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Urlaubsreif^3

Die Zwei machen mich fertig!
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich weiß, das wird nicht besser mit der Regelmäßigkeit, aber ich hoffe, diese kleine Geschichte macht Euch immer noch Spaß. Komplett anzeigen

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Dienstag 2.8.

Vor sich hin dösend spürte er wie die Matratze nachgab. Vorsichtig drehte er sich um und umschloss die Wärme neben ihm mit seinen Armen. Zur Bestätigung sog er den Geruch der Person ein und atmete zufrieden wieder aus. Glücklich schlief er ein.
 

Neben ihm bewegte sich etwas. Seto konnte nicht genau sagen, ob ihn die Bewegung geweckt hatte oder er sie dadurch bemerkte, dass er gerade aufgewacht war. Aber das war im Moment nicht wichtig. Wichtig war nur, dass es Joe war, der sich da bewegte und anscheinend gehofft hatte heimlich aufzustehen. „Wohin willst du?“ grummelte Seto, während er doch tatsächlich die Frechheit besaß sich aufzurichten. „Arbeiten.“

„Arbeiten? Draußen ist noch dunkel und ich hatte immer gedacht du seist ein Morgenmuffel! Lass dir was Besseres einfallen.“

„Was Besseres also?“ Trotz des trüben Lichts war das herausfordernde Lächeln erkennbar. Innerlich fluchte Seto. Hauptsache seine unteren Regionen waren wach, sein Verstand war ja total überbewertet! „Ja, bitte!“, machte er keinen Hehl aus seiner schlechten Laune.

„Nun gut. Dann spitz mal deine süßen Lauscher! Ich habe momentan Hauptsaison in meinem Hotel. Doch anstatt mich um die Gäste und den allgemeinen Ablauf zu kümmern, hat ein einzelner Gast mehrere Tage hintereinander eine Rundumspezialbehandlung erhalten. Die Kurzfassung lautet also: Wenn du mich während deines Aufenthaltes irgendwann noch einmal zu Gesicht bekommen möchtest, muss ich jetzt anfangen zu arbeiten, denn sonst hat sich ein Berg angehäuft, den ich bis Oktober nicht wieder abgearbeitet habe.“ Setos Protest wurde einfach in einem langen Abschiedskuss erstickt. „Ich schick dir Yuki mit dem Frühstück vorbei. Danach kannst du mich, wenn du magst, besuchen kommen.“

Und weg war er.

Seto wusste nicht recht, was er von der ganzen Aktion halten sollte. Natürlich, er selbst war auch ein Workaholic, aber dass sein Hündchen Arbeit anziehender fand als ihn in seiner morgendlichen Pracht? Unverschämtheit! Der konnte sich auf was gefasst machen! Aber erstmal...

Das Bett war wirklich gemütlich. Und überhaupt! Draußen war es noch dunkel. Da könnte er doch noch ein kleines bisschen...

Das Gähnen ließ sich einfach nicht unterdrücken.
 

Sie bewegte sich auf Zehenspitzen, dennoch hörte er sie. „Yuki, du kannst aufhören zu schleichen. Ich bin schon wach“, begrüßte Seto sie vom Bett aus. Prompt linste sie um die Ecke und grinste ihn an. „Guten Morgen! Ein sehr starker Kaffee, nehme ich an?“

„Ja, bitte. Währenddessen versuche sich es mal mit Aufstehen.“

„Meinetwegen.“ Der Kopf verschwand und er konnte sich in aller Ruhe aus den zwei Bettdecken pulen. Die Sonne stand bereits hoch genug, dass er sie stehend nicht mehr sehen konnte. Er mutierte wirklich allmählich zum Langschläfer. Aber wofür gab es denn sonst den wunderbaren, braunen Treibstoff für seinen Motor?

Fertig angezogen setzte Seto sich an den Esstisch, auf dem bereits eine Schale mit Grießbrei und Obst wartete. Yuki goss ihm Kaffee ein und zog sich dann in die Küche zurück. Genüsslich aß er alles auf und war dabei so in Gedanken, dass er erst im Anschluss bemerkte, dass sie immer noch da war. Schnell wusch und trocknete sie das Geschirr ab und wartete anschließend geduldig, bis er seine Schuhe gebunden hatte.

