschützen. Es gibt Dinge, die machen dich machtlos, die zeigen dir den Unsinn deiner Existenz. Dieser Krieg ist so ein Ding. Egal wie sehr du dich anstrengst, dich gegen den Sturm auflehnst, irgendwann sitzt du nur noch apathisch da, wie die anderen.

'Die Dinge werden sich fügen', das war das letzte, was mein Anführer zu mir gesagt hat. Sie fügen sich. Hani wird sterben, ich werden sterben. Dem Leid ist ein Ende gesetzt. Ich habe keinem Anführer mehr, keine Freunde, nur Hani. Alles, was mir wichtig ist, wird morgen vorbei sein. Ich klammere mich an den Gedanken, dass es nicht ungeschehen sein wird. Unser Tod fügt sich ins große Ganze. Er hat Auswirkungen.

Ich hoffe, dass meine Notizen überleben. Vielleicht liest du sie gerade und bist am Ende angekommen, bei diesem Notiz. Vielleicht lebst du hundert Jahre nach mir. Meine Notizen waren für mich Tagebuch und Aufzeichnung. Erst Chronik des Sieges, dann Chronik des Untergangs. Du wirst wissen, dass meine Eltern und Daniel und Lizzie und Hani und mein Anführer und all die anderen gelebt haben. Dann haben sie ein zweites Leben. Ich hoffe das so sehr.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2016-01-04T17:04:33+00:00 04.01.2016 18:04
Endlich! Was zu kritisieren! Dieses Mal sind noch ein paar Fehler drin, nicht viele, aber eine Hand voll. Tut der Atmosphäre zwar keinen Abbruch, aber ich bin froh, mal was sinnvolles schreiben zu können. xD"
Ansonsten: Der Anfang war richtig schön atmosphärisch (da ist es wieder!), man hat sich richtig in die post-apokalytische Welt einfinden können, obwohl man noch nicht viel gehört hat. Interessante Ansätze hattest du da auch - hat mich ein bisschen an die Welt von Fallout erinnert, rein von der Atmosphäre her. Also wieder: gut. Das Wort beschreibt die Geschichte allgemein.
Das Ende fand ich leider etwas abgedroschen. Ich mag es, dass der Charakter wieder so realistisch ist, aber das mit der Notiz und dem zweiten Leben... hm, hat meinen persönlichen Geschmack nicht so getroffen. Das ist so theatralisch, das hat in meinen Augen gar nicht zum Stil deiner Geschichten gepasst. (Den ich super bewerten kann, weil ich ja drei kenne... ahaha, sorry. Ich bild mir mein Bild deines Stils mal von den drei Geschichten ;) )
Deine Gedankengänge sind auf jeden Fall in dieser Geschichte sehr herausstechend. Wie gesagt: realistisch. Nicht übermäßig heroisch, wie man es bei dem Genre öfter sieht, sondern eben so, wie sich ein normaler Mensch fühlen würde. Ich mag's. :)

Wobei ich diese Geschichte am schwächsten fand. Bisher. Harhar. Ich stalke dich jetzt mal ein bisschen und gucke, wie es hier weiter geht :D
Antwort von:  Flying-squirrel
04.01.2016 18:39
Gut, dann weiß ich, dass du es ernst meinst xD
Es stimmt ja schon, solche Tagebücher werden immer gefunden und dann kommt auf der letzten Seite ein : Du bist erst tot, wenn du vergessen wirst! Die klassische Alternative wäre, dass der Charakter stirbt und mit letzter Kraft irgendwas schreibt. Ich habe mir überlegt, den Angriff dazwischen kommen zu lassen, aber das wäre auch nicht besser... Ich versuche mal, die Klassiker in Zukunft besser zu umschiffen.
Ja, man hört mich philosophieren. Ich dachte mir, das tut man so, wenn man bald stirbt. Das Alkohol ist ja schon alle und seine bucketlist abzuarbeiten geht auch nicht mehr. Scheint ja nicht zu stören...
Danke nochmal für die Kommentare! Ich fühle mich jetzt einfach nicht gestalkt und freue mich :)


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