Second Sight
But still you stumble, feet give way
Outside the world seems a violent place
But you had to have him, and so you did
Some things you let go in order to live
While all around you the buildings sway
You sing it out loud, who made us this way
I know you're bleeding, but you'll be okay
Hold on to your heart, you'll keep it safe
Hold on to your heart, don't give it away
Various Storms And Saints - Florence + The Machine
„Oh, und Mao ist schwanger.”
„Na endlich.”
„Endlich?” Takao lachte und es knackte kurz in der Leitung. Kai legte einen Arm über die Lehne der Bank, seine Jeans wurde warm unter den Strahlen der tiefstehenden Herbstsonne. Es war Anfang Oktober, der Wind war kalt. „Sie sind seit zwei Jahren verheiratet”, sagte er, „Ich hab mich schon gefragt, ob sie die Ehe überhaupt vollzogen haben.”
„Du bist immer so fies”, entgegnete Takao. „Wo bist du gerade?”
Kais Blick folgte dem Flug einer großen Möwe, die ein Stück weiter weg auf dem steinigen Strand landete. „Brighton”, antwortete er, „Ich verkaufe eines von Soichiros Häusern an eine Nonprofit-Organisation.”
Es knackte noch mal, Kai hörte, wie Takao seine Position veränderte. Er rief meistens die Festnetznummer des Dojos an, einen alten Apparat mit Schnur, der ganz unelegant an der Wand baumelte. Vor seinem inneren Auge sah er, wie Takao in unbequemer Haltung auf dem Boden saß, die Beine im Schneidersitz und die Härte der Wand in seinem Rücken leise verfluchend. „Es ist Sonntag, verdammt!”, sagte Takao, „Immer wenn du Single bist arbeitest du dich kaputt. Du solltest wieder anfangen zu daten.”
„Ich mache das Geschäft ja erst morgen”, sagte Kai ungerührt. Es entstand eine unangenehme Pause, die von dem Wort „daten” herrührte. Eigentlich war er ganz froh, sich momentan nur um sich selbst kümmern zu müssen. Seine letzten Versuche, sich auf andere Personen einzulassen, waren nach wenigen Wochen gescheitert.
„Hast du gesehen, dass Yuriy immer noch mit diesem Modell ausgeht?”, platzte es aus Takao heraus. Kai verdrehte die Augen. Natürlich hatte er es gesehen, schließlich hatte er seinen Exfreund auf Facebook nicht geblockt. „Sie heißt Inés Alvarez”, sagte er, „Ich kenne sie. Yuriy hat sie schon vor ein paar Jahren fotografiert. Sie ist nett.”
„Fehlt nur noch, dass du ihnen alles Gute wünschst”, murmelte Takao, „Mensch, Kai! Willst du mir wirklich weismachen, dass dich das nicht juckt? Ihr habt seit über einem Jahr nicht mehr miteinander gesprochen, und jetzt turtelt er seit drei Monaten mit dieser Inés. Was, wenn das was Ernstes ist?”
Kai seufzte. Darüber dachte er nicht nach. Weder, wenn Yuriy in seiner Timeline auftauchte und sie mit ihm, da sie inzwischen auf seinem Profilbild war. Noch, wenn sie Schnappschüsse von ihren Dates postete und ihn darauf verlinkte. „Du hast es selbst gesagt”, meinte er schließlich, „Wir haben seit über einem Jahr nicht mehr miteinander gesprochen. Wir beide haben andere Menschen gedatet. Es ist okay.”
Takao brummte, doch dann war ein Rascheln auf seinem Ende der Leitung zu hören. „Oh, Hiromi ist gerade gekommen. Sie sagt hi.”
„Hi”, sagte Kai.
„Du, ich muss Schluss machen, wir wollen noch weg.”
„Alles klar.”
Sie verabschiedeten sich und dann war Kai allein mit dem Möwengeschrei und dem Wellenrauschen. Er mochte Brighton oder generell die englische Südküste. Vor ein paar Jahren war er für’s Studium nach London gezogen - und Yuriy mit ihm. Ein Glück, dass sie damals keine gemeinsame Wohnung genommen hatten. Kai hatte ein Uni-Apartment bekommen und Yuriy eine WG gefunden. Das Ganze ging vier Jahre lang gut und dann … tja. Sie lebten immer noch in London, die Stadt war groß genug für sie beide. Kai war außerdem oft unterwegs; seit Soichiros Tod hatte er voll damit zu tun, sein Imperium in kleine Teile zu zerlegen und Stück für Stück zu verscherbeln. Er wollte diese Firma nicht, oder zumindest nicht alles von ihr. Yuriy war Fotograf, und sogar ein ziemlich gefragter; auch er war viel unterwegs, meist für Reportagen. Nebenbei stellte er experimentelle Portraits her und hatte im letzten Jahr gute Kritiken für einen Bildband mit seinen Werken bekommen. Kai freute sich für ihn, wirklich. Sie waren nicht im Streit auseinander gegangen, und obwohl es am Anfang weh getan hatte, war er inzwischen darüber hinweg.
Am Abend ging er durch die Stadt, auf der Suche nach einem Pub, in dem es halbwegs gutes, fettiges Essen und ein Pint Bier gab. Brighton war etwas verschlafen, noch dazu in der Nebensaison, doch das sollte ihm recht sein. Es tat gut, den Geräuschen und der Hektik Londons ab und an zu entkommen.
Er kam an einer großen Fensterfront vorbei, aus der kühles Licht auf den Bürgersteig fiel. Beiläufig drehte er den Kopf, um zu sehen, was in dem Laden vor sich ging - und hielt inne. Es musste sich wohl um eine Galerie handeln, denn der Raum hinter dem Fenster war ganz in Weiß gehalten, sodass nichts von den Bildern ablenkte, die an den Wänden hingen. Die meisten Plätze waren jedoch leer, nur ein paar Drähte und Haken baumelten von der Decke hinab. Dafür standen einige Leinwände in den Ecken, bereit, arrangiert zu werden. Kais Blick wurde von einem großen Druck im hinteren Teil des Raumes angezogen. Er kannte das Motiv, Gott, er war quasi dabei gewesen, als es entstanden war.
An der Tür hing das „geöffnet”-Schild, also trat er kurzentschlossen ein. Ein bisschen neugierig war er, wie viel das Bild wohl kosten würde. Eine helle Glocke erklang, als die Tür hinter ihm wieder in Schloss fiel, doch niemand kam, um ihn zu begrüßen. Er meinte, von irgendwoher Stimmen zu hören, doch sie waren so leise, dass er nicht einmal die Richtung, aus der sie kamen, schätzen konnte. Ein wenig unschlüssig schob er die Hände in die Taschen; es konnte nicht schaden, sich einmal umzusehen.
Bald erkannte er weitere Bilder. Manche hatte er schon im Original gesehen, manche nur im Internet. Sie alle waren Yuriys. Der Kurator hatte wohl einen kleinen Narren an ihm gefressen, wenn er seine ganze Galerie dafür zur Verfügung stellte. Für Kai war es wie ein kleines Déjà-vu; die ersten Probedrucke seiner Fotografien hatte Yuriy an die Wände der WG gehängt, um zu sehen, wie das Material bei verschiedenen Lichteinfällen wirkte. Er traute sich nicht, die Bilder zu berühren, doch er hätte gern gesehen, was sich in den hinteren Reihen befand. Etwas unschlüssig schlenderte er durch den Raum, bis sich irgendwann Schritte näherten.
„... Wir sind dann morgen mit dem Hängen fertig. Oh, entschuldigen Sie bitte, Sir, ich habe Sie gar nicht gehört.” Kai hob den Kopf und sah den Sprecher an. „Ich war noch im Gespräch mit Mr. Ivanov hier ..."
Yuriy brauchte wohl einen Moment, um ihn zu erkennen, und auch Kai war im ersten Augenblick verdattert, bevor er verstand, wer dort neben dem Galeristen stand. Doch dann breitete sich ein Lächeln auf dem Gesicht des Rothaarigen aus. „Kai! Das ist ja ein Zufall!” Er kam auf ihn zu und Kai fühlte sich plötzlich ertappt. „Entschuldige, ich wollte nicht einfach reinplatzen. Aber ich habe deine Bilder von draußen gesehen und bin neugierig geworden.” Unschlüssig standen sie sich gegenüber und Kai musterte seinen Exfreund. Er trug gut geschnittene Jeans und eine Wolljacke über dem blauen Strickpullover. Seinen Schal hatte er nachlässig in die Tasche der Jacke gesteckt, aus der er ein gutes Stück herausragte. Ihn wieder in Person zu sehen, nicht in irgendwelchen Social-Media-Posts oder gar Zeitungen, fühlte sich erschreckend vertraut an.
„Wie geht es dir?”, fragte Yuriy.
„Gut, denke ich”, antwortete Kai. „Ich verkaufe nach und nach die Firma. Und du?”
Yuriy machte eine Geste, die den Raum umfasste. „Naja, ich habe mich gerade hier eingemietet, in der Hoffnung, ein paar Bilder zu verkaufen. Das ist hier alles etwas günstiger als in London. Ich setze auf die Touristen.” Er zwinkerte ihm zu und Kai verzog den Mund zu einem Grinsen. „Bei mir hat es schon mal geklappt.” Yuriy lachte, es war dieses kurze, leise Auflachen, das er nur zu gut kannte, aber schon fast vergessen hatte. „Wie lange bleibst du in Brighton?”
„Nur noch bis morgen”, antwortete Kai, „Ich muss zur Uni. Gehst du zurück nach London?”
Yuriy wirkte erstaunt, er wusste ja gar nicht, dass Kai inzwischen seinen Master angefangen hatte. Dann jedoch schob er einfach die Hände in die Taschen und sagte: „Ich bleibe noch bis Dienstag. Wir haben morgen eine kleine Vernissage.”
„Nun, dann will ich nicht weiter stören”, meinte Kai, „Ihr habt sicher noch einiges zu tun.”
Yuriy öffnete den Mund, sagte aber lediglich „Okay.” und Kai wandte sich zum Gehen. Etwas trieb ihn an und er musste sich zwingen, nicht zu wirken, als würde er fliehen. Schon hatte er die Türklinke in der Hand, als Yuriys Stimme ihn noch einmal innehalten ließ. „Schön, dich zu sehen”, sagte er.
Kai wandte sich halb zu ihm um. „Ja, finde ich auch.” Dann trat er wieder in den kühlen Abend hinaus. Er merkte nicht, dass Yuriy noch eine ganze Weile wie erstarrt dastand, bevor der Galerist ihn aus seinen Gedanken riss.
Diese Begegnung verfolgte Kai bis nach London. Mehrere Tage vergingen, doch seine Gedanken kehrten immer wieder zu diesem Sonntagabend zurück. Er hätte nicht erwartet, dass der Anblick seines Exfreundes ihn so aus der Bahn werfen würde. Schließlich war er der festen Überzeugung, über ihn hinweg zu sein.