„Können wir?“

Er nickte nur. Yuki hatte ihm während des Abwaschs erklärt, dass sie auf ihn warten sollte, um ihn zu Chefs Büro zu führen. So viel zu seiner Wahlmöglichkeit wie er den Tag hatte gestalten wollen! Aber insgeheim interessierte es ihn schon ein bisschen wie Joe normalerweise den Tag verbrachte. Es ging zur gewohnten Tür in das Hauptgebäude hinein und Yuki deutete auf einen kleinen Flur links von ihnen, bevor sie in die Küche ging. Eigentlich hatte er ihrem Vorschlag sofort nachkommen wollen, doch dann bemerkte er eine andere Frau am Durchgang zum Treppenhaus. Sie war eher sportlich gekleidet, die Haare waren zusammen gebunden. Er hatte sie hier noch nie gesehen. Vielleicht ein anderer Gast. Dennoch wurde er das Gefühl nicht los sie zu kennen.

Dann bemerkte sie ihn, wandte ihm das Gesicht zu und lächelte ihn kurz an. „Wie ich sehe, haben Sie meinen Rat angenommen. Dann bleibt mir nur noch, Ihnen weiterhin alles Gute zu wünschen.“ Er glaubte, dass sie noch mehr gesagt hätte, doch Martine kam die Treppe herunter und begrüßte sie. Schnell verschwand er in den Flur. Das Gespräch über einen Ausflug zum Freizeitpark mit den Zwillingen, dass sie nicht zu viel Süßes essen sollten und was Martine heute alles renovieren wollte, konnte er sich echt sparen. Dennoch lauschte er, im Schatten verborgen, bis die zwei Kinder nun ebenfalls die Treppe hinunter kamen. Dann wandte er sich der Tür zu und klopfte zögerlich.

Lange musste er nicht warten. Den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt öffnete ihm Joe und deutete stumm auf einen bequemen Sessel im hinteren Teil des Büros. Seto nahm Platz und sah sich anschließend in Ruhe um. Es war bis auf eine kleine Lampe am großen Schreibtisch in der Ecke und den verschiedenen Monitoren dunkel. Die Jalousien waren heruntergelassen. Auch die eher karge Einrichtung war in dunklen Farbtönen gehalten, da half auch die weiße Wandfarbe nicht mehr. Das war kein Büro, sondern eine Arbeitshöhle! Würde er es wagen, seinen Angestellten solche Zustände zuzumuten, würde keine Stunde später irgendein nerviger Vertreter der entsprechenden Gewerkschaft bei ihm vor der Tür stehen und sich lauthals über diese unmenschlichen Zustände beschweren. Aber Joe tat sich das hier wohl freiwillig an.

„Soll ich das Deckenlicht anmachen, damit du alles etwas besser sehen kannst?“ In Gedanken vertieft hatte Seto nicht gemerkt, dass das Telefonat beendet war. „Nein, geht schon. Ich weiß zwar nicht, wie du es hier drin aushältst, aber so lange es dir gefällt...“

„Tut es. Es hilft dabei mich zu fokussieren. Sonst sehne ich mich noch die Hälfte meiner Arbeitszeit nach der schönen Welt da draußen.“

„Und wonach sehnst du dich stattdessen?“, rutschte es Seto heraus. Natürlich saß er mit dem Rücken von der großen Fensterfront in seinem Büro abgewandt, was jedoch nicht hieß, dass er nicht ab und zu mal nach draußen blickte.

