Zum Inhalt der Seite

Urlaubsreif^3

Die Zwei machen mich fertig!
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ähm, joa. Es ist eine ganze Weile her...*Zähne knirsch*
Aber mein Studium hatte mir ne Schreibblockade verpasst. Anfang des Monats hat zwar eine meiner Kommilitoninnen diese zwar etwas gelockert (vielen lieben Dank dafür!), aber wirklich mehr Zeit zum Schreiben hatte ich dadurch leider auch nicht.

Hoffe ihr lest meine kleine Geschichte trotzdem noch und es gefällt euch. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Montag 1.8.

Gleichmäßig und tief wie die heranrollende Wellen des Ozeans, den Seto durch das große Fenster sehen konnte, ging Joes Atem neben ihm. Er hatte nicht darum bitten müssen, dass er blieb, der andere war einfach so aus eigenem Antrieb heraus geblieben, hatte sich neben ihn ins Bett gekuschelt. Nach einer Weile war er näher zu ihm gerutscht und hatte ihn fest in die Arme geschlossen. Auch dann hatte er nicht protestiert, sondern einfach die Nähe genossen, hieß es doch, dass weiterhin alles zwischen ihnen gut war. Zumindest hoffte er das, denn eine genaue Antwort darauf, wie seine kleine persönliche Recherche gewertet wurde, hatte er nicht erhalten. Vielleicht lag er genau deswegen jetzt stocksteif im Bett und starrte nach draußen, wo es langsam dämmerte, - oder, weil er es nicht gewöhnt war zum Kuscheltier degradiert zu werden.

„Du bist ja schon wach“, flüsterte eine von der Nacht rauen Stimme neben ihm.

„Naja, normalerweise wäre ich um diese Uhrzeit schon auf dem Weg in die Firma“, erwiderte er genauso leise, selbst nicht besser klingend. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen die Terrassentür über Nacht offen zu lassen.

„Dann bist du ja vielleicht schon fit für unseren Ausflug heute?“

„Ausflug?“ Momentan wäre Seto am liebsten den ganzen Tag über im Bett liegen geblieben, schön eingekuschelt in die Bettdecke und mit seinem persönlichen Kuscheltier daneben, selbst wenn er aus dem Alter eigentlich längst schon draußen war.

„Ja. Ich wollte eine kleine Radtour mit dir machen und dir dabei die Gegend zeigen. Dein Muskelkater ist doch inzwischen abgeklungen, oder?“

Am liebsten hätte Seto gelogen, einfach gesagt, ihm täte immer noch alles weh und er könne unter gar keinen Umständen aus dem Haus. Allerdings machte ihm sein Körper da einen gehörigen Strich durch die Rechnung. „Bin gleich wieder bei dir“, murmelte er nur noch und war dann auch schon hinter der Badezimmertür verschwunden.
 

Als er fünf Minuten später wieder herauskam, war Joe gerade dabei aufzustehen. „Also ich würde sagen, um deine Muskulatur brauchen wir uns keine Sorgen machen, oder?“, stellte er lächelnd fest und stellte sich auf die Füße. Nein, Seto mochte es ganz und gar nicht, dass er, wenn sie sich gegenüber standen, zu ihm aufsehen musste.

„Nein“, antwortete er zögerlich und hakte dann nach: „Aber müssen wir deshalb wirklich schon aufstehen?“

„Wie? Ich hatte immer gedacht du wärst ein absoluter Frühaufsteher und nur zum Schlafen im Bett“, fasste Joe den leicht mauligen Unterton richtig auf.

„Das war ja auch, bevor...Hilfe!“

Blitzschnell stand Joe hinter Seto und schubste ihn zurück aufs Bett. Lachend und eher spielerisch versuchte dieser nun die Kuschelattacke abzuwehren, genoss es aber eigentlich viel zu sehr, als dass sein Widerstand ernst gemeint sein könnte.
 

