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Nächstes Weihnachten

Fanfiction-Adventskalender 2018
von

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Nächstes Weihnachten

 „Wenn wir hier raus sind, dann will ich Blut sehen.“

In jeder anderen Situation hätte Eames den Spruch vermutlich mindestens amüsant gefunden, aber er findet es etwas schwierig irgendetwas witzig zu finden, während Arthur langsam aber stetig verblutet.

Glücklicherweise sind sie in einem Traum und Arthur wird nicht wirklich sterben, aber aus eigener Erfahrung weiß Eames, dass auch der Tod in einem Traum keine schöne Angelegenheit ist. Und vor allem keine Schmerzlose.

Victor, der Point Man, der sie für diesen Auftrag engagiert hat, ist urplötzlich durchgedreht. Von einem auf den anderen Moment hat er begonnen, um sich zu schießen, erst auf ihren Extractor und dann, als er diese nicht auf Anhieb trifft, auf denjenigen, der den Traum zum Zusammenbruch bringen kann.

Die Kugel findet ihr Ziel nur weil Arthur sich gerade in der Drehbewegung befindet, weil er sich ihrem durchdrehenden Kollegen annehmen und ihn unschädlich machen will.

Ihr Extractor, eine junge Frau die sich ihnen als Louise vorgestellt hat, zittert wie Espenlaub, als Arthur sich zusammenkrümmt und seine Knie unter ihm nachgeben. Der Augenblick hat etwas groteskes, stehen sie doch in einem aufgrund des in wenigen Tagen anstehenden Weihnachtsfests opulent geschmückten Wohnzimmer. Um diese Zeit eignen sich Träume in diesem Setting besonders gut, um ihre Ziele in Sicherheit zu wiegen. Eames würde darauf schwören, dass sich Arthur seinen diesjährigen Weihnachtsauftrag deutlich entspannter vorgestellt hat. Aber er muss jetzt schnell handeln, damit nicht alles den Bach heruntergeht.

Glücklicherweise muss ihr Angreifer in diesem Moment nachladen, was Eames die Chance gibt, die wenigen Schritte zu Arthur in Rekordzeit hinter sich zu bringen und ihn vor einem harten Aufprall auf dem Boden zu bewahren. Dann fixiert sich sein Blick auf ihren Point Man, der augenscheinlich mit dem Nachladen Probleme hat. Auf Eames Gesicht ist keine Regung zu erkennen, als er seine eigene Waffe hebt und abdrückt.

Eames hat keine Bedenken, dass Victor ihnen in der Realität etwas antun wird. Er wird eher damit beschäftigt sein, mit der Übelkeit, die von den ersten Malen eines derartigen Kicks auslösen können, klarzukommen. Und da Arthur und er keine Unbekannten sind, wird er wohl eher das Weite suchen.

Der leichte Nebel, der sich langsam, aber stetig bildet, ist für Eames ein Zeichen der Warnung. Es ist nicht das erste Mal, dass er ihn sieht und er weiß, sie müssen jetzt schnell sein, wenn sie den Auftrag nicht so kurz vor Schluss noch in den Sand setzen wollen.

Nachdem er seine Jacke ausgezogen und daraus einen notdürftigen Kissenersatz für Arthur geformt hat, versucht er, Louise soweit zu beruhigen, dass sie ihren Job machen kann. Sie ist offensichtlich mitgenommen, aber sie wird ihr bestes geben. Sagt sie zumindest. Und mehr als auf ihr Wort vertrauen kann Eames in diesem Moment nicht. Nach ihren ersten Aufträgen gemeinsam haben Arthur und er sich ein Versprechen gegeben, und er hat nicht die Intention, es dieses Mal zu brechen.

Arthurs Gesicht ist schmerzverzerrt, als er zu ihm zurückkehrt. Louise ist auf dem Weg zum Tresor, den sie bereits in der Küche ausgemacht haben. Und Arthur muss solange überleben, dass sie die Zeit hat, den Code zu knacken.

„Dieser Idiot“, murmelt Arthur, als er zu Eames hinaufschaut. „Was zur Hölle hat das provoziert?“

Eames zuckt nur mit den Schultern, als er sich niederlässt und Arthurs Kopf in seinen Schoß bettet. Der Nebel wird kontinuierlich dicker, nun ziehen schon erste Nebelschwaden an ihnen vorbei, und dass, obwohl sie sich in einem geschlossenen Raum befinden. Arthur verliert langsam, aber sicher die Kontrolle über den Traum.

