Zum Inhalt der Seite

Es kommt wie es kommt

SheenaxZelos
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein sehr sehr langes Bonus Kapitel. Ich wünsche dort viel Spaß beim lesen und hoffentlich verzeiht ihr mir den Kleinen... ich sage mal Ausflug in eine komplett andere Zeitrechnung als ich eigentlich am schreiben war.
Ich habe versucht mit all den kleinen Hinweisen zu arbeiten, die mir Manga, Spiel, Anime und die Drama CDs gaben.
Leider gibt es keine richtige Zeitangaben mit wie viel Jahren Sheena nach Sybak kam, also siedle ich sie mit 14-15 an und Zelos mit 17-18. Natürlich gibt es viel viel mehr was es zu beachten gilt, wie zum Beispiel das Alter in dem Zelos von Cruxis angesprochen wird (laut Manga wird er das in einem sehr jungem Alter) und ab wann er dann auf Sheena trifft. Ich schätze, dass er erst bei der eigentlichen Reise anfängt, die Dringlichkeit zu sehen, sich alle vom Leib zu halten.
Aber wie gesagt. Alles was mit Sheena zwischen 7-19 Jahren wirklich passiert ist komplett im Dunkeln, wann sie Corrine begegnet, wann sie Zelos begegnet, was sie wirklich alles noch machte/erlebte. Darum ist das meiste hieraus wirklich selbst erfunden.
Ich lege leider viel zu sehr wert auf das, was wirklich canon ist haha ♥ Also trotzdem viel Spaß und lasst mich wissen, was ihr eventuell denkt! Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Bonus Kapitel: Vergangenheit

Bonus Kapitel:

 

Vergangenheit

 

„Wir vertrauen dir Sheena!“

„Du packst das schon!“

„Mit dir wird Mizuho wieder aufleben!“

 

Ja!

 

Sieben Jahre jung und trotzdem war Sheena voller Tatendrang, dem großen und ehrfürchtigem Volt entgegen zu treten. Sie hatte alles dabei, was sie benötigen würde; ihre Siegelkarten, ihr Ninjato, sie trug selbst die traditionelle Kleidung des baldigen Oberhauptes.

Die Vorfreude war grenzenlos, aber ebenso die Angst und die Neugierde, was sie genau in dem Tempel des Blitzes erwarten würde. Ob Volt einfach so einen Pakt mit ihr eingehen würde?

Sicherlich! Großvater hatte ihr alles erzählt, was sie wissen müsste, es konnte einfach nichts schief gehen! Und all ihre Freunde waren dabei, sogar deren Eltern!

Sheena grinste zu Orochi, der sachte zu ihr nickte. „Aufpassen, Sheena! Sobald das Zeichen gegeben wird, müssen wir schnell in das Innerste!“

„Ich weiß ich weiß!“

Und wie das alles aufregend war! Überall blitzte und zuckte das Licht, Mana erfüllte den gesamten Vorraum, so viel Mana hatte sie noch nie zuvor gespürt. Sie schien auch die einzige zu sein, die es fühlen konnte.

„Wahrscheinlich durch das Elfenblut was in mir fließt!“, hatte sich Sheena als Antwort gegeben. Aufpassen konnte die junge Dame in dem Unterricht, den Igaguri ihr gab, sehr gut.

„Sheena! Das Zeichen!“

Sofort sprang das Mädchen auf und rannte los. Jetzt kam der Moment, der Moment auf den sie schon immer gewartet hatte. Sie würde den ersten Elementargeist darum bitten, einen Pakt mit ihr einzugehen!

Hoffentlich konnte sie auch wirklich beschwören…

„Sheena, konzentriere dich!“

Die ruhige, aber ernste Stimme ihres Großvaters gab Sheena das Gefühl, dass sie alles tun könnte.

Die Zukunft Mizuhos hing von diesem Pakt ab!

„Nun sage den Spruch des Paktes auf, wie wir es geübt haben, Sheena!“

„Ja, Sensei!“

Sheena schluckte laut, dann aber nickte sie sich selbst zu und sprach mit lauter Stimme:

„Ich bin Sheena! Ich bin es, die einen Pakt mit Volt sucht!“

Blitze zuckten um die Ohren des jungen Mädchens, das Mana welches schwer in der Luft hing konzentrierte sich auf einen Punkt und mit einem lauten Krachen erschien ein Wesen, wie Sheena es noch nie zuvor gesehen hatte.

Für diesen Augenblick vergaß sie sogar zu atmen, holte dann aber tief Luft.

„Das ist tatsächlich Volt! Er ist erschienen!“ Igaguri blieb dicht hinter Sheena, die sich nur kurz zu ihm umdrehte.

„Sheena!“

„Natürlich! Ehrm… Volt! Ich will ein Bündnis mit-“

Seltsame Stimmen hallten durch ihre Gedanken, aber Sheena verstand kein einziges Wort davon.

Ist das seine Stimme? Ist das Volt der zu mir spricht? Ich verstehe ihn nicht!

„Volt?“ Sheena schüttelte leicht ihren Kopf. „Ich verstehe dich nicht!“

Blitze sammelten sich um den Elementargeist und die Stimme, die in Sheenas Gedanken hallte wurde lauter, bis sie verstummte.

„Was…“

„SHEENA! SHEENA PASS AUF!”

 

Ein unbegreiflicher Schmerz betäubte Sheenas Sinne. Der Boden wurde unter ihren Füßen weggerissen, alles drehte sich und sie kam erst wieder zu sich, als sie den Schatten ihres Großvaters vor sich sah.

„S-Sensei…!“

Warum lagen alle anderen am Boden? Warum rührte sich keiner mehr?

„Diesmal… haben wir versagt… Sheena, flieh! Ich werde ihn beruhigen!“

„W-Was?“

Igaguri zog gerade die Siegelkarten hervor, als ihn ein erneuter Blitz traf und er direkt vor Sheenas Augen zu Boden ging.

„Sensei! SENSEI!“

Sie waren tot. Sie waren alle tot.

„Ne…. NEEEEEEEEEIN!“

Sheena stand auf. Sie ignorierte die warnenden Blitze des Elementargeistes und rannte zu den leblosen Körper.

„Wacht auf! Wacht doch auf! Wir müssen Großvater helfen!“

Verzweifelt schüttelte Sheena den Körper einer Frau, lief zu dem nächsten hin und wiederholte das ganze Trauerspiel.