Zwei Stunden später hatten sie es tatsächlich geschafft aufzustehen, zu frühstücken und sich fertig zu machen. Seto zumindest war ins Bad gegangen, nachdem sich Joe von ihm kurz verabschiedet hatte. In den Sachen vom Vortag und glänzender Laune ging er aus der Haustür hinaus. Er hatte ihm erklärt, dass er noch andere Kleidung bräuchte und Shin von einer Lunchbox für sie überzeugen wollte. Deshalb hatte Seto sich Zeit gelassen, lange überlegt ob er nun das dunkel- oder doch eher das hellblaue T-Shirt anziehen sollte und war dann ohne Eile den Waldweg entlang geschlendert, um sich an der Garage wieder mit Joe zu treffen.

Nun musterte er kritisch das langgezogene Gebäude, dass selbst ihm viel zu groß für das Wort „Garage“ erschien. Nach vorne und zur Seite hin gab es mehrere Türen und Tore, deren funktionaler Sinn sich ihm nicht ganz erschloss. Auch wunderte es ihn, dass die Straße bis dort hin komplett asphaltiert war, denn er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, während seines langen Spaziergangs im Februar über Asphalt gegangen zu sein. Lange konnte er jedenfalls nicht darüber nachdenken, denn vom Hauptgebäude kam Joe mit großen Schritten auf ihn zu und schwenkte triumphierend einen Picknickkorb.

„Es ist immer gut zu wissen, wann die Familie einen Ausflug plant!“, erklärte er stolz ob seiner Errungenschaft. „Dad macht mit Martine und den Zwillingen heute auch eine kleine Tour, weswegen Hans bereits einiges vorbereitet hatte. Es war also kein weiterer Aufwand für uns notwendig. Oh, und wir sind übrigens fest für das Abendessen heute eingeplant.“

Die Frage, die Seto jetzt auf der Zunge lag, traute er sich nicht zu stellen. Am besten wartete er einfach ab, was der Abend brachte. Der Tag zumindest brachte ihm jetzt den ersten Einblick in den Teil der Garage, in dem die Fahrräder aufbewahrt wurden, gut gepflegt und nach Größe aufgestellt. Abschätzend lief Joe die Reihe lang, immer den Blick zwischen den Fahrrädern und Seto hin und her gleitend. Schließlich hielt er vor einem mit dunkelblauem Rahmen und winkte ihn zu sich. „Hier, nimm das mal mit raus.“

Seto gehorchte und bekam wenig später auch noch einen passenden Helm verpasst, als Joe mit seinem Fahrrad – und einem anderen Helm – ihm folgte. „Einfach aufsteigen und losfahren. Ich will nur sehen, ob alles passt.“

Das sagte sich so leicht! Unsicher stellte Seto den Fuß auf das linke Pedal, schob sich leicht an und schwang das rechte Bein über den Sattel. Gerade noch rechtzeitig saß er und fing an zu treten, um nicht einfach samt Rad umzukippen. Er fuhr unsicher und äußerst wackelig, was Joe auch nicht entging. „Wann bist du das letzte Mal Rad gefahren?“

„Ein paar Tage vor Urlaubsbeginn.“

„Ich mein ein richtiges Fahrrad, keines von diesen armen Dingern, die so tun müssen als wären sie eines, aber tatsächlich nicht von der Stelle kommen.“

„Ein paar Jahre...“ Vierzehn, fünfzehn, so genau konnte er es auch nicht mehr sagen.

„Gut, dann machen wir es einfach von dir abhängig, wie weit und wo wir heute fahren. Können wir?“

Seto nickte nur und sah dann rasch zu, dass er hinter dem Blonden her kam, der zwar langsam, aber dafür sehr gleichmäßig in die Pedale trat.
 

