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366 Tage - 366 Geschichten

366 Tage Challenge 2024
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Heute als kleines Vorwort: Dieser Text ist Teil einer Geschichte, die noch in der Schreibphase ist. Sie befindet sich noch nicht in der Story, aber wird definitiv ihren Platz in ihrer finden! ♥ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieser Text wird ebenso in einer meiner Storys zu finden sein und das schon ganz bald. Vielleicht dürft ihr es auch irgendwann komplett lesen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Diese Szene existiert in einem alten RPG von mir, ich habe sie lediglich etwas abgewandelt. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Eine kleine Fortsetzung zum gestrigen Prompt. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Die heutige Geschichte ist eine Fortsetzung zu Tag 10 - Einschluss Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieser Text ist vielleicht ein bisschen autobiographisch, denn diese Frage habe ich mir im Laufe meines Lebens auch nicht nur einmal gestellt. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Trigger Warnung: Blut, Unfall, Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Bei diesem Teil hat mich tatsächlich ein Plotbunny überfallen und ich werde diesen Text definitiv weiterführen. Nicht unbedingt bei einem weiteren Prompt, sondern als seperate Geschichte. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Aus Gründen.
Und weil dieser kleine Wortlaut heute wirklich mit einer Freundin fast genauso stattgefunden hat.
Den Sonnenstrahl gab es nicht, aber die Worte, nachdem mir heute morgen so sehr der Boden unter den Füßen weggerissen worden ist. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieser Text ist autobiographisch. Denn ..
.. nun ja, Vera bin ich. Komplett anzeigen

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01.01.2024 - Windig

“Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.”

Die Worte seiner Frau Gisela hingen Oswald noch immer im Ohr. Auch jetzt noch, als er dick eingepackt am Nordseestrand stand. Erst vor wenigen Wochen war Gisela für immer gegangen und hatte eine große Lücke in seinem Leben hinterlassen. Der Urlaub an der Nordsee war von langer Hand geplant gewesen und obwohl Oswald am liebsten gar nicht gefahren wäre, stand er jetzt doch hier. Der Wind pfiff ihm um die Ohren und erhob die Schultern, um sich ein wenig zu schützen. Früher, als es windig gewesen war, hatte er oft mit Gisela hier gestanden. Und jetzt war sie einfach nicht mehr da. Gegangen für immer.

Julika, seine Tochter und sein Schwiegersohn Hannes hatten ihm dazu geraten, die Reise doch anzutreten, und trotzdem war er sich noch immer nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung gewesen war. Gisela sollte mit ihm hier sein, sie sollte an seiner Seite stehen. Sie sollte ihn damit aufziehen, dass er seine Socken überall liegen ließ oder seine Kaffeetasse halbvoll irgendwo stehen ließ. Sie sollte hier mit ihm stehen, an der Stelle, an der sie sich vor über dreißig Jahren das erste Mal getroffen hatten.

Damals hatte er sich sofort in Gisela verliebt und um sie gekämpft. Wochenlang, bis auch Gisela ihm endlich eine Chance gegeben hatte.

Die letzten dreißig Jahre waren trotz vieler Höhen und Tiefen die schönsten seines Lebens gewesen und er vermisste Gisela in jeder Sekunde, in der sie nicht bei ihm war.

“Hier bist du.” Die Stimme seines Schwiegersohnes riss ihn aus seinen Erinnerungen und er sah mit einem flüchtigen Lächeln zu dem Jüngeren.

“Wo soll ich denn sonst sein,Hannes? Hier hat alles angefangen”, erwiderte er und erschauderte, als erneut Wind aufkam. Hannes legte ihm eine Hand auf die Schulter und lächelte sachte.

“Hier wird auch immer der Ort für dich sein, an dem du deine große Liebe kennengelernt hast und hier hat auch das Leben angefangen, dass du bislang geführt hast, aber …”, begann Hannes und diesmal war Oswald derjenige, der lächelte.

“.. aber hier wird es nicht enden, das willst du doch sagen, oder?”

Leicht nickte Hannes und folgte dessen Blick über das Meer hinweg. “Ja.”

“Keine Sorge, mein Junge. Hier wird es nicht enden. Niemand weiß, wieviel Zeit ich noch habe, aber ich möchte sie mit den Menschen verbringen, die ich noch habe. Mit Julika und dir. Und mit den beiden wunderbarsten Enkelkindern, die ihr mit hättet schenken können”, antwortete Oswald und wandte seinen Blick zu Hannes hoch.

“Und immer, wenn es windig ist, wird sie dir sanft durch die Haare streichen und die zeigen, dass du nicht alleine bist”, beendete Hannes den Satz seines Schwiegervaters und deutete mit dem Kopf in Richtung Bungalows.

“Komm, das Essen ist fertig”, fügte er hinzu und führte Oswald wieder in Richtung der Wohnanlage. Oswald lief neben ihm her und warf einen flüchtigen Blick zurück auf das Meer. Just in dem Moment kam erneut der Wind auf und Oswald wusste, dass es Gisela war, die ihm zeigte: Auch wenn er sich momentan schwer und unwirklich anfühlte, war er nicht allein. Solange Julika, Hannes und die Kinder für ihn da waren, war er nicht allein.

Und in seinen Gedanken und seinem Herzen war Gisela sowieso immer an seiner Seite.

02.01.2024 - Wütend

“Alle gehen zu dieser Party und ich muss Zuhause bleiben. Ihr seid gemein!” Mit einem lauten Knall schlug Briana die Tür zu ihrem Zimmer hinter sich zu. Vor ein paar Sekunden hatte sie sich mit ihren Eltern gestritten und sie war einfach nur wütend darüber, wie ihre Eltern reagiert hatten. Dabei hatte sie doch nur gefragt, ob sie auf die Party gehen durfte, die Xander, der Bruder ihrer besten Freundin Ari, heute Abend geben wollte. 

“Dafür bist du noch viel zu jung”, hörte sie die Stimme ihrer Mutter durch die Tür, was sie nur noch wütender machte. Sie ergriff eines der Kissen auf ihrem Bett und warf es gegen die Tür, bevor sie sich auf dem Bett niederließ. 

Als ihr Handy piepste, griff sie danach und las die Nachricht ihrer besten Freundin. “Soll ich dich nachher abholen oder kommst du direkt hierher?”

Mit einem Seufzen ließ sie ihr Handy wieder sinken und antwortete im ersten Moment gar nicht erst auf diese Nachricht. Vielmehr dachte sie darüber nach, wie sie ihre Eltern doch noch davon überzeugen konnte, auf diese Party zu gehen. 

Sie mussten es ihr einfach erlauben, immerhin würde auch Evan dort sein, auf den Briana schon länger ein Auge geworfen hatte. Heute war eine gute Gelegenheit, Xanders besten Freund ein bisschen näher kennenzulernen, aber wenn ihre Eltern ihr einen Strich durch die Gegend machten, war diese Chance bereits vorbei, noch bevor sie diese überhaupt nutzen konnte. 

Das Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken und als sich die Tür öffnete, erblickte sie ihre Mutter. Sofort drehte sie sich etwas von ihr weg und widmete sich stattdessen ihrem Handy. Anhand der Schritte auf dem Laminat wusste sie, dass ihre Mutter sich näherte und als sie sich schließlich auf der Bettkante niederließ, rutschte Briana automatisch ein Stück weg. 

“Sei nicht sauer, Schatz”, begann ihre Mutter schließlich, woraufhin ein Schnauben die Lippen Brianas verließ. “ .. aber du musst auch versuchen, uns zu verstehen. Wir machen uns Sorgen um dich und wollen nicht, dass ihr etwas passiert”, fuhr ihre Mutter fort und legte Briana kurz eine Hand auf den Rücken.

“Was soll mir denn passieren? Ari ist auch da, Xander kennt ihr und sogar die Eltern der beiden sind im selben Haus”, entgegnete Briana und unterdrückte den Impuls, sich der Berührung ihrer Mutter zu entziehen. Stattdessen sah sie weiterhin auf ihr Handy und kaute überlegend auf ihrer Unterlippe herum, bevor sie sich doch umdrehte. 

“Ruf doch einfach bei Aris Eltern an. Sie werden dir bestimmt sagen, dass es eine ganz normale Party ist und auch nicht so sonderlich viele Leute kommen werden, die mir etwas antun könnten.” 

Die Stirn ihrer Mutter runzelte sich, bevor sie schließlich zustimmte. “Okay, ich werde mit Greg und Lou reden”, antwortete sie und erhob sich wieder, um ihre Tochter alleine zu lassen. Verwundert sah das Mädchen ihr nach und setzte sich wieder auf. Vielleicht bestand doch noch eine Chance, dass sie auf ihre Party gehen konnte. 

“Kommt Evan auch?”, antwortete sie ihrer besten Freundin jetzt endlich auf die Nachricht und erhielt auch prompt die Zustimmung.

“Natürlich, dafür habe ich gesorgt!”,las sie, woraufhin sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen schlich. Noch bevor sie Ari ein weiteres Mal antworten konnte, trat ihre Mutter wieder zu ihr in den Raum. 

“Ich habe zwar mit Lou und Greg geredet, aber auch mit deinem Vater. Er ist dagegen, dass du auf diese Party gehst, Tut mir leid”, sprach sie ihre Tochter an, woraufhin sich Brianas Mund öffnete, ohne dass ein Wort nach außen drang. Wut kroch erneut in ihr hoch und sie umklammerte das Handy in ihrer Hand regelrecht. “Warum hast du überhaupt angeboten, mit Ari’s Eltern zu reden, wenn du doch wieder auf Papas Seite stehst?”, presste sie es schließlich mühsam über ihre Lippen, während sich Tränen in ihren Augen bildeten. “Es tut mir ..”, begann ihre Mutter und hielt doch sofort inne, als ihre Tochter sie des Raumes verwies. 

Als sich die Tür schloss, ließ sie sich frustriert nach hinten sinken und schrieb Ari, dass sie nicht kommen würde, weil ihre Eltern es ihr verboten. 

Den Rest des Tages verbrachte sie in ihrem Zimmer. Erst als es längst dunkel war, traute sie sich in die Küche, um sich etwas zu trinken und auch eine Kleinigkeit zu essen zu organisieren. Obwohl sie ihre Eltern im Wohnzimmer entdecken konnte, lief sie an ihnen vorbei in die Küche. Sie war noch immer wütend und wollte jetzt auf gar keinen Fall mit ihnen reden. Noch während sie anschließend wieder auf dem Weg zurück in ihr Zimmer war, konnte sie ihr Handy ein weiteres Mal piepen hören. Als sie es zur Hand nahm, runzelte sich ihre Stirn. Eine unbekannte Nummer prankte ihr entgegen, aber als sie die Nachricht öffnete, legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen und die Wut der letzten Stunden war wie weggeblasen. Denn die Nachricht, die sie lesen konnte, war von Evan. Ihrem Schwarm. 

“Schade, dass du heute Abend nicht dabei sein kannst, aber vielleicht können wir uns in den nächsten Tagen treffen. Nur du und ich.”

Sie antwortete ihm unverzüglich und speicherte seine Nummer in ihrem Handy, bevor sie sich ihrem Essen widmete und noch ein wenig mit ihm hin und her schrieb.

Allein die Aussicht auf ein Date mit Evan hob ihre Laune wieder, sodass sie sich schließlich doch entschied, mit ihren Eltern zu reden. Denn egal, wie wütend sie auch war, sie wollte sich nicht mit ihnen streiten und vielleicht konnte sie ihnen Evan ja auch vorstellen, bevor sie sich zu einem Date mit ihm traf. 

03.01.2024 - Geheimnis

“Du musst mir versprechen, Mama nicht von unserem Plan zu erzählen”, sprach Roman seine Tochter Vivian an, während er vor ihr in der Hocke saß.

“Warum nicht?”, wollte das vierjährige Mädchen direkt wissen und sah ihren Vater mit großen Augen an. Romen lächelte und strich ihr mit einer Hand über die Wange.

“Weil Mami noch nichts von ihrem Geschenk wissen darf, das bleibt bis zu ihrem Geburtstag unser Geheimnis, okay?”, erwiderte er, woraufhin das Mädchen den Kopf schief legte. “Was ist ein Geheimnis?”

Die Frage brachte Roman etwas aus dem Konzept und im ersten Moment wusste er gar nicht, was er antworten sollte. Er dachte ein paar Augenblick lang darüber nach, bevor er erneut das Wort an seine Tochter richtete.

“Ein Geheimnis ist, wenn du Lina etwas erzählst, was sonst keiner wissen darf. Und genauso ist es jetzt auch. Mama darf noch nichts von ihrem Geschenk wissen, also darfst du ihr auch nichts davon erzählen”, versuchte er ihr zu erklären, woraufhin Vivian langsam nickte. Roman lächelte, auch wenn er sich nicht sicher war, ob Vivian ihn wirklich verstanden hatte.

“Was flüstert ihr beiden denn hier?”, im selben Augenblick die Stimme seiner Freundin hinter ihm und Vivian riss direkt ihre Augen auf. “Das darf ich nicht sagen”, entgegnete sie und huschte an ihrer Mutter vorbei.

“Warum darfst du das nicht sagen?”, hielt sie ihre Tochter auf, auch wenn sie ganz genau wusste, warum das Mädchen das nicht durfte.

“Weil das ein Geheimnis ist”, das Mädchen und lief schnell in ihr Zimmer. Roman hatte sich inzwischen erhoben und kümmerte sich um die Kaffeemaschine, bevor er Marlen wieder ansah.

“Ihr habt also Geheimnisse miteinander”, stellte Marlen fest, auch wenn dabei ein Schmunzeln ihre Lippen zierte. Sie trat auf Roman zu und schob ihre Arme um seine Hüften.

“Es gibt Dinge, bei denen ist noch nicht der richtige Moment gekommen, um dir davon zu erzählen”, antwortete er und drückte seiner Freundin einen Kuss auf die Lippen. Marlen lächelte und lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter. “Wann ist denn der richtige Moment gekommen?", hakte sie schmunzelnd nach, um Roman ein wenig aus der Reserve zu locken. Mit einem Schmunzeln schüttelte der Angesprochene den Kopf und glitt mit seinen Händen über den Rücken der Dunkelhaarigen hinweg.

“In vier Tagen, gleich morgens, wenn du aufgestanden bist”, erwiderte Roman erneut und klaute sich einen weiteren Kuss.
 

In den nächsten drei Tagen versuchte Marlen nicht nur einmal, ihrer Tochter ein paar Worte zu entlocken, aber Vivian schwieg beharrlich. Immer, wenn Marlen versuchte, dass Gespräch auf das Geheimnis zu bringen, schüttelte Vivian den Kopf. Sie schwieg und brachte kein Wort über ihre Lippen. Solange, bis der Geburtstag ihrer Mutter endlich gekommen war und Vivian ihrem Vater dabei helfen durfte, ihrer Mutter einen Heiratsantrag zu machen , denn das fehlte noch zu ihrem Glück zu dritt.

Und Vivian. Vivian war unglaublich stolz auf sich, weil sie es geschafft hatte, dass Geheimnis ihres Vaters zu bewahren und nicht an ihre Mutter zu verraten.

04.01.2024- Fleiß / Fleißig

Die Zunge zwischen den Lippen und mit angestrengter Miene. So saß Linus am Schreibtisch und brütete über den Hausaufgaben. Er verstand kein einziges Wort von dem, was er las, aber er wollte auch niemanden um Hilfe bitten. Hauptsächlich deswegen nicht, weil sein Vater ihn immer eingebläut hatte, dass man nur dann etwas erreicht, wenn man selbst genug Fleiß zeigt. “Andere um Hilfe zu bitten, ist ein Zeichen von Schwäche und du willst doch nicht wie ein Schwächling vor deinen Freunden dastehen”, hörte er noch immer die Stimme seines Vaters in seinem Ohr. Mit einer flüchtigen Bewegung fuhr er sich durch die Haare und sah erneut in das Buch, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Die Hausaufgabe, die er erledigen musste, war aus dem Fach Chemie und all die Formeln, die im Buch standen, verschwommen vor seinen Augen.

“Hey Kurzer", erklang von der Tür her die Stimme seines großen Bruders Arne. Der 19-Jährige war bereits ausgezogen und nur noch selten zu Besuch. Linus war vier Jahre jünger als Arne und sie hatten noch immer ein sehr herzliches Verhältnis zueinander, auch wenn Linus die meiste Zeit bei Arne zu Besuch war.

Als jetzt die Stimme seines großen Bruders erklang, erhellten sich die Gesichtszüge des Jüngeren sofort.

“Arne? Was machst du hier?”, wollte er sofort wissen und erhob sich, um seinem Bruder zu umarmen.

“Ich wollte dich abholen, wir waren doch zum Kino verabredet“, erwiderte der Ältere und wuschelte Linus leicht durch die Haare.

“Was machst du?", schob er hinterher und deutete mit dem Kopf auf das Buch auf dem Tisch. Sofort holte Linus tief Luft.

“Hausaufgaben, in Chemie. Aber ich verstehe kein Wort ", erwiderte er und lief wieder auf den Schreibtisch zu. Er ließ sich auf den Stuhl davor sinken und warf einen weiteren Blick.

“Soll ich dir helfen?" Sofort schüttelte Linus den Kopf, als er die Frage seines großen Bruders hörte. “Lieber nicht, nachher bekommt Papa das mit und hält mir wieder vor, dass ich nicht fleißig genug war.”

Diesmal verließ ein Schnauben die Lippen von Arne. “Nur weil du um Hilfe bittest, heißt das nicht, dass du nicht fleißig bist”, antwortete er, woraufhin Linus kurz mit den Schultern zuckte.

“Du weißt doch, was Papa immer sagt: ohne Fleiß, kein Preis. Und wer um Hilfe bittet, ist ein Schwächling”, murmelte er und sah zu Arne auf, als dieser sich neben seinem Stuhl in die Hocke gleiten ließ.

“Das ist absoluter Schwachsinn”, entgegnete Arne, auch wenn genau diese Ansicht einer der Gründe war, warum er bereits vor über einem Jahr ausgezogen war.

“Fleiß hat nichts mit Schwäche zu tun und wenn du etwas nicht weißt, kannst du mich jederzeit um Hilfe bitten, okay?”, sprach er weiter, woraufhin Linus etwas lächelte.

“Was hältst du davon, wenn du deine Schulsachen mitnimmst? Dann gehen wir erst ins Kino und du kannst danach bei mir übernachten, dann helfe ich dir bei den Hausaufgaben und bringe dich morgen früh zur Schule”, schlug der 19-Jährige vor und wuschelte Linus gleich durch die Haare.

Er musste gar nicht lange überlegen und erhob sich augenblicklich wieder, um das Chemiebuch alles, was er sonst brauchte, in seinen Rucksack zu packen.

“Dann komm”, schmunzelte Arne und lief mit Linus nach unten. Als sich Linus die Schuhe anzog, trat sein Vater aus dem Arbeitszimmer.

“Was soll das werden, wenn's fertig ist?”, wollte er augenblicklich wissen und fixierte seine beiden Söhne direkt.

“Wonach sieht es denn aus? Ich hole Linus ab. Wir gehen ins Kino und danach übernachtet Linus bei mir”, erwiderte Arne und legte seinem kleinen Bruder einen Arm um die Schultern.

“Nicht, bevor er seine Hausaufgaben fertig ist”, erwiderte der Vater der Jungen sofort, woraufhin Arne kurz mit den Schultern zuckte.

“So fleißig, wie er ist, hat er das bereits getan. Wenn du uns jetzt also entschuldigst”, antwortete Arne lediglich und schob Linus aus dem Haus. Etwas verblüfft ließ der Jüngere ihn geschehen und wünschte sich gleichzeitig, sich auch eines Tages so gegen seinen Vater stellen zu können, wie sein großer Bruder es immer tat.

05.01.2024 - Polieren / Putzen

“Muss das sein?” Mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck sah Kian seine Mutter an. Mit einem Putzlappen und einem Eimer in der Hand stand die Dunkelhaarige in seinem Zimmer und sah ihn abwartend an.

“Ja, das muss sein. Wie jedes Jahr. Und auch du wirst dich vor dem Frühjahrsputz nicht drücken.

Mit einem Stöhnen ließ sich der Siebzehnjährige ins Kissen zurückfallen. Er war noch nicht einmal richtig wach und seine Mutter stellte schon Forderungen an ihn, die er noch nicht bereit war, zu erfüllen.

“Darf ich vielleicht auch erstmal aufstehen und frühstücken?”, wollte er murmelnd wissen und richtete sich langsam auf. Mit einem Schulterzucken trat Maria etwas weiter ins Zimmer und stellte die Putzutensilien auf dem Schreibtisch ab.

“Du hast eine halbe Stunde. Wenn du dann nicht mit Putzen angefangen hast, ziehe ich andere Seiten auf.” Bei den Worten seiner Mutter verdrehte Kian kurz die Augen. “Soll ich vielleicht auch noch die Türgriffe polieren?”, antwortete er mit sarkastischem Unterton und erhob sich vom Bett. Ohne auf eine Antwort zu warten, lief er aus dem Zimmer und über den Flur hinweg ins angrenzende Badezimmer.

“Werd nicht frech, Kian Malik Schröder”, hörte er die Stimme seiner Mutter durch die Tür, woraufhin er nur ein weiteres Mal die Augen verdrehte. Er hatte definitiv keine Lust, den halben Tag mit Putzen zu verbringen, eher im Gegenteil. Eigentlich war er sogar noch mit Juli verabredet.

Während er sich das Gesicht wusch und sich anschließend einen Kaffee aus der Küche holte, kam ihm die rettende Idee, wie er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte. Er lief wieder nach oben in sein Zimmer und nahm sich sein Handy vom Nachttisch, um Juli zu schreiben, ob sie nicht einfach zu ihm kommen wollen würde.

Nachdem er die Zusage seiner Freundin bekommen hatte, zog er sich erst an, bevor er die Kaffeetasse leerte und anschließend nach unten lief, um die leere Tasse wieder in die Küche zu bringen.

“Ich fange gleich an, keine Sorge”, richtete er knapp das Wort an seine Mutter, die bereits damit begonnen hatte, die Küche zu putzen und ihm einen auffordernden Blick zuwarf.

Als es klingelte, huschte sofort ein Lächeln über die Gesichtszüge Kians und er lief direkt zur Tür.

“Hey”, begrüßte er seine Freundin und zog sie in eine Umarmung, als er die Stimme seiner Mutter ein weiteres Mal vernahm.

“Was genau soll das werden, wenn's fertig ist? Ich dachte, ich hätte mich klar genug ausgedrückt!”

Mit einem fast zuckersüßen Lächeln drehte sich Kian zu seiner Mutter um, während er die Hand seiner Freundin ergriff. “Juli wird mir beim Putzen helfen”, erwiderte er und warf der Jüngeren einen kurzen Blick zu. Er hatte ihr im Vorfeld bereits erklärt, warum er wollte, dass sie sich hier trafen, und zu seiner Erleichterung hatte Juli dem sofort zugestimmt.

“Und keine Sorge, wir vergessen auch auf gar keinen Fall, alle Türklinken im oberen Bereich zu polieren!”, schob er an seine Mutter hinterher, bevor er Juli einfach die Treppe hochzog, Und seine Mutter völlig verblüfft und mit offenem Mund mitten in der Küche stehen ließ.

06.01.2024 - Zehen

“Mama? Warum haben wir fünf Zehen an jedem Fuß?”

Verblüfft blinzelte Hannah, als sie die Frage ihrer Tochter Nele aus dem Wohnzimmer hörte.

“Wie kommst du denn jetzt darauf?”, wollte sie perplex wissen und sah in den anderen Raum, wo Nele am Wohnzimmertisch saß und mit einer ihrer Puppen spielte.

Die Sechsjährige würde in ein paar Wochen eingeschult werden und war jetzt schon unglaublich wissbegierig. Manchmal stellte sie Fragen, auf die Hannah einfach keine Antwort wusste und diese gehörte zweifelsohne dazu.

In dem Moment, in dem sie erneut zu einer Antwort ansetzen wollte, öffnete sich die Tür und ihr Mann betrat das Haus.

“Papa”, Glück ist sofort euphorisch über die Lippen der Sechsjährigen, während sie sich erhoben, um ihren Vater zu begrüßen. Nachdem Milan die Arme ausgebreitet hatte, warf sich Nele sofort an seine Brust.

“Na, was machen meine zwei Hübschen gerade?”, wollte der Dunkelhaarige wissen und drückte seiner Tochter an sich.

“Ich habe gemalt und Mama macht Essen”, gab die Sechsjährige bereitwillig Auskunft, bevor sie sich von ihrem Vater löste und ihn Richtung Tisch zog.

“Und deine Tochter hat eine Frage gestellt, von der ich sicher bin, dass zu sie viel besser beantworten kannst”, schob Hannah hinterher und trat kurz ins Wohnzimmer, um ihren Mann angemessen zu begrüßen.

“Was für eine Frage?”, hakte Milan sofort nach und sah fragend zwischen seiner Frau und seiner Tochter hin und her. “Warum haben wir fünf Zehen an jedem Fuß und fünf Finger an jeder Hand?”, stellte Nele ihre Frage ein weiteres Mal, woraufhin auch Milan kurz verblüfft blinzelte. Mit so einer Frage hatte er nicht gerechnet, aber trotzdem legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. “Was hälst du davon, wenn ich erst duschen gehe und wir dann gemeinsam essen, bevor ich dir deine Frage beantworte?”, schlug er vor, wodurch Nele sofort nickte. Es war nicht so, dass er seiner Tochter nicht antworten wollte, er wusste einfach nicht, was er ihr antworten sollte.
 

Nachdem Milan geduscht hatte und auch gemeinsam mit seiner Frau und Nele gegessen hatte, nahm er sich seine Tochter endlich zur Seite. “Willst du jetzt wissen, warum wir Menschen zehn Finger und Zehen haben?”, wollte er wissen und ließ sich auf dem Sofa nieder, wo Nele sofort auf seinen Schoss krabbelte.

“Eigentlich ist die Antwort darauf ganz einfach”, begann er und sah seine Tochter mit einem Lächeln an. Nele legte ihren Kopf schief und sah ihn fragend an. “Ja?”

“Ja, denn dadurch hatten die Menschen die erste Rechenmaschine immer bei sich. Es fiel ihnen unglaublich leicht, bis zehn oder mit Hilfe der Zehen auch bis zwanzig zu zählen. Und diese natürliche Rechenmaschine hat auch heute noch jeder Mensch immer bei sich”, erklärte er, woraufhin Nele verstehend nickte und anschließend erst auf ihre Finger und dann auf ihre Zehen sah.

“Wie gut, dass ich schon bis zwanzig zählen kann und meine Zehen nicht zum Zählen brauchte”, kicherte Nele anschließend und hüpfte wieder vom Schoß ihres Vaters, um in ihrem Kinderzimmer zu verschwinden. Milan sah ihr nach und wusste nicht, ob er ihr die richtige antwort gegeben hatte, aber er wusste, dass es eine war, die Nele zumindest in diesem Moment zufrieden gestellt hatte.

07.01.2024 - Spucke(n)

“Spinnst du?” Angeekelt sah Jake auf seine Schuhe und ballte seine Hände zu Fäusten. vor wenigen Sekunden hatte Blake ihm vor die Füße gespuckt und dabei auch seine Füße getroffen.

“Offensichtlich”, gab der Angesprochene nur knapp zurück und wischte sich mit dem Handrücken kurz über den Mund hinweg. Jake provozierte ihn schon seit Tagen, passte ihn in jeder Schulpause ab und langsam aber sicher wusste Blake nicht mehr, was er noch tun sollte. um den Älteren wieder loszuwerden. Obwohl er schon längst Gefühle für Jake entwickelt hatte, die weit über Freundschaft hinausgingen. Vielleicht aber auch gerade deswegen.

Ohne Jacke auch nur die Chance zu geben, ein weiteres Mal zu antworten, drehte er sich von ihm weg und öffnete stattdessen seinen Spind. Nur um im selben Moment aufzukeuchen, als Jake ihn mit einer schnellen Bewegung wieder zu sich drehte und ihn gegen den Schrank neben seinem eigenen Spind presste.

“Was glaubst du eigentlich, wer du bist?”, zischte er ihm entgegen, während er ihn regelrecht anstarrte. Blake hatte Mühe, dem Blick standzuhalten, und seine Lippen bildeten inzwischen einen einzigen Strich. Er brauchte ein paar Augenblicke, um sich zu sammeln, bevor der Trotz in ihm die Oberhand gewann.

“Tu nicht so, als ob du das nicht weißt. Letzte Nacht konntest du meinen Namen nicht oft genug stöhnen”, provozierte er ihn schließlich und vernahm mit Genugtuung, dass Jake direkt zusammen zuckte. Reflexartig ließ er sein Gegenüber wieder los und taumelte einige Schritte zurück, bevor er regelrecht vor ihm floh. Er wollte nicht an diese Nacht denken, er wollte nicht daran denken, wie sehr es ihm gefallen hatte. Und er wollte auch nicht daran denken, dass er Blake gerade eben noch gesagt hatte, dass er es bereute, sich überhaupt auf ihn eingelassen zu haben.

Als Antwort darauf hatte Blake ihm vor die Füße gespuckt und ihm anschließend diesen Satz um die Ohren gehauen, der so viel in Jake auslöste, dass er kaum damit umgehen konnte. Obwohl er wusste, dass ihm noch eine weitere Doppelstunde Chemie bevorstand, floh er aus der Schule. Weg von Blake, weg von all dem, was er gerade empfand.
 

Nachdem Jake verschwunden war, sank Blake etwas in sich zusammen und drehte sich wieder in Richtung seines Spindes. Er hatte dem Älteren wirklich nicht vor die Füße spucken wollen, aber nach allem, was in der letzten Nacht gewesen war, hatten Jakes Worte ihn so sehr verletzt, dass er einfach keinen anderen Ausweg gesehen hatte. Mit einem tiefen Atemzug nahm er das Chemiebuch aus dem Spind und schloss den Schrank wieder. Am liebsten wäre er Jake einfach hinterher gegangen, aber auf der anderen Seite war er auch einfach noch viel zu sauer auf den Älteren.

Er wusste, dass er nicht erwarten konnte, dass Jake ihm gleich am nächsten Tag um den Hals fallen würde, aber dass er ihm sogar sagte, dass er es bereute, mit ihm geschlafen zu haben, hatte ihn einfach zutiefst verletzt.

Dem Chemieunterricht konnte er kaum folgen, viel zu sehr hing er in seinen eigenen Gedanken fest. Zum Ende des Unterrichts hin erhob er sich, wie alle anderen Schüler auch, und sah zu seinem besten Freund, als er dessen Stimme vernahm. “Was genau war das auf dem Flur zwischen Anderson und dir?”

Über die Schulter hinweg sah Blake seinen besten Freund kurz an, zuckte aber dennoch nur kurz mit den Schultern. “Keine Ahnung, was er für ein Problem hat”, erwiderte er knapp und schwang sich den Rucksack über die rechte Schulter, bevor er Luan einfach stehen ließ. Er wusste sehr wohl, was genau das Problem war und im Laufe der letzten Minuten hatte er beschlossen, dass es nur einen Ausweg aus dieser Situation gab. Er musste mit Jake reden und das so schnell wie möglich.

Ohne weiter auf Luan einzugehen, verließ er das Schulgebäude und lief geradewegs in die Richtung, in der sich das Haus des Älteren befand. Davor angekommen, rang er kurz nach Atem, bevor er auf die Klingel drückte. Es dauerte lediglich ein paar Minuten, ehe er einer ihm unbekannten Frau gegenüberstand, von der er automatisch davon ausging, dass es Jakes Mutter war.

“Was kann ich für dich tun?”, sprach sie ihn direkt an, woraufhin Blake die Hände in den Hosentaschen vergrub. “Ich .. ähm.. wollte zu Jake”, erwiderte er schließlich, woraufhin die Dunkelhaarige einen Blick über die Schulter ins Hausinnere warf.

“Bist du ein Freund von ihm?”, hakte sie nach und Blake nickte so schnell, dass ihm fast schwindlig wurde. “Er ist heute früher gegangen, weil es ihm nicht gut ging und ich wollte ihm die Chemie - Hausaufgaben vorbeibringen", griff er zu einer kleinen Notlüge, woraufhin die Frau kaum merklich nickte. “Ja, das hat er mir gesagt”, erwiderte sie erst und trat anschließend an die Seite, um ihn ins Haus zu lassen. “Er ist oben in seinem Zimmer”, schob sie noch hinterher und ließ ihn anschließend mitten im Eingangsbereich stehen. Verwundert sah Blake ihr hinterher, bevor er ein weiteres Mal tief Luft holte und sich anschließend in Richtung Treppe bewegte. Er war zwar mit der gestrigen Nacht das erste Mal im Haus des Älteren gewesen, aber trotzdem erkannte er sofort, welche der Türen im oberen Bereich zu Blakes Zimmer führte.

Vor der Tür zögerte er erst, bevor er doch anklopfte und erst eintrat, als von drinnen ein einfaches “Ja?”, zu hören war.

Sofort, als er die Tür geöffnet hatte, sprang Jake regelrecht vom Bett auf, auf dem er gelegen hatte und starrte ihn regelrecht an. “Blake!”

Ein flüchtiges Lächeln glitt über die Lippen des Angesprochenen, während er die Tür mit dem Fuss schloss und sich mit dem Rücken dagegen lehnte.

“Was willst du hier?”, sprach Jake ihn ein zweites Mal an, ohne sich ihm zu nähern. Stattdessen fixierte er ihn direkt und Blake konnte sehen, dass sich dessen Hände zu Fäusten ballten.

“Dir unsere nicht vorhandenen Chemie - Hausaufgaben vorbeibringen”, schmunzelte er anschließend, woraufhin Jake ihn verwirrt ansah. “Hä?”, gab er verwirrt zurück und musterte Blake fragend, woraufhin dieser kurz mit den Schultern zuckte. “Das habe ich deiner Mutter gesagt, aber eigentlich will ich mit dir über vorhin reden und mich entschuldigen, weil ich dich .. angespuckt habe”, entgegnete Blake ruhig und für einen kurzen Moment weiteten sich die Augen seines Gegenübers. “Warum hast du es dann getan?”, antwortete Jake und diesmal war es Blake, der zwar eine Augenbraue hochzog, aber auch leise seufzte.

“Weil ich verletzt war. Ich weiss nicht, was ich nach letzter Nacht erwartet habe, aber dass du mir sagst, dass du all das, was zwischen uns war bereust, tat verdammt weh.” Kurz biss sich Blake auf die Lippen und hob eine Hand, als Jake etwas erwidern wollte. “Lass mich erst reden, bitte”, bat er ihn erst und sah Jake weiterhin an, obwohl der Drang, dieser Situation zu entfliehen, noch immer die Oberhand gewinnen wollte, aber er musste einfach alles loswerden, was ihn beschäftigte. Und wenn das bedeutete, dass Jake ihn danach hochkant rauswarf, dann würde er diesen Umstand akzeptieren müssen. “Obwohl es nur diese eine Nacht war, hatte sie alles, was ich mir schon seit Monaten wünsche. Jede Nacht träume ich davon, am nächsten Morgen in deinen Armen aufzuwachen und bin manchmal sogar enttäuscht, wenn das nicht der Fall ist”, fuhr er leise fort und konnte beobachten, wie sich Jake etwas entspannte, ihn aber auch weiterhin regelrecht anstarrte. Blake lächelte kaum merklich und trat langsam auf Jake zu, um unmittelbar vor ihm stehen zu bleiben. “Und außerdem bin ich mir sicher, dass du nie mit mir geschlafen hättest, wenn du nicht auch irgendein Gefühl in dir tragen würdest, dass in die Richtung geht, die ich mir schon so lange wünsche”, wisperte er leise und legte eine Hand auf die rechte Faust des Älteren, um sie aus der Faust zu lösen, damit er ihre Finger miteinander verschränken konnte.

“Blake, ich ..”, begann Jake leise und der Angesprochene konnte sehen, dass der Ältere längst nicht mehr so wütend und aufgebracht war wie noch vor wenigen Minuten. Oder wie vorhin in der Schule. Mit einem tiefen Atemzug schloss Jake kurz seine Augen, bevor er sie wieder öffnete und auch die Hand des anderen etwas drückte.

“Es ist nicht so, dass es mir nicht gefallen hat, eher im Gegenteil. Ich weiss .. einfach nur nicht, wie ich damit umgehen soll, dass ich mit einem Mann geschlafen habe. Und ich war doch auch noch nie in einen Mann verliebt, dass ist alles vollkommenes Neuland für mich”, gestand er ihm schließlich und auch Blakes Lippen legte sich sofort ein sanftes Lächeln. Ein Stück weit konnte er die Reaktion des Anderen vielleicht sogar verstehen, auch wenn es ihn verletzt hatte, dass Jake ihn so angefahren hatte. Und vor allem, wie er es getan hatte.

“Dann .. bereust du es nicht, mit mir geschlafen zu haben?”, hakte er nach, woraufhin Jake zwar kurz zögerte, aber anschließend den Kopf schüttelte. “Nein.”

“Was hälst du davon, wenn wir all das zwischen uns langsam angehen lassen? Und jeden Tag neu kennenlernen und das nicht nur auf körperlicher Ebene?”, schlug Blake leise vor, auch wenn er garantiert nichts gegen eine Wiederholung einzuwenden hätte. Der Kopf Jakes neigte sich ein wenig, bevor sich ein Grinsen auf seine Lippen schlich.

“Nur unter der Bedingung, dass du deine Spucke in Zukunft beim Küssen mit mir teilst und nicht, weil du mir auf die Schuhe spuckst”, schmunzelte er und Blake war über diese Wortwahl so perplex, dass er ihn ein paar Augenblicke lang einfach nur ansah. “Geht klar”, grinste er schließlich und setzte dessen Worte auch sofort in die Tat um, indem er Jacke einen Kuss auf die Lippen drückte. “Ich liebe dich übrigens auch”, flüsterte er anschließend zwischen zwei Küssen und merkte sofort, dass sich Jake noch ein Stück weit mehr entspannte. Blake wusste nicht, wohin ihn all das mit Jake führen würde, aber er war sich sicher, dass er ihn liebte. Und brauchte. Und auch, dass es Jake genauso erging, trotz der anfänglichen Unsicherheit, aber vielleicht auch gerade deswegen.

08.01.2024- Gastfreundschaft

“Hast du alles fertig? Die ersten Gäste kommen gleich.”

Die Stimme seiner Frau Regine riss Boris aus seinem Tun. Gemeinsam mit seiner Frau hatte er erst vor kurzem einen kleinen Bauernhof zu einem Hotel umgebaut und heute sollte die Eröffnung sein.

“Ja, es ist alles fertig”, entgegnete Boris und schloss die Tür zu einem der Zimmer hinter sich. Er hatte ein wenig Bedenken, ob es wirklich die richtige Entscheidung gewesen war, diesen Neuanfang zu gehen, aber seine Frau war so voller Energie und Vorfreude, dass er sich einfach hatte anstecken lassen.

Regine lächelte und trat kurz auf ihn zu, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken. “Weißt du eigentlich, wie dankbar ich dir bin, dass du diesen Schritt gemeinsam mit mir gehst?”, hauchte sie ihm leise entgegen, woraufhin Boris sachte lächelte, aber trotzdem nicht mehr dazu kam, etwas zu erwidern.

In dem Moment, in dem er den Mund öffnete, um etwas zu sagen, ertönte von unten die Türschelle. Regine löste sich sofort von ihm und eilte nach unten. Einen Augenblick lang sah Boris ihr nach, bevor er ihr folgte und das junge Paar begrüßte, das er vor dem Tresen im Eingangsbereich erblicken konnte.

Während Regine dem jungen Paar beim Einchecken half und ihnen den Schlüssel überreichte, nahm Boris bereits die Koffer des Paares, um sie in eines der Zimmer zu bringen, zu dem die jungen Leute ihm schließlich folgten.
 

Es vergingen ein paar Tage, in denen das junge Paar im Hotel verweilte und auch andere Gäste zogen ein oder blieben nur für eine Nacht. Regine ging in ihrer neuen Aufgabe voll auf und tat alles, um die Gäste zufrieden zu stellen.

Auch heute, eine Woche nachdem das erste Paar eingecheckt hatte, saß Regine am Empfang. Sie wusste, dass die jungen Leute heute auschecken wollten, aber bislang hatten sie sich noch nicht im unteren Bereich blicken lassen. Fast minütlich sah Regine in Richtung Treppe und atmete unbewusst erleichtert auf, als sie die junge Frau auf dem Weg nach unten entdecken konnte, zusammen mit ihrem Freund und Boris, welcher die Koffer des Paares nach unten bugsierte.

“Frau Stapelmeister”, begrüßte die junge Frau Regine und legte ihren Schlüssel auf den Tresen.

“Ich hoffe, es war alles zu ihrer Zufriedenheit”, sprach Regine und lächelte sachte, aber auch etwas nervös. Die junge Frau lächelte erneut und nahm ihren Koffer von Boris entgegen.

“Das werden Sie in der nächsten Ausgabe der “Zufriedener Urlauben” nachlesen können, die am Montag erscheint”, hörte sie lediglich die Antwort der jungen Frau, bevor sie sich abwandte und Regine und ihren Mann einfach stehen ließ.

Verblüfft sah Regina ihr nach und ließ sich auf den Stuhl fallen, der hinter ihr stand.

“In der neuesten Ausgabe von "Zufriedener Urlauben”, wiederholte sie perplex und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. “Was, wenn sie nicht zufrieden waren und in ihrem Bericht so negativ über uns berichtet, dass gar keiner mehr kommt. Das könnte unser Untergang sein”, richtete sie das Wort an ihren Mann, woraufhin Boris den Kopf schüttelte.

“Das glaube ich kaum, sie haben sich hier wohl gefühlt. Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Ausgabe abzuwarten”, entgegnete er und trat zu seiner Frau, um ihr einen Kuss auf den Haarschopf zu drücken.

Die nächsten Tage vergingen für Regine nur langsam. Sie kümmerte sich um neue Gäste, um alle, die wieder abreisten und auch um alles, was dazwischen anfiel. Trotzdem konnte sie kaum erwarten, die Ausgabe des Magazins in die Hände zu bekommen, dass darüber entscheiden konnte, wie es mit ihrem kleinen Hotel weiter ging.

Früh am Montag lag sie sprichwörtlich auf der Lauer und wartete auf den Postboten, der ihr das Magazin bringen sollte. Sie hatte es schon seit Jahren abonniert und hätte nie darüber nachgedacht, wie es sein würde, wenn einmal über die geschrieben werden würde.

Kaum, dass der Postbote da gewesen sein, rief sie nach Boris und blätterte nervös durch die Seiten. Als sie die richtige Seite gefunden hatte und Boris endlich neben ihr stand, schob sie das Magazin in seine Richtung. “Lies du es vor”, bat sie ihn leise und sichtlich nervös, woraufhin ihr Mann lediglich nickte und anschließend zu lesen begann.
 

“Mitten im Grünen und in bester Lage befindet sich das Hotel “Regimee”, dass von Regine Stapelmeister und ihrem Mann Boris geführt wird. Liebevoll eingerichtete Zimmer, Frühstücks - und Mittagessen Buffet, bei dem kein Gast hungrig den Tisch verlässt. Gastfreundschaft wird hier ganz groß geschrieben und durch die liebevolle Art der Gastgeber, ihren Gästen jeden Wunsch von den Augen abzulesen, ist dieses neu eröffnete Hotel jeden Besuch wert.”
 

Den Hauptteil des Textes blendete Regine aus, aber diese Zusammenfassung sorgte sofort dafür, dass sie sich entspannte. “Das klingt wunderbar”, hauchte sie leise und strahlte ihren Mann regelrecht an. Mit diesem Bericht in einem der meistverkauften Urlaubsmagazine hier in der Gegend würde ihr Hotel fortan noch mehr Aufmerksamkeit bekommen, als es eh schon der Fall war. Und genau das war alles, was Regine sich je erträumt hatte. Und auch bei Boris die letzten Zweifel beseitigte.

09.01.2024 - Bergung

Schrill hallte die Sirene durch die ganze Stadt und die Feuerwehrstation. Joaquin und seine Kollegen Mario und Felipe sprangen sofort auf, um zu ihren Fahrzeugen zu gelangen. “Wohnhausbrand in der Granson Street. Hausnummer 56 steht in Flammen und es werden alle Einsatzkräfte benötigt”, rief ihr Chief Hugo ihnen zu, woraufhin Joaquin direkt ins Straucheln geriet. “Was hast du gesagt?”, wollte er wissen und ein Ausdruck von Panik huschte über sein Gesicht. “Wohnhausbrand in der Granson Street, Hausnummer 56 steht in Flammen”, wiederholte Hugo und erstarrte im selben Augenblick ebenso. Die Hausnummern gehörte zu Joaquins Wohnungskomplex und er lebte dort mit seiner Frau und dem fünf Wochen alten Sohn.

“Ich muss sofort dorthin", rief er aus und stürmte zu seinem eigenen Wagen. Er achtete gar nicht mehr auf seine Kollegen, sondern wollte so schnell wie möglich nach Hause. Er schlüpfte direkt ins Fahrzeug und brauchte doch ein paar Versuche, um den Schlüssel ins Zündschloss zu bekommen. Seine Hände zitterten, sein Puls raste und seine Gedanken fuhren regelrecht Achterbahn.

“Joaquin.” Als er die Stimme des Chiefs unmittelbar neben sich hörte, wandte er seinen Blick in dessen Richtung. “Du solltest in deinem Zustand kein Auto fahren”, schob Hugo hinterher und streckte die Hand nach dem Autoschlüssel aus.

“Ich muss aber nach Hause, Hugo. Je mehr Zeit vergeht, umso wahnsinniger werde ich!”, erwiderte Joaquin und bekam gar nicht mit, dass seine Kollegen die Feuerwache längst verlassen hatten.

“Dann lass mich fahren, aber du wirst dieses Gelände nicht eigenständig verlassen”, forderte Hugo ihn auf, woraufhin Joaquin kurz zögerte, aber anschließend doch umständlich auf die Beifahrerseite rückte.
 

Die Autofahrt kam Joaquin wie eine Ewigkeit vor und er malte sich die schlimmsten Dinge aus. Was, wenn schon längst alles zu spät war? Oder wenn er Katrina und seinen geliebten Sohn nie wiedersehen würde?

