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Neujahrsgrüße

I'll give you everything tonight (Lucius x Molly)
von

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You're everything tonight...

Ah, give or take a night or two

Everybody knows you've been discreet

But there were so many people you just had to meet

Without your clothes

And everybody knows
 

*

*

*
 

Lucius rieb sich gequält die Stirn und starrte auf die leeren Neujahrskarten vor sich. Er hatte die Zeit aus den Augen verloren und wusste nicht, wie lang er so dasaß. Vielleicht seit Stunden oder erst seit Minuten?

Doch wie oft er auch den Zeiger der großen Uhr ticken hörte, ihm fiel nichts ein, was er auf diese Stücke Papier hätte schreiben können. Aber er musste sie doch rechtzeitig verschicken, damit sie an Neujahr ankamen. Genervt biss er sich auf die Unterlippe. Dieser Kurzurlaub sollte doch eine Entspannung für ihn werden. Quälte ihn jetzt unterbewusst das schlechte Gewissen, weil er seine komplette Familie angelogen hatte, dass er angeblich auf eine Geschäftsreise musste und das über Weihnachten? Kaum zu glauben, dass sie ihm das abgekauft hatten. Fast ein wenig naiv, aber sein Glück.

Wahrscheinlich verdankte er seiner Arbeit dieses blinde Vertrauen. Er war durch seinen Onkel an die Zauberwesenbehörde geraten. Er hatte sich damals für eine ganz besondere Unterkategorie beworben, beziehungsweise sein Onkel hatte ihn mit Hilfe von Vitamin B eingeschleust: Die Geisterbehörde, die damals – zu seiner Verwunderung – durch keine offiziellen Einzelbüros mit besonderen Arbeitsbereichen gekennzeichnet war. Wie er über die Jahre hinweg bemerkte, hatte dies auch einen Grund, denn in diesem Arbeitsbereich existierte eine graue Zone. Eine Grauzone, in der viele Zauberer verbotene Dinge tun konnten. Lucius hatte gelernt zu schweigen, denn das hatte auch sein Onkel stets getan. Er hatte ihm geraten niemanden infrage zu stellen, denn eines Tages würde auch ihm dieser „Freiraum“ einige Vorteile verschaffen. Obgleich er vermutlich in ein paar Jahren sowieso von dem Reichtum seines Vaters und dem der Blacks leben konnte. Dann würde er sich in der Politik versuchen. So war zumindest sein Plan.
 

Lucius unterbrach seine Gedankengänge mit einem herzhaften Gähnen. Seit sein Sohn zur Welt gekommen war, hatte er kaum eine Nacht durchgeschlafen. Auf der Arbeit war er dadurch unkonzentriert und kontraproduktiv. Selbst seinem Chef war es aufgefallen. Er verabscheute es, wenn er negativ auffiel. Zumindest in den Bereichen, in denen er glänzen wollte und seine Arbeit war ein Teil davon. Selbst in seinem Büro hallten Dracos Schreie in seinem Kopf. Niemals hätte er gedacht, dass ein Kind ihm so den letzten Nerv rauben könnte. Seine Frau Narzissa war komplett überfordert, obgleich sie sich stets bemühte. Ob es doch zu früh gewesen war, ein Kind zu bekommen? Der Druck der Familie einen Nachkommen zu zeugen war hoch gewesen.
 

Erst eine Zwangsheirat, um die Linie der Reinblüter zu sichern, dann die Produktion des zukünftigen Stammeshalters. Was hatte Lucius sich nur dabei gedacht? Er war immer davon überzeugt gewesen, er könne alles mit einer Hand stemmen, doch er hatte sich geirrt. Bald war er das Familienoberhaupt und noch lang nicht dort angekommen, wo ihn sein Vater vor Jahren gesehen hatte. Natürlich liebte er das Gesicht seines kleinen Jungen, seine Geburt hatte ihn mit Stolz erfüllt. Draco war sein Fleisch und Blut, er freute sich schon auf jeden Tag, an dem er ihm alles beibringen konnte, was ein Malfoy wissen musste. Wie weit er es bringen konnte, weil er seinen Namen trug! Fast sehnte sich Lucius danach, ein paar Jahre zu überspringen. Seine Schwiegermutter hatte ihm prophezeit, dass die schlimmsten Jahre jedoch noch kommen würden: Die Pubertät.

Sie sprach in dem Punkt aus Erfahrung, da ihre eigenen Neffen in diesem Alter völlig aus der Reihe getanzt waren. Aus dem einen war ein Gryffindor geworden, der sich mit Muggelstämmigen abgab, der andere hatte sich zu einem Ausreißer entwickelt, der sich in Dinge einmischte, die ihn schlussendlich zu Fall gebracht hatten.

Hogwarts schien kein guter Ort für Reinblüter zu sein, zumindest bildete Lucius sich dies ein. Am liebsten würde er Draco nach Durmstrang schicken. Dies würde Narzissa jedoch das Herz brechen, denn Durmstrang war nicht um die Ecke. Die Ausbildung dort war vorzüglich, die Lehrer brachten ihren Schülern vorteilhaftes Material in den dunklen Künsten bei, die Abraxas auch einst erlernt hatte, aber seinem Sohn nie weiter gegeben hatte. Wie oft hatte Lucius seinen Vater angebettelt, dass er sich die Bücher über dunkle Magie ausleihen durfte? Er wusste es nicht mehr, doch Abraxas war bis heute stur geblieben. Lucius traute ihm sogar zu, dass er die Bücher vor seinem Tod verbrannte, weil er befürchtete, dass man sein Verbot umging. Den Grund für seine Prohibition hatte er nie genannt. Manchmal war Ignoranz schlimmer als Hass. Er hatte Lucius nie bestraft mit üblichen Gepflogenheiten wie Hausarrest, Zauber-oder Ausgehverbot, sondern schwieg einfach. Ab und an sogar für Wochen.

Ob er es mit Draco genauso handhaben würde? Er wusste es nicht. Man sagte, man würde im Alter den eigenen Eltern immer ähnlicher werden, ob man es wollte oder nicht. Die Wurzeln waren prägend und im Unterbewusstsein immer vorhanden.

