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Love against all Reason

Liebe gegen jede Vernunft
von
Koautoren:  Linchen-86  Khaleesi26

Vorwort zu diesem Kapitel:
Heute geht es weiter.

Wir wünsche euch einen schönen vierten Advent und ein frohes Weihnachtsfest. Habt alle ein paar schöne Tage und genießt die Zeit mit euren Liebsten.

Liebe Grüße... Komplett anzeigen

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Kapitel 26

Mimi
 

Seit zwei Stunden habe ich es aufgegeben, mir die Namen der Leute merken zu wollen, die mir im Fünf-Minuten-Takt vorgestellt werden. Sie sehen alle gleich aus, stellen dieselben, langweiligen Fragen, tragen alle denselben, langweiligen Smoking.

Wie gerne würde ich grad einfach mal eine Pause machen und zu meinen Eltern gehen. Ich freue mich, dass sie dabei sind, aber was bringt es mir, wenn ich gar keine Gelegenheit habe, mit ihnen zu sprechen?

Okay. Einfach durchhalten. Irgendwann muss ich ja wohl mal alle 300 Gäste durch haben, oder?

„Mr. Jaxon, darf ich Ihnen meinen Sohn und seine reizende Verlobte vorstellen?“, wiederholt Dr. Kido zum gefühlt hundertsten Mal seine Ansprache, während ich mich verbeuge und lächle. Ich habe das Gefühl, mein Lächeln ist mittlerweile eingefroren. Ich hätte nie gedacht, dass es derart anstrengend ist, so in der Öffentlichkeit zu stehen.

Wir fangen dasselbe langweilige Gespräch an, was wir schon zuvor mit zig anderen Leuten geführt haben, während Joe die ganze Zeit über meine Hand hält. Ich bin gerade dabei, Joe zuzuhören, wie er sich angeblich unsterblich in mich verliebt hat, als mir jemand von hinten auf die Schulter tippt.

Ich drehe mich leicht um. Es ist Sally, die mich angrinst.

„Nicht jetzt, Sally“, zische ich leise, weil ich auf keinen Fall unhöflich gegenüber diesem … äh, keine Ahnung, was er noch mal war … ein Politiker? Ein Arzt? Der Bürgermeister? Oh man, ich sehe nicht mehr durch.

„Ich dachte, du könntest eine kleine Ablenkung gebrauchen“, flüstert Sally an meinem Ohr.

Zu gern, aber ich komme hier ja leider nicht weg. Außerdem …

„Geh zu Tai, wenn du Ablenkung brauchst“, sage ich zickiger als beabsichtigt, aber irgendwie bin ich doch immer noch gekränkt, dass sie die letzte Nacht mit ihm verbracht hat.

„Ach, Tai“, murmelt Sally in einem Ton, als wäre er längst Schnee von gestern. Typisch. Ein Mal abgeschleppt und schon wird er ihr langweilig. „Der steht nicht auf mich und ich jetzt auch nicht mehr auf ihn. Du hättest mir ruhig sagen können, dass er tabu für mich ist, weil du …“

Ach. Du. Scheiße!

„Sally“, fahre ich sie zischend an. „Halt den Mund!“

Joe sieht mich fragend von der Seite an, woraufhin ich unsicher kichere.

„Tut mir leid, Liebster. Ein kleiner Notfall. Wenn ihr mich kurz entschuldigen würdet?“ Ich verneige mich besonders tief vor den Herrschaften, die mich alle eigenartig ansehen und schnappe mir dann Sally. „Komm mit!“

Ich nehme sie an der Hand und gehe mit ihr raus auf die Dachterrasse. Selbst hier tummeln sich inzwischen allerhand Leute und Fotografen. Verdammt! Wieso kann man hier nicht mal irgendwo ungestört reden?

Ich ziehe sie wieder weg von der Dachterrasse, was Sally wohl ziemlich witzig findet.

„Kannst du dich mal entscheiden?“, kichert sie, aber ich habe keine Zeit für so etwas.

Ich beschließe, den einzigen Ort anzusteuern, der mir einfällt – die Damentoilette.

Wir müssen mehrere Treppen nach oben, doch je höher wir steigen, desto weniger Leute treffen wir an. In der Damentoilette lasse ich Sally’s Hand endlich los und stoße dann jede einzelne Kabinentür auf, um mich zu vergewissern, dass wir alleine sind. Als ich niemanden entdecken kann, atme ich auf.