“Egal, was uns dort gleich erwartet, Joaquin. Die Bergung der Verletzten steht an erster Stelle, egal um wen es sich dabei handelt”, sprach Hugo den Dunkelhaarigen an, kurz bevor er das Auto an einer Stelle parkte, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Knapp nickte Joaquin und stürzte aus dem Auto. Das Haus, in dem er lebte, stand lichterloh in Flammen und er konnte sehen, dass seine Kollegen und auch die Leute einer anderen Feuerwache bereits mit der Löschung beschäftigt waren.

Seine Sicherungen schalteten sich komplett aus und er stürmte regelrecht auf das Haus zu. Er vergaß sämtliche Sicherheitsvorkehrungen und alles, was Hugo ihm noch vor wenigen Sekunden gesagt hatte. Er musste ins Haus, er musste wissen, was mit Katrina und Miguel war. Kurz bevor er die Haustür erreichte und bereits die Wärme spürte, die vom Gebäude ausging, wurde er abrupt zurückgerissen.

“Überlass die Bergung den anderen, du bist nicht zurechnungsfähig”, hörte er Hugos Stimme in seinem Ohr, während er seine Arme um Joaquins Oberkörper schlang. “Lass mich los! Ich muss zu Katrina und dem Kleinen”, brüllte er und versuchte, sich von ihm loszureißen. Minutenlang. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, so fest war es in ihm verankert, jetzt ist in dieses Gebäude zu müssen.

“Was ist denn hier los?” Als er die Stimme der Frau hinter sich hörte, um die sich gerade alles drehte, drehte er den Kopf ruckartig in die Richtung. “Katrina”, stieß er erleichtert aus und als Hugo ihn endlich losließ, geriet er kurz ins Straucheln. Vor ihm stand seine Frau, den gemeinsamen Sohn auf dem Arm und er konnte sehen, dass sich ihre Augen vor Schreck geweitet hatten, als ihr Blick in Richtung Haus huschte.

Erst, nachdem Joaquin sich wieder etwas gefangen hatte, trat er auf seine Frau zu und schloss sie in ihre Arme. Erleichterung durchflutete ihn und er drückte seiner Frau einen Kuss auf die Haare.

“Es ist alles okay, Quino. Ich war nicht im Haus, hörst du? Es geht uns gut und für alles andere finden wir auch eine Lösung”, flüsterte Katrina ihm leise ins Ohr, als ihr bewusst wurde, welche Ängste ihr Mann durchgestanden haben musste. “Es geht uns gut”, flüsterte sie erneut, woraufhin Joaquin diesmal nur nickte und seine Frau ansonsten schweigend festhielt. Das war alles, was er hören musste und dass ihn gleichzeitig beruhigte: Er musste seine Familie nicht aus seinem eigenen Haus bergen.

10.01.2024 - Einschluss

“Einschluss in einer halben Stunde!”, hallte eine blecherne Stimme über die Station im örtlichen Gefängnis und Miguel zuckte direkt zusammen. Er befand sich seit zwei Wochen im Gefängnis und jedes Mal, wenn sich die Tür hinter ihm schloss, hatte er Mühe, nicht in eine Panikattacke zu verfallen. Derzeit befand er sich alleine auf der Zelle und vermutlich wurde niemand mitbekommen, wenn er an einer Panikattacke sterben würde, zumal er unschuldig hinter Gittern gelandet war.Sein bester Freund Samuel hatte ihn auf hinterhältigste Art und Weise hintergangen, indem er ihm die Drogen untergeschoben hatte, die er schon seit mehreren Monaten über die Grenzen ins Land schmuggelte. Miguel konnte nicht beweisen , dass die Drogen in seinem Koffer nicht seine waren, als er nach einem gemeinsamen Abstecher in die Vereinigten Staaten von den Sicherheitskräften aufgehalten worden war. Samuel hatte sich gleich aus dem Staub gemacht und ihm nicht einmal beigestanden, als er schließlich zu acht Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt worden war. Ohne etwas getan zu haben.

“Ey Fernandes, Planänderung. Du bist morgen für die Küche eingeteilt, statt für die Wäscherei”, holte ihn einer der Wärter aus seinen Gedanken und Miguel runzelte kurz die Stirn. “Warum?”, wollte er wissen, woraufhin der Angesprochene kurz mit den Schultern zuckte.

“Ich übergebe nur Anweisungen von oben”, antwortete er und ließ Miguel wieder alleine. Seine Stimme hallte über die Station hinweg, als er sich mit einem anderen Häftling auseinander setzte und Miguel schloss reflexartig seine Augen, um sich auf sich selbst zu konzentrieren. Und um sich auf den Einschluss vorzubereiten.

“Du bist Miguel, richtig?” Als er erneut angesprochen wurde, öffnete er seine Augen doch wieder und blickte zur Tür. “Und du bist?”, antwortete er und musterte den Mann im Türrahmen etwas. Er hatte in etwa seine Größe und Statur. Seine schwarzen Haaren fielen ihm auf einer Seite ins Gesicht und obwohl er, genauso wie Miguel, die übliche Gefängniskleidung trug, konnte er einen Teil der Tattoos am Hals und an den Händen erkennen.

“Santiago”, erwiderte der Schwarzhaarige schließlich knapp und trat einen Schritt näher in den Raum. Sein Blick ruhte auf Miguel und obwohl ein Lächeln die Lippen des Schwarzhaarigen zierte, kroch das Gefühl von Unbehagen in Miguel hoch. Knapp nickte er auf dessen Worte hin und sah kurz in Richtung Tür, als von draußen erneut die blecherne Stimme erklang, die den Einschluss in zehn Minuten ankündigte. Automatisch biss er sich auf die Lippen, was auch Santiago nicht verborgen blieb.

“Anfangs ging es mir genauso”, hörte er ein weiteres Mal die Stimme des Schwarzhaarigen, woraufhin er wieder zu ihm sah. “Was meinst du?”

“Die Angst vor dem Einschluss und davor, hier gefangen zu sein. Die Schweißausbrüche und der Gedanke daran, wann einen die nächste Panikattacke ergreift. Alleine in einem Raum, aus dem es kein Entkommen gibt”, erwiderte Santiago ruhig und ließ sich auf das zweite Bett nieder. Verblüfft sah Miguel den Schwarzhaarigen an und zögerte erst, bevor er nickte.

“Wie lange bist du schon hier?”, wollte er wissen und sah doch wieder zur Tür, als der Wärter von vorhin in dieser erschien. “Einschluss, Santiago. Abmarsch”, forderte er den Schwarzhaarigen auf, woraufhin dieser kurz mit den Schulter zuckte.

“Ich schlafe heute hier”, gab er unbeeindruckt zurück und lehnte sich auf dem Bett provokant zurück.

“Was?” Synchron mit dem Wärter glitt dieses einfache Wort über die Lippen Miguels, während sein Blick zu dem Schwarzhaarigen wusste. “Vorsichtsmaßnahme oder willst du riskieren, dass Miguel dich wieder heute Nacht aus deinem wohlverdienten Schlaf reißt, weil er eine Panikattacke hat. Und außerdem ist es doch egal, wo ich schlafe, solange ich mich von dir schließen lassen kann”, entgegnete er zurück, woraufhin ein Brummen die Lippen des Wärters verließ. “Mach doch, was du willst”, murmelte er und trat einen Schritt zurück, um die Tür zu schließen. Sobald Miguel den Schlüssel im Schloss hörte, biss er sich erneut auf die Lippen. Sein Blick huschte zu Miguel, auf dessen Lippen ein Grinsen lag. “Also, Miguel .. erzähl mir etwas über dich”, forderte er ihn auf und verschränkte seine Arme etwas vor der Brust. Miguel zögerte erst, bevor er ihm ein wenig über sich erzählte, genauso wie er etwas mehr von Santiago erfuhr. Im Laufe der Nacht öffnete er sich immer mehr und empfand es doch gar nicht mehr so schlimm, eingeschlossen zu sein. Dank Santiagos Hilfe und der Ablenkung, die er durch die Gespräche mit dem Schwarzhaarigen hatte.

11.01.2024 - Bauernhof

“Bist du dir auch wirklich sicher, dass du diesen Schritt gehen willst?”, sprach Arne seine Frau Helena an, woraufhin sie sofort nickte. “Ich bin mir sicher, Schatz”, entgegnete Helena und strich ihrem Mann liebevoll über die Brust hinweg. Ihr Kopf lag auf seiner Brust und ihr Blick auf war einen Punkt an der Tür fixiert. Schon vor einiger Zeit war in Helena der Wunsch gewachsen, die Stadt zu verlassen und auf einem Bauernhof neu anzufangen. Sie hatte sich sogar schon nach einem geeigneten Platz umgesehen und einen Bauernhof in der Nähe gefunden, der auch preislich gar nicht so weit von ihren Vorstellungen entfernt war. Sie hatte mit Arne darüber geredet und ihm von ihren Vorstellungen erzählt. Davon, dass sie das Erbe ihrer Großmutter dafür nutzen wollte, um den Bauernhof nicht nur für sich selbst zu nutzen, sondern daraus eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche zu machen, die es in ihren eigenen Familien schwerer haben als andere Kinder. So wie sie selbst damals. Durch den Alkoholkonsum ihres Vaters und der Tablettenabhängigkeit ihrer Mutter war sie der Familie noch in der Grundschule entrissen und von einer Pflegefamilie in die andere abgeschoben worden. Nirgends hatte sie sich wirklich Zuhause gefühlt und erst durch Arne hatte sie erfahren, was es heißt, wirklich geliebt zu werden.

Von dem Erbe ihrer Großmutter hatte sie erst erfahren, als sie volljährig geworden war und als ein Notar Kontakt zu ihr aufgenommen hatte. Sie hatte kaum noch Erinnerungen an die ältere Frau, aber ihr war von Anfang an klar gewesen, dass sie das Erbe sinnvoll anlegen wollte.

“Wenn du dir wirklich sicher bist, lass uns hinfahren und den Kaufvertrag unterschreiben”, hörte sie schließlich Arnes Stimme, woraufhin sie sich sofort aufrichtete und aus dem Bett sprang. Arne beobachtete sie schmunzelnd und setzte sich währenddessen ebenso auf.
 

Eine Stunde später stand Helena vor dem Gebäude, dass ihr zukünftiges Zuhause sein würde. Der Kaufvertrag war unterschrieben und die meisten Einzelheiten geklärt. Helena ließ ihren Blick durch die Gegend schweifen, bevor sie wieder zu Arne sah und ihm ein sanftes Lächeln schenkte. “Danke”, hauchte sie leise, bevor sie ihm einen Kuss auf die Lippen drückte und ihre Arme um seine Hüften schob, damit sie sich an ihn heran kuscheln konnte. Kaum merklich schüttelte der Größere den Kopf und drückte Helena einen Kuss auf den Haarschopf.

“Schade, dass Oma nicht mehr erleben kann, was mit ihrem Geld passiert”, murmelte sie schließlich leise, woraufhin Arne sie etwas von sich weg drückte.

“Auch, wenn ich sie nicht kenne, bin ich mir sicher, dass deine Großmutter bestimmt stolz auf dich wäre”, entgegnete er und küsste Helena sanft. Er wusste nicht, wohin sie ihre Zukunft führen würde und ob das Projekt Bauernhof wirklich von Erfolg gekrönt werden würde, aber er würde Helena bei allem unterstützen, bei all ihren Entscheidungen.

12.01.2024 - Google

Träge öffnete Miroslav seine Augen, als ihn der Klingelton seines Handys aus dem Schlaf riss. Mit einer Hand angelte er nach dem Störenfried und sah schlaftrunken auf das Display. “Oma?”, meldete er sich und zuckte doch zusammen, als die Ältere ihn sofort überfiel.

“Miro, Miro! Du musst sofort kommen. Ich habe Google gelöscht!”, sprach sie ihn sofort an und Miro konnte sich ein leises Lachen im ersten Moment nicht verkneifen. “Du kannst Google nicht löschen, Oma”, entgegnete er und richtete sich langsam auf, um sich mit einer Hand durch die Haare zu fahren.

“Doch, Miro! Ich habe Google gelöscht, du musst sofort kommen. Ich weiss doch gar nicht, was ich jetzt machen soll!”, hörte er erneut die Stimme seiner Großmutter, woraufhin er die Beine aus dem Bett schwang.

“Gib mir eine halbe Stunde”, seufzte er leise auf und erhob sich, um bereits ins Badezimmer zu laufen.

“Okay, aber beeil dich”, antwortete die ältere Frau und legte auf, noch bevor Miroslav überhaupt zu einer Antwort ansetzen konnte. Mit einem Kopfschütteln legte er das Handy an die Seite und machte sich etwas frisch, bevor er sich anzog.
 

Bereits eine halbe Stunde später stand er im Wohnzimmer seiner Großmutter und sah sie fragend an. “Also? Was hast du getan, dass du denkst, dass du Google gelöscht hast?”, wollte er sofort wissen, woraufhin die Angesprochene sofort auf den Laptop deutete, der auf dem Tisch stand.

“Er funktioniert nicht mehr. Jedesmal, wenn ich auf die Google Seite gehe, bekomme ich eine Fehlermeldung und die Seite kann nicht aufgerufen werden”, erzählte sie und Miroslav runzelte leicht die Stirn. “Und wie kommst du dann auf die Idee, dass du Google gelöscht hast?”

“Weil es gestern noch funktioniert hat und dann habe ich ein Update gemacht, so wie du es gesagt hast, aber jetzt geht nichts mehr”, redete Katinka auf ihren Enkel ein und Miro schüttelte im ersten Moment schmunzelnd den Kopf. “Lass mich mal sehen”, forderte er sie auf und ließ sich am Tisch nieder, auf dem der Laptop stand.

In den nächsten zehn Minuten besah er sich den Laptop, aktualisierte ein paar der Einstellungen, aber nichts funktionierte. Die Seite der Suchmaschine ließ sich tatsächlich nicht aufrufen.

“Ich habe es dir doch gesagt, ich habe Google gelöscht!”, rief Katinka verzweifelt und lief unruhig im Raum hin und her.

“Du hast Google nicht gelöscht, Oma”, gab Miroslav erneut nachdrücklich zurück und sah zu ihr auf. Als sein Blick jedoch an ihr vorbei glitt, konnte er sich ein leises Lachen nicht verkneifen.

“Was lachst du denn jetzt?” Irritiert sah Katinka ihren Enkel an und konnte sich keinen Reim darauf machen, was so plötzlich in ihren Enkel gefahren war.

“Ich weiss, warum Google nicht mehr funktioniert”, kicherte Miro und deutete auf die Ecke hinter seiner Oma. Dort stand der Router, der für das Internet zuständig war, und sie hatte es tatsächlich geschafft, den Stecker zu ziehen, der den Router mit der Stromversorgung verband. Katinka folgte dem Fingerzeig ihres Enkels und sofort wurde ihr bewusst, was der Grund dafür war, dass ihr Internet nicht mehr funktionierte.

“Oh”, murmelte sie lediglich leise und ließ Miro geschehen, als er das Stecker wieder mit der Steckdose verband.

“Siehst du, alles halb so schlimm”, entgegnete der Jüngere schmunzelnd und drückte seiner Oma einen Kuss auf die Wange, bevor er sich von seiner Oma zum Frühstück einladen ließ. Als Wiedergutmachung dafür, dass er Google gerettet hatte.

13.01.2024 - Unschlüssig

“Das rote oder lieber das blaue Kleid? Oder doch lieber das klassische Schwarze?” Fragend und durch den Spiegel hinweg sah Annabelle ihren Freund Samuel an. Heute Abend waren sie auf die Silberhochzeit seiner Eltern eingeladen und Annabelle wollte einen möglichst guten Eindruck auf das Ehepaar machen.

“Zieh doch einfach das an, in dem du dich am wohlsten fühlst?”, entgegnete Samuel, woraufhin ein Brummen die Lippen seiner Freundin verließ.

“Eine große Hilfe bist du nicht unbedingt”, beschwerte sie sich und drehte sich etwas mehr in seine Richtung. “Welches gefällt dir denn am besten?”, wollte sie wissen und hielt sich die drei Kleider erneut abwechselnd vor den Körper. Samuel hingegen zuckte jedoch nur mit den Schultern. “Meinetwegen musst du dich überhaupt nicht so aufbrezeln”, antwortete er und erhob sich von dem Stuhl, auf dem er die ganze Zeit gesessen hatte.

“Aber es ist die Silberhochzeit deiner Eltern und außerdem mein erstes Treffen mit ihnen. Da möchte ich einen möglichst guten Eindruck machen”, richtete Annabelle erneut das Wort an ihren Freund, wodurch Samuel diesmal lächelte. Er trat auf seine Freundin zu und legte ihr eine Hand auf die Wange. “Ich glaube, am meisten Eindruck schindest du, wenn du einfach zu selbst bist”, antwortete er und drückte ihr einen Kuss auf die Wange, bevor er aus dem Raum lief, als aus dem Wohnzimmer heraus das Telefon zu hören war.

Mit einem Seufzen sah Annabelle ihm nach und wandte sich wieder dem Spiegel zu. Unschlüssig hielt sie sich erneut ein Kleid nach dem anderen vor den Körper und legte alle drei schließlich doch wieder weg. Vielleicht hatte Samuel recht und sie musste einfach etwas finden, in dem sie sich auch wirklich wohl fühlte.

Während sie Samuel im Wohnzimmer reden hörte, trat sie auf den Kleiderschrank zu und inspizierte ihn haargenau. Sie holte ein paar der Sachen aus dem Schrank und breitete sie nicht nur auf dem Bett, sondern auch auf dem Fussboden aus.

Sie legte die verschiedensten Outfits zusammen, aber bei keinem gefiel ihr die Zusammenstellung. Seufzend ließ sie sich auf den Boden sinken und warf das Oberteil, das sie gerade in der Hand hielt, einfach auf das Bett. Sie war absolut unschlüssig, was sie anziehen sollte, aber sie wusste auch, dass sie Samuel auf gar keinen Fall enttäuschen wollte. Und seine Eltern auch nicht.

“Was ist denn hier passiert?”, hörte sie nach ein paar Augenblicken die überraschte Stimme Samuels, woraufhin sie kurz mit den Schultern zuckte. “Ich habe versucht, ein passendes Outfit zu finden, aber ich bin einfach total unschlüssig. Nichts passt zusammen oder gefällt”, antwortete sie und sah kurz zu Samuel hoch. Mit einem Seufzen ließ Samuel sich in die Hocke gleiten und strich Annabelle sanft durch die Haare.

“Was hälst du davon, wenn wir die Sachen gemeinsam wieder in den Schrank räumen und während du anschließend duschen gehst, suche ich dir ein passendes Outfit aus?”, schlug er ihr vor und im ersten Moment blinzelte Annabelle verblüfft, bevor sie nickte.

“Okay”, murmelte sie und erhob sich anschließend, um sich nach einem Kuss für Samuel ins Badezimmer zurückzuziehen.

Sie duschte in aller Ruhe und als sie wieder ins Schlafzimmer trat, fand sie eine schwarze Jeanshose, eine weisse Bluse und ihren Lieblingsblazer in Pink auf dem Bett vor. Sie schlüpfte in die ausgesuchten Sachen. Tatsächlich gefiel ihr bei einem Blick in den Spiegel was sie sah und fühlte sich auch direkt wohl.

So wohl, dass sie die Silberhochzeit ihrer künftigen Schwiegereltern in vollsten Zügen genoss und auch einen guten Eindruck bei diesen hinterlassen konnte.

14.01.2024 - Schüchtern

“Amelie? Kommst du? Wir müssen los!” Schon zum zweiten Mal rief Hannah nach ihrer sechsjährigen Tochter, aber auch diesmal ließ sich das Mädchen nicht blicken. “Amelie!”

In nicht einmal einer halben Stunden mussten sie los, um den Termin wahrzunehmen, der darüber entscheiden sollte, ob das Mädchen in diesem Jahr in die Schule kommen sollte oder noch ein Jahr warten musste. Hannah hatte ihrer Tochter gestern Abend noch erklärt, wie wichtig dieser Termin war, aber Amelie ließ sich einfach nicht blicken.

Mit einer Hand fuhr sich Hannah durch die Haare und lief ins Kinderzimmer. "Amelie, wir müssen los!”, sprach sie ihre Tochter sofort an, nachdem sie ins Zimmer getreten war und ihre Tochter auf dem Fußboden erblickte.

Kurz sah Amelie zu ihrer Mutter auf und schüttelte anschließend den Kopf. “Nein.”

“Nein?”, wiederholte Hannah perplex und ging vor Amelie in die Hocke. “Ich will nicht in die Schule”, erwiderte das Mädchen und spielte mit den Haaren einer Barbie, die sie in ihren Händen hielt.

“Warum denn nicht?”, hakte Hannah nach und konnte sehen, dass sich ihre Tochter auf die Lippen biss.

“Weil ich dann ganz alleine dort bin”, antwortete Amelie schließlich, ohne den Blick zu ihrer Mutter zu heben. Ihre beste Freundin Romina würde eine ganz andere Schule besuchen, dass wusste sie bereits im Vorfeld.

“Aber du kannst doch neue Kinder kennenlernen..”, begann Hannah, aber wieder schüttelte Amelie den Kopf. “Will ich nicht und außerdem mögen die anderen Kinder mich bestimmt nicht”, murmelte das Mädchen und spätestens jetzt war ihre Mutter vollkommen verwirrt.

Sie wusste zwar, dass ihre Tochter schüchtern war, aber das sie nicht einmal in die Schule wollte und überhaupt die Chance wahrnehmen wollte, andere Kinder kennenzulernen, überraschte sie.

“Was hälst du davon, wenn wir den Termin mit der Untersuchung erst wahrnehmen und dann in deinem Kindergarten nachfragen, wer von deinen Freundinnen überhaupt auch auf die Schule hier im Viertel gehen würde? Damit du einen Anhaltspunkt hast und nicht mehr das Gefühl hast, alleine zu bleiben?”, schlug sie ihrer Tochter vor und strich ihr liebevoll durch die Haare. Amelie zögerte erst, bevor sie nickte. “Okay”, murmelte das Mädchen und erhob sich, um sich fertig anziehen zu können, damit sie gemeinsam mit ihrer Mutter zu dieser Amtsuntersuchung fahren konnte.
 

Ein halbes Jahr später stand Hannah vor der Schule, um ihre Tochter abzuholen. Inzwischen war Amelie schon einige Wochen in der Schule und obwohl sie mit Merle eine weitere Freundin aus dem Kindergarten an ihrer Seite hatte, war sie noch immer etwas schüchtern und zurückhaltend. Hannah ließ ihre Tochter ihre eigenen Erfahrungen machen und ihr eigenes Tempo bestimmen, obwohl sie auch froh darüber war, dass Merle da war. Als Amelie heute aus dem Schulgebäude trat und ihre Mutter erblickte, lief sie sofort auf sie zu.

“Mama, Mama! Aishe hat mich zu ihrem Geburtstag eingeladen. Darf ich dahin?”, wollte sie sofort mit einem Strahlen auf dem Gesicht wissen, woraufhin Hannah sofort nickte. “Natürlich darfst du”, erwiderte sie sanft und war sich sicher, dass Amelie einem guten Weg war und schon bald nicht mehr ganz so schüchtern sein würde, wenn sie erst einmal noch weitere Freundschaft geschlossen haben würde.

15.01.2024 - Größe

Frustriert lief Cora durch die Gänge im örtlichen Einkaufszentrum. Sie wollte nichts kaufen, sie wollte sich einfach nur ablenken, um nicht daran denken zu müssen, dass ihr Vorstellungsgespräch bei einer Casting - Agentur ein totaler Reinfall gewesen war.

“Deine Größe reicht leider nicht aus”, hörte sie noch immer die Stimme des Agebrurchefs in ihrem Ohr, während sie mit der Rolltreppe in die obere Etage fuhr. Sie empfand sich nicht als klein und hatte außerdem das Gefühl, dass ein paar der anderen Frauen auch nicht unbedingt größer gewesen waren als sie.

“Cora!” Als sie ihren Namen vernahm, drehte sie ihren Kopf in die Richtung und erblickte ihren beste Freundin Vivi etwas weiter unten auf der Rolltreppe.

Oben angekommen wartete Cora auf ihre Freundin, welche ein paar Augenblicke später zu ihr aufschloss.

“Solltest du nicht eigentlich bei diesem Casting sein, von dem du die ganze Woche geschwärmt hast?”, überfiel Vivi sie direkt, woraufhin Cora mit den Schultern zuckte. “Ich wurde gleich in der ersten Runde aussortiert, weil ich nicht die richtige Größe habe”, entgegnete sie und konnte sehen, dass Vivi sie einmal von oben bis unten musterte. “Nicht die richtige Größe? Du bist gut zehn Zentimeter größer als ich. Bei mir könnte ich das ja noch verstehen, aber bei dir?” Skeptisch sah Vivi ihre Freundin an, wodurch Cora jedoch nur ein weiteres Mal mit den Schultern zuckte.

“Keine Ahnung, was der Typ für ein Problem der Typ hatte, zumal dort einige waren, die deine Größe hatten. Vielleicht hat ihm einfach mein Gesicht nicht gepasst”, brummte sie und vergrub die Hände in den Hosentaschen, während sie sich wieder in Bewegung setzte. Vivi folgte ihr und kaute überlegend auf ihrer Unterlippe herum. “Und was willst du jetzt machen? Ich hoffe, dass du dich davon nicht entmutigen lässt und dein Glück weiterhin versuchst?”, sprach sie schließlich weiter und deutete auf eines der Cafés. “Komm, ich lade dich auf einen Kaffee ein, danach sieht die Welt schon wieder ganz anders aus”, schob sie hinterher und zog Cora mit sich, noch bevor ihre Freundin überhaupt eine Antwort gegeben hatte. Cora selbst wusste nicht, ob ein Kaffee wirklich half, aber sie war froh darüber, dass Vivi hier war und sie ablenkte. Und vielleicht würde sie nach dem Kaffee ja auch wirklich den Mut fassen und sich bei weiteren Agenturen bewerben. Bei Agenturen, bei denen Größe eben doch nicht alles war.

16.01.2024 - Einkaufswagen / Warenkorb

Schon seit über einer Stunde klickte sich Zane durch das Internet und hatte schon etliche Dinge zu seinem virtuellen Einkaufswagen hinzugefügt. Nützliche Dinge, aber auch Sachen, die er eigentlich gar nicht gebrauchen konnte. Er klickte wahllos an, was ihm gefiel und schob es in den Warenkorb, auch wenn er wusste, dass er manche Dinge davon vermutlich niemals kaufen würde.

Aber jetzt, in diesem Moment, beruhigte es ihm und verschaffte ihm eine Art Genugtuung. Der Gedanke daran, dass er sich alles leisten konnte, wenn er es nur wollen würde. Am liebsten würde er seinem Vater direkt aufs Butterbrot schmieren, wie viel Geld er sich inzwischen wirklich erarbeitet hatte.

Früher hatte sein Vater ihn nie ernst genommen, seine Träume und Wünsche. Sein Streben danach, als Comiczeichner Fuß fassen zu können. Obwohl es schwer gewesen war und es etliche Rückschläge und Absagen gegeben hatte, hatte er es endlich geschafft. Mehrere Comics von ihm waren inzwischen in einem großen Publikumsverlag erschienen und hatten sich so gut verkauft, dass er inzwischen davon leben konnte. Alle Comics waren inzwischen sogar in andere Sprachen übersetzt worden und er hatte weltweiten Ruhm eingefahren. Wie gerne hätte er seinem Vater unter die Nase gerieben, dass er all das verwirklicht hatte, was er sich je erträumt hatte, aber der Ältere war vor ein paar Wochen gestorben. Obwohl ihr Verhalten nie sonderlich gut gewesen war und sie in den letzten Jahren kaum Kontakt gehabt hatten, hatte ihn dessen Tod getroffen. Wenngleich er auch nur über eine Zeitungsanzeige überhaupt davon erfahren hatte.

“Was machst du?”, riss ihn die Stimme seiner Freundin Amanda aus seinen Gedanken, während sie von hinten die Arme um ihn legte und auf den Bildschirm blickte. “Das willst du hoffentlich nicht alles kaufen?”, sprach sie ihn an und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Mit einem Lächeln schüttelte Zane den Kopf und wandte seinen Blick von Bildschirm ab.

“Nein, natürlich nicht. Ich .. habe nur kurzzeitig darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn ich all das wirklich kaufen würde und es meinem Vater unter die Nase reiben könnte. Als Zeichen dafür, dass ich als Comiczeichner doch Erfolg hatte”, erwiderte er leise und sah wieder auf den Bildschirm, als er ein paar der Sachen wieder aus dem Warenkorb löschte.

“Ich wüsste ein paar viel schönere Artikel für den Warenkorb”, flüsterte Amanda ihm ins Ohr und drückte ihm einen kurzen Kuss darauf, was Zane zum Erschaudern brachte. “Welche denn?”, gab er leise zurück und sein Blick huschte flüchtig zu ihr.

“Dinge, für unsere Hochzeit oder die gemeinsame Wohnung, in die wir bereits im nächsten Monat ziehen”, entgegnete die junge Frau und diesmal lächelte Zane sofort, bevor er sie in einer geschickten Bewegung auf seinen Schoß zog.

“Gute Idee! Lass uns am besten gleich danach suchen und einige davon schon in den Warenkorb schieben.” Das waren definitiv bessere Investitionen und vor allem waren es welche, bei denen er seinem Vater nicht erst noch beweisen musste, warum er sie brauchte.

17.01.2024 - Geräumig

“Hast du dir schon Gedanken über einen neuen Wagen gemacht?” Als Gregor die Stimme seiner Verlobten Madlen hörte, wandte er seinen Kopf in ihre Richtung. Die Dunkelhaarige stand im Türrahmen zu seinem Büro und strich sich über den Bauch hinweg. Sie war im neunten Monat schwanger und es würde nicht mehr lange dauern, bis ihr gemeinsames Kind auf die Welt kommen würde.

“Ja, ich habe bereits einige Angebote eingeholt und wir können uns zwei der Wagen heute noch ansehen, wenn dir das nicht zu viel wird”, entgegnete er und folgte seinem Frau mit dem Blick, als sie langsam auf ihn zu kam.

“Meinetwegen gerne. Heute ist unser Wirbelwind zur Abwechslung mal ein wenig umgänglicher und spielt nicht die ganze Zeit Fußball”, erwiderte Madlen schmunzelnd, während Gregor sich etwas nach vorne beugte, um einen Kuss auf den Bauch seiner Verlobten zu hauchen.

“Dann lass uns gleich los und danach in der Stadt etwas essen gehen”, schlug Gregor anschließend vor und erhob sich von dem Stuhl, auf dem er saß.

“Gute Idee”, stimmte Madlen zu, bevor sie ihrem Mann einen Kuss auf die Lippen drückte und danach wieder in Richtung Tür lief.

“Gib mir zehn Minuten, dann bin ich startklar”, richtete sie das Wort an den Blonden und deutete mit dem Kopf auf die Badezimmertür. In letzter Zeit musste sie oft auf Toilette, da der Kleine auf der Blase lag, aber ihre Frauenärztin hatte ihr gesagt, das sie sich keine Sorgen machen musste.
 

Eine Stunde später stand sie mit Gregor im Autohaus und begutachtete das zweite Auto. Das erste hatte ihnen beiden nicht zugesagt und hatte mehr Fehler und Mängel gehabt, als in der Anzeige gestanden hatte.

Dieser Wagen jedoch war nahezu perfekt und vor allem der geräumige Kofferraum hatte es Madlen angetan. “Der ist nicht nur für den Kinderwagen perfekt, sondern auch für Einkäufe, die ich eventuell tätigen muss, wenn du nicht dabei bist”, schwärmte Madlen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

“Durch das Umklappen der Rücksitze ist der Wagen noch um ein vielfaches geräumiger und bietet Platz für weitere Einkaufstaschen oder sogar Möbelstücke”, mischte sich der Verkäufer ein und erzählte ihnen anschließend noch ein wenig mehr über Den Wagen, über die Features, die dieser mit sich brachte und natürlich auch über den Preis. Und mit jedem Wort war nicht nur Madlen zufriedener, sondern auch Gregor. Der Wagen war wirklich perfekt und das nicht nur aufgrund des geräumigen Kofferraums.

18.01.2024 - Konversation

“Können wir vielleicht auch eine normale Konversation führen, ohne dass du gleich laut wirst?” Mit hochgezogener Augenbraue sah Miko seine Freundin Freja an, woraufhin die Blonde jedoch nur schnaubte.

“Weil ich nicht diejenige bin, die fremdgegangen ist”, grollte sie, woraufhin Miko direkt die Augen verdrehte.

“Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich nicht fremd gegangen bin?”, erwiderte er und verschränkte zusätzlich seine Arme vor der Brust. “Wieso beharrst du so sehr darauf, dass ich dich betrogen habe? Vertraust du mir so wenig?”

“Weil Neea dich gesehen hat, in einer innigen mit einer anderen. Außerdem sollst du sie geküsst haben. Wer weiß, was ihr danach noch gemacht habt!”, antwortete die Blonde erneut und blickte wütend auf ihren Freund herab.

“Wie lange kennst du Neea jetzt? Vier Monate? Ein halbes Jahr? Wir sind seit fünf Jahren zusammen, Freja. Vielleicht solltest du anfangen, darüber nachzudenken, wem du wirklich vertrauen willst!”

Jetzt war es Miko, der sich wütend erhob und vor seiner Freundin stehen blieb. “Wir sind fünf Jahre zusammen, Freja. Fünf verdammte Jahre. Ich habe dir erst vor zwei Monaten einen Heiratsantrag gemacht und bloß, weil eine Freundin, die du erst seit kurzem kennst, dir diesen Floh ins Ohr gesetzt hat, stehen wir hier und führen eine Konversation, die absolut lächerlich ist!”

“Lächerlich? Du empfindest es als lächerlich, darüber zu reden, dass du mich betrogen hast?”

“Ich habe dich nicht betrogen!!”, brüllte Miko zurück und trat an seiner Freundin vorbei. Er hatte keine Lust mehr, diese Konversation zu führen, wenn sie ihm eh keinen Glauben schenkte.

“Wo willst du denn jetzt hin?”, keifte Freja in seinem Rücken, während Miko in seine Jacke schlüpfte.

“Ich habe keine Lust auf eine Unterhaltung, in der du nicht mal annähernd darüber nachdenkst, dass Neea dich belogen haben könnte. Dich interessiert ja nicht einmal, wer die Frau war, mit der sie mich gesehen hat.”

“Du gibst also zu, dass du dich mit einer anderen Frau getroffen hast”, griff Freja diese Steilvorlage sofort auf und Miko erkannte schon an ihrer Stimme, dass sie ihre Wut nur schwer zügeln konnte.

“Das habe ich nie abgestritten, aber ich habe dich mit dieser Frau auch nie betrogen. Das wäre auch absolut absurd!”, entgegnete Miko, bevor er in seine Schuhe schlüpfte und die Türklinken ergriff.

“Aha und warum?”, wollte Freja erneut wissen und wich einen Schritt zurück, als Miko den Kopf ruckartig in ihre Richtung drehte. “Weil es meine Mutter war, verdammt!”, warf er ihr entgegen und ließ seine Freundin schließlich einfach stehen, in dem er die Wohnung verließ und die Tür hinter sich zuknallte.

Verblüfft sah Freja ihm nach und wusste gar nicht richtig, wie sie reagieren sollte. Alles, was sie wusste, war die Tatsache, dass diese Konversation gehörig nach hinten losgegangen war und sie sich eine verdammt gute Entschuldigung einfallen lassen musste, wenn sie Miko nicht komplett verlieren wollte.

19.01.2024 - Wohlhabend

“Du hast die Einladung abgelehnt? Warum?” Skeptisch sah Lara ihre beste Freundin Elena an. Die Dunkelhaarige hatte ihr gerade gestanden, dass Tarek - der Schulschwarm - sie gestern zu einem Date eingeladen hatte. Und dass sie abgelehnt hatte.

“Schau mich doch an, Lara. Ich bin das geborene Mauerblümchen. Ich stamme aus armen Verhältnissen, während Tareks Familie total wohlhabend ist. Ich muss mich um Mama kümmern und zusätzlich noch für Adrian da sein, wenn er meine Hilfe braucht. Ich passe einfach nicht in seine Welt!”

Kopfschüttelnd ließ sich Lara auf dem Bett ihrer besten Freundin nieder und lehnte den Kopf gegen das Kopfteil. “Wenn er das genauso sehen würde, hätte Tarek dich kaum eingeladen. Auch, wenn seine Familie reich und wohlhabend ist, glaube ich nicht, dass er so oberflächlich ist. Außerdem bist du kein Mauerblümchen”, erwiderte sie, woraufhin Elena jedoch wieder seufzte. “Im Gegensatz zu den Mädchen, mit denen er sonst abhängt, schon.”

“Dann beweise ihnen, dass du es wert bist, dass Tarek dich eingeladen hat und nicht sie. Nimm das Date an und verbringe einen ungezwungenen Tag mit ihm, ohne darüber nachzudenken, dass ihr aus zwei unterschiedlichen Welten stammt”, sprach Lara erneut, woraufhin Elena den Kopf schüttelte.

“Jetzt ist es eh zu spät, ich habe ja bereits abgesagt”, gab sie knapp zurück und schlüpfte anschließend in ihre Jeanshose. Heute hatten sie erst zur dritten Unterrichtsstunde Schule und Lara hatte bei ihr übernachtet, damit sie gemeinsam zur Schule gehen konnten. Ein wenig nervös war sie schon, jetzt nach dem Wochenende wieder auf Tarek zu treffen, denn seit ihrer Absage am vergangenen Freitag hatte er nichts mehr von ihm gehört.

Seufzend beobachtete Lara ihre beste Freundin und erwiderte doch nichts mehr. Sie wusste, dass mit Elena jetzt nicht mehr zu reden war, aber sie hoffte gleichzeitig auch, dass Tarek nicht aufgab und einen weiteren Versuch startete, um Elena von einem Date zu überzeugen. Sie fand eh, dass Elena und Tarek ein unglaublich schönes Paar abgaben. auch, wenn sie selbst einmal für ihn geschwärmt hatte.

“Lass uns los, sonst kommen wir noch zu spät”, holte Elena sie wieder aus ihren Gedanken, woraufhin sie wieder vom Bett rutschte, um mit ihrer besten Freundin zur Schule zu laufen.
 

Noch bevor Elena das Schulgelände eine halbe Stunde später überhaupt betreten konnte, hörte sie ihren Namen hinter sich. Unbewusst verspannte sie sich etwas und drehte sich nur langsam zu dem Verursacher um. “Tarek.”

Der Schwarzhaarige stand an seinem Auto gelehnt direkt vor dem Schultor und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. “Können wir reden?”, bat er sie, woraufhin Elena sofort den Kopf schüttelte, nach einem Schubs seitens ihrer besten Freundin aber auch auf ihn zustolperte.

“Ich warte drinnen auf dich!”, hörte sie Laras Stimme in ihrem Rücken, bevor sie Elena einfach stehen ließ. Ein wenig überfordert sah Elena ihr nach, bevor sie doch wieder zu Tarek sah.

“Ich wüsste nicht, worüber wir noch reden sollten”, sprach sie ihn schließlich an und sah einigen Mitschülerinnen nach, als sie tuschelnd an ihr vorbei liefen. Sie fühlte sich bereits jetzt unwohl und wäre der Situation am liebsten einfach entflohen. Den Blicken und dem Getuschel der anderen Schüler.

“Du hast mir nicht gesagt, warum du dir kein Date mit mir vorstellen kannst. Allein das ist ein Grund, worüber wir reden sollten”, entgegnete Tarek und ließ seinen Blick auf Elena ruhen.

“Weil ich nicht in deine Welt passe”, antwortete Elena reflexartig, wodurch Tarek eine Augenbraue hochzog. “Wie meinst du das?”

Seufzend schob Elena ihre Hände in die Hosentaschen und biss sich kurz auf die Lippen. “Sieh dich doch an, Tarek. Du siehst nicht nur unverschämt gut aus, du bist auch genauso unverschämt reich. Ich hingegen bin eher der Typ graue Maus und wohne in einer kleinen Wohnung mit meiner Mutter und meinem kleinen Bruder. Ich kann dir doch niemals das Wasser reichen. Du kannst dir alles leisten und fährst einen teuren Sportwagen, während ich jeden Cent dreimal umdrehen muss, weil meine Mutter krankheitsbedingt nicht arbeiten gehen kann”, sprudelte es aus ihr heraus, während sie spürte, dass ihr Tränen in die Augen schossen. Als Tarek sich vom Auto abstieß und ein paar Schritte auf sie zukam, wollte sie erst zurückweichen, blieb schließlich aber doch stehen.

“Weisst du, warum ich mich in dich verliebt habe?”, wollte er leise wissen, woraufhin sich die Augen Elenas sofort weiteten. Er war in sie verliebt?

Langsam schüttelte sie den Kopf und kaute weiterhin auf ihrer Unterlippe herum, während sie Tarek fragend ansah. Ihr schlug das Herz bis zum Hals und sie hatte Mühe, sich nicht einfach umzudrehen und zu gehen.

“Weil ich weiss, wie krank deine Mutter ist und weil ich es sehr bewundernswert finde, dass du euer Leben trotzdem so gut meisterst. Du kämpfst für das, was du liebst. Du gibst nicht auf, egal wie dunkel und hoffnungslos dir manchmal alles erscheinen mag. Du kommst täglich zur Schule und kümmerst dich trotzdem noch um deinen Bruder, wenn er deine Hilfe braucht”, erwiderte er sanft, woraufhin Elena kurz Luft holte. “Woher ..?”, begann sie leise und legte ihren Kopf schief. Sie hatte niemandem davon erzählt, wie krank ihre Mutter wirklich war. Lediglich Lara, als ihre beste Freundin, wusste von ihren Familienverhältnissen und half ihr so gut sie konnte.

“Mein Vater arbeitet in dem Krankenhaus, in dem ihr regelmäßig zur Behandlung seid."Ich habe dich dort auch schon ein paar Mal gesehen, aber wollte dich dort nicht unbedingt zu einem Date einladen”, schob Tarek hinterher, wodurch sich Elena ein leises Lachen doch nicht verkneifen konnte.

“Und stattdessen fragst du mich lieber vor versammelter Mannschaft in der Schule, während ich mit den Blicken deiner Fangirls förmlich erdolcht werde”, antwortete sie und zuckte doch zurück, als Tarek ihr mit den Fingerspitzen über die Wange hinweg glitt.

“Die sind mir völlig egal. Im Gegensatz zu dir”, fing er erst an und ließ seine Hand wieder etwas sinken, damit er vorsichtig ihre Finger miteinander verschränken konnte. “Lass mich doch auf ein Date einladen, Elena. Nur du und ich, ohne irgendjemanden sonst”, schob er hinterher und sah sie bittend an. Erneut biss sich die Dunkelhaarige auf die Lippen, hielt seinem Blick aber diesmal stand.

“Okay, aber .. nur unter einer Bedingung”, murmelte sie anschließend und spürte ein Kribbeln in ihrer Hand, als Tarek mit den Fingerspitzen über ihre Hand glitt und diesmal sie fragend anblickte.

“Ich entscheide, wohin wir gehen. Und du holst mich nicht mit dieser Karre dort ab.” Die Worte kamen ihr nur zögernd über die Lippen und sie konnte verstehen, dass Tarek nichts mehr von ihr wissen wollte. Es war nicht so, dass es ihr peinlich sein würde, mit ihm in seinem Auto gesehen zu werden. Sie wollte nur nicht den Eindruck erwecken, nur mit ihm unterwegs sein zu wollen, weil er reich und wohlhabend war.

“Alles, was du möchtest, solange du mir eine Chance gibst, dir zu zeigen, dass ich nicht der reiche Schnösel bin, für den mich die meisten halten”, flüsterte Tarek zurück und als er Elena einen Kuss auf die Stirn hauchte, wusste sie, dass sie auf einem guten Weg waren. Und dass sie auch wirklich bereit dafür war, Tarek in ihr Leben zu lassen.

20.01.2024 - Zugehörigkeit

Seufzend lehnte Luna den Kopf gegen die Fensterscheibe in ihrem Zimmer. Sie saß schon länger auf ihrer übergrößen Marmorfensterbank und beobachtete die Kinder aus der Nachbarschaft dabei, wie sie draußen herumtollten. Sie fuhren mit Inline Skates die Straße hoch und runter, oder mit ihren Fahrrädern. Sie lachten und spielten Fangen oder saßen einfach nur in der Sonne. Sie hingegen war in ihrem Zimmer gefangen und konnte nur nachts raus, wenn alle anderen schliefen. Sie wollte auch dieses Gefühl der Zugehörigkeit spüren, sie wollte mit ihren Freunden lachen oder ihre ersten Erfahrungen mit Jungs machen. Aber all das war nicht möglich und Luna fühlte sich einsamer denn je. Sie hatte ja nicht einmal eine beste Freundin, mit der sie reden oder etwas unternehmen konnte. Hier in ihrem Zimmer, nachts oder wenn keine Sonne am Himmel zu sehen war.

Durch eine Krankheit, die sie allergisch auf das Sonnenlicht werden ließ, konnte sie kaum rausgehen und Zeit mit ihren Freunden verbringen, konnte sie schon lange nicht. Sie konnte nicht einmal richtig in die Schule gehen und musste die meisten Schulaufgaben und Klausuren online absolvieren.

Als sie ihren Schwarm Jasper erblickte, der sich just in diesem Moment neben einem seiner Freunde auf den Rasen vor seinem Haus sinken ließ, schossen ihr direkt Tränen in die Wangen. Schon länger war sie in den Älteren verliebt, aber wirklich nahe gekommen war sie ihm noch nie.

Wie auch, wenn sie ihn kaum zu Gesicht bekam und ihn nur aus der Ferne beobachten konnte. Vielleicht wusste er nicht einmal, dass sie überhaupt existierte, obwohl sie auf eine Schule gingen. Um den Tränen Einhalt gebieten zu können, schloss sie ihre Augen und biss sich auf die Lippen. Als sie die Augen nach ein paar Augenblicken wieder öffnete, war Jasper weg und sie ertappte sich dabei, dass sie direkt enttäuscht war. Mit einem weiteren Seufzen rutschte sie von der Fensterbank, um sich am Schreibtisch niederzulassen. Sie musste noch einige Schulaufgaben nachholen und wenn sie eh schon nicht rausgehen konnte und auch Jasper nicht mehr beobachten konnte, konnte sie sich auch genauso gut darum kümmern.
 

