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Via Inquisitoris - Cum tacent clamant

von

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A

llein in ihrem Hotelzimmer setzte sich Sarah auf ihr Bett und suchte in ihrem Handy nach der SMS, die sie erhalten hatte. Für einen Moment zögerte sie, ehe sie anrief.

Eine Männerstimme: „Ja?“

„Sie sehen vermutlich an meiner Nummer, wer ich bin“, erwiderte sie. Jemand hatte sie ihm schließlich gegeben.

Ein scharfer Atemzug, nutzlos, aber instinktiv, dann eine höfliche Antwort: „Ja, ich erinnere mich. Was verschafft mir die Ehre?“

„Ich bräuchte einen Hinweis von Ihnen, gerade was die Südstaaten der UA betrifft, aber eigentlich alles. Wird seit zehn Jahren ein „Kind“ vermisst von einem … der Unseren?“ Sie musste auf einer solchen Leitung vorsichtig sein, aber anscheinend wusste das der Andere auch.

„Ungefähr, ja.“ Der alte Vampir klang überrascht. „Woher …? Nun, das werden Sie kaum so erzählen, nicht wahr?“ In den technikaffinen USA hatten sich auch die Vampire mit der neuen Mode rasch angefreundet.

„Ein Mädchen?“

„Ja.“ Er wurde immer verdutzter. „Noch jung, sehr jung, in den bestimmten Jahren, Sie wissen … Da passiert das manchmal, dass jemand eine Auszeit von der Familie benötigt.“

Ja, das geschah manchmal in den kritischen Jahren. In aller Regel kamen die jungen Vampire dann auch wieder, wenn sie sich mit sich und der Tatsache, wie lang ihr Leben nun geworden war, sie praktisch unsterblich wurden, abfinden konnten. Manche allerdings wurden wahnsinnig. Ein ewiges Leben mochte vielen Menschen erstrebenswert klingen – es zu besitzen war ein brutaler Fakt, mit dem man erst mit Hilfe eines Meisters umgehen lernen musste. So viele Jahre, die sinnvoll gefüllt werden wollten. „Sie kennen vermutlich den Vater, oder die Mutter?“ Schön vorsichtig bleiben, mahnte sie sich. Solche Telefonate konnten und wurden abgehört.

„Den Vater, ja. Soll ich ihm sagen, dass er Sie anrufen soll?“ Auch dem alten Vampir war klar, dass er sehr behutsam sein musste. Nach der Nachricht des Rates, die ihn via Taube erreicht hatte, war das die neue Inquisitorin. Niemand, dem gegenüber man die Regel verletzen sollte. Sie war vermutlich älter als er, mächtiger – und besaß das Recht zu strafen.

„Das wäre sehr freundlich von Ihnen.“

„Nun, es soll keine Beleidigung Ihrer gewiss schweren Aufgabe sein – aber es mag etwas dauern bis ich ihn erreiche. Er besitzt weder Handy noch Email.“

Also musste eine Taube mit magischer Peilung ihren Weg finden. Und je nach dem, wo wer war dauerte das doch Stunden. „Ja, natürlich, ich verstehe. Oh, falls jemand fragt: ich bin im Moment in Houston.“ Falls sich doch jemand persönlich mit ihr treffen wollte oder sie anrufen wollte.“

Der Mann am anderen Ende sagte nur: „Ich dachte es mir. Grüßen Sie Dolores von mir, falls Sie sie sehen.“

„Eine Frage habe ich noch: wie viele … leben aktuell in den Vereinigten Staaten?“

„Über zweihundert, die ich natürlich nicht alle persönlich kenne. Mit den Auswanderungswellen, aber auch dem Sklavenhandel gelangten so einige hierher. Natürlich gab und gibt es auch Kinder.“

„Natürlich. Vielen Dank.“ Sarah legte auf. Immerhin. Ein Kind eines Vampirs aus den Südstaaten war anscheinend in den kritischen Jahren weggelaufen. Ob das die Frau war, die die Zeugin gesehen hatte? Wenn ja, wurde es schwieriger für sie selbst mit der Polizei umzugehen. Denn, was sollte sie machen, wenn das FBI die Frau festnahm? Ihr Blut untersuchte? In Rumänien war es ihr mit Mühe und Gewissensbissen gelungen ein Vampirbaby unter den Augen der Polizei zu töten – auch, wenn der Mann schon mehr als fünfzig Jahre seines Lebens als Mensch verbracht hatte. Sie selbst würde auch nie anders als um die Zwanzig aussehen.