„Man Mimi, du kommst mir vor wie eine Geheimagentin“, scherzt Sally, aber ich verschränke nur die Arme vor der Brust.

„Ich habe keine Zeit für Witze. Also, rede weiter.“

„Wie bitte?“

„Du wolltest eben etwas sagen, über Tai und dich und mich. Hier kannst du sprechen. Es hört uns keiner zu.“

„So ist das also?“, fragt Sally und kommt ein paar Schritte auf mich zu. Dabei mustert sie mich auffallend. „Niemand darf es erfahren?“

Ich hebe das Kinn deutlich an. „Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.“

Ein Grinsen zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab. „Das von euch beiden.“

Was soll das? Will sie mich provozieren?

„Es gibt kein >uns beide<. Tai und ich sind nur …“

„Ich habe nicht gesagt, dass es um ihn geht.“

Mist. Wütend beiße ich mir auf die Zunge.

Als ich nichts sage, stößt Sally ein kurzes Lachen aus. „Entschuldige, was wolltest du sagen? Dass ihr nur Freunde seid? Ist es das?“

Freunde? Nachdem, was er letzte Nacht mit ihr in seinem Hotelzimmer getrieben hat?

„Freunde, so weit würde ich nicht gehen. Er ist Joe’s Assistent. Mehr nicht. Keine Ahnung, was du da glaubst, gesehen zu haben, aber du kannst ihn haben. Ehrlich. Es interessiert mich nicht. Vögelt von mir aus so viel rum wie ihr wollt, geht auf so viele Dates wie ihr wollt. Es ist mir egal.“

So. Gesagt ist gesagt. Das musste raus, denn ich kann die Vorstellung, wie Tai und Sally zusammen in einem Bett liegen leider nicht mehr ertragen.

Für mich ist das Gespräch beendet, also lasse ich sie stehen und gehe an ihr vorbei zur Tür, doch ehe ich die Klinke runter drücken kann, sagt Sally: „Weißt du eigentlich, wie er dich ansieht?“

Ich halte in meiner Bewegung inne und schlucke schwer.

„Er sieht dich an, als wärst du die einzige Frau im Raum. Egal, wie viele Menschen um ihn drum rum sind, er hat nur Augen für dich. Weil er hoffnungslos in dich verliebt ist. So, wie du in ihn.“

Bei diesen Worten fängt mein Herz an, schneller zu schlagen. Bis es sich schmerzhaft zusammenzieht.

„Hoffnungslos“, wiederhole ich Sallys Worte. Ich lege eine Hand an die Stirn und schüttle den Kopf, ehe ich mich zu ihr umdrehe.

„Hoffnungslos verliebt sagst du. Ja, das trifft es ziemlich gut.“

Nun sehe ich ihr Lächeln. Sie legt den Kopf schief und kommt auf mich zu.

„Mimi“, sagt sie und legt beide Hände an meine Arme, als wolle sie mich wachrütteln. „Warum hast du denn nichts gesagt? Ich hätte es doch verstanden, wirklich. Niemals hätte ich dich dafür verurteilt. Das Herz will, was es will, richtig?“

Es klingt so einfach, wenn sie es sagt. Als wäre gar nichts dabei. Und doch hängt so viel davon ab.

„Mein Herz nicht“, sage ich überzeugt. „Ich darf das nicht wollen. Siehst du das?“ Ich halte eine Hand in die Höhe und zeige auf meinen Verlobungsring. „Ich werde Joe heiraten.“

Plötzlich stößt Sally ein Lachen aus, weshalb ich sie perplex anschaue.

„Oh, bitte“, sagt sie. „Wer will denn den spießigen Arzt heiraten, wenn er die Sexbombe Tai haben kann?“

Sexbombe?

„Nicht witzig“, sage ich mit zusammengebissenen Zähnen und jetzt bemerkt es auch Sally.

„Versteh‘ schon“, sagt sie und senkt den Blick. „Aber, um mal eins klarzustellen: wir haben gar nicht miteinander geschlafen. Er hat den ganzen Abend nur von dir geredet und mich über dich ausgefragt. Selbst, als ich völlig betrunken und zu allem bereit auf seinem Bett lag, hat er mich nicht angerührt. Ernsthaft, wegen ihm bekomme ich noch Minderwertigkeitskomplexe.“

Fassungslos sehe ich meine Freundin an. Ist das wahr? Tai und sie haben nicht …?