In dem Moment, in dem sie das Mathebuch wieder zuschlug und die Aufgaben erledigt hatte, die dort fällig gewesen waren, klopfte es an ihre Zimmertür. “Ja?”, gab sie nur knapp zurück und sah zur Tür, als sich diese öffnete und ihre Mutter in dieser erschien. “Besuch für dich, Kleines”, richtete sie das Wort an ihre Tochter und das Lächeln, dass dabei auf den Lippen ihrer Mutter lag, irritierte Luna direkt.

“Besuch?”, wollte sie wissen und als ihre Mutter an die Seite trat, um den Besucher in ihr Zimmer zu lassen, weiteten sich ihre Augen direkt. “Jasper.”

Ihr Herz setzte kurzzeitig auf und sie war vollkommen überfordert mit der Tatsache, dass der Ältere in ihrem Zimmer stand. “Was machst du hier?”, wollte sie wissen und sah ihrer Mutter kurz nach, als sie die Tür wieder hinter ihr schloss.

“Ich wollte dich sehen”, entgegnete der Angesprochene und lehnte sich mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür.

“Warum?” Verwirrt drehte sich Luna ganz in die Richtung ihres Gesprächspartners und musterte ihn etwas. Seine bloße Anwesenheit brachte sie durcheinander und sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum er sie sehen wollte.

“Ich habe dich schon oft gesehen. Nicht nur in der Schule, wenn du denn mal dort warst. Sondern auch, wenn du hier oben auf deiner Fensterbank gesessen hast und ich wollte dich unbedingt kennenlernen. Cedric hat mich heute zum wiederholten Male ermuntert, einfach mal bei dir zu klingeln und ich finde, er hat gar nicht so unrecht", hörte sie Jaspers Stimme und im ersten Moment seufzte sie lediglich.

“Wozu? Ich bin nicht wie die anderen. Ich werde nie zu euch gehören. Ich werde nie gemeinsam mit euch in die Schule gehen können oder auf irgendwelche Partys", erwiderte sie und drehte sich wieder von ihm weg. Die Fensterbank ermöglichte es ihr nur deshalb nach draußen sehen zu können, da sie mit einer Spezialfolie versiegelt waren, die die Sonne fernhielt.

“Ich werde nie die Art von Freundin sein, die auf Dates gehen kann oder tagsüber in irgendwelchen Eisdielen abhängt”, schob sie leise hinzu, zumal sie sich all das schon oft genug vorgestellt hatte. Sie hatte sich selbst mit Jasper gesehen, Hand in Hand im Park. Oder beim Eis essen. Beim Schwimmen im nahegelegenen See, aber nichts davon war möglich.

“Wer sagt, dass ich mit dir in einer Eisdiele abhängen will? Vielleicht liebe ich es ja auch, nachts die Sterne zu beobachten. Oder den Mond, wenn er in voller Pracht am Himmel steht. Wenn die Welt still ist und man seine eigenen Gedanken am besten hören kann”, erwiderte Jasper, woraufhin Luna sich leicht auf die Lippen biss. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, aber als sie Jaspers nächste Worte hörte, wirbelte sie doch wieder zu ihm herum. “Geh aus mit mir, heute Nacht!”

“Was?”, wollte sie perplex wissen und folgte Jasper etwas unsicher mit dem Blick, als er sich von der Tür abstieß und sich auf sie zubewegte. Mit einer Hand stützte er sich am Schreibtisch ab und beugte sich zu ihr. “Nur du und ich und unsere Gedanken. Ein Spaziergang im Mondschein”, hauchte er ihr leise entdecken und grinste kurz, als Luna etwas überfordert nickte.

“Super, ich hole dich um zehn ab!”, glitt es ihm über die Lippen, bevor er sich wieder aufrichtete und ohne ein weiteres Wort wieder aus ihrem Zimmer verschwand. Völlig überfordert und durcheinander sah Luna ihm nach und konnte gar nicht fassen, was gerade geschehen war. Aber eines war sie vollkommen klar: Sie hatte ein Date mit Jasper. Und vielleicht würde er es schaffen, ihr doch irgendwann das Gefühl von Zugehörigkeit zu vermitteln. Wenn sie ihn nur ließ.

21.01.2024 - Sinn

Ich verstehe den Sinn hinter dieser Chemie - Aufgabe einfach nicht. Ich will in diesem Bereich nicht einmal arbeiten, wozu muss ich dann wissen, welche chemische Formel man braucht, um Gold oder Silber herzustellen?”

Mit einem frustrierten Seufzen ließ sich Noah nach hinten auf das Bett sinken und warf einen flüchtigen Blick auf seinen besten Freund Liam. Seit über einer Stunde versuchte er zu verstehen, was Liam ihm erklärte, aber sein Kopf war vollkommen leergefegt.

“In welchem Bereich willst du denn arbeiten?”, wollte Liam wissen, ohne von dem Buch aufzusehen, in dem er gerade blätterte. Bislang hatten sie nie darüber gesprochen, aber da sie sich inzwischen schon in ihrem vorletzten Jahr vor den Abiturprüfungen, mussten sie sich beide langsam Gedanken darüber machen, wie es weitergehen sollte.

“Ich möchte Sozialpädagogik studieren und mit Kindern und Jugendlichen zusammenarbeiten, die von ihren Eltern nicht das Leben bekommen können, was sie verdienen”, erwiderte er, woraufhin Liam seinen Kopf jetzt doch überrascht hob.

“Du hast mir nie gesagt, dass du in diesem Bereich arbeiten willst”, entgegnete er und legte seinen Kopf schief, während Noah kurz mit den Schultern zuckte und sich wieder aufrichtete. Er kannte Liam erst seit diesem Schuljahr, aber sie hatten trotzdem sofort auf einer Wellenlänge gelegen. Trotzdem wusste Liam noch nichts davon, dass Noahs Eltern nicht seine richtigen Eltern waren oder dass er eine Kindheit gehabt hatte, die er anderen Kindern und Jugendlichen ersparen wollte.

“Ich finde einfach, dass Kinder und Jugendliche, die in ihren Familien nicht die Liebe und Fürsorge erfahren, die sie verdienen, auch ein Recht darauf haben, dass man sie unterstützt. Oder die Kinder, deren Kinder längst nicht mehr am Leben sind”, erwiderte er und schluckte kurz, um den Kloß in seinem Hals zu unterdrücken.

“Das klingt, als hättest du dort Erfahrungen gesammelt?” Als er die Frage Liams hörte, zögerte er kurz, bevor er nickte. Vielleicht war es nach über einem Jahr endlich einmal Zeit darüber zu reden.

“Meine Eltern .. sind nicht meine leiblichen Eltern”, fing er an, woraufhin Liam seinen Kopf schief legte, wobei sich aber trotzdem ein Lächeln auf seinen Lippen bildete. “Das dachte ich mir alleine schon deswegen, weil du sie beim Vornamen nennst”, antwortete er und Noah biss sich kurz auf die Lippen. Es fühlte sich für ihn einfach falsch an, Mama und Papa zu ihnen zu sagen, aber Gott sei Dank hatte das Ehepaar von Anfang an kein Problem damit gehabt.

“Was ist mit deinen leiblichen Eltern?”, fragte Liam erneut nach und diesmal senkte Noah seinen Blick. “Sie sind tot.”

Durch diese drei einfachen Worte schnappte Liam hörbar nach Luft und er wusste im ersten Moment gar nicht, was er antworten sollte. “Das tut mir leid?”, murmelte er und legte Noah eine Hand auf die Schulter.

Langsam schüttelte Noah den Kopf und sah seinen besten Freund auch wieder an. “Das muss es nicht. Ich war noch viel zu klein, um zu begreifen, was passiert ist. Ich weiss auch nur durch Erzählungen, was wirklich geschehen ist, aber ich möchte anderen Kindern und Jugendlichen ersparen, was mir widerfahren ist”, entgegnete er und lächelte kaum merklich. Er wollte und konnte Liam in diesem Moment noch nicht erzählen, was wirklich passiert war und wodurch seine Eltern gestorben waren, was er Liam auch auf Nachfrage so übermittelte.

“Es ist okay. Ich bin da, wenn du bereit bist, mir mehr zu erzählen. Aber jetzt verstehe ich auch, warum es für dich keinen Sinn ergibt, dich chemischen Formeln zu widmen”, antwortete Liam schmunzelnd und wuschelte seinem besten Freund kurz durch die Haare. Noah konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. “Genau deswegen”, grinste er lediglich, wusste aber auch, dass er sich trotzdem noch mit den Formeln beschäftigen musste, um sein Abitur überhaupt zu bekommen, damit er studieren konnte.

Und egal, was das Leben noch für sie bereithalten würde, Liam und seine Adoptiveltern würden ihn bei all seinen Entscheidungen unterstützen und den Sinn dahinter verstehen. Davon war er überzeugt.

22.01.2024 - Schmutzig

“Emilio! Wie siehst du nur schon wieder aus!” Die schrille Stimmung einer jungen Frau hallte quer über den Spielplatz. Sie erhob sich von der Bank, auf der sie etwas abseits von den anderen Müttern saß und schoss so schnell auf ihrem Sohn zu, dass kaum jemand sie hätte aufhalten können. Mit hochgezogener Augenbraue beobachtete Bea, wie sie ihren Sohn aus dem Sandkasten hob und ihm den Sand von der Kleidung klopfte.

“Ich habe dir doch gesagt, du sollst dich nicht so schmutzig machen”, wo sie ihn an und Bea und ihre Freundin Adriana warfen sich sofort einen irritierten Blick zu.

“Ist es nicht völlig normal, dass sich Kinder schmutzig machen, wenn sie sich auf einem Spielplatz befinden?”, flüsterte Adriana ihrer Freundin leise zu und Bea nickte direkt. Ihr Sohn Milo und Adrianas Tochter Amira tollten schon seit über einer Stunde durch den Sandkasten und die Klamotten sahen auch dementsprechend aus.

Als die junge Mutter wieder zurück zu ihrer Bank lief, folgte Bea ihr mit dem Blick. Sie hatte ihren Sohn auf dem Arm und setzte ihn schließlich in den Wagen, den sie dabei hatte. Der Junge schrie wie am Spieß und versuchte, sich zu befreien, um erneut zum Sandkasten zu gelangen.

“Sie gehen schon?”, sprach Adriana die junge Frau an, nachdem sie Beas Blick gefolgt war.

“Ja, ich muss Emilio umziehen. So schmutzig kann ich ihn unmöglich lassen”, erwiderte die Angesprochene und ignorierte das Schreien ihres Sohnes. Adriana hingegen verdrehte kurz die Augen. “Er ist ein Kind, es ist doch klar, dass er sich auch schmutzig macht”, erwiderte sie und blickte kurz zu ihrer eigenen Tochter.

“Ich habe ihm gesagt, dass er sich nicht schmutzig machen soll. Die Sachen haben ein Vermögen gekostet, aber das verstehen Mütter wie sie ja nicht!”, zeterte die junge Mutter und entlockte damit auch Bea ein Schnauben. “Was soll das denn heißen? Mütter wie wir?”, hakte sie auch sofort nach und verschränkte ihre Arme vor der Brust.

“Das sieht man doch schon. Im Jogginghose auf dem Spielplatz und die Kinder können machen was sie wollen, das würde mir ja nie passieren!”, erwiderte die Fremde hochnäsig und sah wieder auf ihren Sohn, bevor sie den Griff des Kinderwagens ergriff.

“Das ist ja die Höhe, was fällt .. “, wollte Bea lospoltern, woraufhin Adriana ihr jedoch eine Hand auf die Schulter legte. “Immerhin sind unsere Kinder glücklich und können später erzählen, dass sie eine tolle Kindheit hatten, in der sie sich auch mal schmutzig machen durften”, beruhigte Adriana ihre Freundin, woraufhin die Fremde kurz schnaubte. “Mein Emilio ist auch glücklich”, zeterte sie erneut zurück und stapfte anschließend auf ihren hochhackigen Schuhen davon.

“Ja, hört man!”, rief Adriana ihr lediglich hinterher und sah anschließend wieder auf ihre Kinder im Sandkasten. “Komm, lass uns die Kinder holen und dann Eis essen gehen. Vielleicht gibt es dabei sogar noch den einen oder anderen Fleck auf den ohnehin schon schmutzigen T -Shirts", fuhr sie an Bea gerichtet hinzu und erhob sich auch direkt.

“Gute Idee”, murmelte Bea und folgte ihrer Freundin zum Sandkasten, auch wenn es noch immer ein wenig in ihr brodelte. So etwas Unverschämtes hatte sie schon lange nicht mehr erlebt, wenn sie es denn überhaupt jemals erlebt hatte.

23.01.2024 - Armselig.

"Findest du das wirklich richtig?” Durch den Spiegel hindurch sah Roman seine kleine Schwester Samira an. Das Mädchen saß auf dem Badewannenrand und zuckte kurz mit den Schultern. “Was soll ich denn sonst machen, um Damians Aufmerksamkeit zu bekommen? Er nimmt ja nicht einmal Notiz von mir, wenn er hier ist”, seufzte die 16-jährige und rieb sich leicht über den Oberarm.

Damian war sein bester Freund und Roman wusste, dass Samira schon länger verliebt war. Aber er kannte auch die Gegenseite und wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass seine Schwester eine Dummheit begann.

“Aber deswegen musst du dich nicht gleich einer Schönheitsoperation unterziehen. Wenn dich ein Junge nur deswegen mag, wenn du dich operieren lässt, um ihm zu gefallen, dann hat er dich nicht verdient. Und außerdem wäre dieses Verhalten wirklich armselig”, erwiderte er ruhig und sah seine Schwester ein weiteres Mal an.

“Also gibst du mir das Geld für die Operation nicht?”, hakte Samira nach und Roman schüttelte direkt den Kopf. “Nein.”

“Dann lasse ich mir eben etwas anderes einfallen!”, entgegnete Samira und rauschte regelrecht aus dem Badezimmer, nachdem sie sich erhoben hatte.

Seufzend sah Roman seiner Schwester nach und trocknete sich erst die Hände ab, bevor er seinem besten Freund eine knappe Nachricht schickte. “Wir müssen reden. In einer halben Stunde vor dem Fitnessstudio."

Er wollte eh noch trainieren gehen, also konnte er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und mit Damian reden. Er klopfte kurz an die Zimmertür seiner Schwester und gab ihr anschließend durch die geschlossene Tür Bescheid, dass er ins Studio fahren würde, als sie keinerlei Reaktion zeigte, um ihn hereinzulassen.
 

Schon als er mit seinem Auto auf den Parkplatz des Fitnessstudios fuhr, konnte er Damian davor entgegen. Der Blonde hatte seine Sporttasche über die Schulter geworfen und erwartete ihn bereits.

“Was gibt es denn so dringendes, dass nicht warten kann?”, empfing er ihn sofort, nachdem Roman ausgestiegen war und trat ein paar Schritte auf ihn zu. Sie hatten sich zwar sowieso treffen wollen, aber eigentlich war geplant, dass sie erst später gemeinsam eine Trainingseinheit absolvieren wollten.

“Es geht um Samira”, entgegnete Roman und konnte sehen, dass sich eine Falte auf der Stirn seines besten Freundes bildete.

“Was ist mit ihr?”, stellte er die Gegenfrage, während sich Roman kurz gegen das Auto lehnte und ihn etwas musterte.

“Du solltest endlich mit ihr reden und ihr sagen, was du empfindest. Sonst begeht sie noch eine riesengroße Dummheit”, fing er an und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. Er konnte noch immer nicht fassen, dass seine Schwester ihn wirklich um Geld begeben hatte, damit sie sich einer Schönheitsoperation unterziehen konnte. Um seinem besten Freund zu gefallen.

“Weisst du, was sie mich heute gefragt hat?”, fuhr er fort und diesmal schüttelte Damian den Kopf. “Nein?”

Tief holte Roman Luft und kaute kurz auf seiner Unterlippe herum, bevor er erneut das Wort erhob. “Sie hat mich um Geld gebeten. 6.000€, damit ich ihr eine Schönheitsoperation bezahle.”

Bei seinen Worten runzelte sich Damians Stirn und er sah seinen besten Freund verwirrt an. “Warum will sie sich denn einer Operation unterziehen?”

“Weil sie dir gefallen will, verdammt. Du nimmst kaum Notiz von ihr, wenn du bei uns bist. Sie denkt, wenn sie sich operieren lässt, unter anderem auch mit einer Brustvergrößerung, dann wirst du viel eher auf sie aufmerksam.”

Jetzt wechselte der Gesichtsausdruck des Blonden doch ins Fassungslose. “Das ist doch absoluter Schwachsinn!”

“Dann rede endlich mit Samira. Sie will sich das Geld anderweitig beschaffen, wenn ich es ihr nicht gebe. Wenn du wirklich etwas für sie empfindest und ich weiss, dass du es tust, dann rede mit ihr. Und sag ihr endlich, warum du keine Notiz von ihr nimmst. Oder es zumindest versuchst.”

Diesmal war es Damian, der sich mit einem Seufzen durch die Haare fuhr. Er schwieg ein paar Minuten lang, bevor er nickte. “Ist sie Zuhause?”, wollte er wissen, woraufhin Roman nickte.

“Okay, ich rede mit ihr”, stimmte er zu und wandte sich wieder ab, um den Parkplatz des Studios wieder zu verlassen.

Genauso wie Roman brauchte er nicht lange zum Haus seines besten Freundes. Er drückte auf die Klingel und wartete darauf, dass Samira ihm öffnete. Und als sie es tat, weiteten sich ihre Augen direkt. “Damian.”

“Wir müssen reden. Hast du einen Moment?”, wollte er wissen und Samira zögerte kurz, bevor sie nickte. “Ja, komm rein.”

Damian nickte und trat an ihr vorbei, wobei er die Tasche auf dem Boden im Flur abstellte.

“Dein Bruder hat mir von der Dummheit erzählt, die du bereit bist du begehen”, fing er direkt an, nachdem er ins Wohnzimmer getreten war und Samira zuckte direkt ertappt zusammen, konnte sich gegen ein Brummern aber auch nicht wehren.

“Warum kann er nicht einmal seine Klappe halten?”, murmelte sie und wandte ihren Blick zu Damian, als sie dessen Antwort hörte. “Weil er sich Sorgen um dich macht.”

“Und er hat Recht. Du musst dich nicht operieren lassen, um mir zu gefallen”, fing er an und kurz darauf verließ ein Seufzen die Lippen der jungen Frau.

“Aber ich .. weiß nicht, was du sonst tun sollst, um dich auf mich aufmerksam zu machen”, murmelte das Mädchen erneut, woraufhin sich ein Lächeln auf Damians Lippen bildete.

“Du hast meine Aufmerksamkeit doch schon längst. Ich denke pausenlos an dich, träume von dir und bin an manchen Tagen sogar nur hier, um doch irgendwie in deiner Nähe sein zu können”, entgegnete Damian, woraufhin Samira kurz seufzte. “Dann hattest du aber eine sehr komische Art, das zu zeigen.”

“Weil ich dachte .. ich darf dir sowieso nicht näher kommen und dass Roman mich umbringen wird, wenn er erfährt, dass ich Gefühle für seine kleine Schwester entwickelt habe.”

“Hat er es denn?”, wollte Samira wissen und Damian blinzelte im ersten Moment verwirrt. “Hat er was?”

“Dich umbringen wollen?” Lachend schüttelte er den Kopf und trat einen Schritt auf Samira zu.

“Nein, aber er hat mir den Kopf gewaschen. Und glaub mir, wenn ich dir sage, dass du nichts an dir ändern musst, um mir zu gefallen. Das tust du nämlich schon längst “, flüsterte er und strich ihr zärtlich eine Strähne aus dem Gesicht.

Samira lächelte und lehnte sich vorsichtig gegen Damians Brust. Froh darüber, dass sie die Operation wirklich nicht mehr brauchen würde und Damian keiner von den armseligen Männern war, denen das Aussehen so wichtig war, um sich verlieben zu können.

24.01.2024 - Riesig

Mit großen Augen stand Mia neben ihrer Mutter und sah an dem riesigen Tannenbaum empor, der vor ihnen stand. Sie war zum ersten Mal mit ihrer Mutter in New York, was ganz weit weg von ihrem eigentlichen Zuhause war, weil sie hier gemeinsam einen Freund besuchten. Nick hatte sie zu sich eingeladen und ihr versprochen, dass sie den tollsten Tannenbaum der Welt sehen würde. Und Schnee, ganz viel Schnee.

Geschneit hatte es in den letzten Tagen auch wirklich so viel, dass Mia aus dem Staunen gar nicht mehr heraus kam. Sie kannte zwar Schnee aus Deutschland, aber so viel wie es hier in den letzten Tagen geschneit hat, war sie einfach nicht gewohnt. So einen großen Tannenbaum hatte sie auch noch nie gesehen.

”Gefällt er dir?”, hörte sie Nicks Stimme neben sich, woraufhin sie lediglich nickte. “Das ist aber noch nicht alles, denn so wie jetzt ist dieser Baum doch echt langweilig, oder?”, sprach Nick erneut und diesmal sah auch Jasmin überrascht zu ihm auf. “Was kommt denn noch?”, hakte sie nach, woraufhin Nick nur geheimnisvoll grinste. “Warte es ab”, begann er und warf einen Blick auf die Armbanduhr an seinem Handgelenk.

“In etwa zehn Minuten werdet ihr sehen, was ich meine”, schob er hinterher und legte einen Arm um die Schultern Jasmins, während er auf Mia herab sah.

“Wie lange dauern zehn Minuten?” Fragend erwiderte das Mädchen den Blick und legte ihren Kopf etwas schief. Nick schmunzelte und löste sich wieder von Jasmin, um vor ihrer Tochter in die Hocke zu gehen.

“Zehn Minuten können unglaublich schnell vergehen, aber wenn man auf etwas wartet, auch unglaublich zäh sein. Es kann aber auch zum Beispiel so lange dauern, wie du brauchst, deine Schuhe auszuziehen. Erst den rechten Schuh, wo du die Schnürbänder langsam löst. Und anschließend den zweiten Schuh. Bis du dann in deine Hausschuhe geschlüpft bist und zu deiner Mama und mir ins Wohnzimmer gelaufen kommst, sind zehn Minuten vergangen”, erklärte er dem Mädchen und Jasmin schossen direkt Tränen in die Augen. Nick ging so liebevoll und sanft mit ihrer Tochter an, dass sie manchmal das Gefühl hatte, ihr würde es regelrecht die Luft abschnüren. Ein riesiger Kloß saß in ihrem Hals und sie hatte Mühe, nicht gleich in Tränen auszubrechen.

Als Nick sich wieder aufrichtete und einen Blick auf die Uhr warf, schenkte sie ihm ein leichtes Lächeln. Sie wusste nicht genau, was sie sagen sollte, aber sie wusste, dass Nick auch so verstand, wie unendlich dankbar sie ihm dafür war, was er alles für sie tat. Für ein paar Augenblicke versank sie in dem Anblick ihres Gegenübers, in seinen Augen. Sie prägte sich Nicks Gesichtszüge ein und hätte ihn am liebsten direkt geküsst.

“Mama, Mama! Schau doch! Guck! Mias aufgeregte Stimme holte sie wieder aus ihren Gedanken und als sie ihren Blick zu ihrer Tochter wandte, war sie im ersten Moment regelrecht sprachlos.

Der riesige Tannenbaum erstrahlte durch mehrere Lichterketten, die sich von oben bis unten durch sein Nadelkleid zogen. Die Kugeln erst kamen dadurch noch viel mehr zur Geltung und brachten den Weihnachtsbaum regelrecht zum Funkeln.

“Wow..”, murmelte sie nur leise und zögerte erst, bevor sie sich etwas an Nick heran lehnte und dabei stillschweigend seine Nähe genoss, während sie ihre aufgeregte Tochter mit einem sanften Lächeln auf den Lippen beobachtete.

25.01.2024 - Position

“An welche Position müssen diese Schrauben denn nun?” Überfordert sah Paula ihre beste Freundin Fiona an, während auf ihrer Handfläche mehrere Schrauben lagen. Gemeinsam mit Fiona war sie seit über einer halben Stunde damit beschäftigt, die Wickelkommode aufzubauen, die Paula gekauft hatte. Ihre beste Freundin war im neunten Monat schwanger und bis zur Geburt würde es nicht mehr lange dauern. Der Großteil des Kinderzimmers war bereits eingerichtet, aber die Kommode hatte ein wenig auf sich warten lassen. “Wäre Magnus jetzt hier, wüsste er, wo die Schrauben hingehören”, murmelte Fiona leise und legte sich eine Hand auf den dicken Bauch. Ihr Freund Magnus war seit ein paar Monaten in Finnland, da er dort eine Zweigstelle seiner Firma übernommen hatte und sie kommunizierten die meiste Zeit nur über das Internet oder telefonierten. Sie vermisste den Blonden und wünschte sich nichts mehr, als dass er bei ihr war. Und nicht tausende von Kilometern entfernt. Erst gestern hatte Magnus ihr gesagt, dass er nicht einmal zur Geburt des gemeinsamen Kindes wieder bei ihr sein würde und Fiona war noch immer enttäuscht darüber. Paula würde an seiner Stelle mit ihr im Krankenhaus sein und dafür war sie ihrer besten Freundin wirklich dankbar.

"Naja, egal .. sie wird schon nicht zusammenbrechen”, holte Paula sie wieder aus ihren Gedanken und Fiona konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen.

“Ich hoffe es”, kicherte sie und erhob sich schwerfällig von dem Sessel, als es an der Tür klingelte. Sie erwartete noch ein Paket mit Babysachen, dass sie online bestellt hatte. Sie brauchte zwar etwas länger zur Tür und konnte sich ein Brummen nicht verkneifen, als es erneut klingelte, aber als sie die Wohnungstür schließlich erreicht hatte, war sie regelrecht sprachlos.

Nicht der Postbote befand sich vor ihr, sondern Magnus. Mit zwei Koffern neben sich und einem Strauß Rosen in seiner Hand stand er im Hausflur und das Lächeln, dass sich auf seinen Lippen gelegt hatte, erinnerte Fiona direkt daran, warum sie sich damals in den Blonden verliebt hatte.

“Lässt du mich auch in unsere Wohnung oder muss ich auf dem Hausflur übernachten?” Als sie die Stimme ihres Mannes hörte, trat sie sofort an die Seite. Magnus lächelte und trat einen Schritt auf seine Freundin zu, um ihr einen Kuss auf die Lippen zu drücken. “Was machst du hier?”, flüsterte sie leise und nahm ihm die Rosen ab, bevor sie Magnus dabei beobachtete, wie ihr beide Koffer in die Wohnung holte.

“Glaubst du wirklich, dass ich mir die Geburt unseres Sohnes entgehen lasse? Oder die ersten Tage und Wochen, die wir gemeinsam als Familie verbringen können?”, erwiderte der Blonde und Fiona runzelte kurz die Stirn. “Aber gestern hast du doch noch gesagt, du wirst es nicht schaffen, weil du deine Position in der Firma nicht gefährden kannst.”

Sachte lächelte Magnus auf die Worte seiner Freundin hin und trat wieder zu ihr, um ihr eine Hand auf den Bauch zu legen.

“Keine Position der Welt ist es wert, dass ich die Geburt unseres Sohnes verpasse”, erwiderte er leise und strich über den Bauch Fionas hinweg. “Ich habe die Personalabteilung darum gebeten, mich wieder hierher versetzen zu lassen. Sie haben zugestimmt und ich kann bereits am Montag wieder hier in der Hauptfirma anfangen. Mit weniger Arbeitszeiten, aber auch einem gekürzten Gehalt. Nicht so viel, dass wir am Hungertuch nagen, aber ein paar hundert Euro werden uns fehlen”, erzählte er ihr und Fiona hielt überrascht die Luft an. Damit hatte sie gewiss nicht gerechnet, aber sie war froh darüber, dass Magnus zu ihr und dem gemeinsamen Kind stand. Zu einem gemeinsamen Leben mit ihr.

“Ich liebe dich”, hauchte sie leise und küsste ihn zärtlich, während sie sich an ihn heran schmiegte.

“Wenn das geklärt ist, können wir uns ja endlich um die übrig gebliebenen Schrauben kümmern.” Als sie die Stimme ihrer besten Freundin hörte und gleichzeitig den verwirrten Blick ihres Freundes sah, löste sie sich wieder von ihm und deutete in Richtung Kinderzimmer.

“Wir haben die Kommode zusammengebaut, aber es sind ein paar Schrauben übrig geblieben und wir haben beide keine Ahnung, an welche Position sie gehören”, schmunzelte sie, woraufhin auch Magnus leise lachte und den beiden Frauen schließlich ins Kinderzimmer folgte, um sich um die Kommode und ihre fehlenden Schrauben zu kümmern.

26.01.2024 - Männlich

Mit einem Augenrollen kommentierte Selina das Verhalten des Mannes, der gerade gegenüber von ihr an der Brustpresse trainierte. Sein Blick war auf sie gerichtet und er fixierte sie regelrecht, während er das Gerät bediente. Sie hasste solche Proleten und war außerdem nicht hier, um einen Mann kennenzulernen. Als er sich von seinem Platz erhob und sich das Handtuch um die Schulter legte, ahnte sie bereits, was jetzt kommen würde.

Tatsächlich bewegte sich der Mann in ihre Richtung und sie wäre am liebsten direkt geflohen.

“Hallo, schöne Frau”, begrüßte er sie auch direkt und baute sich vor dem Gerät auf, an dem sie saß.

“Ich bin gleich weg”, erwiderte sie lediglich, während sie den Mann dabei beobachtete, wie er sich etwas auf dem Gespräch neben ihrem abstützte. Er musterte sie so offensichtlich, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief.

“Kein Stress, Babe. Bei diesem Anblick warte ich auch gerne ein bisschen länger. ”, gab er zurück und Selina verdrehte sofort ein weiteres Mal die Augen. Sie erhob sich und schnappte sich ihr Handtuch, um sich wortlos zu verziehen. Auf diese Art von Anmache hatte sie nun wirklich gar keine Lust und sie konnte auch nicht nachvollziehen, dass es tatsächlich Frauen gab, die sich davon beeindrucken ließen.

Kaum, dass sie ein paar Schritte gegangen war, schloss sich eine Hand um ihr Handgelenk und hielt sie zurück. “Wo willst du denn so schnell hin? Ich kann dir ein paar gute Tipps und Tricks zeigen, wie dein Training noch effektiver wird”, hörte sie die Stimme des Mannes in ihrem Rücken, wodurch sie sich wieder zu ihm umdrehte.

“Danke, ich verzichte!”, erwiderte sie und versuchte, ihren Arm wegzuziehen, auch wenn sich der Griff ihres Gegenübers sich dadurch noch verstärkte. “Nun hab dich doch nicht so”, entgegnete der Mann und ließ seinen Blick erneut über Selina hinweg schweifen.

“Lass .. mich los.”, presste sie es mühsam beherrscht über ihre Lippen, während ihr das Herz förmlich bis zum Hals schlug. Sie hatte den Mann hier noch nie gesehen und war auch nicht unbedingt scharf auf seine Gesellschaft, eher im Gegenteil.

Ihr Blick huschte etwas durch die Gegend und blieb schließlich an Julian hängen. Der Blonde arbeitete hier im Fitnessstudio und hatte ihr auch am Anfang die Übungen erklärt, als sie sich hier im Studio angemeldet hatte. Sie deutete ihm mit dem Blick an, ihr zu helfen und hoffte gleichzeitig, dass er verstand, was sie von ihm wollte. In dem Moment, in dem sie ihren Arm erneut zurückziehen wollte, zog der Fremde sie etwas weiter zu sich und aufgrund seines Körpergewichtes, hatte sie kaum die Chance, sich gegen ihn zu wehren.

“Lass mich los”, forderte sie ihn ein weiteres Mal auf und diesmal trat nicht nur Julian auf sie zu, sondern auch einer der anderen Gymbesucher auf sie zu.

“Was soll das werden, wenn es fertig ist?”, sprach der zweite Athlet den Fremden an, woraufhin sein Blick zu ihm schnellte. “Ich wüsste nicht, was dich das angeht”, erwiderte er knapp, ohne Selinas Arm loszulassen.

“Vielleicht nicht, aber Selina hat dir inzwischen schon zwei Mal gesagt, dass du sie loslassen sollst. Was glaubst du, was du hier tust, indem du sie festhältst. In meinem Studio dulde ich keine Art der Belästigung”, mischte sich Julian ein und fixierte den Mann vor sich, während er seine Arme vor der Brust verschränkt hielt.

“Ich will mich lediglich mit ihr unterhalten, also mischt euch nicht ein”, entgegnete der Mann ein weiteres Mal, während er dem Blick Julians stand hielt.

“Das wird sicherlich keine Unterhaltung sein, wenn sie es nicht will. Und dein Verhalten ist weder akzeptabel, noch sonderlich männlich. Wenn eine Frau Nein sagt, meint sie auch Nein. Und du kannst deine Sachen packen und das Studio verlassen. Deine Mitgliedschaft ist mit sofortiger Wirkung gekündigt, denn so ein Verhalten dulde ich in meinem Studio nicht, also sieh zu, dass du Land gewinnst!”

Im ersten Moment sah es so aus, als würde sich der Fremde erneut mit Julian anlegen wollen, als er dessen “Wirds bald!”, überlegte er es sich doch anders. Er gab Selinas Hand frei und schnappte sich seine restlichen Sachen. “In dieses Studio werde ich sowieso keinen Fuß mehr setzen”, knurrte er lediglich, bevor er das Weite suchte.

Erleichtert atmete Selina auf und ließ sich auf eine Hantelbank in der Nähe fallen. “Danke”, murmelte sie leise in Richtung Julian und auch des anderen Mannes, der ihr geholfen hatte.

“Keine Ursache, so ein Verhalten kann und werde ich niemals dulden”, erwiderte Julian, woraufhin ihm auch der andere Besucher ihm zustimmte und sich anschließend wieder zurückzog.

“Wenn du reden willst oder einfach einen Schnaps brauchst, sag Bescheid. Du weisst, wo du mich findest”, schob Julian hinterher und Selina lächelte leicht. Auf dieses Angebot würde sie bestimmt annehmen, sobald sie sich wieder etwas beruhigt hatte. Denn insgeheim war sie schon länger in Julian verknallt und würde diese Chance, ihm ein wenig näher zu kommen, gewiss nicht verstreichen lassen. In ihrem Tempo.

Allein schon deshalb, weil Julian heute bewiesen hatte, was es heissen konnte, wirkliche Männlichkeit zu beweisen.

27.01.2024 - Opfer(n)

“Vergiss es, du wirst auf gar keinen Fall zu meinem Vater fahren!” Aufgebracht und die Arme vor der Brust verschränkt, sieht Jaxon mich an. Erst vor ein paar Minuten habe ich ihm gesagt, dass ich einem Treffen mit seinem Vater zugestimmt habe. Ohne, dass er dabei sein würde. Unbeeindruckt halte ich dem Blick des Dunkelhaarigen stand und zucke leicht mit den Schultern. “Wieso nicht? Er weiß doch eh schon von uns. Was spricht dagegen, dass ich ihn kennenlerne, bevor du mich am Wochenende deiner Familie zum Fraß vorwirfst?”

“Alles, Mayleen. Du kennst ihn nicht und ich werde nicht zulassen, dass du dich ihm opferst, um mir einen Gefallen zu tun!”

“Wer sagt, dass ich dir damit einen Gefallen tun will?” Mit hochgezogener Augenbraue sehe ich den Älteren an, dessen Wut immer weiter an die Oberfläche kriecht.

“Und was meinst du damit, dass ich mich ihm nicht opfern soll? Das klingt, als wäre er eine Spinne und ich würde mich als Opfer freiwillig in sein Netz werfen”, entgegne ich, woraufhin Jaxon direkt brummt.

“So wird es auch sein, Mayleen”, zischt er und erhebt sich hinter seinem Schreibtisch, an dem er bislang gesessen hat.

“Du wirst nicht zu ihm fahren, hast du mich verstanden?” Noch während er auf mich zutritt, verlassen diese Worte seine Lippen und sie sind so kalt und emotionslos, sodass ich direkt erschaudere.

“Und was, wenn ich es doch tue? Wir sind kein richtiges Paar, Jaxon. Wenn ich deinen Vater vorher kennenlernen will, ist das alleine meine Entscheidung und nicht deine”, werfe ich ihm entgegen und verschränke jetzt ebenso meine Arme vor der Brust.

“Dann wirst du dir wünschen, der Scheinehe mit mir niemals zugestimmt zu haben”, zischt er mir entgegen und hebt eine Hand, um sie mir in den Nacken zu legen. “Haben wir uns verstanden?”

Noch bevor ich zu einer Antwort ansetzen kann, öffnet sich die Tür.

“Was ist denn hier los?” Eine mir fremde Stimme sorgt dafür, dass Jaxon sofort zurückweicht.

“Nichts”, gibt er sofort von sich und wendet seinen Blick zu dem Besucher in seinem Büro.

“Das sieht aber nicht aus wie nichts, Bruderherz. Du konntest deine Wut noch nie sonderlich gut vor mir verbergen”, entgegnet der Fremde, bevor sein Blick auf mich fällt.

“Du musst Mayleen sein, ich habe schon viel von dir gehört”, spricht er mich an und ich ziehe eine Augenbraue hoch. “Ich fürchte, dass beruht nicht auf Gegenseitigkeit.”

“Misch dich nicht ein, Griffin. Du hast keine Ahnung, worum es wirklich geht”, höre ich Jaxons Stimme neben mir, während er seine Hände zu Fäusten ballt. “Und was machst du überhaupt hier? Solltest du nicht eigentlich in Thailand meditierend am Strand hocken?”

“Dann erkläre mir dein Nichts und warum Mayleen wirkt, als hätte sie Angst vor dir”, antwortet der Angesprochene, ohne auf die Frage Jaxons einzugehen.

“Da gibt es nichts zu erklären", brummt Jaxon erneut und diesmal bin ich diejenige, die die Augen verdreht.

“Er will mich davon abhalten, die Einladung eures Vaters anzunehmen, damit ich ihn kennenlernen kann, bevor Jaxon mich ihm am Wochenende zum Fraß vorwirft” antworte ich an Jaxons Stelle, woraufhin Griffin scharf die Luft einzieht, aber auch verwirrt zwischen seinem Bruder und mir hin und her blickt.

“Was genau soll das heißen?”, hakt er nach und schiebt die Hände in seine Hosentaschen. “Kannst du uns alleine lassen, Mayleen?” Bittend huscht Jaxons Blick zu mir, woraufhin ich den Kopf schüttele. “Ich werde nicht..”

“Geh, Mayleen. Bitte. Wir reden später”, fordert er mich auf und deutet mit dem Kopf auf die Tür. Sein Blick ist unmissverständlich und ich ziehe mich nach einem Blick auf Griffin tatsächlich zurück. “Und Mayleen?” Seine Stimme in meinem Rücken lässt mich innehalten und ich sehe ihn über die Schulter hinweg an. “Denk nicht einmal darüber nach, dieses Opfer zu bringen, bevor wir noch einmal darüber geredet haben. Ist das klar?”

Knapp nicke ich und lasse die beiden Männer anschließend alleine. Wohlwissend, dass das letzte Wort in dieser Sache tatsächlich noch nicht gesprochen ist.

28.01.2024 - Beginn/Anfang

"Wie jetzt? Du liest immer erst das Ende eines Buches? Man fängt doch am Anfang an und nicht am Ende.”

Fassungslos sah Thea ihre Freundin Nora an und konnte nicht fassen, was das Mädchen ihr gerade offenbart hatte. Die Sechzehnjährige war erst vor ein paar Wochen in ihre Klasse gewechselt und sie hatten sich sofort verstanden. Sie hatten schon viel zusammen unternommen und heute war Nora zum ersten Mal bei ihr zuhause, damit sie einen gemeinsamen Leseabend vollziehen konnten.

Aber das, was Nora ihr jetzt offenbart hatte, schockierte sie sogar ein wenig.

“Ich will halt wissen, wie das Buch endet und ob es sich lohnt, es überhaupt zu lesen. Wenn es ein doofes Ende hat, lese ich es erst gar nicht, um keine Lesezeit damit zu verschwenden.”

Die Antwort, die Nora mit einem Schulterzucken unterstrich, machte Thea tatsächlich sprachlos und sie wusste im ersten Moment gar nicht, was sie antworten sollte.

“Und was machst du, wenn das Buch einen Cliffhanger hat und darauf schließt, dass es einen oder mehrere Folgebände gibt?”, wollte sie schließlich wissen, woraufhin Nora jedoch nur ein weiteres Mal die Schultern hob.

“Entweder lese ich es gar nicht erst oder ich schaue auch im Folgeband, ob es ein Happy End gibt.”

Mit einem Kopfschütteln griff Thea nach dem Buch, in dem sie aktuell las. “Also liest du keine Bücher, die kein Happy End haben?”, wollte sie wissen, woraufhin Nora sofort den Kopf schüttelte. “Nein. Ich will ein Happy End haben, sonst ist das für mich verschwendete Lesezeit”, erwiderte sie erneut und diesmal erwiderte Thea nichts, sondern schlug stattdessen ihr eigenes Buch auf. Sie verstand sich mit Nora wirklich gut und konnte mit ihr auch wirklich über fast alles reden, aber dieses Verhalten konnte sie irgendwie nicht so ganz verstehen.

“Hast du keine Macken, was Bücher betrifft?”, holte Nora sie wieder aus ihren Gedanken, woraufhin sie diesmal den Kopf schüttelte. “Es ist mir egal, wie ein Buch endet oder ob es ein Happy End hat. Ich will den Weg der Protagonisten gemeinsam mit ihnen bestreiten. Ich will gemeinsam mit ihnen lachen und weinen, ich will mitfiebern und nicht schon vorher wissen, ob am Ende alles gut wird oder auch nicht”, entgegnete sie und deutete auf das Buch, dass sie in ihrer Hand hielt. “Ich will mich zwischen den Seiten verlieren und meine eigenen Theorien aufstellen, wie sie sich im Laufe des Buches entwickeln. Mit einem Lächeln schob sie diese Worte hinterher, woraufhin Nora jedoch wieder nur die Schultern hochzog, während eine Art Brummen ihre Lippen verließ. “So hat jeder seine Vorlieben, aber ich werde immer die Person sein, die das Ende eines Buches zuerst liest. Damit ich mich vergewissern kann, ob es sich überhaupt lohnt, dass Buch zu lesen. Ohne ein Happy End hat ein Buch für mich keinen Sinn und dann brauche ich die Charaktere auch nicht auf dem Weg zum Ende begleiten”, erwiderte sie trotzig und hob ihre Tasche vom Boden auf, in die sie das Buch stopfte, das sie sich eigentlich für den Leseabend ausgesucht hatte.

“Wo willst du denn jetzt hin?”, wollte Thea verwirrt wissen, als Nora sich erhob und sie sah mindestens genauso verwirrt zu ihr auf. “Du willst doch jetzt wegen dieser kleinen Meinungsverschiedenheit, die in meinen Augen nicht einmal eine ist, einfach so gehen?”, schob sie hinterher, doch Nora schob sich bereits die Tasche über die Schulter.

“Doch und ich glaube, es ist besser, wenn wir das mit den Treffen in Zukunft einfach sein lassen. Wir haben von Anfang an nicht zusammen gepasst!”, fuhr die Jüngere sie an und Thea war vollkommen überrumpelt und verwirrt. So sehr, dass sie Nora einfach gehen ließ und gar nicht erst zu einer Reaktion fähig war. Sie hatte keine Ahnung, was in die Sechzehnjährige gefahren war, aber so hatte sie sich den Beginn einer neuen Freundschaft ganz sicher nicht vorgestellt. Eher im Gegenteil.

Nachgehen wollte sie ihr in diesem Augenblick aber auch nicht, immerhin hatte sie nichts falsch gemacht und so lange Nora so aufgebracht hat, brachte ein Gespräch auch nichts. Zumindest das hatte sie in den letzten Wochen und seit dem Beginn ihrer Freundschaft gelernt.

29.01.2024 - Spitze

Mit einer Baumspitze aus Glas in der Hand, stand Hiro vor dem geschmückten Weihnachtsbaum und sah an ihm empor. Vor ein paar Minuten waren sie mit dem Schmücken fertig geworden und es fehlte nur noch die Spitze, die er in seiner Hand hielt.

“Was ist los, Schatz? Willst du die Spitze nicht auf den Baum setzen?” Als er die Stimme seiner Verlobten Akane hinter sich hörte, drehte er seinen Kopf in ihre Richtung. “Doch, aber .. “, begann er und brach dann doch wieder ab. Erinnerungen prasselten auf ihn ein, während sein Blick zur Baumspitze in seiner Hand huschte.

“Hiro hat die Spitze früher immer zusammen mit seinem Vater auf den Baum gesetzt. Hayato hat ihn auf die Schulter genommen, damit Hiro bis ganz nach oben kam”, mischte sich die Mutter des Blonden ein und über ihre Lippen huschte ein wehmütiges Lächeln. Sie wusste, wie sehr ihr Sohn seinen Vater vermisste und sie würde alles dafür tun, um ihm zu ermöglichen, ihn noch einmal zu sehen. Der Grauhaarige war erst in diesem Jahr verstorben und da Hiro zu diesem Zeitpunkt mit der Firma, in der er arbeitete, im Ausland gewesen war, hatte er sich nicht einmal richtig von ihm verabschieden können. Etwas, was heute noch an ihm nagte und was er sich nie richtig verziehen hatte. Wäre er doch nur nicht ins Ausland gegangen.

Akane lächelte ebenso etwas bitter, denn sie wusste, wie sehr ihr Verlobter seinen Vater vermisste und was in Hiro vorging. Langsam erhob sie sich von dem Stuhl, auf dem sie die ganze Zeit gesessen hatte, und trat neben ihren Verlobten. Hiros Blick war wieder auf den Baum gerichtet und Akane sah ihm regelrecht an, wie sehr er in diesem Moment mit sich kämpfte.