Lucius rieb sich seine Augen, als er mit dem Kugelschreiber gegen den Tisch klopfte. Noch immer fehlten ihm jegliche Zeilen. Vor ihm lagen zehn Grußkarten und er hatte es nicht geschafft, eine davon halbwegs zu beschriften. Das Einzige, was er hatte, waren die Adressen und diese hatte er einfach darauf gezaubert. Sein Vater hätte ihn einen faulen Flaneur genannt. Er war immerhin im Urlaub, müsste tiefenentspannt sein und konnte nicht mal ein paar Zeilen für seine Familie niederschreiben. Zumindest würde Abraxas die Situation so interpretieren.
 

Möglicherweise war es das grausame Schicksal, dass Lucius sein Haupt hob und sich zum ersten Mal, seit er an der Bar saß, auf seine Umwelt konzentrierte.

Er erblickte sie sofort: Das kupferfarbene Haar, die blasse Haut und das smaragdgrüne Kleid, das so eng an ihrer Haut lag, dass er sich fragte, ob sie überhaupt noch darin atmen konnte.

Er musste zweimal hinsehen, um sich sicher zu sein, dass sie es war, denn in diesem Aufzug hätte er sie beinahe nicht erkannt. Sie war es – die Frau von Arthur Weasley. Diesem Muggelfreund, diesem kleinkarierten Taugenichts aus dem Ministerium. Arthur war einer von zwei Mitarbeitern, die in der Abteilung gegen den Missbrauch von Muggelartefakten arbeitete. Er wusste noch genau, wie oft das Wiesel jemanden zu Malfoy Manor gesandt hatte, weil man seinen Onkel und einige andere Familienmitglieder aufgrund diverser Unterstellungen zu einer Hauskontrolle verdonnert hatte.

Anders als Weasley hatte seine Frau angeblich im Bereich für Magische Unfälle und Katastrophen gearbeitet und war auf den Vergissmich-Zauber spezialisiert gewesen. Laut böser Zungen machte sie sich das Leben zu einfach, indem ihr Mann ihr immer aufs Neue einen Braten in die Röhre schoss. Wie viele Kinder die Weasleys hatten oder noch bekommen würden, wusste Lucius nicht und es interessierte ihn auch nicht. Ihm reichte bereits ein Balg. Fast hätte er sich selbst geohrfeigt seinen Sohn so zu nennen, aber wenn er sich vorstellte, zehn davon inklusive Geschrei im Haus zu haben, wurde ihm glatt übel. Er wusste nicht, ob er die Weasley-Frau bemitleiden oder beeindruckend finden sollte – abgesehen davon, dass sie definitiv den falschen Mann gewählt hatte, schließlich stammte sie aus einer reinrassigen Zaubererfamilie. Die Weasleys hatten zu Beginn des Jahrhunderts ebenfalls eine reine Blutlinie, ließen dann jedoch jeden hineinheiraten, wenn ihm nicht gerade Askaban drohte. Sogar mit einfachen Muggeln hatten sie sich gepaart. Welche Reinblüterin begab sich freiwillig in eine solche Ehe? Hatte man sie verkauft? Hatte ihre Familie Schulden bei den Weasleys? Die Wieselbande war nicht bekannt dafür, dass sie vor Reichtum strotzte, da kam ihnen eine Erpressung ganz. Anders konnte Lucius sich diesen Wahnsinn nicht erklären. Sein Onkel hatte auch immer gepredigt, dass diese Rotschöpfe allesamt Verbrecher waren.

Ungeachtet davon blieb die Frage, wieso sich die Wieselfrau in eine Hotelbar verirrt hatte. Zudem schien sie allein unterwegs zu sein. Und dann noch dieses Kleid … Völlig unpassend zu dem kühlen Wetter. Oder hatte sie sogar ein Zimmer in diesem Hotel bezogen? Aber hätte er dies nicht früher bemerkt? Nun gut, er war auch erst seit ein paar Tagen hier, aber in der schottischen Wildnis ein bekanntes Gesicht zu treffen, hatte er fast für unmöglich gehalten. Hatte sie ihre Tätigkeit im Ministerium wieder aufgenommen und untersuchte einen Muggelunfall?

Ehe sich der Malfoy versah, hatte es die Rothaarige zum Tresen geschafft. Sie wirkte angespannt. Mit einem kurzen Fingerhinweis bestellte sie den Kellner zu sich.

„Tequila Silver, direkt einen Doppelten, bitte!“, sagte sie und der Kellner nickte.

„Wie sie wünschen, Ma’am“

„Das macht Wiesels Frau also, wenn sie allein ist: Sich betrinken“, kommentierte er kühl, doch so laut, dass sie es hörte. Überrascht, aber reserviert, blickte sie zu dem jungen blonden Mann, der ihr gerade diese Unverschämtheit an den Kopf geworfen hatte.

„Ich heiße Molly Prewett-Weasley, Mister Malfoy“ entkam es ihr flach und sie rollte mit den Augen. „Ich glaube, ich bin verflucht.“ Sie griff nach dem ersten Shot und trank ihn in einem Zug.

Lucius grinste scheinheilig. „Oder heute ist dein Glückstag. Vielleicht verrate ich dem Klitterer nicht, dass sich die Frau des obersten Muggelfreundes der Muggelwelt hemmungslos besäuft“, provozierte er sie weiter.
 

„Reden Sie einfach weiter, Monsieur Malfoy, irgendwann wird schon etwas Sinnvolles dabei sein“, entgegnete Molly und schnappte sich den zweiten Shot. „Bitte noch zwei davon“, gab sie dem Kellner zu verstehen, der dann zu Malfoy blickte.

„Für sie auch noch etwas mein Herr?“

Lucius nickte. „Ich nehme dasselbe wie die Dame“

„Kommt sofort, Sir!“

Lucius wartete, bis der Ober zurück mit den vier Shots kam und rückte seinen Stuhl näher zu Molly. „Ihr Gesicht sieht aus, als hätten Sie darin geschlafen.“ Er hob ein Glas und nippte daran.

Die Angesprochene verdrehte die Augen. „Hat in ihrer Familie schon mal jemand Selbstmord begangen? Nein? Wäre das nicht mal eine Überlegung wert?“, konterte sie und griff ebenfalls nach dem Tequila-Glas. Sie war normalerweise niemand, der Streit suchte, doch heute war kein guter Tag, nicht für sie und nicht für jenen, der es mit ihr aufnehmen wollte. Dass ausgerechnet der Erzfeind ihres Mannes hier sitzen musste, war eindeutig das Karma, was sie einholte. Sie würde für ihre Sünden und Lügen büßen – also schickte man ihr Lucius Malfoy.
 

