Zum Inhalt der Seite

Nepenthe

( something that makes you forget grief or suffering )
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

A world of mine

Nothing haunts us like the things we don’t say.

- Mitch Albom, Have a Little Faith: a True Story.
 

I.
 

„Haben wir es getötet?“
 

Obwohl Bokuto die Frage fast nur gehaucht hatte, hallte sie ungemütlich in dem viel zu engem und stickigen Raum wieder. Der Ältere schaute zu ihm hinüber, seine bernsteinfarbenen Augen weit aufgerissen, sah er dank der Lichtreflexion und dem Kontrast zu seinem sonstigen Aussehen, wie eine seiner geliebten Eulen aus.
 

Akaashi erwiderte den Blick einige Sekunden, bevor er ihn wieder durch die Windschutzscheibe nach draußen richtete. Im Scheinweferlicht konnte er einige verirrte Schneeflocken ausmachen, sowie ein Stückchen der unebene und halb eingeschneite Waldstraße und einige der Bäume, um sie herum, die sich sonst bedrohlich in der Schwärze der Nacht verloren.
 

Irgendwo hinter seiner linken Stirnseite begann ein Pochen. Sein Nacken sendete kleine Stöße des Schmerzes aus, ebenso wie sein rechtes Handgelenk, was beides beim Aufprall in Mitleidenschaft gezogen wurden war. Zudem war er sich sicher, dass der Autogurt ihm ins Fleisch geschnitten hatte.
 

Spaß hatte Bokuto gesagt.
 

Daran erinnerte sich Akaashi noch ganz genau, da es in großen, pissgelben Buchstaben in der Schriftart Comic San MS ganz oben auf dem Prospekt gestanden hatte.

Er hätte gleich erkennen sollen, dass das eine fette Lüge war. Nur Lügner schrieben in pissgelb und Comic San MS. Denn kein ehrlicher Mensch würde sagen, dass diese Kombination an medialem Schwerverbrechen auf seinem Prospekt hingehörte.
 

Trotzdem hatte er zugestimmt.
 

Da es Bokuto gewesen war, der ihn darum gebeten hatte. Und egal wie oft er es schon in seinem Leben versucht und verwünscht hatte, er konnte nie wirklich nein zu Bokuto sagen. Weswegen er stets in solche Situationen landete, die ihn an jeglichem gesunden Menschenverstand zweifeln ließen, ihn zur Weißglut brachten und sein Leben als schlechte Pointe abrundeten.
 

„Nun, es gibt nur einen Weg das herauszufinden“, erwiderte er kühl und gelassen, was im Extrema zu seiner eigentlichen Stimmung stand.
 

Ohne zu zögern, löste er seinen Gurt, griff nach der Türklinke und schwang die Beifahrertür voll auf. Hinter ihm ertönte ein panischer Ausruf von dem Älteren, den er ignorierte.
 

„Akaashi, warte!“
 

Aber Akaashi stoppte nicht, sondern trat entschlossen in die kühle Winternacht hinaus. Knorrige Äste knarzten über ihm, verhöhnte ihn in ihrer sicheren Dunkelheit und kalter Wind biss nach jedem freiem Stückchen Haut. Trotzdem setzte er seine selbsternannte Mission fort und umrundete das Auto in raschen Schritten. Hinter ihm ertönte jetzt auch das Öffnen der Fahrertür und erneut sein Name aus Bokutos Mund, der viel zu laut und schrill die Stille zerriss.
 

Er hätte dem Ganzen nie zustimmen sollen. Er hätte niemals überhaupt zurückkommen sollen. Er hätte einfach den letzten Wunsch seiner Eltern ignorieren können. Er hätte den Kontakt schon vor langer Zeit abbrechen können. Er hätte sich allem gegenüber verschließen müssen.
 

Aber Bokuto Koutaro hatte ihn einfach nicht in Ruhe lassen wollen.
 

II.
 

„Bokuto, was machst du hier?“
 

Der Ältere strahlten ihn breit an. Dabei lösten sich in kurzen Abständen kleine Wolken aus Luft vor seinem Gesicht auf, was darauf schließen ließ, dass er allem Anschein nach gerannt war. Ein weiteres Indiz waren seine geröteten Wangen und seine laufende Nase.
 

Es war seltsam den anderen Mann so vor ihm stehen zu sehen. Seine Haare waren zwar größtenteils unter der Bommelmütze verdeckt, aber bestimmt weiterhin genauso ungebändigt, wie einige Jahre zuvor. Sein Gesicht hatte einige Lachfalten hinzubekommen und einen ungepflegten Drei Tage Bart, aber ansonsten war es unverändert geblieben. Vielleicht ein paar Zentimeter mehr und etwas mehr Körpermasse, aber auch dort keine großen Veränderungen.
 

Es war als wäre Akaashi in eine Zeitmaschinen, anstatt ein Flugzeug gestiegen.
 

„Na dich begrüßen, was sonst?“ Brüllte ihn Bokuto fast schon energisch entgegen und breitete dabei seine Arme aus. Bevor er es verhindern konnte, wurde er in eine kräftige Umarmung gezogen,die ihn die Luft abdrückte. Nach einigem ungeschickten Rangeln von Gliedmaßen und dem Zurückerobern der Privatsspähre, schaffte er es, seine anfängliche Frage weiter auszuführen.
 