Andererseits: warum sollte ein junger, weiblicher Vampir selbst in den kritischen Jahren Menschenfrauen umbringen, noch dazu diese Menge und auf solche Weise? Irgendetwas passte da nicht zusammen. Und sie durfte mit Matho nicht darüber sprechen, der ja anscheinend solche Dilemma zu verstehen schien. Wombat anzurufen war unmöglich, er hatte sich soweit zurückgezogen. Meldete er sich und lud sie zu einer Fortbildung ein, war es mehr als nett von ihm. Lord John? Donna Inanna? Nein, da musste sie durch. Kein weiteres, verdächtiges Telefonat. Das verborgene Volk musste um jeden Preis geschützt werden. Und das war die Pflicht des Kadash. Ihre Pflicht.

 

Lord John Buxton wäre ihr Anruf vermutlich auch unangenehm gewesen. Seit Tagen grübelte er – nicht mehr, ob er ihre Vergangenheit je herausfinden würde, sondern ob er es seinem Kind zumuten konnte sie zu hören. Er wusste, oder nahm es eben auch nur als sicher an, dass er ihre leiblichen Eltern herausgefunden hatte. Nur, es war trotz aller Indizien die wahrscheinlichste Möglichkeit, nicht jedoch zweifellos.

Der Meistervampir saß in einem Sessel in seinem Arbeitszimmer und starrte in das flackernde Feuer. Was, wenn er es ihr sagte, sie litt – und es war alles umsonst, da seine Schlüsse und Beweise falsch waren? Ja, es waren Leute schon für weniger, oh, viel weniger, Beweise hingerichtet worden. Aber sein Kind sollte nicht noch mehr leiden als sie es als Inquisitorin tat. Lag er falsch – er würde es sich nie verzeihen. Sollte er ihr nur einen Teil erzählen? Aber Sarah war neugierig und intelligent. Und, nicht zu vergessen, in der Position sich ihre Auskünfte auch zu holen, hatte er sie erst einmal auf die richtige Spur gesetzt.

Was war Wahrheit? Was nur geraten?

Kurz entschlossen griff er zum Handy, drückte eine Kurzwahltaste. „Inanna, meine Teure, gute … guten Abend.“

„Es ist schon fast Morgen, teurer John, aber auch Ihnen“, erwiderte die uralte Vampirin aus dem Zweistromland. „Was brauchen Sie?“

„Oh, liebe Inanna, melde ich mich bei Ihnen etwa nur, wenn ich etwas benötige?“

„Nun, sagen wir, es ist meist so. Das letzte unerwartetes Ereignis, mit dem Sie mich überraschten, war eine neue Schülerin.“ Sarah.

Ihm war klar, was sie meinte. „Nein, das ist es nicht. Ich denke an Rom im Mittelalter, einen unangenehmen Zwischenfall in der englischen Gesandtschaft. Und ich grübele seit Tagen.“

Natürlich entsann sich Donna Inanna dieses Zwischenfalls – immerhin war sie des Mordes verdächtigt worden. Dennoch fragte sie scherzend: „Jetzt erst? ich hätte Ihnen nie eine so … wie sagt man so schön ...eine so lange Leitung zugetraut.“ Auch sie wusste, dass man am Telefon behutsam sein musste.