„Sie sind ein wirklich überzeugendes Argument für getrennte Ehebetten, Miss Prewett-Weasley.“ Er warf ihr einen ironischen Luftkuss zu.

Angewidert formte sie ihre Lippen zu einem Lächeln. „Darf ich mein erstes Magengeschwür nach Ihnen benennen, Mister Malfoy?“ Das Feuer ihrer Beleidigungen traf jedoch auf Eis.

„Herr Ober, bitte einen Martini für die Dame und einen Wodka Lemon für mich … Keine Widerrede!“, gab er Molly zu verstehen, die etwas verwirrt drein schaute.

Als die Bestellung fix serviert wurden war, hob Lucius wieder sein Glas. „Vielleicht ist das hier das Heilmittel gegen ihre Anfälle.“

Molly hätte ihm am liebsten den kompletten Martini ins Gesicht gekippt, dennoch blieb sie ruhig.
 

„Ihnen scheinnt Arthur wirklich zu fehlen, wenn Sie schon seine Frau um Liebkosungen anbetteln müssen. Im Übrigen: In zehn Minuten kommt ein Bus, Sie können sich gerne überfahren lassen“, dann legten sich ihre Lippen genüsslich an das Glas. Es kam nur selten vor, dass sie so viel Alkohol an einem Abend trank oder dass sie überhaupt etwas Hochprozentiges zu sich nahm, aber ihre Sorgen ließen sich besser damit ertragen – ebenso das blonde Etwas, was immer näher aufrückte.

„Ich nehme an, Sie sind ausnahmsweise nicht schwanger“, gab er plötzlich von sich, was Molly irritierte.

„Warum fragen Sie?“

Er zuckte mit den Schultern „Ich halte Sie nicht für so verantwortungslos, dass sie während einer Schwangerschaft trinken.“

Es klang fast wie ein Kompliment, aber Molly wusste, dass ein Malfoy einem Weasley nie eines machte. Dennoch hatten seine Worte sie zurück in die Realität geholt. Nervös biss sie sich auf die Unterlippe. „Nein, ich werde nie wieder schwanger sein. Also sollten wir noch etwas bestellen“, wollte sie ablenken, doch der Mann neben ihr bemerkte ihre Betroffenheit.

„Hat das Schwein Sie verprügelt? Ich wusste doch, da stimmt etwas nicht“, jaulte er, doch Molly sah ihn nur schreckhaft an. Sie schüttelte heftig mit dem Kopf. „So einen Unsinn habe ich selten gehört. Arthur Weasley könnte niemals eine Frau verprügeln.“
 

„Ich nehme noch einen Baileys on Ice“, wisperte sie. Sie war nicht schwanger, zum ersten Mal seit langem konnte sie trinken. Soviel sie wollte. Diese Einsicht ließ sie erschaudern. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Immer noch blickte Malfoy sie fragend an, bestellte sich nebenbei einen Whiskey, aber er ließ die Augen nicht von ihr. Interessierte er sich wirklich dafür oder wollte er sie nur wieder penetrieren? Molly hatte mit niemanden darüber gesprochen und wollte es auch nicht, erst recht nicht mit Lucius Malfoy, aber in ihr hatte sich so viel Selbstzweifel angesammelt. Immerhin hatte sie deshalb diese Reise gemacht, um ihren Kummer zu vergessen. Sie hatte Arthur von irgendeiner alten Freundin mit Liebeskummer erzählt und dass sie Angst um sie hatte, dass sie sich nachher etwas antun würde. Sie war eine solche Lügnerin.
 

„Sterilisation ist die Antwort, die du suchst“, gab sie fast trocken von sich.

Malfoy verschüttete fast sein Getränk. „Arthur hat sich sterilisieren lassen?“, prustete er, „Wenn ich das im Büro erzäh...“

„Nein, ich habe mich sterilisieren lassen und du wirst keinem davon erzählen, schon gar keinem im Büro.“ Ihre Stimme klang so hart und dennoch verletzlich, das er zunächst schlucken musste. Sie hatte ihn auf einmal geduzt, als würde sie ihm vertrauen, irgendwie zumindest.

Waren das Tränen in ihren Augenwinkeln? Er musste zugeben, er hasste es, wenn Frauen weinten – er konnte es nicht ertragen. Damit hatte Narzissa ihn schon oft weich klopfen können. „Arthur weiß nichts davon, beziehungsweise nicht mehr“, sprach sie mit zittriger Stimme weiter. „Ich arbeite in der Vergissmich-Zentrale, den Rest kannst du dir denken. Und ja, es ist verboten, es an der eigenen Familie und zu solchen Zwecken anzuwenden.“ Es sprudelte wie ein Wasserfall aus ihr heraus.

Sie hielt einen Augenblick die Luft an und schloss die Augen. Böse Worte lagen ihr auf der Zunge. Worte, die sie unter Umständen vielleicht bereuen würde, wenn sie noch einmal darüber nachdachte. Sie fühlte sich eingeengt, und das schon eine ganze Weile. Sie hatte kaum ihre Ausbildung beendet, dann wurde sie zum ersten Mal schwanger. Sie konnte sich noch genau an Arthurs strahlende Augen erinnern, als er Bill erstmalig in den Armen gehalten hatte. Wie hätte sie ihm sagen sollen, dass sie eigentlich keine Kinder gewollt hatte? Ihm zuliebe vielleicht eins, maximal zwei. Doch immer wieder hatte sie sich überreden lassen. Einmal hatte sogar die Verhütung versagt. Eine Zeit lang hatte sie insgeheim Arthur verdächtig, er habe daran herumgeschraubt, doch würde ihr lieber Mann so etwas tun? Nein, wirklich zugetraut hatte sie es ihm nicht, aber würde er nicht mit voller Überzeugung behaupten, seine Frau wäre eine ehrliche Haut? Molly wusste nicht, ob sie den Schritt der Sterilisation mit ihm besprechen hätte sollen. Doch sie wusste seine Antwort bereits, er hätte niemals zugestimmt. Vielleicht hätte er sie sogar verlassen? Nein, das konnte sie ihren Kindern nicht antun. Zumindest nicht in diesem Alter …

Und wenn sie eines Tages erwachsen waren? Vielleicht würde sie dann endlich frei sein …

War es normal, dass sie ab und an keine Mutter und Ehefrau mehr sein wollte? Dass sie tun wollte, was nur sie wollte? Die Welt bereisen, ihrem Job intensiver nachgehen, nicht immer alles aufholen müssen, was sie verpasst hatte in den Babypausen. Musste sie sich dafür schämen, ein bisschen mehr Zeit für sich haben zu wollen?