Es war unglaublich wie viele Details einem am Wegesrand auffielen, wenn man nicht mit dem Auto daran vorbei raste. Erstens hatte er zuvor nicht wahrgenommen, dass es überhaupt einen Fahrradweg gab – Joe erklärte ihm, dass er eher selten genutzt wurde – zweitens war er in gutem Zustand, sodass sie zügig voran kamen. Den ersten Kilometer hatte er noch seine Probleme mit dem Gleichgewicht gehabt, aber mittlerweile hatten er und Joe einen Rhythmus gefunden, der ihn nicht zu schnell erschöpfte und es ihnen erlaubte nebeneinander zu fahren. Hin und wieder erklärte Joe etwas zur Landschaft, erzählte von dem jeweiligen Bauern oder Landbesitzer oder sprach davon, wie empfindlich die Tore zum Hotel eingestellt waren, um zu gewährleisten, dass sie einfach hatten durchfahren können, ohne auf ihr Öffnen warten zu müssen. Allgemein sprachen sie über die technischen Feinheiten der Hotelanlage und Seto ertappte sich immer wieder dabei, dass er ihm so viel physikalisches und technisches Wissen gar nicht zugetraut hätte. Innerlich schalt er sich einen Idioten, weil er die Unterscheidung zwischen Damals und Heute immer noch nicht auf die Reihe bekam, aber nach außen hin genoss er einfach nur sichtlich das Gespräch. Es war unverfänglich und dennoch ziemlich interessant, da selbst für ihn ein paar neue Informationen vorhanden waren.

Nach dem Nordende des Zauns, wechselte der Fahrradweg wieder die Seite und führte nun an der Küste entlang durch den dortigen Wald. Offensichtlich gehörte nur ein kleiner Teil davon zum Hotel. Doch irgendwann verschwand er vollständig und ließ den ungehinderten Blick aufs Meer zu. Inzwischen waren sie beim Thema Sport angekommen und Joe erzählte von den verschiedenen Wettkämpfen, an denen er in den letzten Jahren teilgenommen hatte, zeigte aber auch Anerkennung, als Seto seinerseits von seinem aktuellem Sportpensum berichtete. Der ein oder andere neckende Kommentar bezüglich Stubenhocker blieb jedoch auch nicht aus.

Als sie schließlich den ersten kleinen Hafenort auf der Strecke hinter sich gelassen hatten, ließ Joe sich ausrollen und hielt schließlich. Sie hatten einen Picknickplatz erreicht, der mit einer Reihe von festen Bänken und Tischen ausgestattet war. Dennoch war er leer, was Seto nicht wirklich verstand. Es war ein schöner, nicht zu heißer Tag, die Sonne spielte mit den Wellen und die sanfte Brise vom Meer war lediglich erfrischend. Verunsichert sah er sich um. Irgendetwas konnte mit diesem Platz nicht stimmen.

„Ist alles in Ordnung?“ Joe schloss gerade die Fahrräder zusammen und löste die Verspannung, die den Korb auf dem Gepäckträger gehalten hatte.

„Ja, schon. Ich hab mich nur gefragt, weswegen es hier so leer ist.“

„Ach das.“ Joe schien fast von der Banalität der Antwort enttäuscht. „Ganz einfach: die meisten Touristen hier in der Gegend liegen lieber am Strand, als sich die Gegend mit dem Rad anzusehen. Die Distanzen sind groß und wenn man es nicht gewohnt ist, so lange Strecken zu fahren, ist es doch anstrengend, was nur die wenigsten in ihrem Urlaub wollen. Am Platz selbst kann es nicht liegen. Ich komm hier regelmäßig auf meinen Trainingsfahrten vorbei. Wasser?“

Beruhigt nickte Seto und nahm die Flasche entgegen. Er trank in langen Schlucken, während Joe den Korb auspackte und die Köstlichkeiten von Sandwiches über Käsespieße bis hin zu Obstsalat auf der Tischfläche zwischen ihnen verteilte und ihm gegenüber Platz nahm. „Lass es dir schmecken. Nach dem Essen machen wir noch etwas Pause und dann radeln wir auf dem gleichen Weg zurück, wenn du einverstanden bist.“

Und wie er einverstanden war. Bereits jetzt waren sie deutlich über eine Stunde unterwegs gewesen und ein vertrautes Ziehen machte sich bereits allmählich in seinen Oberschenkeln breit.
 

„Hab ich was im Gesicht?“ Verunsichert wischte Seto sich mit dem Handrücken über die Lippen.

