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Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

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Izara

Sie hatte gar nicht gemerkt, wie ihr langsam die Augen zugefallen waren. Erst als die Dunstwolken des Himmelsdrachen ihren Nacken streiften und den geöffneten Zopf hin und her schwenken ließen, bis er schließlich auf Izaras Nase landete und ein lautes, quietschendes Niesen verursachten, dass sie plötzlich mit aufgerissenen Augen durch das Zimmer blickte, bemerkte sie, dass sie wohl eingeschlafen sein musste.

"Was-?!", stieß sie aus und presste die Hände auf den Mund. Der Himmelsdrache schlief. Friedlich hauchte er ihr seinen Atem entgegen, dass sie ein weiteres Niesen zurückhalten musste. Vorsichtig richtete sich Izara auf. Sie hatte an seinem Kinn gelehnt, der Drache hatte Izara einmal komplett mit seinem Körper eingewickelt, dass es irgendetwas zwischen Umarmung, Erdrosseln und Nestbau war. Mollig warm war es inmitten dieser schlummernden Kreatur. Das Bild wirkte so beruhigend auf sie, dass Izara nicht anders konnte als ihre Fingerspitzen über die Schuppen seines Gesichtes fahren zu lassen. Wer weiß, ob sie ihn jemals wieder berühren durfte. Schwer wurde es ihr ums Herz. Die Realität rückte mit jeder Sekunde, in der sie wacher wurde, näher. Die unerwiderten Gefühle drückten sich ihr auf, ganz gleich, was Sila ihr gesagt hatte, Izara konnte sich nicht mehr den stillen, verhängnisvollen Hoffnungen hingeben. Noch ein weiteres Mal mit gebrochenem Herzen vor dem König stehen, würde sie nicht ertragen. Denn genau das was es, was ihr die Luft zum Atmen raubte. Ein gebrochenes Herz. Ob sie nun wollte oder nicht.

Die Arme gesenkt, befreite sie sich aus seinem Klammergriff. Izara dachte an all die Geschichten von Drachen, die Jungfrauen verschleppten und ihre Schätze in Höhlen horteten. Weit verbreitete Legenden, die den ganzen Kontinent mit falschen Vorstellungen und trügerischem Hass verseucht hatten. Würden die Menschen nicht nur sehen, was sie hörten, wäre den Drachen viel Leid erspart geblieben. Drachen hüteten viel, aber was als kostbare Besitz- und Reichtümer durch die Landen verbreitet wurde, war in Wirklichkeit etwas viel viel kostbareres als Gold und Juwelen. Die Reichtümer waren ihre Eier. Die Jungfrauen wahrscheinlich ihre Gefährtinnen - kurz vor ihrer Erweckung. Die einzig wahren Schätze des Drachenvolkes.
 

Der Drache zuckte mit den Vorderbeinen, bevor er Izara aus seiner Umarmung ließ. Seine Augen blieben geschlossen, und Izara wünschte, sie selbst könnte noch ein wenig die Lider senken. Der Gedanke, dass er sie die ganze Nacht nicht losgelassen hatte, tat gut, selbst wenn es nur seine einfachste Drachengestalt war, die sie umschlungen hielt, hatte der Himmelsdrache ihr Wärme und Zuneigung gespendet. Ein wenig züngelte die Flamme der Hoffnung, Izara musste sich regelrecht dazu zwingen, die Beine in die Hand zu nehmen. Dem König schien es besser zu gehen, und wer weiß, wie lange es dauerte, bis er Izara erkannte. Die Wunde war gut verheilt, erstaunlich, zu was ein Drachenkörper imstande war, wenn er sich nur auf sich selbst konzentrierte.

Izara ballte die Hände zur Faust. Zu verführerisch war es, ihm über die ebenmäßigen Schuppen zu fahren, die blauen Linien mit den Fingern nachzuzeichnen, die warme, feuchte Haut auf der Hand zu spüren.

"Genug", murmelte sie und kletterte über die Hinterbeine des Drachenkönigs. Kurz schienen die Lider zu zucken, doch der Himmelsdrache hauchte ihr weiterhin seinen ruhigen Atem entgegen, während sich der große, wuchtige Körper in regelmäßigen Abständen hob und senkte.

Auf Samtpfoten schlich Izara zur Tür. Auf der anderen Seite wäre sie fast mit dem Bergdrachen zusammen gerempelt.