„Unter anderem danach, dass ich einen Tag lang von einem gutaussehenden Mann angeschmachtet werde, der es sich auf meinem Lesesessel gemütlich gemacht hat“, setzte sich Joe auf seine Beine und küsste ihn sanft. „Nur leider wollen ausgerechnet heute eine Menge Leute etwas von mir und ich kann diesen Zustand nicht in vollem Umfang genießen.“

„Macht nichts. Gibt es zu deinem Lesesessel auch eine Leselampe? Dann bleibe ich vielleicht sogar freiwillig hier, während du brav telefonierst und die anderen Dinge machst, die du so machst.“ Tatsächlich hatte er nicht einen blassen Schimmer, was Joe eigentlich alles zu machen hatte, damit das Hotel lief. „Buchungen überprüfen, Belegungen optimieren, unsere Vorräte kontrollieren und auffüllen lassen, für die Sicherheit sorgen und eine ganze Reihe anderer Sachen“, wurde mit einem Augenrollen ergänzt, da das Telefon bereits wieder klingelte. Bevor er aufstand, schaltete Joe die Leselampe ein und küsste Seto kurz. Mit wenigen Schritten war er am Telefon und sprach in das Gerät: „Guten Tag. Hotel mit Meerblick. Chef am Apparat. Was kann ich für Sie tun?“ Professionell, sachlich, aber in keinster Weise unfreundlich, stellte Seto fest. Erstaunlich. Ebenso wie das akute Fehlen eines Buches auf dem kleinen Tischchen mit der Leselampe. Da er den Hotelmanager nicht den ganzen Tag stur anschauen wollte, musste er sich nun ebenfalls erheben. „Ich geh mir ein Buch holen“, flüsterte er Joe ins freie Ohr, während dieser über bereits volle Häuser im September diskutierte. So viel zu 'nicht unfreundlich'.
 

Das Zimmer hinter der Haustür war leer. Nur aus der Küche drangen ein paar Geräusche, die ihn nicht weiter interessierten. Aber weder von Martine, noch von dieser merkwürdigen Frau war etwas zu sehen. Erleichtert durchquerte er den Raum zum Bücherregal und besah sich die Auswahl. Die Werke waren grob nach Genre gegliedert und dann in sich nach Autor und Titel sortiert worden. Er hatte zwar keinen Verdacht wer, aber irgendwer schien sich eine Menge Mühe damit zu machen. Bücher, die viel versprechend aussahen, zog er ein klein wenig nach vorne, um die Ordnung selbst nicht zu zerstören.

Mittlerweile schwankte er nur noch zwischen „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ und „Die Stadt der träumenden Bücher“, wobei hier der kleine Lindwurm auf dem Einband das ausschlaggebende Detail gewesen war. „Wenn Sie sich nicht entscheiden können, kann ich Ihnen auch bei der Wahl behilflich sein“, erklang es vom Durchgang zur Treppe. Erschrocken fuhr Seto herum und erblickte Pegasus, der ihn schon eine Weile zu beobachten schien. Auch wartete er seine Antwort nicht ab, sondern drückte ihm einfach ein großes, in Leder gebundenes Buch ohne Beschriftung in die Hand. „An Ihrer Stelle würde ich es hiermit versuchen.“

Setos Augenbraue rutschte nach oben. Was sollte er … Aus reiner Höflichkeit und in der Hoffnung seinen ungebetenen Beobachter schnellst möglich wieder los zu werden, schlug er die erste Seite auf. Nun wanderte auch die andere Augenbraue nach oben. „Wie kommen Sie darauf, dass ich so etwas lesen sollte?“, fragte er verwirrt. Pegasus unterdrückte deutlich ein Lächeln, als er erwiderte: „Es ersetzt zwar nicht die Jahre, die Sie verpasst haben, aber es ist zumindest ein Anfang. Möchten Sie mich außerdem auf einen kleinen Spaziergang begleiten? Dann kann ich ein paar weitere Ihrer Fragen beantworten.“

„Meinetwegen. Aber wieso müssen wir dazu“

Pegasus legte den Finger an die Lippen und deutete mit der anderen Hand nach links und nach rechts. Zu viele Mithörer. Also folgte Seto ihm nach draußen. Als das Hauptgebäude hinter den ersten Baumreihen verschwunden war, traute er sich die erste Frage zu stellen: „Was wollen Sie mir erzählen, das die anderen nicht hören sollen?“ Doch Pegasus schwieg für eine weitere Minute. Dann erst antwortete er: „Es gibt Dinge, die das Team und meinen Sohn zu sehr beunruhigen würden, wenn sie es wüssten. Außerdem ist das Ganze schon ein paar Jahre her und ich möchte sie nicht unnötig in Panik versetzen. Daher... Ich habe gehört, Sie sind etwas überfordert von der Art Beziehung, die ich zu Joseph habe?“

Seto nickte nur. So konnte man es auch ausdrücken.

