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Der hellste Stern am Himmel

Regulus lives-AU
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Warnungen: Kampfhandlungen (etwas, was ich nicht schreiben kann), FEE~ELS
Inhalt: Eine Entscheidung wird getroffen
Und hier wieder ein wunderschönes Video zu den beiden: https://www.youtube.com/watch?v=sm9YWX6XbWw (inklusive James!). Sein "There's no point hating someone you love. I mean, really love." war ein große Inspiration für die gesamte FF. ;) (Gott, ich liebe das Fandom.) Komplett anzeigen

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Blut erkennt Blut

Sie apparieren mitten in einen Alptraum. Muggel schreien. Der Geruch nach Ozon und brennendem Phosphor schlägt ihm entgegen.

„Vorsicht!“ Ein Fluch zischt haarscharf über ihren Köpfen vorbei und James zieht ihn gerade noch rechtzeitig nach unten.
 

Todesser auf einem Muggel-Campingplatz. Brauchen Verstärkung.

Remus‘ Patronus – ein riesiger, silbriger Wolf – ist mitten durch ihr Wohnzimmer gebraust, als sie dabei waren ein extrem verspätetes Frühstück zu vertilgen.
 

Jetzt - drei Minuten später - finden sie sich mitten in einer schreienden Menschenmenge wieder. Sie tragen Jeans und offene Hemden, haben vergessen ihre Zauberroben überzuziehen und James hat noch Marmelade auf der Wange. Aber wenigstens haben sie an Stäbe und den Tarnumhang gedacht.

Die Erde ist matschig und aufgewühlt. Schreiende Muggel rennen an ihnen vorbei, Flüche zischen über ihre Köpfe hinweg, rot und grün und schwarz, und Sirius packt James am Arm, um ihn hinter ein rundes weißes Gebilde zu ziehen. Sirius hat so etwas noch nie gesehen, aber es hat Räder.
 

„Siehst du die anderen?“ keucht James.
 

„Da drüben sind Remus und Marlene!“
 

Remus und Marlene McKinnon haben Stellung hinter einem umgekippten Muggelfahrzeug bezogen und liefern sich ein wildes Gefecht mit drei Todesser auf der anderen Seite. Remus gibt ihnen Deckung, während sie zu ihnen herüberhechten.
 

„Was ist passiert?“ keucht Sirius.
 

„Etwa Dutzend Todesser“, erwidert Remus und deutet auf die schwarze Wolke im Zentrum des Platzes. „Vielleicht mehr.“
 

Sirius wirft einen ungläubigen Blick um sich. Hier ist weit und breit nichts außer Hunderten von den diesen runden, weißen Muggelfahrzeugen und Wald. Unglaublich viel Wald. „Was zur Hölle ist deren Ziel?“
 

„Ich habe nicht den Eindruck, dass sie eine bestimmte Strategie verfolgen. Protego!“ Marlene wirft einen schirmförmigen Schutzzauber vor ihnen aus, an dem keine Sekunde später mehrere Flüche abprallen. „Ich glaube, die wollen einfach nur ein bisschen Spaß haben.“ Sie klingt angewidert.
 

„Wo sind die anderen?“
 

„Lily und die Prewetts versuchen die Muggel zu beschützen. Dorcas und Mary sind irgendwo da drüben.“ Ein Baum kracht tosend zu Boden. „Und das war Caradoc.“
 

„Alice und Frank sollten jeden Moment auftauchen“, ergänzt Remus.
 

James und Sirius tauschen einen kurzen Blick. Sirius kann sehen, was er denkt, auch wenn James es nicht ausspricht. Sie sind erbärmlich in der Unterzahl und weder Moody, noch Dumbledore sind hier.
 

Sie heben ihre Zauberstäbe und klacken sie kurz aneinander. „Auf ins Gefecht“, murmelt James. Und sie stürzen sich mitten hinein.
 

Kämpfen ist ein Nervenkitzel. Ein wilder Adrenalinrausch. Jedes Mal aufs Neue. Seine Welt schrumpft zusammen auf sich und seinen Gegner. Sie sind erst zu dritt, dann nur noch zu zweit, anonyme schwarze Umhänge und hässliche Masken. Sie sind gut, aber Sirius ist ebenfalls gut, er ist schnell und brutal, wenn er muss.
 