Was Kai nach ihrer Trennung am meisten zu schaffen gemacht hatte, war, neue Routinen zu finden. Sie hatten immer darauf geachtet, nicht alles zusammen zu machen, und auch ihr gemeinsamer Freundeskreis hielt sich in Grenzen. Dennoch war es seltsam gewesen, ihn plötzlich nicht mehr jeden Tag zu sehen. Wochenlang war er wie ferngesteuert durch seinen Alltag gestolpert. Takao, Max und Rei, seine engsten Freunde, waren sehr weit weg, und auch wenn sie in ihrem Übermut angeboten hatten, ihn zu besuchen und auf andere Gedanken zu bringen, wusste er doch, dass es nicht mehr als eine fixe Idee war. Also hatte er alles mit sich selbst ausgehandelt - und lange Telefonate geführt, vor allem mit Takao. Es hatte geholfen, ein bisschen. Drei Monate vergingen wie im Nebel, er beendete seinen Bachelor und zog in eine andere Wohnung. Dann saß er eines Abends auf seinem Bett, umgeben von Umzugskartons, der Geruch von frischer Farbe lag noch in der Luft, und scrollte durch seine Timeline auf dem Handy. Und Yuriy war dort gewesen, auf einem Foto einer anderen Person, die einen Arm um ihn schlang, und er hatte glücklich ausgesehen. Und Kai hatte angefangen zu heulen und zwei Stunden lang nicht aufhören können. Ein paar Tage später war er zum ersten Mal nach sehr, sehr langer Zeit wieder ausgegangen. Seitdem gab es hier und da Dates, genauso wie bei Yuriy. Kai sah seine Bilder und reagierte nicht, und Yuriy hatte auch nie etwas von ihm kommentiert. Und es war gut so, bis jetzt. Jetzt merkte er, wie sehr Yuriy in seinem Leben fehlte. Nicht als Geliebter, sondern als Freund.
Er ertappte sich dabei, wie er regelmäßig auf sein Handy blickte, als würde er auf etwas warten. Doch da war nie etwas. Keine Nachrichten, nichts. Kai war niemand, dem die Leute einfach so schrieben, denn er antwortete selten. Und doch kribbelten seine Finger erwartungsvoll, sobald er das Telefon in die Hand nahm, und er spürte Enttäuschung, wenn alles unverändert war. Bald ging ihm auf, dass vielleicht er den ersten Schritt machen musste.
Er stand im Supermarkt vor der Gefriertruhe, als er alle Bedenken über Bord warf. Anstatt sein Handy wie immer seufzend zurück in die Tasche zu stecken, entsperrte er den Bildschirm und öffnete seine Nachrichten. Als er Yuriys Profil anklickte, erstarrte er kurz, denn er hatte ihren Chatverlauf nie gelöscht, und so war dort noch der letzte Nachrichtenaustausch zu lesen. >Wirf den Schlüssel dann einfach in den Briefkasten<, stand dort und Kai erinnerte sich, wie er in Yuriys Zimmer nach ein paar von seinen Unibüchern gesucht hatte, bevor er es für immer verlassen hatte. Er verscheuchte den Gedanken und tippte: >Wie war die Vernissage?< Das war alles.
Die Antwort kam viel zu schnell. An der Kasse sah er noch mal nach, und er erschrak ein bisschen, als er das Nachrichtenzeichen sah.
>Gut, ein paar Bilder sind sogar schon weg.<
>Gratuliere<, schrieb Kai, >Bist du wieder in London?<
>Ja, seit ein paar Tagen.<
Und dann: >Ich bleibe jetzt auch mal für eine Weile hier. Die Auftragslage ist gerade ganz angenehm.<
Kai wusste nicht recht, was er darauf erwidern konnte; er war so verdammt schlecht darin, per Kurznachricht zu kommunizieren. Also antwortete er einfach: >Hört sich gut an.<
Daraufhin blieb sein Handy still.
Yuriy hatte schon nicht mehr damit gerechnet, dass Kai sich melden würde. Zunächst hatte er darauf gewartet, sogar selbst ein paar Mal das Telefon in der Hand gehabt und dann doch nichts getan. Er wusste einfach nicht, ob Kai den Kontakt überhaupt wollte. Verdammt, das wusste er ja nicht einmal selbst.
Ihn zu sehen hatte sein inneres Karussell aus Terminen, Aufträgen und ja, ab und zu auch Dates, jäh zum Halten gebracht. Zuerst hatte er gar nicht glauben wollen, dass es wirklich Kai war, der vor ihm stand. Dabei hatte er sich gar nicht so sehr verändert. Und natürlich waren sie nie gänzlich aus dem Leben des jeweils anderen verschwunden; das war unmöglich, wenn sie sich alle im Internet tummelten. Kai postete selten etwas, doch es gab schon eine Regelmäßigkeit dabei. Zumindest glaubte Yuriy zu wissen, wen sein Ex im vergangenen Jahr so gedatet hatte. Auch Takao und die anderen sorgten dafür, dass er nicht im virtuellen Nirvana verschwand. Yuriy hatte ihn beobachtet, nicht einmal absichtlich, es war mehr nebenbei passiert, und doch war er genauso stumm geblieben wie Kai selbst. Er wusste nicht einmal, von welchen seiner Aktivitäten Kai etwas mitbekommen hatte.
Yuriy hatte seit Monaten keinen Gedanken an seinen Exfreund verschwendet - was, zugegeben, auch an seinem vollen Kalender lag. Und so traf ihn ihre Begegnung sehr unerwartet. Er hätte schon einen Tag später nicht einmal mehr sagen können, was Kai getragen hatte. Eine dunkle Jacke - oder? Sein Blick allerdings war ihm im Gedächtnis geblieben, forschend und vorsichtig, ein wenig abweisend. Es hatte Yuriy einen kleinen Stich versetzt, denn vor nicht allzu langer Zeit hatte er noch zu den Menschen gehört, für die Kai diesen Gesichtsausdruck ablegte.
Am Tag, an dem Kai schrieb, versetzte Inés ihn. Sie schrieb ihm um die Mittagszeit - >Sorry, ich bleibe doch länger in Oslo, wir holen das nach, XO< - und wie immer hielt er sich nicht mit einer langen Antwort auf. Sie dateten sich vielleicht seit drei Monaten, im Grunde sahen sie sich aber nur alle zwei Wochen mal. Für Yuriy war es okay, denn sie waren beide viel unterwegs. Dass sie mehr oder weniger exklusiv waren, lag bisher am ehesten an ihren vollen Terminkalendern. Er mochte die Treffen mit ihr, konnte sich momentan aber nichts Ernsthaftes vorstellen. Was sie dachte, hatte er nie gefragt.
Ein paar Stunden später postete sie ein paar Fotos von ihrem Shooting in Oslo. Er saß in einem Coffeeshop, nippte an einem Cappuccino und arbeitete seine Mails ab. Ab und an gönnte er sich einen Blick aufs Handy. Die Klamotten, die Inés trug, waren etwas gewöhnungsbedürftig, aber der Fotograf hatte ein gutes Auge. Gerade wollte er die Bilder liken, als Kais Nachricht auf dem Display erschien. Sein Daumen verharrte für einen Augenblick über dem Gerät schwebend. Dann verzog sich sein Mund zu einem Lächeln.
Ihr Austausch schlief schon bald wieder ein. Vielleicht hatten sie sich nichts zu erzählen - oder so viel, dass Nachrichten dafür nicht ausreichten. Yuriy vermisste Kai als Gesprächspartner ziemlich oft, denn es gab nicht viele Menschen in seinem Leben, mit denen er sich regelmäßig intensiv unterhielt. Klar, die Telefonate mit Boris dauerten meist mehrere Stunden, und meistens tranken sie sich jeder für sich dabei einen kleinen Schwips an, damit sich ihre Zungen lösten - doch sie waren viel zu selten. Arbeitsgespräche zählten nicht, genauso wenig wie solche mit flüchtigen Dates.
Am Abend saß er gelangweilt in der Küche und stocherte in einer Box mit indischem Take-Out-Essen herum. Normalerweise beschäftige er sich um diese Zeit mit den Konzepten für seine Shootings oder bearbeitete die letzten Bilder, aber heute war irgendwie der Wurm drin, also verzichtete er darauf. An manchen Tagen brauchte das Gehirn einfach eine Pause.
Sein Handy lag neben ihm auf dem Tisch, und irgendwann griff er danach. Kai war ganz oben in seinen Nachrichten. Er öffnete den Chat und schrieb, eher er es sich anders überlegen konnte: >Wie lief eigentlich dein Deal in Brighton?< Dann legte er das Gerät wieder zur Seite. Es war Freitag, bis auf ihn hatten hoffentlich alle Besseres zu tun als schriftlich Smalltalk zu führen. Er nahm noch einen Löffel von dem bereits kalt werdenden Curry und dachte flüchtig an seinen nächsten Termin im Hyde Park, zu dem hoffentlich das Wetter gut sein würde. Wenn nicht, würde es schwer werden zu verschieben, denn seine Auftraggeber waren nicht ganz einfach, bezahlten ihm aber auch nicht genug, damit er alles andere für sie liegen ließ.
Sein Handy vibrierte und das aufleuchtende Display zeigte eine Nachricht von Kai. Sie war so kurz, dass sie schon im Push-Fenster vollständig lesbar war. Doch schon folgte eine zweite Nachricht mit abermaligem Vibrieren.
>Kurz und schmerzlos, ich bin froh, dass es so gut geklappt hat.
Wie geht’s dir?<
Spätestens in diesem Augenblick war das Essen vergessen. Yuriy lehnte sich zurück und nahm das Telefon in beide Hände. Eine Weile verharrte er, unschlüssig, was er antworten sollte. Er konnte es kurz machen und das Gespräch wieder abwürgen. Aber warum hatte er es dann initiiert? Schließlich gab er sich einen Ruck und tippte ein paar Zeilen. Nach dem Abschicken schloss er die App nicht, sondern wartete auf eine Antwort. Kurz darauf erschien am oberen Bildschirmrand die Information, dass Kai eine Nachricht eingab.
Irgendwann ging er ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher an. Bei einer Krimiserie blieb er hängen, seine Aufmerksamkeit wanderte jedoch wieder zu seinem Handy. Er war so ins Gespräch vertieft, dass er gar nicht mehr auf den Film achtete. Die Antworten kamen schnell und es entstand kaum einmal eine Wartepause. Außerdem wurden sie länger, weniger förmlich. Manchmal lächelte Yuriy in sich hinein.
Danach schien der Bann, der über ein Jahr angehalten hatte, gebrochen. Auch wenn Kai und Yuriy weiter von ihrem Alltag eingenommen wurden, schrieben sie sich regelmäßig. So verging der Oktober.
>Weißt du, dass Mao schwanger ist?<, fragte Kai am Montag.
>Sergeij und Natalia kommen im Januar nach London.<, teilte Yuriy am Mittwoch mit.
>Ist Boris immer noch so unerträglich?<
>Er ist nicht erwachsener geworden, wenn du das meinst.<
>Meine Kundin hat sich vor drei Tagen das Bein gebrochen. Wir haben ein Aktshooting mit Gips gemacht.<
>Vielleicht kannst du dich spezialisieren :D<
>Ich denke darüber nach. Womöglich ist das ein ernstzunehmendes Geschäftsmodell!<
Manchmal blieben sie einen halben Tag, vielleicht einen ganzen, wenn es stressig war, stumm. Doch irgendwann nahm immer einer von ihnen das Gespräch wieder auf. Innerhalb von zwei Wochen hatten sie sich erzählt, was in ihrem Leben sich verändert hatte. Dass Soichiro Hiwatari gestorben und Kai für eine Weile in Japan gewesen war; dass er dennoch seinen MBA machen wollte, auch wenn er nebenbei nach und nach die Firma umstrukturierte und einige von Soichiros Besitztümern zu Geld machte; dass er dadurch nun eine eigene Wohnung mietete und nicht mehr auf das Wohnheim angewiesen war. – Dass Yuriy ein paar Reportagen gemacht hatte und dadurch ziemlich viel rumgekommen war; dass er der Hochzeitsfotograf einer Cousine von Johnny McGregor gewesen war; dass vielleicht bald eines seiner Bilder in einer Ausstellung hängen würde.