Sie verschränkte ihre Finger miteinander und sah mit einem sanften Lächeln zu ihm auf. Sie wollte ihm nicht nur etwas mehr Kraft und Halt geben, sondern ihm auch etwas sagen, von dem sie hoffte, dass es ihm Trost spendete.

Dazu stellte sie sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, bevor sie ihre Stimme erhob.

“Nächstes oder vielleicht auch erst übernächstes Jahr, wirst du der Vater sein, der zusammen mit seinem Kind die Spitze auf den Baum setzt.”

Sofort drehte Hiro den Kopf zu Akane und sah sie perplex, aber auch ratlos an. Er wusste mit ihren Worten nichts anzufangen und kam gar nicht erst auf das Offensichtlichste, was sie damit meinen könnte.

Als sich ihre freie Hand jedoch auf ihrem Bauch legte, weiteten sich seine Augen. “Du bist ..”, fing er an und als Akane nickte, legte er die Seite, um sie in seine Arme zu ziehen. Er vergrub seinen Kopf in ihren Haaren und konnte nicht verhindern, dass sich Tränen in seinen Augen bildeten.

“Eigentlich wollte ich es dir erst an Heiligabend sagen, indem in einem deiner Geschenke ein positiver schwangerschaftstest zu finden ist, aber ich finde dass dieser Moment viel besser passt”, flüsterte sie eben leise ins Ohr und strich ihm zärtlich über den Rücken hinweg.

Hiro hob seinem Kopf wieder und umfasste Akanes Gesicht mit beiden Händen, damit er sie sanft und zärtlich küssen konnte. “Das ist das schönste Weihnachtsgeschenk, was du mir hättest machen können. Ich danke dir so sehr dafür”, hauchte er mit belegter Stimme und küsste sie ein weiteres Mal. Erst nach ein paar Augenblicken löste er sich wieder von ihr und griff erneut zur Baumspitze. Obwohl er wusste, dass sein Vater sein Enkelkind nie zu Gesicht bekommen würde, fühlte sich der Schmerz in seinem Inneren durch diese Nachricht nicht mehr ganz so schlimm an. Er zögerte kurz, bevor er seinen Arm ausstreckte und die Spitze auf den Baum setzte. Kurz flackerten Erinnerungen durch seinen Kopf, die sich aber auch mit dem Gedanken an die Zukunft vermischten. Mit den Bildern, die ihn zeigten, wie er an der Stelle seines Vaters, mit seinem eigenen Kind im nächsten Jahr den Baum schmückte.

30.01.2024 - Beobachten

“Was genau tun wir hier?” Flüsternd beugte sich Rhea zu ihrer besten Freundin Samira, mit der sie schon seit über einer halben Stunde in einem Gebüsch vor einem Wohnhaus in der Nähe hockte.

“Wir beobachten Matthis”, erwiderte Samira, ohne ihre Freundin anzusehen, während ihr Blick auf das Wohnhaus gerichtet war.

“Und warum tun wir das?”, wollte Rhea erneut wissen, während sie dem Blick ihrer Freundin kurz folgte, als erwähnter Matthis das Haus trat und dabei den Reißverschluss seiner Jacke hochzog.

“Warum gehst du nicht einfach zu ihm und redest mit ihm, anstatt wie eine Schwerverbrecherin im Gebüsch vor seinem Gebüsch zu hocken?”, schob sie hinterher, nachdem Rhea im ersten Moment keine Anstalten machte zu antworten. Stattdessen beobachtete sie Matthis und ihr Gesicht nahm einen Ausdruck an, den Samira bislang noch nie an ihr gesehen hatte.

“Weil er mich nicht sehen soll”, gab Rhea nach ein paar Augenblicken leise zurück und sorgte so dafür, dass Samira verwirrt die Augenbrauen zusammenzog. “Hä?”

Sie verstand das Verhalten ihrer Freundin nicht ganz und konnte sich keinen Reim darauf machen, dass Rhea lieber im Gebüsch hockte, als mit dem Objekt ihrer Begierde zu reden.

“Wenn du es nicht tust, übernehme ich das eben”, glitt es ihr schließlich über die Lippen, während sie sich erhob und aus dem Gebüsch kroch, in dem sich Rhea nur noch mehr versteckte.

“Nein, Rhea! Bleib hier, was machst du denn?”, zischte sie leise und beobachtete ihre beste Freundin mit großen Augen dabei, wie ihre beste Freundin schnurstracks auf Matthis zulief. Sie konnte nicht verstehen, was sie beide sagten, aber als sie sah, wie gut sich ihre beste Freundin mit ihrem Schwarm verstand, kroch so etwas wie Eifersucht in ihr hoch. Trotzdem blieb sie wo sie war und verließ ihren Beobachtungsposten auch dann nicht, als Matthis einen Stift aus der Tasche zog und Samira etwas auf einen Zettel schrieb, den er ihr wenig später hinhielt, den er zuvor aus seiner Geldbörse gezogen hatte.

Mit Argusaugen beobachtete sie Matthis, als er sich schließlich entfernte und erst, als sie ihn nicht mehr sehen konnte, kroch sie aus dem Gebüsch. Sie klopfte sich den Dreck von der Hose und sah anschließend zu Samira.

“Spinnst du? Wieso hast du nicht einfach mit mir hier gewartet?”, fuhr sie ihre beste Freundin anschließend an, woraufhin Samira die Augen verdrehte.

“Worauf denn warten? Wie lange hattest du denn noch vor, Matthis zu beobachten? Du könntest mir wenigstens dankbar sein, dass ich dir seine Nummer besorgt habe”, erwiderte Samira ruhig und hielt ihrer besten Freundin den Zettel hin, auf dem Rhea eine Handynummer entdecken konnte. Zusammen mit einem einzigen Satz. “Ich freue mich auf deine Nachricht, Rhea.”

Mit großen Augen sah Rhea zwischen dem Zettel und Samira hin und her, bevor sie ihrer Freundin um den Hals fiel.

“Danke”, flüsterte sie Samira leise ins Ohr und war ihr wirklich dankbar dafür. Denn ohne Samiras Hilfe würde sie vermutlich noch wochenlang im Gebüsch vor Matthis’ Haus sitzen und ihn klammheimlich beobachten.

31.01.2024 - Glücklich

Nachdem sie sich von Samira verabschiedet hatte, lief Rhea langsam wieder nach Hause. Den gesamten Weg über dachte sie darüber nach, was sie Matthis schreiben sollte, aber auf Anhieb fiel ihr nicht einmal etwas ein. In ihrem Zimmer angekommen, warf sie ihre Jacke auf das Bett, nachdem sie diese ausgezogen hatte und ließ sich auch direkt auf das Möbelstück fallen. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und speicherte als erstes die Nummer ein, die auf dem Zettel stand.

Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen und obwohl sie ihm noch gar nichts geschrieben hatte, war sie bereits jetzt total glücklich.

Sie öffnete einen neuen Chatverlauf und begann die ersten Worte zu tippen, die sie jedoch trotzdem wieder löschte. Sie begraben auch ein zweites oder ein drittes Mal, bevor sie lediglich schrieb, wer sie war und sich für die Nummer bedankte. Während sie auf eine Antwort wartete, legte sie das Handy an die Seite und erhob sich wieder vom Bett, um ihre Jacke aufzuhängen und sich etwas anderes anzuziehen.

In dem Moment, in dem sie in ihre Jogginghose schlüpfte, kündigte ihr Handy eine neue Nachricht an. Auf einem Bein hüpfte sie auf das Bett zu und hatte Mühe, nicht ins Straucheln zu geraten. Ohne die Hose richtig angezogen zu haben, ließ sie sich auf das Bett fallen und griff nach dem Handy. Einen Augenblick lang verfiel sie in alte Muster und starrte ihr Mobilfunkgerät lediglich an.

Was, wenn er ihr mitteilte, dass alles doch nur ein Missverständnis war und dass er sie gar nicht näher kennenlernen wollte? Oder wenn er ihr eine falsche Nummer aufgeschrieben hatte und sie jetzt einem völlig Fremden geschrieben hatte?

Ihre Finger zitterten, also die Nachricht öffnete, aber schon bei den ersten Worten regte sich das vertraute Glücksgefühl in ihr. Ihr Herz stolperte vor sich hin, während sie ein paar Nachrichten mit Matthis austauschte und als er sie um ein Treffen bat, setzte es für einen kurzen Moment sogar ganz aus.

Sie holte tief Luft, und wieder etwas mehr Luft in ihre Lungen lassen zu können, bevor sie ihm schließlich zustimmte.

Eine Stunde später lief sie wieder zum Wohnhaus, in dem Matthis wohnte. Sie hatten abgemacht, dass sie ihn von dort abholen sollte, damit sie gemeinsam in die Stadt gehen konnten.

Schon von weitem sah sie Matthis vor dem Haus stehen, die Hände in seinen Jackentaschen vergraben. Als er sie erblickte, lief er sofort auf sie zu und umarmte sie zur Begrüßung. “Schön, dass du da bist”, hörte sie seine Stimme und sah aus Reflex zu dem Gebüsch, in dem sie gestern noch gesessen hatte.

Rhea folgte dem Blick und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. “Ich war im ersten Moment wirklich perplex und wollte Samira am liebsten erwürgen oder ihr hinterher laufen, aber dann hätte ich meine Deckung aufgeben müssen und das wäre vielleicht noch peinlicher gewesen”, sprach sie leise und wandte ihren Blick wieder zu Matthis.

“Wie oft hast du dort gehockt?”, wollte er wissen und Rhea lächelte sofort verlegen. “Das willst du gar nicht wissen.”

Sie hatte ihn schon seit einigen Wochen klammheimlich beobachtet und das beinahe jeden Tag. Nie hatte sie sich getraut, ihn anzusprechen, bis Samira die Initiative ergriffen hatte und insgeheim war sie ihrer Freundin wirklich dankbar dafür. Erst recht, als Matthis ihre Finger miteinander verschränkte und sie in diesem Moment nur eines war: Nicht einfach nur glücklich, sondern überglücklich.

01.02.2024 - Sitz

“Du sitzt auf meinem Platz.” Die Stimme, die dafür sorgte, dass Alina von ihrem Buch aufsah, erklang unmittelbar neben ihr und ließ sie eine Augenbraue hochziehen. “Ich wüsste nicht, dass auf diesem Sitz ihr Name steht”, entgegnete sie und sah wieder in ihr Buch. Sie war aktuell von Mannheim nach Hamburg unterwegs und hatte sich extra einen Sitzplatz im ICE gebucht, um während dieser über fünf Stunden Fahrt nicht irgendwo auf dem Gang sitzen zu müssen.

“Das nicht, aber ich habe diesen Sitz extra gebucht und bin mir sicher, dass du auf meinem Platz sitzt”, hörte sie erneut die Stimme des Mannes neben sich, woraufhin sie kurz die Augen verdrehte und ihn anschließend wieder ansah.

“Das glaube ich kaum, denn ich sitze schon auf diesem Platz, seitdem er in Mannheim gestartet ist und ich habe ihn extra gebucht”, entgegnete sie und zog, wie als Beweis, ihre eigene Bordkarte aus ihrem Rucksack. Sie hielt sie dem Fremden entgegen und beobachtete ihn dabei, wie er sich etwas nach vorne beugte und anschließend auf seine eigene Bordkarte sah.

“Bei mir steht auch Sitznummer 125, allerdings erst ab Münster”, erwiderte er und hielt seine Bordkarte nun seinerseits in Richtung Alina. Stirnrunzeln las sie die Nummer und die Mitteilung, dass der Fremde von Münster nach Hamburg reisen würde, während sie bereits in Mannheim eingestiegen war.

“Tatsächlich”, murmelte sie leise und ließ sich wieder etwas nach hinten sinken. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun konnte, aber sie wollte ihren Platz auch ganz sicher nicht hergeben.

“Wieso nehmen Sie nicht einfach den Platz neben mir? Er ist immerhin frei und wenn doch jemand zusteigen sollte, können wir uns immer noch etwas überlegen oder den Schaffner kontaktieren”, schlug sie ihm vor und deutete mit einer Hand auf die freie Sitzfläche neben sich.

Der Fremde zögerte und zuckte anschließend kurz mit den Schultern. “Wieso eigentlich nicht?”, entgegnete er und stellte seine Reisetasche oben auf der Ablage ab. Erst danach ließ er sich neben Alina nieder und streckte ihr seine Hand entgegen. “Ich bin übrigens David.”

“Alina”, erwiderte sie knapp und ergriff die Hand ihres neuen Sitznachbarn kurz, bevor sie ihr Buch zuklappte und ihn ansah, als er erneut seine Stimme ergriff.

“Ich bin oft in Hamburg, aber das ist mir tatsächlich noch nie passiert.” Zustimmend nickte Alina, auch wenn sie eher selten in Hamburg war. Seitdem sie in Mannheim studierte, war sie eher selten in der Stadt in Schleswig - Holstein. Mit ihren Eltern hatte sie sich zerstritten, weil sie ihre Entscheidung, nach Mannheim zu gehen, nie nachvollziehen konnten, aber als sie jetzt die Nachricht bekommen hatte. dass es ihrem Vater nicht gut ging, hatte sie sich sofort ein Ticket nach Hamburg gekauft. Auch wenn sie ihre Meinungsverschiedenheiten hatten, so war er doch noch immer ihr Vater und sie machte sich Sorgen um ihn.

“Wieso bist du nach Hamburg unterwegs?”, holte sie die Stimme Davids erneut aus ihren Gedanken, woraufhin sie sich ein Seufzen nicht verkneifen konnte. “Mein Vater liegt im Krankenhaus und da ich nicht weiss, wie es ihm wirklich geht, möchte ich ihn noch einmal sehen”, entgegnete sie, woraufhin David verstehend nickte. “Und du?”, schob Alina hinterher und sah ihn fragend an, während sie den Kopf gegen die Fensterscheibe hinter sich lehnte.

“Mein Bruder heiratet”, antwortete der Dunkelhaarige und auf Alinas Lippen bildete sich ein kurzes, wenn auch bitteres Lächeln. Ihr Vater lag vielleicht im Sterben und Davids Bruder heiratete. Zwei völlig unterschiedliche Gründe für einen Besuch in Hamburg und dennoch waren sie auf irgendeine Art und Weise miteinander verbunden. Der Kreislauf des Lebens bewies ihr auf eine schmerzliche Art und Weise, dass er sich nicht verändern ließ. Starb ein Mensch, erblickte irgendwo anders ein neuer Mensch das Licht der Welt.

Den Rest der Fahrt unterhielt sie sich wirklich gut mit David. Sie erzählte ihm davon, was sie in Mannheim studierte und erfuhr auch von ihm, dass er in Münster seinen Bachelor in Kindheitspädagogik absolvierte. Als durch die Durchsage erklang, dass der Zug in wenigen Minuten den Bahnhof erreichen würde, packte sie ihre Sachen zusammen und erhob sich langsam.

“Hast du Lust, heute Abend mit mir noch etwas trinken zu gehen? Ich würde unser Gespräch wirklich gerne fortsetzen.” Verblüfft hielt Alina inne und sah David einen Moment lang an, bevor sie schließlich nickte. “Warum eigentlich nicht?”, wiederholte sie seine Worte von vorhin und lächelte sachte. Sie zog einen Stift aus ihrer Tasche und hielt ihm das Buch entgegen, was sie gerade wegpacken wollte. “Gib mir doch einfach deine Handynummer, dann melde ich mich später bei dir”, erwiderte sie und hielt ihm beides hin. Nachdem David seine Nummer in das Buch geschrieben hatte, steckte sie das Buch weg und folgte den anderen Passagieren schließlich aus dem Zug.

“Ich melde mich bei dir, versprochen!”, rief sie David noch zu, bevor sie in die entgegengesetzte Richtung davon eilte. Mit dem Wissen, dass sich der Besuch in Hamburg jetzt doch nicht mehr ganz so beklemmend anfühlte, als zu dem Zeitpunkt, als sie in Mannheim losgefahren war.

Und das alles nur wegen einer doppelten Sitzplatzreservierung

02.02.2024 - unterrichten

Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen beobachtete Kim ihren Freund Nathaniel dabei, wie er ein paar Unterlagen in seine Tasche packte. Erst vor einigen Tagen hatte der Dunkelhaarige seine Abschlussprüfung bestanden und durfte nun offiziell als Lehrer arbeiten. Heute war sein erster Tag an der örtlichen Grundschule und Kim war unglaublich stolz auf Nathaniel.

“Welche Fächer wirst du heute unterrichten?”, sprach sie ihn an und strich sich gleichzeitig über ihren Bauch hinweg. Sie war im sechsten Monat schwanger und heute war ihr gemeinsamer Sohn wieder besonders aktiv.

“Deutsch und Geschichte, aber erst einmal muss ich mich den Kindern überhaupt vorstellen”, erwiderte Nathaniel, woraufhin Kim sich erhob und auf ihren Freund zutrat. Auch wenn es mit dem Job ziemlich schnell geklappt hätte, wusste Kim, dass sich der Dunkelhaarige auch Gedanken darüber machte, ob er all dem überhaupt gewachsen war. Nicht nur seinem Job als Lehrer, sondern auch auf die bevorstehende Geburt und die Zeit als Familienvater.

“Du wirst ein wundervoller Lehrer sein und mindestens ein genauso toller Vater. Die Kinder werden sich lieben, wenn auch nicht so bedingungslos, wie dein Sohn es tun wird, sobald er das Licht der Welt erblickt hat”, sprach sie ihren Freund an und legte ihm eine Hand auf die Wange. Liebevoll strich sie darüber hinweg und lächelte sanft, als Nathaniel sich in die Berührung lehnte.

“Ich hoffe, du hast recht”, hörte sie ihn murmeln bevor er den Kopf drehte, damit er Kim einen Kuss auf die Handinnenfläche drücken konnte.

“Ich weiß es, du wirst sehen”, entgegnete sie und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, ehe sie sich wieder von ihm löste.

Nathaniel erwiderte den Kuss und strich ihr auch kurz über dem Bauch hinweg. “Bis heute Nachmittag, ihr Zwei.”

Nach einem weiteren Kuss verließ er die Wohnung und lies Kim alleine. Den Weg zur Schule legte er mit einem mulmigen Gefühl zurück, aber als er die Schule am frühen Nachmittag verließ, war davon nichts mehr zu spüren.

Die Kinder und auch seine Kollegen hatten ihn mit offenen Armen empfangen und er freute sich inzwischen regelrecht darauf, die Kinder unterrichten zu dürfen. Als Klassenlehrer der 2b hatte er fortan eine neue Verantwortung, an der er mit großer Wahrscheinlichkeit wachsen würde. So sehr, dass sich das auch auf sein künftiges Leben als Vater auswirken würde, da war er sich sicher.
 

Schon vor der Schule erblickte Nathaniel seine Freundin, wenngleich er auch etwas überrascht darüber war, Kim vor dem Gebäude anzutreffen.

“Schatz? Was machst du denn hier?” Mit fragendem Blick lief er auf Kim zu und drückte Uhr zuallererst einen Kuss auf die Lippen.

“Ich wollte dich abholen und zum Mittagessen einladen”, hörte er danach die Stimme der jungen Frau, während sie zu ihm aufsah. “Wie lief dein erster Tag?”,

“Super. Es macht ungeheuer Spaß, die Kinder zu unterrichten und die Kollegen sind auch total nett”, erwiderte Nathaniel und ergriff die Hand seiner Freundin.

“Siehst du, ich habe es dir doch gesagt”, antwortete Kim und Nathaniel wusste, dass einmal mehr, dass er die beste Frau der Welt an seiner Seite hatte. Für den Rest seines Lebens.

03.02.2024 - Verstanden

Mit hängenden Schultern lief Ally von der Schule nach Hause. Heute hatte sie ein Referat darüber gehalten, wie sie sich ihre Zukunft vorstellte, aber eine schlechte Note dafür bekommen. Weder die Lehrerin noch ihre anderen Mitschüler hatten verstanden, was sie erzählt hatte. Dabei hatte sie lediglich darüber geschrieben, wie sie sich ihr Leben vorstellte. Sie wollte reisen, sie wollte die Welt entdecken, fremde Kulturen und Länder kennenlernen.

Sie wollte ein anderes Leben führen, als das, was ihre Eltern führten. Auch wenn es sie dadurch überhaupt erst gab, wollte sie frei sein.

Ohne eine Familie, ohne einen festen Wohnsitz. Und vor allem ohne das Geld ihrer Eltern oder eingepfercht in einen Bürojob, der sie niemals glücklich machen konnte.

Aber als sie ihre Vorstellungen dafür in einem Referat vorgetragen hatte, hatte niemand ihre Worte verstanden. Oder nachvollziehen können. Die Lehrerin, Frau Stripöl, hatte ihr sogar gesagt, dass sie das Thema verfehlt habe.

Aber wie konnte etwas falsch sein, für das sie einstand? Wie konnte sie für etwas eine falsche Note bekommen, dass ihre Zukunft betraf? Für etwas, dass ihr wichtig war und ihr gut tat?

Mit einem Seufzen schloss sie die Tür zum Haus ihrer Eltern auf und hörte schon im Flur die aufgebrachte Stimme ihres Vaters.

“Du hast hier nichts mehr verloren, Rayan! Verschwinde!”

Mit dem Namen, den ihr Vater genannt hatte, konnte sie nichts anfangen und auch die Stimme, die anschließend zu hören war, kam ihr absolut nicht bekannt vor.

“Du hast mir nichts mehr zu sagen, Edward und wenn ich Ally sehen will, ist das einzig und alleine meine Entscheidung. Oder ihre!”

Ihre Stirn runzelte sich und sie wusste nicht, ob sie näher treten sollte oder nicht, aber aufgrund dessen, das ihr Name gefallen war, musste sie unbedingt wissen, zu wem diese Stimme gehörte. Sie atmete erneut tief durch und lief in Richtung des großen Wohnzimmers. “Ich bin wieder da”, rief sie kurz vor der Tür und konnte bereits jetzt sehen, dass ihr Vater ertappt zusammenzuckte.

“Ally? Was machst du denn hier?”, wollte er wissen und sie zog direkt eine Augenbraue hoch.

“Ich wohne hier, falls du das vergessen haben solltest”, erwiderte sie knapp, woraufhin sich ein Schmunzeln auf die Lippen des Fremden legte.

“Solltest du nicht in der Schule sein?” Noch bevor sie nicht etwas hinzufügen konnte, ergriff ihr Vater ein weiteres Mal das Wort.

“Die letzten beiden Stunden sind ausgefallen”, entgegnete sie mit einem Schulterzucken und sah anschließend zu dem Fremden. “Wer bist du?”

“Ich bin .. “, fing der Größere an und schnaubte direkt, als er von Allys Vater direkt wieder unterbrochen wurde. “Ein Geschäftskollege. Wir haben etwas zu besprechen, was dich nichts angeht. Deine Mutter hat dir von Madita etwas zu Essen in die Küche stellen lassen”, wies er seine Tochter an und sah sie so auffordernd an, dass Ally im ersten Moment gar nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Kaum merklich zuckte sie anschließend mit den Schultern und wandte sich wieder in Richtung Tür.

“Findest du nicht, dass es endlich an der Zeit ist, dass ihr Ally die Wahrheit sagt?”, hörte sie die Stimme des Fremden erneut in ihrem Rücken, woraufhin sie sich doch wieder in seine Richtung drehte.

“Das entscheidest nicht du, Rayan!” Wütend erklang die Stimme ihres Vaters, während er mit der Hand auf die Tür deutete, um Rayan zum Gehen aufzufordern.

“Doch, das ist es. Ally spielt auch in meinem Leben eine Rolle”, entgegnete Rayan, was Ally direkt wieder verwirrt. “Wie meinst du das?”

“Wag es nicht”, knurrte der Älteste im Raum, als Rayan zu einer Antwort ansetzte, doch diesmal schüttelte Rayan nur den Kopf. “Sie ist alt genug, um die Wahrheit zu erfahren.”

“Welche Wahrheit?” Vollkommen überfordert sah Ally zwischen den beiden Männern hin und her. Sie konnte sich absolut keinen Reim darauf machen, was zwischen ihnen vorging, aber sie wusste, dass es sie selbst betraf.

Als Rayan auf sie zutrat und ihr seine Hand entgegen streckte, griff sie nur zögernd danach. “Ich bin Rayan und ich bin .. dein Vater”, hörte sie anschließend seine Worte, woraufhin Ally sofort ihre Augen aufriss und seine Hand reflexartig wieder los ließ. “Was?”

“Du hast ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren, auch wenn Edward dagegen ist”, begann er und deutete auf das Sofa im Raum. Ally schüttelte kurz den Kopf und ihr Blick huschte zu Edward, bevor sie Rayan wieder ansah. Dieser Mann sollte ihr Vater sein? Ein Fremder? Ein Mann, den sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte?

“Edward ist zwar der Mann, der dich großgezogen und dir ein wunderbares Leben beschert hat, aber er ist nicht dein Vater”, begann Rayan erneut, während er seiner Tochter ein sanftes Lächeln schenkte.

“Wer dann?”, wollte Ally flüsternd wissen, während ihr Blick kurz zu dem Älteren huschte. Als sie jedoch die Worte Rayans hörte, drehte sie sich sofort um und stürmte aus dem Raum. “Er ist dein Großvater. Mein Vater.”

Sie floh regelrecht in ihr Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu, bevor sie sich auf ihr Bett warf. Die Worte Rayans hallten in ihrem Kopf wieder und sie konnte damit gar nichts anfangen? Wie konnte ein Mann ihr Vater sein, den sie nicht kannte und wie konnten ihre Eltern sie jahrelang so sehr belügen? Wie konnten sie ihr verheimlichen, dass sie gar nicht ihr leibliches Kind war?

Sie wusste nicht, wie lange sie auf dem Bett gelegen hatte, aber als es klopfte, sprang sie sofort wieder auf. “Ja?”, glitt es ihr nur leise über die Lippen, während sie die Tür regelrecht fixierte, durch die Rayan nach ein paar Sekunden trat. “Darf ich?”

Ally zögerte kurz, bevor sie langsam nickte und den Fremden, der ihr Vater sein sollte, hinein bat. Rayan lächelte und ließ sich auf dem Schreibtischstuhl des Mädchens nieder, während Ally ihn nicht aus den Augen ließ.

“Es tut mir leid, dass du es auf diese Weise erfahren musstest, aber du musst mir glauben, dass das nicht meine Entscheid war. Edward hat mir jeglichen Kontakt zu dir untersagt und vermutlich auch alle Briefe und Pakete an dich nie weitergeleitet”, begann er, woraufhin Ally im ersten Moment den Kopf schüttelte.

“Darf ich dir erklären, warum .. du nicht bei mir aufgewachsen bist, sondern bei deinen Großeltern?”, schob Rayan leise hinterher, während sich Ally wieder auf ihrem Bett niederließ. Auffordernd sah sie ihn an, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob sie die Wahrheit wirklich hören wollte.

“Ich war damals fast so alt wie du, kurz vor meinem achtzehnten Geburtstag, als meine damalige Freundin mir gesagt hat, dass sie dich zur Welt bringen wird Sie wollte und konnte dich aufgrund einer Krankheit nicht behalten und hat auch längst den Kampf gegen diese Krankheit verloren. Ich .. war damit total überfordert und obwohl ich dich vom ersten Moment an geliebt habe, habe ich mich in diesem Moment einfach nicht in der Lage gesehen, mich um ein Kind zu kümmern. Ich wollte frei sein, ich wollte die Welt bereisen und ich wollte in Ruhe um deine Mutter trauern, ohne den Vorwürfen oder Handlungen meiner Eltern ausgesetzt zu sein. Ich habe durch deine Großmutter immer gewusst, wie er dir geht, was du machst oder wie du dich entwickelst, aber sehen durfte ich dich nie. Edward hat mir nahegelegt, dass es besser wäre, wenn du das Leben führst, dass er für dich vorhergesehen hat”, hörte sie Rayan erzählen, wobei sie sich immer fester auf die Lippen biss. Sie hatte schon länger gemerkt, dass sie nicht das Leben führen wollte, dass das ältere Ehepaar führte und sie hatte sich auch immer mal wieder Gedanken darum gemacht, warum die Eltern ihrer Mitschüler um ein Vielfaches jünger waren. Aber auf diese Lösung wäre sie nie gekommen.

“Ich .. habe heute in meinem Referat darüber geredet, dass ich auch frei sein will und nicht in einem Büro enden will, wie Edward”, antwortete sie schließlich, woraufhin sich ein Lächeln auf Rayans Lippen schlich.

“Das habe ich damals auch zu deinem Großvater gesagt und ich habe mir diese Zeit genommen. Auch wenn ich dadurch die Chance verpasst habe, dich richtig kennenzulernen, hat es sich für mich damals einfach richtig angefühlt. Ich musste in die Welt hinaus, ich musste frei sein”, antwortete er und musterte seine Tochter etwas. “Du siehst deiner Mutter sehr ähnlich.”

Bei diesen Worten biss sich Ally kaum merklich auf die Lippen und senkte ihren Blick. Sie schwieg minutenlang, wusste nicht recht, was sie antworten sollte, aber als ihr Vater sich wieder erhob, stand auch sie reflexartig auf.

“Wenn du mich lässt, würde ich dir gerne von dem Gefühl der Freiheit erzählen, dass ich verspürt habe, als ich in deinem Alter war. Ich würde dir gerne mehr von deiner Mutter und unseren Plänen erzählen. Denk in Ruhe darüber nach und wenn du dich entschieden hast, kannst du dich jederzeit bei mir melden, okay? Ich werde in ein paar Tagen weiterreisen, um die Südküste der USA zu erkunden und vielleicht können wir uns vor der Abreise noch ein wenig mehr unterhalten.” Noch während er redete, drehte sich Rayan in Richtung Schreibtisch und schrieb seine Handynummer auf einen Zettel, den er dort fand.

“Denk darüber nach, solange du willst”, schob er hinterher und ließ seine Tochter anschließend alleine. Vollkommen überfordert sah Ally ihm nach, unfähig eine Entscheidung zu treffen. Als die Tür jedoch hinter Rayan ins Schloss fiel, stürzte sie auf die Tür zu, um ihn am Gehen zu hindern. Sie wollte ihn näher kennenlernen, sie wollte, dass er ihr von ihrer Mutter erzählte, aber vor allem wollte sie viel mehr von seinen Reiseerlebnissen hören, denn sie war sich sicher: Egal, was noch passieren würde und egal, wie weit entfernt sich Rayan auch von ihr entfernt befinden würde, bei ihm fühlte sie sich verstanden. Sich und ihr Gefühl nach Freiheit und Unabhängigkeit, trotz der Liebe, die er für seine Tochter empfand.

04.02.2024 - Schal

“Oma? Kannst du mir beibringen, wie man einen Schal strickt?” Die Worte ihrer Enkelin Nia sorgten dafür, dass Minerva von ihrer eigenen Strickarbeit aufsah. Nia war inzwischen dreizehn Jahre alt und nach dem Tod ihres Vaters vor ein paar Monaten lebte das Mädchen auch bei ihr. Die Mutter Nias hatte die Familie schon vor einigen Jahren verlassen und wollte seitdem nichts mehr von ihrer Tochter wissen. So sehr Minerva selbst ihre Schwiegertochter auch ins Herz geschlossen hatte, nachvollziehen konnte sie die Entscheidung, ihre Tochter alleine zu lassen, bis heute nicht.

Gemeinsam mit ihrem Sohn hatte sie Nia großgezogen und sein plötzlicher Tod hatte ihn genauso sehr aus der Bahn geworfen. Trotzdem hatte sie keine Sekunde gezögert, Nia bei sich aufzunehmen.

Bislang hatte sich das Mädchen sehr zurückgezogen und kaum mit ihr darüber geredet, was geschehen war. Durch eine Psychologin, die sie zu Rate gezogen hatte, wusste sie, dass es besser war, wenn sie Nia nicht zu sehr bedrängte und ihr die Zeit ließ, die sie benötigte.

“Natürlich, aber wie kommst du denn jetzt darauf?”, hakte sie nach und lächelte sachte. Kurz bildete sie sich ein, Nia würde ertappt zusammen zucken, wenn auch unbewusst.

“In der Schule müssen wir demnächst mit dem Stricken anfangen und ich will nicht vollkommen unerfahren da stehen”, erklang kurz darauf die Stimme Nias, woraufhin Minerva auf den Platz auf dem Sofa neben sich deutete.

Nia zögerte kurz, bevor sie sich auf dem Platz neben ihr Großmutter niederließ. Geduldig erklärte Minerva ihr, was sie tat und gab auch das Strickzeug an ihre Enkelin weiter. Allein schon deshalb, damit Nia selbst lernte, wie es ging und welche Maschen sie knüpfen musste.
 

Erst nach über zwei Stunden hob Nia ihren Kopf wieder, nachdem sie sich vorher auf ihre Arbeit konzentriert hatte. Sie hatte kaum ein Wort gesagt, aber als sie jetzt ihre Stimme erhob, war Minerva tatsächlich ein wenig überrascht. “Können wir das jetzt jeden Tag machen, bis der Schal fertig ist?”

“Natürlich, mein Schatz”, erwiderte sie und streckte vorsichtig eine Hand aus, um Nia kurz über die Haare zu streichen. Das Mädchen lächelte und Minerva sah ihr an, dass sie kurz zögerte, bevor sie sich in die Berührung lehnte. Für einen Moment schloss sie sogar die Augen und löste sich erst wieder, als es an der Tür klingelte. Während Minerva sich erhob, um zu öffnen, floh Nia in ihr Zimmer. Flüchtig sah Minerva ihr nach und nahm anschließend das Paket entgegen, dass der Postbote brachte. Sie unterhielt sich einen Moment lang mit ihm, bevor sie das Paket achtlos an die Seite stellte und sich um das Abendessen kümmerte.
 

In den nächsten Tagen saßen sie tatsächlich jeden Tag auf dem Sofa und strikten gemeinsam einen Schal. Obwohl Minerva das Gefühl nicht los wurde, dass Nia ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte und es den Schulunterricht in der Schule nicht gab, sprach sie ihre Enkelin nicht darauf an. Stattdessen genoss sie die Zeit, die Nia ihr schenkte und die Tatsache, dass sich das Mädchen ihr immer mehr öffnete. Sie redeten über die Schule, darüber, ob Nia schon Freunde gefunden hatte oder wie sie sich ihre Zukunft vorstellte. Nur das Gespräch über ihren Vater ließ Nia nicht zu. Bis zu dem Tag, an dem der Schal endlich fertiggestellt war.

Sobald die letzte Masche verschlossen war, erhob sich Nia und stopfte den Schal in eine Tasche, die sie vorhin schon auf dem Sofa abgestellt hatte. Sie schlüpfte in ihre Jacke, die über einem der Stühle hing, während Minerva sie verwirft beobachtete. “Wo willst du denn jetzt hin?”

Es war bereits später Nachmittag und Minerva konnte sich einfach nicht erklären, wohin das Mädchen jetzt noch wollte. Und dann auch noch mit dem Schal.

“Zu Papa”, murmelte Nia leise und sah flüchtig zu ihrer Großmutter. Verwirrt blinzelte Minerva und hakte direkt nach, was genau das Mädchen damit meinte.

“Ich .. möchte ihn Papa bringen. Es wird doch jetzt bald kalt und ich möchte nicht, dass er friert. Wenn ich ihm den Schal um den Grabstein wickele, spürt er es vielleicht und ihm ist dort nicht mehr ganz so kalt, wo er jetzt ist”, sprach Nia leise aus, was sie dachte und Minervas Herz brach. Diese Idee war so wunderbar und traurig zugleich, dass sie gar nicht richtig wusste, wie sie überhaupt reagieren sollte.

Erst nach ein paar Augenblicken erhob sie sich und zog sich ebenso ihre Jacke an. “Dann komm, lass uns zu ihm gehen und ihm den Schal bringen. Und ihm davon erzählen, dass du ihn fast komplett alleine gestrickt hast”, forderte sie ihre Enkelin auf und zum ersten Mal in den letzten Wochen schlich sich ein ehrliches Lächeln auf die Lippen Nias. Und das war alles, was Minerva sich jemals hätte wünschen können.

05.02.2024 - Messen

“Du willst dich wirklich mit Emilio messen? Im Boxring?”

Ungläubig sah Amir seinen besten Freund Maxim an und konnte nicht glauben, was der Ältere ihm gerade gesagt hatte.

“Was soll ich denn sonst machen? Hakim hat sie in ihrer Gewalt und wenn ich durch den Kampf mit Emilio nicht beweisen kann, dass ich in der Lage bin, in seinen Club aufgenommen zu werden, habe ich nie die Chance, Elena zu befreien.

“Und dafür musst du dir von Emilio die Fresse polieren lassen?”

“Für Elena würde ich alles tun”, erwiderte Maxim und schlüpfte in ein schwarzes Oberteil. Elena war seine Schwester und seit ein paar Monaten in der Gewalt Hakims. Dem Dunkelhaarige gehörte die halbe Stadt, er besaß mehrere Clubs und Immobilien und sein Ruf sagte ihm seine Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft meilenweit voraus.

“Wieso lässt du nicht einfach die Polizei ihre Arbeit machen? Wenn du dich an sie wendest, werden sie dir bestimmt helfen?”, versuchte Amir seinen besten Freund erneut davon zu überzeugen, sich dem Kampf nicht zu stellen, aber Maxim schüttelte nur den Kopf.

“Die Polizei steht doch längst auf Hakims Seite und lässt sich von ihm bezahlen. Mir bleibt keine andere Wahl, wenn ich Elena nicht ihrem Schicksal überlassen will.”

Flüchtig sah Maxim zu seinem besten Freund, bevor er sich die Jacke und auch seine Schuhe anzog.

“Ich finde trotzdem, dass du einen Fehler machst “, erwiderte Amir, woraufhin Maxim jedoch nur kurz mit den Schultern zuckte.

“Ich muss das einfach tun, Amir.”

Ohne dem Jüngeren auch nur die Chance auf eine Antwort zu geben, verließ Maxim die Wohnung, um zu dem Treffpunkt zu fahren, den Hakim ihm zuvor genannt hatte.

Die alte Fabrikhalle am Ende der Stadt gehörte ebenso Hakim und Maxim wusste, dass dort regelmäßig Boxkämpfe stattfanden.

“Maxim.” Kaum, dass er das Gebäude betreten hatte, stand Hakim vor ihm. “Bereit?”

Kaum merklich zuckte Maxim mit den Schultern und sein Blick huschte kurz zum Boxring in der Mitte der Halle.

“Natürlich. Ich kann es kaum erwarten, dem Lackaffen zu zeigen, was ich wirklich drauf habe”, gab er so ernst wie möglich zurück und hoffte, dass Hakim seine Glaubwürdigkeit nicht anzweifelte. Im ersten Augenblick schwieg der Dunkelhaarige tatsächlich, bevor ein lautes Lachen seine Lippen verließ.

“Das ist mein Mann. Sowas will ich hören!”, erwiderte er und legte Maxim eine Hand auf die Schulter. Maxim zwang sich zu einem Lächeln, während er sich die Jacke auszog und auf den Ring zulief. Obwohl er den Ausmaß dieses Kampfes nicht einschätzen konnte und auch nicht wusste, was danach passieren würde, einer Sache war er sich vollkommen sicher: Um Elena zu retten, würde er sich mit jedem Gegner messen, sogar mit Hakim selbst.

06.02.2024 - Inspirieren

Grübelnd kratzte sich Kati mit dem Stift am Hinterkopf. Für den Deutschunterricht musste sie einen Aufsatz darüber schreiben, welche Person sie am meisten inspirierte, aber ihr fiel absolut nichts ein, was sie schreiben sollte. Das Problem bestand nicht darin, dass sie niemanden hatte, der sie inspirierte. Es lag eher an der Vorgabe, dass es eine berühmte Person sein sollte und kein Familienmitglied. Hätte sie Letzteres wählen können, hätte sie sich sofort für ihre Großmutter entschlossen, aber eine berühmte Person, die ihr Vorbild sein sollte und sie inspirierte, fiel ihr gerade absolut nicht ein.

Mit einem Seufzen legte sie ihren Stift an die Seite und erhob sich. Vielleicht würde ihr ein kleiner Spaziergang gut tun und sie würde danach endlich einen vernünftigen Aufsatz schreiben können. Oder ein Besuch bei ihrer besten Freundin Hannah.

Sie schlüpfte in ihre Jeansjacke, die über ihrem Schreibtischstuhl hing und auch in ihre Lieblingsturnschuhe, bevor sie ihr Zimmer verließ. Schon während sie die Treppe hinunter lief, hörte sie ihre Eltern im Wohnzimmer. Wie so oft stritten sie sich über irgendwelche Belanglosigkeiten und nahmen ihre Tochter gar nicht richtig wahr.

Das ging inzwischen seit mehreren Wochen so und Kati war sich sicher, dass diese Art von Leben sie keinesfalls inspirierte.

“Ich bin bei Hannah”, rief sie ihren Eltern zu, auch wenn sie nicht damit rechnete, eine Antwort zu bekommen. Wenn sich ihre Eltern stritten, nahmen sie kaum etwas anderes wahr und waren völlig in diesem Streit gefangen.

Ein leises Seufzen glitt über ihre Lippen, während sie aus dem Haus lief. Hannah wohnte ein Stück weit entfernt, aber trotzdem legte sie die Strecke zu Fuß zurück. Sie schrieb Hannah von unterwegs aus, dass sie unterwegs war, auch wenn sie wusste, dass sie auch jederzeit unangekündigt vorbei kommen konnte.
 

Nachdem sie noch einen Umweg gegangen war, stand sie eine Stunde später im Zimmer ihrer besten Freundin. Auf dem Schreibtisch konnte sie die Unterlagen entdecken, die auch sie für ihre Hausaufgabe in Deutsch auf ihrem Tisch liegen hatte, sodass sie ihren Blick direkt zu Hannah wandte.

“Hast du einen berühmten Menschen gefunden, über den du schreiben willst?”, sprach sie und bekam sofort ein Nicken seitens ihrer besten Freundin zurück. “Ich habe mich für Marie Curie entschieden, weil sie mich dazu inspiriert hat, später Chemie zu studieren. Ich habe mich ja auch schon an einigen Universitäten dafür beworben."

Verstehend nickte Kati und ließ sich mit einem Seufzen auf dem Sofa nieder, dass in Hannahs Zimmer stand.

“Mir fällt absolut nichts ein und durch den Streit meiner Eltern kann ich mich auch absolut nicht konzentrieren”, gestand sie und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Sie hatte wirklich versucht, jemanden zu finden, der sie inspirierte, aber durch die Streitereien ihrer Eltern und die Tatsache, dass sie vermutlich nicht mal bemerkt hatten, dass sie das Haus inzwischen verlassen hatte.

“Du interessierst dich doch für Psychologie. Gibt es da niemanden, der dich auf dem Gebiet interessiert?”, wollte Hannah wissen, woraufhin Kati kurz mit den Schultern zuckte. “Der Vater der Psychologie natürlich, Sigmund Freud”, begann Kati und verstummte sofort, als Hannah begeistert in die Hände klatschte. Sie drehte sich zum Schreibtisch und nahm sich den Block, den sie dort liegen hatte.

“Schreib auf, was du empfindest, wenn du an ihn denkst. Oder warum ausgerechnet er die Person ist, die dafür gesorgt hat, dass du dich für Psychologie interessiert. Denk nicht darüber nach, was am Ende auf dem Zettel stehen könnte, sondern schreib einfach drauf los. Überarbeiten kannst du den Text später immer noch”, sprach sie und Kati nickte langsam. Tatsächlich gelang es ihr, in der nächsten halben Stunden ein paar brauchbare Sätze auf das Blatt Papier zu bringen. Sie dachte nicht darüber nach, was sie schrieb, sondern ließ den Stift einfach über das Papier gleiten, bevor sie den Block ihrer besten Freundin reichte. Erst nach Hannahs Zustimmung war auch sie zufrieden und wusste einmal mehr, warum Sigmund Freud die berühmte Person am meisten inspirierte.

07.02.2024 - Bälle

“Ihr holt jetzt bitte alle Bälle aus der Kammer, die ihr finden könnt.”

Die Stimme des Sportlehrers Herr Bustel hallte durch die Sporthalle und über Leonies Lippen glitt direkt ein frustriertes Seufzen. Sie hasste es, wenn sie im Unterricht mit Bällen arbeiten sollten und hätte sie vorher gewusst, was sie heute erwarten würde, hätte sie sich vielleicht sogar krank gemeldet. Seit ein längerer Zeit fühlte sie sich nicht sonderlich gut, aber ging trotzdem jeden Morgen zur Schule. Ihre Mutter hielt nicht viel davon, dass sie zu Hause blieb. Immerhin ging es auf die Prüfungen zu und ihre Mutter war der Meinung, dass sie so wenig Schulstoff wie möglich verpassen sollte.

Und Kopfschmerzen waren sowieso kein Grund, dass Leonie zu Hause bleiben konnte. Dass die Tabletten aber schon seit Wochen nicht mehr halfen, wusste auch ihre Mutter nicht.

“Leonie, das gilt auch für dich." Die Stimme von Herrn Bustel drang zu ihr herüber und Leonie setzte sich langsam in Bewegung. Kurz vor der Kammer, in welcher die Bälle gelagert waren, hörte sie plötzlich die Stimme ihres Mitschülers Jörn. “Leo, pass auf!”

Noch bevor sie reagieren konnte, flogen mehrere Bälle in ihre Richtung. Einer davon traf sie an der Schläfe und sie sackte sofort in sich zusammen.
 

Erst viel später erwachte sie im Krankenhaus und konnte ihre Mutter neben sich ausmachen. Sie stöhnte leise, weil ihr Kopf schmerzte und lenkte damit die Aufmerksamkeit ihrer Mutter auf sich.

“Leonie, Gott sei Dank. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!”, sprach ihre Mutter sofort, woraufhin Leonie unbewusst seufzte. “Jetzt auf einmal?”, murmelte sie leise und schloss ihre Augen kurz.

“Ich mache mir immer Sorgen um dich, Schatz”, erklang erneut die Stimme ihrer Mutter und diesmal schwieg Leonie. Erst recht, als sich die Tür öffnete und ein Mann im Arztkittel den Raum betrat.