Aber dann hört er wahnsinniges Gelächter und er sieht schwarze Locken aufblitzen und ein maskenloses Gesicht, was er nur allzu gut kennt.

Bellatrix.

Wut brodelt in ihm nach oben.
 

Er schießt vor, bereit es mit ihr aufzunehmen, aber dann ist James plötzlich da, wie aus dem Nichts steht er neben ihn, packt ihn am Arm und wirft ihm den Tarnumhang um.
 

„Was machst du da? Protego!“ Das Schutzschild breitet sich flimmernd um sie aus. Flüche prallen zischend dagegen.
 

James zieht ihn hinter ein weißes Muggelfahrzeug. „Sobald sie dich sieht, hast du doch eine Zielscheibe auf dem Rücken! Halt dich bedeckt!“
 

„Glaubst du, ich kanns nicht mit ihr aufnehmen?“ fragt Sirius beleidigt.
 

„Ich habe keinen Zweifel, dass du es mit ihr aufnehmen kannst“, flüstert James. „Aber hier sind überall Muggel und wenn ihr euch miteinander anlegt, gibt es ein Blutbad. Tu es nicht, Tatze. Bitte.“
 

Sirius nickt widerwillig. Natürlich weiß er, dass James recht hat.

Sie sind so wenige, dass sie vor allem eins tun können. Die Stellung halten, bis Verstärkung kommt. Und so vielen Muggeln wie möglich sicheres Geleit zu verschaffen.
 

Er zückt seinen Stab, als es passiert.

Sirius spürt es wie ein Prickeln auf seiner Haut, Elektrizität in der Luft, wie vor einem herannahenden Gewitter.

Er sieht eine Bewegung aus den Augenwinkeln und wendet den Kopf.

Etwas – jemand - bewegt sich zwischen den Bäumen. Er sieht nur den Umriss, dunkler als die Schatten, und doch ist ihm etwas in der Bewegung so vertraut, auf einer beinah viszeralen, körperlichen Ebene schmerhaft vertraut.
 

Blut erkennt Blut.

Das war einer der Lieblingssprüche seiner Mutter.

Blut erkennt Blut.
 

„Bin gleich zurück“, murmelt er.
 

„Was?!“
 

„Halt mir den Rücken frei.“
 

Zum Glück ist James James, denn er gehorcht ohne überflüssige Fragen, während er links und rechts Flüche austeilt. „Stupefy! Expelliarmus! Was hast du vor…? Sirius!“
 

Aber Sirius ist bereits weg. „Sei vorsichtig!“ James Stimme hallt hinter ihm her. Noch im Laufen zerrt er den Umhang fester um seine Schultern, spürt das vertraute Gefühl von Wasser, das an ihm hinabperlt, bevor er sich mitten in das Getümmel stürzt.
 

Lärm explodiert in seinen Trommelfellen. Um ihn herum fliegen Flüche hin und her, Zauberer schreien und er weiß nicht, auf welcher Seite sie stehen. Er weicht einem goldgrünen Fluch aus, der an ihm vorbeischießt und er rempelt schwarz gekleidete Gestalten an, ohne zu sehen, wer sie sind.

Seine Augen haben nur ein einziges Ziel und das ist alles, was er sieht.
 

Ohne jede Vorsichtsmaßnahme stürzt er zwischen die Bäume.

Der Wald ist an dieser Stelle so dicht, dass es sich anfühlt, als tauche er mit dem Kopf unter Wasser. Schlagartig wird es ruhiger zwischen den dicht gedrängten Bäumen, das Kampfgetümmel kommt plötzlich von weit her. Streifen von graugrüngefiltertem Sonnenlicht schneiden durch die Blätter. Äste greifen nach ihm wie Schlingpflanzen und verhaken sich in dem Umhang.

Er atmet tief durch und lauscht.

Er blendet die Schreie aus und das Zischen der Flüche, die von weit her zu ihm hallen. Er blendet das Knistern der Blätter aus, die im Wind rascheln.

Da. Ein Knacksen, als ob ein Ast bricht.
 

Er befreit den Umhang, kämpft sich durch das Unterholz in die Richtung aus der das Geräusch kam. Wo ist er? Wo..?
 

Da!
 