Entgegen seiner Gewohnheiten ging Kai feiern. Es war Halloween, doch zum Glück hatten ein paar Menschen eine Anti-Kostüm-Party organisiert. Er kannte ein paar Leute dort, auch das war sehr angenehm. Und er hatte tatsächlich eine gute Zeit, zumindest, nachdem er es sich etwas hübscher getrunken hatte. Später fand er ein paar Philosophiestudierende und lauschte ihrem Gespräch über Marx. Irgendwann ging er ins Bad, sah sein Gesicht im Spiegel und verschwendete einen Gedanken an sein Äußeres. Er war schon ein bisschen eitel, und heute fand er seinen Look sogar ziemlich gut. Deswegen hatte er sogar ein paar Selfies gemacht, bevor er aus dem Haus gegangen war. Man wusste ja nie, wofür die mal gut sein würden. Eine Zeit lang hatte er Dating-Apps ausprobiert, aber irgendwie hatte er bei den Leuten da immer ins Klo gegriffen. Es fiel ihm leichter, sich eine Meinung von Menschen zu bilden, wenn sie direkt vor ihm standen. Alles, was die Apps ihm gebracht hatten, war eine Handvoll geblockter Telefonnummern und ein angeknackstes Selbstwertgefühl.
Bevor er zurück zu den anderen ging, Zog er sein Handy aus der Tasche und änderte mit ein paar Klicks sein Facebook-Profilbild. Das bisherige war bestimmt zwei Jahre alt, es war höchste Zeit.
Am nächsten Morgen, als er mit schwerem Kopf aufwachte und nach der Uhrzeit sah, hatte er so viele Notifications wie schon lange nicht mehr. Es war noch nicht mal Mittag und außerdem Sonntag, aber trotzdem hatten schon über dreißig Leute auf sein neues Bild reagiert. Im Gruppenchat mit den ehemaligen Bladebreakers hatte das ebenfalls eine kleine Nachrichtenflut ausgelöst. Auf die Schnelle fiel ihm nur Max’ Beitrag auf: >Hide your kids, hide your wives, and hide your husbands - Kai is ready to roll, y’all!<
>Das ist so falsch, Max<, war Reis Antwort.
Kai schnaubte kurz und wechselte wieder die App, um weiter durch seine Timeline zu scrollen. Mathilda und Giulia waren in Paris beim Brunch. Oliver nähte an neuen Kleidern für seine Shows als Olivia Emerald. Michael und Eddie hatten ein Baseball-Spiel gesehen.
Dann schob sich wieder ein Nachrichten-Popup in den Vordergrund. Es war Takao, diesmal aber nicht im Gruppenchat, er hatte Kai direkt angeschrieben: >Hiromi sagt, dass Yuriy dein Profilbild geliked hat. Redet ihr wieder??< Er brauchte ein paar Sekunden, um das zu verarbeiten. Mit gerunzelter Stirn sah er nach. Tatsächlich stand Yuriys Name im unteren Drittel der Liste. Weiter nichts.
>Sag Hiromi, sie soll aufhören mich zu stalken. Und ja.<, schrieb er zurück. Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: >Das kannst du aber für dich behalten, okay?<
Von Takao kam nur ein > D: !!!!< zurück, das Kai nicht ganz zweifelsfrei deuten konnte.
>Ich bin irritiert<, schrieb Kai an einem Donnerstag, >Mein Dozent ist krank. Mein Dozent ist nie krank. Und niemand hatte den Anstand, eine Mail zu schreiben.<
Wie immer griff Yuriy sofort nach seinem Handy, als es vibrierte. Er war mal wieder in den Coffeeshop gegangen; irgendwie konnte er sich beim Planen besser konzentrieren, wenn um ihn herum leichtes Stimmengewirr herrschte. Wenn alles still war, schweifte er oft gedanklich ab. Als er Kais Nachricht las, zögerte er zum ersten Mal wieder mit der Antwort. Doch seine To-Do-Liste war heute erfrischend leer und Termine standen erst am nächsten Tag wieder an.
>Ich bin in der Nähe der Uni<, antwortete er also, >Komm doch her und trink einen Kaffee mit mir.<
Eine Viertelstunde später war Kai da. Da es schon ziemlich kalt draußen war, trug er einen schwarzen Mantel und Yuriy war kurz irritiert, weil er dieses Kleidungsstück von früher kannte. Er hatte einen dicken Schal um den Hals geschlungen, der seine untere Gesichtshälfte verdeckte. Es dauerte eine Weile, bis er sich zu Yuriy durchgeschlagen hatte, denn das Café war ziemlich voll. Dann schob er seine Umhängetasche unter den Tisch. „Hi!“, sagte er, als er sich wieder aufrichtete.
Vielleicht lag es an ihren regelmäßigen Chats, dass es sich keineswegs fremd anfühlte, sich wieder gegenüberzustehen. Yuriy freute sich ehrlich über Kais Anwesenheit, und so war er beinahe versucht, ihn zur Begrüßung kurz zu umarmen. Kai schälte sich aus seinem Mantel, und dabei schlug Yuriy sein Duft entgegen. Er benutzte immer noch denselben wie früher. „Ich brauche was Warmes“, sagte Kai und deutete zur Theke, „Willst du auch noch was?“
Yuriy nahm seine leere Tasse. „Ich komme einfach noch mal mit.“
Sie reihten sich in die Schlange ein und es wurde noch einmal ein wenig enger, denn jetzt um die Mittagszeit kamen viele für einen Coffee-to-go. Sie waren etwas unschlüssig, wie sie ein Gespräch anfangen sollten, doch wann immer ihre Blicke sich trafen, lächelten sie sich an. Ihre Getränke zahlten sie jeder für sich, und dann machten sie es sich an Yuriys Tisch am Fenster wieder gemütlich. Draußen eilten Leute hin und her, ihr Atem stieg in Wolken auf, obwohl die Sonne schien. Die Bäume hatten schon fast all ihr Laub verloren.
„Was hättest du jetzt eigentlich für ein Seminar?”, fing Yuriy an. Kai legte beide Hände um seine Tasse, um seine immer noch klammen Finger zu wärmen. „Altkirchenslawisch”, antwortete er.
„Das gehört aber nicht zu einem MBA!”
„Nein.” Kai verzog den Mund. „Ich mache noch Slawistik. Als Ausgleich.”
„Aha. Ausgleich nennst du das…”, murmelte Yuriy. Das passte zu Kai. Schon im Bachelor hatte er nur halb Soichiros Wünschen entsprochen, indem er VWL und Politik studierte (sein Großvater wollte einen Juristen). Yuriy hatte ihn auch immer in der Geschichte gesehen, weil er sich sehr für historische Themen interessierte, aber Kai hatte ihm mal erklärt, dass gerade der Anspruch eines Studiums da wohl viel kaputt machen würde.
„Was machst du denn so als Ausgleich?”, fragte Kai, „Yoga?”
„Ich fotografiere Hochzeiten, um anstrengende Shootings auszugleichen und mache Reportagen, um den Schmalz der Hochzeiten loszuwerden.”
„Das heißt, du bist immer noch rund um die Uhr unterwegs.”
Yuriy wich seinem Blick aus. „Es ist nicht mehr ganz so schlimm”, sagte er, „Weil ich inzwischen mehr Geld für meine Arbeit verlangen kann. Und es gibt ein paar Magazine, die mir meine Reportagen regelmäßig abnehmen. Vielleicht kaufe ich mir bald ein Haus.”
„Ein Haus?” Kais Stimme wurde lauter vor Verblüffung. Kurz dachte er an Inés. Wollte Yuriy ihr ein Nest bauen? Die Antwort war jedoch ganz anders: „Ja. Dann könnte ich mein eigenes Studio einrichten. Das wäre auf lange Sicht günstiger. Momentan miete ich, und das ist kaum bezahlbar.”
„Verstehe”, sagte Kai und verschränkte die Arme. „Aber hältst du das für eine gute Idee? Wo die Immobilienblase doch gerade erst geplatzt ist?”
Yuriy konnte nicht verhindern, dass er bei diesen Worten grinste. Das war ganz Kai - diese geschäftsmäßige Sachlichkeit. Er war selbst ziemlich gut darin, seine Finanzen im Blick zu behalten (deswegen konnte er ja überhaupt erst über so große Anschaffungen nachdenken), doch Kai hatte das Talent seines Großvaters geerbt, aus einer Handvoll Talern mit ein paar Tricks einen Berg Gold zu machen.
„Du erzählst mir was von Finanzkrise?”, neckte Yuriy, „Wo du derjenige bist, der gerade Immobilien verscheuert?”
„Glaub mir, Soichiro besitzt so viel Zeug, ich bin froh, wenn ich einiges davon einfach abstoßen kann. Die meisten Häuser gebe ich an Nonprofits.”
„Nehmet den Reichen und gebet den Armen. Wie nobel.”
Kais Augenbrauen zuckten nach oben und er warf ihm einen verschmitzten Blick zu. Er hatte diesen verhaltenen Humor, der sich oft in kleinen Gesten und Bemerkungen niederschlug, die viele Menschen übergingen. Diesen Ausdruck in seinen Augen zu sehen führte dazu, dass Yuriy eine sanfte Wärme in sich aufsteigen fühlte.
Sie konnten sich noch nicht lang direkt ansehen, höchstens für ein paar Sekunden, aber es war angenehmer als sie geahnt hatten, Zeit miteinander zu verbringen. Und nachdem sie sich nun schon seit Wochen schriftlich austauschten, fiel ihnen der Anschluss daran umso leichter.
„Bist du eigentlich öfter hier?”, fragte Kai irgendwann und meinte das Café. Yuriy nickte. Der Ort lag in guter Entfernung sowohl zu seiner Wohnung als auch dem Studio, und die Getränke waren um Längen besser als bei den einschlägigen Ketten. „Komisch eigentlich, dass wir uns nicht schon früher über den Weg gelaufen sind”, stellte er fest. „Ich bin eigentlich jeden Donnerstag hier.”
„Ich war donnerstags immer in der Firma”, sagte Kai, „Die Zentrale hier ist in den Docklands. Aber inzwischen hat die neue Geschäftsführung übernommen und ich kann auch viel von zu Hause machen.”
„Und Altkirchenslawisch.”
„Und Altkirchenslawisch!” Kai verzog amüsiert den Mund. „Ehrlich, ich muss dir mal ein paar Texte zeigen. Es ist unglaublich.”
„Gern”, sagte Yuriy und schwenkte seine Tasse, um mit dem letzten Schluck noch möglichst viel Milchschaum einzufangen. Es entstand eine Pause, aber sie war gefüllt mit einer leichten Spannung. Als würden sie beide etwas erwarten und nicht wissen, was.
Schließlich hob Kai die Schultern. „Ich bin dieses Semester donnerstags immer schon um 14 Uhr fertig, das ist wirklich angenehm. Ich muss mich aber erst noch daran gewöhnen.” Er sah aus dem Fenster, beobachtete die Leute draußen, und Yuriy musterte ihn. Er war schon längst nicht mehr so trainiert wie noch während ihrer Sportlerkarriere, und der dicke Pullover verbarg seine Konturen. Vielleicht lag es an dem Stress des letzten Jahres, dass sein Gesicht etwas scharfkantiger wirkte. Oder es war das Alter. Attraktiv war er immer noch, sehr sogar, das hätte Yuriy auch nie geleugnet.
Sie saßen eine Weile schweigend da, jeder in seine Gedanken vertieft. Es war nicht unangenehm, die Geräusche der anderen Gäste und die Musik erfüllten die Luft und ab und an roch es plötzlich sehr intensiv nach Kuchen. Draußen wurde das Licht langsam goldener, die Sonne ging inzwischen merklich früher unter.
„Na gut”, sagte Kai irgendwann, „Ich glaube, ich muss los. Wollte noch in die Bibliothek.”
„Okay.” Yuriy stand ebenfalls auf und wartete, bis Kai seinen Mantel wieder angezogen und den Schal umgebunden hatte. Dann standen sie sich gegenüber wie bei ihrer Begrüßung: erfreut aber zögernd.
„Schön, dich gesehen zu haben”, sagte Kai.
Yuriy gab sich einen Ruck. „Vielleicht können wir das ja wiederholen.”
„Hm. Donnerstag?”