„Also, glaub mir, wenn ich dir sage, dieser Typ hat nur Augen für dich. Und ich komme mir wie eine Idiotin vor, dass ich das nicht eher geschnallt habe. Es tut mir leid, Mimi.“

Oh, man. Womit habe ich das verdient? Ich war so dumm, dumm, dumm.

„Nein. Mir tut es leid. Ich hätte dir mehr vertrauen müssen.“

Sally nickt und ich sehe ihr sofort an, dass sie nicht böse deswegen ist, weil ich ihr nichts gesagt habe.

„Du kannst mir immer vertrauen.“

Wir fallen uns in die Arme und verharren für einen Moment so. Es tut so gut zu wissen, dass sie auf meiner Seite ist. Endlich konnte ich das erste mal ehrlich zu jemandem sein. Wie unfassbar erleichternd.

„Also, was willst du nun tun?“, fragt Sally mich, als wir unsere Umarmung lösen.

Unsicher zucke ich mit den Schultern. „Der Plan steht. Ich werde …“

„Joe heiraten. Ja, ja. Langweilig. Das ist nicht wirklich ein Happy End.“

„Es ist das einzige Happy End, dass ich kriege.“

Traurig, aber wahr.

Sally schüttelt entschieden den Kopf. „Auf keinen Fall. Das geht nicht.“

„Ach, Sally“, sage ich und schenke ihr ein trauriges Lächeln. Es ist ja süß von ihr, dass sie an die Liebe glaubt, aber ich tue das nicht und das weiß sie. Außerdem muss ich meine Familie retten. „Tai und ich werden keine Zukunft haben. Das weiß ich. Und er weiß es auch.“

„Bist du dir da sicher?“ Jetzt grinst sie schon wieder so, als wüsste sie etwas, dass ich nicht weiß.

Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe, während sie in die Hände klatscht.

„Ich habe einen Plan.“

Jetzt kommt’s. „Und der wäre?“

Sally grinst mich vielsagend an. Ich schlucke. Hätte ich doch nur nicht gefragt.

„Du musst unbedingt mit Tai sprechen.“

Ich lache auf. „Und wie soll ich das anstellen? Hier sind hunderte von Leute und die Fotografen und Reporter. Jemand könnte es bemerken. Im Hotel sind wir nie allein. Selbst im Flugzeug nicht.“

„Ach, Mimi“, meint Sally jedoch nur grinsend und hebt belehrend einen Zeigefinger in die Höhe. „Dabei ist es so einfach.“

Hat sie mir eben nicht zugehört?

„Glaub mir, nirgendwo kann man so unbemerkt verschwinden, wie in einer großen Menge. Man muss es nur richtig anstellen.“
 

Als ich nur wenige Minuten später zurück zur Feier komme, flattert mein Herz ganz aufgeregt. Sally hat recht, ich muss unbedingt mit Tai sprechen. Sofort suchen meine Augen nach ihm, aber ich kann ihn nirgendwo entdecken. Dafür kommt Joe geradewegs auf mich zu. „Mimi, wo warst du? Du hast was von einem Notfall gesagt.“ Oh, habe ich das?

Er greift besorgt nach meiner Hand. Herr Gott, warum muss er immer alles so wörtlich nehmen?

„Ja, ähm, ich war auf der Damentoilette, weil … weil …“

„Ach so, verstehe“, nickt er ganz verständnisvoll. „Wie ärgerlich, dass du ausgerechnet heute deine Periode kriegen musst.“

Meine Periode? Ja, na klar.

„Ja, tut mir leid, dass es etwas länger gedauert hat.“ Aber danke, für die Ausrede. Bei allem anderen hätte er sicher nachgebohrt.

„Möchtest du tanzen?“, fragt Joe gleich darauf und ich wünschte gerade wirklich, ich wäre einfach auf der Toilette geblieben.

„Ich …“

„Mimi?“ Mama! Die Rettung!

„Mimi, hast du kurz Zeit?“ Meine Mutter kommt auf uns zu und hat ihr schönstes Lächeln aufgelegt. „Joe, mein Lieber, ist es in Ordnung, wenn ich deine Verlobte für einen Moment entführe?“

Joe nickt verständnisvoll. „Aber natürlich, ihr hattet heute noch gar keine Zeit, miteinander zu reden. Mimi, bitte komm nachher zu mir, wenn du soweit bist. Ich möchte dir noch einige Leute vorstellen.“ Joe haucht mir einen Kuss auf die Hand und sofort sehe ich aus dem Seitenwinkel ein grelles Blitzlicht, was mir verrät, dass wieder jemand genau im richtigen Moment abgedrückt hat. Dann mischt er sich wieder unter die Gäste.

