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Drachenjagd

Die Himmelsgöttin
von

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Izara

Devons Schritte waren zielstrebig und unweigerlich fragte sich Izara, ob genau hier der Ort war, an dem er geboren worden war. Die kleine Siedlung, in der Drachen von Kriegern und Soldaten aufgezogen wurden, direkt vor den wachsamen Blicken der Himmelsgöttin. Sofort glaubte sie, einen vertrauten, süßen Geruch wahrzunehmen. Izara stellte sich vor, wie Drachenkinder über die Wiese tippelten, zwischen die Beine ihrer Eltern kletterten und auf Bäume sprangen. Ihre ersten Flugversuche wagten, wie Vögel, die Pflüge geworden waren. Hatten die Drachen in Zelten gewohnt, wie Soldaten, die ihre Lager aufschlugen? Izara war neugierig, aber Devon lief vor ihr und sie glaubte nicht, dass er Lust hatte, einen Plausch über alte Zeitenabzuhalten.

Izara entschied sich, schneller zu werden. Der Abstand behagte ihr nicht, diese fremde Umgebung ohne Devon, fühlte sich nicht richtig an. Sie hatte ihn eingeholt, als der Wald ein abruptes Ende fand. Der Hain lag weit hinter ihnen. Das zu Izaras Füßen war kein verlassener Fleck natürlichen Ursprungs. Ihr Atem setzte aus. Sie hatte an eine Gedenkstätte gedacht oder vielleicht an einen Stein inmitten des Waldes. Wenn die Natur einfach ihren Lauf genommen hätte - das hätte Izara verstanden.

Fünfzig Jahre lag die Zerstörung Logias zurück, doch hier hatte sich nichts verändert. Die Trümmer der Stadt hatten Hügel und Berge aus Schutt und Asche geschaffen. Das, was nicht vom Feuer vollständig verschluckt worden war, stapelte sich zu mehreren Haufen. Izara unterdrückte den Schmerz, der wie eine Lawine auf sie zu stürmte. Vorsichtig schaute sie zu Devon herüber, dessen Blick kalt und leblos war.

"Warum?", hauchte Izara verzweifelt.

"Nachdem alles niedergebrannt worden war, hat der Medanische König das Land für sich beansprucht. Sie konnten nicht wissen, dass dieser Ort unfruchtbar würde, sobald es keine Himmelsgöttin gibt, die ihn nährt. Als es ihnen klar wurde, haben sie es aufgegeben und haben das zurückgelassen."

"Die Himmelsgöttin hat den Boden fruchtbar gemacht?" Sie sah zu den kahlen Stellen, den Orten, die nicht von Überresten einer Drachenstadt erdrückt worden waren. Keine Pflanze, kein Grashalm, nicht einmal Unkraut ließ sich hier nieder.

"Es gibt viele Arten der Regeneration", antwortete Devon, "und die besondere Fähigkeit einer Himmelsgöttin ist es, der Natur Leben zu schenken. Logia war über ein Jahrttausend im Besitz der Himmelsgöttinnen. Es würde mich nicht wundern, wenn ihre Magie noch immer in den Wäldern nachhallt und das hier erst der Anfang eines Waldsterbens ist."

"Was ist mit ihr passiert?" Feodora, hauchte ihr jemand den Namen zu. Izara lief es eiskalt den Rücken herunter.

Devon zog die Stirn kraus.

"Sag' es mir bitte." Sie erwiderte seinen Blick. Schließlich gab er nach - wenn es ihm auch nicht zu behagen schien.

Devon deutete auf einen der Trümmerberge.

"Die Königin befand sich auf dem höchsten Punkt des Palastes. Ihre Sicherheit übertraf den Schutz in Dragor um Weitem. Es gab fünf Tore, die der Feind durchbrechen musste. Fünf Vorhöfe, bevor das letzte Tor in den Palast führte. Fünfhundert Drachen bewachten den Eingang der Königin. Schwer bewaffnete, ausgebildete Krieger, die nur dazu geboren worden waren, die Himmelsgöttin mit ihrem Leben zu beschützen."

In seinen Augen spiegelte sich die unausweichliche Wahrheit wider.

"Sie haben sie alle abgemetzelt. Fünfhundert Paladine und fünftausend Medanische Soldaten haben die Mauern gesprengt, die neun Jahrhunderte Geschichte trugen. Innerhalb von achtundvierzig Stunden war Logia ausgelöscht worden. Der Großmeister persönlich hat sich um die Königin gekümmert. Damals war er noch kein Großmeister, aber danach sollte er es werden. Er hat der Himmelsgöttin das Herz herausgerissen, dann hat er die Königin auf einen Pfahl aufgespießt und in die Mitte des Platzes gestellt."