„Ich meinte, was du gerade jetzt hier machst, Bokuto. Ich bin gerade erst vor wenigen Minuten angekommen.“ Dabei versuchte er nicht zu anklagend zu klingen. Aber es schien sowieso bei dem Größeren in ein Ohr reinzugehen, im Kopf in einen komplett anderen kausalen Zusammenhang gebracht zu werden, nur um dann aus dem Mund wieder herauszukommen.
 

„Genau deswegen will ich dich doch begrüßen? Ich meine, es ist ewig her, seitdem du mal wieder hier in der Gegend bist. Was sind es jetzt gewesen, vier, fünf Jahre? Da wollte ich der Erste sein, der dich begrüßt!“ Der Schwall an Worte wurde von einem aufgeregten hin und her Wippen begleitet, dem Akaashi wie hypnotisiert folgte.
 

„Aber ich meinte“, fing er an, schaute den enthusiastische Älteren an, der in tausend Jahren seine eigentliche Frage nicht verstehen würde. Worauf er nur schwer seufzte und mit den Schultern zuckte.
 

„Was auch immer. Hallo, Bokuto, schön dich zu sehen.“
 

Ein breites Lächeln strahlte ihm entgegen, was ihm warm ums Herz werden ließ.
 

„Willkommen Zuhause, Akaashi.“
 

III.
 

Akaashi hatte nicht vorgehabt, zurückzukehren.
 

Natürlich hatte seine Heimat vermisst. Den großen Baum im Park, an dem er klettern gelernt hatte. Das rostige Klettergerüst, wo er hinuntergefallen war und sich den Kopf an einem Stein aufgeschlagen hatte. Der lange Fluss, wo er oft im Sommer versucht hatte, Glühwürmchen zu fangen. Die verwinkelten Straßen mit ihren Wundern und hübschen Vorgärten. Der alte Süßigkeitenladen auf dem Weg zur Schule oder der kleine Hügel, der für die Kinder der Umgebung stets der Berg des Bösen bleiben würde.
 

Er hatte auch seine Freunde vermisst, die er im Laufe seines Lebens hier kennengelernt hatte. Besonders seine alten Teamkameraden von Fukurodani. Zwar hatte er weiterhin mit ihnen in Kontakt gestanden, aber mehr als Nachrichten übers Handy oder hier und da mal eine über andere Social Media-Seiten, war es nie gewesen. Sich selbst eine Grenze setzend. Genauso wie diejenige, niemals physisch in seine Heimat zurückzukehren.
 

Und doch stand er nach fünf Jahren wieder in dem Haus seiner Eltern, in seiner Hand zwei Tassen warmer Kaffee und einem überdrehten, alten Teamkameraden am Küchentisch sitzen.
 

Vorsichtig stellte er die Tasse vor Bokuto ab, nur um dann noch eine Zuckerdose zu holen. Dabei beobachtete ihn der Ältere aufmerksam.

„Oho? Du erinnerst dich daran, dass ich Zucker in meinem Kaffee mag?“

Akaashi warf ihm einen spöttischen Blick zu.

„Wie könnte ich die Kilo Packung Zucker mit etwas Kaffee vergessen?“

Darauf brach Bokuto in lautes Gelächter aus, was wie ein Bass durch die kalten Wände des Hauses

hallte.

„Du hast dich kein Stückchen verändert, Akaashi.“

Auf diese Bemerkung zuckte er nur mit den Schultern, bevor er sich gegenüber von dem Älteren an den Tisch gesellte.
 

Einige Sekunden schwiegen sie, nur das Geräusch des Zuckers als Begleiter, der in die ewige Schwärze des flüssigen Goldes floss. Schließlich nach mehrerem Testen, schien seinem Gegenüber der Kaffee süß genug zu sein und er richtete seine Aufmerksamkeit ihm wieder zu.
 

„Wie lange bleibst du?“

Abermals konnte Akaashi nur mit den Schultern zucken und nippte nachdenklich an seiner Tasse.

„Ein paar Wochen. Solange bis hier alles aufgeräumt und geregelt ist, denke ich.“

„Großartig!“

Verdutzt über den lauten Ausruf, hob Akaashi fragend eine Augenbraue. Bokuto bemerkte den fragenden Blick, schien kurz zu stutzen, bis er ein wenig beschämt an seiner Nase kratzte.

„Also nicht wegen dem eigentlich Grund, weswegen du hier bist. Vielmehr, dass du etwas länger hier bist. Ich meine, nur wenn du möchtest, könnten wir ein paar Dinge zusammen unternehmen.“
 

Eine kurze Stille senkte sich über sie, in der der Ältere unruhig hin und her rutschte auf dem Stuhl und möglichst Akaashis Blick auswich. Schließlich seufzte er leicht.