Meine Mutter hakt sich bei mir unter und wir gehen ein Stück über die festlich geschmückte Dachterrasse.

„Mimi, mein Schatz, du wirkst etwas verkrampft. Ist alles in Ordnung?“

„Ja, natürlich, es ist nur …“ Plötzlich stockt mein Atem, denn mein Blick trifft auf seinen. Tai. Er steht einige Meter entfernt und unterhält sich angeregt mit Sally und einigen anderen Gästen, die ich nicht kenne.

„Es ist nur …“ Ich kann den Blick nicht von ihm wenden. Und er nicht von mir. So ist es immer, wenn er mit im Raum ist. Es ist, als würde er mich anziehen. Wieso verspüre ich gerade den starken Drang zu ihm zu gehen und ihn zu umarmen?

„Mimi?“, reißt meine Mutter mich aus meinen Gedanken und endlich schaffe ich es, wegzusehen.

„Ja?“

„Mimi, ist alles in Ordnung?“ Sorge schwingt in ihrer Stimme mit.

Ich setze ein Lächeln auf. „Ja, es ist alles bestens, es ist …“ Ich seufze. „Nein, ist es nicht. Es ist schrecklich, Mama.“

Sofort zieht meine Mutter die Augenbrauen zusammen und sieht mich mitleidig an. „Fühlst du dich denn gar nicht wohl hier?“

Ich schüttle betreten den Kopf. „Das ist es nicht. Hier ist alles perfekt. Ich meine, sieh dich doch um.“ Ich lasse den Blick schweifen. Über die Gäste. Die vielen Lichter. Dem feinen Essen. Die schönen Kleider. „Hier ist alles, was sich ein Mädchen nur wünschen würde. Es ist die perfekte Feier, das perfekte Leben.“

„Aber nicht perfekt für dich“, ergänzt meine Mutter und ich nicke.

„Es tut mir leid. Ich fühle mich schlecht, weil es so aussieht, als wüsste ich das alles nicht zu schätzen. Ich weiß, dass es viele Frauen gibt, die sich genau das wünschen.“

Es ist so. Es fällt mir schwer, diese Worte auszusprechen. Aber seit ich mich Sally ein Stück weit anvertraut habe, weiß ich, dass ich denen, die ich liebe und die mich lieben, nichts vormachen muss. Das ist gar nicht nötig. Sie sehen auch so, wie es in mir drin aussieht.

Mama legt mir beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Ich verstehe. Ich habe es mir schon gedacht. Du hast dir eine schwere Bürde aufgehalst.“

„Wie meinst du das, du hast es dir gedacht?“

Meine Mutter lächelt wissend. „Denkst du, ich kenne meine eigene Tochter nicht?“

Ihr Gesichtsausdruck verrät mir bereits, dass sie es weiß. Sie weiß es. Und sie ist nicht sauer deswegen. Nicht mal enttäuscht. Stattdessen lächelt sie einfach nur.

„Ich habe gesehen, wie du Tai ansiehst. Und ich habe gesehen, wie du Joe ansiehst.“

„Es ist nicht so, dass ich ihn nicht mag. Joe ist, ich meine, er kann sehr nett sein. Und er ist höflich und aufopfernd und intelligent. Na ja, seine Vorzüge muss ich dir ja nicht aufzählen.“

Wir gehen noch ein Stück und spazieren einfach über die Dachterrasse. Es ist sicherer, in Bewegung zu bleiben. Es soll schließlich niemand unser Gespräch mit anhören. Aber es scheint so, als wären alle viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

„Aber es funkt einfach nicht bei uns, Mama. Ich wünsche es mir so sehr, aber mein Herz will etwas anderes.“

„Oder jemand anderen“, fügt Mama noch hinzu. „Ich habe mitbekommen, wie du bei uns zu Hause ständig zu Tai und Sally gesehen hast. Du wolltest nicht, dass sie sich anfreunden und wir wissen alle, wie charmant Sally sein kann.“

Allerdings. Aber dieses Thema ist ja zum Glück vom Tisch. Ich war noch nie auf irgendjemanden oder irgendetwas eifersüchtig in meinem Leben. Aber als ich dachte, Sally würde mir Tai wegnehmen, bin ich fast umgekommen vor Neid und Eifersucht. Hätte ich genauso reagiert, wenn sie sich an Joe rangeschmissen hätte? Wohl kaum.