Er zog unverbindlich die Schultern hoch. „Klingt gut.”
Es blieb nicht bei dieser einen Wiederholung. Der Donnerstagnachmittag im Café wurde im Verlauf des Novembers zu einer Regelmäßigkeit. Yuriy fing meist um die Mittagszeit an, dort zu arbeiten. Ungefähr um halb drei kam Kai, und bis dahin hatte er die wichtigsten Dinge erledigt. So waren sie entspannt genug, um sich bei ein bis zwei Tassen Kaffee zu unterhalten. Ihre Gespräche waren eine Fortsetzung ihrer immer noch anhaltenden Chats und drehten sich um alles und nichts. Sie vermieden es allerdings, über ihre Beziehung oder gar Trennung zu sprechen.
Anfangs trafen sie sich für vielleicht eine Stunde, dann fand meist Kai einen Grund, um wieder zu gehen. Doch mit der Zeit verzichtete er darauf und bald verabschiedeten sie sich erst, wenn es längst dunkel geworden war und sich das Café merklich leerte.
Ende November wurden dann die ersten Weihnachtsbeleuchtungen über die Straße gespannt. Das Winter Wonderland im Hyde Park würde bald öffnen, und im Café spielten sie schon manchmal Weihnachts-Jazz. Da sie beide nicht mit dieser Tradition aufgewachsen waren, machten Yuriy und Kai sich nicht viel aus den Feiertagen, wenn sie auch die Stimmung mochten, die in der Adventszeit herrschte. Schließlich konnten sie den Stress, der mit den Feierlichkeiten verbunden war, größtenteils umgehen. Yuriy bekam vermehrt Anfragen für Shootings, doch er sagte nur denen zu, die ihm passten. Dabei achtete er - ob unbewusst oder nicht sei dahingestellt - immer darauf, den Donnerstagnachmittag unverplant zu lassen.
„Bist du gar nicht mehr mit Inés zusammen?”
Die Frage traf ihn unerwartet. Er telefonierte über Headset mit Boris und war eigentlich sehr auf sein Essen konzentriert, das vor ihm in der Pfanne brutzelte. „Wie kommst du darauf?”
„Ivan folgt ihr auf Insta und da ist jetzt ständig so ein anderer Typ auf ihren Fotos.”
Jetzt wo Boris das sagte fiel ihm auf, dass er tatsächlich seit Längerem nichts mehr von Inés gehört hatte.
„Naja, im Grunde waren wir ja gar nicht fest zusammen”, meinte er, „Also ist es wohl so, wie es ist. Ich glaube, sie war sowieso etwas unzufrieden.”
„Warum?”, fragte Boris, „Bettgeschichte?”
Yuriy verdrehte die Augen. Boris wusste ganz genau, wie die Antwort darauf lautete. Ja, vermutlich hatte es auch damit zu tun. Yuriy wollte selten mit jemandem schlafen, und planen konnte er es erst recht nicht. Körperliche Nähe war ihm schon wichtig, aber weniger auf eine erotische Weise. Als er mit Kai zusammen gewesen war, hatte er immer das Bedürfnis gehabt, seine Haut zu berühren und sehr oft die Hände unter seine Oberteile geschoben oder ihm den Nacken massiert. Sie hatten Stunden damit verbringen können, nackt im Bett zu liegen und sich zu streicheln, ohne dass mehr passierte. Ihr Sexleben war bei weitem nicht so abenteuerlich gewesen, wie die meisten ihrer Bekannten wohl angenommen hatten, aber wenn es dazu kam, hatten sie sich viel Zeit dafür genommen. Dennoch hatte Yuriy oft gedacht, dass Kai vielleicht auch frustriert und das ein Grund für ihre Trennung gewesen war, wenn auch nicht der einzige. Sie hatten sich regelmäßig gestritten, und das nicht zu knapp, doch ihre Beziehung war sehr, sehr langsam gestorben. Sie zu beenden war ihm mehr wie eine logische Schlussfolgerung als ein Konflikt erschienen.
Yuriy hatte ein paar Monate gebraucht, um über Kai hinwegzukommen, was vielleicht auch daran lag, dass er sich nicht erlaubt hatte, innezuhalten und zu reflektieren, was überhaupt passiert war. Relativ bald nach der Trennung hatte sich die Gelegenheit geboten, in eine eigene Wohnung zu ziehen. Beinahe zeitgleich hatte er sich mit ein paar anderen Fotografen zusammengeschlossen, um gemeinsam ein Studio zu mieten und die Kosten pro Kopf dabei möglichst niedrig zu halten. Und dann war, dank einiger hochkarätiger Kunden, seine Karriere steil bergauf gegangen. Dennoch dachte er in den unmöglichsten Momenten an seinen Ex und um seine Konzentration war es geschehen. Manchmal war ihm so elend, dass er kurz alles stehen und liegen lassen musste, um sich wieder zu fangen. Die Hochzeiten waren das Schlimmste: Eigentlich wollte er sich nie darauf spezialisieren und sagte auch nur wenigen Anfragen dieser Art zu. Doch um Geld zu verdienen und sich einen Namen zu machen, hatte er am Anfang einigen B-Promis zugesagt, ihre Trauungen und anschließenden Parties zu fotografieren. Es waren wahre Kitschträume und er würde niemals so heiraten wollen, doch inmitten der ganzen Liebe war er sich sehr, sehr fehl am Platz vorgekommen.
„Bist du noch da?”, meldete sich Boris wieder und Yuriy brummte.
„Du, das mit Inés war nichts Ernstes”, stellte er klar, „Es ist vollkommen in Ordnung, wenn sie jemand anderes hat. Du kannst also aufhören, sie zu stalken.”
Sein Freund seufzte vernehmlich. „So kriegen wir dich aber nie wieder in eine Beziehung, Yura.”
„Sieh mal”, sagte Yuriy, als er mit zwei Tassen von der Theke kam und sich neben Kai auf das Sofa setzte, „Jetzt gibt es Bilder auf dem Kaffee.” Tatsächlich hatte die Barista ihnen beiden einen Stern aus Kakaopulver auf den Milchschaum gestreut. Kai zog sein Handy heraus, um ein Foto zu machen. „Halt das mal fest. Das ist voll meine Ästhetik”, sagte er und Yuriy schnaubte belustigt. „Postest du es jetzt auch auf Insta?”
„Hab ich nicht. Kommt auf Facebook. Hashtag besinnlichkeitihrficker.”
„Du hast meinen Segen.” Er wartete geduldig, bis Kai fertig war und ihm eine Tasse abnahm. Dann sanken sie zurück und Yuriy stützte einen Ellenbogen auf die gepolsterte Lehne. Dabei berührte sein Arm fast Kais Schulter. „Was machst du am Wochenende?”, fragte er.
„Nicht viel”, sagte Kai, „Ein paar Leute wollen auf den Weihnachtsmarkt. Aber keine Ahnung, ob ich da mitgehe. Ich muss noch ein bisschen lernen. Und dann muss ich Sherlock gucken.”
„Hast du das noch nicht gesehen?”
„Nicht die zweite Staffel. Aber jemand hat es irgendwo runtergeladen und mir gegeben.” Er blickte zu Yuriy auf. „Ich entnehme deiner Reaktion, dass du die Folgen schon kennst?”
Yuriy nickte. „Ich hab sie damals schon bei der ersten Ausstrahlung gesehen. Fand die erste Staffel besser, aber das ist ja immer so. Du kannst mir ja erzählen, wie du es findest.”
„Aber spoiler mich nicht!”, sagte Kai und Yuriy hob die Hand wie zu einem Eid. „Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin.”
„Missetat begangen”, entgegnete Kai.
An diesem Tag verließen sie gemeinsam das Café. Auf der Straße herrschte schon der Trubel der Weihnachtseinkäufe. Der Wind, der im Herbst so stark war, war längst abgeflaut, doch die Luft war schneidend kalt. Inzwischen trugen sie Handschuhe. „Gehst du zur U-Bahn?”, fragte Yuriy und Kai nickte. Die Station lag in der entgegengesetzten Richtung zu Yuriys Wohnung. „Alles klar”, sagte er, „Dann bis nächste Woche?”
„Okay”, sagte Kai und lächelte. Trotzdem blieben sie noch einen Augenblick stehen. Kai sah Yuriy an und rang kurz mit sich. „Ach was soll’s, komm her”, sagte er dann und zog den anderen in eine Umarmung. Instinktiv erwiderte Yuriy die Geste und schloss die Augen, als er Kais an sich drückte. So vertraut.
>Hast du gesehen, was unter deinem Bild los ist?<
Kai hatte gerade die zweite Folge Sherlock begonnen, als Yuriys Nachricht kam. Er runzelte die Stirn und fing an zu tippen. >Was soll da los sein?<
>Du siehst dir nie an, was mit deinen Posts passiert, oder?<
Das stimmte zwar nicht, aber Kai ging nicht darauf ein. Yuriys Aussage half ihm jedenfalls nicht weiter. Also wechselte er zu Facebook und sah nach. Seine Augenbrauen hoben sich, als er die Kommentare las, die sich unter seinem Bild mit den Kaffeetassen sammelten. Die ersten waren noch ganz harmlos und zielten eher auf die Ironie seines Hashtags ab, doch dann kam eine Bemerkung von Giulia Fernandez: >Dein Date hat schöne Hände, Kai!< Einige andere Leute waren darauf aufgesprungen, und da Kai niemandem geantwortet hatte, wurde es zu einem kleinen Selbstläufer.
>Du hast scharfe Augen, @Giulia! Wer ist denn dein Süßer, @Kai?<, schrieb Olivier.
>Ooooh, ist es schon offiziell? Glückwusch! Und sag uns, wer es ist, damit wir ihn in die Beyblade-Familie aufnehmen können ;)<, fügte Mao hinzu.
>Was, wo, wie? Und du hast uns nichts erzählt??? :’(<, stand darunter von Max.
Selbst Sergeij hatte wohl einen guten Tag, denn sein Kommentar lautete: >Schade, dass wir nicht mehr zusammen wohnen, ich hätte mal wieder Lust auf ein WG-Tribunal :)<
Er seufzte. Jetzt war es sowieso längst zu spät, um die Sache zu klären. Wenn er einfach schrieb, dass es sich nicht um ein Date handelte, würden noch wildere Theorien kommen. Und wenn er sagte, dass er sich mit Yuriy traf … Takaos Galaxy Storm wäre ein Lüftchen dagegen. Ihre Trennung hatten sie nicht online ausgelebt, aber natürlich war sehr schnell sehr offensichtlich geworden, was passiert war. Und alle ihre Bekannten hatten sich mehr oder weniger das Maul zerrissen, denn neben Rei und Mao waren sie das Paar, das am längsten zusammen gewesen war.
Also schloss er die App und kehrte zum Chat mit Yuriy zurück, während der Film von ihm unbeachtet weiterlief. >Selbst Sergeij hat dich nicht erkannt. Soll ich es richtigstellen?<
>Ist mir egal, es ist dein Foto<, antwortete Yuriy.
>Meh. Ist mir zu viel Arbeit.<
> :D <
Kai schmunzelte und hob den Blick erneut zum Fernseher. Er musste eine wichtige Stelle verpasst haben, denn irgendwie verwirrte ihn der Plot auf einmal. Dann sah er aus den Augenwinkeln sein Handy wieder aufleuchten.
>Können wir uns schon nächsten Dienstag treffen? Ich habe gerade eine Anfrage für Donnerstag bekommen, und die würde ich wirklich gerne annehmen.<
>Ich habe am Dienstag bis sechs Uni. Was willst du machen?<
>Park? Bisschen frische Luft nach den Vorlesungen? Ich kann dich von der Uni abholen.<
>Deal<, schrieb Kai, dann gab er ihm noch durch, in welchem Gebäude er sein würde. Yuriy hatte ihn früher auch öfter abgeholt, daher würde er sich hoffentlich noch zurechtfinden.