„Nein, hast du nicht. Ich hab einfach nur gerade über was nachgedacht“, antwortete Joe sanft. „Aber ich fürchte dein Fan-Club von früher wäre mehr als entsetzt, dass du dir einfach so mit der Hand die Lippen abwischst.“

Seto öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, schnappte dann aber nur kurz nach Luft und zog es vor zu schmollen.

„Hey, das war nicht böse gemeint. Ich freu mich einfach nur, dich so menschlich zu sehen.“

„Was soll ich denn bitte sonst sein?“

„Wenn man deinem Fan-Club glaubt sehr nah dran an göttlich.“

Seto fletschte die Zähne. „Und was glaubst du?“

Joe überlegte kurz und sagte dann bedächtig: „Ich glaube, dass du den Menschen in dir viel zu lange versteckt hast und es meine Aufgabe ist, ihn jetzt Stück für Stück aus dem kalten Geschäftsmann herauszuarbeiten, sodass du zumindest für mich dein wahres Ich bist.“

Er lächelte dabei als wäre es nicht ganz ernst gemeint, doch seine Augen verrieten ihn und in Setos Bauchgegend breitete sich ein warmes Gefühl aus. Schüchtern erwiderte er das Lächeln.

„Ich kann ja mal versuchen, ob ich das für dich tun kann.“

Schweigend saßen sie sich eine Weile gegenüber und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Hatten sie zu viel gesagt? War es dafür nicht eigentlich noch zu früh? Auf der anderen Seite hatte es sich in diesem Moment richtig angefühlt und nur das zählte.

Seto wollte gerade nach dem letzten Käsespieß greifen, aber Joe war schneller.

„Hey! Du hast ganz genau gesehen, dass ich den wollte!“, protestierte Seto lautstark. „Dann hol ihn dir doch“, provozierte Joe ihn weiter. Vorsichtig nahm er den Käsewürfel zwischen die Zähne und zog den Spieß heraus. Seto musste nicht erst überlegen. Er wollte den Käse. Halb stehend beugte er sich über den Tisch und biss in dem Moment ab, in dem auch Joe die Zähne schloss, ihm aber das Stück dazwischen noch mit der Zunge zuschob.

„Willst du die Traube?“

„Nein, die kannst du haben.“ Setos Lippen kribbelten ganz seltsam. Sie hatten sich quasi in aller Öffentlichkeit geküsst. Hoffentlich hatte niemand sie gesehen! Das könnte ziemlich unangenehm werden, vor allem wenn es fotografiert worden war.

„Es ist alles in Ordnung. Niemand hat was gesehen. Hier ist es menschenleer, schon vergessen?“

Konnte Joe Gedanken lesen?

„Aber wenn wir gerade beim Thema sind, gibt es deinen süßen Fan-Club noch? Die müssten doch inzwischen alle verheiratet sein.“ Langsam fing er an, die wenigen Reste ihres Picknicks im Korb zu verstauen.

Seto schnaufte zur Antwort. „Ich wünschte es wäre so! Mindestens ein Viertel von denen belagert mich immer noch regelmäßig. Weißt du wie gruselig es ist, wenn sich Frauen um die Dreißig plötzlich wie Groupies verhalten? Nur die wollen dann gleich alle geheiratet werden! Am Valentinstag ist das immer besonders schlimm, aber auch unterm Jahr ist es furchtbar.“

„Na, dann weiß ich ja, was ich zu tun habe.“

Seto zog eine Augenbraue hoch. „Achja?“

„Ja“, erwiderte Joe trocken. „Ich oute mich einfach an deinem Geburtstag als dein Fan Nummer 1 und verscheuche sie alle wie eine eifersüchtige Freundin.“

„Wie bitte?“

„Na gut, Fan Nummer 1 ist natürlich immer noch Mokuba – dann halt Nummer 2. Aber was waren deine schlimmsten Erlebnisse mit dem Fan-Club?“

Der Korb wurde wieder fest auf den Gepäckträger verzurrt, während es Seto diesmal wirklich die Sprache verschlagen hatte. Geburtstag? Eifersüchtige Freundin? Outen?! Sie hatten nicht einmal darüber gesprochen, was das jetzt genau zwischen ihnen war und Joe hatte den Nerv so nebenbei mit solchen Themen ins Haus zu fallen? Oder interpretierte er da zu viel hinein?