Er fragte Leonie erst nach ihrem Wohlbefinden, bevor er ihre Mutter um ein Gespräch unter vier Augen bat. Leonie schloss ihre Augen wieder und versuchte, die Kopfschmerzen dadurch unterdrücken zu können. Als sie die Tür hörte, öffnete sie ihre Augen wieder und wandte ihren Blick in die Richtung. “Mama?”

“Leonie, Schatz.” Allein schon an der Tonlage, mit der ihre Mutter sprach, konnte sie erkennen, dass etwas nicht stimmte. Und als sie die verweinten Augen ihrer Mutter sah, bestätigte sich ihre Vermutung direkt: Etwas stimmte ganz und gar nicht.

“Es tut mir so leid, mein Schatz”, fing ihre Mutter an, woraufhin Leonie verwirrt blinzelte. “Was tut dir leid?”

“Deine Kopfschmerzen, sie kommen von einem Tumor. Hätten dich die Bälle vorhin nicht getroffen, hätte man es vielleicht nie herausgefunden. Und alles nur, weil ich dir nicht geglaubt habe, dass du wirklich Kopfschmerzen hast.”

Leonies Augen weiteten sich, als sie die Worte ihrer Mutter hörte. Ein Tumor. Im Kopf.

“Dann war der Sportunterricht wenigstens mal zu etwas gut”, murmelte sie leise, bevor sie sich von einer Mutter und auch später von einem Arzt erklären ließ, was jetzt alles auf sie zukam.

08.02.2024 - Verknöchert

“Was ist Morbus Forestier?” Fragend sah Sandro den Mann mit dem weißen Arztkittel an. Er hatte kein Wort von dem verstanden, was dieser von sich gegeben hatte und lediglich diese beiden Wörter waren hängen geblieben.

Schon seit Monaten plagten ihn Schmerzen in den Armen und Schultern und es gab Tage, an denen er seine Arme nicht einmal mehr heben konnte. Seine Frau hatte ihn förmlich dazu gedrängt, endlich einen Arzt aufzusuchen, aber von dem, was der Arzt ihm gesagt hatte, hatte er nur die Hälfte verstanden.

“Morbus Forestier ist eine degenerative, durch Verschleiß bedingte Wirbelsäulenerkrankung. Bei Patienten mit dieser Erkrankung verknöchert die Wirbelsäule zunehmend an der Vorderseite. Die Ursache dafür ist unbekannt”, entgegnete der Arzt, woraufhin Rudi sich sofort die schlimmsten Dinge ausmalte. Vor seinem inneren Auge sah er sich selbst, bewegungsunfähig und fast zu Stein erstarrt. Und er sah seine Frau, wie sie ihn in einem Rollstuhl durch die Gegend schieben oder sogar noch füttern und anderweitig versorgen musste, weil er seine Gliedmaßen nicht mehr bewegen konnte.

“Das hört sich alles erst einmal viel schlimmer an, als es eigentlich ist”, drang nach ein paar Minuten die Stimme des Arztes zu ihm durch und Sandro blinzelte kurz, um wieder Herr seiner Sinne zu werden.

“Wie lange habe ich noch?”, wollte er wissen, wodurch der Arzt ihn verwirrt ansah. “Was meinen Sie damit? Wie lange habe ich noch?”

“Wie lange habe ich noch, bis mein Körper vollkommen verknöchert ist und ich ein sabbernder Etwas von?”, entgegnete Sandro, woraufhin sein Gegenüber direkt den Kopf schüttelte.

“Sie werden damit mit Sicherheit noch eine ganze Weile lang leben können. Es gibt genügend Therapiemöglichkeiten”, versuchte der Mann in Weiss ihn davon zu überzeugen, dass die Entdeckung dieser Krankheit nichts war, was gleich auf einen frühen Tod hindeutete.

“Und was soll das sein? Sie haben doch selbst gesagt, dass meine Wirbelsäule auf Dauer verknöchern wird und ich mich irgendwann gar nicht mehr bewegen kann”, behaarte Sandro auf seiner Meinung. Der Arzt schüttelte ein weiteres Mal den Kopf und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht.

“Das habe ich so nie gesagt. Sie müssen allerdings auch etwas dafür tun, dass es gar nicht erst so weit kommt. Massagen, Physiotherapie oder Akupunktur und sogar Elektrotherapien, es gibt so viele Möglichkeiten. Ich gebe Ihnen gerne die passenden Informationen dazu mit. Sie können sich mit ihrer Frau und der Familie beraten, was für sie die beste Therapiemöglichkeit ist und dann machen wir einen neuen Termin aus”, schlug der Arzt ihm vor und kramte bereits ein paar Broschüren aus seiner Schreibtischschublade.

“Und was, wenn es bis dahin schlimmer geworden ist?”, wollte Sandro sofort wissen und rieb sich reflexartig über den Oberarm.

“So schnell passiert das nicht und bis Ende der Woche ist das ganz sicher nicht der Fall”, wiegelte der Angesprochene ab und reichte Sandro die Unterlagen. Kurz zögerte dieser, bevor er danach griff.

“Ich .. rede mit meiner Frau darüber und dann rufe ich zwecks eines Termins an”, versprach er nach einer erneuten Aufforderung des Arztes und lief anschließend aus der Arztpraxis. Er war nicht einmal vierzig und sein Körper war kurz davor zu verknöchern. Das konnte er doch unmöglich zulassen, oder? Dagegen musste er doch etwas tun? Aber was?

Er wusste, dass er sich damit nur auseinandersetzen konnte, wenn er mit seiner Frau darüber sprach. Sie war seine erste Anlaufstelle, sie war seine größte Stütze. Und sie würde es auch immer sein, egal wie sich sein Leben in den nächsten Jahren entwickeln würde. Und auch sein Körper.

09.02.2024 - Hälfte

Mit einem gelben Absperrband in der Hand lief Jessi durch das Haus. Ihr Weg führte sie in Richtung des zweiten Schlafzimmer, wo sie sich einen Stuhl schnappte und ihn auf dem Flur platzierte. Sie befestigte ein Ende an der Stuhllehne und lief mit dem anderen Ende den Flur entlang. Ihr Mann Trevor, der im Schlafzimmer am Schreibtisch saß, hob verwundert den Kopf. “Was tust du?”

Im ersten Moment reagierte Jessi gar nicht und lief stattdessen einfach weiter. Trevor brummte und erhob sich, um seiner Frau zu folgen.

“Was tust du da, Jessi?”, sprach er die Blonde erneut an und diesmal drehte sie sich zu ihm um. In ihrem Blick spiegelte sich Wut wider und Trevor wich automatisch einen Schritt zurück. “Jessi?”

“Ich teile das Haus in zwei Teile. Einen davon wirst du bewohnen, den anderen ich. So lange, bis ich eine eigene Wohnung gefunden habe.”

Verwirrt sah Trevor seine Frau an und konnte mit ihren Worten in diesem Moment gar nichts anfangen. “Was? Warum?”

Diesmal glitt über Jessi Lippen ein Brummen. “Weil ich es mit dir nicht mehr aushalte. Durch die Absperrung muss ich dich wenigstens nicht dauernd ertragen und kann meinen Teil des Hauses so oft benutzen, wie ich es will.”

Die Worte seiner Frau brachten Trevor nur noch mehr durcheinander. “Aber warum?”

Während Jessi die Treppe hinunter lief, lief er auf der anderen Seite des Absperrbandes neben ihr her. “Rede mit mir, Jessi”, forderte er die Blonde erneut auf, aber diesmal schwieg sie. Solange, bis sie unten im Wohnzimmer angekommen war und auch dort den Raum abteilte.

“Ich habe dich gesehen. Mit dieser .. Tussi”, begann sie schließlich und drehte sich in Richtung Fenster.

“Mit wem? Und vor allem wo?”, hakte Trevor erneut nach und kramte gleichzeitig in seinem Kopf danach, wann Jessi ihn gesehen haben könnte und vor allem mit wem.

“In der Stadt. Du hast diese schwarzhaarige Tussi geküsst und ich habe euch ins Hotel am Marktplatz gehen sehen. Du hast mich betrogen und du weißt, dass ich dir am Anfang unserer Beziehung gesagt habe, dass ich das niemals tolerieren werde. Solange bis ich eine eigene Wohnung gefunden habe, ist unser Haus hiermit in zwei Hälften geteilt.”

Ohne Trevor auch nur die Chance zu geben, sich zu rechtfertigen, lief Jessi nach ihren Worten aus dem Raum und ließ Trevor völlig überfordert zurück. Er hatte keine Ahnung, was in seine Frau gefahren war, aber eines wusste er ganz sicher: Er hatte sie nicht betrogen.

Nachdenklich ließ er sich auf das Sofa fallen und konnte überlegend auf seiner Unterlippe herum, bevor er sich blitzartig erhob und wieder nach oben in das andere Schlafzimmer stürmte. Es gab nur eine einzige Lösung, die für ihn derzeit in Frage kam: Es musste Travis gewesen sein. Sein Zwillingsbruder.

Er hatte erst vor kurzem erfahren, dass es den Älteren gab und bislang hatte er noch keine Möglichkeit gefunden, Jessi davon zu erzählen. Nicht zuletzt, weil er bis gestern Abend bei seiner Mutter gewesen war. Als er nach Hause gekommen war, hatte sie schon geschlafen und heute morgen war sie bereits verschwunden, als er aufgestanden war. Vermutlich, um das Absperrband im Baumarkt zu kaufen. Im Schlafzimmer, das auch als sein Büro galt, nahm er sich das Handy vom Schreibtisch und wählte die Nummer seines Zwillingsbruders.

Ohne große Vorreden berichtete Travis von den Ereignissen der letzten Stunden. “Du musst herkommen und Jessi die Wahrheit erzählen”, bat er ihn, woraufhin Travis sofort versprach, sich auf den Weg zu machen.

“Danke”, seufzte Trevor und lief langsam wieder nach unten, natürlich auf seiner Seite des Absperrbandes. In der Küche holte er sich eine Flasche Wasser und trat gerade wieder ins Wohnzimmer, als Jessi aus einem der anderen Räume trat. Er wollte gerade ansetzen, um etwas zu sagen, als es klingelte. Travis war scheinbar überpünktlich und stand zu seinem Wort.

Jessi blinzelte kurz verwirrt und traf auf die Haustür zu, immerhin befand sich diese auf ihrer Seite des Hauses. Kaum, dass sie die Tür geöffnet hatte, wich sie zurück und starrte den Besucher an. Ihr Blick huschte zurück ins Haus, wo Trevor an der Fensterbank lehnte und die Wasserflasche an die Lippen setzte.

“Ich bin Travis, es freut mich dich kennenzulernen, Jessi”, begann der Besucher und Jessi wandte ihren Blick wieder zu ihm.

"Du siehst genauso aus wie Trevor”, murmelte sie und starrte den Blonden regelrecht an.

“Das liegt daran, dass wir Zwillingsbrüder sind”, grinste der Angesprochene und sah auch kurz zu seinem Bruder. “Trev hat mich angerufen und mir erzählt, dass du ihn für einen Fremdgeher hälst. Ich bin hier, um richtig zu stellen, dass du mich gesehen hast und nicht ihn”, sprach Travis weiter und lächelte sachte.

“Aber .. “, begann sie und drehte sich wieder in die Richtung ihres Mannes. “Wann hattest du vor, mir zu sagen, dass du einen Zwillingsbruder hast?”, wollte sie noch immer etwas überrumpelt wissen und lief ein paar Schritte auf einen der Sessel zu, um sich darauf niederzulassen.

“Eigentlich sobald ich von meiner Mutter wieder da bin, aber gestern Abend hast du schon geschlafen und heute morgen warst du schon wieder weg, als ich aufgestanden bin. Ich habe selbst erst vor kurzem erfahren, dass es ihn überhaupt erst gibt”, versuchte Trevor die Situation zu erklären. Er wollte seine Frau nicht verlieren, er wollte nicht, dass sie einen Schlussstrich unter die Ehe zog und er hoffte wirklich, dass Jessi ihm glaubte.

“Das … darüber sollten wir .. in Ruhe reden. Kaffee?”, hörte er schließlich ihre Stimme, während sie ihren Blick zu Travis wandte. Travis nickte und trat jetzt endlich in die Wohnung, während Trevor selbst in die Küche lief, um die Kaffeemaschine anzustellen. Mit der Hoffnung, dass das Absperrband vielleicht schon am Abend wieder verschwunden war und seine Ehe nicht mehr länger vor dem Aus stand.

Und auch, dass Jessi seinen Bruder als seine neue bessere Hälfte auch wirklich akzeptieren konnte.

10.02.2024 - Beeil dich!

“Beeil dich, Herbert. Wir müssen los!” Die Stimme seiner Frau Erika drang aus dem Wohnzimmer zu dem Fünfzigjährigen herüber und er brummte kurz. Er verstand die Hektik, die seine Frau gerade verbreitete, absolut nicht. Vorgestern hatte ihre gemeinsame Tochter Alena ihr erstes Kind auf die Welt gebracht und Erika wollte so schnell wie möglich zu der frischgebackenen Mutter.

“Hetz mich doch nicht so. Das Kind wird schon nicht weglaufen und auch in einer Stunde noch da sein”, richtete er das Wort an seine Frau und zog sich in aller Ruhe sein Hemd an. Kaum, dass er den letzten Knopf geschlossen hatte, trat Erika zu ihm ins Wohnzimmer. Er konnte sehen, dass sie angespannt war und das machte es nicht unbedingt besser für ihn.

"Interessiert es dich gar nicht, wie unser erstes Enkelkind aussieht?”, sprach sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust.

“Doch natürlich tut es das, aber es ist niemandem geholfen, wenn du in Hektik verfällst. Das Kind und auch die frischgebackenen Eltern sind auch in einer Stunde noch da. Es kann noch nicht weglaufen!”, erwiderte er und stopfte das Hemd in seine Hose. Er schloss den Gürtel, während Erika direkt nach Luft schnappte.

“Ich habe Alena zugesagt, dass wir pünktlich um halb drei bei ihr sind. David hat extra Kuchen für uns gebacken, da können wir nicht zu spät kommen. Also beeil dich endlich, sonst fahre ich ohne dich!”, fuhr sie ihn an und stürmte anschließend aus dem Raum. Verblüfft sah Herbert ihr nach und brummte ein weiteres Mal. Er wollte seinen Enkelsohn natürlich auch kennenlernen, aber die Art und Weise, wie seine Frau gerade mit ihm umging, gefiel ihm auch nicht unbedingt.

Kurz schüttelte er den Kopf, bevor er ihr ins Wohnzimmer folgte. “Erika”, sprach er seine Frau an, die bereits im Flur stand und sich die Lippen nachziehen wollte. “Warum ist es dir so wichtig, pünktlich zu sein? Was spricht dagegen, wenn wir ein paar Minuten später kommen?”

“Weil ich nicht schon wieder zu spät kommen will”, erwiderte Erika und im ersten Augenblick war Herbert tatsächlich verwirrt. “Was meinst du damit?”

Bei der frage ihres Mannes sank Erika etwas in sich zusammen. Sie trat wieder zu ihrem Mann und ließ sich auf dem Sessel nieder, der ihm am nächsten war.

“Ich habe dir nie von Sigrid erzählt, oder?”, begann sie leise, woraufhin Herbert den Kopf schüttelte. Er suchte in seinem Kopf nach der Information, die auf eine Frau namens Sigrid hinweisen könnte, aber fündig wurde er nicht.

“Sigrid war meine Schwester und zwei Jahre nach mir geboren”, hörte er sie schließlich antworten und blinzelte im ersten Moment verwirrt. “Ich war damals in der Schule und mein Vater hatte mich angerufen, dass Sigrid auf dem Weg ist. Ich sollte mich beeilen, wenn ich bei der Geburt dabei sein wollte, aber .. ich war zu spät”, erzählte sie leise und biss sich kurz auf die Lippen. “Ich habe Sigrid nie kennengelernt, weil sie .. kurz nach der Geburt verstorben ist. Ihr Herz war nicht stark genug ausgebildet. Wäre ich nur eine Stunde früher da gewesen oder überhaupt pünktlich, wie mein Vater es verlangt hat, dann ..”, fuhr sie fort und Herbert konnte sich ein leises Seufzen nicht verkneifen. Er ging vor ihr in die Hocke und nahm ihre Hände in seine.

“Erika, Schatz. Das ist doch nicht deine Schuld. Selbst wenn du pünktlich gewesen wärest, hättest du vielleicht nicht einmal mehr etwas für Sigrid tun können. Aber das hat nichts mit der Situation jetzt zurück. Unserem Enkelsohn geht es gut und Alena und David auch”, versuchte er seine Frau zu beruhigen und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Lippen, ehe er sie in seine Arme schloss. Erika schmiegte sich an ihn heran und nickte langsam. Sie wusste, dass Herbert recht hatte und sie wusste auch, dass man wirklich nichts dagegen hatte tun können, dass Sigrid gestorben war, aber das sie nicht pünktlich sein würde, war ihr seit diesem Moment nie wieder passiert.

Minutenlang hielt Herbert seine Frau fest, bevor er sie wieder von sich weg drückte. “Aber jetzt beeil du dich lieber mit deiner Lippenpflege, sonst kommen wir wirklich noch zu spät”, schmunzelte er anschließend sachte und deutete auf den Lippenstift, den Erika noch immer in der Hand hielt. Er selbst erhob sich wieder und schlüpfte in seine Jacke, während Erika nur leise lachte und ihn kurz ein weiteres Mal umarmte. “Danke”, flüsterte sie leise und widmete sich anschließend ihrem Make-up, damit sie wirklich so schnell wie möglich los konnten. Zu Alena, David und ihrem kleinen Enkelkind Finn.

11.02.2024 - Vergleichen

Mit aufeinander gebissenen Lippen sah Milena auf das Video, dass sie auf ihrem Handy bei Instagram entdeckt hatte. Ihre ehemalige Schulfreundin Vanessa, mit der sich der Kontakt nach dem Abschluss ihrer Schullaufbahn in Luft aufgelöst hatte, war auf diesem Video zu sehen und Milena fing sofort an, sich mit ihr zu vergleichen. In der Schulzeit waren sie sogar beste Freundinnen gewesen, aber irgendwann hatte sich ihre Lebensweise in andere Richtungen entwickelt. Während sich Milena auf das Lernen und ihr kommendes Studium konzentrierte, wollte Vanessa unbedingt in der Promiwelt Fuß fassen. Sie hatte sich nur noch um ihr Handy gekümmert und darum, welches Video sie wann hochladen konnte. Und zu allem Überfluß hatte Vanessa ihr auch noch ihren damaligen Freund ausgespannt. Etwas, dass Milena ihr bis heute nicht verzeihen konnte.

Jetzt - nachdem sie jahrelang keinen Kontakt gehabt hatten - hatte sie durch Zufall das Video einer Person in den Feed gespült, die mit ihren Videos einen Erfolg nach dem anderen feierte.

Milena hatte sofort erkannt, dass es sich bei der Person um Vanessa handelte und sie beneidete Vanessa direkt darum, dass sie so erfolgreich war, während ihr Leben ganz anders verlaufen war, als sie es geplant hatte.

Nicht nur, dass sie kurz nach dem Abschluss des letzten Schuljahres ihre Eltern bei einem Autounfall verloren hatte, sie hatte auch noch immer keinen Studienplatz gefunden. Stattdessen arbeitete sie in der Boutique ihrer besten Freundin Nancy und auch, wenn sie die Arbeit dort wirklich gerne machte, war das doch irgendwie nicht das, was sie sich noch in der Schulzeit vorgestellt hatte.

Frustriert legte sie das Handy an die Seite und erhob sich von ihrem Platz im Café, in dem sie gerade saß. Sie brauchte dringend noch einen weiteren Kaffee, während sie auf Nancy wartete.

Kaum, dass sie mit dem Kaffee wieder an ihren Tisch getreten war, betrat Nancy das Café und steuerte sofort auf sie zu.

“Entschuldige, dass ich zu spät bin, Süße. Der Lieferant kam später als erwartet.” Bei den Worten Nancys wiegelte Milena ab und lächelte sachte. “Schon okay.”

Nachdem sich auch Nancy einen Kaffee geholt hatte und sich ihr gegenüber niedergelassen hatte, griff Milena ein weiteres Mal nach ihrem Handy. Sie hatte die Seite mit dem Video von Vanessa noch immer geöffnet und als Nancy einen Blick darauf warf, zog sie ihre Augenbrauen hoch.

“Denkst du schon darüber nach, dich mit ihr zu vergleichen?”, wollte sie wissen, woraufhin Milena kurz mit den Schultern zuckte.

“Ich habe das Video durch Zufall gefunden”, versuchte sie sich zu rechtfertigen und sah kurz auf das Handy.

“Und trotzdem hast du dich mit Sicherheit wieder mit ihr verglichen. Wie perfekt ihr Leben im Gegensatz zu deinem ist oder was du hättest anders machen wollen”, antwortete Nancy und Milena senkte ertappt den Kopf.

“Ich habe dich übrigens nicht umsonst zu diesem treffen gebeten und ich wollte es auch nicht einfach in der Boutique machen, aber ich möchte dir gerne ein Angebot machen”, sprach Nancy weiter, nachdem Milena keine Anstalten machte zu antworten und Milena hob ihren Blick sofort wieder. “Was für ein Angebot?”

“Ich weiss, dass es nicht unbedingt das ist, was du dir für den Rest deines Lebens vorgestellt hast, aber ich möchte dir nicht nur die Teilhaberschaft anbieten, sondern dir auch die Chance geben, ein Studium in Modedesign absolvieren zu können. Ich habe mich bereits erkundigt und hier in der Nähe sind noch ein paar Plätze an einer Universität zu vergeben. Du wolltest doch eh in die Designrichtung gehen, warum dann nicht also Modedesign?”

Je mehr Nancy sagte, desto größer wurden Milenas Augen und sie öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen.

“Ich weiss, dass du vermutlich nie damit aufhören wirst, dich mit anderen zu vergleichen und es vielleicht auch sogar bei mir tust, aber vielleicht das ist deine Chance, nicht nur Vanessa und manch anderem zu beweisen, was in dir steckt, sondern auch dir selbst”, kam Nancy ihr zurück und jetzt endlich war auch Milena zu einem Nicken fähig.

“Wenn ich .. wenn ich den Platz wirklich bekomme?”, erwiderte sie und auf ihren Lippen bildete sich ein Lächeln. Sie wusste nicht, ob wirklich eine Modedesignerin in ihr steckte, aber einen Versuch war es wert. Und vielleicht schaffte sie es dadurch ja tatsächlich, sich nicht immer mit anderen zu vergleichen. Vor allem nicht mit Vanessa.

12.02. 2024 - Kröte

Missmutig stapfte Greta durch den Wald. “Diese elendige Kröte. Wie kann er es wagen, so mit mir zu reden?”

Es war noch gar nicht so lange her, da hatte sie sich mit ihrem Bruder gestritten. Obwohl Hubertus über 5 Jahre älter war als sie und seine Ausbildung zum Magier bereits abgeschlossen hatte, gab es ihm noch lange nicht das Recht, Greta vor Allen niederzumachen und als Nichtsnutz zu betiteln.

Sie stand erst am Anfang ihrer Ausbildung und hatte heute eine kleine Zwischenprüfung absolvieren sollen. Natürlich hatte der Zauberspruch, den sie sich überlegt hatte, nicht funktioniert und Hubertus hatte sie sofort vor der versammelten Klasse runtergeputzt. Nicht nur, das Hubertus ihr Bruder war und sie trotzdem verbal so sehr attackiert hatte, verletzte sie, sondern auch, dass er sich bislang nicht einmal entschuldigt hatte.

Als Aufgabe hatte sie einen Zauberspruch ausgewählt, den Hubertus ihr sogar beigebracht hatte. Sie sollte einen Stein in eine Kröte verwandeln, aber der Stein hatte sich nicht einmal bewegt. Hubertus war sofort wütend geworden, was zur Folge hatte, dass auch Greta wirklich geworden war und den Prüfungssaal einfach verlassen hatte.

Schnurstracks war sie in den Wald gelaufen, wo sie jetzt wütend durch das Gestrüpp stapfte.

“Soll er sich doch selbst in eine Kröte verwandeln! Dann kann er mich wenigstens nicht mehr so oft anschreien”, schimpfte sie vor sich hin und erschrak, als sie neben sich eine Stimme vernahm. “Soll das wirklich dein Wunsch sein?”

Erschrocken sah sich Greta um und entdeckte ein kleines Männchen, dass auf einem nahegelegenen Stein saß und die Beine baumeln ließ. Es trug einen roten Anzug und einen kleinen schwarzen Zug, während es sie so breit angrinste, dass es strahlend weisse Zähne entblößte.

“Wer bist du?”, wollte Greta wissen und traute sich doch nicht näher an das Männchen heran. Stattdessen musterte sie es von ihrem Platz aus und sah sich gleichzeitig flüchtig in der Gegend um.

“Ich bin Wiggibald, aber sag mir, ist es wirklich dein Wunsch, dass ich deinen Bruder in eine Kröte verwandeln soll?”, sprach das Männchen und Greta schüttelte sofort den Kopf.

“Was? Nein! Natürlich nicht. Das war doch nur so daher gesagt", entgegnete sie und wandte sich von dem Mädchen ab, um wieder in die Richtung zu laufen, aus der sie gekommen war.

Sie wollte garantiert nicht, dass ihrem Bruder was passierte, egal wie wütend sie auf ihn war und auch, wenn sie ihn momentan abgrundtief hasste, hatte sie ihre Worte doch niemals ernst gemeint.

“Man sollte immer aufpassen, was man sagt. Manchmal erfüllt es sich auch, ohne dass man es wirklich will”, kicherte das Männchen hinter Greta und sie erschrak kurz. Ob sie wirklich schon allein durch ihre Worte davor gesorgt hatte, dass Hubertus längst eine Kröte war.

Schnellen Schrittes lief sie zurück zum Dorf, während das Kichern des Männchens in ihren Ohren wiederhallte.

Ohne darüber nachzudenken, lief sie zum Prüfungssaal zurück und konnte tatsächlich ihren Bruder dort entdecken. Die Prüfungen selbst waren längst zu Ende, aber trotzdem saß der Ältere noch immer auf einem der Stühle. Sie stürmte regelrecht auf ihn zu und warf sich in seinen Arme. Verblüfft fing Hubertus seine Schwester auf und konnte sich aus ihrem Verhalten gerade gar keinen Reim machen?

“Greta?”, sprach er sie auch direkt an und drückte sie etwas von sich weg. Tränen rannen an den Wangen des Mädchens hinunter und brachten Hubertus vollkommen durcheinander.

“Es tu mir leid, dass ich dich enttäuscht habe und weggelaufen bin. Ich verspreche mich zu bessern und mehr zu lernen, aber bitte lass nicht zu, dass dich dieses Männchen in eine Kröte verwandelt”, schluchzte das Mädchen und erzählte ihrem Bruder auf Nachfrage, was sich im Wald ereignet hatte.

“Wiggibald, der gute Wiggibald. Er tut keiner Fliege was zuleide. Er will lediglich dafür sorgen, dass man sich viel mehr auf seine Ausbildung konzentriert. Das hat er auch damals schon bei mir getan”, erwiderte Hubertus erst und entschuldigte sich anschließend sogar bei seiner Schwester. Er hätte sie niemals anschreien dürfen und hätte sie viel mehr unterstützen müssen, damit Greta eines Tages auch so eine gute Magierin werden konnte, wie es schon ihre Mutter gewesen war.

13.02.2024 - absolut

“Das ist absolut inakzeptabel!” Wütend sah Jonas seine Tochter Amelie an. Die Sechzehnjährige hatte ihm gerade eröffnet, dass sie zu ihrem Freund Alex ziehen wollte und das konnte er unmöglich zulassen. Und akzeptieren schon lange nicht.

Zudem war das Mädchen auch noch schwanger und das mit sechzehn.

“Ich bin alt genug, um zu entscheiden, was das richtige für mich ist”, warf das Mädchen ihm sofort entgegen und verschränkte abweisend ihre Arme vor der Brust. “Du bist sechzehn, Amelie. Du hast absolut keine Ahnung, was das Richtige für dich ist", fuhr Jonas das Mädchen an und schlug einmal mit der flachen Hand auf den Tisch.

“Ich liebe Alex und du kannst mir nicht verbieten, mit ihm zusammen zu sein”, erwiderte Amelie und rauschte anschließend aus der Küche. “Amelie, bleib hier!” Wütend versuchte Jonas seine Tochter zurückzuhalten, aber als er das Klappen der Wohnungstür hörte, ließ er resigniert den Kopf hängen.

Er seufzte lang gezogen und schloss für einen Moment seine Augen. Seit dem Tod von Amelies Mutter hatte er nur noch das Mädchen und er brach ihm das Herz, dass er absolut nichts tun konnte, um seine Tochter am Auszug zu hindern.
 

Später am Nachmittag saß er mit der Tageszeitung in der Hand auf dem großen Ohrensessel im Wohnzimmer. Den Arbeitstag im Büro hatte er nur mit Mühe überstanden. Er hatte sich kaum konzentrieren können, weil sich seine Gedanken immer nur um Amelie und ihren Auszug gedreht hatten. Als sich die Tür öffnete, sah er auf und erblickte seine Tochter, zusammen mit ihrem Freund Alexander.

“Können wir reden, Papa?”, bat ihn das Mädchen, während sie sich an die Hand ihres Freundes klammerte. Jonas ließ sofort die Zeitung sinken und deutete einladend auf das Sofa gegenüber. “Natürlich.”

Kaum merklich lächelte Amelie und trat langsam näher, um sich zusammen mit Alexander auf dem Sofa niederzulassen.

“Alex und ich, wir haben nachgedacht”, fing die junge Frau schließlich an und sah lächelnd zu ihrem Freund. Jonas folgte ihrem Blick kurz, ehe er sich wieder auf seine Tochter konzentrierte.

“Und was ist dabei herausgekommen?”, hakte er nach, während ein Teil von ihm tatsächlich Angst davor hatte, was seine Tochter ihm sagen würde.

“Wir .. haben einen Kompromiss gefunden, von dem wir hoffen, dass du damit auch einverstanden wärst”, sprach Amelie weiter und sorgte so dafür, dass Jonas eine Augenbraue hochzog. “Welchen Kompromiss?”

Erneut sah Amelie zu ihrem Freund und lächelte sachte. “Ich werde hier wohnen bleiben und Alex wird so oft wie möglich hier sein. Wir werden die Schwangerschaft gemeinsam erleben, aber sobald ich 18 bin, werden wir uns eine eigene Wohnung nehmen”, begann Amelie und hob ihre Hand, als Jonas ansetzen wollte, etwas zu sagen. Sofort klappte er den Mund zu und sah seine Tochter fragend an.

“Auch wenn wir in einer eigenen Wohnung bin, wirst du immer Teil meines Lebens sein, Papa. Du bist die wichtigste Person in meinem Leben und ich möchte, dass du ein genauso wichtiger Menschen für dein Enkelkind wirst, wie du es für mich bist”, schob sie hinterher, woraufhin Jonas sofort Tränen in die Augen traten. Amelie klang in diesem Moment so erwachsen, aber dieser Kompromiss war etwas, womit er absolut leben konnte. Solange seine Tochter ihn nicht komplett aus seinem Leben ausschloss.

14.02.2024 - Frech

“Bei dir hat wohl die Erziehung versagt! So etwas freches ist mir ja in all den Jahren noch nicht untergekommen. Mach, dass du weg kommst!”

Drohend schwang der alte Herr von nebenan seinen Gehstock in Richtung Emil und Titus.

Emil war erst vor ein paar Wochen mit seinem Eltern nebenan eingezogen und hatte sich von Herrn Rohrbach eigentlich nur seinen Fußball wiederholen wollen, den Titus versehentlich auf dessen Grundstück geschossen hatte. Überfordert wich Emil zurück. Er hatte eigentlich nur den Ball holen wollen und dafür sogar extra bei dem alten Herren geklingelt. Dass er ihn aber gleich so überfiel, damit hatte er nicht gerechnet. Er drehte sich um und lief durch den Vorgarten, um wieder zu Titus zu gelangen. Sein Freund wartete auf der anderen Straßenseite auf ihn und sah ihn abwartend an.

“Wo ist denn der Ball?”, wollte er sofort wissen, als er Emil mit leeren Händen auf sich zukommen sah.

“Er rückt ihn nicht raus und außerdem hat er gesagt, ich bin frech.” Entrüstet stemmte der Elfjährige seine Hände in die Hüften und wirbelte wieder herum.

“Wo willst du denn jetzt hin?’, wollte Titus irritiert wissen, als Emil sich erneut in Bewegung setzte.

“Nach Hause”, erwiderte Emil lediglich und und Titus blinzelte verwirrt. “Und unser Ball?”

Auf die Frage erwiderte Emil nichts, sondern lief stattdessen direkt in das Haus, dass er mit seinen Eltern bewohnte.

“Da bist du ja schon wieder. Habt ihr keine Lust mehr auf Fußball?”, empfing ihn sein Vater direkt, während er mit seinem Laptop am Esszimmertisch saß.

“Doch, aber Titus hat den Ball versehentlich in Herrn Rohrbachs Garten geschossen und jetzt rückt er den Ball nicht mehr raus”, begann Emil und erzählte seinem Vater anschließend, was Herr Rohrbach ihm an den Kopf geworfen hatte. “Der hat wohl nicht mehr alle Latten am Zaun!”, brauchst du dieser sofort auf und klappte den Laptop zu. “Komm, das klären wir jetzt”, fügte er hinzu und erhob sich. Gemeinsam mit seinem Sohn lief er auf das Nachbargrundstück und drückte dort auf die Klingel.

Als er die Tür öffnete, legte sich sofort ein gespielt freundliches Lächeln auf seinem Lippen.

“Guten Tag Herr Rohrbach”, begann er und musterte den alten Mann etwas. Er hatte sich auf seinen Gehstock gestützt und erwiderte die Begrüßung lediglich mit einem gebrummten “Guten Tag.”

"Ich habe gehört, sie haben etwas, das meinem Sohn gehört”, begann er und bat den alten Herren anschließend um die Herausgabe des Fußballs. Im ersten Moment weigerte sich der alte Mann und sah Emil und seinen Vater lediglich an.

“Ihr Sohn hat seinen blöden Ball mit Absicht in meinem Garten geschossen. Das tun sie alle”, erwiderte er anschließend, woraufhin Emil sofort den Kopf schüttelte.

“Das stimmt nicht. Es war keine Absicht, dass Titus den Ball in ihren Garten geschossen hat”, erwiderte er und sah den alten Mann entschuldigend an.

“Der Ball hat eine ganz besondere Bedeutung für Emil, denn er hat ihn von seinem Großvater bekommen, kurz bevor dieser gestorben ist. Es würde uns wirklich viel bedeuten, wenn wir den Ball zurückbekommen könnten”, möchte sich Emils Vater erneut ein und strich seinem Sohn kurz über den Kopf hinweg.

Herr Rohrbach schwieg und musterte das Vater - Sohn - Gespann einen Moment lang. Sein eigener Enkel schlich sich in seine Gedanken und für einen Moment schien es, als würden sogar Tränen in den Augen des alten Mannes schimmern. Wortlos wandte er sich ab und verschwand kurz im Inneren des Hauses.

Irritiert sah Emil zu seinem Vater auf, bevor er direkt strahlte, als er sah, dass der Mann wieder kam und dabei auch seinen Ball in den Händen hielt.

“Hier, aber pass in Zukunft auf, wohin du ihn schießt", brummte er und drückte Emil den Ball in die Hand. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich wieder um und schloss die Tür hinter den beiden Besuchern. Um nicht zu zeigen, wie sehr ihm die Geschichte des Jungen gefallen und wie sehr sie ihn an seinen eigenen, kleinen und vor allem frechen Enkel Cedric erinnert hatte.

15.02.2024 - Zurücksetzen

“Sie müssen einfach einfach nur das Passwort zurücksetzen”, erklang die Stimme am anderen Ende der Leitung und Letti konnte direkt heraushören, dass der Mann, mit dem sie gerade telefonierte, von ihr genervt war.

“Das habe ich ja versucht, aber ich bekomme immer nur die Meldung, die Mailadresse für das Passwort existiert nicht”, entgegnete Letti und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. Sie hatte ihr Handy vor sich liegen, damit sie mit dem Mann von der Technikerstelle kommunizieren konnte, aber gleichzeitig beide Hände dafür frei hatte.

“Sind Sie sich sicher, dass Sie auch die richtige Mailadresse verwendet haben?”, wollte der mann erneut wissen und diesmal verdrehte Letti sogar die Augen. Gott sei Dank konnte ihr Gesprächspartner sie nicht sehen, sonst wäre er vermutlich nicht nur genervt, sondern auch wütend gewesen.

“Natürlich habe ich das”, entgegnete sie so ruhig wie möglich und gab die Emailadresse erneut in das dafür vorgesehene Feld ein. Aber wieder erschien die Fehlermeldung, dass ihre Adresse nicht existieren würde.

“Ich muss das mit einem Kollegen besprechen, wir werden uns bei Ihnen zurückmelden”, vernahm sie die Stimme ihres Gesprächspartners und noch bevor sie überhaupt zu einer Antwort ansetzen konnte, hatte der Mann aufgelegt.

Verblüfft sah sie auf ihr Handy, als sie nur noch das Tuten vernahm und schüttelte entnervt den Kopf. Sie schob die Tastatur ein Stück von sich weg und erhob sich, um in der Küche einen Kaffee zu kochen. So etwas Unfreundliches hatte sie noch nicht erlebt und sie hoffte innerlich, dass sie beim nächsten Telefonat einen anderen Mitarbeitern zugeteilt bekommen würde.

In dem Moment, in dem sie wieder ins Schlafzimmer trat, in dem auch ihr Schreibtisch mit dem Computer stand, klingelte ihr Handy. Sie warf einen Blick darauf und konnte tatsächlich die Nummer darauf entdecken, die sie vor kurzem selbst gewählt hatte.

“Hallo?”, meldete sie sich knapp und atmete doch sofort erleichtert auf, als eine andere Stimme am Ende der Leitung erklang.

“Es tut mir leid, für die Umstände. Der Kollege ist neu in unserer Abteilung. Sie sollten das Passwort jetzt problemlos zurücksetzen können”, sprach der Mann, nachdem sie sich einen Moment lang unterhalten hatten.

Die Stimme und die Art und Weise des Kollegen waren ihr direkt sympathischer und sie ertappte sich sogar dabei, dass Gänsehaut ihren Körper überzog, wenn er sprach.

Sie fuhr sich kurz mit einer Hand über das Gesicht, bevor sie versuchte, erneut ihr Passwort zurückzusetzen. Und tatsächlich klappte es diesmal auf Anhieb.

“Hat es funktioniert?", hakte er nach, nachdem er keine Antwort mehr erhalten hatte, woraufhin Letti reflexartig nickte, auch wenn ihr Gesprächspartner sie gar nicht sehen konnte.

“Ja, vielen Dank”, schob sie nach ein paar Sekunden hinterher und bedankte sich überschwänglich bei dem Mitarbeiter. “Kein Problem, einen schönen Tag noch, Letti”, hörte sie seine Stimme und legte anschließend auf, noch bevor Letti ein weiteres Mal zu einer Antwort fähig war. Seine Stimme allerdings, die blieb ihr noch den ganzen Tag über im Gedächtnis und sie überlegte sogar, extra noch mal beim Kundenservice anzurufen, um seine Stimme noch einmal zu hören.

Und irgendwann, irgendwann würde sie das vielleicht sogar wirklich tun.

16.02.2024 - wahnsinnig

“Bist du wahnsinnig und von allen guten Geistern verlassen? Wie kannst du dich nur so in Gefahr bringen?”

Wütend fixierte Theresa ihren Freund Carlos und holte aus Reflex sogar aus, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Obwohl die Polizei noch in ihrem Wohnzimmer stand, fixierte sie sich auf ihren Freund. Der Einbruch, den sie entdeckt hatten, als sie vom gemeinsamen Abendessen nach Hause gekommen waren, hing ihr noch immer in den Knochen. Und das Carlos so leichtsinnig und vor allem wahnsinnig gewesen war, konnte sie erst recht nicht verstehen.

“Ich wollte dich doch nur beschützen”, versuchte Carlos sich zu rechtfertigen, woraufhin Theresa missmutig den Kopf schüttelte.

“Und deswegen musst du dich ihm in den Weg stellen, Carlos? Was, wenn er sich angegriffen hätte? Ich hätte es nicht ertragen, wenn er dich verletzt hätte. Ich möchte eine Familie mit dir gründen und dich nicht wochenlang im Krankenhaus oder noch schlimmer auf dem Friedhof besuchen!”, fuhr sie ihren Freund an und ballte die Hände zu Fäusten. Tränen rannen ihr über die Wangen und sie sah schon fast gar nichts mehr.

Geschockt sah Carlos seine Freundin an und schloss sie schließlich einfach in seine Arme. Er hatte nicht nachgedacht, als er sich dem Einbrecher in den Weg gestellt hatte, sondern hatte sie lediglich beschützen wollen.

“Es tut mir leid”, flüsterte er ihr leise ins Ohr, während sich Theresa in das Oberteil ihres Freundes krallte. Sie vergrub den Kopf an seiner Brust und schluchzte hin und wieder auf, ohne etwas zu erwidern.

Erst als einer der Polizisten sie ansprach, hob sie ihren Blick. “Ihre Freundin hat Recht. Es war grob fahrlässig und hätte ganz anders ausgehen können”, stimmte er Theresa zu und verabschiedete sich anschließend mit seinen Kollegen von ihr.

Leise seufzend nickte Carlos, bevor er sich doch wieder von Theresa löste. “Das mag sein, aber trotzdem würde ich es jederzeit wieder tun”, erwiderte er und trat einen Schritt zurück, als Theresa ihn fassungslos ansah. “Du würdest dich jederzeit wieder einem Verbrecher in den Weg stellen und dein Leben aufs Spiel setzen? Bedeute ich dir denn gar nichts?”

Erneut ballte sie die Hände zu Fäusten und musterte sie ihren Freund. Sie steigerte sich völlig in ihren Gedanken hinein und wurde selbst fast wahnsinnig von dem Kopfkino, dass sich in ihr breit machte.

“Sag doch gleich, dass du gar keine Zukunft mit mir willst”, fuhr sie ihn erneut an, woraufhin Carlos den Kopf schüttelte.

“Natürlich will ich eine Zukunft mit dir, Schatz. Ich will in ein eigenes Haus mit dir ziehen, ich will unsere gemeinsamen Kinder aufwachsen sehen und dich an jedem Tag beschützen, den wir zusammen verbringen. Ich will, dass du glücklich bist und würde alles dafür tun, dass Leid, dass uns umgibt, von dir fernzuhalten.”

“Ich kann nur mit dir glücklich werden, Carlos. Und das geht nur, wenn du auch an meiner Seite bist und nicht einfach dein Leben aufs Spiel setzt, um mich zu beschützen”, hauchte Theresa zurück und umschlang sich selbst mit den Armen.

“Ich liebe dich und kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen, also … mach so etwas nie wieder”, schob sie leise hinterher und schmiegte sich wieder an Carlos, als er sie ein weiteres Mal in die Arme schloss.

“Es tut mir leid”, wiederholte er seine Worte vorhin erneut, auch wenn es nicht komplett dem entsprach, was er dachte. Denn bei einer Sache war er sich sicher: Er würde seine Freundin immer und immer wieder auf diese Art und Weise beschützen.

17.02.2024 - liegen

“Willst du nicht endlich aufstehen? Wir müssen in einer Stunde los. Wie lange willst du noch liegen bleiben?”

Brummend zog sich Marcel die Decke über die Ohren und dachte gar nicht daran, sich zu erheben. Heute sollte er mit seiner Mutter zu einem Treffen mit ihrem neuen Freund und dessen Sohn und er hatte absolut keine Lust darauf. Er wollte seine Mutter nicht teilen und wollte seine Freizeit auch nicht mit einem anderen gleichaltrigen Jungen verbringen, den er nicht kannte. Er hatte genug Freunde und brauchte garantiert keine neuen.

“Marcel, komm jetzt endlich!”, hörte er erneut die Stimme seiner Mutter und als er aufsah, entdeckte er seine Mutter im Türrahmen. Sie hatte die Arme in die Hüften gestemmt und sah ihn auffordernd an.

“Benedikt und sein Sohn freuen sich schon darauf, dich kennenzulernen. Ich habe den Beiden schon viel von dir erzählt”, sprach sie weiter und Marcel konnte sich ein weiteres Brummen nicht verkneifen. Er wollte gar nicht erst wissen, was meine Mutter ihrem neuen Freund und dessen Sohn erzählt hatte und in welchem Licht er letztendlich da stand.

“Muss ich wirklich mit?”, versuchte er seine Mutter erneut davon zu überzeugen, einfach liegen bleiben zu können, doch die Dunkelhaarige nickte sofort.

“Ja, musst du. Keine Widerrede, also steh endlich auf, bevor ich wieder mit einem Wassereimer kommen muss”, entgegnete sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Sie hatte ihn schon einmal auf diese Art und Weise geweckt und Marcel wusste, dass sie nicht davor zurückschrecken würde, den Eimer auch tatsächlich zu hören.

Mit einem tiefen Seufzen schälte sich Marcel schließlich aus der Decke und setzte sich langsam auf.

“Wenn du vorher noch duschen willst, solltest du jetzt gehen. Ich warte in der Küche auf dich!”, sprach ihn seine Mutter erneut an, woraufhin er nur nickte und ihr anschließend hinterher sah, als sie das Zimmer wieder verließ.

Reflexartig ließ er sich wieder nach hinten sinken und blieb einen Moment lang auf dem Bett liegen. “Ich kann das Wasser noch nicht rauschen hören”, hörte er ein paar Minuten später die Stimme seiner Mutter von unten, woraufhin er kurz die Augen verdrehte. Er richtete sich wieder auf und erhob sich, um sich aus dem Kleiderschrank ein paar neue Sachen zu suchen. Damit bewaffnet, lief er ins Badezimmer am anderen Ende des Ganges und verschwand darin.

Erst über eine halbe Stunde später trottete er fertig angezogen nach unten in Richtung Küche. Tatsächlich fand er seine Mutter dort mit einer Tasse Kaffee in der Hand vor. Sie lehnte an der Küchenzeile und musterte ihn leicht, als er vor ihr stand.