„Bitte wacht doch auf! Bitte…. Bitte wacht doch auf!“

Sie stolperte, fing sich mit ihren Händen auf um erneut auf die Beine zu gelangen, aber die Tränen, die ihr über das Gesicht liefen, verschleierten alles um sie herum.

Sheena schüttelte ihren Kopf immer und immer wieder. „Wacht auf… bitte wacht auf! Ihr dürft nicht schlafen! Wir müssen… müssen doch Großvater he-helfen!“

„Sensei!“

„Bitte, Sensei, wacht auf!“

Schreie ertönten durch den Tempel, Schreie des Entsetzens, der Trauer. So viele starben an diesem Tag, so viele wurden verletzt.

„Sheena, wenn Sensei stirbt, dann bring ich dich um!“

„Miststück!“

Igaguri war es, der mit letzter Kraft meinte, man solle Sheena nicht die Schuld dafür geben.

Das brauchte auch keiner. Das tat sie selbst.

 

 

Jede Bewegung die Orochi machte, wohin er sie auch führte und was auch immer die aufgebrachten Gesichter versuchten zu erklären, Sheena verstand sie alle nicht mehr. Sie saß mit ihrem Großvater und seinen Freunden an dem warmen Tisch. Sie spielen ein seltsames Spiel mit Steinen. Sie lachten laut los, aber warum wollte keiner erklären.

Da war Sheena gerade und da wollte sie auch bleiben.

„Sheena?“ Die müden Augen sahen hinauf zu dem Ninja, der sie mit Besorgnis musterte. „Wir fahren zurück nach Mizuho.“

Das junge Mädchen lehnte sich an seine Schulter und schloss die Augen. Es war kalt und ein starker Wind zerzauste ihre schwarzen Haare, sorgte mit einer schrecklichen Kälte für gerötete Wangen. Aber die Kälte war nichts im Gegensatz zu der einsamen Stille in ihrem Kopf.

„Ist…ist Großvater zurück?“, fragte Sheena leise.

Kurze Stille, ehe Orochi ihr flüsternd antwortete. „Alle werden zurückkommen. Eines Tages.“

Ob sie wirklich verstand, was er ihr sagen wollte? Vielleicht würde sie das, irgendwann.

„Mein Rücken tut weh.“

Orochi drückte sie vorsichtiger näher zu sich. „Halte noch durch, wenn wir zurück sind, helf ich dir.“

 

Das Schiff auf dem sie zurück nach Mizuho segelten schaukelte leicht auf den Wellen des Meeres. Der eiskalte Wind hatte sich gelegt und die Sonne schien auf die erschöpften und traurigen Gesichter der Dorfbewohner.

In der letzten Reihe ging Sheena neben Orochi her, zurück in den dunklen Wald von Tethe’alla. Zurück nach Hause.

Sie war so unsagbar müde, dass sie fast beim Gehen einschlief. Orochi schüttelte sie immer wieder, ermahnte sie, wach und aufmerksam zu bleiben. Viel erreichte er nicht.

Viele der Dorfbewohner kamen auf sie zugelaufen, aber niemand interessierte sich für das kleine Mädchen, welches langsam durch den Torbogen hinein in das Dorf ging, sich in das Haus begab in dem sie wohnte, ihrem Großvater Gute Nacht wünschte und in einer Ecke nur geschützt von der dünnen Decke zwischen Tonkrügen und Körben einschlief.

 

Es vergingen Tage, lange und kurze Tage, kalte und dunkle Tage, ehe Sheena sich langsam aus dem Haus traute.

Die Stimme des Elementargeistes hallte in ihren Gedanken jedes Mal wieder, wenn sie viele Menschen auf einmal hörte. Viele Stimmen und Geräusche.

Die Blitze und das Krachen kehrten zurück, die Schreie und die Angst waren wieder da. Nichts linderte diese unsagbare Angst, nichts machte es besser, außer die Ecke zwischen den Krügen und den Körben.

Diese Ecke versteckte Sheena vor all den Blicken und den bösen Gemurmel. Es war vorher nie dagewesen, aber jetzt war es überall. Sie wusste nicht, wie sie es allen Recht machen sollte und niemand wollte mit ihr sprechen oder ihr erklären, was sie zu tun hatte.

Aber noch viel mehr schmerzte es Sheena, dass sie ihren Großvater nicht sehen durfte. Er war im Dorf und lebte, aber er kam nicht zum Essen, er kam nicht um mit ihr zu trainieren.

Niemand kam.

Nur Orochi war dort, half ihr bei allem, was sie nicht allein stemmen konnte. Solange sein Bruder ihn dabei nicht erwischte.

Doch auch Orochi waren die Hände gebunden. Sheena wollte alles auf eigene Faust wieder gut machen und versuchte zu helfen, doch die einzige Antwort die sie aus dem Dorf bekam war die Ablehnung.

 

„Sheena, es ist für dich das Beste, wenn du nach Sybak  gehst.“

Sheena sah zu Tiga hinauf. War es endlich etwas, mit dem sie ihrem Dorf helfen durfte? Nach dem jahrelangen Warten?

„Wieso?“

„Dort gibt es eine Akademie, die sich auch mit Elementargeistern und Beschwörungen befasst. Es wäre für dich das Beste, wenn du dort lernen wirst.“

Welche andere Wahl blieb ihr übrig, als diesen Vorschlag anzunehmen?

Es dauerte nicht lange bis Sheena all ihre Habseligkeiten gepackt hatte und reisefertig vor dem Tor Mizuhos stand.

Wenn es allen hier helfen würde, wenn alle ihr dafür vergeben würden, dann würde Sheena weiter reisen, als diese Welt es erlaubte. Mit einem letzten Blick sah sie zurück auf das Dorf, welches sie eine Zeitlang ihr Zuhause nennen durfte, dann drehte  sich das junge Mädchen um und folgte einem der Dorfbewohner hinaus aus dem Gaoracchia Wald in eine unbestimmte Zukunft.

 

Was Sheena nicht ahnen konnte war, dass sie wirklich Welten bereisen würde um ihre Schuld zu sühnen.