Wie blind sie doch war. Liebe machte eben blind, hatte ihre Mutter immer gesagt und es stimmte. Einst war sie Arthur Weasley völlig verfallen gewesen. Sie hatte alles an ihm geliebt. Früher hatte er eine staatliche Figur, er sah fast ein bisschen wie Godric Gryffindor in jungen Jahren aus. Zumindest empfand Molly die Zeichnungen von Godric und ihm fast identisch. Er war ein kleiner Tollpatsch, aber dennoch liebenswert, er hatte jeden zum Lachen gebracht.

Wenn Molly ihn heute ansah, war das bei weitem nicht mehr der Arthur Weasley, in den sie sich einst unsterblich verliebt hatte. Die Routine des Alltags hatte die rosarote Brille platzen lassen.

Zuweilen gab sich Molly selbst die Schuld. Vielleicht war sie zu einer missmutigen Hausfrau mutiert, sie es nicht schaffte, ihrem Mann zu sagen, was sie sollte, ihn stattdessen anlog und sogar vergessen ließ. Sie war ein Monster. Ein Monster, das kaum noch Skrupel kannte. Immerhin erzählte sie hier die reine Wahrheit einem Mann, der den ihrigen hasste und der alles ans Tageslicht bringen konnte. Seine Augen sirrten sie an, das konnte sie auf ihrem Nacken spüren und es bereitete ihr eine Gänsehaut. Es vergingen Sekunden, in denen er sich nicht rührte, doch dann ließ er von ihr ab.
 

You've got no place to hide

And I'm feeling like a villain, got a hunger inside

One look in my eyes

And you're running 'cause I'm coming

Gonna eat you alive
 

„Verstehe. Zeitweilig will ich auch weglaufen, dabei habe ich nur einen Sprössling und keinen ganzen Kindergarten wie du. Gegebenenfalls bin ich der Erbärmlichere von uns beiden“, gab der Malfoy gedankenverloren von sich.

Erstaunt über seine Aussage drehte sich Molly zu ihrem Barnachbarn um. Er sah nachdenklich aus. Noch nie zuvor hatte sie ihn so gesehen. Meist kannte sie nur sein arrogantes Lächeln und seinen abwertenden Blick, wenn er an Arthur vorbei ging. Sie hatte er meist ignoriert. Wenn man genauer hinsah, konnte man sagen, dass Lucius ein gutaussehender Mann war. Er hatte glatte, reine Haut, stahlgraue Augen und vermutlich samtes blondes Haar. Er war stets gepflegt, achtete auf sein Äußeres, ganz im Gegensatz zu Arthur mittlerweile. Und er roch verdammt gut. Molly errötete leicht als sie seinen Duft vernahm. Warum hatte sie zuvor davon nichts gemerkt? Es war eine Mischung aus Kokosnuss und einer Sommerbrise, die sie kaum beschreiben konnte.
 

„Ich kenne die Hälfte von euch nicht halb so gut, wie ich es gern möchte, und ich mag weniger als die Hälfte von euch auch nur halb so gern, wie ihr es verdient“, hörte sie ihn plötzlich vor sich hin murmeln. Erst jetzt bemerkte die Hexe die Grußkarten, die verteilt vor und neben ihm lagen. Kurz musste sie lachen, als sie seine Worte hörte, die so unfassbar ehrlich und zeitgleich verzweifelt klangen. Als er sich angestrengt durchs Haar strich und seine Stirn in Falten legte, überkam Molly ein seltsames Gefühl, welches sie nicht erklären konnte. Ohne groß darüber nachzudenken, rückte sie näher zu ihm. Sie erhob sich von ihrem Hocker und flog fast elegant zu dem Zauberer, der so vertieft in seine Grußkarten war, dass er nicht bemerkte, wie ihre Hüfte seitlich seinen Körper berührte. Fast amüsiert lugte die Zauberin über seine bisherigen Worte, die eher dürftig ausfielen.
 

Are you drunk enough?

Not to judge what I'm doin'
 

Are you high enough?

To excuse that I'm ruined

'Cause I'm ruined
 

„Vielleicht solltest du auf die Ehrlichkeit in diesem Fall verzichten, Malfoy.“ Molly grinste und legte ihren Kopf schief, dabei fielen ihr ein paar rote Strähnen über den Hals.

Der Angesprochene kratze sich an der Stirn und es entglitt ihm ein schmales Grinsen. „Fällt dir etwas Besseres ein, Prewett?“, erwiderte er in einem Anflug Belustigung, als er bemerkte, wie dicht ihr Körper dem seinem war. Intensiv spürte er nun, dass ihr Oberschenkel sich unbewusst oder bewusst an seine Hüfte drückte und ihr linker Arm fast auf seinen rechten gestemmt war, damit sie auf seine Karten schielen konnte.

„Der große Lucius Malfoy weiß also nicht weiter und bittet mich um Hilfe?“, stichelte sie und leckte sich dabei unbemerkt über die Lippen.
 

Is it late enough?

For you to come and stay over
 

Cause we're free to love

So tease me, hmmm
 

Gedankenlos öffnete er seinen rechten Arm, um sie in seine Festung zu lassen. Überrascht zuckte Molly zusammen, als Lucius sie mit wenigen Berührungen zu sich auf den Stuhl gedrängt hatte und er es nunwar, der über ihre Schulter blickte. Sie konnte seinen heißen Atem auf ihrer Haut spüren und es bereitete ihr eine Gänsehaut. Sie wusste nicht, ob es der reine Alkohol war, der brennend durch ihre Adern schoss, oder größtenteils Erregung.

„Willst du mich als deine neue Sekretärin missbrauchen oder was bekomme ich dafür?“, neckte die Hexe ihn und versuchte ihr plötzlich schneller schlagendes Herz zu ignorieren.