“Bist du soweit?”, wollte sie wissen, woraufhin Marcel kurz mit den Schultern zuckte. “Habe ich denn eine Wahl?”

“Nein, hast du nicht. Und jetzt komm, Benedikt und sein Sohn warten im Restaurant am Stadtbrunnen auf uns”, scheuchte sie ihn los und Marcel gab sich mit einem leisen Seufzen geschlagen.
 

Zwanzig Minuten später betrat er mit seiner Mutter das Restaurant. Er hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und trottete ihr langsam hinterher. Vor einem der Tische blieb sie stehen und als Marcel einen Blick an ihr vorbei warf, weiteten sich seine Augen direkt.

“Du?”, stieß er aus und starrte den Jungen förmlich an, den er erblicken konnte. Am Tisch saß ausgerechnet Vincent, ein Junge aus seiner Klasse, der erst vor einigen Monaten an die Schule gewechselt hatte.

Und bei dem er sich direkt blamiert hatte, in dem er gestolpert war und sich vor langgelegt hatte. Wie ein Käfer auf dem Rücken war er vor ihm zum Liegen gekommen und hatte sich so elend gefühlt, wie schon lange nicht mehr. Auch deswegen, weil nicht nur alle anderen aus der Klasse über ihn gelacht hatten, sondern auch Vincent.

“Hallo Marcel”, begrüßte Vincent ihn auch direkt, während die beiden Erwachsenen skeptisch zwischen den Jungen hin und her sahen. “Ihr kennt euch?”

“Flüchtig”, murmelte Marcel und sah kurz zu seiner Mutter, während er sich leicht auf die Lippen biss. Jetzt wollte er erst nicht mehr hier sein und wäre am liebsten im Bett liegen geblieben.

“Wollt ihr euch nicht setzen?”, mischte sich Vincents Vater ein und als sich Marcel langsam auf den Stuhl vor Vincent niederließ, folgte ihm der Größere mit dem Blick. Er wusste nicht, was die Zukunft noch für ihn bereit hielt, aber umso länger er sich an diesem Tag mit Vincent unterhielt, um so mehr stellte er fest, dass Vincent doch gar nicht so übel war, wie er ihn aufgrund der Reaktion nach seinem Sturz eingeschätzt hatte.

18.02.2024 - schießen

“Kannst du nicht wenigstens so tun, als würdest du ehrlich lächeln? Wie soll ich denn sonst ein vernünftiges Foto schießen?”, tadelte Marianne ihre Tochter Annalena und ließ die Kamera sinken, die sie in der Hand hielt. Das Mädchen stand mit einem Gesichtsausdruck der Bände sprach, neben ihrem Bruder Leon und hatte zusätzlich die Arme vor der Brust verschränkt. Vor ein paar Wochen hatte der Freund Annalenas mit ihr Schluss gemacht und seitdem war die junge Frau am Boden zerstört. Es war nicht so, dass Marianne sie nicht verstehen konnte, immerhin war sie auch einmal jung gewesen, aber diese Fotos waren unglaublich wichtig für Marianne und da wollte sie nicht, dass ihre Tochter wie ein Trauerkloß zu sehen war.

“Warum musst du denn überhaupt diese Fotos schießen?”, erwiderte Annalena, ohne auf die Worte ihrer Mutter einzugehen. Sie stand schon seit über einer halben Stunden neben ihrem Bruder im Garten hinter dem Haus und hatte keine Zeit, überhaupt hier draußen zu sein. Stattdessen wollte sie sich in ihrem Zimmer verkriechen und sich den Erinnerungen an ihre vergangene Beziehung hingeben.

“Weil Oma nächste Woche Geburtstag hat und du weißt doch, dass sie jedes Jahr ein Geburtstagskarte mit einem Foto von euch bekommt. Sie wünscht sich das, also soll ihr dieser Wunsch auch erfüllt werden. Wer weiss, wie lange Mama noch da ist”, entgegnete Marianne und diesmal konnte sie sogar sehen, dass Annalena direkt die Schultern hängen ließ.

Zumindest für einen kurzen Moment, denn anschließend richtete sie sich direkt wieder auf und das Strahlen, dass sich auf dem Gesicht ihrer Tochter bildete, war Marianne fast ein wenig unheimlich. Dennoch nutzte sie die Gunst der Stunde und schoss ein paar Bilder. Sobald sie fertig war, sank Annalena wieder in sich zusammen und wollte eigentlich wieder in ihrem Zimmer verschwinden.

“Spielst du Fußball mit mir?” Die Stimme ihres neunjährigen Bruders ließ sie innehalten und obwohl sie kurz zögerte, stimmte sie ihm schließlich zu. “Was hälst du davon, wenn wir hier in der Nähe auf den Sportplatz gehen? Damit du nicht noch eine von Mamas Vasen kaputt machst?”, kicherte sie kurzzeitig, als sie sich daran erinnerte, was passiert war, als sie das letzte Mal im Garten Fußball gespielt hatten.

“Auja!”, jauchzte Leon direkt und lief direkt ins Haus, um den Fußball aus seinem Zimmer zu holen. Marianne sah ihm kurz nach, bevor sie sich wieder ihrer Tochter zuwandte und sie sanft anlächelte.

“Das wird nicht nur ihr gut tun”, richtete sie das Wort an ihre Tochter und strich ihr mit einer Hand leicht durch die Haare. “Und wenn du dich abreagieren willst, dann stell dir vor, du würdest ihn damit auf den Mond schießen, wenn du gegen den Ball triffst”, schob sie hinterher und konnte sehen, dass sich ein Lächeln auf Annalenas Lippen legte. “So hoch und weit kann ich gar nicht schießen”, antwortete das Mädchen und sah zu ihrem Bruder, als er wieder in den Garten trat. Er trug gleich zwei Fußbälle unter seinem Arm und sah zu seiner Schwester auf.

“Fertig”, tat er euphorisch kund und lief weiter in Richtung Gartentor, wohin Annalena ihm wenig später folgte. Vielleicht würde es ihr ja wirklich gut tun, wenn sie nicht nur Zeit mir ihrem Bruder verbrachte, sondern auch mit jedem Schuß ins Tor, ihre Gefühle von sich wegschieben konnte. Oder eher schießen.

19.02.2024 - Brauchen

"Kannst du kommen? Ich brauche dich!”

Als Paula die Nachricht ihrer besten Freundin Zoe las, sprang sie sofort auf. “Wo bist du?”, antwortete sie, noch während sie in den Flur lief, um in ihre Schuhe zu schlüpfen. “Im Krankenhaus Süd”, erhielt sie direkt die Gegenantwort, woraufhin sich ihre Stirn runzelte. “Was machst du im Krankenhaus?”, hakte sie nach, bevor sie sich ihre Jacke schlüpfte.

“Komm bitte einfach.” Diesmal erfolgte die Antwort knapper und Paula konnte sich ein kurzes Seufzen nicht verkneifen. Sie antwortete nicht mehr, sondern griff stattdessen nach ihrer Handtasche, um ihre Wohnung zu verlassen.

Zum Krankenhaus in der Südstadt brauchte sie mit dem Auto etwas mehr als zwanzig Minuten und mit jeder verstreichenden Minute wuchs nicht nur die Neugierde darauf, was Zoe im Krankenhaus machte, sondern auch die Sorgen um ihre beste Freundin. In den letzten Monaten hatte sich Zoe ein wenig zurückgezogen und sie hatten sich nur noch selten gesehen, aber trotzdem würde sie immer für Zoe da sein, egal wann sie sie brauchen würde. Sie hatte natürlich auch wissen wollen, was Zoe bedrückte, aber sie auch nie bedrängt.

Sie stellte das Auto vor dem Krankenhaus ab und betrat das Gebäude durch den Vordereingang. Im Foyer sah sie sich um, konnte ihre beste Freundin aber nirgends entdecken. Sie lief auf die Information zu und erkundigte sich nach ihrer Freundin. Ihre Stirn runzelte sich, als ihr die Krankenschwester die Station nannte, auf der sie Zoe finden würde. Was machte Zoe auf der Gynäkologie - Station?

Sie zögerte, bevor sie in die Richtung lief, in der sich die Station befand. Auch dort sprach sie eine Schwester an und erfuhr, dass Zoe bereits in einem der Zimmer war und alles gut gegangen war. Ein wenig überfordert lief sie den Gang entlang und trat in das Zimmer, dass die junge Krankenschwester genannt hatte. Sie war noch gar nicht richtig am Bett angekommen, als sie ihre Augen aufriss. Vor ihr im Bett saß ihre beste Freundin und sie hielt ein Baby im Arm. Ein echtes Baby.

“Zoe.” Als die junge Frau ihren Namen hörte, hob sie ihren Blick und lächelte kaum merklich. “Paula.”

Langsam trat Paula näher und blieb neben dem Bett stehen. “Du .. “, begann sie und kam gerade gar nicht darauf klar, dass ihre beste Freundin ein Kind bekommen hatte. Und sie hatte absolut nichts von einer Schwangerschaft mitbekommen. Hatte sich Zoe deswegen in der letzten Zeit kaum noch gemeldet?

“Darf ich dir meine Tochter Jasmin vorstellen?”, hörte sie Zoes leise Stimme, während sie wieder auf das Bündel in ihrem Arm getan blickte.

“Hast du dich deswegen kaum gemeldet? Weil du schwanger warst?”, hakte Paula direkt nach, woraufhin Zoe direkt nickte. “Ich wusste einfach nicht, wie ich dir sagen sollte, dass ich schwanger bin”, erwiderte sie erst und biss sich auf die Lippen, als Paula nach dem Vater des Babys fragte.

“Versprich mir, dass du .. mich dafür nicht hasst “, murmelte sie und Paula schüttelte sofort den Kopf. “Du bist meine beste Freundin, Zoe. Ich könnte dich nie hassen”, beruhigte sie ihre Freundin und riss doch sofort ihre Augen auf, als sie den Namen des potentiellen Vaters hörte. Nevio, ihr eigener Bruder.

“Nevio ist der Vater?”, vergewisserte sie sich, ob sie richtig gehört hatte, woraufhin Zoe zwar nickte, aber auch das Lächeln aus ihrem Gesicht verschwinden ließ.

“Ja, aber .. er will mit seiner Tochter nichts zu tun haben. Das hat er mit bereits verdeutlicht”, murmelte sie leise und Paula brummte direkt. “Was für ein Idiot”, erwidere sie und ließ sich anschließend erzählen, wie es überhaupt dazu gekommen war, dass Zoe mit dem Älteren geschlafen hatte.

Und sie versprach ihr einmal mehr, dass sie im Gegensatz zu ihrem Bruder immer für ihre beste Freundin da sein würde, wenn sie sie brauchen würde, zusammen mit ihrer kleinen Tochter Jasmin.

20.02.2024 - Behindern

Genervt schlug Kai mit beiden Händen auf das Lenkrad seines Autos. Seit über einer Stunde stand er nun schon im Stau und hatte es längst aufgegeben, noch pünktlich auf der Arbeit zu erscheinen. Er hatte seinem Chef zwar schon Bescheid gegeben, aber er hatte derzeit auch keine Möglichkeit, überhaupt wieder in die andere Richtung zu fahren. Es ging weder vor noch zurück und er stand inmitten einer riesigen Blechlawine.

Und ausgerechnet heute stand auch noch ein wichtiger Kundentermin an, bei dem er unbedingt dabei sein wollte.

Er wusste nicht, was den Stau ausgelöst hatte, aber er sah, dass sich bereits etliche Menschen auf der Straße befanden. Sie behinderten die Rettungskräfte und bildeten nicht einmal eine Rettungsgasse. Von weiter hinten konnte Kai die Sirenen des Krankenwagens hören, aber die fehlende Rettungsgasse behinderte das Vorankommen der Rettungskräfte ziemlich. Es gab nur wenige Autofahrer, die eine Rettungsgasse gebildet hatten und Kai gehörte zu ihnen.
 

Je mehr Zeit verging, desto mehr schlug Kais Stimmung um. Er konnte einfach nicht verstehen, wie dumm manche Menschen sein konnten, indem sie sich verstanden, was es hieß, eine Rettungsgasse zu bilden. Stattdessen behinderten sie die Arbeit der Menschen, die dafür verantwortlich waren, ein Menschenleben zu retten und gafften vermutlich auch noch. Kopfschüttelnd beobachtete er ein paar der anderen Autofahrer und atmete erleichtert auf, als der Krankenwagen es endlich an ihm vorbei geschafft hatte.

Trotzdem dauerte es noch über eine Stunde, bis auch die Blechlawine sich wieder in Bewegung setzte. Die Menschen mussten erst wieder alle in ihre Autos steigen und behinderten auch gegenseitig. Kai rollte entnervt mit den Augen und erst, als er vor dem Gebäude, in dem er arbeitete, endlich aus dem Auto stieg, fiel all die Anspannung von ihm ab, die sich in den letzten Stunden aufgebaut hatte.

“Da bist du ja endlich!”, empfing ihn sein Chef auch direkt und brachte ihn auf den neuesten Stand, während sie gemeinsam ins Gebäude liefen. Jetzt würde an dem geschäftlichen Termin hoffentlich nichts mehr im Weg stehen und niemand würde sie dabei behindern, umzusetzen, was sie sich vorgenommen hatten.

21.02.2024 - Machen

“Wir müssen das nicht machen, Gianni”, fing Marina an, auf ihren Freund einzureden und sah ihn abschätzend an. Sie waren seit einigen Monaten ein Paar und Marinas größter Wunsch war es, einmal das Matterhorn zu besteigen, so wie sie es einst ihrem Vater versprochen hatte. Um langsamer anzufangen, wollte sie allerdings erst die Zugspitze besteigen und Gianni hatte ihr sofort zugestimmt. Jetzt allerdings sah sie ihm förmlich an, wie nervös er wurde, dabei waren sie noch nicht einmal am Ausgangsort angekommen, wo sie sich auch ein kleines Hotelzimmer gebucht hatten. Marina hatte sich extra für den einfachsten Weg durch das Rheintal entschieden, denn er war nicht nur der beschaulichste Weg, sondern vielleicht auch der schönste.

“Ich habe es dir versprochen”, erwiderte Gianni mit einem Seitenblick auf seine Freundin, während er das Lenkrad regelrecht umklammerte. Sie waren bis zu ihrem Hotel in Lermoos noch etwa eine Stunde unterwegs und je näher sie dem Ort kamen, desto nervöser wurde Gianni. Marina seufzte und legte Gianni eine Hand auf seine, die das Lenkrad umklammerte.

“Schatz, wir müssen das wirklich nicht machen. Du musst das nicht machen”, begann Marina und sah ihren Freund mit einem Lächeln auf den Lippen an. Sie wollte nicht, dass er sich zu etwas überwand, was er gar nicht machen wollte. Sie wollte nicht, dass er es nur ihr zuliebe tat, obwohl es ihm eigentlich gar nicht so viel bedeutete, wie ihr.

“Aber es ist doch dein größter Wunsch”, entgegnete Gianni und warf seiner Freundin einen kurzen Blick zu.

“Ja eben, Schatz. Es ist mein Traum. Ich habe meinem Vater versprochen, eines Tages die Zugspitze zu besteigen und das sogar zu einer Zeit, in der ich überhaupt wusste, dass du eines Tages mein Freund sein wirst”, widersprach Marina ihm sofort und strich ihm zärtlich über die Hand hinweg.

“Ich möchte dir diesen Wunsch aber gerne erfüllen und du hast ja selbst gesagt, dass wir nicht gleich am ersten Tag die komplette Strecke gehen werden.”

Mit einem leisen Seufzen zog Marina ihre Hand wieder zurück und sah wieder in Richtung Straße. Die nächste halbe Stunde schwieg sie und hing ihren eigenen Gedanken nach, zumindest so lange, bis Gianni auf den Parkplatz einbog, der zu ihrem Hotel gehörte. Er stieg aus dem Auto und lief an der Motorhaube entlang auf die Seite seiner Freundin. Direkt, nachdem er die Tür geöffnet hatte, ließ er sich in die Hocke gleiten und ergriff ihre Hand. “Lass es uns machen, Schatz. Lass uns die Zugspitze erklimmen und heute in der Hütte übernachten, die wir uns schon ausgeguckt haben", entgegnete Gianni und lächelte sanft. “Bist du dir sicher?”, hakte Marina erneut nach und strich über den Handrücken ihres Freundes hinweg. Gianni nickte und lächelte sachte. “Ja, ich bin mir sicher.”
 

Eine Stunde später stieg er tatsächlich neben Marina her in Richtung Zugspitze. Es war nicht so, dass er den Wunsch seiner Freundin nicht erfüllen wollte, es ging ihm eher darum, dass er nicht ohne Grund an der Seite Marina sein wollte.

Denn schon seitdem er von ihrem Wunsch wusste, wollte er ihr unbedingt an diesem Ort einen Heiratsantrag machen. Entweder an der Zwischenstelle oder aber direkt oben auf der Zugspitze, denn obwohl sie erst seit wenigen Monaten zusammen waren, wusste er, dass Marina die Frau war, mit der den Rest seines Lebens verbringen wollte.

Den Ring für den Antrag trug er in seiner linken Hosentasche und mit jedem Schritt wog er gefühlt ein paar Gramm mehr.

“Ist alles okay, Schatz?”, hörte er Marinas Stimme neben sich und er lächelte sachte. “Ja, es könnte nicht besser sein”, entgegnete er und legte ihr einen Arm um die Schultern, um ihr einen kurzen Kuss auf die Schläfe zu drücken. Er war nervös und angespannt, umso näher sie dem Zwischenhalt kamen. Diese Hütte war für ihn die perfekte Gelegenheit und als er Marina endlich die Frage aller Fragen gestellt hatte, fiel auch all die Anspannung von ihm ab. Und er wusste, dass die nächste Etappe nicht nur ein Klacks sein würde, sondern auch, dass er es jedes Mal wieder so machen würde. Nur damit Marina am Ende seine Verlobte war.

22.02.2024 - Wein

“Welchen Wein willst du für die Feier?” Fragend sah Eva ihren Verlobten Milos an, dich dieser zuckte nur mit den Schultern. “Mir egal, such du dir einen aus”, erwiderte er und Eva verdrehte kurz die Augen. Seit einer Stunde saßen sie gemeinsam bei einem Service, um das Menü für ihre Hochzeit zu planen, die in vier Wochen stattfinden sollte. Das meiste besprach Eva mit der jungen Frau, während Milos einfach nur neben ihr saß und ab und an auf sein Handy starrte.

Als sie ihn erneut etwas fragte und er wieder nur mit den Schultern zuckte, wurde es ihr zu bunt. Wütend drehte sie sich in seine Richtung und funkelte ihn an. “Kannst du auch mal das Handy an die Seite legen und auch etwas dazu sagen?", fies sie ihn an, woraufhin ein Brummen die Lippen des Schwarzhaarigen verließ.

“Du kümmerst dich doch um alles, ich will euch nicht unterbrechen”, antwortete er, woraufhin Eva schnaubte. “Mag sein, aber es ist unsere Hochzeit und du stimmst allem zu, was ich vorschlage, ohne dich selbst einzubringen. Manchmal habe ich das Gefühl, du bist gar nicht anwesend und ich würde eh alles alleine planen. Bist du dir sicher, dass du mich überhaupt heiraten willst?”

Tränen bildeten sich in ihren Augen, woraufhin Milos leise seufzte. “Das hat doch damit nichts zu tun. Du weißt ganz genau, dass ich überhaupt keinen Wein trinke. Warum soll ich mich dann dafür entscheiden, welchen Wein unsere Gäste trinken sollen?”, wollte er wissen, woraufhin Eva erneut die Augen verdrehte. “Weil auch deine Freunde anwesend sein werden und weil du einige davon viel besser kennst als ich", entgegnete sie, wodurch Milos wiederholt mit den Schultern zuckte. “Denen kannst du auch einfach eine Kiste Bier auf den Tisch stellen und sie wären zufrieden.”

“Ich werde auf meiner Hochzeit garantiert keine ganze Kiste Bier auf irgendeinen Tisch stellen”, keifte Eva und verschränkte abweisend die Arme vor der Brust.

“Ach, jetzt ist es wieder deine Hochzeit?”, gab Milos angefressen zurück und sah anschließend zu der Frau vom Catering Service, als diese das Wort ergriff. “Vielleicht sollten wir an dieser Stelle abbrechen und einen neuen Termin ausmachen, wenn Sie sich wieder beruhigt haben”, sprach sie das Paar an, woraufhin Milos nickte, Eva hingegen jedoch den Kopf schüttelte.

“Gute Idee”, brummte er lediglich und erhob sich augenblicklich von dem Stuhl, auf dem er saß. “Klären sie einfach alles mit Eva ab”, richtete er knapp das Wort an die Frau auf der anderen Seite des Tisches, bevor er sich abwandte und in Richtung Tür lief.

“Wenn du jetzt gehst, war es das, Milos. Hörst du? Dann wird es überhaupt keine Hochzeit geben”, zeterte Eva wütend, aber diesmal blieb Milos nicht stehen. Er wollte sich nicht mit ihr auseinandersetzen und auch nicht länger darüber diskutieren, welchen Wein er zu welchem Essen servieren musste.

“Milos!”, hörte er erneut die Stimme Evas hinter sich, als er bereits die Treppenstufen nach unten lief, die aus dem Gebäude führen sollten.

“Willst du jetzt wirklich einfach so gehen?”, sprach sie ihn an und Milos konnte hören, wie viel Wut in ihren Worten steckte.

“Was soll ich noch hier, Eva? Du besprichst alles mit der vom Catering Service und ich stimme zu. So einfach ist das”, entgegnete er und sah sie über die Schulter hinweg kurz an. “Außerdem wird mir das gerade alles zuviel. Die ganze Planung, deine Ansprüche und alles andere”, schob er hinterher, woraufhin sich Evas Augen weiteten. “Was soll das heissen?”

“Das soll heissen, dass ich eine Pause brauche. Von allem, nicht nur von den Vorbereitungen”, antwortete er und wandte sich wieder von ihr ab. “Ich melde dich bei dir”, schob er zusätzlich hinterher und ließ Eva einfach stehen. Er wusste nicht, wie es weitergehen sollte, aber eines wusste er jetzt mit Sicherheit: Jetzt brauchte er definitiv ein Glas Wein!

23.02.2024 - löschen

“Es tut mir leid, ich wollte die Datei nicht löschen. Und auch nicht zerstören. Das war ein Versehen.” Die Worte, die Leon von seinem neuen Kollegen Pascal hörte, brachten ihn fast zur Verzweiflung. Er hatte tagelang an der Präsentation gesessen und Pascal hatte die Datei einfach nur auf einen Stick ziehen sollen. Stattdessen hatte der Dunkelhaarige die Datei komplett gelöscht und bei der Wiederherstellung hatte er die Datei sogar zerstört. “Du solltest einfach nur die Datei auf den Stick ziehen? Was kann man daran falsch verstehen und zu einem Versehen werden lassen?”

Mit einer Hand fuhr sich Leon über das Gesicht und ließ sich wieder hinter seinem eigenen Schreibtisch nieder. “Wo soll ich denn jetzt neue Unterlagen herbei bekommen?”, murmelte er zu sich selbst und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.

Schon heute Nachmittag sollte er eine Präsentation halten, die darüber entscheiden sollte, ob er die Beförderung bekommen sollte oder sein verhasster Kollege Jakob.

“Es tut mir wirklich leid, Leon”, hörte er die Stimme Pascals erneut und diesmal hob er seinen Hand, um den Dunkelhaarigen daran zu hindern, weiterzureden.

“Lass gut sein”, brummte er lediglich und erhob sich anschließend, um das Großraumbüro zu verlassen.

Er musste dringend einen klaren Kopf bekommen und darüber nachdenken, wie er seine Beförderung jetzt retten konnte.

Draußen vor der Tür traf er auf seinen besten Freund Moritz. Mit einem Becher Kaffee in der Hand, saß er in der Sitzgruppe, in der sie sich sonst immer unterhielten und sah zu ihm auf, nachdem er sich genähert hatte.

“Was ist dir denn über die Leber gelaufen?”, sprach Moritz ihn sofort an, nachdem er den Gesichtsausdruck seines besten Freundes bemerkt hatte.

“Pascal. Er sollte die Unterlagen für die Präsentation auf einen USB - Stick ziehen und hat dabei die Datei erst gelöscht und anschließend beschädigt. Ich kann unmöglich bis heute Nachmittag eine völlig neue Präsentation erstellen”, seufzte Leon und ließ sich neben Moritz auf einen der Stühle fallen.

“Das musst du doch auch gar nicht”, erwiderte Moritz und sorgte so dafür, dass sich Leons Stirn runzelte. “Hast du mir nicht zugehört? Pascal hat die Nachricht nicht nur gelöscht, sondern auch unwiderruflich zerstört!”

“Ja, das habe ich verstanden. Aber du hast mir doch eine Kopie davon geschickt, falls du sie selbst löschen solltest oder dir irgendein anderer Fehler unterläuft.”

Diesmal starrte Leon seinen besten Freund mit großen Augen an, bevor sich ein befreites Lachen über seine Lippen schlich. “Ich schick dir die Datei direkt nach der Pause”, hörte er Moritz antworten, woraufhin er sofort erleichtert nickte. Er war wirklich froh, dass er in der Hinsicht manchmal wirklich mit dachte und dass Moritz die Datei auch wirklich so lange behielt, bis Leon ihm selbst sagte, dass er sie löschen konnte. Egal, um was für eine Art von Datei es sich dabei handelte.

24.02.2024 - ausgefranst

“So kannst du unmöglich zum Geburtstag meiner Mutter gehen!” Amelie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah ihren Freund Fynn kopfschüttelnd an. Ihr Blick glitt an ihm herab und anschließend wieder nach oben. Der Schwarzhaarige trug eine Jeans, die total ausgefranst war und mehrere Löcher aufwies. Die Jacke, die er dazu trug, hatte Fransen am unteren Bund und war im Stil einer Cowboy Jacke gehalten.

“Du hast doch selbst gesagt, ich soll etwas anziehen, in dem ich mich wohl fühle”, hielt Fynn dagegen und zwar ebenso kurz um sich runter.

“Ich weiß, was ich gesagt habe, aber ich hätte nicht gedacht, dass du wieder letzte Penner rumlaufen würdest. Und ich mich für dich schämen muss, noch bevor wir die Wohnung überhaupt verlassen haben.”

Bei den Worten seiner Freundin klappte Fynn die Kinnlade nach unten und erstarrte sie einen Moment lang fassungslos an.

“Wenn du dich so sehr für mich schämst, wäre es vielleicht besser, wenn ich gleich zu Hause bleibe”, antwortete er und Tabak nicht einmal, wie sehr ihn die Worte Amelies verletzten.

“Ich will doch nur nicht, dass meine Eltern einen schlechten Eindruck von dir bekommen”, entgegnete Amelie und strich sich die Haare nach hinten.

“Entweder sie akzeptieren mich wie ich bin oder eben nicht. Ich fühle mich wohl in dieser Jacke und du weißt ganz genau, welche Bedeutung sie für mich hat. Und außerdem kennen mich deine Eltern, ich verstehe nicht, warum es dir plötzlich so wichtig ist, dass sie einen guten Eindruck von mir haben.” Er seufzte kurz und ließ Amelie schließlich einfach stehen, indem er wieder im Schlafzimmer verschwand. Die Jacke war eine Erinnerung an seinem Vater und war ihm mehr wert als jeden Cent, den er zusätzlich geerbt hatte.

Amelie war schon seit über zwei Jahren seine Freundin und hatte ihn schon oft in dieser Jacke, zusammen mit der ausgesuchten Jeanshose gesehen, aber noch nie hatte sie ihn deswegen kritisiert.

Frustriert ließ er sich auf dem Bett nieder und zuckte leicht zusammen, als er das Klappen der Wohnungstür hörte. War Amelie jetzt tatsächlich ohne ihn gegangen?

Als er sich wieder erhob, um nachzusehen, fand er die Wohnung tatsächlich leer vor. Amelie war gegangen und er fühlte sich einmal mehr verletzt.

Mit einer Hand fuhr er sich über das Gesicht und zog sich die Jacke anschließend wieder aus, um sie im Schlafzimmer wieder in den Schrank zu hängen. Wenn Amelie nicht wollte, dass er mitkam, brauchte er auch nicht angezogen bleiben. Zumindest nicht mit Jacke und Schuhen.

Zurück im Wohnzimmer nahm er sich die Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Eher lustlos verfolgte er eine der Sendungen, die über den Bildschirm flimmerten.

Als es klingelte, erhob er sich und lief in den Flur. Nach einem Blick durch den Spion öffnete er verwundert die Tür. Vor ihm stand sein Schwiegervater und er trug eine nahezu identische Jacke zu der, die er gerade zurück in den Schrank gehängt hatte.

“Was machst du denn hier?”, hakte er verwundert nach und gerade an die Seite, um seinen Schwiegervater in die Wohnung zu lassen.

“Amelie hat uns erzählt, dass du nicht mitkommst.”

“Hat sie dir auch den Grund dafür gesagt oder nur erwähnt, dass ich nicht mitkomme?”, wollte Fynn wissen, woraufhin sein Schwiegervater kurz mit den Schultern zuckte. “Sie meinte, du hättest keine Lust und würdest lieber Fußball gucken wollen.”

“Das hat sie gesagt?” Fassungslos sah Fynn seinen Besucher ein weiteres Mal an, bevor er den Kopf schüttelte und ins Schlafzimmer lief, um die Jacke aus dem Schrank zu holen.

“Sie wollte nicht, dass ich diese Jacke anziehe, weil ich damit einen schlechten Eindruck bei euch machen könnte. Angesichts der Jacke, die du trägst, verstehe ich das allerdings noch weniger”, sprach er seinen Schwiegervater an und schlüpfte in die Jacke.

“Vielleicht wollte sie vermeiden, dass ich mit dir über deinen Vater rede”, erwiderte der Ältere mit einem Schulterzucken, woraufhin Fynn verwirrt blinzelte. “Wie meinst du das?”

“Dein Vater war mein bester Freund, uns verbindet eine gemeinsame Vergangenheit." Verblüfft schüttelte Fynn kurz den Kopf. “Davon hast du mir nie etwas erzählt und er zu Lebzeiten auch nicht”, entgegnete er leise und lehnte sich gegen die Couch. Er wusste zwar, dass sein Vater einen besten Freund gehabt hatte, mit dem er schon länger keinen Kontakt gehabt hatte, aber dass es sich dabei ausgerechnet um den Vater seiner Freundin handelte, hatte er nicht gewusst.

“Was hälst du von einem Bier? Auf dem Geburtstag meiner Frau? Und keine Sorge, Amelie wird akzeptieren, dass du dort in dieser Jacke auftauchst, dafür sorge ich”, hörte er schließlich die Stimme seines Schwiegervaters, woraufhin Fynn nach kurzem Zögern nickte. Ein Bier konnte er jetzt definitiv gebrauchen und mit Amelie wollte er eh reden, denn er hasste es, wenn sie sich stritten. Selbst dann, wenn es nur um eine alte, ausgefranste Jacke ging.

25.02.2024 - Festessen

Arne hatte die Arme vor der Brust verschränkt und lehnte im Türrahmen zur Küche. Seine Freundin Jana stand schon den ganzen Morgen über in der Küche und ein Gericht neben dem anderen stapelte sich auf der Anrichte. Das, was nicht mehr passte oder gekühlt werden musste, hatte sie schon längst in den Kühlschrank verfrachtet.

“Meinst du nicht, du übertreibst ein wenig?”, sprach er sie schließlich an, woraufhin Janas Kopf in seine Richtung schoss.

“Es ist mein dreißigster Geburtstag, Arne. Den feiert man nur einmal und es kommen Familienmitglieder, die ich schon länger nicht gesehen habe. Natürlich will ich da ein Festessen auf dem Tisch haben”, entgegnete Jana und Arne verdrehte kurz die Augen.

“Ich glaube nicht, dass unsere Familienmitglieder nur wegen dem Essen kommen. Sie wollen dich sehen und nicht daran erinnert werden, dass du stundenlang in der Küche gestanden hast. Anstatt dich einfach darauf zu freuen, dass du sie endlich einmal wiedersehen kannst. Gerade bei deiner Oma bin ich mir sicher, dass sie sich einfach nur freut, dich zu sehen und gar keinen so großen Wert auf das Essen legt”, sprach Arne und diesmal seufzte Jana kurz.

“Ich weiss, aber ich möchte auch keinen schlechten Eindruck hinterlassen oder meiner Familie das Gefühl geben, dass ich nicht in der Lage bin, sie angemessen zu bewirtschaften. Du weisst, wie vor allem meine Mutter darüber denkt”, erwiderte sie und drehte sich kurz ganz zu ihrem Freund. Ihre Mutter ließ kein gutes Haar an ihr und hatte immer etwas zu kritisieren, selbst Arne hatte schon sein Fett wegbekommen.

“Ich bin immer noch der Meinung, dass es besser gewesen wäre, du hättest sie gar nicht erst eingeladen”, gab Arne mit einem Schulterzucken zurück, bevor er auf Jana zutrat und sie in seine Arme schloss.

“Komm, das letzte Gerichte machen wir gemeinsam fertig und danach entspannen wir uns mit einem Film auf dem Sofa. Und es ist uns egal, ob deine Mutter morgen meckern wird, weil ihr das Festessen nicht gefällt. Freu dich lieber auf den Besuch deiner Großmutter und allen anderen Familienmitgliedern", richtete er sanft das Wort an seine Freundin und küsste sie zärtlich. Er wusste, wie wichtig seiner Freundin vor allem ihre Großmutter war und wie sehr sich Jana auf ihren Besuch freute.

Und hoffentlich auch auf den ihrer besten Freundin Samira, die er heimlich kontaktiert und zum Festessen eingeladen hatte. Samira wohnte seit geraumer Zeit im Ausland und die Frauen sahen sich nur selten, aber sie bei dem Essen zu sehen, würde sicherlich auch seine Freundin davon überzeugen, dass es kein Festessen brauchte, um Zeit mit den Menschen zu verbringen, die man liebte.

26.02.2024 - Wütend / Wild / Rasend

Rasend vor Wut hämmerte Santiago von innen gegen seine Zellentür. “Mach diese verdammte Tür auf, Lamar!”, brüllte er und rüttelte erneut an der Tür. Seit über einer halben Stunde war er hier eingesperrt und das alles nur, weil dieser elende Bastard Miguel ihn verraten hatte. Er hatte sich vor ein paar Monaten mit dem Neuankömmling angefreundet, aber nie damit gerechnet, dass der Blonde ihn bei der ersten Gelegenheit direkt an die Wärter verpfeifen würde. Er hatte sich wirklich gut mit ihm verstanden, hatte Miguel sogar die Angst vor dem Einschluss genommen und sich letztendlich sogar in ihn verliebt. Und als Dank dafür fiel der Blonde ihm so in den Rücken.

“Lamar!” Erneut brüllte er den Namen des Wärters, der heute für den Einschluss zuständig war. “Mach diese verdammte Tür auf!”

Als sich das kleine Sichtfenster öffnete und der angesprochene Wärter zu sehen war, ballte er eine Hand zur Faust.

“Wo ist er? Wo ist der Verräter?”, zischte Santiago, woraufhin Lamar kurz mit den Schultern zuckte.

“Im Gegensatz zu dir hat er nichts verbrochen und es besteht kein Grund, ihn in seiner Zelle einzusperren”, antwortete Lamar und Santiago schnaubte direkt. “ Er hat nichts verbrochen? Ist das dein Ernst? Er hat mich verraten und du weißt ganz genau, was ich mit Verrätern mache!”, brauste Santiago erneut auf und fixierte Lamar wütend.

“Santiago, Santiago .. eine weitere Drohung wird auch nichts daran ändern, sondern deine Zeit in der Zelle nur noch verlängern”, entgegnete Lamar, auch wenn er ganz genau wusste, was Santiago meinte. Der Schwarzhaarige saß schon seit mehreren Jahren im Gefängnis und nicht nur Lamar wusste, dass Santiago sehr schnell aus der Haut fahren konnte. Es gab zwar noch nie große Zwischenfälle, aber der Wut Santiagos ausgesetzt sein wollte er auch nicht.

“Hast du aus den letzten zwei Fällen nicht gelernt? Wie willst du jemals wieder die Welt außerhalb dieser Gefängnismauern sehen, wenn du rasend vor Wut jeden aus dem wegräumst, der gegen dich handelt. Du weißt genauso gut wie ich, dass Miguel nichts falsch gemacht hat”, sprach Lamar und Santiago knurrte direkt. “Er hat mich verraten! Er hat mein Vertrauen missbraucht und die erste Gelegenheit genutzt, um mich daran zu hindern, diesen erbärmlichen Ort endlich zu verlassen! Und dafür soll er büßen!" Santiago redete sich regelrecht in Rage und seine Halsschlagader pochte gefährlich. Lamar hatte das Gefühl, der Schwarzhaarige könnte jeden Moment komplett durchdrehen oder sogar umfallen, sodass er gewillt war, die Tür zu öffnen. Er zog bereits den Schlüssel aus der Tasche, als er hinter sich die Stimme hörte, die er hier am wenigsten erwartet hätte.

“Lass mich mit ihm reden”, sprach Miguel ihn von hinten an, woraufhin sich Lamar zu ihm umdrehte.

“Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?", wollte er wissen, woraufhin der Blonde direkt nickte. Lamar zögerte kurz, bevor er an die Seite trat, doch Miguel deutete mit dem Kopf auf die Tür. “Schließ auf!”

“Er wird dich umbringen, wenn du da rein gehst!”, erwiderte der Wärter, wodurch Miguel kurz mit den Schultern zuckte. “Wird er nicht.”

Lamar zögerte kurz, bevor er den Schlüssel ins Schloss steckte und die Tür öffnete. Sobald Santiago ihn erblickte, stürzte er auf Miguel zu und legte ihm einen Hand um den Hals. “Du mieser Verräter!”, zischte er und sah den Blonden mit einem Blick an, der alles an Wut zeigte, was gerade in Santiago vorhanden war. Es brodelte in ihm und am liebsten hätte er hier und jetzt einfach zugedrückt.

Miguel legte ihm einen Hand auf den Arm und löste mit der anderen Hand die Finger an seinem Hals, bevor er den Schwarzhaarigen zurück in den Raum zog. “Schließ die Tür”, wies er Lamar vor der Tür an, was den Wärter zum Kopfschütteln brachte. “Vergiss es, ich werde dich garantiert nicht mit ihm alleine lassen”, entgegnete der Angesprochene, woraufhin Miguel ihn wütend anfunkelte. “Schließ die Tür, Lamar. Von aussen. Jetzt!”

Als sich die Tür hinter dem Blonden schloss, wandte er seinen Blick wieder zu Santiago. Der Schwarzhaarige blickte kurz zur Tür, bevor er sich wieder auf Miguel konzentrierte und erneut auf ihn zuschuss. Miguel trat einen Schritt an die Seite, woraufhin Santiago kurz ins Straucheln geriet.

“Glaubst du wirklich, ich habe dich verraten, Santiago?", begann der Blonde seelenruhig und ließ sich auf dem Bett nieder. Von dort aus sah er zu dem Schwarzhaarige auf, dessen Schultern bebten und Miguel sah ihn an, wie viel Überwindung es ihn kostete, nicht erneut auf ihn loszugehen.

“Wer soll es sonst gewesen sein? Niemand außer dir wusste von meinen Plänen. Ich habe dir vertraut, Miguel!”, blaffte Santiago sofort zurück und fixierte den Blonden direkt. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und er hatte Mühe, nicht einfach wieder seine Hände um den Hals Miguels zu legen.

“Du weisst genauso gut wie ich, dass die Wände hier Ohren haben, Santi. Jeder kann dich gehört haben, aber ich bin mir sicher, dass es nur eine Person gibt, die davon erfahren hat”, antwortete Miguel und erhob sich wieder, um sich direkt vor seinem Freund zu positionieren. “Glaubst du wirklich, ich könnte dich einfach so verraten? Nach allem, was in den letzten Wochen zwischen uns war?”, flüsterte er ihm leise entgegen und hob eine Hand, um Santiago fast liebevoll durch die Haare zu streichen. Seit ihrer ersten Begegnung hatte der Schwarzhaarige fast jede Nacht in seiner Zelle verbracht und nach Absprache mit den Wärtern und einem der oberen Ansprechpartner war er sogar in Miguel's Zelle gezogen. Durch das ständige aufeinander hocken hatten sich irgendwann Gefühle entwickelt und sie hatten sogar miteinander geschlafen.

“Wer? Wer hat mich verpfiffen, Miguel?”, wollte Santiago wissen, ohne auf die Worte auf seines Freundes einzugehen, aber Miguel sah ihm an, dass er darüber nachdachte, ob es der Blonde wirklich gewesen sein konnte.

Kurz warf der Blonde einen Blick auf die Tür und deutete auch mit dem Kopf auf diese. Und Santiago verstand. “Lamar?”, flüsterte er leise und seine Fäuste ballten sich erneut. Als er im Begriff war, auf die Tür zuzustürzen, hielt Miguel ihn zurück. “Nicht.”

“Er hat mich verraten, Miguel. Dafür muss er bezahlen!”, fluchte Santiago und sah seinen Freund kurz an.

“Aber nicht durch deine Hand. Lass das den Anstaltsleiter regeln oder das Karma”, entgegnete er, woraufhin der Schwarzhaarige kurz die Stirn runzelte. “Wie meinst du das?”

“Karma findet immer einen Weg”, grinste der Blonde erst, bevor er Santiago eine Hand auf die Wange legte. Als die blecherne Stimme des Anstaltsleiters zu ihnen durchdrang, welcher Lamar anwies, in sein Büro zu kommen, schlich sich ein Grinsen auf die Lippen des Blonden. “Karma wird alles regeln”, flüsterte er sanft, bevor er seine Lippen auf die Santiagos legte und ihn zärtlich küsste.

Der Schwarzhaarige erwiderte den Kuss, auch wenn er keine Ahnung hatte, was genau sein Partner meinte. Aber eines wusste er inzwischen ganz sicher: Er konnte sich auf ihn verlassen. Immer.

27.02.024 - ändern

Stöhnend lehnte sich Marvin auf dem Stuhl, auf dem er saß, nach hinten fallen und verschränkte die Arme vor der Brust. Seit über einer Stunde saß er gemeinsam mit seinem Mitstudenten Stefan in ihrem WG- Zimmer und arbeitete einen Vortrag aus, den sie bereits morgen halten sollten. Sie studierten beide Medizin und sollten einen Vortrag darüber halten, wie sich Gewalt in Medizin und Pflege nicht nur auf den Patienten, sondern auch in ihrem persönlichen Alltag auswirkte.

Marvin hielt allgemein nicht viel von Gewalt und hatte sich anfangs auch gegen das Thema gewehrt, aber Stefan hatte ihn davon überzeugt, dass es sich positiv auf ihre Noten auswirken könnte, wenn sie ein Thema wählten, über das sonst keiner reden wollte.

“Wir haben den Text jetzt schon so oft geändert, aber trotzdem klingt es irgendwie total falsch und macht eher den Anschein, als wären wir nicht gegen die Gewalt im Pflegealltag, sondern dafür”, sprach er Stefan schließlich an, woraufhin dieser eine Augenbraue hob.

“Wie würdest du den Text denn ändern wollen, damit er für dich akzeptabel klingt?”, hakte Stefan nach, woraufhin Marvin kurz mit den Schultern zuckte.

“Ich weiss es nicht, aber so wie jetzt klingt es eher, als wären wir dafür, dass man einen Patienten mit Medikamenten ruhig stellt, statt andere Methoden anzuwenden.”

“Was wären denn andere Methoden?” Skeptisch sah Stefan seinen Freund an und zog leicht eine Augenbraue nach oben.

“Mit dem Patienten reden, auf ihn eingehen und danach fragen, was ihn beschäftigt. Diese schnelle Abfertigung eines Patienten ist nicht nur in unserem Klinikalltag ein Problem, sondern auch in der Pflege danach. Das müssen wir ändern, daran müssen arbeiten!”, entgegnete Marvin und diesmal nickte Stefan.

“Du hast ja Recht, aber wie willst du das ändern, ohne dass unsere Arbeit darunter leidet? Wir können nicht jeden Patienten danach fragen, was ihn beschäftigt. Oft haben wir so viele Notfälle auf einmal, dass wir gar nicht anders können, als in Hektik oder eine Art Abfertigung zu verfallen”, gab Stefan zu bedenken, woraufhin sich Marvin mit der Hand über das Gesicht fuhr.

“Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob ich wirklich den richtigen Weg eingeschlagen habe”, fing er an, wodurch Stefan ihn erneut skeptisch ansah. “Was meinst du?”

“Ich meine, wir arbeiten in einem Krankenhaus, wo Unfälle und Notfälle an der Tagesordnung sind. Wir haben oft kaum Zeit zum Durchatmen oder auf den Patienten einzugehen. Ich würde stattdessen viel lieber in die Pflege wechseln. In ein kleines Altenheim, wo ich die Chance habe, mir auch wirklich Zeit für die Menschen zu nehmen, mit denen ich zusammenarbeite", erwiderte Marvin und Stefan zuckte direkt wieder mit den Schultern. “Ich bin mir nicht sicher, ob du da wirklich besser aufgehoben wärst. Oder ob es da nicht sogar noch schlimmer ist”, entgegnete er und verschränkte nun selbst seine Arme vor der Brust. “Du kennst all die Berichte im Fernsehen und wie schlecht es in der Pflege manchmal aussieht. Wie willst du etwas ändern, dass so offensichtlich erscheint, dass es sich kaum ändern lässt? Wir können nicht alles gleichzeitig und irgendetwas bleibt dabei immer auf der Strecke”, wollte er erneut wissen und Marvin schwieg im ersten Moment. “Siehst du? Da weisst du gar nicht erst, was du antworten sollst!”, triumphierte Stefan und sah zu, wie sich Marvin erhob.

“Ich glaube, es ist besser, wenn du den Vortrag alleine hälst “, richtete er das Wort an Stefan, woraufhin dieser seine Augenbrauen zusammenzog. “Warum? Was hast du denn jetzt?”, entgegnete er, während Marvin seine Sachen in seinen Rucksack packte.