"Kyia?!", rief Izara überrascht aus. Die Leibwächterin lehnte an der Wand, direkt neben der Tür. Die Beine überkreuzt und die Arme über der Brust verschränkt, war sie mindestens so breit wie Izaras Kleiderschrank und nahm ein großes Stück der Tür ein.

"Guten Morgen, Prinzessin", grummelte der Bergdrache. Eine Mischung aus Neugier und Ärger schlich sich in ihre Stimme.

"Ich hatte nicht mit dir gerechnet", gab Izara zu und entwirrte ihren zerstörten Zopf, dass die Haare ebenmäßig über ihren Rücken fielen. Sie wartete bereits auf die Schelte, die sorgenvolle Standpauke, mit der Kyia sie seit Tagen bombardierte. Doch Kyia seufzte nur.

"Schichtwechsel", sagte sie stattdessen und schloss für mehr als einen Wimpernschlag die Augen.

"Und Trias?"

"Der rauchende Holzkopf brauchte auch einmal eine Pause", sagte sie sanfter, als Izara es erwartet hätte. Mit einem Schulterzucken deutete Kyia auf die Tür.

"Keine Ahnung, wann dieser sture Esel das letzte Mal geschlafen hat. Aber es war bitter nötig."

"Trias macht sich große Sorgen um seinen König", Izara ließ die Schultern hängen. Dass sie dem Volan vorgeworfen hatte, den König in Stich gelassen zu haben, war nicht richtig gewesen. Natürlich tat Trias alles in seiner Macht stehende, um dem König zur Seite zu stehen und dass er selbst nicht viel unternehmen konnte, setzte ihm wohl mindestens so viel zu wie Izara.

"Und Ihr?", fragte Kyia und riss Izara aus ihren Strudel aus Schuldgefühlen.

Izara wappnete sich und blickte entschuldigend zu ihrer Leibwächterin hinauf. "Ich musste das tun."

"Ich weiß", wieder seufzte der Bergdrache.

"Es ist nichts passiert", schwor Izara, "der König - er hat…", Izara schüttelte den Kopf, "er würde mir nie etwas tun." Seltsam, wie einfach die Worte ihren Mund verlassen konnten. Sie war sich einer Sache noch nie so sicher gewesen.  

"Es war trotz allem gefährlich, Prinzessin", sagte Kyia und richtete sich auf, "Ihr hättet ernsthaft verletzt werden können. Besonders nach den Ereignissen. Ihr seid noch nicht soweit, es mit einem Himmelsdrachen aufzunehmen…dachte ich zumindest", Kyia runzelte die Stirn. "Egal, wie Ihr das angestellt habt, es ist ein Wunder, dass er Euch nicht aufgefressen hat."

Geschockt starrte Izara ihre Leibwächterin an. "Er hätte doch nicht…ich meine…"

Allein die Vorstellung war so absurd schockierend-

"Schon gut", Kyias Mundwinkel zuckten, "das war nur ein Scherz."

"Ein Scherz?!", rief Izara noch völlig aufgebracht, "das mit den Witzen musst du eindeutig noch üben." Langsam beruhigte sich ihr Herzschlag. Der trockene Humor des Bergdrachen hatte ihr Blut um ein dreifaches schneller fließen lassen. Eindeutig zu schnell für diesen Morgen.

"Was habt Ihr jetzt vor?", fragte Kyia, die Izaras zerknirschten Gesichtsausdruck gesehen hatte.

"Erst einmal", antwortete Izara gedehnt, "werde ich mir ein Bad gönnen." Nach zwei Tagen hatte sie das Gefühl, von ihrem eigenen Duft umnebelt zu sein. Die blutverschmierten Kleider und Bandagen waren auch keine große Hilfe.

"Soll ich Eure Zofe schicken lassen?"

"Nicht nötig", winkte Izara ab, "wenn du sie siehst, sag ihr, dass ich sie in den nächsten Tagen sprechen möchte." Izara hatte so einiges vor, wofür sie die Hilfe ihrer Bediensteten brauchen könnte. Sie hatte Pläne, jetzt, wo sie sich ihrer Pflichten bewusst war, musste sich einiges ändern.