Für einen kurzen Moment verharrte der Zauberer in Schweigen, dann leckte er sich über die Lippen.

„Vielleicht mache ich dir ausnahmsweise ein Kompliment?“

Seine Worte elektrisierten fast ihren ganzen Körper und ihre Lippen zogen sich zu einem spitzen Lächeln zu. „Dann beeindrucke mich.“

Kaum spürbar rückte er näher an sie und ein Mund drängte sich dicht zu ihrem linken Ohr. Ihre Haarsträhnen kitzelten sein Kinn, doch es störte ihn minder. Eher empfand er es als zunehmend angenehm. „Dafür, dass du schon einen ganzen Kindergarten zur Welt gebracht hast, hast du einen echt scharfen Körper, Prewett“, hauchte er in ihre Ohrmuschel, was sie erneut zucken ließ.

„Das kannst du durch meine Klamotten hindurch sehen? Ganz ohne Zauber?“, provozierte sie ihn weiter, was ihm anscheinend zu gefallen schien, da er nun eine Hand auf ihre Hüfte legte.

„Bei diesem Kleid kann man ziemlich viel erkennen, ich denke nicht, dass du darunter zu viele Kilos versteckt hältst“, wisperte er während seine Nasenspitze ihren Hals berührte.
 

„Danke, das Übergewicht kommt in den Wechseljahren bestimmt noch dazu“, grinste sie frech und nahm einer seiner Grußkarten in die Hände. Sie zeigte einen düsteren Wald mit einem gedämpften Laternenlicht. „Für wen ist diese Trauerkarte denn?“, wollte sich die Hexe erkundigen und hob eine Augenbraue. Besonders schick war sie nicht. „Für die Lestrange-Familie, denke ich mal“, antworte er und zuckte mit den Schultern. „Narzissas Schwester ist mit einem der Lestrange Söhne vermählt.“

Molly tippte sich ans Kinn. „Also reine Verpflichtungsgrüße.“

Der Malfoy nickte. „Aber das ist bei den meisten Reinblüter-Familien so. Oder nicht?“

Sie ignorierte die Frage und fuhr mit dem Zeigefinger über das feine Papier der Karte. „Wie wäre es mit: 365 neue Tage, 365 neue Chancen. Simpel aber dennoch neutral freundlich“
 

„Wir schließen in zehn bis fünfzehn Minuten“, hallte es von hinten. Der Kellner und Barkeeper war dabei, die letzten Tische abzuräumen.
 

Molly durchbohrten zwei Gefühle in dem Moment, als der Kellner die Zeitspanne der Schließung bekannt gab. Ersteres war Erleichterung, denn diese Situation war heikel und sie hatte ein schlechtes Gewissen Arthur gegenüber – noch mehr als sonst. Zweiteres war Bedauern, Angst, dass diese Minuten zu schnell umgingen und sie nicht mehr in Lucius Nähe bleiben konnte. Dieses Kribbeln in ihrem Bauch, das Zucken in ihrem Unterleib, all die Dinge, die sie glaubte, bereits vergessen zu haben, sie waren wieder da – ausgerechnet bei Lucius Malfoy.

Sie wollte nicht in ihr Zimmer gehen, sie wollte bei ihm bleiben, ihn noch intensiver spüren – dennoch war es falsch. Fatal falsch.

Molly schluckte und ihr Kopf füllte sich mit Hitze. Sie fühlte sich einerseits so allein gelassen mit all ihren Emotionen und Ängsten, doch hier war etwas, was sie davon ablenkte, ihr neue Kraft gab – also sollte sie Rücksicht auf Arthur nehmen oder endlich wieder leben? Allein dass sie darüber nachdachte, versetzte sich in Verlegenheit. Aber in diesem Augenblick schrie alles in ihr loszulassen und sich einfach der Situation hinzugeben. Es schrie so sehr, dass es schmerzte. Als seine Hand weiter nach oben wanderte, setzte ihr Herzschlag für eine kurze Zeit aus.
 

Is it loud enough?

'Cause my body is calling for you, calling for you

I need someone, to do the things that I do, hmmm

I'm heating up, energy's taking control

I'm speeding up

My heartbeat's dancing alone
 

Ohne dass sie es bemerkt hatte, hatte er ihre dünne schwarze Jacke in der Hand, die sie die ganze Zeit auf den Tresen liegen gelassen hatte.

„Du hast Gänsehaut“, stellte er fest und reichte ihr das Jäckchen.

Ihr war nicht kalt, dennoch wollte sie den wahren Grund ihrer Gänsehaut nicht preisgeben. Etwas verlegen nahm sie die Jacke entgegen und warf sie sich über. Lucius war immer noch dicht bei ihr und beäugte sie skeptisch. Er hatte ihre Unsicherheit bemerkt und legte den Kopf schief.

„Was ist los Prewett? Ist meine zukünftige Sekretärin etwa müde?“, neckte er sie und Molly musste wie ein kleines verknalltes Mädchen kichern. Es fiel ihr schwer, seinen Blick zu erwidern. Ihre braunen Rehaugen trafen auf seine Eisgrauen. Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr und legte unbeholfen ihre rechte Hand auf seine Brust. Eigentlich sollte es eine Art Abschiedsgeste darstellen, doch sie konnte seiner Nähe nicht entfliehen.

„Es tut mir leid, ich--“

Doch weiter kam sie nicht. Rasch hatte er sie gepackt, zu sich gezogen und seine Lippen hart auf ihre gepresst. Mit diesem Schritt war ihre Entscheidung gefallen und wie von selbst legte sie ihre Arme in seinen Nacken.
 

Cause I need your green light

Day and night, say that you're mine

Say that you're mine
 

~*~
 

Molly wusste nicht mehr, wie sie und Lucius in das Hotelzimmer gekommen waren – sie wusste nicht einmal, ob sie sich gerade in ihrem oder seinem befanden. Die meiste Zeit hatten sie sich geküsst, heiß und innig, ab und an hatte er sie im Flur gegen die Wand gedrückt, um sie noch mehr zu erhitzen. Doch just als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, hatte er plötzlich inne gehalten, hatte sie umdreht und nun spürte sie seine Brust an ihrem Rücken.
 

„Was machst du da?“, presste sie hervor und wollte sich wieder zu ihm umdrehen, aber er ließ sie nicht.