„Ich würde mir gerne einfach eine Kugel geben“, sagt er trocken, und Eames kann es ihm nicht verübeln. Er beobachtet schweigend, wie sich Arthurs Hemd und Weste langsam rot färben.

„Du weißt, dass das nicht geht“, antwortet Eames, als er die noch nicht mit dem Boden in Kontakt gekommene Seite seiner Jacke auf die Wunde legt und Arthurs Hände darauf platziert. „Üb Druck aus. Du musst noch ein bisschen durchhalten.“

Arthur verdreht die Augen, nickt dann aber. Vielleicht können sie diesen Auftrag doch noch zu Ende bringen.

„Glaubst du, sie packt das?“

Eames hat, wenn er ganz ehrlich ist, seine Zweifel, also zuckt er mit den Schultern.

„Nächstes Mal arbeiten wir wieder mit Profis zusammen“, verspricht er, was Arthur den Versuch eines Grinsens entlockt, welches jedoch schnell wieder einem schmerzverzerrten Ausdruck Platz machen muss.

„Profis, ja? Wer schwebt dir denn da so vor?“

Eames weiß, dass sie beide an dieselben Personen gedacht haben. Allerdings ist ihnen beiden auch bewusst, dass die Teamkonstellation, an die sie denken, niemals wieder zusammenkommen wird.

Eames beobachtet den um sie herum wabernden Nebel, während er nach Wegen sucht, das Warten bis zum – in der einen oder andere Art gestalteten Ende – für Arthur erträglicher zu machen.

„Hast du von Cobb gehört?“, fragt er, um Arthurs Gedanken in andere Bahnen zu lenken. Arthur nickt.

„Es geht ihm gut. Wieder bei Phillipa und James zu sein tut ihm gut.“

Arthur spricht nicht aus, dass Cobb nie wieder ins Traum-Sharing-Geschäft einsteigen wird, aber das muss er auch nicht. Cobb hat seine Kinder einmal verloren, er wird es nicht ein zweites Mal riskieren. Eames macht ihm keinen Vorwurf daraus, in seiner Situation würde er vermutlich genauso entscheiden. Trotzdem ist es ein herber Verlust, und er hat das Gefühl, dass Arthur mehr an diesem zu knabbern hat als er. Vielleicht doch nicht das beste Thema für Smalltalk.

„Warum hast du eigentlich den Job als Architekt angenommen?“, fragt er. „Nicht deine übliche Rollenwahl, wenn ich mir den Kommentar erlauben darf.“

Die Aussage bringt ihm ein erneutes Augenrollen von Arthur ein.

„Heute schimpft sich jeder Point Man, auch wenn die wenigsten die Aufgabe wirklich begreifen“, antwortet er. „Und es ist ja nicht so, als hätte ich nicht vorher schon ab und zu als Architekt fungiert.“

Er holt ein paar Mal tief Luft, das Sprechen raubt ihm Kraft.

Eames schaut sich um, offensichtlich sind auch die Nebelschwaden dichter geworden.

„Du baust also dein Portfolio aus“, sagt er. „Dabei spricht das doch schon für sich.“

Arthur schüttelt leicht den Kopf.

„Es schadet nicht, auch einmal etwas anderes auszuprobieren. Obwohl dieser Auftrag nun wirklich nicht das beste Beispiel dafür ist.“

Eames runzelt die Stirn.

„Du kannst ja nichts dafür, dass es so ausgegangen ist, wie es ausgegangen ist“, gibt er zu bedenken.

„Aber trotzdem hätte ich nein sagen können.“

Eames kann nicht wirklich widersprechen, stattdessen versucht er auszumachen, ob sich ihnen eine Person nähert. Louise hat versprochen zurückzukommen, sobald sie fertig ist, dann können sie sich den Kick geben und den Traum endlich verlassen.

Je länger sie braucht, desto mehr Zeit muss Arthur in seinem jetzigen Zustand ausharren.

Die plötzlich rapide schlechter werdende Sicht lässt ihn nicht mehr in den Nebel sondern zurück zu Arthur schauen.

Der hat – als hätten Eames Gedanken es heraufbeschworen – begonnen zu zittern.