 

 

Bonus Kapitel:

Der Junge mit dem feuerroten Haar

 

 

Seltsam schmeckte das Essen noch immer in dieser komischen Cafeteria, aber Sheena störte das nicht. Sie knabberte an einem Stück Melone herum und trank den völlig verbrühten Tee ohne auf ihre Umgebung zu achten. Schon seitdem sie das erste Mal in der Akademie übernachtet hatte, ignorierte Sheena jeden einzelnen der Halbelfen, jeden der Menschen die hier herumliefen. Sie blieb an diesem einzelnen Platz sitzen, bis Forscher sie direkt rufen ließen. Das junge Mädchen hatte sich mit diesem Schicksal angefreundet und konnte so einfach Fragen und Gesprächen aus dem Weg gehen.

Schnell gewöhnte sich Sheena an all die Gerätschaften, die Umgebung, das seltsame Leben dort. Am Anfang hatte sie jedes einzelne Experiment mitgezählt und versucht zu verstehen, was dort eigentlich geschah, aber auch das gab Sheena eines Tages auf. Es war ihr wichtiger, so viele Versuche wie nur möglich durchzuführen, um am Ende des Monats das erarbeitete Geld nach Mizuho zu senden.

Auch die Forscher verstanden, dass die Frage, warum sie denn nichts für sich behielt, schnell überflüssig wurde.

 

Manchmal saß Sheena auf einen der Dächer in Sybak und beobachtete den Sonnenuntergang. Sie fragte sich wie es ihrem Großvater wohl ginge und ob Mizuho die Verluste überwunden hatte.

Aber seit dem Tag, an dem sie hier ankam, gab es keine einzige Nachricht, keinen einzigen der Dorfbewohner, die nach ihr gefragt hatten.

Die junge Ninja legte ihren Kopf auf die Knie und seufzte leise. Der Tag verging genauso ereignislos wie jeder andere auch. Wie sehr sie sich doch wünschte zu wissen, was Orochi und Kuchinawa gerade taten. Was Tiga wohl geplant hatte und ob Igaguri vielleicht wieder mit all ihren Freunden trainierte.

Doch viel größer war die Frage, ob einer von denen sie überhaupt jemals wieder sehen wollte. Ob sie jemals wieder das Dorf betreten konnte, ohne den Hass zu ernten, den sie verdient hatte.

Es wäre zu viel verlangt, nach Vergebung zu bitten.

 

„Sheena, geht es dir gut?“

Langsam stieg die Ninja aus dem Apparat hinaus. Sie wusste nicht, was dieses Gerät tat aber sie konnte es nicht leiden.

„Alles gut, ich bin nur weggedöst.“

Der Forscher schob seine Brille hoch und sah sie noch immer mit einem leichten besorgten Blick an.

„Bist du dir sicher? Wir können einen Pause einlegen, wenn du magst!“

Eine Pause klang nicht schlecht. Sie war seit Stunden in diesem Raum gewesen, ohne etwas getrunken oder gegessen zu haben.

„Ich glaub die nehm ich mir jetzt. Bin gleich wieder da.“

Bevor Sheena den Raum verlassen konnte, hielt er sie mit einem kurzen „Warte!“ auf.

„Hm?“

„Wenn etwas ist, du weißt du kannst mit mir darüber reden, okay?“

Sheena grinste leicht. „Ich glaub wir müssen über meine Arbeitsbedingungen reden, alle zwei drei Stunden 15 Minuten Pause, wie klingt das?“

Winkend verließ sie den Raum und ließ einen verwirrten Forscher zurück.

Die Akademie war sehr belebt, ein neues Semester hatte begonnen und viele neue Gesichter begegneten ihr auf den langen Fluren. Doch Sheena ignorierte alle, sah zu Boden und lief einfach weiter zu ihrem Platz in der Cafeteria.

Sobald sie um die Ecke ging, stieß sie mit jemanden zusammen.

„Uff! Was war das denn?“

„Master Zelos! Habt ihr Euch wehgetan? Du Da! Entschuldige dich gefälligst!“

Sheena rieb ihren Kopf, sah auf und direkt in die musternden, kalten blauen Augen eines jungen Mannes.

„Tschuldige.“

Schnell lief sie um ihn herum, um seine Gefolgschaft ebenfalls und verschwand in den Saal.

 

„Ich bin ein Tollpatsch.“

Seufzend stocherte sie in ihrem Kuchen umher. Der Vorteil vom Semesterbeginn war auf jeden Fall das bessere Essen und die Gratisdreingaben. Sheena hatte schon lange nicht mehr solch einen guten Kuchen gegessen, auch wenn sie das gerade gar nicht realisierte.

„Und ein Vollidiot.“

Den Kopf auf den Tisch legend, seufzte sie erneut laut vor sich her und blieb in dieser Position, bis auf einmal lautes Geplapper die Stille des Saales durchbrach.

Genervt drehte sie sich zur Wand um und begann, einzelne Krümel von dem Teller zu pflücken.

 

„Master Zelos, ich habe gerade mit Ihnen gesprochen, ist Ihnen meine Anwesenheit etwa zu viel?“

Der Junge sah weiterhin in die Ecke in der das schwarzhaarige Mädchen saß und zum dritten Mal aufseufzte, diesmal aber trauriger.

„Wer ist das?“, hörte Sheena ihn fragen.

„Das? Das ist nur das Versuchskaninchen der Halbelfen hier, kümmert Euch nicht um die! Die ist es nicht wert!“

Mit einem Ruck schob Sheena den Stuhl beim Aufstehen von sich und verließ die Cafeteria, ohne die Gruppe eines Blickes zu würdigen. Je weniger Aufmerksamkeit du bekamst, desto weniger würden sie dich ansprechen oder etwas von dir wollen.

Oder noch viel schlimmer.

Mit schnellen Schritten lief Sheena den Gang hinunter, zurück in den weniger belebten Kellertrakt des Gebäudes. Hierhin würden sich wirklich keine Schüler verirren und hier hatte Sheena alle Zeit der Welt nachzudenken, für sich zu sein und sich zu beruhigen.

Neben ein paar unwichtigen Räumen mit Gerätschaften und Putzmitteln waren hier auch die gemeinsamen Duschen. Bevor sie sich wieder den Experimenten zuwenden wollte, verschwand Sheena in den Raum, eine seltsame ruhige Stimmung empfing sie in dem großen Bad.

Sie liebte es hier, selbst wenn sie manchmal nicht allein war. Es erinnerte alles an das Onsen, was sie mit den Dorfleuten und Igaguri einmal besucht hatte.