Sie fanden sich am Dienstag tatsächlich sehr schnell und beide hatten in dieser Situation ein kleines Déjà-vu. Dieses Mal umarmten sie sich sogar zu Begrüßung und schlugen dann den Weg zum nächsten Park ein. Von allen Seiten plärrte ihnen Weihnachtsmusik entgegen und selbst im Park war noch viel los, da es dort ein paar Stände gab. Sie änderten ihren Plan spontan und blieben dort hängen. Kai behauptete, einen Drink vertragen zu können, denn es hatte eine kleine Auseinandersetzung mit einer seiner Dozentinnen über ein Hausarbeitsthema gegeben. Natürlich hatte die Dozentin gewonnen, sie saß einfach am längeren Hebel. Also fanden sie sich an einem der Stehtische wieder, vor sich zwei klebrige Becher, aus denen der süßliche Geruch von Eggnog stieg. Der wärmte und schmeckte, da es in dieser Saison der erste für sie war, gar nicht mal so schlecht. Aus einem Drink wurden zwei, während ihr Gesprächsfaden wie immer nicht abreißen wollte.
„Vielleicht sollten wir deine Bildserie fortführen”, meinte Yuriy irgendwann und deutete auf Kais Becher. „Dates mit einem mysteriösen Fremden, meine ich.”
„Und die Gerüchteküche noch mehr anheizen, meinst du?”, entgegnete Kai. „Könnte lustig werden. Oder sehr anstrengend.”
Yuriy lachte. Selbst Boris hatte ihn gefragt, was er von der Sache hielt. Ihm wäre im Traum nicht eingefallen, dass Yuriy und Kai wieder miteinander sprachen. Irgendwie hatte das etwas Befreiendes, und gleichzeitig sah er, wie sich hier die Gelegenheit bot, alle mal so richtig an der Nase herumzuführen.
„Ich hol noch einen”, beschloss Kai und nahm ihre Becher, um sie ein drittes Mal füllen zu lassen. Als er zurückkam, hatte Yuriy das Handy in der Hand. „Pass auf, diesmal poste ich eins”, sagte er, „Das hier ist nämlich voll meine Ästhetik. Hashtag deathbyeggnog.” Es wurde ein sehr schummriges Bild, auf dem man aber noch gut erkennen konnte, wie zwei Hände die Becher hielten. Mit wenigen Klicks landete es auf Yuriys Timeline, dann steckte er das Telefon weg und vergaß es, was vielleicht auch daran lag, dass sie etwas beschwipst waren.
„Wie ist Sherlock?”, fragte er schließlich.
„Mir fehlt noch eine Folge”, antwortete Kai.
„Waaas? Aber das ist die beste Folge in der Staffel!”
Kai hob die Schultern. „Ich hatte halt keine Zeit …”
„Faule Ausreden. Los!” Yuriy deutete irgendwo hinter Kai. „Geh nach Hause und sieh sie dir an. Ansonsten können wir nicht über die zweite Staffel reden.”
„Okay …” Kai trank einen großen Schluck. „Kommst du mit?” Die Frage rutschte ihm heraus, bevor er überhaupt realisierte, was passierte. Er wusste nur, dass er sich jetzt noch nicht von Yuriy verabschieden wollte.
„Was?”
Nun, jetzt wollte er auch keinen Rückzieher mehr machen. „Komm mit, wir sehen es uns gemeinsam an.”
Zum ersten Mal betrat Yuriy Kais neue Wohnung. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie lang ein Jahr, mehr als ein Jahr, sein konnte. Diesen Teil von Kais Leben kannte er noch gar nicht. Die Wohnung war klein, aber gut geschnitten, die Einrichtung schlicht und durchaus stilvoll. Er hätte nichts anderes von seinem Exfreund erwartet. Küche und Wohnzimmer waren ein Raum, weiter hinten ging eine Tür zum Schlafzimmer ab, das Bad befand sich gleich neben dem Eingang und war durch den kleinen Flur zu erreichen.
Kai öffnete eine Flasche Wein und sie machten es sich auf dem Sofa bequem, das groß genug war, um einen angemessenen Abstand zueinander zu halten. Dann schalteten sie den Fernseher ein.
Yuriy schaffte es nicht, das Ende von Sherlock zu sehen. Der Wein machte seine Glieder schwer und verlangsamte seine Gedanken. Und Kai war hier, er konnte seine Nähe fast körperlich spüren, obwohl sie sich nicht berührten. Seine Präsenz war ihm so vertraut und diese Wohnung, in der alles zu Kai gehörte, gab ihm das Gefühl, aufgehoben zu sein. Es war nicht seine Art, sich in Gegenwart anderer Menschen derart fallen zu lassen; Boris, Sergeij und Ivan bildeten da natürlich eine Ausnahme. Und ja, auch sein Ex. Das war schon so gewesen, bevor sie realisiert hatten, dass sie mehr füreinander fühlten als Freundschaft. Irgendwann schloss er die schweren Lider und es gelang ihm nicht, sie wieder zu öffnen.
Kai bemerkte erst, dass Yuriy schlief, als er sich müde vom Abspann abwendete und einen Kommentar machen wollte. Einen Augenblick verharrte er und betrachtete den anderen, der sich schon halb in seiner Ecke der Couch zusammengerollt hatte. Sein Kopf lag auf der Armlehne und seine Gesichtszüge waren entspannt. Wenn Yuriy schlief, kam sein ganzer Körper zur Ruhe. Er bewegte sich kaum, manchmal lag er die ganze Nacht in derselben Haltung ohne sich zu rühren. Seine Brust hob sich nur ganz leicht beim Einatmen, doch wenn es still war hörte Kai, wie er ausatmete. Nur flüchtig dachte er daran, Yuriy zu wecken, dann stand er auf, um eine Decke zu holen.
Am nächsten Morgen hatte Yuriy einen schweren Kopf und einen steifen Nacken. Er streckte sich und fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. „Na, auch schon wach?”, ertönte eine Stimme über ihm und er öffnete die Augen. Kai beugte sich über die Rücklehne der Couch, seine Haare waren noch zerzaust und auch er wirkte etwas übernächtigt. „Guten Morgen”, sagte Yuriy. „Uh. Sorry, dass ich eingeschlafen bin.”
„Kein Problem. Kaffee?” Er nickte. „Wenn du Duschen willst, geb ich dir auch gerne ein Handtuch.” Yuriy brummte und setzte sich auf, während Kai zur Küchenzeile ging. Dabei wurde ihm bewusst, dass der andere nur Shorts und ein Shirt trug. Auch das weckte Erinnerungen, dieses Mal an gemeinsame Sonntagsfrühstücke.
Er wandte den Blick ab und sah auf sein Handy, während Kai Kaffee in zwei Tassen füllte. „Ach du meine Güte.”
„Was ist los?”
Yuriy schnaubte. „Das Bild von gestern. Ich hab zwanzig Kommentare und fünf Nachrichten von Boris.”
„Die haben doch alle keine Zeit”, meinte Kai und stellte ihm den Kaffee hin, bevor er sich neben ihn setzte.
„Oh, sie haben erst gedacht, du wärst eine Frau, aber irgendjemand hat dann genauer hingesehen”, stellte Yuriy fest, während er durch die Kommentare scrollte. „Aber niemand zieht eine Verbindung zu deinem Foto. Oder überhaupt zu dir.” Schnell tippte er ein paar Zeilen an Boris, erzählte ihm aber immer noch nicht, dass er sich mit Kai traf. Das war ihm einfach alles zu kompliziert, und er wollte sich nicht mit Boris’ Meinung dazu auseinandersetzen.
Sie tranken ihren Kaffee fast schweigend, jeder seinen Gedanken nachhängend. Yuriy sah sich verstohlen um, suchte unbewusst nach bekannten Gegenständen in der neuen Wohnung. Er erkannte einige Bücher im Regal an der Wand. Das Poster an der Tür hatte auch schon im Wohnheim gehangen. In einer kleinen Vitrine lag Dranzer. Das alles zu sehen machte ihn schwermütig, er vermisste die Sorglosigkeit ihrer ersten Jahre in England. Natürlich war es ihnen nicht leicht gefallen, hier Fuß zu fassen, doch als sie ihren Aufenthalt für’s erste geregelt hatten, war vieles einfacher geworden. Und dann hatten sie ihre Karrieren begonnen und alles andere ging bergab. Hatten sie anfangs ganze Tage im Bett verbracht, weil keiner von ihnen aufstehen wollte, wurde es später schwer, sich überhaupt regelmäßig zu sehen. Bald war Kai einer von vielen Terminen, die abgehakt werden mussten und es wurde immer komplizierter, Zeit für seinen Freund zu finden. Ihr Liebesleben litt erst recht darunter.
Yuriy dachte an Inés, mit der es ähnlich gelaufen war. Sie hatte sich jemand anderes gesucht, bevor es überhaupt ernst mit ihm werden konnte. Das konnte er verkraften - ja, sie war nett und er fand sie durchaus attraktiv, aber er hätte zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht sagen können, ob er mehr wollte. Es war einfach grundlegend anders mit ihr, im Vergleich zu Kai. Und Kai würde immer etwas Besonderes für ihn sein.
„Darf ich dich was fragen? Du musst auch nicht antworten”, sagte er schließlich und Kai sah ihn an, während er einen Schluck Kaffee trank. „War Sex ein Grund für dich, warum es mit uns nicht geklappt hat?”
Kai dachte eine Weile nach, bevor er antwortete. „Ja, schon”, sagte er dann. „Es war auf keinen Fall der Hauptgrund, aber es hat mit reingespielt. Ich meine - für mich ist Sex in einer Beziehung wichtig. Und ich will ihn schon regelmäßig.”
„Verstehe”, murmelte Yuriy.
„Nein, versteh mich jetzt nicht falsch”, sagte Kai, „Ich hab wirklich lange darüber nachgedacht, als wir … uns getrennt hatten. Ganz ehrlich, ich glaube, das hätten wir schon gepackt. Ich meine, ich wusste ja, dass Sex für dich nicht so wichtig ist. Und ich war ja auch nicht deswegen mit dir zusammen. Also denke ich, wir hätten da schon einen Kompromiss finden können. Meinst du nicht?”
„Wie stellst du dir das vor?”
Kai verdrehte die Augen. „Na, wir hätten schon was gefunden, das für uns beide funktioniert. Angefasst hast du mich doch immer gerne, oder?”
Yuriy warf ihm einen vielsagenden Blick zu. Er hatte es geliebt, Kai nah bei sich zu spüren, ihn in den Armen zu halten, den Kopf in seine Halsbeuge zu legen.
„Also, wenn du wissen willst, was für mich der Grund war …” Kais Worte rissen ihn aus den Gedanken. „Es war einfach irgendwie alles so … nebenbei? Plötzlich hattest du deine Karriere und ich hatte mein Studium. Und wir haben uns kaum gesehen - und wenn, dann wusste ich nie, was ich von dir bekommen würde - das war einfach schwierig für mich. Irgendwann hab ich mich gefragt, ob es für immer so weitergehen würde. In diesem Moment hat es sich so angefühlt. Und ich dachte, das ist keine Beziehung, die ich führen möchte.”
Yuriy nickte. „Ich hatte das Gefühl, etwas zu verpassen”, gestand er, „Vor dir gab es nicht viele Menschen, und ich wusste nicht - was will ich überhaupt? Was gefällt mir?”
„Ging mir auch so”, sagte Kai leise. Dann grinste er müde. „Inzwischen denke ich allerdings, dass ich nicht viel verpasst habe. Meine Güte. Sie sagen, there is plenty of fish in the sea, aber Gott - the sea is dirty.”