„Was mache ich denn jetzt, Mama?“, seufze ich. Meine Mutter bleibt stehen und greift nach meiner Hand, um sie zu drücken.

„Du weißt, ich habe nie von dir verlangt, das zu tun. Wenn du willst, kannst du immer noch aussteigen. Du musst ihn nicht heiraten.“

Klingt verlockend, aber …

„Und Papa? Er würde ins Gefängnis gehen, das weißt du.“

Nun verschwindet das zuversichtliche Lächeln, auf den Lippen meiner Mutter, dass sie mir eben noch geschenkt hat. Mit einem Mal wirkt sie traurig. Als würde es sie innerlich zerreißen. Wie gut ich dieses Gefühl kenne.

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Mimi“, gesteht meine Mutter betrübt. „Ich will dich nicht dazu zwingen, aber deinen Vater verlieren will ich auch nicht. Ich … ich denke, ich möchte einfach nur, dass du auf dein Herz hörst. Was auch immer es dir sagt. Tu einfach das, was du für das Richtige hältst.“

Wieso will ich gerade gerne glauben, dass das Richtige zu tun, nur einen Schritt weit entfernt ist?

Es wäre so einfach.

Ein Satz.

Eine Entscheidung.

Mehr bräuchte es nicht.

„Keine Sorge, Mama“, versichere ich ihr. „Ich weiß, was das Richtige ist.“
 

Die Stunden vergehen wie im Flug. Inzwischen ist es dunkel geworden und die Leute wirken ausgelassen. Die Musik ist gut, wenn auch etwas spießig, aber alle haben Spaß. Inzwischen ist es kurz vor Mitternacht und wir sind gerade dabei, uns alle auf der großen Dachterrasse zu versammeln. Gleich soll uns zu Ehren ein großes Feuerwerk stattfinden. Die perfekte Ablenkung. Hunderte von Menschen, die wie gebannt in ein und dieselbe Richtung schauen werden.

Wie automatisch suchen meine Augen nach Tai. Er steht bei Jim und Kaori, während Joe und ich bei unseren Eltern stehen. Es kann nicht mehr lange dauern.

Ich drehe den Kopf zur Seite und fange Sallys Blick auf, die mir zunickt. Dann stolpert sie gegen Kaori. Leider so heftig, dass sich Kaoris ganzer Rotwein über ihr schönes Kleid ergießt.

„Oh, nein!“, höre ich sie rufen, während Kaori natürlich untröstlich ist und sich bei Sally entschuldigt. Diese jedoch winkt nur ab und bittet Tai, sie rein zu begleiten, um den Fleck rauszuwaschen – was natürlich nicht besonders gut funktionieren wird und sehr lange dauert.

Ich grinse in mich hinein. Tai und Sally sind schon mal von der Bildfläche verschwunden. Bis hierhin hat ihr Plan gut funktioniert. Wenn ich ebenfalls gleich rein gehe, wird das hoffentlich niemand mit Tai in Verbindung bringen. Der ist ja mit Sally beschäftigt.

Ich warte noch ein paar Minuten, lausche den Gesprächen von Joe und unseren Eltern und nicke ab und zu ganz geschäftig, dabei habe ich gar keine Ahnung, über was sie gerade reden. In meinen Gedanken ist nur noch Tai.

Kurz bevor das Feuerwerk startet und die meisten schon ganz gespannt in den Himmel sehen, lege ich plötzlich eine Hand auf den Bauch und seufze gerade so laut, dass nur Joe es hören kann.

„Was hast du?“, flüstert er gleich besorgt.

„Nichts weiter, nur leichte Schmerzen.“ Immerhin habe ich ja gerade meine Periode. Hat er selbst gesagt. „Ich glaube, ich muss dringend zur Toilette.“

„Jetzt?“ Joe klingt nicht begeistert. „Ich wollte mir mit dir das Feuerwerk ansehen.“

„Ich auch, aber es kann nicht warten. Ich bin sicher gleich zurück“, sage ich versöhnlich und gebe ihm sogar keinen kurzen Kuss auf die Wange. Dann tauche ich in der Menge unter und gehe nach drinnen.