„Ich muss zugeben, die Geschichte ist wirklich etwas komplizierter. In der Zeit von Martines Schwangerschaft ging es mir nicht sonderlich gut, gesundheitlich betrachtet. Meine Eltern sind früh gestorben, meine Frau sogar deutlich jünger. Selbstverständlich hatte mir meine Schwester gezeigt, dass sie sehr wohl eigenständig war und auch ohne mich zu Recht kommen konnte, doch die Sorge des großen Bruders blieb natürlich. Was würde passieren, wenn es nicht gut für mich ausging? Wer würde sich um sie kümmern? Für sie da sein? Sie wieder aufbauen an den Tagen, an denen es ihr schlecht ging? Wie sollte ich ihr Wohl und das Wohl ihrer Kinder absichern? Ich brauchte jemand Zuverlässigen, der diese Aufgaben gewissenhaft für mich übernehmen würde.“

„Was war mit Matt? Joe sagte, er sei ein langjähriger Freund der Familie“, unterbrach Seto, in Gedanken bei Roland.

„Wir hatten wenig Kontakt gehabt in den Jahren davor. Er hatte seine eigenen Probleme zu meistern. Zudem hatte er bereits in unserer Kindheit deutlich gemacht, dass er mit der Firma nichts zu tun haben wollte.“

Er musste sehr verdutzt drein gesehen haben, denn Pegasus fasste nach: „Illusion Industries ist im Kern die alte Firma meiner Mutter. Martine und ich sind die vierte Generation an Eigentümern und gleichzeitig Geschäftsführern. Wo waren wir? Ach, genau. Die Suche nach meinem 'Sekundant'. Es war reiner Zufall, dass ich in New York über Joseph stolperte. Er unterschied sich bereits damals schon stark von dem Jungen, der damals für seine Schwester beim Königreich der Duellanten teilgenommen hatte. Äußerlich zumindest. Sein Charakter hatte sich nur darin geändert, dass er noch genauer wusste, was er wollte, ohne dabei seine Prinzipien zu verraten. Familie und Freundschaft waren für ihn nach wie vor das wichtigste auf der Welt, auch wollte er nicht, dass andere Menschen seinetwegen leiden. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie es mich damals beeindruckt hat, dass er das Geld für die OP von Serenity wollte und nicht für sich selbst.

Bald war er wie ein kleiner Bruder für uns, von dem wir zwar nie etwas gewusst hatten, doch den wir die ganze Zeit über gebraucht hatten. Jeden Tag wurde ich mir sicherer, dass ich ihm Martine anvertrauen konnte. Aber da war noch das andere Problem: Wie konnte ich sichergehen, dass er in meinem Namen handeln konnte, wenn ich … Nun ja, es gab nur einen Weg, wie er vor dem Gesetz ein fester Teil der Familie würde werden können und es nicht seltsam zwischen uns werden würde. Natürlich sind acht Jahre nicht viel für ein Vater-Sohn-Verhältnis, aber es funktioniert.“

In Setos Kopf raste es. Immer wieder versuchte er die einzelnen Puzzleteile mit denen zusammen zu setzen, die er bereits kannte, doch es wollte nicht so ganz zusammen passen. „Ich verstehe immer noch nicht ganz“, setzte er vorsichtig an, während sie sich weiter von den anderen entfernten. „Das hat doch nichts mit Ihrem Unternehmen zu tun.“

„Doch, hat es. Martine hat sich mir gegenüber etwas schwammig ausgedrückt, daher weiß ich nicht, ob Sie über die Narben an ihren Armen Bescheid wissen.“