Yuriy schnaubte und es entstand eine kleine Pause. „Ich wollte unbedingt raus”, sagte er dann, „Mehr reisen, mehr Jobs im Ausland annehmen. Und versteh mich nicht falsch, das war eine schöne Zeit. Und ich denke, es wird immer Phasen in meinem Leben geben, in denen ich viel unterwegs sein werde. Aber auf Dauer funktioniert das für mich nicht. Ich habe festgestellt, dass ich dann auch wieder gerne an einem Ort bin. Es etwas ruhiger angehen lasse.”
„Hm.” Kai lächelte unergründlich. „Sieht aus, als hätte uns das letzte Jahr richtig was gebracht.”
„Tja”, sagte Yuriy, „Scheiße, was?”
Sie sahen sich an und in ihren Blicken lag ein Hauch Traurigkeit. „Ja, scheiße”, murmelte Kai.
Yuriy nahm Kais Angebot an und ging kurz duschen. Als er zurückkam, war der andere schon fertig für die Uni. Sie nahmen dieselbe U-Bahn in Richtung Innenstadt, doch Yuriy fuhr ein paar Stationen weiter zu sich nach Hause. Auf dem Weg sprachen sie wenig, doch es war nicht unangenehm, obwohl sie beide an das Gespräch am Morgen dachten. Die Bahn war voller Pendler, und so standen sie sehr dicht beieinander, ihre Körper berührten sich und Yuriy hatte permanent den Geruch von Kais Haaren in der Nase. Das machte ihn nur noch schläfriger. Als Kai aussteigen musste, umarmten sie sich etwas umständlich im Gedränge. Dann verschwand er in der Menschenmenge auf dem Bahnsteig.
>Skypen. Jetzt.<
Die Nachricht kam am Donnerstag von Takao. In Japan musste es bereits Abend sein. Kai war gerade von der Uni gekommen. Er konnte etwas Ablenkung gebrauchen.
>Ok, zwei Minuten<, schrieb er zurück und setzte sich mit seinem Laptop auf die Couch. Wie immer dauerte es eine Weile, bis sowohl Ton als auch Bild eine gute Qualität hatten, doch dann konnte er Takao sehen. Er war nicht allein, Hiromi saß neben ihm, auch wenn nicht deutbar war, ob ihm das gefiel. „Kai!”, rief er, wie immer viel zu laut, sodass Kai den Ton herunterregeln musste. „Wie geht’s dir, Mann?” Hiromi winkte und er erwiderte die Geste nachlässig. „Gut soweit. Was ist los bei euch? Klang nach einem Notfall.”
„Naja, so könnte man es nennen…”, brummte Takao. Er bewegte die Augenbrauen ziemlich wild und Kai wusste, das war seine verquere Art, ihm ein „verdecktes” Zeichen zu geben. Es funktionierte nie. Hiromi ignorierte alles, was Takao tat und klatschte die Hände auf die Oberschenkel. „Okay Kai, die Gerüchteküche hat jetzt lange genug gekocht. Und ich hab es satt, mit Takao zu diskutieren. Also: Wen datest du?”
Er fiel aus allen Wolken. „Was?”
Takao seufzte und hob die Hände. „Ich hab dir doch gesagt, er hat davon nichts mitbekommen, Hiromi …”
„Wovon zur Hölle sprecht ihr?”, fragte Kai etwas lauter. Hiromi und Takao sahen sich an, dann überließ er ihr das Wort.
„Du hast neulich doch dieses Bild gepostet”, sagte sie, „Mit den Kaffeetassen?”
„Ja, und?”
Sie wirkte verwirrt. „Aber - das war doch von einem Date, oder? Du bist mit einem Kerl ausgegangen! Komm schon, Kai, alle diskutieren darüber.”
„Wegen eines Bildes?”, fragte er. „Habt ihr nichts zu tun?”
Sie sah ihn beleidigt an, dann drehte Takao sich zu ihr, um sie zu beruhigen. Kai seufzte. „Ich date niemanden”, stellte er klar, „Das war … ein Bekannter aus der Uni. Nichts weiter.”
Hiromi wirkte nicht so, als würde sie sich damit zufrieden geben, doch Takao schaffte es, das Gespräch danach auf ein anderes Thema zu bringen. „Es ist so gut, dass du herkommst, Kai!”, rief er, „Du musst mir aber noch mal deine Flugdaten geben!”
„Oh, richtig!”, sagte Hiromi, „Du bist zu Weihnachten in Japan! Das wird so gut, wir müssen unbedingt nach Tokio!” Seit er das Land verlassen hatte schienen sie vergessen zu haben, dass er genau wusste, wie es in Tokio zuging. Er kannte den ganzen Kram, den sie dort für Weihnachten machten, natürlich schon. Aber ihnen zuliebe würde er es sich natürlich ansehen - eine Wahl hatte er sowieso nicht.
„Und bring bloß deinen Dranzer mit!”, sagte Takao, „Du glaubst nicht, wie es mir in den Fingern juckt - ich will ein ordentliches Beybattle!”
Kaum hatten sie sich verabschiedet, erreichte Kai noch eine ganz andere Nachricht von Takao: >Was ist mit Yuriy?< Er konnte darauf keine Antwort geben. Seit ihrem Gespräch am Mittwochmorgen war er ziemlich verwirrt angesichts der Gefühle, die in ihm hochkamen. Er mochte Yuriy immer noch, klar, aber langsam dämmerte ihm, dass er ihn vielleicht mehr mochte, als er es sich eingestehen wollte. Und wie ging es Yuriy? Manchmal hatte er den Eindruck, dass auch sein Exfreund noch Gefühle für ihn hatte. Ob er ihn einfach fragen konnte? Und was für eine Antwort erhoffte er sich?
Er trug diese Gedanken noch eine ganze Weile mit sich herum. Dabei kam vieles zurück, von dem er dachte, damit abgeschlossen zu haben. Sehr viel Schmerz und Vermissen. Überraschenderweise tat ihm die Trennung immer noch weh. Andererseits sagte seine Vernunft, er müsse einfach endlich damit abschließen. Vielleicht brauchte er lediglich ein wenig mehr Zeit.
Nun, es half nicht. Er dachte einfach viel zu oft an Yuriy. Las ihre langen Chats durch und grinste dümmlich in sich hinein. Erinnerte sich an das Gefühl, wie es war, den anderen zu umarmen, wie sie es gerade taten, immer etwas länger als vielleicht angemessen war.
Am Freitag ging er spontan auf ein Date. Er wollte, musste sich ablenken. Jemand aus seinem Seminar hatte ihn gefragt, das kam ihm gerade recht. Es war ein netter Abend, aber er brachte nichts. Wenn überhaupt, so machte es alles nur noch schlimmer. Denn jetzt wusste er, dass die Gedanken an Yuriy nicht einfach verschwinden würden. Sie hatten wenig geschrieben, was vielleicht auch an Kai selbst lag. Er hatte Angst, in einen Flirt abzurutschen und mehr noch, dass Yuriy darauf eingehen würde. Und was, wenn das passierte? Das war doch eigentlich nicht schlecht, oder? Wahrscheinlich würde der andere ihn aber abblitzen lassen, und dann stünde er da, bis auf die Knochen blamiert, und was auch immer sich wieder zwischen ihnen gebildet hatte läge in Scherben.
Am Sonntag fasste er einen Entschluss.
Zuerst überlegte er, ob er anrufen sollte. Doch er befürchtete, nichts als Gestammel hervorbringen zu können. Also schrieb er eine Nachricht:
>Hey,
ich hoffe, ich mache jetzt keinen Fehler und alles wieder kaputt, was wir in den letzten Wochen aufgebaut haben. Aber ich glaube, ich will mehr als nur Freundschaft. Deswegen - hast du Lust auf ein Date?<
Er drückte auf Senden, bevor er es sich anders überlegen konnte. Dann legte er das Handy weg und suchte nach einer Beschäftigung. Er wollte nicht einfach dasitzen und auf eine Antwort warten. Gerade war er in die Küche gegangen, um sich einen Tee zu machen, da hörte er, wie das Handy vibrierte und zuckte zusammen. Angst durchrieselte ihn, während er langsam zurückging. Vielleicht war jetzt alles vorbei und Yuriy würde so etwas schreiben wie Sorry, für mich bist du nur ein Freund. Vielleicht würde er ihn nicht einmal mehr sehen wollen!
Kais Finger waren kalt, als er das Display entsperrte. Dann schwappte die Enttäuschung über ihn. Es war nicht Yuriy, nur ein nichtssagender Text im Uni-Gruppenchat. Wahrscheinlich hatte Yuriy seine Nachricht noch gar nicht gelesen. Jedenfalls wollte Kai sich nicht ausmalen, warum er sie lesen und nicht antworten würde.
Das passierte noch ein paar Mal: Vielleicht hatte Kai es gerade geschafft, sich abzulenken, da vibrierte es wieder und er musste einfach hingehen und nachsehen, wer ihm geschrieben hatte. Als ihm auffiel, wie viel Stress ihm das machte, wollte er das Handy einfach auf lautlos stellen, doch dann würde er wohl alle fünf Minuten checken, ob nicht doch etwas passiert war. Noch nie hatte er so verzweifelt auf eine Nachricht gewartet.
Ob nun mit Absicht oder nicht, Yuriy spannte ihn zwei Stunden lang auf die Folter. Dann stand endlich sein Name auf dem Display. Kai konnte schon in der Vorschau sehen, was er geschrieben hatte, doch er entsperrte den Bildschirm trotzdem, weil er es nicht ganz glauben wollte. Sein Puls beschleunigte sich schlagartig, als er las:
>Sag wann und wo :) <
Kurz vor Weihnachten wurde es merklich leerer in der Stadt. Viele Londoner fuhren aufs Land oder machten sich auf den Weg in den Urlaub. Die Malls waren natürlich immer noch überfüllt, doch in den U-Bahnen merkte man den Unterschied deutlich.
Sie trafen sich am Regent’s Park, holten sich einen Kaffee, um sich die Hände zu wärmen und spazierten dann durch Marylebone zu einem Buchantiquariat, in dem Yuriy sich nach einem alten Band von Annie Leibovitz erkundigen wollte. Auf dem Weg lagen eine Menge anderer Buchläden und kleiner Shops, sodass sie nur langsam vorankamen. Das Treffen war nicht sonderlich anders als ihre bisherigen, und doch waren sie beide viel nervöser als sonst, den anderen zu sehen. Kai hatte sich sehr geärgert, dass viele seiner Pullover einen Tick zu groß waren und er dann mit Mantel und Schal womöglich aussah wie ein Schneeball mit zwei dürren Beinchen. Yuriy hatte den ganzen Tag lang überlegt, was er zur Begrüßung sagen könnte und dann doch alles vergessen, sobald er Kai erblickte. Unnötig zu erwähnen, dass der in seinen Augen hinreißend aussah. Und Kai hätte später nicht mehr sagen können, was Yuriy von sich gab, denn es war sowieso nicht wichtig. Die Anspannung verflog auch in den ersten Minuten und die Kaffeebecher bewahrten sie vor der Frage, ob sie nach der Hand des jeweils anderen greifen sollten oder nicht.
„Lass mich noch ein Foto machen”, schlug Yuriy vor und deutete auf ihre Kaffeebecher. „Diese Online-Schnappschüsse gefallen mir immer besser, vielleicht mache ich mal ein Projekt daraus.” Sie hielten die Becher ein Stück nach oben, sodass statt des Bordsteins etwas Weihnachtsbeleuchtung im Hintergrund war, und Yuriy fotografierte sie mit dem Handy. „Natürlich unterstütze ich dich gern, wenn du deine künstlerische Ader ausleben willst”, seufzte Kai theatralisch, „Jetzt brauchst du aber noch einen Hashtag.” Yuriy war schon dabei, das Bild zu posten. „Hm, wie wäre es mit … Christmasblend…”
„...myass”, fügte Kai hinzu.