Ich gehe die Stufen nach oben zu den Toiletten. Ein paar Leute kommen mir noch entgegen und lächeln mir freundlich zu. Doch oben angekommen, ist niemand mehr. Alle sind beim Feuerwerk.

Als ich die Tür zur Toilette aufstoße, muss ich kurz schmunzeln, weil Tai und Sally tatsächlich an einen der Marmorwaschbecken stehen und versuchen, den Fleck raus zu waschen.

„Streng dich ein bisschen mehr an, das Kleid war teuer“, zickt Sally rum, woraufhin Tai die Augen verdreht und mehr Seife ins Waschbecken kippt. Sally hat ihr Kleid ausgezogen, nun hängt es halb über den Rand des Waschbeckens, während sie im Trägerkleid, welches sie darunter trug, da steht.

„Der Fleck geht sowieso nicht wieder raus“, meckert Tai und ist schon sichtlich genervt von ihr.

„Dann kaufst du mir ein Neues. Ich hab das schließlich nur für euch getan. Das war ein Designer-Kleid.“

Ich lache auf und gehe auf die beiden zu. „Ich kaufe dir ein Neues, Sally.“

Beide heben den Kopf und zumindest Sallys Miene erhellt sich.

„Da bist du ja.“

„Und, hat jemand was gemerkt?“, hakt Tai sofort misstrauisch nach. Ich schüttle den Kopf. „Nein, niemand.“

Sally klopft sich selbst auf die Schulter. „Bin ich genial?“

Lachend verdrehe ich die Augen. „Bist du.“

„Na schön, gib mir mein Kleid zurück“, sagt Sally und zieht es Tai unter der Nase weg. Sie packt es sich unter den Arm und geht zur Tür. „Ich hab gehört, im Untergeschoss gibt es eine Waschküche. Ich werde da mal hingehen. Lasst euch nicht stören. Soll heißen: schließt bitte hinter mir ab“, zwinkert sie uns zu und tut so, als würden wir gleich übereinander herfallen. Dabei wollen wir nur reden – was längst überfällig ist.

„Danke, Sally“, lächle ich sie dankend an und schließe auch gleich hinter ihr ab, als sie die Toilette verlässt. Stille legt sich über uns, während ich immer noch mit dem Rücken zu Tai stehe. Als ich mich umdrehe, hat er sein Sakko ausgezogen und auf den Rand des Waschbeckens abgelegt. Mit den Händen in den Hosentaschen vergraben, steht er da und sieht mich an. Mustert jeden Zentimeter von mir, als müsste er sich alles ganz genau einprägen. Als sein Blick meinen einfängt, beginnt er zu lächeln.

„Ich wollte dir schon den ganzen Abend sagen, wie schön du bist.“

Hitze steigt mir in die Wangen und schon jetzt beginnt mein Herz wie wild zu schlagen. Oh Gott. Meine Knie zittern.

„Danke“, sage ich und gehe ein kleines Stück auf ihn zu. „Du siehst auch nicht schlecht aus.“

Es ist das erste Mal, seit unserem beinahe Kuss im Flugzeug, dass wir uns so gegenüberstehen. Das erste Mal unter vier Augen.

„Mimi? Es tut mir leid“, beginnt Tai das Gespräch und wirkt nun deutlich ernster.

Ich verschränke die Arme vor der Brust und grinse. „Was denn? Dass du dich an meine beste Freundin rangeschmissen hast?“

Tai fährt sich seufzend durch die Haare. „Sie hat sich an mich rangeschmissen und ich habe die Gelegenheit erkannt und genutzt.“

Nun verengen sich meine Augen zu zwei schmalen Schlitzen. „Was meinst du damit?“

„Frau Kido … sie hat mich gleich nach dem Flug angesprochen, dass ich mich von dir fern halten soll. Sie hat wohl irgendwas gemerkt und Sally war das perfekte Alibi.“

Innerlich atme ich erleichtert auf. Deshalb hat er mich nach dem Flug so gemieden? Es lag also nicht an mir oder an unserem beinahe Kuss oder daran, dass er kein Interesse mehr hat.