Er sieht gerade noch den Zipfel eines Umhangs, der zwischen den Schatten zerschmilzt und sprintet ihm nach, stürzt sich mitten ins Unterholz.

Die Schatten läuft nicht tiefer in den Wald, er läuft am Waldrand entlang. Lichtstreifen flackern über seine Gestalt. Seine Schritte sind taumelnd, zögernd, die nachlässige Eleganz der Bewegungen ist verschwunden.
 

Bellatrix‘ kreischendes Gelächter zerschneidet die Luft. Er fährt zusammen und die Gestalt fährt zusammen, wie sein dunkles Spiegelbild. Der andere läuft nicht weiter, er bleibt einfach stehen und Sirius bewegt sich ebenfalls nicht mehr.
 

Ein einzelner, erratischer Fluch zischt durch die Bäume, reißt brutal einen Ast ab und streift die Maske des Todessers.

Er stolpert zurück, prallt mit dem Rücken gegen einen Baumstamm, und die Maske zerspringt.
 

Regulus.

Es ist Regulus.
 

Sirius hat es geahnt, gefühlt, gewusst; trotzdem ist es wie ein Faustschlag mitten in die Nieren. Ihm ist schlecht.

Er starrt ihn an und ist dankbar für den Umhang, mehr als je zuvor in seinem Leben, denn nur Godric weiß, was sein Gesicht in diesem Moment preisgibt.
 

Regulus lehnt schwer atmend an der Eiche. Mit einer Handbewegung streift er die Reste seiner zerstörten Maske endgültig vom Gesicht und lässt sie achtlos zu Boden zu fallen.

Seine schwarzen Haare hängen lang und strähnig in sein Gesicht. Er sieht blass und verschwitzt aus, und seine Augen sind riesengroß und beinah schwarz in dem grüngefilterten Waldlicht. Aus einem roten Streifen mitten auf seiner Wange quillt Blut.
 

Oh Reggie, denkt Sirius. Er fühlt sich wie betäubt.

Bist du so tief gesunken? Ist Muggel jagen jetzt sowas wie ein Sport für euch geworden?
 

Regulus lauscht. Er kann ihn nicht sehen, aber seine Augen flackern suchend immer wieder und wieder an die Stelle, wo Sirius sich verborgen hält. Er runzelt die Stirn.

Aber er kann ihn nicht sehen. Das ist unmöglich.

Blut erkennt Blut.
 

Sie hören das Geräusch beinah gleichzeitig.

Regulus richtet sich auf, Sirius macht einen Schritt nach vorne, und aus dem Gebüsch tritt… Lily… nein, NEIN! Nicht Lily! Bitte nicht Lily!
 

Sie hat den Stab wachsam erhoben, aber ein verirrter Sonnenstrahl blendet sie, fällt ihr direkt in die Augen und sie blinzelt. Diese Sekunde ist alles, was Regulus braucht.

Er macht eine rasche Handbewegung, ein Schrei gefriert in Sirius Kehle. Sekundenlang ist alles Zeitlupe, schwarz-weiß und eine Endlosschleife aus nein. Nein. NEIN. Das wird er ihm nicht verzeihen. Das wird er ihm niemals verzeihen. Das nicht. Bitte nicht.
 

Petrificus Totalus!
 

Lily fällt, Sirius Schrei erstirbt.

Sie fällt steif wie ein Brett nach hinten, ihre Augen weitaufgerissen. Mit einem dumpfen Aufprall landet sie im Gras, der Zauberstab in ihrer Hand wie festgefroren.
 

Sirius keucht auf, es wird von dem Rauschen der Blätter verschluckt. Es dauert einen endlosen Herzschlag, bis er das Unglaubliche begreift.

Er hat sie nicht getötet. Regulus hat sie nicht getötet.

Er hatte sie direkt vor sich, freie Schussbahn und er hat sie nicht getötet. Nicht einmal verletzt.

Noch nicht, wispert eine Stimme in seinem Hinterkopf. Noch nicht.
 

Aber Regulus macht keine Anstalten auf die erstarrte Lily loszugehen. Er weicht zurück, als versuche er Abstand zwischen sich und sie zu bringen. Seine Augen flackern wachsam von links nach rechts. Er atmet schwer und fährt sich mit der Hand über den Mund, als sei ihm schlecht.