„Okay.” Er schickte den Post ab. „Meinst du, sie kommen jetzt darauf, dass du auf dem Bild bist?”
„Du kannst mich ja markieren.”
„Ach, lass uns erstmal abwarten, was so kommt.”
Es hatte für sie nie ein erstes Date im klassischen Sinn gegeben. Sie kannten sich schon fast ihr ganzes Leben lang, und zusammengekommen waren sie in den Wirren ihrer Beyblade-Karrieren, die immerzu von ihrer Kindheit in Moskau überschattet wurden. Die Beziehung zueinander hatte geholfen, zumindest das hinter sich zu lassen. Doch anscheinend war das nie genug gewesen, um sie beieinander zu halten.
Inzwischen kannten sie die Regeln des Sich-Kennenlernens, die Vorsicht, die geboten war, aber auch die Zeitpunkte, an denen man alle Konventionen über Bord warf, einfach, weil man verliebt war. Und trotzdem war bei ihnen alles anders, sie konnten nicht bei null anfangen. Aber vielleicht konnten sie so tun?
Yuriy fand sein Buch, und dann vertieften sie sich in ein paar andere Bildbände, deren Künstler ihnen beiden nichts sagten. „Was machst du zu Weihnachten?”, fragte Kai irgendwann nebenbei und Yuriy hob die Schultern. „Inverness, vielleicht”, sagte er, „Und du?”
„Japan.”
„Oh warte, darüber haben wir schon gesprochen.” Kai nickte, er hatte es Yuriy vor ein paar Wochen erzählt. „Ich fliege am Samstag, aber ich komme vor Neujahr wieder”, sagte er.
„Ja, ich wollte dann auch wieder in London sein. Ein paar Freunde haben mich zu einer Party eingeladen.” Yuriy lächelte ihn an. „Wir können ja dann entscheiden, wann es uns am besten für unser nächstes Date passt.”
Kai schmunzelte. „Smooth, Mr. Ivanov.”
„Ist das ein Ja?”
„Das ist ein Ja.”
Ein paar Minuten später erhielt Kai eine Nachricht von Takao. >Alter, Hiromi geht total steil, weil Yuriy ein Foto gepostet hat. Seid ihr zusammen unterwegs? Ich bin noch nicht wach genug für so viel Drama.<
>Leg dich wieder hin und lass sie noch ein bisschen rätseln<, antwortete Kai. Doch Takao war scheinbar schon aufgestanden, denn die nächste Nachricht folgte auf dem Fuße: >Sie ist die ganze Zeit am Handy und schreibt sich mit den anderen Mädels. Ihr beschäftigt hier eine Menge Leute mit euren Bildern, wundert euch nicht, wenn es irgendwelche Gerüchte gibt, die ihr nicht wollt.<
Irgendwann zogen sie weiter und landeten, als es längst dunkel war und immer kälter wurde, bei einer U-Bahnstation. Sie hätten beide von dort aus fahren können, doch Kai fiel siedend heiß ein, dass er noch mal Richtung Soho musste, denn dort wollte er ein Beyblade-Teil für Takao abholen, das es so in Japan nicht gab. Also standen sie sich schon am Eingang zur Station gegenüber und wussten nicht recht, wie sie sich verabschieden sollten.
„Das war schön”, sagte Yuriy und Kai nickte. Er würde ihn vermissen, aber anders, als nach ihrer Trennung. Es war ein Vermissen, das hoffentlich bald wieder endete. Er hatte nicht erwartet, noch einmal so etwas für Yuriy zu fühlen, doch momentan war es, als würde er Seiten an seinem Exfreund sehen, die ihm zuvor nicht wichtig gewesen waren, er jetzt aber zu schätzen lernte. Das alles war im richtigen Maße vertraut und doch neu, und er war plötzlich wieder so nervös wie bei Treffen mit völlig Fremden. Oder einem Schwarm.
„Gut, dann … sehen wir uns nach Weihnachten”, sagte er.
„Ich nehm dich beim Wort”, entgegnete Yuriy und zwinkerte. Kai verdrehte die Augen und lächelte, dann umarmten sie sich. „Grüß Takao und die anderen, wenn du willst.”
„Okay. Und du werd nicht melancholisch im dunklen Norden.”
„Ich werde ausschlafen, das wird gut.”
Dann war wirklich alles gesagt. Yuriy stieg die Treppen zur U-Bahn hinab und Kai drehte sich um, um in die entgegengesetzte Richtung zu laufen. In seinem Kopf flogen die Gedanken durcheinander und er versuchte, sich darauf zu konzentrieren, welchen Bus er am besten nehmen sollte. Weit brachte er es damit nicht. Schon nach ein paar Schritten hielt er wieder inne. „Ach, verdammt”, murmelte er und wirbelte herum. „Yuriy!”
Der Rothaarige hatte seinen Ruf gehört, denn er stand auf der Mitte der Treppe und sah ihn verwundert an. Kai eilte die Stufen zu ihm hinunter und ehe Yuriy etwas sagen konnte, küsste er ihn.
Sie hatten beinahe vergessen, wie es war, sich zu küssen. Ihre Lippen waren kalt und es war umständlich, auf der Treppe zu stehen, doch dann stieg Kai wieder eine Stufe nach oben und war auf gleicher Höhe mit Yuriy. Das alles, ohne den Kuss zu unterbrechen. Die Menschen, die an ihnen vorbei eilten, blendeten sie vollkommen aus. Sie wussten nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie sich wieder lösten, doch es war sicher länger, als sie annahmen.
„Und jetzt willst du einfach das Land verlassen?”, fragte Yuriy.
„Ich schreib dir, ich versprech’s”, sagte Kai. In ihm hatte sich eine Leichtigkeit ausgebreitet, die ihn sicherlich nicht würde schlafen lassen. „Und vielleicht poste ich dumme Kaffeebilder in dein Profil.”
„Ich warte darauf.”
Dann trat er wirklich den Rückweg an. Nur mit Mühe konnte Yuriy den Blick von ihm abwenden, und so drehte er sich noch einmal um, als er am Fuß der Treppe angekommen war - nur, um zu sehen, dass Kai das gleiche tat. Sie lächelten sich noch einmal verlegen an, dann winkte Kai kurz und verschwand aus seinem Sichtfeld.
Was man weder beim Texten, noch bei Anrufen oder sogar Skype bemerkte, war, dass Takao ganz schön gewachsen war. Kai konnte sich nur schwer daran gewöhnen, ihn auf seiner Augenhöhe zu haben, zumal sein ehemaliger Rivale die passende Schulterbreite gleich mitentwickelt hatte. Takao zog ihn, ganz wie er es von Max gelernt hatte, in eine feste Umarmung und wiederholte im Verlauf des ersten Tages immer und immer wieder, wie sehr er sich freute, ihn zu sehen.
Zuerst machten sie Halt im Ramenrestaurant von Manabus Eltern. Dorthin kam auch Hiromi, und obwohl sie sicher in der festen Absicht erschien, Kai wegen Yuriys Fotos auszufragen, lenkte Takao sie sehr erfolgreich davon ab. Stattdessen berichteten Manabu und er, was die WBBA gerade trieb und wer die neuen Beyblade-Stars waren.
„Oh warte, wir müssen ein Selfie machen!”, rief Hiromi dann wieder dazwischen und Kai konnte sich nicht dagegen wehren. Auch nicht, in diesem Bild markiert zu werden, als sie es in ihrem Profil hochlud. Kurz darauf meldete Rei sich in ihrem Gruppenchat, denn das Foto war just in diesem Augenblick auf seiner Timeline erschienen. Er schickte im Gegenzug eines von Mao, bei der man langsam den wachsenden Bauch erahnen konnte. Sie sah allerdings etwas elend aus und sie waren sich sicher, dass Rei für diese Aktion Ärger bekommen würde.
Als Kai sich dann endlich neben Takao auf seinen Futon legen konnte, war er ziemlich erschöpft. Er war über vierundzwanzig Stunden wach und wollte nur noch schlafen.
„Kai?”, fragte Takao. Er brummte.
„Du hast mir nie gesagt, was mit dir und Yuriy jetzt ist.” Er hörte, wie Takao sich umdrehte und spürte seinen Blick auf sich. „Du musst mir auch nichts sagen. Aber ich denke mir schon so meinen Teil. Hab dich schon lange nicht mehr so gelöst erlebt.” Es war unheimlich, wie gut der andere ihn inzwischen kannte. Früher war es Kai leicht gefallen, ein Buch mit sieben Siegeln für Takao zu sein. Diese Zeiten waren längst vorbei.
„Und ich hab dich noch nie so zahm bei Hiromi erlebt”, entgegnete er schließlich und schmunzelte, als Takao die Luft ausstieß. „Das bildest du dir ein!”
Am nächsten Morgen saß Kai in Takaos Küche, vor sich eine Tasse Tee, und checkte Facebook. Auf seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, als er sah, dass Yuriy ihr gestriges Selfie kommentiert hatte. Dann jedoch verschluckte er sich fast, denn der Kommentar bestand lediglich aus: <3. Er öffnete das Textfeld für eine Antwort, hielt aber noch mal inne. Wenn er das jetzt tat, wurde er Hiromi nicht eher los, als bis sie alles in Erfahrung gebrachte hatte, was sie wissen wollte. Andererseits … er zuckte die Schultern und tippte: ;*
Yuriy hatte sich in einem Bed and Breakfast einquartiert, das von einem älteren Ehepaar betrieben wurde. Das Klo befand sich in einem Schrank und der Raum wurde fast vollständig vom Bett ausgefüllt. Gegessen wurde im Wohnzimmer des Paares, in dem es viele Polster, viel Teppich und vor allem viele Spitzendeckchen gab. Der Blick aus dem verglasten Erker ging auf einen kleinen Vorgarten, der jetzt im Winter etwas karg anmutete, und die stille Straße. Kaum einmal kam jemand vorbei und seine Gastgeber verließen die Wohnung nur ungern. Schon am zweiten Tag frühstückten sie gemeinsam, denn die beiden waren ebenso schweigsam wie Yuriy, doch er merkte, dass sie sich über Gäste freuten. Er fragte aus Höflichkeit, warum sie überhaupt über Weihnachten vermieteten und es stellte sich heraus, dass ihr Sohn in den Staaten lebte und nur selten nach Schottland kommen konnte.
Er konnte es nicht lassen, auch in seiner Freizeit zu arbeiten, und so brachte er hier und da ein paar Ideen zu Papier, meist waren es nur Schlagworte. Ansonsten spazierte er regelmäßig durch die Stadt und genoss seinen leeren Terminkalender.
Inés meldete sich und fragte, ob er zur Silvesterparty kommen würde. Sie wollte ihr neues Date mitbringen.
>Kein Problem<, schrieb er. >Ich komme wahrscheinlich auch nicht alleine.<
Am 25. rief Boris ihn an. „Frohe nicht-gregorianische Weihnachten du Pfeife, was geht denn bei dir und Kai ab?”
Yuriy, der in diesem Augenblick allein im Wohnzimmer war, lehnte sich auf der sehr weichen Couch zurück. „Wonach sieht es denn aus?”
„Es sieht verdammt danach aus, als ob ich mich schon wieder mit ihm rumschlagen müsste, weil ihr zwei Bekloppten euch versöhnt habt”, sagte Boris. „Muss ich das verstehen?”
„Ich wünsche dir auch einen gesegneten Tag”, neckte Yuriy. Wenn Boris viele Worte machte, war er nicht halb so aufgebracht, wie es den Anschein hatte. Er würde ihm zutrauen, dass er insgeheim froh war, Kai wieder regelmäßig piesacken zu können.
„Ach verdammt, Yura”, fing Boris wieder an, „Hast du dir das gut überlegt?”
„Nicht viel besser als beim ersten Mal”, gab er zu. Aber es hatte ihm auch damals schon nichts ausgemacht.