Es tut so gut, das aus seinem Mund zu hören. Aber Tai schüttelt nur den Kopf. „Egal, lass uns nicht über sie reden.“

„Über Frau Kido oder über Sally?“

Tai’s Mundwinkel zucken. „Warst du eifersüchtig?“

Ich hebe das Kinn an und grinse. „Hättest du wohl gern.“

„Ach, stimmt ja“, sagt Tai nun mit einem triumphierenden Grinsen auf den Lippen und kommt auf mich zu. „Wie war das? Es interessiert dich nicht. Ich interessiere dich nicht. Ich bin dir total egal, richtig?“

Ja.

Nein.

Doch, das solltest du. Du solltest mir egal sein.

Dicht vor mir bleibt Tai stehen. Ich versuche, ihn nicht anzusehen, aber mein Herz schlägt inzwischen so schnell, dass ich es kaum noch ignorieren kann. Er berührt mich nicht ein mal und trotzdem spüre ich diese unfassbare Anziehungskraft zwischen uns, der ich mich nicht mehr entziehen kann. Verdammt! Wir sind hier zusammen in einem Raum eingesperrt. Niemand, außer uns ist hier. Niemand weiß, was hinter dieser Tür passiert. Niemand.

Gerade, als ich mir dieser Gefahr bewusst werde, ist es längst zu spät. Ich höre, wie draußen mehrere Raketen in die Luft schießen und am Himmel explodieren.

„Du hast die Wahl, Mimi. Wenn ich dir nichts bedeute, dann dreh dich einfach um und geh zurück zu deinem Verlobten.“ Tai’s Stimme ist sanft, trotzdem höre ich auch die Hoffnung, die darin mitschwingt.

„Wenn ich dir wirklich nichts bedeute, dann …“

„Du Idiot“, unterbreche ich ihn schroff. Dann gehe ich auf die Zehenspitzen, umfasse sein Gesicht mit beiden Händen und überbrücke endlich die letzten Zentimeter zwischen uns. „Natürlich bedeutest du mir was!“ Meine Lippen landen auf seinen und ich weiß, dass ich neben der Erlösung, die ich gerade empfinde, eben ein für alle mal die Grenze überschritten habe und in den Abgrund stürze. Für ihn gehe ich so weit, wie ich niemals gehen wollte. Und doch fühlt es sich so an, wie das Beste, was ich je getan habe.
 

For you,

I would cross the line
 

They say:

She's gone too far this time.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ja, der erste Kuss von Mimi und Tai und Mimi hat sich endlich entschieden. :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Tasha88
2023-12-23T19:35:53+00:00 23.12.2023 20:35
Hey :)
viel bekommt ihr heute nicht vor mir, das wisst ihr >.<

ein seeehr gutes kapitel +-*
auch, dass mimi joe keinen kuss auf die wange gibt :D
Antwort von:  Ukiyo1
30.12.2023 11:02
Hi *-*

Ja, wissen wir. Umso mehr wissen wie es zu schätzen *-*

Steht das da so? :D ach ja, dafür haben wir ja dich ;)

:***
Von:  Hallostern2014
2023-12-23T17:29:49+00:00 23.12.2023 18:29
❤️

Oh man bei Mimis Sicht merkt man noch mehr wie schrecklich das alles für Mimi ist. Sie hat nicht mal Ruhe sich mit ihren Eltern zu unterhalten. Sind überhaupt welche von ihrer Freunde da. Ich glaube nicht. Und Joes Vater..Am liebsten würde ich ihn sagen das ich jetzt gehe und mich mal mit meine Eltern unterhalten möchte, aber leider tut sie es nicht.

Oje Oje, zum Glück flüstert Sally es nur 🙈 das wäre ja was gewesen. Wenn Sie es in normale Lautstärke gesagt hat. Aber es hat ja geklappt, sie schafft es so mit Mimi paar Minuten alleine zu bleiben und zu Reden. Vorbei man merkt das sie nicht wirklich lust hat mit Sally zu reden, weil sie denkt sie und Tai hatten Sex gehabt. Aber zum Glück spricht Sally das aus wo Mimi ihr endlich zuhört. Wo beide endlich offen mit einander reden können, zwar versucht Mimi abzulenken aber sie kann ihre beste Freundin nicht Täuschen. Und endlich erfährt Mimi wie der Abend gelaufen ist. Wenn Sie jetzt nicht merkt wie sehr Tai in sie Verliebt ist weiß ich auch nicht mehr weiter. Toll das beide sich entschuldigen dafür das sie einfach zu Blind und zu Feige waren um zu reden.
Echt tolle Freundin, sie versucht wirklich alles damit Mimi endlich kapiert zu wem sie gehört.