„Wenn ich Zeit übrig habe, dann ge-“

„Ich kann dir gerne helfen! Ich meine, ich verstehe, wenn du das eigentlich alleine machen möchtest, weil es ja ziemlich persönlich ist. Aber zu Zweit ginge es schneller! Und ich habe genug Muskeln für den ganzen schweren Kram. Oh, und keine Sorge, momentan habe ich frei, also kein Problem mit der Arbeit oder Ähnlichem. Nicht, dass es sonst auch ein Problem wäre, ich würde ei-“

Jetzt war es an den Jüngeren den Anderen zu unterbrechen.

„Danke, aber ich schaffe das schon alleine, Bokuto.“
 

„Oh“, die ganze angespannte Haltung des Größeren fiel in sich zusammen, „Okay, klar. Verstehe.“

Innerlich stöhnte Akaashi genervt auf. Natürlich war Bokuto noch immer ein bodenloses Fass an Stimmungsschwankungen. Daher lenkte er sachte ein.

„Aber wenn ich Hilfe benötige, dann werde ich dich sofort fragen.“

Das schien seinen Gegenüber seinen vorherigen Enthusiasmus wiederzugeben, auch wenn irgendwas daneben schien. Doch Akaashi konnte nicht wirklich sagen, was es war und konnte es auch nicht mehr herausfinden.
 

Bokutos Handy klingelte und mit einer sauren Miene stand er auf.

„Ah, ich muss los. Tut mir Leid.“

Akaashi winkte nur ab und erhob sich ebenfalls, um den Älteren noch zur Haustür zu begleiten.

Dort wandte sich dieser noch einmal zu ihm um und zog ihn erneut in eine plötzliche Umarmung.

„Ich bin so froh, dass du wieder da bist, Akaashi.“
 

Irgendwo tief in seinem Inneren meldete sich eine alte Wunde, die er gekonnt ignorierte.

„Mach es gut“, wich er stattdessen aus und der Größere kommentierte auch weiter nichts dazu. Mit viel zu viel Gewinke eilte er davon und erst als er außer Sichtweite war, schloss Akaashi die Haustür.
 

Nein, Akaashi hatte nicht vorgehabt, zurückzukommen.

Aber während er plötzlich ohne Bokutos Anwesenheit in einem viel zu kaltem Haus stand, wurde ihm bewusst, wie sehr er es nicht gewollt hatte.
 

Doch was hätte er tun sollen, nun da seine Eltern gestorben waren?
 

IV.
 

„Bokuto, es ist sieben Uhr morgens“, stöhnte Akaashi, wobei er Schwierigkeiten hatte, seine Augen weiter als ein paar Schlitze zu öffnen.

„Deswegen der Kaffee!“, erwiderte der Ältere begeistert, mit zwei riesigen Starbucks Kaffees vor sich hin wedelnd, in Gefahr gleich aus der Pappschachtel zu fallen.
 

Tausend bissige Kommentare lagen auf seiner Zunge, doch stattdessen trat er nur an die Seite, um das wandelnde Chaos auf zwei Beinen vorbei ins Haus zu lassen.

Müde folgte er Bokuto, der schon dabei war, die Küchenschränke nach Brettchen und Besteck zu durchsuchen. Akaashi ließ ihm gewähren und nahm sich einen der Kaffees, da er ansonsten den restlichen Tag nicht überstehen würde.
 

„Ich dachte mir, dass du früh anfangen willst. Und dann dachte ich mir, da du erst gestern Abend wiedergekommen bist, dass sicherlich nichts Ordentliches im Kühlschrank ist. Also wollte ich dir den Weg ersparen und habe dir Zeug zum Essen mitgebracht. Ah, und Frühstück, natürlich! Schau, wir haben hier-“, Akaashi schaltete das unendliche Gerede des Älteren aus. Beobachtete nur, wie dieser den Tisch deckte.
 

Es war surreal, wie vertraut diese Szene war. Hatte er sie als sie jünger waren, mehr als einmal erlebt. Bokuto hatten ihn mehrmals mit Frühstück überrascht, als er Wind davon bekommen hatte, dass er dieses gerne ausfallen ließ. Er erinnerte sich noch gut an dessen geschocktes Gesicht und die in Sorge zusammengezogenen Augenbrauen.
 

Manche Dinge schienen sich wirklich nie zu ändern.
 

Bokuto schien die Unaufmerksamkeit des Jüngeren endlich zu bemerken und hielt inne in seinen Bewegungen. Ein fast schon peinlich berührtes Lächeln stahl sich auf seine Lippen.

„Uhm, entschuldige.“

Akaashi blinzelte einige Male.

„Für was?“

Der Größere kratzte sich am Hinterkopf und fixierte irgendeinen Punkt im Raum.

„Für den Überfall? Ich war nur so“, stoppte sich selbst, runzelte die Stirn und schien seine eigentliche Worte hinunterzuschlucken. „Ich dachte nur, dass es dir vielleicht den ersten Morgen hier erleichtern würde.“
 

Überrascht klappte Akaashi den Mund auf, bevor er ihn langsam wieder schloss. Schweigsam griff er nach dem Schinken-Käse-Crossaint und biss einmal herzhaft hinein.

„Danke für das Frühstück, Bokuto.“

Der Ältere lächelte breit und griff jetzt ebenfalls nach einen der mitgebrachten Sachen.
 

Eigentlich war Akaashi ganz froh darüber, dass sich manche Dinge nie änderten.
 