„Eigentlich schon.“

„Gut. Dann frage ich Sie jetzt: Hat Ihr Bruder als er jung war irgendetwas Gefährliches gemacht, von dem Sie jetzt wissen, dass er es nie wieder tun würde, aber Sie immer noch Angst haben, dass es doch erneut geschieht?“

Da musste Seto nicht lange überlegen. „Ja, hat er. Aber ich verstehe immer noch nicht...“ Doch dann ging ihm plötzlich ein Licht auf. Pegasus hatte für den Ernstfall geplant, dafür, dass die Zwillinge weder Mutter noch Onkel haben würden. Die Firma war ihr Erbe, aber das konnten sie erst deutlich später antreten. Vorher brauchten sie jemanden, der sich um sie kümmerte, jemanden, dem er blind vertrauen konnte, dass er die Situation nicht ausnutzen würde, klug entscheiden würde, sie zu guten Menschen aufzog.

„Weiß er es?“

Seufzend zuckte Pegasus mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich vermute, er ahnt etwas. Aber direkt hat er es mir nicht gesagt. Allerdings bin ich nicht so dumm zu glauben, dass jemand, der so clever ist wie er, nicht eins und eins zusammen zählen kann und weiß, was hinter der ganzen Förderung wirklich steckte.“ Sein Blick wanderte zurück zu Seto. „Jetzt schauen Sie doch nicht so! Glauben Sie wirklich, ich könnte einen ungeschliffenen Diamanten ignorieren, wenn er sich in meiner Obhut befindet? Wobei ich eigentlich nicht mehr viel machen musste. Er scheint sich irgendwann von seiner Vergangenheit losgesagt zu haben und hat danach angefangen sich zu entwickeln. Ich habe lediglich dabei geholfen, sein volles Potenzial zu entfalten. Haben Sie weitere Fragen?“

Seto zögerte, unsicher, ob er sich diese Freiheit erlauben durfte, doch dann fragte er: „Wie stehe Sie das alles durch?“

„Was genau?“

„Nun ja, Ihre Verluste in der Vergangenheit, Ihre etwas seltsame Familiensituation. Das alles.“

„Und das fragen ausgerechnet Sie?“

„Ja. Denn es scheint Sie hätten eine andere Lösung als ich gefunden, damit umzugehen“, gab Seto ehrlich zu.

„Familie!“, lachte Pegasus. „Meine Familie ist der Dreh- und Angelpunkt meines Lebens. Sie steht an erster Stelle und gibt mir den nötigen Halt. Ich habe jemanden zum Lachen, aber auch zum Weinen. Wenn ich Hilfe brauche, ist sie für mich da, muntert mich auf, lenkt mich von meinen Problemen ab und hilft mir letzten Endes sie zu lösen. Auch erinnert sie mich daran, nicht immer alles so Ernst zu nehmen. Reicht das als Antwort?“

Die Worte lagen Seto auf der Zunge, doch schaffte er es nicht, sie auch tatsächlich auszusprechen. Deswegen erwiderte er nur: „Ja, es erklärt einiges.“ Pegasus hatte gelernt auf die schönen Dinge im Leben zu bauen und war glücklich.

„Dann bringe ich Sie jetzt zurück. Joseph vermisst Sie sonst vielleicht doch noch und wir stehen unter dem Verdacht heimlich im Urlaub gearbeitet zu haben. Und glauben Sie mir, da wird er wirklich stinkig!“ Seto blieb also nichts anderes übrig, als hinter ihm herzugehen, vertraute er doch der Erfahrung des anderen.

Allerdings wunderte es ihn, als sie kurz vor dem Hauptgebäude stehen blieben. Pegasus wandte sich ihm zu und sagte etwas, bevor er sich in Richtung Pool davon machte. Dann war Seto allein.
 