🤣🤣🤣🤣 Also hat Joe nicht gemerkt das Mimi mit Sally verschwunden ist, hätte das auch sein können aber war es ja nicht. Aber dennoch so lustig 🤣🤣🤣

Zumindest hat es aber Joe gemerkt das Mimi noch nicht mit ihrer Mutter geredet hat. Ich bin echt gespannt was sie mit Mimi zu bereden hat. Aber die beiden hatten auch kaum Zeit zu reden, jedenfalls nicht Persönlich.

Eine Mutter merkt am besten wenn nichts in Ordnung ist und sie hat bestimmt auch die Blicke die sich Tai und Mimi zu werfen. Deswegen fragt sie nochmal nach ob alles in Ordnung sei. Und endlich sagt sie das es eben nichts in Ordnung ist. Jetzt kann sie ihr Herz ausschütten ihre Mutter um Rat fragen. Und ihre Mutter hat es wie ich schon gedacht habe gemerkt für wem Mimis Herz schlägt. Ich finde es gut, dass Mimis Mutter Mimi sagt sie soll auf ihr Herz hören soll. Auch wenn sie wenn ihr Papa deswegen ihn Gefängnis nimmt traurig sein wird.


Klasse wie beide es geschafft haben das Mimi mit Tai reden kann. Auch wenn es für Sally mit leid tut das sie sich jetzt umziehen muss. Und Joe hat Mimi einen Grund dafür geben auch zu verschwinden 🤣. Eine echt tolle Beste Freundin hat Mimi. Und ja, die sollten echt zur sicherheit abschließen 🤣🤣🤣 beide mussten vieles zurück halten. Mal sehen was gleich noch kommt.

Endlich erzählt Tai ihr was Joes Mutter gesagt hat. Und endlich entschuldigt er sich für sein Verhalten danach. Mimi hat nun sein Handeln verstanden und alles als geregelt geklärt. Und Natürlich muss Tai sie erstmal bisschen aufziehen aber endlich wie schön es ist passiert Mimi hat sich für Tai entschieden und ihn endlich geküsst.

Ich bin so gespannt, was beide nun machen. Wie beide nun den anderen gegenüber stehen. Was die nächste Schritte sind.

Ich freue mich sehr auf das nächste Kapitel 😍😍😍 mit dem Ende habt ihr Weihnachten noch mehr versüßt.

Macht euch auch ein schönes Weihnachtsfest ❤️❤️❤️❤️❤️😍😍😍

Glg ❤️

Antwort von:  Ukiyo1
29.12.2023 23:07
Hey noch mal :)

Wahrscheinlich fühlt sich Mimi fremd auf ihrer eigenen Feier. Sie kennt kaum jemanden und hat keine Zeit für ihre Eltern. Das macht ja so echt keinen Spaß.

Jetzt hat Sally definitiv richtig gehandelt und Mimi alles erzählt und Mimi muss sich keine Sorgen mehr machen :) da ist absolut nichts gelaufen und Tai hat nur Augen für Mimi <3
Finde die Freundschaft der beiden auch toll. Wäre alles einfacher gewesen, wenn Mimi Sally von Anfang an eingeweiht hätte. Aber einfach kann ja jeder :D

Ja das hat Mimis Mutter toll gemacht. Sie versteht ihr Tochter und hat ja auch von Anfang an nie verlangt, dass sie Joe heiratet. Sie will nur, dass Mimi glücklich ist. Auch wenn der Vater dann vielleicht ins Gefängnis muss. Auf jeden Fall redet sie ihrer Tochter ins Gewissen und das hat Mimi wohl auch mal gebraucht. Sonst steht sie ja immer alleine da, dabei stehen alle hinter ihr :)

Ach naja das versaute Kleid nimmt Sally in Kauf. Find ich echt nett von ihr xD aber das Gespräch zwischen Mimi und Tai war ja auch bitter nötig. Endlich versteht sie es und das bestärkt sie nur noch mehr in ihrer Entscheidung <3 sie liebt Tai und will mit ihm zusammen sein. Wir drücken ihnen mal die Daumen, aber wir wissen wohl alle, wie sehr wir auf Drama stehen :P
Trotzdem freut es uns, dass wir dir Weihnachten versüßen konnten!

Ganz liebe Grüße <3


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