“Weil ich das Gefühl habe, dass dir das Wohl eines Patienten egal ist und du nur darauf auf bist, möglichst viele Patienten abzufertigen”, erwiderte er und als er Stefans Antwort hörte, bestätigte sich sein Eindruck der letzten Minuten tatsächlich. “Mehr Patienten bedeutet mehr Geld.”

Kopfschüttelnd wandte er sich von seinem Mitbewohner ab und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. “Es dreht sich nicht immer alles nur um das Geld, Stefan. Natürlich ist es ein Zusatz, der das Leben in andere Bahnen lenken kann, aber ich für meinen Teil will etwas daran ändern, dass diese Abfertigung und die Gewalt in der Pflege aufhört!”, sprach er ihn an und schnappte sich anschließend seinen Rucksack, um in Richtung Tür zu laufen.

“Viel Glück! Am Ende des Studiums wird abgerechnet und dann sehen wir, wer wirklich etwas aus seinem Leben gemacht hat und sich für den richtigen Weg entschieden hat!” Stefan höhnische Stimme in seinem Rücken brachte ihn erneut zum Kopfschütteln. Er hatte den Anderen völlig falsch eingeschätzt, aber noch war genug Zeit, um etwas zu ändern und eine andere Richtung in seinem Leben einzuschlagen. Und diese Chance wollte er nutzen, sodass er seinen Professor um ein klärendes Gespräch bat. Jetzt sofort!

28.02.2024 - Stange

“Eine Stange Brot, bitte.” Bei der Bitte ihres nächsten Kunden runzelte Ella die Stirn. “Was? Eine Stange Brot?”

Sie schüttelte den Kopf und sah hilfesuchend zu ihrer Kollegin Sina. “Es tut mir leid, wir haben nur Laibe. Vielleicht haben sie in der neuen Bäckerei am Marktplatz mehr Glück”, mischte sich Sina ein, woraufhin der Kunde im ersten Moment regelrecht verblüfft wirkte. “Aber ich habe mein Brot doch schon immer hier gekauft”, entgegnete er und sah zwischen den Verkäuferinnen hin und her. Ella blinzelte verwundert, denn sie arbeitete schon seit mehreren Jahren hier und hatte den Schwarzhaarigen bislang noch nie gesehen. Jemand wie er wäre ihr nämlich definitiv aufgefallen.

“Aber wenn sie mich nicht bedienen wollen, dann gehe ich eben woanders hin”, schob er hinterher, nachdem Sina ihm erklärt hatte, dass es hier nur Brotlaibe gab und keine Stangen. Ohne noch etwas hinzuzufügen, drehte er sich um und verließ den Laden. Verblüfft sah nicht nur Sina ihm nach, sondern auch Ella.

“Was war das denn jetzt?”, wollte sie von ihrer Kollegin wissen, woraufhin Sina nur kurz mit den Schultern zuckte. “Ich habe keine Ahnung.”

Ella schüttelte den Kopf, bevor sie sich der nächsten Kundin zuwandte und ihre Bestellung aufnahm. Der Rest des Vormittags verlief ereignislos und Ella und Sina hatten alle Hände voll zu tun. Bis sich kurz vor Ende der Schicht erneut die Tür öffnete und der Mann von vorhin in den Laden trat.

“Haben sie ihre Stange Brot in der Bäckerei am Marktplatz bekommen?”, sprach Ella ihn freundlich an, woraufhin der Schwarzhaarige direkt nickte. “Ja, das habe ich”, entgegnete er und hielt eine Baguettestange hoch, die er in der Hand hielt. Im ersten Moment sah Ella verblüfft auf die Stange, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrach.

“Warum haben sie denn nicht gleich gesagt, dass Sie eine Stange Baguette haben wollen?”, kicherte sie und bekam sich gar nicht mehr richtig ein. Sie hielt sich sogar schon den Bauch vor Lachen, zumindest so lange, bis der Schwarzhaarige erneut das Wort ergriff.

“Weil ich angenommen habe, dass sie als Bäckereifachverkäuferin wissen, was eine Stange Brot ist.”

Mit einem tiefen Luftzug richtete sich Ella wieder auf und verschränkte ihre Arme vor der Brust. “Ich bin nicht allwissend und wenn sie nicht in der Lage sind, ihre wünsche richtig zu äußern, ist das nicht mein Problem”, fuhr sie ihn direkt an und drehte sich in Richtung Ofen, um eines der Bleche mit Brötchen aus diesem zu holen.

Der Mann vor der Theke schwieg, bevor sie ein Lachen von ihm vernehmen konnte. “Wann haben Sie Feierabend?”

Verwirrt drehte sie sich zum ihm und sah ihn fragend an. “In einer halben Stunde, warum?”, erwiderte sie und legte ihren Kopf schief.

“Lust auf eine Stange Brot mit Wurst und Käse? Dann können wir uns ein wenig unterhalten und ich lerne vielleicht, wie ich meine Wünsche in einer Bäckerei in Zukunft besser äußern kann”, sprach der Schwarzhaarige und im ersten Moment war Ella viel zu überrascht, als dass sie zu einer Antwort fähig gewesen wäre.

Erst nach ein paar Augenblicken legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen und sie nickte. “Gerne”, stimmte sie schließlich zu und verabredete sich mit dem Schwarzhaarigen direkt nach Feierabend. Er würde vor dem Laden auf die warten, mit der Stange Brot und der Aussicht auf einen schönen Nachmittag mit einem Mann, der ihr Herz insgeheim ein wenig höher schlagen ließ.

29.02.2024 - Mutter

Nachdenklich saß Kiki auf der großen Fensterbank in der Wohnung, die sie sich mit ihrem Mann Stephane teilte. Ihr Kopf lehnte an der Fensterscheibe und doch nahm sie kaum etwas wahr von dem, was sich vor dem Haus abspielte. Ihre Gedanken fuhren Achterbahn und sie wusste gar nicht, wie sie all den Gedanken in ihrem Kopf standhalten sollte. Als sie eine Berührung in ihren Haaren spürte, drehte sie ihren Kopf und erblickte ihren Freund Stephane.

“Woran denkst du?”, vernahm sie auch zusätzlich seine Stimme, woraufhin sie leise seufzte.

“Weisst du, was ich mich schon die ganze Zeit frage?”, begann sie mit einer Gegenfragen, woraufhin Stephane den Kopf schüttelte.

Als Kiki die Beine auf der Fensterbank etwas anzog, ließ er sich neben sie gleiten und sah sie fragend an.

“Wenn ich mit meiner Mutter an meiner Seite aufgewachsen wäre, wäre ich dann jetzt ein anderer Mensch?”

Verblüfft blinzelte Stephane und legte seiner Freundin eine Hand auf das Knie. “Wie kommst du denn jetzt darauf?”

“Naja, vielleicht wäre ich durch ihren Einfluss ein völlig anderer Mensch geworden und hätte einen anderen Lebensweg eingeschlagen”, sinnierte Kiki und sah wieder aus dem Fenster. “Vielleicht wäre ich dann in ihre Fußstapfen getreten und hätte ein Leben nach ihren Vorstellungen geführt”, fuhr sie fort und sah aus den Augenwinkeln heraus zu Stephane. “Was wären denn ihre Vorstellungen von einem Leben für dich gewesen?”, hakte Stephane nach, woraufhin Kiki leicht mit den Schultern zuckte.

Sie war ohne ihre Mutter aufgewachsen, weil diese die Familie schon kurz nach ihrer Geburt verlassen hatte. Sie kannte diese Frau nicht, sie wusst nur durch Erzählungen, wie sie war, aber trotzdem beschäftigte sie der Gedanken sehr. Manchmal sogar zu sehr.

“Ich weiß es nicht, immerhin habe ich nie die Möglichkeit bekommen, mit ihr zu reden”, antwortete sie, woraufhin Stephane noch etwas mehr an sie heran rutschte und ihre Hand ergriff.

“Es ist nicht wichtig, was für ein Mensch du geworden wärst, sondern was für ein Mensch du jetzt bist. Und du bist der wunderbarste und einfühlsamste Mensch, den ich kenne”, sprach Stephane sie an und drückte ihre Hand zärtlich.

“Und außerdem hätten sie uns doch nie kennengelernt, wenn du einen völlig anderen Weg eingeschlagen hättest. Du hättest nie in meinem Restaurant gestanden, wo dein Blind Date mit diesem Typen aus dem Internet völlig in die Hose gegangen ist”, schob er lächelnd hinterher und streckte eine Hand aus, um Kiki liebevoll über die Wange hinweg zu streichen.

Kiki schloss ihre Augen bei der Berührung, während sie sich auf die Lippen biss. Erst nach ein paar Minuten nickte sie und beugte sich zu ihrem Partner, um ihn zärtlich zu küssen.

“Danke”, flüsterte sie leise und schmiegte sich an ihn heran. Es ging ihr schon viel besser und sie war sich bewusst, dass Stephane recht hatte. Es kam nicht darauf an, was für ein Mensch sie hätte werden können, sondern was für eine Person sie jetzt war.

Auch ohne den Einfluss ihrer Mutter.

01.03.2024 - Boden

“Mira! Es wird nicht vom Boden gegessen!” Panisch stürzte Palina auf ihre kleine Tochter zu und hob das vierjährige Mädchen vom Boden hoch. Tadelnd sah sie ihre Tochter an und hielt eine ihrer Hände fest. “Es wird nicht vom Boden gegessen”, sprach sie erneut, woraufhin Mira direkt einen Flunsch zog.

“Aber Benji isst auch vom Boden”, entgegnete die Vierjährige und deutete auf den Bernhardiner am anderen Ende der Küche.

Palina folgte dem Fingerzeig kurz und seufzte leise auf. “Benji ist aber auch ein Hund und du nicht”, versuchte sie ihrer Tochter zu erklären und ließ Mira wieder runter, woraufhin das Mädchen sofort in ihr Zimmer lief.

Kopfschüttelnd sah Palina ihr nach und lief selbst in die Küche, um den Staubsauger aus der dortigen Abstellkammer zu holen. Binnen weniger Minuten hatte sie das Gerät angestellt und auch das Wohnzimmer und die Küche durchgesaugt. Sie wollte nicht, dass Mira erneut vom Boden ass und sich vielleicht so noch irgendeinen Krankheitserreger einfing. Obwohl es in ihrer Wohnung wirklich sauber war, wusste man nie, wo irgendwelche Gefahren lauerten. Vor allem, weil es eben auch Benji in ihrer Wohnung gab.

Sie liebte den Bernhardiner abgöttisch und würde ihn für keinen Preis der Welt wieder hergeben, aber ihr war es eben auch wichtig, dass Mira nicht vom Boden aß. Nachdem sie den Staubsauger wieder weggestellt hatte, kümmerte sie sich um das Mittagessen, während Mira in ihrem Zimmer spielte.
 

Am nächsten Tag brachte Palina ihre Tochter schon früh in den Kindergarten. Sie hatte einen dringenden Arzttermin und musste Mira deswegen schon früher in die Betreuung abgeben. Als sie gegen Mittag wieder am Kindergarten war und den Gruppenraum betrat, in dem sich Mira aufhielt, runzelte sie leicht die Stirn.

Sie erblickte ihre Tochter auf dem Boden, wo sie gemeinsam mit ihrer besten Freundin gerade ein paar Kekse aufsog.

“Mira? Was macht ihr denn da?”, wollte sie direkt wissen, woraufhin das Mädchen ihren Kopf hob.

“Wir spielen Hund! Und Hunde essen vom Boden, das hast du gestern selbst gesagt”, entgegnete die Vierjährige und Palina seufzte sofort leise auf. “Ich muss mir echt besser überlegen, was ich erzähle”, murmelte sie leise zu sich selbst und drehte sich zu der Betreuerin, als sie von hinten angesprochen wurde.

“Kinder schnappen so viel auf. Mein Sohn ist neuerdings ein Staubsauger, weil die auch alles vom Boden aufsammeln, was sie finden können. Er will Schatzsuche spielen und was eignet sich dabei besser, als ein Staubsauger zu sein, der auf dem Boden herum kriecht.”

Als Palina die Worte der Erzieherin hörte, glitt ein leises Lachen über ihre Lippen. “Wir sollten unsere Worte weise wählen, aber irgendwie ist es ja auch toll, wie sehr das die Fantasie unserer Kinder anregt. Wann ist uns dieser Aspekt verloren gegangen?”, erwiderte sie und beobachtete ihre Tochter noch einen Moment lang, bevor sie auf das Mädchen zutrat und Mira vom Boden hob, damit sie endlich nach Hause gehen konnten.

02.03.2024 - Brechen / Knacken

Mit weit aufgerissenen Augen sah Carsten auf das zerbeulte Auto, dass vor ihm über die Straße geschlittert war. Das Brechen der Knochen, als das Fahrzeug unweit von ihm in einen Brückenpfeiler einschlug, ging ihm durch Mark und Bein.

Wie gelähmt starrte Carsten auf das Auto und setzte eher reflexartig einen Fuss vor den anderen. Er handelte wie in Trance, als er sein Handy aus der Hosentasche zog und den Notruf wählte. Knapp schilderte er der jungen Frau am anderen Ende der Leitung, was er beobachtet hatte und auch, wo sie sich befanden, bevor er das Handy wieder weg steckte. Er lief auf das Auto zu und warf einen Blick in das Innere des Autos, woraufhin er sofort wieder zurück wich. Das konnte nicht sein! Auf dem Fahrersitz saß eine Person, in sich zusammengesunken, den Kopf durch eine Platzwunde blutüberströmt. Und diese Person war sein bester Freund Casper.

Was tat er hier und dann noch in diesem Auto? Und warum hatte er die Kontrolle über das Fahrzeug verloren?

“Kann ich helfen?” Als er eine Stimme neben sich vernahm, wandte er seinen Kopf in die Richtung und erblickte einen anderen Passanten, der von der anderen Seite des Autos auf ihn zugelaufen war.

“Das ist Casper”, stammelte er zusammenhanglos und sah wieder in Richtung Auto. Er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen und war kaum noch in der Lage, zu reagieren. “Haben Sie schon den Notarzt verständigt?”, hakte der Fremde nach und Carsten nickte mechanisch. “Ja. Ja, das habe ich”, murmelte er und stürzte erneut auf das Auto zu, um an die Fahrertür zu gelangen. Er rüttelte daran und versuchte, die Tür zu öffnen, als er erneut ein Knacken zu hören war. Er wich sofort wieder zurück und atmete sofort erleichtert auf, als er die Sirenen des Krankenwagens in der Ferne hören konnte.

Es kam ihm vor wie eine halbe Ewigkeit, als der Krankenwagen endlich auf der Kreuzung hielt.

Inzwischen hatten sich auch schon etliche Schaulustige auf der Kreuzung eingefunden, aber keiner von ihnen behinderte die Rettungskräfte. Knapp und noch immer etwas überfordert erzählte er den Rettungskräften, was sich ereignet hatte, woraufhin sich die Sanitäter nach einer ersten Sichtung dazu entschieden, die Feuerwehr hinzuziehen.

Wieder kam es Carsten wie eine Ewigkeit vor, bis die Rettungskräfte da waren und noch einmal eine halbe Ewigkeit, bis Casper endlich aus dem Auto befreit war.

“Sind Sie ein Angehöriger?”, wollte einer der Sanitäter wissen, nachdem Carsten der Trage hinterher lief, auf der sie Casper in den Wagen brachte und wissen wollte, wie es dem Dunkelhaarigen erging.

“Nein, ich bin ..”, begann er und wurde sofort von einem der Sanitäter unterbrochen. “Dann darf ich ihnen leider keine Auskunft geben”, schnitt ihm der Mann das Wort ab und ließ ihn einfach stehen. “Aber.. “, erwiderte Carsten fassungslos und konnte nichts anderes tun, als dem Krankenwagen hinterher zu sehen, als dieser sich entfernte.

Erst nach etlichen Minuten war er in der Lage, sich zu bewegen und entschloss sich in erster Linie die Familie seines besten Freundes zu kontaktieren. Er zog erneut sein Handy aus der Tasche, um Caspers Mutter von den Geschehnissen in Kenntnis zu setzen. Das Brechen der Knochen und das Knacken des Autos hallte dabei immer und immer wieder durch seine Gedanken. Auch dann noch, als er längst wusste, wie es Casper ging und wie es überhaupt zu diesem Unfall gekommen war.

03.03.2024 - Zug / Bahn

“Der Halt Berlin Hauptbahnhof entfällt heute, bitte weichen Sie auf den Ostbahnhof oder auf Berlin - Spandau aus.”

Die Stimme des Zugbegleiters hallte durch den gesamten Zug und das kollektive Stöhnen, dass von den Sitzen zu hören war, brachte Marie direkt zum Schmunzeln. Sie musste eh zum Ostbahnhof, aber die Mehrheit in ihrem Abteil schien an der Haltestelle aussteigen zu müssen, die heute entfiel.

“In der App stand nichts davon, hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mir gleich eine Alternative gesucht”, brummte es in der Sitzgruppe schräg neben ihr und als Marie in die Richtung blickte, runzelte sich ihre Stirn.

“Raphael?” Überrascht beugte sie sich etwas weiter nach vorne und musterte den jungen Mann etwas. Schräg neben ihr saß tatsächlich ihr alter Klassenkamerad und früherer Schwarm Raphael Brettschneider. Sie hatte gar nicht großartig darauf geachtet, wer an den letzten Bahnhöfen in den Zug gestiegen war und war deshalb jetzt sichtlich überrascht, ausgerechnet Raphael zu erblicken.

Als der junge Mann seinen Blick hob und Marie ansah, legte sich seine Stirn in Falten. “Kennen wir uns?”

“Marie Mützner, Abschlussklasse 2021”, erwiderte sie und schmunzelte leicht, als sie sehen konnte, wie es hinter der Stirn ihres Gegenübers regelrecht arbeitete.

“Marie? Das ist ja eine Überraschung. Was machst du hier?”, hörte sie kurz darauf seine Stimme, nachdem es ihm endlich einfallen war, wer unmittelbar neben ihm saß.

“Ich bin auf den Weg in den Osten Berlins. Ich habe meine Eltern in Hannover besucht”, entgegnete sie und lächelte sachte. Sie zögerte kurz, bevor sie auf den freien Platz neben sich deutete. “Magst du dich setzen? Dann muss ich nicht so schreien und die anderen Fahrgäste mit unterhalten", grinste sie, woraufhin sich Raphael automatisch erhob. Er huschte mit seinen wenigen Habseligkeiten zu ihr herüber und nahm direkt neben ihr Platz. Seine direkte Nähe brachte Maries Herz direkt wieder aus dem Takt und den Duft, den sie von Raphael aus ausmachen konnte, hatte sie schon damals abgöttisch geliebt.

“Ich nehme an, du wolltest am Berliner Hauptbahnhof wieder aussteigen?”, griff sie das Gespräch wieder auf und der Schwarzhaarige stöhnte sofort leise auf. “Ja, ich habe einen Termin in der Nähe des Bahnhofs. Dort soll ein neues Hotel eröffnet werden und ich will dort die letzten architektonischen Kleinigkeiten besprechen. Das der Zug dort jetzt nicht hält und ich in Spandau oder gar am Ostbahnhof aussteigen muss, bringt meinen ganzen Zeitplan durcheinander”, erwiderte er und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Diese Geste ließ Marie kurz schlucken und sie hatte Mühe, nicht noch das Sabbern anzufangen.

“Von Spandau zum Hauptbahnhof sind es nur ein paar Stationen. Du könntest dort aussteigen und mit dem Regionalzug zum Hauptbahnhof fahren. Oder du fährst vom Ostbahnhof zum Hauptbahnhof zurück”, erklärte sie ihm, woraufhin Raphael sein Handy aus der Tasche zog, um herauszufinden, was besser für ihn wäre. Eine der Stationen lag vor dem Hauptbahnhof, die andere dahinter und er hatte keine Ahnung, was genau er überhaupt wählen sollte. Fragend sah er Marie wieder von der Seite aus an. “Welche Alternative würdest du wählen?”, wollte er wissen, woraufhin die junge Frau lächelte. Sie zögerte kurz, bevor sie wieder das Wort ergriff und Raphael vorschlug, zwar zuerst die nächste Haltestelle Spandau zu benutzen, aber nach seinem Termin zum Ostbahnhof zu fahren. “Wenn du noch Zeit und Lust hast, lade ich dich auf einen Kaffee ein und wir können uns darüber unterhalten, was sich in den letzten Jahren nach unten Abschlüssen ereignet hat”, schlug sie ihm vor und über Raphaels Gesicht glitt ein Anflug von Überraschung. Marie kam es wie eine halbe Ewigkeit vor, bis der Schwarzhaarige endlich nickte. “Gerne.”

“Super, dann .. gebe ich dir meine Handynummer und du schreibst mir einfach, wann du mit deinem Termin fertig bist, damit ich dich vom Bahnhof abholen kann”, erwiderte sie und speicherte anschließend ihre Telefonnummer in seinem Handy, nachdem er es ihr entgegen gehalten hatte.

Kaum, dass sie es ihm wieder zurückgegeben hatte, erklang die blecherne Stimme, dass Spandau der nächste Halt sein würde. Raphael erhob sich wieder und schlüpfte in seine Jacke, bevor er auf Marie herab blickte. “Dann bis später, Marie. Ich freu mich”, sprach er sie an und verschwand anschließend in Richtung Tür.

“Bis später”, murmelte Marie hingegen und hatte Mühe, ihren Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. Sie konnte nicht fassen, dass sie nach all den Jahren endlich eine Verabredung mit Raphael haben würde.

So war die Bahn mit ihren Fahrplanänderungen wenigstens einmal zu etwas gut gewesen.

04.03.2024 - Support

“Das ist gemein, du hast mir versprochen, dass wir morgen in den Freizeitpark fahren!” Wütend ballte Hendrik die Hände zu Fäusten und sah zu seinem Vater auf. Schon seit Wochen freute er sich darauf, den Tag mit seinem Vater verbringen zu können und jetzt sagte ihm der Dunkelhaarige, dass ihr gemeinsamer Ausflug ins Wasser fallen würde. “Aufgeschoben ist doch nicht aufgehoben , Schatz”, versuchte Holger, seinen Sohn zu beruhigen, auch wenn es ihm missfiel, den Jungen anlügen zu müssen. Es war nicht so, dass er nichts mit seinem Sohn unternehmen wollte, eher im Gegenteil. Er hatte für morgen Nachmittag Karten für das Spiel von Hendriks Lieblingsmannschaft besorgt. Er wollte ihn damit überraschen, damit sie gemeinsam der Mannschaft den richtigen Support bieten konnten. Er hatte sich sogar extra ein Trikot der Mannschaft besorgt, auch wenn er selbst selten Fußball schaute und eigentlich auch kaum eine Ahnung davon hatte.

Um Hendrik eine Freude zu machen, hatte er sich gestern den halben Tag von seinem besten Freund aufklären lassen. Über Abseits und Torlinientechnik, über den Torjubel und den damit verbundenen Support für die Mannschaft, die sein Sohn so sehr vergötterte.

Basti hatte ihm sogar einen der Songs, den die Fans im Laufe eines Spieles brüllten, beigebracht, und heute Nacht hatte Holger sogar schon davon geträumt.

“Pass auf, ich hol dich morgen ab und dann machen wir etwas ganz besonders zusammen”, sprach Holger den Jüngeren an, woraufhin Hendrik verwirrt blinzelte. “Aber du hast doch gerade gesagt, dass wir nicht in den Freizeitpark gehen können?”, hakte er nach und sah auch kurz zu seiner Mutter, als diese aus der Küche ins Wohnzimmer trat. Vanni und er lebten seit einiger Zeit getrennt, aber verstanden sich noch immer blendend. Es hatte eben einfach nur nicht mehr für eine Beziehung gereicht.

“Das heisst doch aber nicht, dass ich gar nichts mit dir unternehmen will. Vielleicht habe ich auch etwas anderes geplant”, erwiderte Holger, woraufhin sich die Stirn seines Sohnes erneut runzelte.

“Was denn?”, wollte der Zwölfjährige wissen und diesmal grinste Holger sogar. “Lass dich überraschen.” erwiderte er und trat auf seinen Sohn zu, um ihn kurz an sich zu drücken, bevor er sich auch von Vanni verabschiedete. Heute hatte er noch einen weiteren Termin, aber schon morgen würden sie sich ja wiedersehen.
 

Hendrik dachte den ganzen Abend darüber nach, was sein Vater meinen könnte und er versuchte sogar, seine Mutter auszuquetschen, aber die Blonde hatte beharrlich geschwiegen. Als es am nächsten Tag gegen Mittag klingelte, saß Hendrik in seinem Zimmer vor seiner Spielekonsole. “Hendrik, gehst du aufmachen?”, hörte er die Stimme seiner Mutter, woraufhin er sich mit einem Seufzen erhob.

Er durchquerte das Wohnzimmer und auch den kleinen Flur, bevor er die Tür öffnete. Sofort, als er den Besucher davor erblickte, weiteten sich seine Augen. “Papa?”

Der Ältere hatte ein Fußballtrikot seiner Lieblingsmannschaft an und trug sogar den passenden Schal dazu, während er seinen Sohn anlächelte.

“Ich habe gehört, hier gibt es jemanden, der heute Nachmittag gerne zu einem Fußballspiel gehen würde”, sprach Holger und hielt gleichzeitig zwei Karten für das heutige Spiel hoch.

“DU willst mit mir zu einem Spiel gehen?”, vergewisserte sich der Junge, woraufhin Holger direkt nickte.

“Ja, es sei denn, du hast deine Lust mit deinem Vater dorthin zu gehen”, entgegnete Holger, woraufhin sich Hendrik sofort umdrehte und wieder in seinem Zimmer verschwand. “Gib mir fünf Minuten!”, hörte Holger ihn noch rufen, während er ins Haus trat, um auch seine Exfrau zu begrüßen.

“Warum gehen wir überhaupt ins Stadion? Du wolltest doch sonst nie mit, wenn ich dich gefragt habe?”, sprach Hendrik seinen Vater schließlich an, als sie endlich auf dem Weg ins Stadion waren.

Holger lächelte und legte einen Arm um die Schultern seines Sohnes. “Das nennt sich Support”, antwortete er und auf Hendriks Gesichtsausdruck legte sich ein verwirrter Ausdruck. “Hä?”

“Du supporst deine Mannschaft und ich supporte dich. Außerdem möchte ich an deinem Leben viel mehr teilhaben und wenn es dazu gehört, mit dir deine Lieblingsmannschaft anzufeuern, dann tun wir das. Ich weiß sogar, was Abseits ist!”, klärte Holger seinen Sohn auf und schloss den Zwölfjährigen anschließend in seine Arme, bevor sie das Stadion betraten und ihre Plätze einnahmen.

Und vielleicht, vielleicht würde Holger ja am Ende des Tages sogar selbst noch zum Fußballfan werden.

05.03.2024 - Salbei

“Ich habe dir Salbeitee gemacht”, hörte Elon die Stimme seiner Freundin Heather, während sie auf das Bett zutrat, in dem er schon den ganzen Tag lag. Er drehte sich in ihre Richtung und verzog ein wenig das Gesicht. “Salbei? Hast du nichts anderes?”, wollte er wissen und erschrak fast selbst darüber, wie kratzig sich seine Stimme anhörte. Sein Hals kratzte und seine Nase kribbelte, sodass er erneut zu einem der Taschentücher auf den Nachttisch griff.

“Salbei hilft gegen die Erkältung. Ich habe zwar auch Kamille,aber schon meine Oma hat auf den Salbeitee geschworen. Ich habe auch extra ihre Kräutermischung besorgt, um dir einen Tee aufbrühen zu können.

Diesmal glitt ein Brummen über Elons Lippen. “Dann sollte ich ihn besser doch nicht trinken”, murmelte er, bevor er sich die Nase putzte.

“Wie meinst du das?”, wollte Heather sofort wissen, während sie die Tasse neben der Taschentuchbox auf den Nachttisch stellte.

“Ach komm, Heather. Sie kann mich nicht ausstehen und nutzt diese Gelegenheit bestimmt gleich aus, um mir etwas unter ihre Kräutermischung zu mischen”, sprach er anschließend, woraufhin Heather augenblicklich nach Luft schnappte. “So denkst du über meine Großmutter?”, hakte sie nach, woraufhin Elon kurz mit den Schultern zuckte.

“Sie hat mir von Anfang an gezeigt, dass ich deiner nicht würdig bin. Und obwohl wir schon fast ein Jahr zusammen sind, lässt sie nichts unversucht, um dich davon zu überzeugen, mir das Leben schwer zu machen oder dich davon zu überzeugen, dass ich nicht der richtige Partner für dich bin”, erwiderte er mit kratziger Stimme und lehnte auch wieder etwas in die Kissen.

“Und du glaubst, deswegen würde sie dir etwas untermischen? Weißt du eigentlich, was du da sagst?”

Fassungslos schüttelte Heather den Kopf und stapfte anschließend wütend aus dem Raum.

Seufzend sah Elon ihr nach und sah kurz in Richtung Tee, bevor er sich dazu entschied, den Tee wirklich nicht zu trinken und sich stattdessen noch einmal umzudrehen. Er fühlte sich wirklich schlapp und war so erschöpft, dass ihm ein paar Minuten Schlaf bestimmt gut tun würde.

Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, aber als er die Augen wieder aufschlug, konnte er im Rest der Wohnung die Stimme Heathers hören. Und auch die ihrer Großmutter.

“Hast du ihm den Tee aufgebrüht, so wie ich es dir gesagt habe?”, vernahm er die Stimme der älteren Frau, was dafür sorgte, dass er sich etwas aufsetzte.

“Natürlich, Oma. Ich habe ihm den Salbeitee mit deiner Kräutermischung gekocht”, hörte er Heather antworten, gefolgt von einer weiteren Antwort ihrer Großmutter, die diesmal dazu beitrug, dass er seine Augen aufriss.

“Ich hoffe, die Dosis in seiner Tasse hat ausgereicht, um ihn für immer schlafen zu lassen."

Er hörte Heather nach Luft schnappen und noch während er sich erhob und auf die Tür zu stolperte, vernahm er ihre geschockte Antwort.

“Du .. Elon hatte Recht? Du hast ihm wirklich etwas in den Tee gemischt?”, wollte sie fassungslos wissen und als Elon in der Tür stand, konnte er sehen, dass die ältere Frau mit den Schultern zuckte.

“Irgendwie muss ich ihn ja loswerden. Er ist einfach nicht der Richtige für dich”, gab sie gleichgültig zurück, bevor ihr Blick zu Elon huschte.

“Aber wie ich sehe, war die Dosis noch nicht hoch genug”, sprach sie Elon direkt an, woraufhin sich Elons Schultern kurz hoben.

“Ich habe ihn nicht getrunken”, erwiderte er und sah anschließend zu seiner Freundin. Er lehnte sich etwas in den Türrahmen, weil er sich noch immer etwas wackelig auf den Beinen fühlte, aber er hoffte, dass Heather jetzt endlich zu ihm stand und nicht mehr länger zu ihrer Großmutter. Und das sie vielleicht sogar dafür sorgte, dass sie für den geplanten Mordanschlag ihre gerechte Strafe bekam.

“Es ist besser, wenn du jetzt gehst”, hörte er schließlich ihre Stimme, während Heather auf ihn zutrat und seine Hand ergriff. “Jetzt! Und am besten kommst du nie wieder!”, schob sie leise hinterher, ehe sie Elon zurück ins Schlafzimmer zog und sich dabei nicht nur bei ihm entschuldigte, sondern auch mit ihm abmachte, die Polizei zu verständigen, um ihre eigene Großmutter anzuzeigen.

Auch wenn es ihr schwer fiel, da war sich Elon sicher.

06.03.2024 - Stehen

Angespannt trat Calia von einem Bein auf das andere. Eigentlich hatte sie an dieser Raststätte nur kurz auf die Toilette gewollt, aber jetzt stand sie schon seit über fünfzehn Minuten in einer Schlange und wartete darauf, überhaupt ein Stück weiter nach vorn zu kommen.

“Wie lange müssen wir hier denn noch stehen, Mama?”, vernahm sie hinter sich die Stimme eines kleinen Mädchens, woraufhin sie sich in diese Richtung drehte. Sie erblickte eine junge Frau mit einem kleinen Mädchen, dass in etwa dem Alter ihrer eigenen Tochter entsprechen musste. Sofort durchzog ein Stich ihrem Brustkorb und sie wandte den Blick schnell wieder ab. Sie vermisste Karina so sehr und wünschte sich nichts mehr, als das Mädchen wieder in ihren Armen halten zu können. Karina war vor ein paar Monaten für immer gegangen und Calia vermisste sie mehr als alles andere in ihrem Leben. Jetzt gerade befand sie sich auf dem Weg ans Meer, um die Asche ihrer Tochter im Meer zu verstreuen.

“Ich mag aber nicht mehr stehen, Mama. Können wir nicht lieber ein Eis kaufen gehen?”, hörte sie erneut die Stimme des Mädchens, woraufhin sich ein kaum merkliches Lächeln auf ihre Lippen schlich. Karina war genauso gewesen und sie konnte die Stimme ihrer Tochter sogar in ihrem Kopf hören.

Sie hallte in ihrem Kopf nach, gefolgt von dem Lachen ihrer Tochter, sodass sie sich abrupt umdrehte und an der jungen Frau und ihrer Tochter vorbei stürmte. Sie musste hier weg, sie konnte hier nicht länger stehen.

Auch wenn es zwei völlig fremde Personen waren, die hinter ihr gestanden hatten, musste sie einfach weg. Die Erinnerungen an Karina, an das Lachen ihres kleinen Mädchens und die gemeinsame Zeit waren allgegenwärtig und sie musste hier einfach weg.

Ohne sich noch einmal umzudrehen, stürzte sie wieder zu ihrem Auto und schlüpfte ins Innere. Ihre Hände legten sich um das Lenkrad und krallten sich regelrecht daran, während ihr Tränen über die Wangen rannen. “Ich vermisse dich so sehr, Karina”, flüsterte sie in die Stille, die sie hier im Wagen umgab, während ihre Schultern bebten. Als es an der Fensterscheibe klopfte, hob sie ihren Blick und nahm im ersten Moment nichts wahr. Sie erkannte lediglich, dass jemand neben ihrem Auto stand und als es erneut klopfte, griff sie langsam zu dem Knopf, der dafür sorgte, dass die Fensterscheibe nach unten fuhr.

“Ist alles okay? Kann ich Ihnen helfen?”, hörte sie die Stimme einer Frau und jetzt erkannte sie auch die junge Frau von eben, zusammen mit ihrer Tochter.

“Niemand kann mir helfen”, erwiderte sie leise, denn sie war davon überzeugt, dass nur die Rückkehr ihrer Tochter ihr helfen konnte, aber das war unmöglich. Karina würde nie wieder zurückkehren.

“Magst du auch ein Eis haben?”, mischte sich das kleine Mädchen schließlich ein und deutete auf die Packung in der Hand ihrer Mutter. “Ich mag Eis total gerne und es hilft mir immer, wenn ich traurig bin”, fuhr das Mädchen fort, woraufhin sich Calia zu einem kleinen Lächeln hinreißen ließ.

“Was halten Sie davon, wenn sie ihr Auto hier stehen lassen und wir suchen uns dort drüben bei der Sitzgruppe ein lauschiges Plätzchen unter dem Baum. Wir essen das Eis und wenn sie reden möchten, dann reden wir. Manchmal kann es helfen, sich einem Fremden anzuvertrauen, als den Menschen, mit denen man tagtäglich zu tun hat”, sprach die junge Frau sie an und obwohl alles in Calia danach schrie, einfach den Motor zu starten und abzuhauen, nickte sie nach ein paar Augenblicken.

“Okay”, hörte sie sich leise antworten, bevor sie einen kurzen Blick auf die Tasche im Fußraum des Beifahrersitzes befand. Darin befand sie die Urne mit der Asche ihrer geliebten Tochter und obwohl sie Karina nicht alleine lassen wollte, stieg sie schließlich doch aus. Vielleicht würde es ihr wirklich gut tun, einfach mal ein Eis zu essen und Zeit mit Menschen zu verbringen, die sie nicht kannten. Und ihren Schmerz.

07.03.2024 - Verwandelt

Geschockt hielt sich Anissa die Hand vor dem Mund und starrte auf den kleinen, weißen Hasen, der auf ihrem Bett saß. Seit ein paar Monaten befand sie sich an der Schule für Hexerei und heute war der erste Tag, den sie wieder Zuhause verbrachte. Die Schultage absolvierten sie an der Hochschule und dieses Wochenende war das erste seit ihrem Eintritt in die Schule, das sie bei ihren Eltern verbrachte.

Auch ihr kleiner Bruder Rowen war da und obwohl sie ihn wirklich liebte und sich gut mit ihm verstand, ging er ihr heute wirklich auf die Nerven.

So sehr, dass sie sich zu einem Zauberspruch hatte hinreißen lassen, der Rowen in ein Kaninchen verwandelt hatte.

“Rowen”, flüsterte sie leise seinen Namen und stürzte auf das Bett zu, um das Tier auf ihre Arme zu heben. “Es tut mir leid, es tut mir so leid”, hauchte sie dem Tier leise entgegen, während sie die Treppe herunterlief. “Mama?”, rief sie, noch während sie auf der Treppe nach unten lief, nach der älteren Frau, die sie schließlich in der Küche vorfand. Dort stand sie vor dem Herd und ließ einen Löffel in einem der Töpfe kreisen, die auf dem Herd standen. Als sie ihre Tochter erblickte, wandte sie ihren Blick zu ihr. “Wie oft haben wir dir gesagt, dass du uns erst fragen sollst, wenn du ein Tier mit nach Hause bringst”, tadelte die Dunkelhaarige ihre Tochter sofort und sah wieder auf den Topf.

“Aber das ist kein Haustier”, erwiderte Anissa und wusste gar nicht richtig, wie sie ihrer Mutter erklären sollte, dass es sich bei dem Kaninchen um ihren Bruder Rowen handelte.

“Schatz, du hast schon einmal einen kleinen Kater mit nach Hause gebracht und gesagt, es wäre dein neues Haustier. Wieso sollte es bei dem Kaninchen auf deinem Arm anders sein?”, antwortete die Dunkelhaarige, bevor sie ihren Kopf doch ruckartig zu ihrer Tochter wandte, als sie die Antwort des Mädchens hörte. “Weil das Rowen ist!”

“Was meinst du damit, das ist Rowen?”, wollte sie argwöhnisch wissen und sprach einen kurzen Zauberspruch, damit der Löffel wieder stillstand.

“Ich wollte das nicht, aber er war so nervig und dann habe ich diesen Zauberspruch gemurmelt und dann war er weg”, sprudelte es aus Anissa hervor, während sich Tränen in ihren Augen bildete und an ihren Wangen hinab liefen. “Ich wollte das doch nicht!”

Sie hielt ihrer Mutter das Kaninchen entgegen, verzweifelt und ratlos. Als ihre Mutter ihr das Kaninchen abnahm und es im Wohnzimmer auf dem Sofa absetzte, konnte sie sehen, dass auf dem Gesicht der Dunkelhaarigen ein Lächeln lag. Sie strich dem Tier über das Fell hinweg, bevor Anissa sie ein paar Worte vor sich hin murmeln hörte. Es dauerte nicht lange, bis sich das Tier veränderte und nach ein paar Sekunden bereits ihr kleiner Bruder wieder vor ihr saß.

“Rowen! Gott sei Dank”, stieß Anissa sofort die Luft aus und konnte gar nicht sagen, wie froh sie darüber war, das ihre Mutter Rowen zurückgeholt hatte.

“Es tut mir so leid, Mama. Wirklich. Ich wollte das nicht”, erwiderte sie an ihre Mutter gerichtet, woraufhin sich die Ältere wieder zu ihr umdrehte. Auf ihren Lippen lag noch immer ein Lächeln und als sie plötzlich das Kichern anfing, war Anissa vollkommen verwirrt.

“Bist du nicht böse auf mich?”, hakte sie nach und die Dunkelhaarige schüttelte sofort den Kopf. “Wie könnte ich sauer über etwas sein, was mir selbst schon passiert ist?”, wollte sie schmunzelnd wissen und trat auf ihre Tochter zu, um sie in die Arme zu ziehen. Anissa schmiegte sich an sie heran und sah etwas umständlich zu ihr auf. Fragend, aber auch neugierig.

“Bei meinem ersten Zauberspruch, der daneben gegangen ist, habe ich deinen Vater auch in ein Tier verwandelt. Er ging mir so sehr auf die Nerven, dass ich auch diesen Spruch ausgesprochen habe, ohne mir dessen bewusst zu sein.”

“Und dann war Papa ein Kaninchen?”, antwortete Anissa, woraufhin ihre Mutter erneut kicherte. “Nein, war eine Ziege!”, erhielt sie die Antwort ihrer Mutter, woraufhin auch Anissa sich ein Kichern nicht mehr verkneifen konnte. Die Vorstellung von ihrem Vater als Ziegenbock war urkomisch und es fühlte sich gar nicht mehr so schlecht an, ihren Bruder in ein Kaninchen verwandelt zu haben.

Auch, wenn sie wusste, dass sie in Zukunft genau aufpassen musste, was genau sie vor sich hin murmelte. Vor allem dann, wenn Rowen in der Nähe war.

08.03.2024 - Pause

“Können wir eine Pause machen? Ich kann nicht mehr!”

Völlig außer Atem stolperte Sven hinter seinem Bruder Nils her. Er hatte sich von ihm dazu überreden lassen, joggen zu gehen und mir jeden Meter, den sie zurücklegten, bereute Sven seine Entscheidung. Er war völlig außer Atem, sein Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb und das Blut rauschte regelrecht in seinen Ohren.

“Stell dich nicht so an. Wir sind nicht einmal zehn Minuten unterwegs”, erklang Nils’ Stimme, wenn auch durch das Rauschen in seinen Ohren etwas gedämpft. Im Gegensatz zu ihm schien Nils kein Problem damit zu haben, eine längere Strecke zu joggen, aber Sven pfiff bereits aus dem letzten Loch.

“Du hast gut reden, du bist ja auch in Form”, japste der Jüngere und hielt sich die stechenden Seiten.

“Du könntest es auch sein, wenn du viel mehr für dich tun würdest. Kein Wunder, wenn du außer Atem bist, wenn du es nicht mal schaffst, eine halbe Stunde zu joggen”, erwiderte Mils und diesmal blieb Sven so abrupt stehen, dass er selbst kurz ins Straucheln geriet. “Es kann halt nicht jeder so durchtrainiert sein wie du”, erwiderte er schnippisch und verschränkte seine Arme vor der Brust.

Es war nicht so, dass er völlig außer Form war, aber er hatte auch schon länger keinen Sport gemacht und das hatte sich auch auf seine Kondition ausgewirkt, das wusste er.

“Vielleicht steht dann auch Elena endlich mal auf dich! ” Als Nils die Frau ins Spiel brachte, auf die Sven schon seit geraumer Zeit ein Auge geworfen hatte, drehte sich der Jüngere demonstrativ um, um wieder in die Richtung zu gehen, aus der sie gekommen waren.

“Was wird das denn jetzt?”, hörte er Nils’ Stimme in seinem Rücken, woraufhin er ihn nur kurz ansah. “Ich werde jetzt nach Hause gehen und eine ganz lange Pause machen”, antwortete er lediglich und ließ Nils einfach stehen.

Er war sich zwar sicher, dass sein Bruder es nur gut meinte, aber sobald Elena ins Spiel kam, war Sven wie ausgewechselt. Denn er wusste im Gegensatz zu Nils nur zu gut, dass er schon einmal mit Elena zusammen gewesen war und die junge Frau ihn um eine Pause in ihrer Beziehung gebeten hatte.

Er hatte Nils nie davon erzählt, dass Elena und er ein Paar waren und auch nichts von dieser Beziehungspause. Nicht, weil er Nils nicht vertraute, sondern vielmehr, weil er einfach einmal etwas haben wollte, was nur ihm gehörte.

“Jetzt warte doch mal, Sven!” Erneut erklang die Stimme seines Bruders hinter ihm und es dauerte nur ein paar Minuten, bis Nils wieder zu ihm aufschloss.

“Habe ich etwas falsches gesagt? Wenn ja, dann tut es mir leid!”, sprach er ihn sofort an und trabte neben seinem jüngeren Bruder her.

Seufzend sah Sven kurz zu ihm, während er langsam weiterging. “Elena steht .. stand bereits auf mich. Wir waren ein paar Monate lang zusammen, bevor sie diese Beziehungspause wollte. Sie ist zu ihren Eltern gefahren, aber ich habe schon seit über einer Woche nichts mehr von ihr gehört”, fing er schließlich an und war sich der Überraschung auf dem Gesicht seines Bruders absolut bewusst.

“Warum hast du mir nie etwas davon erzählt?”, stellte Nils direkt die Gegenfrage und ausgerechnet auch die Frage, vor der sich Nils am meisten fürchtete. Er schwieg einen Moment lang und kaute auf seiner Unterlippe herum, ehe er doch wieder zu Nils sah.

“Weil ich Angst hatte”, entgegnete er und kam gar nicht mehr dazu, mehr zu sagen, als sich in diesem Moment sein Handy bemerkbar machte. Er sah auf das Handy und lächelte direkt, als er eine Nachricht von Elena sah, in der sie ihn um ein Treffen bat.

“Ich muss los, wir reden später, ja?”, richtete er das Wort an seinen Bruder und setzte sich direkt etwas schneller in Bewegung. Er joggte fast zurück zu seiner Wohnung, wo Elena tatsächlich schon vor der Tür wartete.

Als sie ihn erblickte, legte sich direkt ein Schmunzeln auf ihre Lippen. “Ich hätte nicht erwartet, dich beim Joggen zu erleben”, hörte er ihre Stimme, woraufhin Sven mit den Schultern zuckte und vor ihr zum Stehen kam. “Nils hat mich genötigt”, entgegnete er knapp und deutete auf die Wohnung. “Lass mich kurz duschen gehen und dann reden wir, okay?”, schob er hinterher, woraufhin Elena nickte. “Okay.”
 

Nicht einmal eine halbe Stunde später saß er mit Elena am Küchentisch. Während sie eine Tasse Tee in ihren Händen hielt, trank er lediglich Wasser. “Es tut mir leid, dass ich dich mit der Pause so überrumpelt habe, aber ich wusste einfach nicht, wie ich mit dem umgehen sollte, was ich erfahren habe”, fing sie schließlich an und Sven runzelte direkt die Stirn. “Was meinst du?”