Mit einer sanften Stärke drückte er sich von hinten an ihre Hüfte, küsste kurz ihre Schultern und hauchte ihr zu: „Ich will dir helfen zu vergessen. Ich will, dass du Arthur vergisst und jeden anderen der davor war.“ Er ergriff ihre Hand, küsste jeden einzelnen Finger und zog sacht ihren silbernen Ehering beiseite. Nur kurz entwich er ihrem Körper, da er den Ring nicht respektlos beiseite schmiss, sondern ordentlich auf die Nachtkommode legte.

Bevor sie sich dazu äußern konnte, sprach er weiter: „Du wirst folgendes vergessen: Jeden Mann, der dich jemals angelächelt hat. Jeden Mann, der je mit dir geflirtet hat. Jeden außer mir.“ Seine beiden Hände wanderten über ihren Bauch immer tiefer zu ihrem Unterleib.

Molly lehnte sich nach hinten, ihr Kopf lag auf seiner Schulter, sie keuchte willig in sein Ohr und hoffte, er würde ihr endlich geben, was sie brauchte. Doch der Zauberer war noch längst nicht fertig mit seinem Werk, das konnte sie spüren. Ihr fiel etwas ein, was sie noch störte und und sie wusste, dass sie es bereuen würde, wenn sie es ihm jetzt nicht mitteilte.

„Ich kann dir alles sagen, was ich will, nicht wahr?“ Sie biss kurz in sein Kinn.

Lucius grinste und nickte. „Du musst mir nur sagen, was du willst.“
 

Molly strich mit ihrer rechten Hand über seine. Dann führte sie diese zu ihren Mund. Langsam begann sie, an seinem Zeigefinger zu saugen, danach folgte der Rest seiner Hände bis hin zu seinem Ringfinger, den sie besonders tief in den Mund nahm. Dabei zog sie seinen goldenen Ehering ab und legte ihn mit einem raschen Schritt ebenfalls auf die Kommode, wo schon der Ihrige lag.

„Ich bin wohl nicht die Einzige, die etwas vergessen muss“, raunte sie und legte ihre Arme um seinen Hals. „Sieh mich an … Wenn du bei mir bist, dann will ich, dass du an keine andere denkst. Ich will, dass du mir in die Augen siehst und nur mich siehst. Du sollst nie vergessen, wie ich mich anfühle. Und wenn deine Hände etwas anderes berühren, sollst du dir wünschen, sie berühren mich. Ich will immer, dass du daran zurückdenkst, wie es ist, eine Prewett zu lieben.“ Sie zog ihn an seinen Haaren zu sich hinab.

„Das werde ich“ waren seine letzten Worte, bis er ihre Berührungen erwiderte und sie stürmisch in Besitz nahm, als gäbe es kein Morgen.
 

I make no promises, I can't do golden rings

But I'll give you everything … tonight
 

Magic is in the air, there ain't no science here

So come get your everything … tonight

You're everything tonight
 

~*~
 

Angestrengt blickte Lucius auf den Haufen von Grußkarten, den er bereits erledigt hatte. Es war nur noch eine einzige übrig. Sie war für Molly Weasley. Sie hatte für ihn ausgesagt vorm hohen magischen Gericht. Dank ihr musste er nicht in Gefängnis wegen Todesserei. Nur dank ihr war er an Weihnachten zu Hause gewesen und musste sich keine Zelle mit Lestrange oder sonstigen Schurken teilen. Dabei war er selbst ein Teil des Großen und Ganzen gewesen. Natürlich hatte er niemals gewollt, dass es in solch einer Form ausartete und am Ende hatte er es nur durchgezogen, um Draco und Narzissa zu schützen. All die Jahre der eitlen Arroganz, der Schauspielerei und der heimlichen Schmerzen waren von ihm abgefallen. Eine unfassbare Leere umgab ihn.

Auch wenn seine Frau nun nicht mehr im selben Zimmer wie er schlief, war er ihr dankbar dafür, dass sie blieb. Vermutlich nur Draco zuliebe, aber sie hatte es schon immer gewusst. Er war naiv gewesen zu denken, sie würde sich von ihm abwenden, nur weil er ein Todesser gewesen war. Er hatte seine Familie in Gefahr gebracht, aber all das hatte sie ihm verziehen. Narzissa wusste, dass er sie liebte, dass er es gelernt hatte und wie sehr ihm sein Sohn ans Herz gewachsen war in all den Jahren, obgleich er ihn immer mit Stränge bestraft hatte – genau wie Abraxas ihn. Vielleicht wurde man am Ende doch wie seine Eltern – das hatte er in jungen Jahren immer gedacht, heute konnte er es bestätigen. Dennoch wusste Narzissa, dass sein Herz immer nur zum Teil ihr gehört hatte. Sie wusste es einfach. Jene Neujahrsnächte in denen er nicht Zuhause war, sondern in Schottland, jene Nächte, die er sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen hatte um über all sein Vergehen nachzudenken.
 

Es vergingen einige Jahre bis er einen Schnitt gemacht hatte. Er hatte sich für Narzissa entschieden, für seine Familie, für seinen Ruf. Zurück blieb Molly, ob mit oder ohne gebrochenem Herz, das wusste er nicht. Niemals hatte er sie gefragt, ob sie es in Betracht ziehen würde, Arthur zu verlassen, da er es selbst auch nicht getan hätte. Und nun saß er hier, alt und gebrochen, in dem Familiensessel, der einst von seinem Vater besetzt war. Als er eines abends an Drachenpocken verstarb, hatte Lucius sich zum ersten Mal auf den Platz seines alten Herren gesetzt. Es war ein merkwürdiges Gefühl, dennoch zog es ihn stets auf diesen uralten Sessel zurück.
 

Reichte ein simples Danke? Eigentlich nicht. Der Zauberer seufzte leise und strich sein langes mittlerweile grau-blondes Haar zurück. Dann klopfte es an der Tür. Lucius zuckte zusammen.

Ohne Aufforderung öffnete sich die Tür seines Arbeitszimmers. Was er erblickte, verblüffte ihn. Ein grau-roter Schopf lugte durch den Türrahmen.

Musste man wirklich nur an jemand Bestimmten denken, um ihn zu begegnen?