„Unser gemeinsamer Freund sagte da ... diesbezüglich zu mir ...“ Nein, „sagte damals“ war sicher der falsche Ausdruck, wenn Menschen zuhörten. „Es sei manchmal besser einen Schritt vor der hundertprozentigen Wahrheit zu bleiben. Was ist Wahrheit, Inanna?“

„Sie philosophieren über ein Thema, an dem sich seit Jahrtausenden die Menschen die Zähne ausbeißen, mein Lieber. Erwarten Sie nicht nach Tagen eine Lösung.“

„So werde ich es anders formulieren. Wann darf man etwas als Wahrheit ansehen, auch, wenn es keine Sicherheit, keine absolute Sicherheit gibt?“

Sie erkannte, dass er ein schwerwiegendes Problem hatte. „John, es gibt doch keine hundertprozentige Wahrheit. Wer, wenn nicht wir, wüsste das. Denken Sie an alles, was wir erlebten, an all die Gerüchte, Intrigen und auch so genannte Wahrheiten. Noch vor wenigen Jahrhunderten wurde geglaubt die Erde sei flach ...“

„Also ist es eben manchmal besser schon vor der hundertprozentigen Wahrheit aufzuhören und zu vertrauen, dass die eigenen Ansichten stimmen?“

„Ich weiß nicht, welches Problem Ihnen anvertraut wurde, John. Aber ich halte Sie für sehr intelligent und vorsichtig. Wenn Sie glauben der Wahrheit sehr nahe zu sein, haben Sie vermutlich Recht. Ich denke jedoch Ihr Problem ist nicht einmal das, sondern ob Sie es dem Anfragenden sagen sollen. Geht es um etwas, das insgesamt den Rat interessiert? Dann sollten Sie es bei der nächsten Ratssitzung einbringen.“

„Nein, es handelt sich um ein privates Problem eines Va ... eines Klienten,“ beteuerte er prompt und durchaus ehrlich.

Inanna drückte den Hörer fest gegen ihr Ohr. „Dann, mein Teurer, betrachten Sie den Charakter des Anfragenden. Erträgt er Zweifel? Dann sagen Sie ihm die Wahrheit mit dem Restzweifel. Kann er nur mit Gewissheit leben, und ich bitte Sie zu bedenken, dass ich nicht weiß worum es geht, aber niemand wendet sich ohne guten Grund an ein Ratsmitglied, sollten Sie es sich sorgfältig überlegen. Entweder Sie sagen das, was Sie mitzuteilen haben, ohne Zweifel, eben als Wahrheit – oder Sie schweigen.“

Lord John atmete durch. „Danke, Inanna.“ Das hatte er sich zwar auch schon vorgesagt, aber eine Bestätigung war doch einmal besser.

„Oh, unser Sprecher des Rates will sich zu... Er will zurücktreten.“

„Das war zu erwarten.“ Amunnefer war um die viertausendfünfhundert Jahre alt, geboren im damaligen Waset, das später Theben genannt wurde, in Oberägypten. Da war es noch eher ein Marktflecken gewesen. Erst mit der elften Dynastie und dem Mittleren Reich wurde der Ort Hauptstadt, ein Zeitpunkt, an dem Amunnefer bereits Vampir gewesen war. Und seit der christlichen Zeitenwende war er im Hohen Rat, seit sechshundert Jahren dessen Sprecher. Lord John hatte den diplomatischen, schweigsamen Ägypter vor fünfhundert Jahren kennengelernt, als er zum ersten Mal durch Wombat und Inanna Kontakt zum Hohen Rat bekam. Nun, genauer, der zu ihm, da sie feststellten, dass seine Bibliothek aktueller war als die des Rats selbst im Rift Valley. Überdies war auch damals schon London leichter zu erreichen als Kenia. „Also wird es Diskussionen geben und Wahlen?“

„Vermutlich. Aber es ist ja noch eine gute Zeit hin bis zur nächsten Sitzung.“ Achtundneunzig Jahre, um genau zu sein.