V.
 

Nach dem Frühstück hatte sich Bokuto verabschiedet – erneut mit einer kräftigen Umarmung – und Akaashi blieb allein mit der ihm vorliegenden Arbeit zurück.
 

Um ehrlich zu sein, wusste er nicht genau, wo er beginnen sollte. Sein Endziel war es, dass Haus soweit leer zu räumen, dass er es verkaufen konnte. Doch er wusste nicht, ob seine Schwester bestimmte Dinge als Andenken behalten wollte oder ob es ihr egal war.
 

Da diese aber nicht hier war, da es ihre Arbeit und Familie zur Zeit nicht zuließen, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich erst einmal allein, um die Sachen zu kümmern. Schlussendlich sich dazu entschließend, die Zimmer nach und nach aufzuräumen und alles fein säuberlich in Kisten zu packen, wollte er mit dem Wohnzimmer beginnen.
 

Akaashi müsste lügen, wenn er sagen würde, dass es kein beklemmendes und bedrückendes Gefühl

war. Immerhin hatte er hier zwanzig Jahre seines Lebens verbracht. War hier groß geworden. Hatte sich am Couchtisch seinen ersten Milchzahn ausgeschlagen. Hatte auf dem Fußboden unterschiedliche Welten aus Playmobil erschaffen. Hatte mehr als einmal im Sessel gekuschelt, lange Filmabende mit seiner Familie an einem Sonntag verbracht.
 

Aber der Zahn der Zeit hatte auch ihn nicht verschont und erst Recht nicht seine Eltern.
 

Wobei es nicht nur die Zeit war, die das Ganze überschattete, sondern eher die letzten Jahre. Oder besser gesagt, dass Ende, was seine Eltern und er gehabt hatten. Oder vielmehr nicht gehabt hatten. Es war als hätte jemand mitten im Film an die dreißig Minuten einfach vergessen und nun stand man mit mehr als nur ein paar losen Fäden da.
 

Aber im Nachhinein war er selbst Schuld gewesen.

Oder auch nicht.

Wahrscheinlich trug niemand und gleichzeitig alle Beteiligten die Schuld.
 

Trotzdem wünschte sich ein Teil von ihm, dass es nicht so geendet hätte. Doch nicht alle Wünsche erfüllten sich. So viele blieben unvollendet und als leerer Platzhalter zurück.
 

Und während er das Wohnzimmer aufräumte, verhöhnten ihn die Erinnerungen aus seiner Kindheit, die alle einen bitteren Beigeschmack trugen.
 

VI.
 

„Pizza?, fragte Bokuto mit geröteten Wangen und seinem Scheinwerferlächeln.

Akaashi trat wortlos an die Seite, da sein Leben sowieso eine schlechte Pointe war.
 

Fast schon vor Freude hüpfend, eilte der Ältere in die Küche, nur mitten im Raum zu stoppen. Mit einem undefinierbaren Blick musterte er das Wohnzimmer, was direkt durch einen offenen Türrahmen angrenzte.

Ohne Vorwarnung marschierte er schließlich in das Zimmer hinein. Verwirrt über diese Aktion folgte Akaashi im zögerlich und beobachtete, wie der Größere einige Kisten an die Seite räumte, nur um das Sofa freizubekommen. Danach beschäftigte er sich mit dem Fernseher, bis er diesen wieder in Gang bekommen hatte.
 

Schließlich wandte Bokuto sich ihm wieder zu.

„Fernsehabend?“

Erst rührte sich Akaashi nicht, starrte den Anderen nur an, als wäre er ein Außerirdischer.

„So wie früher? Jeden Freitag war Pizza und schlechter Filme Abend, erinnerst du dich?“, half der Größere nach.
 

Tatsächlich regte sich eine längst verdrängte Erinnerung in ihm. Weswegen er sich nach vorne bewegte, nur um auf dem Sofa Platz zu nehmen. Fröhlich summend ließ sich Bokuto neben ihm nieder. Es dauerte nicht lange und sie aßen die Pizza, während sie dumme Witze und schlechte Sprüche zu einem schlechten Weihnachtsfilm machten.
 

Akaashi hatte ganz vergessen, dass nicht alle Erinnerungen ein bitteren Beigeschmack hatten, sondern manche süß wie Zuckerwatte waren.
 

VII.
 

„Komm schon, du brauchst die frische Luft!“, drängte in Bokuto und drückte ihm einen pinken, kratzigen Schal gegen den Oberkörper. Woher er dieses äußerst hässliche Modeexemplar hatte, würde für immer ein Geheimnis bleiben.
 

„Bokuto, ich denke wirklich nicht“, fing er an dem Ganzen entgegenzuwirken. Aber sachliche Argumentation schien auch bei einen älteren Bokuto Koutaro nur auf taube Ohren zu stoßen.

„Du denkst zu viel, Akaashi. Du musst mehr leben! Spaß haben! Wild und ungezwungen sein! Die Gefahr suchen!“

Akaashi warf ihm einen skeptischen Blick zu.

„Ich denke nicht, dass Schlittschuhfahren ein gefährliches Unternehmen ist.“

Jetzt zog ihn Bokuto grob eine Bommelmütze über den Kopf, die mehr Eulen aufwies, als jedes Kleidungsstück mit Eulenmotiven auf der gesamten Welt.