 

Sheena kümmerte es nicht, dass die Tür offen stand und jeder in den Raum gelangen konnte. Sie drehte eine Dusche auf und begann, sich die Haare zu waschen, nahm sich viel Zeit um das warme Wasser auf ihrer Haut zu genießen. Das hier war das Einzige, was sie sich selbst gönnte. Es war wichtig und würde ihr helfen, für einen Moment an nichts Böses zu denken.

Langsam drehte sie sich zur Seite, fingerte nach der Seife, bis sie die feuerroten Haare erblickte, die zu jemanden gehörten, der urplötzlich hinter ihr stand.

Sheena brauchte einen Augenblick um zu verstehen, dass das hier keine Halbelfe oder Forscherin war, nein. Es war der seltsame Junge von vorhin, der jetzt nur dastand und sie mit seinen blauen Augen schon wieder musterte.

„Hiii….. HYAAAAAAAA!“

Sie warf die Seife nach ihm, griff sich alles was sie erreichen konnte um ihn aus dem Bad davonzujagen.

„WAS FÄLLT DIR EIN MICH ZU BEOBACHTEN!!“

Schnell griff die Ninja nach einem Handtuch und versteckte sich dahinter, warf erneut undefinierbare Gegenstände nach dem perplexen Jungen, der endlich Reißaus nahm und das Bad verließ.

„DÄMLICHER IDIOT! BLÖDER VOLLTROTTEL! DU DOOFER PENNER!!“

Was fiel diesem Schnösel ein, den Raum zu betreten, sie zu beobachten und dann auch noch wie ein Perversling ihren Körper anzustarren! Der konnte was erleben!

In Windeseile zog Sheena ihre Kleidung an und rannte mit noch nassen Haaren und barfuß aus dem Bad hinaus. Lange musste sie nicht nach dem rothaarigen Idioten suchen, er stand an der Wand angelehnt, wenige Meter entfernt.

„Da bist du! Du dämlicher Trottel!“

„Hey hey hey, warte warte!“ Der Junge hob schützend seine Hände. „Das war ein Versehen, ich schwörs dir!“

„Ein Versehen?! Du dämlicher Penner, ich zeig dir was ein Versehen ist!“

Bevor Sheena ihn greifen konnte, pflückte der Junge ihre Hände aus der Luft, drückte diese mit einer unglaublichen Kraft an die Wand über ihren Kopf und keilte ihre Beine mit seinen fest.

„Beruhige dich! Ich sagte doch es war ein Versehen, es tut mir Leid!“

Ein paar Sekunden versuchte Sheena vergeblich, sich aus dem Griff zu befreien, bis sie ihn wütend anstarrte und nur noch wenige Male zuckte.

„Lass mich sofort gehen!“

„Nur wenn du mir versprichst, mich nicht mehr zu schlagen oder Dinge nach mir zu werfen! Die Seife tat ganz schön weh.“

Sie vertraute dem komischen Blick ihres Gegenübers nicht. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie einen Menschen nicht durch seine Augen einschätzen konnte. Seltsame Augen waren es. Kalt und tief, aber sie verrieten kein bisschen darüber, was er fühlte oder wollte.

„Na komm schon. Die Position muss dir wehtun, hab ich Recht?“

„Blöder Penner.“

Sheena sah zur Seite weg.

„Oder möchtest du, dass ich dir etwas anderes zeige?“

Mit fragendem Blick sah sie zurück zu ihm. „Wie, was anderes?“

Grinsend ließ er sie los. Grummelnd rieb sich Sheena über die Handgelenke, beäugte ihn nebenbei genauestens.

Wer war dieser seltsame Kerl, mit seinen feuerroten Haaren und diesem selbstgefälligen Grinsen? Sie hatte ihn hier noch nie zuvor gesehen. Aber viel wichtiger war, dass dieser Perversling es einfach gewagt hatte, ihr beim Duschen zuzusehen!

„Wie ist dein Name?“, fragte er plötzlich.

„Warum willst du das wissen?!“, zischte Sheena ihm entgegen. „Glaubst du ich-“

„Nur deinen Namen, mehr nicht, mein Honey.“

Sheena wich leicht perplex zurück, als sie seinen Finger auf ihrem Mund spürte. In ihr kochte es, es war gar nicht zu beschreiben wie gerne sie ihn jetzt wegtreten wollte.

„Ich bin nicht dein Honey, du verfluchter Vollidiot! Verdammter Schnösel!“

Sie drehte sich um und lief schnurstracks den Gang hinauf um schnellstmöglich aus seiner Reichweite zu kommen. Doch oben erwartete Sheena eine ganze Gruppe von gut und ausfallend gekleideten jungen Frauen, die alle murmelten und tuschelten sobald sie die schwarzhaarige Ninja in ihrem einfachen Outfit sahen.

Mit hochrotem, gesenktem Kopf ging sie schnell an der Gruppe vorbei, hörte hinter sich noch ein paar Male „Zelos-sama!“ „Auserwählter!“ „Was macht Ihr bloß mit uns?!“ bog um die Ecke und verschwand in einen leeren Klassenraum.

„Alles ist gut, Sheena, alles ist gut. Du wirst diesen Idioten nie wieder sehen. Alles gut.“

Angelehnt an eine Wand versuchte Sheena ihre Fassung zu bewahren und atmete laut durch. Sie erinnerte sich an die Atemübungen, die sie vor den Trainingseinheiten immer gemacht hatte und ahmte diese langsam nach.

Es half ihr dabei, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Das Leben würde weitergehen. Sie würde hoffentlich schnell diesen seltsamen Vorfall vergessen.

Sheena stieß sich von der Wand ab und verließ das Zimmer. Sie hatte den Forscher lang genug warten lassen, ausserdem waren ihre Haare noch immer nass.

 

„Haaah, diese Experimente werden immer länger.“

 Um sich ein bisschen von den ganzen Versuchen abzulenken, spazierte Sheena langsam durch Sybak. Die Stadt war bis unter den Rand gefüllt mit wissbegierigen Menschen, die alle ihren eigenen Weg suchten und sie überhaupt nicht zwischen den Massen auffiel. Es gefiel Sheena und sie konnte sich manchmal sogar dabei ertappen, wie sie an Händlerständen stehen blieb und die Waren begutachtete.

Seit einiger Zeit war Orochi fast täglich bei ihr um mit ihr zu trainieren. Er hatte ihr sogar neue Kleidung gebracht, ein richtiges Outfit aus Mizuho. Selbst ein paar Siegelkarten waren dazwischen, falls sie diese einmal brauchen würde. Igaguri hatte Sheena diese als Kind geschenkt, aber damals wusste sie nichts mit dem Papier anzufangen.