„Es sei denn sie wird vorher auf Antrag einberufen“, erinnerte John Buxton und schlug elegant die Beine übereinander, ohne den Blick vom Kaminfeuer zu nehmen. Einmal war es ihm passiert, dass er seine Cotte, wie das lange, modische, Übergewand im 13. Jahrhundert hieß, zu nahe an die Flammen gebracht hatte. Dieses unangenehme Erlebnis hatte ihn gelehrt, dass auch Feuer in einem Kamin keinesfalls sicher war.

„Oh“, sagte Donna Inanna. „Die ... Die Kleine?“

„Ich weiß es nicht. Und, falls ich es wüsste, würde ich es auch nicht sagen, Teuerste.“

„Sie dürften es nicht, ich weiß.“ Sollte sie ihm sagen, dass Amunnefer bei ihr in Rom weilte? Sie war älter als er und er hatte sich Rat holen wollen, ob er sich zurückziehen solle oder dürfe. Sie hatte es bestätigt. Sie hielten nur noch Wombat, Lord John und natürlich Sarah davon zurück, und sie wusste, dass auch nur die Liebe zu seinem Kind den Engländer von Bannkreisen abhielt. Man wurde nach Jahrtausenden müde, sehnte sich nach Ruhe und der Geborgenheit der Natur. Das war vollkommen normal und legitim. Nur Wombat hatte länger ausharren müssen, und sie gönnte ihm seinen augenblicklichen Spagat zwischen Neuzeit und Zurückziehen, respektierte, dass sie ihn nicht kontaktieren sollte. Ein Privatleben hatte der Kadash seit zehntausend Jahren nicht gekannt. Eine lange Zeit, sehr, sehr lange davon in Einsamkeit. Sie hoffte, John und ihr würde es gelingen, Sarah ein wenig die Einsamkeit des Jägers der Jäger zu nehmen. „Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg, alter Freund.“

„Grazie, cara mia.“ Lord John zeigte wieder einmal, dass er lange in Italien gelebt hatte. Er hörte das Klicken und legte seinerseits auf.

 

 

In New York dachte ein hellblonder Mann, auf den ersten Blick Mitte der Dreißig zählend, eine lange Weile nach, ehe er sich an seinen Schreibtisch setzte und den Laptop hochfuhr, die Internettelefonie suchte. Kurz darauf erblickte er den Angerufenen, einen dunkelhäutigen Mann mit krausen Haaren, scheinbar keine Dreißig zählend, der ihn hoffnungsvoll ansah.

„George, haben Sie etwas gehört?“ fragte der sofort.

Der George genannte, Älteste aller Vampire in Nordamerika, nickte, sagte jedoch: „Wenngleich nicht so, dass Sie es sich wünschen würden, David. SIE rief mich heute an und fragte, ob ein Kind seit zehn Jahren, ungefähr, vermisst wird. Sie erwähnte ausdrücklich die Südstaaten. Ich sagte, ja, und dass ich Sie in Kenntnis setzen würde. Nun ja, ich sagte, dass ich Ihre Handynummer nicht hätte.“ Was auch streng formal gesehen korrekt war.

„Und Sie sind sicher, dass es … dass es sich um jemanden handelt, der ...“

„Werter David, ich erhielt ihre Handynummer mittels einer Methode, die so fälschungssicher ist, wie nur was.“ Eine magische Brieftaube. Und das beherrschte kein Mensch. „Überdies gab es ja schon Gerüchte, dass an der Spitze ein Generationswechsel stattgefunden hat.“ Nur schön vorsichtig bleiben. Die Menschen hörten gern und oft mit – und, wenn die Inquisitorin schon in Reichweite war, sollte man nicht ihr Augenmerk auf sich lenken.

„Aber, eine Frau?“

„David, das genau sollte Ihr geringstes Problem sein. Sagen wir es deutlich: wenn sich der Chef eines weltweiten Konzerns in die Provinz begibt, dann nicht ohne Grund. Sie ist in Houston und ich kann Ihnen ihre Handynummer geben. Schon um Loyras Willen, aber auch um Ihren eigenen Kopf zu retten, sollten Sie sich mit ihr in Verbindung setzen. Irgendetwas ist im Süden geschehen, das … nennen wir es eine Ermittlung ratsam erscheinen lässt.“

„Loyra hat sicher nichts damit zu tun“, begehrte David Delacroix, wie er sich momentan nannte, auf.