Lucius starrte sie an. Die Frau, die sein Leben gerettet hatte, die Frau, die nun wirklich in die Wechseljahre gekommen war, aber dennoch so viel innere Schönheit ausstrahlte. Molly Weasley. Mit der Zeit hatte sie ihren Zweitnamen abgelegt, dabei klang Prewett in seinen Ohren immer viel melodischer als Weasley.
 

„Bei Merlins Bart“, begann Lucius. Er musste sich zusammennehmen, um nicht zu stottern. Er wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Nach all den Jahren, in denen er sie ignoriert und Arthur noch mieser behandelt hatte als zuvor, stand sie einfach vor ihm – und sie lächelte.

„Narzissa hat mich hinein gelassen. Sie sagte, ich finde dich hier.“ Sie schloss die Tür hinter sich. Lucius klammerte sich fast in seinen Sessel und sog scharf die Luft ein. Als sie auf ihn zukam, wäre er am liebsten aufgesprungen und weggelaufen. Doch das hatte sie nicht verdient. Er mied ihren Blick und starrte auf den Boden. Es kam ihm vor wie Stunden, bis sie endlich vor ihm stand und sie sich zu ihm hinab bückte. Nur sacht berührte sie sein Haar und betrachtete einer seiner grauen Strähnen. „Du bist alt geworden, Malfoy.“

Sie sagte es in demselben Ton wie früher, wenn sie sich stritten und neckten. Fast wäre ihm ein Lächeln über die Lippen gesprungen, doch er verkrampfte sich.

„Ich dachte mir, wenn du an Neujahr schon nicht mehr zu mir nach Schottland kommst, komme ich halt zu dir und überbringe dir persönlich Neujahrsgrüße. Ich glaube, auf deine hätte ich ewig warten müssen.“ Ihre Stimme war gelassen und freundlich und voller Wärme.

Wie konnte diese Frau nach alldem, was er getan hatte, so wundervoll sein? Warum wusste sie nur, dass er sich niemals überwinden konnte zu ihr zu kommen, sich ihre Nähe aber so sehnlichst wünschte?

Er hatte ihr nicht einmal gesagt, was er fühlte, was er wollte. Nicht ein einziges Mal. In all der langen Zeit. Stattdessen hatte er sie aus seinem Leben verbannt. Sie hatte mehr verdient als ein Danke.
 

Mit einem Ruck erhob er sich und Molly ließ von ihm ab. Sie wich einen Schritt von ihm zurück. Lucius sah sie durchdringend an. „Weiß dein Mann, dass du hier bist?“, fragte er.

Molly hielt seinem fast finsteren Blick stand. „Ja, er weiß es. Er weiß alles.“

Lucius Herz machte einen Aussetzer. Dann schnaubte er. Sie hatte so viel mehr verdient als ein Danke. Definitiv. So unaussprechlich viel mehr.

Mit zittrigen Beinen kam er auf sie zu, eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Molly glaubte schon, er würde sie zum Gehen animieren wollen, doch dann geschah das Unfassbare. Er drückte sie an sich so fest er konnte und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. „Im nächsten Leben finde ich dich früher. Ich verspreche es dir.“ Es war nur ein Wispern, doch Molly hörte es und ihre Welt hörte für einen Augenblick an auf zu existieren.

All der Schmerz, der sich über die Jahre angesammelt hatte, den sie versuchte hatte, mit Mühe und Not zu verdrängen – da war er wieder. So nah und präsent. Sie hatte sich damit abgefunden, dass er sie niemals wählen würde, und dennoch zog es sie immer zu ihm zurück. Und jetzt an diesem Ort fiel er in sich zusammen – so schwach und zerbrochen lag er in ihren Armen. Zum ersten Mal waren seine Worte voller Ehrlichkeit, voller Reue …. Und Liebe?
 

Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie versuchte, sie zu unterdrücken, aber schließlich liefen sie ihre Wangen herab. Ein kurzes Schluchzen ließ ihn zusammenzucken, doch sie hielt inne. Diesmal würde sie nicht weglaufen, diesmal war sie nicht schwach.

Als sie sich beruhigt hatte, sah sie auf, ihre beiden Hände wanderten zu seinem Gesicht, umfassten es, ihre Daumen strichen sanft über sein faltiges Gesicht. Diesmal würde auch er hier bleiben und nicht davonlaufen können. Dafür würde sie sorgen.

Sie begann mit einem Zittern, was sich am Ende in eine Befreiung offenbarte. „Lucius Malfoy“, begann sie mit kaum hörbarer Stimme. Ihr Herz flatterte so hart gegen ihre Brust wie damals in ihrer ersten Nacht. „Ich liebe dich. Ich liebe dich und zwar so sehr, dass es mich ausfrisst“
 

Ihre Kinder waren alle erwachsen. Eines davon war bereits nicht mehr am Leben. Es hatte ihr Herz gebrochen, doch noch jemanden zu verlieren, den sie liebte, das würde sie nicht verkraften. Vielleicht war das hier die letzte Möglichkeit auf ein klein bisschen inneren Frieden. Ein langersehntes Glück, was ihr immer verwehrt worden war. Sie konnte die Zeit nicht zurückdrehen und wollte es auch gar nicht, denn niemals würde sie auf ihre wundervollen Kinder verzichten wollen. In diesem Augenblick jedoch empfand Molly Weasley ihre Aufgabe für getan. Endlich konnte sie loslassen. Loslassen, um ihre eigene Glückseligkeit zu vollenden, die vor so vielen Jahren in einem schottischen Hotel begonnen hatte. Man durfte kein Glück erwarten, es ist etwas, was man verdiente. Wenn das Leben es irgendwann gut mit einem meint, ist es ein flüchtiges Geschenk.

Wenn eine Mutter, eine Ehefrau, eine Geliebte, länger gewartet hat, als sie es eigentlich ertragen konnte … und nach so viel Ungewissheit, Gewissheit erfuhr, wenn sie erfahren durfte, dass ihre Gebete erhört wurden, kann man das nicht wirklich Glück nennen?
 