Auf jeden Fall war es schön, sich in etwas traditionellem zu bewegen und nicht mehr diese viel zu großen Kittel zu tragen. Zwar musste sie auch noch in das jetzige reinwachsen, aber es war für eine Frau zugeschnitten und nicht für einen Mann.

Soweit wie Orochi ihr erzählt hatte, war Igaguri noch immer am Schlafen, aber es ging ihm um Welten besser als damals, nachdem sie Mizuho verlassen hatte.

Ein riesiger Stein fiel von ihrem Herzen, als sie die Nachricht bekam und seit langem konnte Sheena wieder wirklich lachen.

Vielleicht würde er bald aufwachen und sie konnte ihm erzählen, wie viel sie bisher erreicht hatte. Wie viel sie mit den Forschern über das Beschwören herausgefunden hatte, dass sie selbst sehr viel stärker geworden war und helfen konnte, wo es nur ging.

Wie schön das Gefühl doch war, endlich Gewissheit zu haben, dass Mizuho eines Tages wieder ihre Heimat sein konnte.

Solange würde Sheena arbeiten und Geld schicken, bis sie alle genug zusammen hatten.

 

Lautes Geschnatter und Gekreische zog Sheena aus ihren Gedanken heraus und sie knurrte leise auf. Seit dem Vorfall mit diesem seltsamen Jungen, versuchte sie all diesen Geräuschen aus dem Weg zu gehen und vor allem ihm aus dem Weg zu gehen, aber es war fast unmöglich. Er schwänzte die Stunden, lief, immer gefolgt von einer Reihe wohlhabender Mädchen, andauernd durch die Akademie und Sybak, doch was Sheena noch viel mehr ärgerte war, dass er sie anstarrte. Jedes verdammte Mal starrte dieser Typ sie an. Und wenn sie es wagte, zu ihm zu sehen, dann lächelte er, strich sich seine roten Strähnen aus dem Gesicht und nickte ihr leicht zu.

Fast mit hochrotem Kopf nahm Sheena so schnell sie konnte Reißaus. Der Kerl hatte sie nackt gesehen, es gab eigentlich nichts schlimmeres mehr, was noch passieren konnte. Ein fremder Mann, der sie beim Duschen beobachtete, ihr gruselig zulächelte und auch noch so tat, als wäre er etwas ganz besonderes.

Nein. Sie konnte darauf gut und gerne verzichten.

 

„Sheena?“

Verwundert drehte sich Sheena um und zuckte sichtlich zusammen. „Was willst DU von mir?!“

Grinsend rieb sich dieser rothaarige Vollidiot, so wie sie ihn benannt hatte, über die Haare. „Also ist das wirklich dein Name. Sheena… Es hat einen sehr schönen Klang. Du kommst aus Mizuho, habe ich Recht?“

Sheena wusste nicht, wie sie auf ihn reagieren sollte, blieb daher kühl und abweisend. „Na und? Das geht dich gar nichts an. Perversling.“

Langsam kam er auf sie zu. „Du hast es also noch immer nicht überwunden. Mach dir keine Sorgen, ich hab schon vorher Frauen nackt gesehen!“

Die Röte sammelte sich wortwörtlich in dem Gesicht des jungen Mädchens und sie ging zwei Schritte zurück.

„Du BIST ein perverser Idiot, ich habs GEWUSST!“

Und sie stapfte wütend den Gang hinunter, dicht gefolgt von dem jungen Mann.

„Jetzt warte doch mal!“ Er packte ihren Arm und drehte sie zu sich. „So war das nicht gemeint, es… es tut mir Leid, okay? Es war nicht meine Absicht dich… zu beobachten. Ich kam rein und… und da standest du, hast irgendein Lied vor dich hergesummt… Ich… ah, vergiss es. Ist schon gut.“

Von einem auf den anderen Moment verflog Sheenas Wut und sie starrte fragend und irgendwie verwirrt, aber doch leicht erschrocken zu ihm hoch. Das erste Mal hatte er freiwillig seinen Blick von ihr gewandt und das doofe Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden. Er sah traurig aus, vielleicht bildete sie sich das nur ein, aber es war ganz sicher Traurigkeit. Doch sobald er bemerkte, dass sie ihn ansah, legte sich ein undefinierbarer Schleier über die Saphire und Sheena war nicht mehr in der Lage, auch nur das kleinste Stückchen aus ihnen zu lesen.

„Wie wärs, Honey? Ich, du und ein Dinner in einem Restaurant in Meltokio?“

„Was soll ich in dieser dämlichen Großstadt?!“, zischte Sheena und schlug seine Hand an ihrem Arm weg. „Noch besser, was soll ich mit DIR in Meltokio? Eher würde ich sterben, Perversling!“

Er grinste finster. Es jagte Sheena einen Schauer über den Rücken und sie konnte zum ersten Mal sagen, dass sie das noch nie vorher erlebt hatte.

„Eine solch unglaubliche Schönheit, die sich so leicht für jemanden opfern würde… Du machst es mir nicht leicht, dir zu widerstehen.“, raunte er leise und nahm eine schwarze Strähne ihres Haares in seine Hand. „So schön wie Seide… Burgunder passt perfekt dazu. Leichte, goldene Akzente… Du bist wunderschön, weißt du das?“

Wie erstarrt stand sie dort, ließ ihn weiter über ihre Haare streichen, spürte wie seine Hand vorsichtig den Weg zu ihrer Wange suchte.

„Etwas so Schönes darf hier nicht bleiben. Wie wärs? Du kannst bei mir in Meltokio wohnen, ich hab eine Villa, die groß genug ist für uns beide.“

Sobald sie seine Haut auf ihrer spürte, erwachte Sheena, schlug seine Hand von ihrem Gesicht weg und wich nach hinten aus.

„Vergiss es!“

Erneut grinste er mit dieser finsteren Grimasse dahinter. Es würde gar nicht auffallen, doch Sheena konnte diese feinen Gesichtszüge lesen, so wie man es ihr beigebracht hatte. Es war nicht nur wichtig für einen Ninja zu kämpfen und sich zu verteidigen, sondern auch den nächsten Schritt des Gegners hervorzusagen.