„Dann überzeugen Sie SIE davon. Ich gebe Ihnen ihre Handynummer und klären Sie das. - Musa.“ George wurde sehr ernst und zeigte es dadurch, dass er den ursprünglichen Namen nannte, nicht den augenblicklichen Decknamen. „Hat Loyra nichts mit, was auch immer, zu tun, bin ich sicher, dass die Überprüfung auch entsprechend ausfällt. Niemand erhält dieses hohe und schwere Amt aus Zufall. Der Rat muss Vertrauen haben. Und die Mitglieder dort sind alle recht erfahren.“ Vampire, älter und mächtiger als er. Was musste dann erst jemand können, wie alt jemand sein, der den Titel des Inquisitors, des Kadash, erhielt?

David alias Musa seufzte. „Ich habe eben eine gewisse Besorgnis. Loyra ist mein Kind, mein einziges ...“ Was, wenn er einen Fehler begangen hatte?

„Sie sind alt genug um zu wissen, dass es Zeiten gibt, in denen man sich stellen muss.“

„Ja, natürlich. Houston, sagten Sie? Ich kann heute Nacht noch fliegen. Hat SIE irgendetwas gesagt wegen Loyra direkt oder nur allgemein?“

„Allgemein. Aber sie weiß, dass jemand vermisst wird – und sie erwähnte die zehn Jahre sicher nicht ohne Grund.“ George schwieg kurz. Er wusste, was auch David klar war: tauchte der nicht umgehend bei der Inquisitorin auf und erklärte die Sache, würde die sich nicht nur wundern, sondern an George als den rangältesten Vampir halten. Und er würde Auskunft geben. So lange Zeit hatte er ohne Probleme mit dem Rat oder dem Kadash gelebt – da musste jetzt nicht noch kaum zwei Jahrhunderte, ehe er sich zurückziehen wollte, der Ärger höchstpersönlich auf der Matte stehen. „Gut. Ich schicke Ihnen die Nummer.“

 

So erhielt Sarah nur kurz darauf eine Nachricht. „Ich erfuhr, dass Sie ein vermisstes Kind suchen. Ich lande um 6.45 auf dem Flughafen. Bitte teilen Sie mir mit, ob und wann ein Treffen möglich wäre.“

Keine Unterschrift, vorsichtig formuliert. Sie rief kurz bei Daniel McGraw an. „Ich könnte einen Informanten treffen“, erklärte sie, als er verschlafen abhob. „Wo wäre so etwas hier günstig, oder wann?“

„Ihr Hotel ist Texas Ecke Louisiana, oder? Dann nehmen Sie am Besten entweder die Metro … ja, genau. Unauffällig, oder? Dann fahren Sie entweder raus nach Galveston an den Strand, oder gehen in einen der Parks hier, oder den Zoo. Hm. Moment. Ja, das könnte Ihnen gefallen. Genug Menschen, dass Sie um Hilfe schreien können, aber doch so, dass keiner Sie abhören kann. So etwas, oder?“

„Ja.“ Nun ja, sie würde kaum um Hilfe schreien müssen bei einem anderen Vampir.

„Die Metro haben Sie ja schon gesehen, silberne Züge? Gut. Aber der nächste Park bei Ihnen wäre der Sequicentennial Park, am Ufer des Buffalo Bayou, mit einer neuen Promenade. Der wurde zum 150. Tag der Stadtgründung gebaut. Man hat von da aus eine herrliche Sicht auf die Skyline. Man kann auch Kajak fahren oder so, aber Sie können dort sicher Spazierengehen, mit Ihrem Informanten. Treffen wäre wohl ratsam am Bush-Memorial. Und, Sarah, immer in Bewegung bleiben. Lassen Sie sich nicht dazu überreden irgendwohin mitzugehen. Oh, Entschuldigung. Sie kennen das wohl.“