„Du denkst schon wieder zu viel!“, tadelte ihn der Ältere.
 

Ergebend erwiderte Akaashi nichts weiter und ließ Bokuto einfach gewähren. Irgendwo stimmte er den Anderen auch zu. Seit den letzten drei Tagen hatte er nichts weiter getan, als den Inhalt des Hauses auszuräumen und zu entstauben. Und obwohl er es niemals laut zugeben würde, war es eine ziemlich deprimierende Tätigkeit und nur die morgendlichen und abendlichen Besuche des Älteren waren ein Grund zur Freude. Daher war sein Widerstand eher ein Grundprinzip, anstatt ein wirklicher Versuch.
 

Kaum vollständig angezogen, schubste ihn Bokuto schon förmlich aus der Haustür und die verschneiten Straßen entlang. Auf dem Weg zum Marktplatz, wo sich die extra aufgebaute Eisbahn befand, überhäufte ihn der Größere mit einem Schwall an Worte und Gedanken. Hin und wieder mussten sie anhalten, weil Bokuto irgendwas entdeckte, was ihn in Begeisterung versetzte. Sei es nun ein Schneehaufen, den er zertreten musste oder ein Hund, den er unbedingt streicheln wollte.

Bei allem ließ Akaashi ihn gewähren oder sich von der überschwänglichen Energie anstecken.
 

Bokuto hatte schon immer diesen Effekt auf ihn gehabt. Ihn zu animieren, aus sich herauszukommen, all die begrabenen Emotionen rauszulassen. Und während sie sich ihren Weg so durch die Straßen bahnten, fühlte sich Akaashi wieder wie ein unbekümmerter Teenager.
 

An der Eisbahn endlich angekommen, bestand Bokuto darauf für die Schlittschuhe zu bezahlen.

Nach einer kurzen Verhandlung, ließ es Akaashi zu, aber mit dem Versprechen später an einem der Weihnachtsstände ihnen warme Getränke zu holen. Mit diesem Beschluss wechselten sie ihre Schuhe und befanden sich wenige Minuten später auf dem Eis.
 

Die Eisbahn war nicht sonderlich groß, dennoch gut besucht. Alt und jung tummelten sich auf dem Eis herum und befanden sich in verschiedenen Stadien der Bewältigung dieser Tätigkeit. Manche Menschen bewegten sich im Schneckentempo über die Strecke, wogegen andere rückwärts und mit fast geschlossenen Augen an ihnen vorbei rasten.
 

Akaashi selbst hatte keinerlei Probleme sich sicher auf dem Eis zu behaupten, aber wäre niemals so von sich überzeugt, dass er irgendwelche Tricks versuchen würde. Nach einigen probenhaften Schritten wandte er sich zu Bokuto um, der mit hochkonzentrierten Gesicht das Eis betrat. Es dauerte nicht einmal eine Sekunde, da geriet der Größere schon ins Schwanken und griff halsbrecherisch nach der Bande.
 

„...“

„Was?“

„Bokuto, warum hast du so sehr auf Schlittschuhfahren bestanden, wenn du es nicht kannst?“
 

Die Röte stieg in Bokutos Gesicht und er hob trotzig das Kinn.

„Nur weil ich anfängliche Startprobleme habe, heißt das nicht, dass ich es nicht kann! Du wirst schon sehen, was für ein Gott des Eises ich bin. Warte es nur ab. Lass mich nur kurz“, der Rest ging in ein undeutliches Gemurmel unter.
 

Eine ganze Weile beobachtete Akaashi ihm dabei amüsiert, wie er mit seinen Beinen und dem Eis kämpfte, bevor er sich dazu erbarmte, ihm zu helfen. Vorsichtig fuhr er dicht an ihn heran und streckte ihm einladend die Hand hin.

Unsicher musterte der Größere sie und er schob es auf den verletzten Stolz als auf etwas anderes.

Wortlos nahm er jedoch die angebotene Hilfe entgegen.
 

Bokutos Hand war schwitzig von seiner natürlichen Körperwärme und rau vom vielen Volleyballspielen. Trotzdem passte sie perfekt in seine Hand und Akaashi ertappte sich selbst dabei, wie sehr er den sicheren Griff des Anderen vermisst hatte.
 

Vorsichtig setzten sie ihre ersten Schritte zusammen auf das Eis, drohten mehr als einmal zu fallen, schafften es aber stets ihr Gleichgewicht wiederzufinden. Nach einer Weile wurden ihre Bewegung flüssiger und leichter und Bokuto hätte locker alleine seinen Weg übers Eis finden können.
 

Trotzdem ließ der Ältere seine Hand nicht los und Akaashi fand es nicht in sich, daran etwas zu

ändern.
 

VIII.
 

Akaashi erinnerte sich daran, dass als er noch ein Kind gewesen war, Weihnachten gar nicht abwarten konnte.
 