"Ich werde es ausrichten." Kyia nickte. Mit einem Lächeln verabschiedete sich Izara und spazierte durch die bekannten Flure des Palastes. Wachen beäugten die Himmelsgöttin, bevor diese ihre Blicke erwiderte. Augenblicklich schnellten die Köpfe nach unten. Ihren Respekt hatten sie Izara von Anfang entgegengebracht, aber heute fühlte er sich zum ersten Mal…richtig an.

"Prinzessin", kam es aus allen Richtungen. Die Ereignisse in der Schlucht hatten sich herumgesprochen, Izara brauchte keine telepathischen Fähigkeiten, um zu wissen, dass sie die Prinzessin in einem völlig neuen Licht sahen. Besonders die Weibchen. Allesamt waren sie auf die Knie gegangen, als Izara die Vorhalle betrat. Stumm neigten sie ihre Häupter. All den Dank verdiente Izara gar nicht, sie hatte helfen wollen, sonst nichts. Wenn sie daran dachte, was geschehen wäre, hätte Izara ihr Blut viel früher akzeptiert, wie viele Leben wären dadurch verschont geblieben?

In den Badeanstalten dachte sie lange darüber nach. Sie begoss sich mit kaltem Wasser und tauchte dann in die heißen Quellen des Beckens ein.

Zunächst musste sie lernen, ihre Kräfte zu kontrollieren. Für diese Aufgabe wäre wohl Kyia am besten geeignet und sobald sie Izaras Gesundheitszustand für gut befand, würde Izara das Thema ansprechen.

Aus dem Wasser gestiegen, rubbelte sie ihre Haare mit einem flauschigen Handtuch trocken und band sie sich zu einem geflochtenen Zopf. Es sah nicht ganz so professionell wie bei Sila aus, aber für den Morgen sollte es genügen. Aus dem Wassers lächelte sie ihr Spiegelbild an. Ein zaghaftes Lächeln, wie eine Blume kurz vor ihrer Blüte. Sie würde ihr Bestes geben, um eine würdige Himmelsgöttin zu sein. Das war sie den anderen schuldig - und sich selbst.
 

*
 

Zurück im Flur, überlegte Izara, ob sie vor ihrer Mahlzeit den Garten aufsuchen sollte. Eigentlich würde sie ja viel lieber in der Schlucht nach dem Rechten sehen, aber die Brutzeit neigte sich dem Ende und sie wollte den Eiern ihre letzten Ruhetage gönnen.

Und dann gab es ja noch Izaras Kräfte, die für eine Menge Aufsehen gesorgt hatten. Die Neugier der Dienerschaft war greifbar, sie fürchtete einen Ansturm an Fragen, von denen die wenigsten Izara beantworten könnte. Bereits auf den Gängen hatte sie mit den fragenden Blicken der Soldaten zu kämpfen. Mit der Neugier und stillen Hoffnung, die mit Izaras Handeln unweigerlich einhergingen. Dass sie bisher geschwiegen hatten, verdankte sie ihrem besonderen Status, doch sie wusste, dieser würde nicht ewig halten. Zügig durchquerte sie den Flügel, vorbei an der Vorhalle mit der großen Glaskuppel, die einen wunderschönen Spätsommertag prognostizierte.

Spontan entschied sie, die Schlossgärten anzusteuern. Ein kleiner Ausflug in einem mit Moos gebetteten Miniaturwald konnte nicht schaden und wenn sie schon einmal dort wäre, würde sich Izara über die dortigen Heilkräuter erkundigen. Das Palasttor, nur wenige Schritte von ihr entfernt, ließ sie innehalten. Die kleine Gruppe, bestehend aus drei hünenhaften Drachen (inklusive Trias, der doch eigentlich im Bett liegen sollte) stand direkt vor den eisernen Toren und unterhielt sich leise. Der Volan hatte sich vor ein etwas kleineres, blondes Männchen gestellt, die Stimmen waren gedämpft, selbst wenn Izara gewollt hätte, aus dieser Entfernung hätte sie keinen Mucks vernommen. Doch Izara interessierte nicht das Gespräch. Ungläubig blinzelte sie. Unmöglich… Sie träumte gerade - oder? Aber der grünäugige Blitzdrache war auch nach zwei, drei weiteren Wimpernschlägen noch immer neben Trias. Wumm, machte ihr Herz einen derart heftigen Satz, dass sein Nachhall lange in ihrem Innersten zu spüren war.

"Solar!"



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