„Wenn du nicht magst, kann ich auch zuerst von ein paar meiner Erlebnisse berichten“, schlug Joe vor, während er das Fahrradschloss öffnete. „Da war zum Beispiel in Italien diese ältere Dame, die mich das gesamte Abendessen bei Freunden angehimmelt hat und mir wie sie dachte subtile Angebote gemacht hat – am Tisch mit allen anderen außen rum. Und zum Schluss hat sie mir sogar in den Hintern gekniffen! Die gute Frau war älter als meine Mutter!“

„Wie bitte?! Du hast dir das auch noch gefallen lassen?“

„Nicht wirklich. Martine hat sie dann höflich darauf hingewiesen, dass ich leider für immer für die Damenwelt verloren sei, hat sich dabei dramatisch ans Herz gefasst und eine gequälte Miene gezogen. Die Dame hat sich daraufhin noch nicht mal mehr vom Gastgeber richtig verabschiedet... Aber ich würde vorschlagen, dass wir jetzt zurückfahren und du mir nebenher endlich was von dir erzählst!“

Da konnte Seto schlecht nein sagen. Also fuhr er brav los und fing zu erzählen an: „Gut, meinetwegen. Denn deine Story lässt sich noch toppen. Ich war Anfang zwanzig und habe gerade ein kleines Turnier organisiert. Dazu hatte meine Werbeabteilung beschlossen, es wäre doch schön ein paar Maskottchen zu haben. Blöderweise haben die sich in einem Raum der Firma umgezogen, durch den ich ab und zu auch muss.“

Joe blickte ihn fragend an.

„Das ist der schnellste Weg zum Kühlraum der Kantine – ich hatte Lust auf Eis. Auf jeden Fall... statt zu kreischen und mich danach rauszuschmeißen, haben sie gekrischen und mich danach belagert, als sie mich erkannten, ob ich ihnen nicht beim Umziehen helfen wolle, nicht kurz ihren BH halten könnte, ob ich es nicht schade fände, dass man in den Kostümen nicht ihre Kurven sehen könnte.... Keine Ahnung, wie ich da wieder rausgekommen bin. Jedenfalls gab es danach keine Maskottchen mehr für das Turnier oder irgendeine andere Veranstaltung.“

Joe hatte die Lippen fest aufeinander gepresst, brachte aber ein „die armen Dinger wollten doch bestimmt nur ihr Taschengeld aufstocken!“ heraus.

„Indem sie sich an mir reiben? Vier von diesen verrückten Weibern hatten mich umzingelt! Die können froh sein, dass ich sie nicht wegen sexueller Belästigung verklagt habe!“

„Du bist ja aber auch zum Anbeißen! Hattest du wieder die Kombi mit dem schwarzen Rollkragen und dem weißen Mantel an?“

„Wieso...?“ Seto riskierte einen Blick nach drüben, da der Weg auf den nächsten hundert Metern keine Stolperfallen enthielt. Joes Lächeln war eine Spur zu dreckig für seinen Geschmack. „Dir kann man auch wirklich gar nichts erzählen!“

„Bin halt auch nur ein Mann!“, verteidigte sich der Angeklagte und trat kräftig in die Pedale, um vor Seto zu kommen, der kaum mithalten konnte. Erst als es darum ging, auf dem richtigen Weg durch den kleinen Ort zu kurven, holte er ihn wieder ein.
 