Einige Meter weiter bleibt er stehen. Er lässt er den Zauberstab sinken, legt den Kopf in den Nacken und blickt hinauf zum Himmel. Er schließt die Augen (leichtsinnig, kleiner Bruder, so leichtsinnig). Sirius sieht seine schmale, weiße Kehle, entblößt und verletzlich, und er sieht wie sein Kehlkopf sich bewegt, als er heftig schluckt.
 

Er sieht nicht aus wie ein triumphierender Todesser.

Er sieht überfordert aus, entsetzt und angewidert, bodenlos erschöpft, als ob er überall sein möchte, nur nicht hier. Als sei die Welt ein einziger Alptraum und es gäbe kein Erwachen mehr daraus. Die Schatten um seine Augen sind so tief, dass sie aussehen wie mit Tusche umrandet, und er ist so dünn geworden, dass seine Wangenknochen scharf hervortreten.

Macht es doch nicht so viel Spaß, wie du erwartet hast?, denkt Sirius, überkommen von eisiger Wut. Erfüllen Terror und Mord und Blutshoheit nicht deine Erwartungen?
 

Er streift den Umhang ab.
 

Regulus atmet aus, ein tiefer, langer Seufzer. Er lässt den Kopf sinken und öffnet die Augen… und er prallt sofort zurück als sein Blick auf Sirius fällt.
 

Sirius hat den Zauberstab erhoben. Regulus nicht.

Sie stehen direkt voreinander, weniger als fünf Schritte trennen sie, aber es sind Abgründe und Menschenjahre und Ewigkeiten. Über diesen endlosen Abgrund hinweg starren sie sich an.
 

„Willst du sie nicht foltern und umbringen?“ fragt Sirius leise. Die Spitze seines Zauberstabs ist direkt auf Regulus Kehle gerichtet. „Das macht ihr Todesser doch so gerne.“
 

Regulus stolzes Gesicht gibt nichts preis. Sein Zauberstab hängt lose zwischen seinen Fingern. Diese Nachlässigkeit ist trügerisch. Sirius weiß, wie schnell und elegant Regulus einen Schlenker mit dem Handgelenk machen kann. Er schweigt und schweigt, und als er schließlich etwas sagt, ist es nicht das, was Sirius erwartet.

„Dein Desillusionierungszauber ist noch genauso armselig wie in der fünften Klasse. Ist dir das nicht peinlich?“
 

Es dauert einen Herzschlag lang, bis er begreift.

Er hat ihn gesehen.

Er hat sie beide gesehen.

Bei dem Haus. Bei dem beschissenen Treffen.

Sirius wird heiß und kalt, als ihm schlagartig klar wird, dass er sie in Gefahr gebracht hat. Er hat James in Gefahr gebracht. Nur durch eigene Blödheit.
 

Sie starren sich an. Keiner von ihnen wagt es auch nur zu blinzeln.
 

Stupefy, denkt Sirius wütend. Expelliarmus. Petrificus Totalus.

Es wäre so leicht. So leicht.

Ein Wort nur, eine rasche Bewegung aus dem Handgelenk. Und sein Bruder ist sein Gefangener. Ein Gefangener des Ordens.

Die Schreie sind zu einem Hintergrundgeräusch mutiert. Blut rauscht in seinen Ohren. Eine Grille zirpt. Ein Windhauch lässt die Äste erbeben.

Verurteilung, Azkaban, Todesser.

Keine Verteidigung. Kein Freispruch.
 

Aber er bewegt sich nicht, er kann nicht, und Regulus bewegt sich ebenfalls nicht.

Einzelne Blättchen, in rotgoldenen Gryffindor-Farben, segeln zwischen ihnen zu Boden. Sie sind gefangen in einer Glaskugel aus zu viel Vergangenheit und zu wenig Zukunft, aus zu vielen Fehlentscheidungen und zu wenig Hoffnung.
 

Mach schon, denkt er.

Mach schon.
 

Einer muss zuerst schießen.

Alles was danach kommt, ist Notwehr.

Zum ersten Mal kommt Sirius der Gedanke, dass sein Bruder trotz aller großspurigen Worte auch nicht der Erste sein will.
 