 

*

*

*
 


 

„Wenn du zwei Menschen zur gleichen Zeit liebst, dann wähle den zweiten Menschen. Denn wenn du den ersten wirklich lieben würdest, hättest du dich nie in den zweiten verliebt.“
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: irish_shamrock
2018-12-29T09:48:36+00:00 29.12.2018 10:48
Hallo Liebes,

ich bin aus dem Urlaub zurück, zumindest von der Ostsee, und habe mich jetzt hingesetzt und dein Werk gelesen.
Hab vielen, vielen lieben Dank für die Widmung ♥
Wenn ich so darüber nachdenke, hätte ich "Shape of my heart" wohl doch nicht in Hogwarts spielen lassen sollen, da war die "Bewegungsfreiheit" schon ein wenig sehr eingeschränkt ^^°.
Umso schöner war es, eine Geschichte zu lesen, in der beide Charaktere bereits gefestigt sind und im Leben stehen.
Mir gefällt, dass du Lucius beinahe verzweifeln lässt, obwohl das Schreiben von Grußkarten schon mal eine Herausforderung sein kann x.x ...
Scheinbar hat sich Molly gut gehalten, nach 5 Geburten (eine Vorstellung, die mich ein wenig gruseln lässt, obwohl man sich in den HP-Büchern mehr oder weniger dran gewöhnt hat bzw. sich dran gewöhnen musste ...)
Deine Wortgefechte waren immer einfach super. Bissig, witzig, anzüglich.
Ein paar kleine Fehler sind mir aber trotzdem aufgefallen, aber das ist nicht weiter wild (irgendwo schwirrt ein "wurden waren" herum, und statt "stattlich" hattest du "staatlich" geschrieben (in bezug auf Arthur)).
Dass du das Thema "Sterilisation" so ... brachial zur Sprache bringst, war im ersten Moment erschreckend aber während des Lesens dachte ich "Ja, klar, gut, dass du dich dafür entschieden hast ..." - Aber was das noch mit Ginny wird ...??
Dass du Molly solche Fähigkeiten angedeihen lässt, und sie Arthur dadurch manipuliert und vergessen lässt, finde ich gut gelöst.
Allgemein ist das Zusammenspiel beider, trotz der Umstände, sehr harmonisch.
Dass Molly ihn, nach all den Jahren, dennoch aufsucht, Arthur davon weiß und scheinbar auch Narzissa keinen Einwand gegen Mollys Erscheinen hat, zeigt mir, dass sich deine Protas in all der Zeit damit arrangieren mussten.

Die Zitate finde ich super. Ich vergöttere Bilbos Spruch! (HdR!!)
Auch die Musikauswahl, bzw. die Songtexte sind gut gewählt ("Promises" gehört momentan zu meinen Favoriten ♥)
Da ich "Die Geisha" leider nur flüchtig kenne, sind mir die Worte nicht so vertraut, aber das hat dem Drumherum keinen Abbruch getan.

Nochmals vielen Dank für die Geschichte, die Widmung und allem, was dazu gehört :D ...

Ich wünsche dir einen Guten Rutsch ins Neue Jahr ♥♥♥
irish C:
Antwort von:  _Natsumi_Ann_
29.12.2018 11:10
Hehe danke freut mich :)
Ähm Ginny ist schon geboren :) Ich habe extra alles ausgerechnet wann sie wen bekommen hat ^^ Ginny war die letze mit 31 glaube ich ^^ Ich habe es irgendwo niedergeschrieben meine Rechnung, schaue nochmal ^^ aber wollte das alle kinder durch sind und das Molly deshalb jetzt mal Feierabend macht ^^ Molly & Arthur wurden immer so als perfekte Ehe gesehen, und ich kann mir vorstellen das selbst die Über-Mutter einfach mal die Schnauze voll hat xD und das sie nur paar Kinder wollte wenn überhaupt und aus Liebe einfach mitgezogen hat, kann ich mir bei ihr halt auch gut vorstellen... mache leute machen viel aus liebe ^^"

Danke für dir Werbung bei Twitter *grad gesehen hat* :)
Von:  RainWitch
2018-12-26T21:51:12+00:00 26.12.2018 22:51
Ich habe die FF letzte Nacht um drei Uhr gelesen xD Hätte eigentlich schlafen müssen aber.. Schlaf wird überbewertet, hat sich aber sehr gelohnt xD

Ich finde es total schön und das du wirklich Zitate von Die Geisha mit eingefügt hast.. Ich hätte nicht gedacht, dass das so gut passt aber du hast das so toll hinbekommen, vor allem dieses außergewöhnliche Pärchen *o*

Für solche tollen Fanfictions verzichte immer wieder gerne auf meinen Schlaf :3
Von:  nagachika
2018-12-25T14:42:35+00:00 25.12.2018 15:42
Zuerst dachte ich "Das ist..."
Und dann war es "OMG, OMG, OMG, ICH LIEBE ES"

Das war dann die Stelle, die ich liebe:
Molly hielt seinem fast finsteren Blick stand. „Ja, er weiß es. Er weiß alles.“

Es ist eine sehr schöne FF und ich habe sie gern gelesen.
... Ich war überrascht, wie ich die beiden am Ende geshippt habe. So ziemlich doll.


Von:  ChiaraAyumi
2018-12-25T14:37:43+00:00 25.12.2018 15:37
Hallo meine Liebe! Danke für die Verlinkung. Ich habe mich wirklich sehr auf diese Geschichte gefreut!
Und es ist so eine schöne Geschichte!
Ich mochte besonders die Neckereien zwischen Lucius und Molly. Und das Ende *~*
Wie Lucius über den Neujahrskarten grübelten und seine Gedanken zu Beginn der Geschichte. Du hast dir schön Zeit gelassen ihn als Charakter einzuführen. Wirklich gut getroffen!
Ich muss sagen ein wenig hat mich die Charakterisierung von Molly gestört, weil sie eben diese Mutterfigur für mich ist und das sie gerade das nicht sein möchte fand ich etwas viel. Dass sie mal Ruhe will und auch die Sterilisation kann ich verstehen, aber das sie gar keine Kinder will und es nur zuliebe von Arthur Mutter wird, finde ich nicht so passend.
Aber das ist das einzige was mich stört. Ansonsten finde ich wundervoll wie du die Liebesgeschichte zwischen den zwei gestaltet hast!

Ich wünsche dir frohe Weihnachten!

LG
Chiara
Antwort von:  _Natsumi_Ann_
29.12.2018 11:11
siehe Irish <3 Habe da nochmal kurz erläutert wie ich Molly sehe ^^ Und anders wollte ich sie nicht mit Lucius verbinden.. also wäre alles perfekt mit Arthur gewesen, wäre das sonst komisch xD


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