„Und dann sind wir bis zum See gefahren. Und dann haben wir eine Pause gemacht. Und ich habe nur ein süßes Sandwich bekommen, weil Onkel Maximillion...“

„Nehmen Sie sich Salat!“

„Gar nicht wahr! Mokuba...“

„Vielen Dank.“ Seto nahm die Schüssel von Hans entgegen und tat sich mit Hilfe des Salat-Bestecks auf. Frischer, grüner Salat. Genau das Richtige für so einen Abend, vor allem da es dazu gegrillten Fisch gab. Es konnte sich nur um wenige Minuten handeln, bis Shin am Grill fertig war und die ersten Leckerbissen verteilen würde. Wenigstens hatte er das gesagt, bevor Yuki Ethan in ein Gespräch verwickelt hatte. Was er den Tag über gemacht hatte, hatte bisher zum Glück niemand wissen wollen.

„Joe?“

„Danke, Seto.“ Der Hotelmanager saß neben ihm in der Mitte des Tischs und schien sich köstlich über die kleine Geschichte seines Cousins zu amüsieren. Martine, die ihm gegenüber saß ergänzte nämlich mittels Zeichensprache die wichtigsten Details, solange Yuki noch die Getränke mischte. Nie im Leben hätte Seto geglaubt noch einmal in der großen Runde beisammen zu sitzen. Aber hier war er, umgeben von Leuten, für die das ganz normal war. Und es machte ihn glücklich, dass er bei ihnen sein durfte. Natürlich war es laut und nicht nur Dank der Kinder etwas überdreht, doch es fühlte sich auf seine Art und Weise richtig an.

Yuki war fertig und verteilte die Karaffen über den Tisch, bevor sie sich rechts neben Martine hinsetzte. „Wie lange dauert das denn noch?“, rief sie Shin zu. „Ich bin am Verhungern!“

„Immer mit der Geduld, Euer Hoheit! Der Fisch braucht nun mal so lange wie er braucht!“

„Wenn du meinst... Hans?“

Der Koch schreckte hoch. „Ja?“

„Die Stelle meines Haus- und Hofkoches wird demnächst frei werden. Hättest du Interesse?“

Kurz warf er einen Blick hinüber zu Shin, dann antwortete er mit ernsthaftem Bedauern: „Es tut mir aufrichtig Leid Euch dies mitteilen zu müssen, Euer Durchlaucht, aber ich bin leider der holden Dame Martine verpflichtet. Und sie wird mich anzunehmender Weise nicht so schnell ziehen lassen.“

„Schade. Wirklich bedauerlich...“

„Dafür ist aber endlich der Fisch soweit. Yuki, hilf mir mal mit den Platten!“, befahl Shin und brachte damit für einen Moment Ruhe an den Tisch. Yuki sprang wieder auf und eilte zu ihm hinüber, nicht ohne so nah am Poolrand entlang zu gehen, dass Seto sich Sorgen machte, sie könne hineinfallen.

Bis sie tatsächlich mit dem Essen anfangen konnten dauerte es noch ein paar Minuten, da die Kinder – Mokuba eingeschlossen - um die größten Stücke rangelten. Dass Chef sich währenddessen einfach zwei Stücke nahm, bekamen sie gar nicht mit.
 

Zufrieden streckte sich Seto auf seinem Stuhl. „Also, wenn ihr mich fragt, ich bleib hier noch ein bisschen“, stellte er fest und trank einen Schluck süßlichen Wein. „Es ist nicht zu warm, aber auch nicht zu kalt. Der Himmel ist klar“

„du bist vollgefressen“, ergänzte Mokuba.

„Ich bin vollge“, wiederholte Seto, bis ihm auffiel was er da gerade von sich gab. Aber der Schaden war bereits angerichtet. Der Tisch schmunzelte und kicherte, die meisten davon ähnlich gemütlich dasitzend wie er. Shin hatte noch zwei weitere Fuhren an Fisch zubereitet, dazu der Salat als Alibi. Zum Ende hin hatte Yuki den Erwachsenen einen süßen Dessertwein eingeschenkt, der nochmals mit dem Vanille-Eis die Runde machte. Man könnte beinahe behaupten sie wären alle leicht beschwipst. Aber nur beinahe.

„Clara, Ethan, Schlafenszeit“, äußerte Martine sanft.