Der Schnee hatte ihn stundenlang draußen gehalten, nur um dann mit einem warmen Kakao eingekuschelt in einer zu großen Decken den Rest des Abends zu verbringen. Hatte all den Weihnachtsschmuck geliebt und es selbst nicht abwarten können, ihn aufzuhängen. Oder an manchen Tagen so viele Kekse zu backen, die für ganze Familien gereicht hätten.
 

Ja, Akaashi hatte Weihnachten stets entgegen gefiebert. Aber man wurde älter, der Zauber verlor an seinem Glanz und irgendwann war der Schnee nur ein Ärgernis und der Rest wirtschaftlicher Kommerz. Oder er war einfach zu bitter für die Festtage geworden.
 

Es war nicht, als wolle er etwas schlechtes an Weihnachten sehen, es passierte einfach automatisch.

Sein Frust-Level stieg an, die Arbeit türmte sich und man konnte nirgends hingehen, ohne davon erschlagen zu werden. Zudem erinnerte es ihn stets an sein letztes Gespräch mit seinen Eltern.

Wobei Gespräch ein netter Ausdruck war.
 

Vielleicht musterte er deswegen, den Weihnachtsschmuck so voller Abscheu, den er gerade in der Abstellkammer des Hauses gefunden hatte.
 

Energielos wühlte er ein wenig in ihnen herum, ob es irgendwelche wertvollen Sachen gab, die maneventuell nicht wegschmeißen sollte, bis seine Hand über einem alten Album innehielt. Kurz zögerte er, gab sich aber dann ein Ruck und holte es heraus.
 

Es war nicht wirklich etwas Besonderes. Nur eine Ansammlung an furchtbaren Weihnachtsfotos, die seine Familie über die Jahre geschossen hatte. Bilder voller Essen, Geschenke auspacken, schiefen Lächeln und unscharfen Rücken. Trotzdem zog sich seine Kehle zusammen und die Stiche in seinem Herzen wurden größer.
 

Je älter er wurde, desto weniger Bilder wurden geschossen, bis sie völlig verebbten. Es gab keine Fotos von dem letzten Weihnachten mit seiner Familie oder irgendwelche danach. Es wunderte ihn nicht, aber diesen Fakt so klar vor Augen geführt zu bekommen, ließ seine Augen brennen.
 

Vorsichtig legte er das Album zurück in die Kiste und verließ den Raum. Seine Füße führten ihn automatisch auf ihre Veranda, wo ihm die kühle Winterluft begrüßt. Still stand er so da, ließ den Wind unter seine Haut kriechen und versuchte seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen.
 

Doch die Erinnerungen quollen nur so hervor, konnte sie nicht zurückhalten und bevor er sich versah, krümmte er sich auf der Veranda zusammen. Die Hände über den Kopf, kamen die ersten Tränen und er vergrub sein Gesicht in seinen Knien.
 

Es hatte einmal eine Zeit gegeben, an der er Weihnachten geliebt hatte. Wo es stets sein Wunderland gewesen war.
 

Doch als seine Eltern ihn aus ihrem Haus geworfen hatten, weil er sich geoutet hatte, war es unter all den grellen Lichter und der festlichen Stimmung zerbrochen.
 

IX.
 

„Alles in Ordnung?“
 

Überrascht schaute Akaashi zu Bokuto hinüber, der halb im Türrahmen stand, in einer Hand Mitgebrachtes vom Griechen.

„Natürlich“, antwortete er fast schon monoton. Der Größere runzelte die Stirn, allem Anschein unzufrieden mit der Antwort des Jüngeren.

„Es ist wirklich nichts“, versuchte er ihn zu beschwichtigen, aber es traf nur auf taube Ohren.

Stattdessen schaute Bokuto sich jetzt um, bis sein Blick auf den Kisten für den Weihnachtsschmuck hängen blieb.

Ein flaues Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus, was er nicht wirklich zu zuordnen wusste. Oder er wusste es und wollte es deswegen keinerlei genaueren Betrachtung schenken.
 

„Uh, früher konntest du Weihnachten kaum abwarten.“

Akaashi erhob sich von seiner Position und nahm Bokuto das mitgebrachte Essen ab.

„Ist das so? Kann mich nicht daran entsinnen“, versuchte er auszuweichen, den prüfenden Blick vonBokuto ignorierend. Erst als er in der Küche war und ihn der Ältere langsam gefolgt war, schaute er zu diesem auf.
 

„Es ist wirklich alles in Ordnung.“

Bokuto schwieg nachdenklich und zuckte dann mit den Schultern. Schien noch etwas beifügen zu wollen, verwarf es dann aber wieder. Stattdessen setzte er ein künstliches Lächeln auf.

„Du bist der Experte, Akaashi.“
 

Das ließ den Kleineren in seiner Bewegung innehalten. Versetzte ihn zurück in einer Zeit, in der er sich heute schmerzlicherweise schon zu oft befunden hatte. An einem Tag, indem er seine Wut und Trauer an der einzigen Person ausgelassen hatte, die ihn nicht von sich gestoßen hatte.
 

Er war kein Experte, er war ein Idiot.
 

Trotzdem schwieg er, schluckte es hinunter, wie so vieles an diesem Tag und setzte ebenfalls ein gezwungenes Lächeln auf.

„Da hast du wohl Recht, Bokuto.“
 

X.
 

Sie hatten nie darüber gesprochen.
 