Auch wenn sie bei ihm fast an ihre Grenzen stieß und nie wirklich wusste, was er als nächstes machen würde.

„Wie eine Banshee. Da bietet man dir Hilfe an und alles was ich dafür kriege sind Todesblicke.“

Warum gab sie sich mit diesem zwielichtigen Idioten überhaupt noch ab?

„Lass mich in Ruhe, verstanden? Verdammter Idiot.“ Endlich drehte sie sich ganz um und versuchte wieder zu flüchten.

Und diesmal klappte es.

 

Doch das Gefühl seiner Präsenz blieb. Sie konnte ihn in der Akademie einfach nicht ausweichen, hatte nur ihre Ruhe vor ihm wenn sie im Forschungstrakt war. Sobald Sheena die belebteren Gänge ansteuerte, dauerte es nicht lang und sie hörte das Geschnatter seiner Gefolgschaft.

„Sag, kann ich dich mal was fragen?“

„Hm?“, der Forscher sah zu Sheena hinunter, die mit den Kabeln spielte, die an ihrem Körper befestigt waren. „Nur zu.“

„Wer ist dieser rothaarige Kerl, der immer von diesen ganzen Mädchen umringt ist?“

Das Piepen eines Gerätes zog kurz die Aufmerksamkeit des Forschers weg, ehe er ihr antworten konnte.

„Das? Das ist Zelos Wilder. Er ist der Auserwählte Tethe’allas. Wundert mich, dass du ihn nicht kennst.“

Sheena ließ die Kabel fallen und blinzelte überrascht. „Der Auserwählte?!“ Sie quietschte das Wort fast. „Dieser perverse Spinner ist der Auserwählte Tethe’allas?!“

Glucksend hob der Forscher die Kabel auf. „Perverser Spinner hat ihn so noch keiner genannt. Aber ja, das ist er. Geboren um unsere Welt zu bewahren.“

Der Auserwählte hatte sie nackt gesehen, sie gestalkt und betatscht, und sie so viel fluchen lassen, wie sie es noch nie zuvor getan hatte!

„Warum fragst du?“

Sheena schüttelte den Kopf um sich selbst wieder zur Vernunft zu bringen. „Er… ist ein Idiot, das ist alles.“

„Haha, wenn du das so sagst!“, antwortete der Forscher leicht amüsiert. „Ich hab ihn noch nie gesehen, daher kann ich dir leider nicht zustimmen, Sheena!“

„Ist auch besser so“, murrte sie leise und wartete darauf, dass das Gerät erneut piepsen würde. Dieses Experiment zehrte fast all ihre Kräfte auf und eigentlich wollte sie später noch auf Orochi warten.

Doch je länger sie dort saß, desto mehr überkam Sheena eine Müdigkeit, die sich wie eine schwere Decke auf sie legte.

„Sheena? Ist alles in Ordnung?“

„Ja… Dauert es noch lange?“

Seufzend zog der Forscher die Kabel weg, Sheena zuckte durch das ungewohnte Gefühl leicht auf. „Geh und ruh dich aus. Ausserdem, Sheena?“

Das junge Mädchen sah leicht fragend zu ihm, während sie aufstand und die Kleidung glattstrich. „Hm?“

„Du solltest dir mal einen Tag freinehmen.“

„Brauch ich nicht. So, morgen wieder zur gewohnten Uhrzeit.“

Nachdenklich sah der Forscher ihr nach.

 

„Urgh.“

Sheena stand angelehnt an einer Wand, rieb sich mehrmals über ihr Gesicht und atmete tief durch.

„Was ist bloß los? Komm schon, Sheena. Orochi wartet bestimmt schon.“

Sie stieß sich von der Wand ab um weiter durch die Akademie zu laufen, brauchte ihre komplette Konzentration dafür, um sich auf den Beinen zu halten. Nicht einmal das Geschnatter von Zelos‘ Gefolgschaft interessierte Sheena in dem Moment.

„Hey, Honey?“

Erst als sich jemand ihr in den Weg stellte, musste sie hochsehen, dann drehte sich die ganze Umgebung und färbte sich in ein dunkles, schwarzes Loch.

 

„W-wo bin ich?“

Warum bewegten sich die Wände? Und was war dieser seltsame warme Platz an dem sie lag?

„Du bist wach?“, fragte eine ihr bekannte Stimme leise.

„Wach?“

Langsam wurde die Umgebung schärfer, Sheena erkannte, dass jemand sie trug. Aber wer und warum? Und warum war sie so müde? Sie hatte doch nur den Forschern geholfen, so wie sie es sonst auch immer machte.

„Schlaf noch ein wenig“, sprach die Stimme mit einem honigsüßem Unterton.

Schlaf hörte sich gut an. Und selbst als Sheena die roten Haare erkannte, schloss sie ihre Augen und fiel in seltsame und lange Träume.

 

„G-Großvater?“

Schritte und das sanfte Geräusch von jemanden, der sich über sie beugte ertönten. Sheena wusste nicht, ob sie noch schlief oder ob sie aufgewacht war. Ihr Körper wollte nicht gehorchen, und die Dunkelheit um sie herum machte es unmöglich, die Person zu erkennen, die ihr etwas Kühles auf die Stirn legte.

„Großvater?“, fragte sie erneut leise, in der Hoffnung seine Stimme zu hören. „Es… tut mir Leid… Ich arbeite für dich… und Mizuho.“

„Ich bin nicht dein Großvater, Sheena“, flüsterte jemand behutsam. „Du hast hohes Fieber, das ist alles nicht real. Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich um dich.“

Wie in Zeitlupe drehte Sheena den Kopf zu der Person. Aber selbst wenn sie die Gesichtszüge und die roten Haare erkennen konnte, es war noch immer nicht möglich, diese zuzuordnen.

„Ruh dich aus. Es wird alles wieder gut, versprochen.“

Sheena lehnte sich vorsichtig in die sanften Berührungen an ihrer Wange, ehe sie erneut in die Dunkelheit fiel und durch viele seltsame Träume wanderte.

Wie lange sie schlief, wusste Sheena nicht. Sie wachte zwar wieder auf, aber es war anstrengend zu denken, sodass sie das Beste tat, was sie in der Situation machen konnte.

Einfach weiterschlafen.

Zum ersten Mal seit langer Zeit, hatte sie keine Albträume die sie ruckartig aus dem Schlaf rissen. Alles was sie sah waren nur verzerrte Bilder einer unwirklichen und sehr seltsamen Welt.