Zu Setos Erstaunen murrten die beiden kein bisschen, sondern standen auf, wünschten ihrem Onkel und dann ihrer Mutter jeweils mit Küsschen eine Gute-Nacht, sagten dann in die Runde „Gute Nacht“ und stellten sich dann erwartungsvoll vor ihm auf.

„Heute bist du dran“, sagte Clara bestimmt.

„Heute bin ich dran mit was?“, hakte Seto verwirrt nach.

„Dran damit, uns ins Bett zubringen“, erklärte Ethan als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.

„A-ja.“ Hilfe suchend drehte er sich zu Joe, der ihm zu flüsterte: „Wie sind alle mal dran. Heute hat es wohl dich erwischt.“

„Wichtig ist nur, dass sie sich gründlich die Zähne putzen und Sie ihnen was vorlesen“, führte Martine weiter aus. Na toll! Jetzt wurde er schon zum Babysitter degradiert! Dennoch erhob er sich und folgte den Zwillingen, die fröhlich feixend vorneweg sprangen. Er rechnete mit dem Schlimmsten.
 

Schlafanzüge anziehen war kein Problem gewesen. Zähne putzen auch nicht. Zumindest, nachdem er das Badezimmer gefunden hatte. Er hatte tatsächlich drei Anläufe gebraucht, bis er die richtige Tür erwischt hatte und die beiden Wirbelwinde, die aus ihrem Zimmer wieder auf den Flur stürzten dort hinein winken konnte. Eines der anderen Zimmer war anscheinend das von Pegasus gewesen, beim zweiten war er sich aber nicht so sicher. Aber darüber konnte er sich später immer noch Gedanken machen, denn aktuell saßen ihm zwei Kinder gegenüber, die eine Antwort verlangten und ihn auch nicht weiterlesen lassen wollten, solange sie diese noch nicht hatten.

„Aber wollt ihr denn gar nicht wissen, wie das Mädchen aus dem Haus der Hexe Baba Jaga wieder hinauskommt?“, fragte er am Rande der Verzweiflung.

Doch die Zwillinge schüttelten erneut den Kopf und Clara fragte: „Bist du Chefs Ersatz für Ryan?“

Zum Glück wusste er, wer Ryan war. Aber die Frage war noch schwerer als die vorherige. Natürlich hegte er die Hoffnung, eines Tages für Joe eine ähnlich wichtige Rolle zu spielen wie der Brite, aber wirklich als Ersatz für ihn sah er sich nicht. Genauso wie Ryan kein Ersatz für ihn gewesen war. Da war Joe schon ziemlich deutlich geworden. Aber sollte der deswegen gleich sein Freund sein? Er hatte keine Ahnung mehr, in wie weit Siebenjährige das Konzept der festen, romantischen Partnerschaft verstanden. Wirklich viele Vorbilder gab es wohl auch kaum in ihrem Leben. Der klassische Vergleich zu „Mama“ und „Papa“ war nicht möglich. Das, was sie hauptsächlich kannten, war die platonische Liebe zwischen einzelnen Familienmitgliedern und … Das war es!

„Ich glaube nicht, dass ich Ryan je ersetzen könnte. Dafür hat er eurem Cousin zu viel bedeutet. Aber ich kann euch versichern, dass ich ihn sehr, sehr gern habe. Wenn er mich irgendwann als seinen Freund ansieht, würde mich das sehr glücklich machen. Darf ich jetzt weiterlesen?“

Überraschenderweise waren die beiden damit zufrieden. Sie kuschelten sich zurück unter die Decke, einen großen, blauen Teddy zwischen sich und sahen ihn aus großen Augen an. Und er las ihnen das Märchen vor. Und noch eines. Und ein Weiteres, weil sie ihm dafür endlich hoch und heilig versprachen die Augen zu schließen und zu schlafen. Erschöpft stellte er das Buch ins Regal, während Clara in ihr eigenes Bett hinüber huschte und sich dort kompliziert mit der Bettdecke verknotete. Ethan war dafür eingerollt wie in einen Kokon.

„Gute Nacht, Ethan. Gute Nacht Clara“, wünschte er ihnen ein letztes Mal an der Tür.