Bewaffnet mit Fotoalbum und Jules Verne betrat er leise wieder das Büro und schlich zum Lesesessel, da Joe bereits wieder am Telefonhörer hing. Vorsichtig schlug er den Ledereinband auf und nahm sich nun Zeit für jedes einzelne Bild. Unter jedem stand in kleinen Buchstaben ein Datum und wer es aufgenommen hatte. Martines Name dominierte, doch auch Chef beziehungsweise bei den frühen Aufnahmen Jo und Maximillion waren zu finden, sowie zum Ende hin Clara und Ethan. Es gab offizielle Porträts, Familienbilder, bei denen sie alle ordentlich gekleidet für die Kamera posierten, doch auch ein Bild, auf dem Martine und Pegasus tief schlafend auf einem Sofa lagen gab es – zwei Säuglinge hell wach zwischen sich. Urlaubsschnappschüsse. Momentaufnahmen von Empfängen. Die Zwillinge auf Fahrrädern, Zahnlücken, mit Babybrei verschmiert, wie sie mit Joe tobten. Joe und sein Vater, jeder in einem alten Ledersessel und vornehm die Zeitung lesend. Martine allein, Klavier spielend und mit einem Ausdruck, als existiere die restliche Welt um sie herum nicht.

Doch der Moment, in dem es um Seto geschehen war, war als ein Foto zwischen den Seiten herausrutschte, das offensichtlich nicht fest eingeklebt war. Es war älter als der Rest und begann zu vergilben. Man sah zwei Kinder, verschieden alt, aber sich so ähnlich, dass sie nur Geschwister sein konnten. Das Ältere hatte beschützend den Arm um die Schulten des Jüngeren gelegt und beide grinsten breit in die Kamera.

Überlegen Sie sich, was Sie wirklich vom Leben wollen. Oder zumindest, was Sie sich von dieser Beziehung versprechen.

Er schluckte schwer. Es gab solche Aufnahmen auch von ihm und Mokuba. Seiner Familie.
 

„Kommt ihr zum Essen raus?“, forderte Yuki und unterbrach beide Männer in ihrer Beschäftigung. Joe bejahte und speicherte die Kostenkalkulation, an der er gesessen hatte, während Seto das Lesezeichen zwischen die Seiten legte. Ursprünglich hatte er seine Hilfe bei der Kalkulation angeboten, als der Telefonterror aufgehört hatte und der Hotelmanager endlich Zeit für ihn hatte. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass er keine Ahnung davon hatte, was und in welchen Mengen so ein Hotel brauchte. Etwas verschnupft hatte er sich zuerst auf den Beobachterposten neben den Computer gesetzt und schließlich seine Lektüre fortgesetzt.

„Kommst du?“

Gemeinsam setzten sie sich zum Team, das sich bereits um den Esstisch im Aufenthaltsraum gequetscht hatte. „Wo ist Mokuba?“, wollte Seto wissen. Martine, deren Stuhl mit einer großen Folie abgedeckt war, antwortete: „Draußen bei meinem Bruder. Sie spielen eine Runde Duell Monsters und wollten nicht unterbrechen.“ Unter Cians strengem Blick schälte sich sich aus den Ärmeln des Overalls.

„Achso“, sagte er daraufhin als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass ausgerechnet diese beiden sich duellierten. Yuki machte ihm auf der Bank Platz und Shin häufte Kartoffelsalat auf seinen Teller. Joe hingegen musste sich selbst bedienen und bot dabei einen lustigen Anblick, da er jeden Kontakt mit Martine vermied, um nichts von der Farbe abzubekommen. Doch sie fragte nicht ihn, sondern Seto: „Ist alles in Ordnung?“

„Ja, ist es. Ich war nur kurz in Gedanken.“ Er hatte nicht einmal gemerkt, dass er sie angestarrt hatte. Sie ihrerseits blickte ihm einen Moment zu lange in die Augen, bevor sie erwiderte: „Dann ist es ja gut.“
 

Doch seine Verwirrtheit hielt den Tag über an. Er ertappte sich dabei, während des Nachttischs – Eclair – nachzudenken. Während des Abräumens, auch wenn Shin und Hans beteuerten, er müsse ihnen nicht helfen. Während Joe sich einen Nachschlag der besonderen Art bei ihm holte, bevor er wieder ans Telefon musste. Während er las. Immer wieder kamen seine Gedanken zurück zu diesem einen Thema und ließen sich nicht abschalten. Als die Zwillinge hereinstürmten, gefolgt von Martine, völlig aufgekratzt und mit leuchtenden Augen. Das machte es nicht gerade besser.
 