Manchmal sprach jemand zu ihr und sie konnte Bewegungen spüren, aber Sheena konnte darauf nicht reagieren.

Selbst als sie endlich wieder in der Lage war, ihre Augen aufzumachen und zu sehen, dass man sie in ihr Zimmer gebracht hatte, forderte die Erschöpfung ihren Tribut. Sie hatte sich tatsächlich bei den ganzen Experimenten völlig verausgabt ohne es gemerkt zu haben. Es war fast schon reine Ironie. Wenn sie doch wenigstens gestorben wäre, dann hätte Mizuho…

„Ah!“ Eine Stimme riss sie aus den Gedanken heraus und Sheena starrte zu diesen rothaarigen Perversling, der eine Schüssel in der Hand hielt und sie erleichtert anlächelte.

„Ich dachte du würdest nie aufwachen!“

„Was… Was machst DU hier in meinem Zimmer?!“

Sheena versuchte sich aufzurichten, aber Schwindel überkam sie und alles was ihr übrig blieb war, sich zurückzulegen und sich zu beruhigen.

„Du bist vor mir einfach umgekippt, ich konnte dich gerade noch auffangen!“, begann Zelos leise und stellte die Schüssel auf ein Nachttischchen ab. „Du hast noch immer hohes Fieber, der Arzt meinte, eine Woche Bettruhe und Schonkost ist das Mindeste damit du wieder gesund wirst.“

„Fieber?“ Sheena sah zu ihm, beobachtete wie er ein Tuch in die Schüssel tauchte.

„Jep. Aber keine Sorge, ich werde aufpassen, dass es dir bald wieder besser geht!“

Leicht genervt sah sie zur Seite weg. „Ich will mit dem Arzt sprechen und nicht mit dir.“

„Der schaut morgen nochmal nach dir.“ Zelos beugte sich über sie, lächelte sanft und fragte leise:

„Ich darf doch, Prinzessin?“

Bevor Sheena antworten konnte, nahm er das alte Tuch, dass auf ihrer Stirn lag, weg und ersetzte es durch das kühle, frische Tuch. Glücklich seufzend entspannte sich das Mädchen und schloss ihre Augen. Das kalte Wasser tat wirklich gut und linderte ihre Kopfschmerzen leicht.

„Wenn du etwas brauchst, sag es mir. Ich werd bei dir bleiben.“

Alle paar Minuten tauschte er das Tuch aus. Sheena bemerkte, dass er ihr manchmal absichtlich über die Haut strich, länger als nötig ihr Fieber maß oder sogar über die Decke streichelte, aber sie hatte nicht das Geringste dagegen einzuwenden. Im Gegenteil, es half ihr, erneut in eine verzerrte Traumwelt zu driften.

 

Irgendwann wachte Sheena mitten in der Nacht auf und tastete nach etwas zu trinken. Aber egal wohin sie auf fasste, überall war nur das Bett und diese Decke.

Fast schon verzweifelt fiepte Sheena leise vor sich her, bis sich plötzlich etwas neben ihr regte.

Ängstlich zuckte sie zusammen, starrte in die Dunkelheit hinaus um vielleicht zu erkennen, was da vor sich ging.

Wie aus dem Nichts griff eine Hand ihre und drückte ihr ein Glas in die Hand. Zitternd kämpfte sie darum, es an ihre Lippen zu führen, aber auch dort nahm diese andere Hand ihr die Arbeit ab. Es hatte sich noch nie zuvor so gut angefühlt, etwas zu trinken und mittendrin sackte sie zurück auf das Bett, schloss ihre Augen und verschlief so auch den Rest der Nacht und fast den gesamten nächsten Tag.

Was Sheena nicht wusste war, dass Zelos nicht von ihrer Seite wich. Egal wie lange sie auch schlief, er blieb dort sitzen, passte auf sie auf und half ihr, sobald sie wach war.

Umso überraschter war sie, als sie endlich wieder bei Kräften war und sich Kopfreibend aufsetzte.

Ohne ein Wort zu sagen starrte sie auf den schlafenden Rotschopf hinunter, der halb auf dem Bett, halb auf dem Stuhl saß.

Mit der Decke über ihren Schultern, setzte Sheena sich auf das Fensterbrett und sah einfach nur stumm hinaus. Was tat Mizuho gerade? Was taten all ihre Freunde und wie gut ging es wohl ihrem Großvater?

Wenn sie nicht anfangen würde, bald wieder zu arbeiten, gäbe es kein Geld mehr für ihr Dorf. Eine Enttäuschung war genug, das wollte sie keinem einzigen mehr antun.

Seufzend lehnte sie sich an das kalte Glas und schloss ihre Augen. Draussen war es grau und trüb, es würde bald regnen und vielleicht sogar schneien. Ob es so viel wie in Mizuho werden würde? Dort war der Schnee manchmal so hoch, dass man aus seinem Haus direkt hinein springen konnte. Was haben sich alle damals für verrückte Spiele ausgedacht und sogar Schneehäuser gebaut. Sheena lächelte leicht bei dem Gedanken, dass sie alle mit knallroten Nasen und Händen in die warmen Häuser geflüchtet waren, sich alle Kinder unter Decken versteckten und den unglaublich leckeren Tee von Kiyoshi tranken. Die alte Dame war zwar manchmal wunderlich, aber es gab nichts, was ihr Tee nicht heilen konnte.

Urplötzlich spürte sie eine Präsenz neben sich, schlug die Augen auf und sah zu diesem dämlichen Perversling.

„Keine Angst. Ich möchte mich nur dazusetzen, darf ich?“

Sheena schwieg, nickte aber leicht. Er hatte ihr geholfen und sie nicht allein gelassen. Das war das Mindeste, was sie ihm schuldete.

Musternd wanderte ihr Blick über die langen, roten Haare, bis zu seiner schwarzen Uniform, die eher einem Balloutfit glich, als etwas, was man zur Schule tragen würde. Immer wieder strich Zelos sich die roten, widerspenstigen Strähnen aus dem Gesicht.

„Du brauchst ein Haarband.“

„Hm?“

Bevor sie antwortete, wich sie ihm aus und sah zurück in den trüben Himmel. „Ein Haarband. Dann fallen sie nicht andauernd ins Gesicht.“

Er grinste leicht, dann nickte Zelos und sah ebenfalls hinaus. „Du hast Recht. Ich werde mir eins besorgen.“

Stumm saßen beide eine Zeit lang da. Keiner wusste so Recht, womit man anfangen könnte, was es zu erzählen gab. Sheena wusste fast gar nichts über ihn. Und es würde wohl auch umgekehrt so sein.