Eine Stimme schreit seinen Namen. Die Seifenblase zerplatzt.

Es ist James. Ausgerechnet James. Er bricht aus dem Geäst hervor, groß und trampelig wie sein Patronus, und er schmeißt sich todesmutig direkt vor Sirius, wie der Ritter, der er insgeheim immer sein wollte. „Rictusempra!
 

Aber Regulus ist schnell, viel schneller als der Fluch, und er weicht mit der knochenlosen Geschmeidigkeit einer Schlange zur Seite. Der Fluch zischt haarscharf an ihm vorbei, seine Haare flattern im Wind und er wirft James einen Blick zu, der mehr genervt ist als alles andere. „Lern richtig Zielen, Potter“, sagt er, Stab erhoben, Mund schmal und grimmig, ein echter Black.

Ein Todesser.

Seine Stimme ist so tief. Sirius hat sich noch nicht daran gewöhnt wie rau und tief seine Stimme geworden ist.
 

„Hey!“, stößt James empört hervor.

Als er sieht, wer sein Gegner ist, lässt er überrascht den Stab sinken, lebensmüder, herzensguter Idiot, der er ist. Als ob er sich nicht vorstellen kann, dass jemand, der ein bisschen aussieht wie Sirius ihm jemals wehtun würde. (Dieser Idiot.) „Ich kann hervorragend zielen!“
 

Sirius ist weder herzensgut noch lebensmüde. Er packt James am Arm, zerrt ihn neben sich, ohne dabei den Blick (oder den Zauberstab) von seinem Bruder abzuwenden.

Wenn du ihm wehtust, bring ich dich um, denkt er mit plötzlicher Klarheit und vielleicht kann man das in seinem Gesicht ablesen. (Oder vielleicht kann Regulus es tatsächlich lesen. Sirius letzter Stand ist, dass Walburga Legilimentik-Training sehr ernstnimmt. Todernst.)
 

Regulus zögert. Eine namenlose Emotion zuckt über sein Gesicht, höhnisch schmerzhaft kalt, bis es wieder vollkommen unbewegt wird. Ein tiefer, dunkler See, auf dessen Grund man nicht sehen kann.

Sehr langsam und vorsätzlich lässt er den Stab wieder sinken.
 

Er schweigt und wartet.
 

„James? Sirius!“ Äste knacken unter heraneilenden Schritten. Stimmen rufen aus der Ferne ihre Namen.
 

Regulus Augen flackern zur Seite und wieder zurück zu Sirius. Er wartet noch immer.

Auf ein Zeichen? Auf eine Entscheidung?
 

Und vielleicht hat Sirius von Anfang an gewusst, dass es nur eine Art gibt, wie das hier enden wird.

Er atmet aus und lässt den Stab sinken. Er schließt die Augen. Einen Wimpernschlag lang hört er nichts als das Rauschen der Blätter und James beschleunigten Atem neben sich.

Verschwinde.

Verschwinde.
 

Als er die Augen wieder öffnet, ist die Stelle, an der eben noch sein kleiner Bruder stand, leer. Als wäre dort nie etwas gewesen. Nichts bleibt zurück von ihm, kein Haar, kein Schatten. Zwei einzelne Blätter segeln vor seinem Gesicht zu Boden, eins grün, eins rot. Und nein, die beschissene Symbolik entgeht ihm nicht, sie bohrt sich wie ein Splitter unter seine Haut.
 

„Merlins Eier“, murmelt James und dreht sich überrascht im Kreis, als zweifle er an seinen Augen. „Man, dein kleiner Bruder war ja schon beim Quidditch verdammt schnell… Alles okay bei dir?“
 

„Bist du verrückt geworden?“ brüllt Sirius. Adrenalin pumpt durch seine Adern und seine Hände zittern. Er ist wütend, so unglaublich wütend, auf sich, auf Regulus, auf alles, und es muss irgendwo hin und James ist das einzige Ziel. „Wieso wirfst du dich vor einen Todesser, du unglaublicher Troll?!“
 

„Ich dachte, du bist in Gefahr. Ich dachte, du wirst attackiert von einem Dutzend Todesser.“
 

„Wieso wirfst du dich dann dazwischen?!“
 

„Ich dachte, du bist in Gefahr“, wiederholt James sehr geduldig. „Ich wusste ja nicht, dass es Baby Black ist.“
 

Baby Black…?“ Sirius hebt die Arme. Er wie gar nicht, was er dazu sagen soll. „Der Kitzelfluch, James? Wirklich? DAS war deine Verteidigung?“
 

James zuckt mit den Schultern. „Sehr wirksam, wenn man ihn richtig einsetzt. Außerdem war es ja auch nur dein…“
 

„Sag es NICHT!