„So. Fertig für heute!“

„Schon?“

„Schon? Hast du mal auf die Uhr gesehen? Es ist höchste Zeit, dass wir beide ins Bett kommen!“

Seto nickte langsam und legte dann das Lesezeichen zwischen die Seiten. „Okay, meinetwegen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Seelendieb
2017-05-19T15:40:43+00:00 19.05.2017 17:40
Sooo.... Dann komme ich jetzt auch endlich mal wieder dazu, zu lesen.

Eins vorne weg - es gibt vom Schreibstil her nichts einzuwenden. wie gehabt, alles top.

ABER
inhaltlich habe ich da doch einiges zu bemängeln....

1.) In meinen Augen passiert ZU viel in dem Kapitel. Bzw es sind zu viele Gedanken und Ideen ohne den entsprechenden Übergängen / Verbindungen, dass es wie überladen wirkt.

Bsp: Seto früh im Bett - geweckt durch Joey; Yuki; dann die Episode mit der bekannten unbekannten jungen frau,; Dann wieder Joey; Dann Pegasus; Joey; und dann die Verwirrtheit. Es ist für mich einfach zu viele Ideen, die angeschnitten werden und dann irgendwie nicht richtig zu ende gebracht werden. Das schönste am Kapitel, war das Gespräch mit Pegasus, aber... da fehlte für mich zum schluss etwas. Der Übergang war einfach nicht fließend.

Da ganze kapitel wirkte zum Teil auf mich, dass du einfach nur Stichpunkte abgearbeitet hast...

2.) Ich weiß nicht was es ist, aber irgendwie entspricht die "Beziehung" der beiden zueinander / zwischen einander nicht mehr dem Stil der FF entsprechend. HEißt: ZU viel Fluff. Ich habe den eindruck, dass sie sich schon Jahrelang kennen und zusammen sind, anstatt, dass sie gerade dabei sind sich kennen zu lernen. Es wirkt ZU vertraut.

Ansonsten Gutes Kapitel. ;) Und wie gesagt, die stelel mit Pegasus war für mich die schönste. Leider fehlte in richtung Schluss etwas mehr Tiefgang.
Antwort von:  flower_in_sunlight
21.05.2017 18:53
Schön, dass du immer noch liest und mir Feedback gibst! Der Rest meiner Leserschaft ist ja eher zurückhaltend...

Jetzt mal zum Eingemachten:
1. In dem Kapitel waren mir zwei Dinge wichtig:
- Seto begleitet Joey zur Arbeit. Seto erhält die Chance zu sehen, was Joey eigentlich leisten kann und wie sehr er sich auch hinsichtlich Arbeitswelt weiterentwickelt hat
- Gespräch mit Pegasus (das dir sogar gefallen hat). Ich will jetzt nicht das Ende der Geschichte verraten, aber das Gespräch zwischen beiden ist wichtig dafür, wie sich Seto in den letzten Kapiteln verhalten wird. Zum plötzlichen Ende: Seto wird sehr verwirrt zurückgelassen und ich wollte dieses Gefühl auf die Leserschaft übertragen. Außerdem stehen Pegasus' Abschlussworte eigentlich im nächsten Absatz (hab's nur vergessen zu kennzeichnen)
Der holprige Übergang liegt vor allem daran, dass ich inzwischen über sehr lange Zeiträume hinweg an einem Kapitel schreibe, da mein Stundenplan momentan ziemlich voll ist (und ich dachte schon vor zwei Jahren, das wäre die Hölle - habe mich offensichtlich geirrt)

2. Manchmal brauche ich eben Fluff! Und mittlerweile schreibe ich an diesem Teil seit über einem Jahr, da schleichen sich leider ab und zu mal kleine Fehlerchen ein. Aber im Großen und Ganzen ist die Vertrautheit zwischen den beiden gewollt.

zum Thema Tiefgang: s. oben


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