„Sag, Sheena“, durchbrach er endlich die Stille, sah aber noch immer hinaus. „Für wen tust du das hier alles?“

Verwundert über diese seltsame Frage legte sie den Kopf ein wenig schief. „Wie, für wen?“

„Na du musst doch einen Grund haben, dich bis an die Grenzen des Machbaren zu bringen. Ist es für einen Freund? Jemanden den du gern hast?“

Völlig empört richtete Sheena sich auf, doch bevor sie losschimpfen konnte, fuhr er fort.

„Nein. Das ist es nicht. Du hast keinen Freund. Dann ist es deine Familie, habe ich Recht?“

Und wie er das hatte. Sofort fiel sie wieder in sich zusammen, senkte den Kopf und sah zurück auf die Straßen und Häuser Sybaks.

„Hab ich also Recht. Du tust das alles für deine Familie, für Freunde. Wahrscheinlich versuchst du dich damit bei ihnen zu entschuldigen, irgendetwas wieder gut zu machen.“

„Woher…“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

„So oft wie du nach deinen Großvater gerufen hast in deinem Fieberwahn, war das ein Leichtes.“

Wieder folgte Stille, eine Stille in der sich Sheena nicht wohlfühlte.

„Bist du dir sicher, dass sie es wert sind?“ Zelos sah sie nun direkt an und schien auf die Antwort zu warten.

„N-Natürlich sind sie es wert! Sie sind alles was ich habe!“

„Und doch lassen sie dich hier arbeiten, bis du krank wirst und vor Erschöpfung zusammenbrichst? Sheena, was treibt dich dazu an, dich so für Menschen hinzugeben?“

Sie wusste darauf keine Antwort. Egal was sie ihm sagen würde, er wäre damit nicht zufrieden.

„Hab ichs mir doch gedacht.“

Das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben, ein schlechtes Gewissen mit sich zu tragen, keimte in ihr auf und sie zog die Decke weiter über sich, als Schutz vor seinen Fragen und Feststellungen. Noch nie hatte ihr jemand  so direkt die Wahrheit erzählt, so direkt all das gezeigt, was sie eigentlich tief in ihrem Herzen weggesperrt hatte.

„Ich muss… Ich muss dir nicht erklären, warum ich das tue. Das geht dich nichts an.“

„Tut es auch nicht, ich habe nie behauptet, dass du mir das erzählen sollst.“ Erneut kam solch eine schnippige und schnelle Antwort. „Du bist doch noch recht jung, oder?“

Warum wollte er das wissen? Und warum wechselte dieser doofe Perversling andauernd das Thema?

„Das geht dich auch nichts an.“ Und Sheena wich ihm nun ganz aus, verschränkte die Arme leicht, sodass die Decke von ihren Schultern rutschte.

Zelos grinste ein wenig und gab ein kurzes „Heh.“ Von sich.

„Was?“ Mit hochgezogener Augenbraue sah sie zu ihm.

„Ich habe nur kurz darüber nachgedacht, dass ich vielleicht ein Auge auf dich haben sollte. Für die nächste Zeit.“

„Was soll das heißen?“ Und wieder legte sie den Kopf schief.

„Gerade die Hellste bist du auch nicht.“

Und da hatte Zelos einen Hausschuh im Gesicht, den er nahm und auf den Boden fallen ließ. „Aber schnell, das muss ich zugeben. Damit ist es beschlossen.“

Der junge Mann stand auf und strich sich seine Kleidung glatt. Diese hatte durch das unfreiwillige Nickerchen ganz schön gelitten und war völlig zerknittert.

„Damit ist was beschlossen?“, fragte Sheena mit mehr Nachdruck in ihrer Stimme, ohne sich von ihrem Platz zu entfernen.

Ohne ihr eine Antwort zu geben, ging er auf sie zu. Er beugte sich zu ihr hinunter, sodass Sheena seinen Atem auf ihrem Hals spüren konnte und hob die Decke an, um sie behutsam zurück auf ihre Schultern zu legen.

„Das ich auf dich aufpassen werde. Es ist kein Angebot, es ist beschlossene Sache. Und da du nicht mit nach Meltokio willst, werde ich hierbleiben.“

Da endlich wachte Sheena aus der Starre auf und schubste ihn von sich weg. „Vergiss es! Ich brauche keinen Babysitter, du Perversling! Und jetzt raus aus meinem Zimmer!“

Doch Zelos blieb an dem Platz stehen. Er grinste erneut, dann aber wandelte das Grinsen in ein eher besorgtes Lächeln und der Auserwählte schüttelte leicht den Kopf.

„Du bist etwas Besonderes, Sheena. Und das ist ein Grund, dich nie wieder gehen zu lassen.“

Röte stieg ihr ins bleiche Gesicht, was erlaubte sich dieser blöde Perversling eigentlich? Doch als sich Zelos umdrehte und zur Tür ging, stand Sheena auf.

„Warte.“

„Hm?“ Zelos sah über seine Schulter zu ihr zurück.

„Ich…“ Nach Worten suchend, sah Sheena in jede erdenkliche Richtung, nur nicht in seine. „Ich… wollte dir danken. Also ich danke dir dafür, dass… dass du mir geholfen hast.“

Zelos hob eine Hand. „Jetzt sind wir quitt.“

„Quitt?“

Neckisch grinsend öffnete Zelos die Tür. „Für meinen kleinen Einblick in der Dusche!“

Bevor ihn einer der fliegenden Gegenstände treffen konnte, hatte er die Tür geschlossen und ging lachend den Gang hinunter.

 

 

 

Zelos hielt sein Versprechen, auf sie aufzupassen, ein. Er half ihr wo er nur konnte. Selbst als Sheena in ihren Selbstzweifeln und ihrer Angst vor Verantwortung zu versinken drohte, hatte er die Lösung, die ihr Leben grundlegend verändern sollte.

 

 

 

Die Reise nach Sylvarant.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Icestorm
2017-01-03T21:42:20+00:00 03.01.2017 22:42
Ui, sehr informativ und interessant. Hoffe es kommen noch weitere kapis ;)
Fg Icestorm


Zurück