Sie merkte, wie Übelkeit in ihr aufsteigen wollte. Die Widerwärtigkeit und Perversion dieser Tat waren kaum zu überbieten. Izara presste die Lippen zusammen. Hatte der Großmeister deshalb dieses Massaker verrichtet, um einen Himmelsdrachen aus der Reserve zu locken? Eine Stadt dem Erdboden gleich machen, seine Bewohner töten, um sich dann als Retter der Menschheit aufzuspielen? Um was genau ging es diesem Mann nur?!

"Es tut mir so leid, Devon", sagte Izara. Als Mensch fühlte sie sich schuldig. Zum ersten Mal verabscheute sie die Seite an ihr, die ihr immer ein Gefühl von heiler Welt und Normalität gegeben hatte. Doch das hier war nicht normal.

"Dieselben Worte habe ich mir auch immer wieder sagen müssen", entgegnete Devon und schaute in den düsteren Himmel.

"Als die Nachricht über einen Angriff auf Logia eintraf, war es bereits zu spät. Die Stadt hat gebrannt, von den Drachen blieben nur die Todesschreie zurück."

"Niemand hat überlebt?", Izara wusste, wie unnötig die Frage war und biss sich auf die Lippen.

"Doch", ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, "Kyia und Sila zum Beispiel."

"Die beiden waren auch-", Izara stockte der Atem.

"Kyia war die erste Leibwächterin der Königin. Sie hat die Himmelsgöttin bis aufs Blut verteidigt, und sie wäre auch für sie gestorben, wenn sie vorher nicht ohnmächtig geworden wäre."

Devon machte ein paar Schritte nach vorne. In jedem Schritt war der Unmut spürbar. "Ich fand Kyia unter den Trümmern des Palastes. Man muss sie wohl für tot gehalten haben." Er hob einen Stein auf, betrachtete die scharfen Kanten. "Ein Bergdrache kann nicht nur so hart wie Stein sein. Er kann auch zu Stein werden. Das war ihre Rettung."

"Und Sila?", wollte Izara wissen.

"Sie war eine Bewohnerin auf Zeit. Ein Weibchen, wie du es vielleicht sagen würdest. In Logia blieben viele Weibchen, um ihre Kinder auf die Welt zu bringen. Das, was du in der Schlucht im Palast gesehen hast, hat es hier zuhauf gegeben."

"Dann hat Sila schon einmal ihre Eier verloren", die Übelkeit war kaum aufzuhalten.

"Und ihren Gefährten", fügte Devon mit tiefer Stimme hinzu. Izara schüttelte sich. Kein Wunder, dass Sila so sehr auf die Sicherheit der Eier beharrt hatte. Den Schmerz, den die Lòng gleich zweimal ertragen musste, war unvorstellbar. Izara konnte nicht mehr. Alles begann sich zu drehen und in letzter Sekunde wandte sie sich von Devon ab und würgte - sinnlos. Ihr Innerstes war leer. Es war ihr weniger peinlich, als dass sie die Heftigkeit ihrer Gefühle überrumpelte. Sie spürte eine warme Hand auf ihrer Schulter. Als Izara auf dem Boden hockte, hielt Devon ihre Haare fest und stützte mit der anderen Hand ihren wackeligen Oberkörper.

"Geht schon wieder", murmelte Izara, die von Devon das Fläschchen mit Wasser hingehalten bekommen hatte. Es war nicht viel, doch es reichte, um wieder auf die Beine zu kommen.

"Wir sollten gehen", meinte Devon. Er sah besorgt aus, seine Augenbrauen zogen sich zusammen, während er Izaras weißes Gesicht betrachtete. Er bereute, das konnte sie förmlich spüren.

"Warte noch!", sie drückte eine Hand auf seine Brust. Skeptisch sah er zu ihr hinunter.

"Nur noch einen Moment, ich bitte dich. Es wird nicht lange dauern." Sie flehte ihn geradezu an. Die Stirn in Furchen geschlagen, nickte er. Dann machte sich Izara auf den Weg. Etwas unbeholfen, weil sich ihre Gliedmaßen noch etwas weich anfühlten. Langsam beruhigte sich ihr Körper. Sie bestieg Steine, die einst einem Haus gehört haben mussten, kletterte über Berge aus Verkohltem und Verbranntem. Blut gab es keines mehr. Das hatte die Zeit längst fort gespült. Auf dem höchsten Punkt blieb sie stehen. Scherben von Marmor und Mosaik lagen zu ihren Füßen. Izara bückte sich. Hob zwei Teile einer Scheibe auf. Die Teile zusammengefügt, erkannte Izara eine Sonne. Eine Weile betrachtete sie das zerkratzte Bildnis. So durfte es nicht enden. Sie legte die Scherben zurück auf den Boden. Eines Tages würde sie wiederkommen und sie würde die Versäumnisse ihrer Vorfahren nachholen.

Das war ein Versprechen an sich selbst.



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