„Gute Nacht, Seto.“ Und Ethan fügte murmelnd hinzu: „Ich glaube, Chef hat dich auch sehr, sehr gern.“

Einen kurzen Augenblick verharrte Seto in der Bewegung. Wirklich? Sanft schloss er die Tür hinter sich und stieg dann die Treppe hinunter. Er wusste nicht wieso, aber plötzlich wollte auch er, einfach nur noch ins Bett.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (6)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kemet
2017-02-12T08:28:58+00:00 12.02.2017 09:28
Einmal abgeschickt und viermal gepostet... Sorry...
Antwort von:  flower_in_sunlight
13.02.2017 20:53
Kein Problem. Programme können echt tückisch sein!
So lange ich nicht viermal eine Antwort tippen muss ;-)
Von:  Kemet
2017-02-12T08:27:29+00:00 12.02.2017 09:27
Schönes Kapitel, wenngleich der Szene Wechsel zwischen Fahrradtour und gemeinschaftlichen Essen für mich undurchsichtig war. Kann auch an der Darstellung meines Screens liegen.
Ansonsten gebe ich meinen Vorgänger Recht. Schöne Annäherung und noch schönere Integration in den allgemeinen Familien-Hotel-Betrieb.

LG
Antwort von:  flower_in_sunlight
13.02.2017 20:57
Vielen Dank.

Ja, der Wechsel war etwas plötzlich, was aber eher daran lag, dass das Kapitel immer länger wurde, ich die Szene mit den Zwillingen unbedingt drin haben wollte und das, was Seto und Joe am Nachmittag so angestellt haben, den Rahmen garantiert gesprengt hätte... Außerdem habe ich das Kapitel über 2 bzw. 3 Monate hinweg geschrieben. Ich hoffe, die Stilbrüche sind nicht zu schlimm geworden.

Zur Familienintegration kann ich nur eins sagen: Es ist höchste Zeit, dass Seto auch mal sowas erfährt!

LG
Von:  Kemet
2017-02-12T08:27:29+00:00 12.02.2017 09:27
Schönes Kapitel, wenngleich der Szene Wechsel zwischen Fahrradtour und gemeinschaftlichen Essen für mich undurchsichtig war. Kann auch an der Darstellung meines Screens liegen.
Ansonsten gebe ich meinen Vorgänger Recht. Schöne Annäherung und noch schönere Integration in den allgemeinen Familien-Hotel-Betrieb.

LG
Von:  Kemet
2017-02-12T08:27:28+00:00 12.02.2017 09:27
Schönes Kapitel, wenngleich der Szene Wechsel zwischen Fahrradtour und gemeinschaftlichen Essen für mich undurchsichtig war. Kann auch an der Darstellung meines Screens liegen.
Ansonsten gebe ich meinen Vorgänger Recht. Schöne Annäherung und noch schönere Integration in den allgemeinen Familien-Hotel-Betrieb.

LG
Von:  Kemet
2017-02-12T08:27:27+00:00 12.02.2017 09:27
Schönes Kapitel, wenngleich der Szene Wechsel zwischen Fahrradtour und gemeinschaftlichen Essen für mich undurchsichtig war. Kann auch an der Darstellung meines Screens liegen.
Ansonsten gebe ich meinen Vorgänger Recht. Schöne Annäherung und noch schönere Integration in den allgemeinen Familien-Hotel-Betrieb.

LG
Von:  Seelendieb
2017-02-11T05:49:03+00:00 11.02.2017 06:49
*_____________*

awwwwwww. sehr schönes, entspanntes Kapitel. Du hast es sehr toll rübergebracht, wie sie sich langsam annähern...

Und natürlich die Kinder. Ich liebe die Beiden :D Hahaha <3
Antwort von:  flower_in_sunlight
13.02.2017 20:52
Mal wieder machst du mich verlegen! Immerhin muss das doch mal langsam was mit den beiden Sturköpfen werden...

Aber wenn dir dieZwillinge so gefallen, hätte ich eine prima Idee, wie Martine zu etwas Zeit fürs Renovieren kommt ;-)


Zurück