Es braucht keinen Medizinexperten um zu wissen, dass das bei einer Schussverletzung und dem hohen Blutverlust kein gutes Zeichen ist.  Und auch, wenn sie nicht das erste Mal in einer solchen Situation sind, so geht sie Eames doch jedes Mal nahe. Es ist immer Arthur, der die schlimmsten Verletzungen in Träumen davonträgt.

„Nächstes Weihnachten nehme ich mir frei“, murmelt Arthur und reißt Eames aus seinen Gedanken. Seine Augen sind nur noch halb geöffnet, das Sprechen fällt ihm immer schwerer. „Hab lange kein freies Weihnachten mehr gehabt.“

Eames nickt, er kann sich nicht erinnern, dass Arthur seit er ihn kennt ein Weihnachten nicht gearbeitet hat. Er ist sehr sicher, dass der Verzicht auf Weihnachten und damit verbundene Feierlichkeiten bei Arthur ähnliche Gründe hat wie bei ihm. Jemand mit starken familiären oder sozialen Bindungen an einem bestimmten Ort folgt nicht ohne Fragen jemandem ins Exil.

„Geht mir genauso“, sagt er. „Es ist wirklich mal wieder Zeit für einen freien Feiertag ohne lästige Aufträge.“

„Irgendwo wo es kalt ist“, fügt Arthur hinzu. Eames ist froh, dass ihn der Gedanke offensichtlich ablenkt. „Eine Skihütte oder so.“

„Ich habe ein Häuschen in einem Skigebiet in Österreich“, antwortet Eames nach einem Moment des Schweigens. „Und ohne zu übertreiben, ich mache den besten Truthahn, den du dir vorstellen kannst.“

Die Worte verlassen seinen Mund, bevor ihm die Reichweite wirklich bewusst wird. Hat er Arthur gerade wirklich für das nächste Weihnachten eingeladen? Viel erstaunter ist er allerdings von der Antwort.

„Klingt gut.“

Der Nebel verdichtet sich noch weiter, nun kann er Arthurs Gesicht gar nicht mehr sehen.

„Wenn das hier … schnell verlassen willst, solltest du es bald tun.“

Eames legt als Antwort eine Hand auf Arthurs Schulter.

„Ich weiß. Aber ich bleibe bis zum Schluss, Darling.“

 

Als Eames seine Augen öffnet und sich den PASIV-Zugang aus dem Arm zieht, kann er schon die sehr kontrollierten Atemzüge auf der Liege neben ihm wahrnehmen. Als er herüberschaut sieht er, dass Arthurs Augen noch geschlossen sind, seine Hände aber auf der Stelle liegen, an der sich im Traum die Schusswunde befunden hat.  Es würde ihn nicht wundern, wenn das Ganze von Phantomschmerzen begleitet wird.

Eames steht auf und macht sich auf den Weg in die Küche, um ein Glas und eine Flasche Wasser zu holen. Arthur wird beides sicher gleich brauchen.

Als er zurückkehrt, sitzt Arthur bereits aufrecht, für einen Moment kann Eames den Würfel in Arthurs Hand sehen. Er hat bereits realisiert, dass die weiteren Liegen im Raum leer sind.

Eames ist nicht überrascht, auch wenn er mit Bedauern registriert, dass auch Louise verschwunden ist. Augenscheinlich hat sie den Auftrag nicht beenden können.

Wortlos stellt er die Flasche und das Glas neben Arthur ab. Dieser füllt das Glas wortlos bis fast zum Rand und trinkt in kleinen Schlucken. Egal wie häufig man in einem Traum stirbt, ein wenig nimmt einen der Prozess immer mit. Vor allem, wenn er sich in die Länge zieht.

 „Danke“, sagt Arthur unvermittelt, und Eames schaut zu ihm herüber. Ein seltenes Lächeln ist auf Arthurs Gesicht erschienen, und Eames kann das Gefühl nicht ganz zuordnen, welches ihn aufgrund der Tatsache durchströmt, dass dieses Lächeln für ihn bestimmt ist.

Er weiß, dass Arthur ihm nicht nur für das Wasser dankt, sondern auch dafür, dass er ihn abgelenkt hat. Von den Schmerzen, von der Tatsache, dass ein Kick keine Option dargestellt hat. Es gibt nichts schlimmeres, als allein in einem Traum zu sterben. Sie beide wissen das, deshalb haben sie sich geschworen, in einer solchen Situation wenn möglich für den jeweils Anderen da zu sein. Sie beide haben den jeweils Anderen schon einige Male in dieser Situation begleitet.