Er wendet sich ab, damit James sein Gesicht nicht sehen kann.
 

Er kann das verfluchte Wort nicht ertragen.

Er hat ihn laufen lassen. Er hat ihn laufen lassen, weil er Feigling ist, ein solcher Feigling. Er hat ihn laufen lassen, weil die Erinnerung, wie Regulus nach einem Alptraum in sein Bett kriecht und sich an ihn kuschelt, jedes Bisschen gesunden Menschenverstand in ihm ausgelöscht hat. Er ist ein Wurm.

Ein Schwächling. Er verdient es nicht jemals nach Gryffindor sortiert worden zu sein.

Wie sollen sie diesen Krieg jemals gewinnen, wenn Sirius nicht es nicht mal hinkriegt einen einzelnen Todesser zu besiegen?

Wie sollen sie diesen Krieg jemals gewinnen, wenn Sirius nicht einmal James beschützen kann?
 

„Tatze…“, sagt James leise. Aber was immer er sagen will, er kommt nicht dazu, und das ist vielleicht auch gut so, denn Sirius könnte es nicht ertragen, wenn er jetzt lieb zu ihm ist.
 

„James! Sirius!“ ruft eine Stimme.
 

„Wir sind hier!“ antwortet James.
 

Es sind Remus und Marlene. „Sie ziehen sich zurück!“ keucht sie. Ihre Wangen sind hochrot und hält sich mit einer Hand den linken Arm, der schlapp herunterhängt.
 

Remus, den Zauberstab immer noch wachsam erhoben, gravitiert sofort zu James und Sirius. „Alles in Ordnung?“
 

„Wir haben nichts abgekriegt…“ Sirius unterbricht sich selbst. Scharf atmet er ein. „…Lily!“
 

Ohne abzuwarten stürzt er an den anderen vorbei, sprintet durch das hohe Gras, wirbelt panisch umher, wo ist sie, wo ist sie? und wirft sich mit Anlauf neben Lilys starrer Gestalt zu Boden.

Ist sie…? Hat er? Der Gedanke, dass er ihr doch mehr angetan hat, krallt sich mit Widerhaken in seinem Gehirn fest und er bekommt erst wieder Luft, als er sieht wie ihre Augen sich bewegen und sofort in seine Richtung blicken.
 

„Was ist passiert?“ James folgt ihm. Sobald er Lily in dem hohen Gras liegen sieht, steif und leblos, gibt er ein Geräusch von sich, was Sirius durch Mark und Bein geht, und wirft sich neben ihr auf die Knie. „LILY! Ist sie…?“
 

„Nein. Nein!“ Er bewegt seinen Zauberstab über ihr, aber seine Finger zittern so sehr, dass Remus, der neben ihn getreten ist, es für ihn übernimmt. „Finite Incantatem!
 

Sei okay! Sei okay! Bitte lass sie okay sein! Heiliger Merlin.
 

Sie ist okay.

„SCHEISSE!“ ist das erste Wort, was aus ihr herausplatzt.

Abrupt setzt sie sich auf. Ihre langen, roten Haare wirbeln herum, als sie sich umblickt. Ein Schwall an Flüchen folgt. „Wo ist er? Wer war das? Habt ihr ihn gesehen? Habt ihr ihn geschnappt? Godrics Eier! Wie eine Anfängerin…! Ich fass es nicht, dass…“
 

Weiter kommt sie nicht, denn James schlingt die Arme um sie und drückt sie an sich, Marlene schluchzt vor Erleichterung.

Sirius lässt sich rücklings in das weiche Gras zurücksinken. Grüngoldene Baumkronen wirbeln schwindelerregend über ihm.
 

Er hat sie nicht getötet.

Er hat sie nicht getötet.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel existiert bereits in der Rohform und kommt vermutlich demnächst. :D Komplett anzeigen

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