„Schon, aber danke, dass Sie sich Sorgen machen. Ich schicke Ihnen eine SMS, wenn ich da bin und eine, wenn ich wieder gehe, ja?“

„Gut.“ Daniel klang – und war – erleichtert. Irgendwie verspürte er keine Lust Interpol erklären zu müssen, wieso ihrer Beraterin etwas zugestoßen war. Außerdem mochte er sie. Sie wirkte sehr sympathisch. Es hätte den FBI-Agenten kaum getröstet, hätte er gewusst, dass das ein Merkmal der Jäger bei ihrer Beute war.

„Vielen Dank.“ Sarah legte auf und schrieb an den Unbekannten: „Gut, treffen wir uns am Bush-Memorial im Sequicentennial Park um neun. Wir werden uns ja erkennen.“ Vampire konnte sich immer identifizieren, die Ausstrahlung war kaum zu unterdrücken. Dann griff sie zu den Unterlagen, die das Hotel für Touristen auf den Schreibtisch gelegt hatte. Ja, da war der Plan der Downtown. Der Park war wirklich nicht weit weg von ihrem Hotel, da würde sie nicht die Metro benutzen sondern zu Fuß gehen. Und die Gelegenheit nutzen sich endlich einen Hut zu kaufen. Auch, wenn sie die Sonne vertrug – sie bekam deutlich leichter einen Sonnenbrand als ein Mensch, und das musste ja nun wirklich nicht sein. Überdies würde sich Matho wundern, wenn sie bei solch wenigen Minuten draußen einen bekam – er war fähig und hatte sich ja auch bereits über ihre kalten Finger gewundert.

 

Um halb neun schlenderte Sarah, angetan mit einem neuen Hut im Westernlook, wie sie das für sich nannte, über die Brücke in Richtung auf das Bush-Memorial. Sie beachtete die stählernen Pfosten erst, als sie erkannte, dass es sich wohl um ein Denkmal handelte. Kinderzeichnungen waren in dem rostfreien Stahl verewigt worden, hunderte davon, zu allerlei Themen, die die Vergangenheit Houstons demonstrierten. Etliche Leute waren schon unterwegs, Jogger, Spaziergänger mit Hunden. Nein, hier wäre sie kaum allein.

Am Bush-Memorial blickte sie sich um, die sorgfältig geschnittenen Hecken missachtend, ehe sie sich auf einer Bank niederließ und ins Grün blickte, wo der Fluss immer wieder aufblitzte, wenn sich die Blätter bewegten, ehe sie ihr Handy nahm und an Daniel McGraw schrieb: „Bin am Memorial und warte.“ Das hatte sie ihm schließlich versprochen.

Ein Vampir.

Sie konnte es spüren und hob den Kopf, blickte auf den hochgewachsenen dunkelfarbigen Mann, der sich zögernd ihr näherte. Nein, gute Jagd durfte sie ihm nicht wünschen, dazu liefen doch zu viele Menschen hier herum. „Guten Morgen“, sagte sie daher. „Sie wollten mich treffen?“

„Nun, ja.“ David Delacoix war ein wenig überrascht, wie jung die Inquisitorin zu sein schien. Aber es war ja immer nur das Alter der Verwandlung sichtbar. Sie konnte genauso gut schon fünftausend Jahre hinter sich gebracht haben. „Wenn Sie die sind, für die ich Sie halte.“

„Setzen Sie sich neben mich.“ Sarah warf einen Blick herum, ehe sie leiser fortfuhr: „Und ja, ich bin der Kadash.“

Der Neuankömmling zuckte unwillkürlich zusammen. Das war der Beweis, wenn es noch irgendeinen brauchte. Niemand, der bei Sinnen war, würde diesen Satz ungerechtfertigt aussprechen. „Äh, danke für Ihre Aufmerksamkeit.“

 

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel wird auf sich etwas warten lassen, da ich für zwei Wochen in Urlaub bin. Komplett anzeigen

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