„Nicht dafür“, antwortet Eames und erwidert das Lächeln. Er hat das Gefühl, noch etwas mehr sagen zu wollen und zu müssen, aber die richtigen Worte wollen nicht den Weg über seine Lippen finden. Er will Arthur sagen, dass er alles, was er im Traum gesagt hat, genauso meint. Und dass Arthur immer ein willkommener Gast ist. Aber irgendetwas hält ihn zurück.

„Wir sollten zusammenpacken“, sagt Arthur, und der Moment verfliegt. Eames kann nicht umhin zuzugeben, dass er gerne noch ein wenig mehr Zeit mit Arthur verbracht hätte.

Während Arthur das PASIV zusammenpackt, macht er sich bereits auf den Weg zur Tür.

„Wir sehen uns dann“, sagt er, auch wenn er weiß, dass es vermutlich Monate dauern wird. Nach einem gescheiterten Auftrag ist es nicht ratsam, wenn sich ihre Wege schnell wieder kreuzen.

Kurz bevor er die Tür erreicht, räuspert sich Arthur hinter ihm, was ihn dazu bewegt stehenzubleiben.

„Sag mal …“, beginnt Arthur und stockt. Eames dreht sich um und hebt eine Augenbraue. Und er ist sich sicher, dass sein Erstaunen über die nächsten Worte von Arthur deutlich auf seinem Gesicht zu sehen sind: „Ich habe mir die Einladung für nächstes Weihnachten nicht eingebildet, oder?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Kerstin-san
2018-12-05T16:54:36+00:00 05.12.2018 17:54
Hallo,
 
ich mag den OS total. Du nimmst die Schärfe zu Beginn ja schon heraus, indem du sagst, dass es nur ein Traum ist, aber obwohl man weiß, dass nichts schlimmes passieren kann, ist es trotzdem schmerzhaft mitzuerleben, wie Arthur langsam verblutet.
 
Eames fand ich toll dargestellt, weil er trotz der Sorge professionell gengu bleibt, um den Job vernünftig zu Ende bringen zu wollen, dabei aber nicht gefühlslos wirkt.
 
Was ich aber besonders toll fand, war das Geplänkel zwischen Arthur und Eames, weil die Freundschaft und Vertrautheit der beiden dadurch sehr schön dargestellt wurde. Und das nächste Weihnachten kann ja dann nur besser werden ;)
 
Liebe Grüße
Kerstin
Antwort von:  konohayuki
06.12.2018 21:21
Hi Kerstin-san,

vielen lieben Dank für das Lob!
Ich mag diesen Kontrast ehrlich gesagt, dieses gleichzeitige "eigentlich kann nichts passieren" und "verdammt, er erlebt das gerade trotzdem ziemlich realistisch".

Es freut mich, dass dir Eames Charakterisierung gefallen hat, ich war am Anfang etwas unsicher, beim Schreiben hat es dann aber irgendwann Klick gemacht :)

VG
konohayuki
Von:  Votani
2018-12-03T21:13:23+00:00 03.12.2018 22:13
Trotz der recht tragischen Umstaende ist der OS absolut niedlich. :D Du hast die Charaktere und das Setting wunderbar getroffen. Naechstes Jahr dann bitte die Fortsetzung mit den beiden in Oesterreich, wo Eames seinen Truthahn zubereitet! ;)
Antwort von:  konohayuki
06.12.2018 21:18
Hi Votani,

es freut mich gerade riesig, dass beide Seiten rüberkommen, ich wollte ja auch nicht eine komplett traurige Geschichte für den Adventskalender schreiben ;)
Auch vielen Dank für das Lob bezüglich der Charaktere!
Und mal schauen für nächstes Jahr, mit dem passenden Schlagwort lässt sich sicher was reißen ;)

VG
konohayuki
Von:  lula-chan
2018-12-03T19:51:37+00:00 03.12.2018 20:51
Schöne Geschichte. Gut geschrieben. Gefällt mir. Sie passt sehr gut zum Thema.

LG
Antwort von:  konohayuki
06.12.2018 21:16
Hi lula-chan,

vielen Dank für das positive Feedback :)

VG
konohayuki


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