>Ich bin gelandet. Passkontrolle ist langsam.<
>Willkommen zurück! Ich sehe mir ein Haus an.<
>Schick Fotos!!! Und sag mir Stadtteil und Preis, dann kann ich dir sagen, ob es ein guter Deal ist.<
>Ich glaube, das ist nicht nötig. Ist doch ein bisschen zu groß.<
>Schaden kann es trotzdem nicht.<
>Willst du mit auf die Silvesterparty kommen?<
>Okay. Aber ich hoffe, ich kann dich vorher schon sehen :P<
>Ja, bitte! Morgen Pizza?<
>Du weißt, was ich brauche<
Die Silvesterparty fand in einer ziemlich großen Wohnung im Stadtzentrum statt, es war auf den ersten Blick zu erkennen, dass die Gastgeber Geld hatten. Kai kannte sie flüchtig, sie hatten Yuriy vor zwei Jahren einen Auftrag gegeben und ihm dann geholfen, seinen Kundenkreis zu erweitern. So war eine etwas verquere Freundschaft daraus geworden. Die anderen Gäste kamen ebenfalls aus dem näheren Dunstkreis, ein paar Kreative, ein paar Models, ein paar Businessmenschen. Er wechselte einen vielsagenden Blick mit Yuriy, als sie am Eingang standen: Vermutlich würden sie sich den Abend ein bisschen schön trinken müssen. Zum Glück hatten sie jeweils eine Flasche Sekt als Gastgeschenk mitgebracht, die sich aber auch leicht gegen Stärkeres eintauschen ließen. In der Küche gab es jedenfalls Getränke zur Genüge.
Während Yuriy in ein Gespräch verwickelt wurde, besorgte Kai ihnen die ersten Drinks. Dabei lief er Inés über den Weg. Er hätte sie beinahe nicht erkannt, denn sie hatte sich die Haare anders geschnitten. „Hey!”, rief sie ihm über die Musik und das Gerede der anderen hinweg zu, „Lange nicht gesehen!”
„Wie geht’s?”, fragte er. In diesem Moment kam ein Mann zu ihnen und Schlang einen Arm um Inés. Er war kleiner als sie, was vielleicht auch an ihren Schuhen lag. Sein Haar war sehr dicht und dunkel, ebenso wie sein gepflegter Bart. „Das ist Arjun”, sagte Inés und Kai nickte ihm kurz zu. „Bist du mit Yuriy hier?”
„Ja, um ehrlich zu sein.”
Inés warf ihm einen wissenden Blick zu, während Arjun ihre Schläfe küsste und sie offensichtlich mit sich mitziehen wollte. „Na ich werde ihm schon über den Weg laufen. Habt einen schönen Abend!” Dann verschwanden beide in der Menge. Kai suchte noch eine Weile nach Gläsern und nahm dann, als er keine fand, einfach eine der Sektflaschen wieder mit zu Yuriy.
Er fand ihn im Wohnzimmer. „Inés ist hier”, sagte er, doch Yuriy nickte nur. „Ich weiß. Sogar in Begleitung. Prost.” Er trank den ersten Schluck.
Zwei Stunden später, als sie sich schon mit großen Schritten dem neuen Jahr näherten, waren sie schon ziemlich beschwipst. Irgendwann gerieten sie in eine Gesprächsrunde mit der Gastgeberin, die gleichzeitig versuchte, die ersten Fotos online zu stellen und Leute darauf zu markieren. Auch Yuriy musste dran glauben und sie zwang ihn, die Bilder gleich auf seiner Chronik freizuschalten. Er war betrunken genug, um einfach zu tun was sie sagte. Kai hatte Glück, denn er war nicht mit ihr befreundet, also lehnte er sich an Yuriy und beobachtete, was die anderen beiden taten. Noch während Yuriy auf Facebook war, poppten immer wieder Neujahrsgrüße auf seinem Display auf. Es war anstrengend, dem zu folgen.
„Ab jetzt wird es nur noch nerviger”, sagte Yuriy, als die Gastgeberin endlich zufrieden war und weiterzog. Kai gähnte zur Antwort. Es hatte Jahre gegeben, in denen der Silvester-Trubel ihm willkommen war, aber heute wurde es ihm ein bisschen zu viel. „Willst du gehen?”, fragte er. Yuriy hob die Schultern.
„Wir könnten zu mir gehen. Ist näher”, schlug Kai vor, „Ich klau uns auch noch mehr Sekt vom Buffet.”
Ein paar Minuten später stahlen sie sich davon, Kai trug eine Flasche, die sie auf dem Weg öffneten. Dabei landete das erste Drittel schäumend auf dem Gehweg, nur knapp konnten sie der kleinen Fontäne ausweichen. „Happy New Year!”, kommentierte Yuriy.
Das neue Jahr begann dann wirklich, als sie in der U-Bahn saßen. Irgendjemand im Wagon zählte lallend die letzten Sekunden herunter und ein paar Menschen fingen an zu jubeln und zu klatschen. Kai und Yuriy warfen sich einen belustigten Blick zu, dann gaben sie sich einen langen Kuss.
Yuriy erwachte komplett bekleidet im Bett. Kai lag neben ihm, sie hatten nicht einmal die Decken über sich gezogen. Draußen war es hell, der Tag allerdings wirkte ziemlich grau. Er brauchte ein paar Minuten, um das Ende des letzten Abends zu rekonstruieren. Nachdem sie hier angekommen waren, war nicht mehr viel passiert, nur noch trinken und ein paar Küsse, dann waren sie ins Bett gefallen. Kais Gesicht war im Kissen vergraben, er machte lange, tiefe Atemzüge und schien noch weit davon entfernt, aufzuwachen. Früher war ebenfalls meist Yuriy derjenige gewesen, der zuerst aufstand und schon mal Kaffee aufsetzte - obwohl Kai grundsätzlich den besseren Kaffee machte.
Vorsichtig, um den anderen nicht aufzuwecken, drehte Yuriy sich herum und fand sein Handy auf dem Nachttisch. Der Akku war beinahe leer. Er hatte eine Menge Neujahrsgrüße in seinen Nachrichten und eine ziemlich beachtliche Anzahl von Notifications auf Facebook. Er runzelte die Stirn. Hatte er irgendetwas Peinliches gepostet …?
Die Fotos fielen ihm ein und augenblicklich bereute er, diese gestern, betrunken wie er war, für sein Profil freigegeben zu haben. Er hatte nicht einmal richtig gesehen, was da alles drauf war. Schnell sah er sich die Sammlung an. Genau, er war auf einigen Gruppenbildern mit Bekannten gelandet, und manchmal stand er irgendwo im Hintergrund, das war nicht weiter tragisch. Aber natürlich gab es ein Bild von ihm und Kai. Ups. Es war nicht eindeutig, aber es wurde offensichtlich, dass sie zusammen auf der Party waren, und wer ihre Körpersprache romantisch lesen wollte, fand sicher genügend Anhaltspunkte: Auf dem Foto standen sie sich gegenüber und waren sehr in ein Gespräch vertieft. Sie lächelten sich an. In den Händen hielten sie Gläser und Kai bewegte die freie Linke in der Luft, als wolle er sie auf Yuriys Brust oder Schulter ablegen.
Sie waren immer noch ein hübsches Paar.
Unter dem Foto hatten sich einige Kommentare gesammelt, die im Vergleich aber sehr harmlos waren.
>Guess who’s back, back again, Neo Borg’s back, tell a friend.<
>@Max Oh Gott…<
>Oooooh shiiiiit D:<
>@Michael same! Frohes neues Jahr von Team Baihuzu an euch ;)<
>Beste Nachricht in diesem Jahr! Kommt zur japanischen Meisterschaft!!!<
>@Takao da sind die Anmeldungen noch nicht mal offen<
>@Manabu Ich plane das von langer Hand!!!<
>YURIY WAS IST MIT BORG 0??? Ich bin dein Tagteampartner :’( <
>Jetzt hast du @Boris zum Weinen gebracht, Chef.<
>@Yuriy @Ivan T_T <
Yuriy glaubte keine Sekunde daran, dass Boris wirklich dachte, sie würden ihr altes Team wiederbeleben wollen. Er spielte lediglich mit. Tatsächlich befand sich in seinen Chats auch eine ganz andere Nachricht von seinem besten Freund: >Jetzt könnt ihr es aber wirklich langsam zugeben, oder?
Yuriy grinste. Eigentlich war es doch ganz witzig, wenn alle so auf dem Schlauch standen. Vielleicht sollten sie noch ein paar Hinweise streuen und abwarten, wie lange es dauerte, bis die Groschen überall fielen.
Ende Februar gingen die Temperaturen wieder ein bisschen hinauf. Der Alltag hatte alles fest im Griff, und noch immer kam Yuriy donnerstags zum Arbeiten ins Café. Und Kai kam am Nachmittag, um ihn davon zu erlösen. Manchmal blieben sie noch eine Weile sitzen, manchmal hatten sie andere Pläne und zogen weiter. Manchmal gingen sie jeder für sich nach Hause. Manchmal gemeinsam. Sie trafen sich auch nicht nur an Donnerstagen, meist klappte es zwei- oder dreimal in der Woche, oder sie verbrachten das Wochenende miteinander. Wenn es sich ergab, hatten sie Sex.
Es war gut so. Für den Moment.
Ein Großteil ihrer Freunde und Bekannten hatte inzwischen mitbekommen, was los war. Viele wunderten sich allerdings, dass Yuriy und Kai es nie so wirklich offiziell machten, wie sie nun zueinander standen. Natürlich gab es hier und da kleine, flirty Kommentarwechsel oder aussagekräftige Emojis. Sehr selten posteten sie Fotos von sich, doch auch das kam vor und löste jedes Mal eine kleine Flut neugieriger Fragen aus.
„Sieh dir das mal an”, bat Yuriy, als Kai sich zu ihm setzte und seine Kaffeetasse zwischen die Papierstapel auf den Tisch stellte. Er drehte seinen Laptop herum und zeigte dem anderen das Portfolio eines Reihenhauses in einem Londoner Vorort. Kai beugte sich vor. „Das ist ziemlich weit draußen, aber der Preis ist okay, wenn du mich fragst.”
„Finde ich auch”, meinte Yuriy, „Im unteren Geschoss können ein paar Wände raus, dann wäre genug Platz für ein Studio und den Arbeitsbereich. Die Küche wäre dann offen im Raum. Und oben sind dann immer noch Schlafzimmer, Bad und ein zusätzlicher Raum. Und einen kleinen Garten gäbe es auch.”
Kai nickte. „Das solltest du dir mal genauer ansehen”, sagte er. Yuriy lächelte zufrieden und nahm den Laptop zurück, um ihn endlich herunterzufahren. Dann begann er, seine Unterlagen aufzuräumen.
„Hey sag mal”, hob Kai an, „Meinst du eigentlich, wir sollten irgendwann unseren Beziehungsstatus ändern?”
„Unseren was?”, fragte Yuriy zerstreut.
„Den Beziehungsstatus. Auf Facebook.”
Er hielt inne und sah Kai an. „Willst du das denn?”
„Hm. Keine Ahnung”, sagte Kai, „Deswegen frage ich ja dich.”
Yuriy dachte nach. Im Prinzip hatte er nichts dagegen. Er hätte das mit Kai gerne wirklich offiziell gemacht, denn er war schlicht und ergreifend verliebt in ihn. Andererseits waren dann auch so viele Erwartungen mit diesem Status verbunden. Klar, im Moment hatten alle so ihre Theorien, was bei ihnen los war. Aber wie sie nun tatsächlich miteinander umgingen, war ganz allein ihre Sache. Und irgendwie nahm das eine Menge Druck von ihnen.
Deswegen hob er schlussendlich nur die Schultern. „Ich denke, ich würde warten.” Dabei lächelte er Kai an und der andere erwiderte diese Geste. „Einverstanden”, sagte er.