Nicht über den ersten Kuss in der Umkleidekabine nach einem viel zu langen Training.

Nicht über die eigenen Finger die Fremde suchten und mit ihnen versteckt vor dem Rest der Welt unter einem Tisch spielten.

Nicht über die langen Nächten, wo Körper sich aneinander schmiegten und nur die Dunkelheit von ihren geflüsterten Worte und Berührungen wusste.
 

Sie hatten nie darüber gesprochen, dass Akaashi einfach ohne einen klaren Schlussstrich abgehauen war und so getan hatte, als wäre nie irgendwas zwischen ihnen gewesen.
 

XI.
 

„Och, bitte, bitte, bitte, bitte“, quängelte Bokuto, wobei er seinen besten Hundeblick aufsetzte.
 

Genervt seufzte Akaashi und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über den Nasenrücken.

„Bokuto, ich habe dir tausend Mal gesagt, dass ich keine Zeit dafür habe. Ich muss das hier fertig kriegen.“

Ohne auf seinen Einwand zu hören, wedelte Bokuto mit dem Prospekt vor seiner Nase herum.

„Aber es ist Kuroos erste Weihnachtsfeier, die er organisiert hat! Allein schon wegen der guten, alten Zeit musst du kommen.“
 

Akaashi schnappte den Prospekt und überflog das grauenhafte Ding skeptisch.

„Ich weiß wirklich nicht,“ fing er wieder an, aber der Ältere stoppte ihn abermals, indem er jeden Zentimeter zwischen ihnen verringerte.

„Wir müssen ja nicht lange bleiben! Außerdem würden sich alle freuen, dich endlich mal wiederzusehen. Komm schon, sei kein Einsiedler.“
 

Mit einem Schritt nach hinten, um wieder genügend Abstand vom Anderen zu haben, ergab sich Akaashi seinem Schicksal. Er hatte sowieso so gut wie alles erledigt und er schuldete es seinen alten Freunden sich zumindest einmal blicken zu lassen, wenn er schon in der Gegend war.

„Von mir aus.“

Bokuto schlug vor Freude Löcher in die Luft und sprang förmlich durch das Haus.
 

„Keine Sorge, es wird sicherlich ein Megaspaß, bestimmt!“
 

XII.
 

Es wurde kein Spaß.
 

Ganz im Gegenteil. Es wurde eine lange Autofahrt ins Nichts, in einem klapprigen Auto, was nach Zigaretten und Minze roch und zum plötzlichen Halt kam, weil ein Reh aus dem Waldrand gesprungen kam.
 

Akaashi hatte keine Ahnung, ob er auf sich oder die gesamte Situation oder Bokuto wütend war.

Wahrscheinlich auf alle drei Sachen auf einmal. Womöglich sogar auf das verdammte Reh, was bewegungslos vor dem Auto lag.
 

Die Autoscheinwerfer hüllten es in eine bizarre Mischung aus Licht und Schatten ein, was Akaashi einige Meter davor stehen bleiben ließ. Unschlüssig, ob er näher herantreten sollte oder nicht, stapfte er auf der Stelle hin und her, damit seine Füße nicht einfroren.
 

„Bist du wahnsinnig?! Es könnte dich anfallen!“, brüllte ihn jetzt Bokuto fast schon ins Ohr, der neben ihm erschienen war. Genervt schaute Akaashi ihn an.

„Anfallen. Natürlich. Immerhin ist es ja ein monströses Zombiereh. Wie dumm von mir.“

Der Größere schien ein wenig verwirrt über den sarkastischen Unterton, was Akaashi einige Genugtuung gab.
 

„Entschuldige, dass ich besorgt war“, erwiderte der Ältere nur und verschränkte die Arme, was den letzten Geduldsfaden von Akaashi reißen ließ.

„Niemand hat dich darum gebeten, sich Sorgen um mich zu machen! Oder generell nach mir zu schauen. Oder mir Essen zu bringen oder mit mir Zeit zu verbringen. Niemand, hörst du, niemand!“
 

Überrascht über diesen Gefühlsausbruch machte Bokuto einige Schritte von ihm weg und schaute ihn aus seinen großen Augen verunsichert an, was Akaashi nur noch mehr aufwühlte. Da es ihn an ihr letztes Gespräch erinnerte, bevor er verschwunden war. In dem, wo Bokuto nur schweigsam alles über sich hatte ergehen lassen, um ihn dann einfach ziehen zu lassen. Ohne einen Kampf, ohneProtest. So als wäre es gar nicht von Bedeutung gewesen. Als hätte er sich nicht gerade vor seiner Familie geoutet, weil er mit Bokuto zusammen sein wollte.
 

„Ich habe dich nicht darum gebeten. Um ehrlich zu sein, wollte ich dich gar nicht sehen. Aber nein, der Herr muss ja wie immer seinen eigenen Kopf durchsetzen. Sogar nach all den Jahren trampelst du auf meinen Gefühlen herum und drängst dich in meine Angelegenheiten als wäre es dein Recht. Warum kannst du mich nicht einfach endlich in Ruhe lassen?!“
 

Eine lange Stille folgte, in der Akaashi schon glaubte, dass niemals eine Antwort kommen würde. In der er abermals alles verlieren und wieder davonlaufen würde.
 

„Weil ich dich jede Sekunde meines Lebens vermissen, wenn du nicht bei mir bist.“
 

Akaashi stockte der Atem.

Verwirrung machte sich in ihm breit.

„Aber, ich verstehe nicht. Warum hast du dann nie etwas gesagt? Wieso hast du mich all die Zeit gehen lassen?“
 

Mit einem traurigen und schuldigen Gesichtsausdruck musterte Bokuto seine Füße.

„Weil es immerhin meine Schuld gewesen war, dass deine Eltern dich verstoßen haben.“

Und mit einmal ergab alles so viel mehr Sinn. Die Passivität von Bokuto an jenem Tag, die wenigen und kurzen Antworten über die Jahre hinweg, die physische und emotionale Distanz.
 

Sie waren beide keine Experten, aber die größten Idioten des Planeten.
 

Gerade als Akaashi etwas erwidern wollte, rührte sich das totgeglaubte Reh. Bokuto stieß einen überraschten Schrei aus und sprang schon fast förmlich in Akaashis Arme, der sie wiederum ebenso panisch an den Größeren klammerte.

Beide mit angehaltenem Atem schauten sie dabei zu, wie das Reh mit wackeligen Beinen aufstand, zuerst taumelnd und dann mit raschen Sprungen im Wald verschwand.
 

Geschockt starrten sie noch einige Sekunde auf das Stück des Waldes, bevor sie sich ansahen und dann nicht anders konnten, als in lautes Gelächter zu verfallen.
 

Vielleicht war es doch ganz spaßig, musste Akaashi einräumen.
 

XIII.
 

„Unser verlorener Sohn ist zu uns zurückgekehrt“, begrüßte ihn Kuroo überdramatisch.

Akaashi verdrehte nur die Augen, konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen.

„Wie ich sehe, bist du noch immer ein furchtbarer Mensch.“

Künstlich verletzt griff der Schwarzhaarige sich an die Brust.

„Et tu, Akaashi?“

„Und ein schlechter Schauspieler“, fügte er an.

„Giftpfeile. Direkt in mein Herz.“

„Und ein schlechter Webdesigner. Wirklich, Comic Sans?“

„Todesstoß.“

Es war Tsukishima, der den Älteren schließlich von seiner Qual erlöste – oder besser gesagt, ihn noch mehr Todesstöße versetzte.
 

Der restliche Abend war wie eine Achterbahnfahrt. Alte Gesichter begrüßten ihn, neue lernte er kennen. Es wurde viel gelacht und geredet, Geschichten ausgetauscht und der ein oder andere Unsinn angestellt.

Akaashi konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so frei von allen Sorgen Weihnachten verbracht hatte.
 

Und als er sich mit einem Rehtiergeweih, einer Flasche Sekt und einem Bokuto als Weihnachtsmann verkleidet unter einem Mistelzweig wiederfand, glaubte er fest daran, dass es nicht nur ein Wunderland geben musste.
 

XIV.
 

Zum letzten Mal drehte Akaashi den Wohnungstürschlüssel um.
 

Bedächtig machte er einige Schritte zurück, schaute nachdenklich auf das Haus, in dem er groß geworden war. Hätte nie gedacht, dass er es irgendwann leer räumen würde und nie wieder betreten. Aber im Nachhinein war er froh darüber, diese letzte Chance, diese letzten bittersüßen Tage gekriegt zu haben.
 

So hatte er zumindest seinen Frieden machen können.
 

„Fertig?“, fragte ihn Bokuto, der am Gartenzaun lehnte und auf ihn wartete.

Akaashi lächelte.

„Yeah, fertig.“

Bokuto hielt ihm die Gartentür offen und schloss sie hinter ihm, als er hindurchging.

Im Autospiegel beobachtete Akaashi wie das Haus immer kleiner wurde, bis sie über den Hügel fuhren und es außer Sichtweite war.
 

Manche Dinge endeten nicht so, wie man sie sich gerne vorgestellt hätte.

Er schaute zu Bokuto hinüber, der eine konzentrierte Grimasse zog, um keinen Unfall zu bauen.

Und manche genau so, wie man sie sich stets erhofft hatte.
 

Gut, dass Bokuto Koutaro nicht der Mensch war, der einen in Ruhe ließ.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Soichiro
2017-03-08T18:37:23+00:00 08.03.2017 19:37
Eine wirklich schön Geschichte :)

Das Akaashi es so schwer hatte, tut einem wirklich schrecklich Leid ><
Und man kann sich vorstellen wie hart es für ihn sein muss nun das Haus seiner Eltern auszuräumen!
Doch zum Glück gibt es ja Bokuto ;)
Diese Hartnäckigkeit passt wirklich zu ihm und es ist süß, dass er so für den Anderen da sein will!
Ruhig und passiv verbindet man ja normalerweise nicht mit Bokuto, doch man kann es wirklich verstehen, dass er es damals war! Für ihn war es sicherlich auch nicht leicht gewesen und da kann man nun wirklich unsicher werden!

Du hast das alles also wirklich sehr gut rüber gebracht :)


Zurück