Elena holte tief Luft und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse, bevor sie die Worte sagte, die Sven vollkommen überraschten. “Ich bin schwanger, Sven.”

“Du bist .. schwanger?”, wiederholte er fassungslos und doch irgendwie erfreut zugleich. Er griff über den Tisch hinweg nach ihrer Hand.

“Wir sind erst ein paar Monate zusammen und dann bin ich plötzlich schwanger. Ich wusste nicht, wie ich es dir sagen sollte, weil du auch immer gesagt hast, dass du gar nicht so früh Vater werden willst. Schon früher, als wir noch gar nicht zusammen, sondern nur befreundet waren”, sprach Elena weiter und blickte ihren Freund - wenn er das denn noch wahr - ein wenig überfordert an.

“Stimmt, aber ich liebe dich, Elena. Und ich könnte mir alles mit dir vorstellen. Sogar Kinder. Die Pause hat mich völlig überfordert, vor allem weil du mir nicht einmal den Grund dafür gesagt hast”, antwortete Sven und drückte die Hand seiner Freundin leicht.

“Heißt das, du möchtest das Kind mit mir und ich habe mir völlig umsonst Sorgen gemacht?”, hakte Elena nach, wodurch Sven leise lachte. “Ja, das hast du”, antwortete er lediglich, bevor er sich erhob und sich in die Hocke gleiten ließ, damit er Elena einen Kuss auf den Bauch drücken konnte. Er wusste nicht, ob sie dem jetzt schon gewachsen sein würden, aber er liebte Elena und war sich sicher, dass sie gemeinsam alle Hürden meistern würden. Und vielleicht würde er sich dann auch endlich trauen, Nils davon zu erzählen, warum er ihm bislang nichts von seiner Beziehung mit seiner Traumfrau erzählt hatte.

09.03.2024 - Elegant

Missmutig musterte Hannah ihren Freund Jannis und verschränkte zusätzlich ihre Arme vor der Brust. “Hast du keinen anderen Anzug?”, wollte sie wissen und ließ ihren Blick einmal über Jannis hinweg schweifen. Ihr Freund trug einen Anzug, bei dem ihm die Ärmel nur bis zum Handgelenk gingen und auch die Hosenbeine berührten gerade so die Knöchel.

“Den Anzug habe ich bei meiner Konfirmation getragen. Was stimmt denn mit dem nicht?”, erwiderte Jannis und fing den Blick seiner Freundin durch den Spiegel hindurch auf. Sie waren später am Abend mit Hannahs Eltern in der Oper verabredet und Jannis wusste, dass er sich dem Anlass entsprechend elegant anziehen musste.

“Bei deiner Konfirmation? Das ist ja schon zwanzig Jahre her! Kein Wunder, dass dir der Anzug nicht mehr passt!”, stieß Hannah ungläubig aus und trat auf ihren Freund zu. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und ergriff seine Hand, damit sie diese etwas anheben konnte. “Damals hattest du noch nicht so lange Arme, da hat dir der Anzug sicherlich besser gepasst”, kicherte sie und sah ihn von der Seite aus an.

“Was hälst du davon, wenn du dich wieder umziehst, damit wir in die Stadt fahren können, um nach einem neuen Anzug zu schauen? Wir können etwas essen gehen und einfach mal wieder ein paar Stunden zu zweit verbringen”, schlug sie ihm vor und lächelte sanft. In der letzten Zeit war es eher selten vorkommen, dass sie wirklich Zeit als Paar verbracht hatten. Entweder waren sie bei ihren Jobs total eingespannt oder sie hatten die Zeit mit der Familie oder ihren Freunden verbracht, aber wirklich alleine etwas unternommen hatten sie schon lange nicht mehr.

Bei den Worten seiner Freundin hob Jannis eine Hand, um Hannahs zu ergreifen. Er hob sie zu seinen Lippen und hauchte einen Kuss auf diese. “Das klingt nach einem guten Plan”, entgegnete er und drehte sich etwas mehr in ihre Richtung. Er hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen, bevor er sich wieder von seiner Freundin löste, um sich wieder umzuziehen.
 

Schon fünfzehn Minuten später fuhr er mit Hannah in ihrem Auto in Richtung Innenstadt. Er freute sich auf die Zeit, die er nur mit seiner Freundin verbringen konnte, ohne ihre Freunde oder ihre Familien. Einfach nur Hannah und er.

“Erst etwas essen gehen oder erst nach dem Anzug schauen?”, wollte er wissen und sah Hannah von der Seite aus an, ohne dabei die Straße aus den Augen zu lassen. Hannah legte ihren Kopf schief und überlegte einen Moment lang, bevor sie sich für den Anzug entschied. Sie suchten sich einen Laden in der Innenstadt, wo auch bereits Hannah schon das Kleid für den heutigen Abend gefunden hatte.

Jannis probierte ein Kleidungsstück nach dem anderen an und erst in einem schwarzen Anzug mit dunkelblauem Hemd fühlte er sich vollkommen wohl. Selbst der Verkäufer stimmte seiner Wahl euphorisch zu. Durch den Spiegel hinweg sah er erneut zu seiner Freundin, bevor er sich abwandte und zurück in die Umkleide lief. Anstatt sich jedoch umzuziehen, nestelte er eine kleine Schachtel aus der Jacke, die er vorhin getragen hatte. Er trug die Schachtel schon länger mit sich herum und eigentlich hatte er dieses Vorhaben ganz anders geplant, aber jetzt war definitiv auch ein verdammt guter Zeitpunkt dafür.

Er lief wieder auf Hannah zu und ergriff ihre Hand, bevor er vor ihr in die Hocke ging. “Jannis, was ..?”, begann Hannah sofort, doch Jannis schüttelte sofort den Kopf, um sie am Weiterreden zu hindern. Stattdessen ergriff er das Wort. “Eigentlich hatte ich dieses Vorhaben ganz anders geplant und auch im Beisein unserer Eltern, aber wenn ich schon einmal so elegant aussehe, kann ich die Chance auch gleich nutzen. Ich liebe dich und möchte nichts mehr, als den Rest meines Lebens mit dir zu verbringen. Also .. möchtest du meine Frau werden, Hannah Bergmaier?”, sprach er seine Freundin an, während Hannah sich die Hand vor den Mund schlug. Sie brauchte ein paar Minuten, bevor sie zu einem Nicken und einer Antwort fähig war. “Ja. Ja, ich will dich heiraten”, flüsterte sie und ließ es zu, dass Jannis ihr den Ring an den Finger steckte. Erst danach zog sie ihn zu sich hoch, damit sie ihn innig küssen konnte. “Ich liebe dich so sehr”, wisperte sie zwischen zwei Küssen und löste sich erst wieder von ihrem Verlobten, als sie die Stimme des Verkäufers hörte. “Das muss gefeiert werden!”, tat dieser euphorisch kund und hielt ihnen zwei Gläser Sekt entgegen.

Und Hannah lud den jungen Mann direkt zu ihrer Hochzeit an, denn erst er hatte mit seinem eleganten Anzug dafür gesorgt, dass sie diesen Moment überhaupt erleben durfte.

10.03.2024 - Reiseführer

Mit einem Reiseführer in der Hand stand Claudelle vor ihrem Hotel in Toulouse und sah sich skeptisch in der Gegend um. Sie war erst seit ein paar Stunden in der Stadt und wollte sie ein wenig erkunden, nachdem sie eingecheckt hatte. Die Straßennamen waren alle auf französisch und obwohl sie die Sprache in der Schule gelernt hatte, hatte sie jetzt das Gefühl, kein einziges Wort mehr zu verstehen.

“4 quai de la Daurade. Wie komme ich da denn jetzt am besten hin?”, murmelte sie zu sich selbst und sah erneut die Straße entlang. Das Café, das sie in diesem Reiseführer entdeckt hatte, sah unglaublich toll aus auf den Bildern und sie wollte dort unbedingt einmal essen gehen. Das Frühstück, dass wusste sie außerdem von einer Freundin, war auch für Veganer geeignet. Eigentlich hatte sie sogar geplant, das Café gemeinsam mit ihrer Freundin zu besuchen, aber nachdem die Jüngere einen Job außerhalb Frankreichs angenommen hatte, war das Vorhaben direkt gescheitert, noch bevor Claudelle selbst überhaupt in Toulouse angekommen war.

“Vielleicht sollte ich mir einfach ein Taxi nehmen”, sprach sie erneut mit sich selbst und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.

“Das kommt ganz darauf an, wohin sie wollen. Manchmal lohnt es sich gar nicht in ein Taxi zu steigen und gerade bei Touristen, die sich hier nicht auskennen, fahren die Fahrer oft Umwege, um den Preis in die Höhe zu treiben”, hörte sie neben sich eine fremde Stimme, woraufhin sie den Blick kurz in diese Richtung wandte.

“Aha. Und woher wissen sie das? Und woher nehmen Sie die Annahme, dass ich eine dumme und naive Touristin bin?”, stellte Claudelle die Gegenfrage und musterte den Mann neben sich etwas. Er trug eine blaue Jeanshose und ein schwarzes Oberteil und hatte sich die Sonnenbrille in die Haare gezogen.

“Ich habe nicht gesagt, dass sie dumm oder naiv sind, aber so wie Sie zwischen dem Reiseführer und der Straße hin und her sehen, gehe ich davon aus, dass sie keine Ahnung habe, wohin sie wollen. Oder müssen”, entgegnete der Fremde, woraufhin sich Claudelle doch sofort ertappt fühlte.

“Ist das so offensichtlich?”, wollte sie murmelnd wissen und klappte den Reiseführer kurzerhand wieder zu. Sie seufzte leise und verstaute den Reiseführer in ihrer Umhängetasche, während sie kurzzeitig sogar darüber nachdachte, sich in ihrem Hotel einfach wieder im Bett zu verkriechen.

“Wohin wollen Sie denn? Vielleicht kann ich Ihnen ja weiterhelfen?”, sprach der Fremde sie erneut an und streckte ihr seine Hand entdecken. “Ich bin übrigens Samuel.”

Claudelle zögerte kurz, bevor sie die Hand des Fremden ebenso ergriff. “Claudelle”, stellt sie sich lediglich vor und sah anschließend erneut die Straße entlang.

“Ich wollte ins Le Café Cerise, aber ich habe keine Ahnung, wie ich dahin komme. Meine Freundin Anna wusste es, aber sie ist letzten Monat aus Frankreich weggezogen”, erklärte sie ihrem Gegenüber anschließend, woraufhin Samuel verstehend nickte.

“Das ist gar nicht so weit weg von hier. Wenn du möchtest, bin ich dein Reiseführer und bringe dich hin”, antwortete der Schwarzhaarige, woraufhin Claudelle im ersten Moment zögerte, schließlich aber doch zustimmte und ein paar Augenblicke später neben Samuel herlief. Sie hörte ihm zu, als er ihr etwas über Toulouse erzählte, über die Stadt und die Sehenswürdigkeiten und auch, dass es im Café Cerise den besten Kaffee der ganzen Stadt gab.

“Davon muss ich mich unbedingt selbst überzeugen und wenn ich darf, möchte ich meinen Reiseführer als Dank gerne auf einen Kaffee einladen. Und vielleicht auch auf ein Stück Kuchen.” Mit einem Lächeln sah sie zu Samuel und lächelte direkt, als der Schwarzhaarige nickte. Vielleicht war es doch gar nicht so verkehrt, dass Anna sie nicht begleiten konnte, sonst hätte sie ihren menschlichen Reiseführer vielleicht niemals kennengelernt. Und damit auch die Aussicht auf den besten Kaffee der Stadt mit Samuel.

11.03.2024 - Sticks / Stöcke

“Bist du wahnsinnig? Wieso wirfst du deine Stöcke nach mir?”

“Sticks, das sind Sticks. Drumsticks. Keine Stöcke!”, brummte Gabriel, als er die Worte seines besten Freund hörte und erhob sich hinter seinem Schlagzeug, um die Sticks wieder aufzuheben, die er einmal quer durch den Raum geworfen hatte.

“Ist doch dasselbe. Viel wichtiger ist, warum du deine Sticks überhaupt in meine Richtung wirfst”, erwiderte Noel und verschränkte seine Arme vor der Brust. “Mir war danach”, brummte Gabriel erneut und fing sich eine hochgezogene Augenbraue seitens Noel ein. “Dir war danach?”

Kurz zuckte Gabriel mit den Schultern und bückte sich nach unten, um einen der Sticks aufzuheben. “Welche Laus ist die über die Leber gelaufen, dass du sogar in Kauf nimmst, deine heißgeliebten Sticks in zwei Stücken auf dem Boden wiederzufinden?”, hakte Liam Liam nach und musterte seinen besten Freund etwas. Das mit dem Jüngeren etwas nicht stimmte, stand völlig außer Frage.

“Luan”, seufzte Gabriel lediglich und blieb hinter dem Sofa stehen. Er umklammerte den Drumstick in seiner Hand regelrecht und biss sich hart auf die Lippen. “Er ist so ein Idiot”, presste er es schließlich hervor und Noel hob eine Augenbraue. “Luan?”

Gabriel holte tief Luft und zögerte erst, bevor er sich zu seinem besten Freund auf das Sofa setzte. “Ich habe ihn vor zwei Wochen in einer Bar kennengelernt und hatte .. einen One Night Stand mit ihm”, begann der Jüngere und trommelte sich mit den Sticks etwas auf das eigene Bein. “Und das ist ein Problem?”

Bei Noels Frage schüttelte Gabriel erst den Kopf, nickte dann aber doch. “Für mich nicht, aber scheinbar für Luan”, seufzte er und Noel war vollkommen verwirrt. “Wieso?”

“Vorgestern war das Vorsingen für unsere Band und Luan .. war einer der Bewerber. Er war wirklich gut und die anderen hätten ihn auch gerne in der Band gehabt, aber Luan hat abgelehnt”, erwiderte der Jüngere erneut und sah Noel von der Seite aus an. “Und mit welchem Grund?”, wollte dieser wissen und legte fragend den Kopf schief, woraufhin Gabriel erneut tief Luft holte.

“Weil er beruflich und privat trennen will. Hätte er vorher gewusst, dass ich mich in dieser Band befinde, hätte er sich gar nicht erst auf mich eingelassen. Oder sich hier beworden.”

Je mehr Gabriel erzählte, desto mehr sanken seinen Schultern nach unten. Noel sah ihm regelrecht an, dass er mit sich kämpfte und sichtlich verzweifelt wirkte.

“Hast du versucht, nochmal mit ihm zu reden?”, hakte Noel nach und Gabriel schüttelte erneut den Kopf. “Ich habe keine Kontaktdaten. Keine Handynummer oder wo er wohnt, weiss ich auch nicht”, entgegnete er und lehnte sich auf der Couch nach hinten. Noel selbst war nicht in der Band, sondern nur Stammgast im Probenraum seines besten Freundes und er wusste, wie wichtig dem Jüngeren und auch die anderen die Band war. Nachdem der vorherige Sänger ausgestiegen war, hatten sie einen Aufruf für einen neuen Sänger gestartet, aber bislang noch kein Glück gehabt.

“Vielleicht hast du in der Bar Glück, wo ihr euch kennengelernt habt?”, schlug Noel schließlich vor und Gabriel erhob sich so abrupt, dass einer der Sticks erneut durch die Gegend flog. “Das ich daran noch nicht gedacht habe”, rief er auf und drückte Noel kurzerhand den anderen Stick in die Hand.

“Schließ ab, wenn du gehst!”, rief er ihm noch zu, bevor er aus dem Raum verschwunden war, noch bevor Noel überhaupt zu einer Antwort ansetzen konnte.
 

Nicht einmal eine halbe Stunde später saß Gabriel in der Bar am Tresen und sah sich aufmerksam um. Er hatte sich ein Glas Cola bestellt und mit jeder verstreichender Minute, in der er Luan nicht entdecken konnte, sank seine Hoffnung. Er drehte sich auf dem Barhocker um und bestellt beim Barkeeper noch eine weitere Cola, als ihn die Stimme des Mannes aus den Gedanken holte, auf den er so sehnsüchtig wartete. “Verfolgst du mich?”

Er wirbelte sofort herum und rutschte dabei fast vom Barhocker. “Ja. Nein, aber ich habe hier auf dich gewartet”, erwiderte er und bildete sich ein, dass sich auf Luans Lippen ein kurzes Lächeln bildete. “Warum?”, erhielt er dennoch nur die knappe Antwort, während der Ältere die Arme vor der Brust verschränkte.

“Weil ich das zwischen uns nicht so stehen lassen will oder kann. Ich .. will, dass du in die Band kommst, aber ich will dich auch näher kennenlernen. Ich will aber auch, dass du dich damit wohlfühlst und wenn du nicht in die Band kommen kannst, um mir eine Chance zu geben, dann bin ich auch bereits aus dieser auszusteigen”, redete Gabriel wie ein Wasserfall, während die Augenbraue Luans ein Stück höher wanderte. “Das wird nicht nötig sein”, entgegnete er und ließ seine Arme langsam nach unten sinken. Er musterte Gabriel einen Moment lang, bevor er auf ihn zutrat und ihm einfach einen Kuss auf die Lippen drückte. “Ich will dich auch näher kennenlernen, aber ich will auch nicht, dass die anderen denken, ich hätte die Position als Sänger nur bekommen, weil ich vorher mit dir im Bett gewesen bin”, erwiderte er anschließend leise und legte Gabriel eine Hand auf die Wange, als dieser den Kopf schüttelte.

“Sie waren alle dafür, dass du der perfekte Sänger für uns bist und James und Benito sollten auch deswegen nichts dagegen haben, weil sie selbst ein Paar sind und Benito erst ins die Band eingestiegen sind, als sie schon längst ein Paar waren”, entgegnete Gabriel und platzierte eine Hand auf Luans Brust.

“Wenn das so ist, spricht nichts gegen ein weiteres Kennenlernen. Und den Einstieg in die Band, oder?”, hauchte Luan und als Gabriel lächelte, küsste Luan ihn erneut. Um den Beginn ihrer Beziehung und auch seinen Einstieg in die Band damit zu besiegeln.

"Stimmt, und ich muss Noel nicht mehr mit meinen Sticks anwerfen, weil ich so frustriert bin", kicherte Gabriel als Zustimmung und lehnte sich anschließend an den warmen Körper seines zukünftigen Bandkollegen und auch Freundes, während er ihm von der Unterhaltung mit Noel vorhin erzählte.

12.03.2024 - Einweihen

Schon seit Stunden war Medina auf den Beinen und schrubbte ihre Wohnung von oben bis unten. Sie räumte jedes Zimmer auf und putzte alle Räume so sehr, dass man hinterher fast hätte vom Fußboden essen können.

Aber heute Abend fand die Party statt, mit der sie ihre Wohnung einweihen würde und weil auch ihr Schwarm Luca kommen wollte, wollte sie unbedingt einen guten Eindruck machen.

Ihre beste Freundin Benita war ihr dabei keine große Hilfe, denn sie saß schon seit über einer Stunde auf dem Sofa und sah ihr lediglich bei der Arbeit zu.

“Meinst du nicht, dass du ein bisschen übertreibst?”, sprach Benita sie schließlich an und überstreckte den Kopf etwas, um Medina besser ansehen zu können.

“Ich will, dass es heute Abend perfekt ist. Es darf nichts schief gehen, wenn Luca kommt und wir die Wohnung mit diesem kleinen Umtrunk einweihen”, erwiderte Medina, woraufhin Benita lächelte. “Ich glaube nicht, dass irgendjemand darauf achten wird, ob die Wohnung genutzt ist oder ob man vom Fußboden essen kann. Sie alle wollen Zeit mit uns verbringen und nicht deine Wohnung auf Staubfusseln untersuchen”, versuchte Benita ihre Freundin erneut zu beruhigen, woraufhin Medina leise seufzte.

“Ja schon, aber ich will auch nicht, dass Luca einen schlechten Eindruck von mir bekommt”, entgegnete Medina und ließ sich auf das Sofa fallen. Sie warf den Putzlappen auf das Sofa und lehnte den Kopf gegen die Sofalehne.

“Wirst du ihm dann heute Abend endlich von deinen Gefühlen erzählen?”, hakte Benita nach und Medina nickte sofort. “Ich habe es zumindest vor, aber ob ich mich wirklich traue?”

Von der Seite aus sah sie ihren beste Freundin an, bevor sie sich wieder erhob, als ihr Telefon klingelte. Sie holte es von der Anrichte im Wohnzimmer und lächelte sofort, als sie Lucas Namen auf dem Display erkennen konnte.

Sie meldete sich direkt mit ihrem Namen und unterhielt sich ein paar Augenblicke lang mit Luca. Je mehr der Ältere jedoch sagte, desto mehr verschwand das Lächeln aus Medinas Gesicht. Ihre Laune sank auf den Nullpunkt und als Lucas schließlich auflegte, ließ Medina das Handy sinken.

“Er kommt nicht”, richtete sie betrübt das Wort an ihre beste Freundin und ließ sich wieder auf dem Sofa nieder. “Warum nicht?”, wollte Benita sofort wissen, bevor sie ihrer Freundin zuhörte, als sie davon erzählte, was Luca einen familiären Notfall hatte und nicht kommen konnte. Und auch, dass er ihr trotzdem viel Spaß beim Einweihen der Wohnung wünschte.

“Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Frag ihn doch einfach, ob er Zeit hat, wenn ich das mit dem familiären Notfall wieder etwas beruhigt hat”, schlug Benita vor und brauchte doch noch etwas mehr Überredungskunst, bis sich Medina endlich überwinden konnte und Luca erneut schrieb.

Als tatsächlich die Zusage kam und Luca versprach, sich bei Medina zu melden, grinste Benita wie ein Honigkuchenpferd. “Was?”, brummte Medina und Benita grinste nur noch breiter. “Vielleicht könnt ihr ja nicht nur deine Wohnung einweihen, sondern das Bett gleich mit!”, kicherte Benita und vernahm mit Genugtuung, dass ihre beste Freundin rot anlief. Und auch, dass deren Laune nicht mehr ganz so schlecht war, wie noch vor ein paar Stunden.

13.03.2024 - Schmecken

Geschockt ließ Sönke den Löffel fallen, mit dem er gerade die Suppe abgeschmeckt hatte. Der Löffel fiel klirrend zu Boden und Sönke wich direkt einen Schritt zurück. Fassungslos starrte er auf die Suppe und leckte sich immer wieder über die Lippen hinweg.

“Sönke? Ist alles okay?” Als er die Stimme seiner Kollegin Anissa hörte, schüttelte er direkt den Kopf und drehte diesen in ihre Richtung.

“Ich kann nichts mehr schmecken”, erwiderte er und Panik schwang in seiner Stimme mit. Er war mit Leib und Seele Koch und nichts mehr schmecken zu können, war für ihn der absolute Supergau.

“Was meinst du damit, du kannst nichts mehr schmecken?”, hakte seine Kollegin nach und beugte sich nach unten, um den Löffel vom Boden aufzuheben.

“Ich kann nichts mehr schmecken”, wiederholte Sönke die Worte, die er eben schon benutzt hatte und starrte wieder auf den Topf mit der Suppe. Er hatte sie abschmecken wollen, um herauszufinden, ob noch irgendetwas an Gewürzen fehlte, aber er schmeckte absolut nichts. Keiner seiner Geschmacksnerven fühlte sich angesprochen, herauszufinden, ob noch irgendetwas fehlte.

“Bist du dir sicher?”, wollte Anissa erneut wissen und der Kopf Sönkes ruckte sofort in ihre Richtung. “Natürlich bin ich mir sicher, Anissa. Ich bin seit über zehn Jahren Koch und weiß, wann ich nichts mehr schmecke!”, fuhr er sie direkt an und ballte kurz die Hände zu Fäusten, bevor er sich von ihr abwandte und aus der Küche stürmte. Noch auf dem Weg nach draußen riss er sich die Kochschürze von den Hüften und warf sie achtlos in eine der Ecken. Er überlegte gar nicht lange, sondern legte direkt den Weg zu seinem besten Freund Kieran ein, der zufälligerweise auch sein Hausarzt war. In der Praxis stürzte er auf die Theke zu, hinter der Melinda, die Frau Kierans, saß und trug ihr panisch sein Anwesen vor. Sie blinzelte erst verwirrt, bevor sie ihren Mann davon informierte, dass Sönke hier war und was für ein Problem er hatte.

Nicht einmal fünf Minuten später saß er in einem Behandlungszimmer und ließ sich von Kieran untersuchen. “Und das ist von jetzt auf gleich aufgetreten?”, wollte Kieran wissen und Sönke nickte. “Ich habe vorher noch das Dessert abgeschmeckt und da war alles in Ordnung. Aber bei der Suppe habe ich absolut keinen Geschmack mehr im Mund gehabt. Nicht mal den Kürbis, den die Suppe eigentlich hat. Was soll ich denn jetzt machen, Kieran? Wenn ich nichts mehr schmecken kann, ist mein Job in Gefahr und ich kann die Kochschürze gleich an den Nagel hängen”, entgegnete er verzweifelt und sah zu seinem besten Freund auf.

“Mal nicht gleich den Teufel an die Wand”, versuchte Kieran ihn zu beruhigen, während er sich wieder auf seinen Schreibtisch zubewegte. “Es kann viele Ursachen haben, eine plötzliche Geschmacksveränderung wahrzunehmen. Ich schlage vor, dass ich dir erst einmal Blut abnehme und morgen kommst du zu einem weiteren Termin und zur Besprechung in die Praxis”, richtete er zusätzlich das Wort an ihn und Sönke nickte kaum merklich. “Kann ich dann trotzdem wieder arbeiten gehen?”, wollte er wissen und sah seinen besten Freund fragend an.

“Natürlich. Du wirst zwar Anissa oder einen anderen Kollegen den Rest des Tages bitten müssen, die Speisen für dich abschmecken zu müssen, aber dagegen, sie trotzdem selbst zuzubereiten, spricht nichts”, antwortete Kieran und sah seinen besten Freund zuversichtlich an.

“Das ist nicht dasselbe”, murmelte Sönke leise und verließ das Behandlungszimmer wieder, um sich von Melinda etwas Blut abnehmen zu lassen.
 

Am nächsten Tag lag er auf einer Liege in einem der Behandlungszimmer. Die Blutergebnisse waren über Nacht da gewesen und Kieran hatte ihn direkt darüber informiert. “Ist das wirklich nötig?”, wollte er wissen, nachdem Kieran ihm gesagt hatte, dass er einen Ultraschall der Schilddrüse machen wollte.

“Ja, denn deine Blutergebnisse zeigen deutlich eine Unterfunktion der Schilddrüse und ich würde mir diese gerne einmal im Ultraschall ansehen”, entgegnete der Arzt, bevor er mit seiner Arbeit begann.

“Und was bedeutet das jetzt?”, hakte Sönke nach, nachdem Kieran ihm die Diagnose bestätigte. “Deine Schilddrüse arbeitet tatsächlich nicht richtig. Durch die Unterfunktion gerät dein Hormonhaushalt durcheinander und beeinträchtigt deinen Geschmackssinn”, klärte Kieran ihn auf, auch wenn Sönke nur die Hälfte verstand, von dem, was Kieren wirklich erzählte.

“Und was heisst das jetzt für meine Arbeit? Kann man dagegen was tun? Kommt mein Geschmacksinn irgendwann zurück?”, sprudelte es aus Sönke heraus, bevor er erleichtert aufatmete, als sein bester Freund nickte.

“Mit der richtigen Medikation wird sich auch dein Hormonhaushalt einpendeln und dein Geschmackssinn wird im Laufe der Zeit wieder zurückkommen. Ein paar Wochen wirst du das Abschmecken zwar noch deinen Kollegen überlassen müssen, aber danach wird alles wieder so sein wie vorher”, entgegnete der Arzt und ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder, während sich Sönke auf der Liege wieder aufrichtete.

“Gott sei Dank. Ich mag mir gar nicht ausmalen, wie mein Leben ohne das Kochen aussehen könnte”, sinnierte er und trat auf den Schreibtisch zu.

“Das musst du ja Gott sei Dank auch gar nicht”, lächelte Kieran und händigte ihm das Rezept aus. “Wenn irgendwelche Probleme oder Nebenwirkungen auftauchen, kannst du dich natürlich jederzeit melden”, sprach Kieran, während er ihm das Rezept entgegen hielt.

“Danke”, hörte Sönke sich lediglich antworten, bevor er die Praxis verließ. Nicht jedoch, ohne Kieran und auch Melinda für den Abend ins Restaurant einzuladen. Als Dankeschön dafür, dass sie immer für ihn da waren, egal was ihn belastete.

14.03.2924 - Rad

“Kannst du heute mit dem Rad zur Arbeit fahren?” Fragend sah Elli ihren Mann an, woraufhin Matteo den Kopf hob und sie fragend ansah.

“Ich habe einen Arzttermin und will danach noch ein bisschen einkaufen. Da ist das Auto besser”, sprach sie aufgrund des fragenden Blickes ihres Mannes, wodurch Matteo diesmal die Stirn runzelte.

“Was für einen Arzttermin?”, hakte er nach und schlug die Zeitung zu, in der er bislang gelesen hatte.

“Routine, nicht schlimmes”, beruhigte Elli ihren Mann sofort und beugte sich zu ihm, um ihn zärtlich zu küssen.

Sie hatte durchaus einen Grund, im Arzt aufzusuchen, aber davon wollte sie Matteo erst erzählen, wenn Sie den Termin wahrgenommen hatte.

“Mach dir keine Sorgen”, schob sie lächelnd hinterher und träumte anschließend den Tisch ab. “Meldest du dich trotzdem, was bei dem Termin herausgekommen ist?", hatte Matteo nach und erhob sich ebenso von seinem Platz. Wenn er mit dem Rad fahren würde, müsste er ein wenig früher los.

“Natürlich, mein Schatz”, entgegnete Elli und küsste Matteo erneut, bevor sie im Badezimmer verschwand, um sich die Haare zu kämmen und um ein wenig Make-up aufzulegen.

“Bis später, Schatz”, rief sie ihrem Mann ein paar Minuten später zu und verließ die Wohnung. Mit dem Auto fuhr sie in Richtung Innenstadt und suchte sich einen Parkplatz nahe der Praxis ihres Frauenarztes. Sie hatte den Termin in zehn Minuten und ihre Nervosität stieg ins Unermessliche. Sie holte tief Luft und lief in Richtung Praxis, wo sie erst doch noch im Wartezimmer Platz nehmen sollte.
 

Eine Stunde später verließ sie die Praxis wieder. Das Lächeln aus ihrem Gesicht wollte gar nicht mehr verschwinden und als sie im Auto saß, holte sie das Ultraschallbild aus ihrer Handtasche, das sie von ihrem Frauenarzt bekommen hatte. Sie konnte es gar nicht richtig fassen, sie war tatsächlich schwanger. Als sich ihr Handy bemerkbar machte, zog sie es ebenso aus ihrer Handtasche und las die Nachricht ihres Mannes. “Ist alles okay? Bist du noch beim Arzt?”

Ohne ihm von der Schwangerschaft zu erzählen, antwortete sie ihm, dass alles okay war und sie noch einkaufen fahren würde. “Kannst du das Rad an der Firma stehen lassen und ich hole dich ab?”, schrieb sie ihm noch einen weitere Nachricht, woraufhin das Handy im ersten Augenblick stumm blieb. Erst, als sie den Schlüssel ins Zündschloss steckte, kündigte sich die Antwort ihres Mannes an, womit er ihr bestätigte, dass es kein Problem darstellen sollte, wenn er das Rad auch einfach mal vor der Firma stehen ließ.

Sie steckte das Handy wieder zurück in die Handtasche und fuhr ins nahegelegene Einkaufszentrum. Nicht nur, um ein paar Kleinigkeiten für das Abendessen zu besorgen, sondern auch, um einen kleinen Strampler zu kaufen, mit dem sie Matteo sagen wollte, dass ein Kind unter ihrem Herzen heranwuchs. Und vielleicht würden sie sich dann auch irgendwann ein zweites und größeres Auto zulegen müssen, sodass auch Matteo nicht mehr länger mit dem Rad zur Arbeit fahren müsste. Damit sie das größere Auto nutzen konnte und er das jetzige, in das nicht einmal der Kinderwagen passte.

15.03.2024 - Motor

“Bist du dir sicher, dass du weißt, was du tust?” Skeptisch sah Elli ihren Mann Matteo an, als er sich in die Motorhaube ihres Autos beugte und seinen Blick hin und her schweifen ließ. Ein paar Wochen waren vergangen, seitdem sie ihm gesagt hatte, dass ein Kind in ihrem Bauch heranwuchs und Matteo hatte sich schon am nächsten Tag auf die Suche nach einem neuen Auto gemacht.

Bei einem Händler in der Nähe war er sogar fündig geworden, aber jetzt stand sie schon seit über einer halben Stunde außerhalb der Stadt am Seitenstreifen, während Matteo den Wagen begutachtete. Die Probefahrt, die sie mit dem Wagen unternahmen, lief alles andere als gut und schon nach wenigen Kilometer war der Wagen zum Stillstand gekommen.

“Ich glaube, es ist der Motor”, mutmaßte er und warf seiner Frau einen kurzen Blick zu, woraufhin Elli die Augenbraue hob.

“Du glaubst? Und was heisst das jetzt für uns? Du wirst bestimmt nicht in der Lage sein, hier und jetzt den Motor zu reparieren, oder?”, hakte sie nach, woraufhin Matteo den Kopf schüttelte. “Nein, dafür habe ich eh kein Werkzeug hier”, antwortete der Größere, zumal er kein Mechatroniker war und gewiss nicht noch mehr kaputt machen wollte.

“Ich werde den Händler anrufen, damit er uns einen Abschleppwagen schickt. So können wir unmöglich weiterfahren und zurück in die Stadt schon lange nicht”, schob er hinterher und zog gleichzeitig sein Handy aus der Hosentasche. In den nächsten Minuten diskutierte Matteo lautstark mit dem Mann am anderen Ende der Leitung, bevor er wutentbrannt auflegte. “Der hat sie doch nicht mehr alle”, fluchte er und schlug reflexartig mit der Hand auf die Motorhaube, die er zwischenzeitlich geschlossen hatte.

“Was ist?”, wollte Elli sofort wissen und strich sich mit einer Hand die Haare aus dem Gesicht.

“Er wird keinen Abschleppdienst schicken. Wenn wir zu blöd sind, mit einem Auto umzugehen, ist es unsere Schuld und nicht seine”, erklärte Matteo ihr aufgebracht und auch Elli war über die Wortwahl des Händlers fassungslos. “Und was sollen wir jetzt machen?”, hakte Elli erneut nach, woraufhin Matteo mit den Schultern zuckte.

“Ich werde auf meine Kosten einen Abschleppdienst rufen und der soll sich dann auch gleich den Motor angucken”, entgegnete Matteo seufzend und wählte auch direkt die Nummer eines Abschleppdienstes in der Nähe.
 

Zwei Stunden später stand er fassungslos neben seiner Frau in der Werkstatt des Mannes, der das Auto abgeschleppt hatte. “Sind sie sich sicher?”, wollte er wissen und schüttelte leicht den Kopf, als der Mechaniker nickte. “Ganz sicher. Der Motor wäre früher oder später sowieso hochgegangen. Sie hätten gar nichts dagegen tun können”, klärte ihn der Mann hinter dem Tresen auf und erklärte ihnen zusätzlich, dass der Motor so manipuliert worden war, dass er früher oder später sowieso Probleme gemacht hätte.

“Das erklärt auch, warum der Händler bei der Probefahrt selbst nicht dabei sein wollte und sich geweigert hat, die Abschleppkosten zu übernehmen”, mischte sich Elli ein, woraufhin auch Matteo nickte.

“Ich würde ihnen vorschlagen, so schnell wie möglich die Polizei zu informieren. Allein schon aus dem Grund, damit die Beamten ermitteln können, ob noch weitere Manipulationen im Raum stehen”, schlug der Werkstattbesitzer vor und Matteo setzte seine Worte gleich in die Tat um. Er bestellte die Beamten in die Werkstatt, in der sie sich gerade befanden und erklärte ihnen alles, was er wusste. Auch mit Hilfe des Werkstattbesitzers. Und als dieser ihnen schließlich sogar anbot, ihnen bei der Neubeschaffung eines Wagens unter die Arme zu greifen, stimmte nicht nur Matteo zu, sondern auch Elli. Denn immerhin gehörte zu dieser Werkstatt auch ein angrenzendes Autohaus, bei dem sie bestimmt fündig werden würden.

Und vielleicht auch sogar glücklicher.

16.03.2024 - Unnachgiebig

“Komm schon, du hast es mir versprochen.”

Fionas Arme waren vor der Brust verschränkt, während sie ihren Bruder Eric musterte. Erst vor ein paar Tagen hatte der Ältere ihr versprochen, dass er sie zum Tanztraining begleiten würde und heute - wo es endlich soweit war - hatte er plötzlich doch etwas anderes vor. Er hatte ihr nicht gesagt, was er vorhatte, aber je länger Fiona darüber nachdachte, umso sicherer war sie, dass ihr Bruder einfach keine Lust hatte, den Tag mit ihr zu verbringen.

“Du hast es versprochen”, beharrte sie unnachgiebig auf die Worte ihres Bruders und fixierte ihn direkt.

“Ich weiß, aber..”, fing Eric an, während er an seinem Schreibtisch saß, doch Fiona fiel ihm sofort ins Wort.

“Oma hat immer gesagt, man darf nicht zurücknehmen, was man jemandem versprochen hat”, sprach sie ihren Bruder an und diesmal konnte Eric sogar heraushören, wie verletzt Fiona war. Mit einem Seufzen fuhr er sich mit der Hand einmal über das Gesicht und nickte anschließend. “Ist ja gut, du hast gewonnen”, murmelte er und warf seiner Schwester einen flüchtigen Blick zu.

Es war nicht so, dass er keine Zeit mit seiner Schwester verbringen wollte. Er wollte eher dem Tanzkurs fernbleiben, weil er genau wusste, dass auch Fionas beste Freundin Anouk auch da sein würde. Und wie sollte er seiner Schwester erklären, dass er sich ausgerechnet in Anouk verliebt hatte? Ihre beste Freundin.

Außerdem war er fünf Jahre älter als die beste Freundin seiner Schwester und obwohl er tief in seinem Inneren wusste, dass das Alter seine Rolle spielen sollte, wenn man sich liebte, blockierte auch irgendetwas in ihm.

“Ich warte unten auf dich!”, drang die Stimme Fionas erneut zu ihm durch, woraufhin er nur knapp nickte. Flüchtig sah er ihr nach, als sie sich wieder entfernte und ließ anschließend den Kopf nach vorne auf die Tischplatte sinken.

Minutenlang blieb er so sitzen, bevor er sich erhob, als er erneut die Stimme seiner Schwester hörte. Schwerfällig trottete er nach unten und zog sich bereits aus dem Weg dahin eine Jacke an, die er zuvor aus seinem Kleiderschrank geholt hatte.

“Und was genau soll ich nun bei deinem Tanztraining machen? Dir einfach nur zusehen?”, wollte er wissen und legte fragend seinen Kopf schief, während er auf einer der letzten Treppenstufen stehen blieb.

“Natürlich nicht, Eric. Du sollst mittanzen.” Bei den Worten seiner Schwester fiel Eric fast alles aus dem Gesicht und er hätte sich seine Jacke am liebsten direkt wieder ausgezogen. “Vergiss es!”, protestierte er und verschränkte seine Arme vor der Brust.

“Bitte, Eric. Ich weiß, das du tanzen kannst und einer unserer Tänzer ist ausgefallen”, versuchte Fiona ihren Bruder erneut zu überreden und das so unnachgiebig, dass er nach ein paar Minuten einfach nicht anders konnte, als zuzustimmen.

“Du bist der Beste!”; flötete sie sofort und umarmte Eric kurz, bevor sie aus dem Haus lief. Natürlich wollte sie Eric nicht nur deswegen dabei haben, aber das musste der Größere noch nicht erfahren. Sonst würde er am Ende tatsächlich nicht mitkommen und das wollte sie um jeden Preis verhindern. Er musste bei diesem Training einfach dabei sein.

Den Grund würde er schon noch früh genug erfahren.

17.03.2024 - steif

Mit zwei Fingern hob Luca das Handtuch hoch, dass er gerade auf die Wäscheleine hatte hängen wollen. Kaum, das er das Stück Stoff hochgehalten hatte, war es steif geworden und er konnte es kaum noch benutzen. “Mikko?”, rief er verwirrt nach seinem Freund im Wohnzimmer, woraufhin der Blonde sofort zu ihm auf den Balkon trat. Als er das Handtuch sah, das Luca in seinen Händen hielt, grinste der Finne direkt. “Willkommen in Finnland”, kicherte er und griff sich ein anderes Kleidungsstück. Er warf es über die Balkonbrüstung in die Luft und kaum, dass er es hochgeworfen hatte, versteifte sich das Stück Stoff ebenso wie das Handtuch.

Sie befanden sich hoch oben im Norden des Landes und selbst beim Wäsche aufhängen war Luca so dick eingepackt, dass so manch anderer ihn für verrückt erklären würde. Die Temperaturen waren weit unter dem Gefrierpunkt und heute Morgen hatte das Thermometer die Rekordmarke von -40° Celsius geknackt.

“Krass”, murmelte Luca derweil und griff nach dem Oberteil, dass Mikko in die Luft geworfen hatte. Tatsächlich war das Oberteil inzwischen so steif geworden, dass es von alleine stehen konnte, was Luca sogar verblüffte.

“Wie soll ich meine Wäsche dann trocken kriegen, wenn sie direkt gefriert, sobald ich sie in die Sonne hängen will?”, sprach er seinen Freund schließlich an und wirkte fast ratlos. Mikko wurde in Finnland geboren und hatte ihn eingeladen, seinen Urlaub bei ihm und seiner Familie zu verbringen. Sie kannte sich zwar erst seit einigen Monaten, nachdem der Finne in die Wohnung neben ihm gezogen war, aber sie hatten sofort auf einer Wellenlänge gelegen.

“Wie wäre es, wenn du sie einfach in den Wäschetrockner wirfst?”, wollte Mikko schmunzelnd wissen und deutete mit dem Kopf wieder ins Innere der Wohnung. Verdutzt sah Luca seinen Freund erneut an. “Wo bitte habt ihr denn hier einen Wäschetrockner?”

Lachend trat Luca wieder zurück in die Wohnung und deutete Luca an, ihm zu folgen. Im Badezimmer öffnete er den Schrank hinter der Tür und tatsächlich kam dort ein Wäschetrockner zum Vorschein.

“Warum hast du mir das vorher nicht gesagt, dann hätte ich das Handtuch und das Oberteil gar nicht erst steif werden lassen müssen?”, hakte er nach, woraufhin Mikko grinste.

“Ganz einfach: Weil du nicht gefragt hast!”

18.03.2024 - Ohr

“Hörst du mir überhaupt zu?”, beschwerte sich Martha bei ihrem Mann Gustav, woraufhin der Angesprochene seinen Blick von der Zeitung hob, in der er las.

“Natürlich, Liebling”, erwiderte er und schenkte ihr ein sachtes Lächeln.

“Achja? Was habe ich denn gesagt?”, keifte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie hatte nicht das Gefühl, dass Gustav ihr zuhörte und lieber in seiner Zeitung las, als ihr überhaupt Gehör zu schenken.

“Dass du gleich einen Friseurtermin hast und dich danach mit Anita und unserer Enkelin triffst”, antwortete Gustav ruhig und blickte wieder auf die Zeitung auf dem Tisch. Es war nicht so, dass er seiner Frau nicht zuhörte, aber in letzter Zeit hatte er oft das Gefühl, dass er auf dem linken Ohr nicht mehr richtig hörte. Er hatte deswegen schon einen Termin beim Arzt vereinbart, von dem er seiner Frau allerdings nichts erzählt hatte.

Er wollte sie nicht beunruhigen und verschwieg ihr den Termin deshalb vorerst.

“Willst du nicht doch mitkommen?”, riß ihn die Stimme seiner Frau aus den Gedanken, woraufhin er erst kurz blinzelte, aber schließlich doch den Kopf schüttelte. “Zum Friseur?”, wollte er wissen und schüttelte gleich ein weiteres Mal den Kopf. Zum Friseur wollte er seine Frau nun wirklich nicht begleiten, denn dort müsste er auch noch sein rechtes Ohr auf Durchzug stellen und er bezweifelte, dass ihm das bei dem ganzen Geplapper überhaupt gelingen würde.

“Ich meinte eher zu dem Treffen mit Anita und Louisa, wir könnten uns hinterher in der Stadt treffen”, schlug Martha vor, woraufhin Gustav einen flüchtigen Blick auf die Uhr warf. Sein Termin würde bestimmt nicht so lange dauern, sodass er schließlich nickte. “Wie wäre es, wenn du mich anrufst, wenn du fertig bist? Dann kann ich nicht auf den Weg machen”, antwortete er und legte die Zeitung zusammen.

“Das ist eine gute Idee. Ich mach mich dann aber auch gleich auf den Weg. Bis später, mein Schatz!”, antworte Martha euphorisch und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Anschließend lief sie in den Flur, um sich anzuziehen. Als Gustav das Klappen der Wohnungstür hörte, sanken seine Schultern etwas nach unten. Er wollte seiner Frau nichts verheimlichen, aber bevor er nicht wusste, was mit seinem Ohr war, würde er sich auch nicht mit ihr darüber unterhalten.

Eine halbe Stunde später machte er sich selbst auf den Weg in die Stadt. Der Arzttermin dauerte tatsächlich nicht so lange, sodass er kurze Zeit später schon wieder nach Hause lief, um auf den Anruf seiber Frau zu warten.

Der Arzt hatte ihm nahegelegt, sich ein Hörgerät anzuschaffen, denn im Laufe der Jahre hatte seine Hörkraft auf dem linken Ohr einfach nachgelesen. Altersbedingt.

Er hatte direkt einen Termin bei der Krankenkasse für die Kostenübernahme gemacht, den er in der nächsten Zeit wahrnehmen musste, aber jetzt wusste er immerhin, was mit ihm los war. Und, dass es nichts schlimmes war, weil er einfach nur ein Hörgerät brauchte. Davon konnte er auch Martha und ihrer gemeinsamen Tochter erzählen und das würde er gleich tun, sobald Martha ihn anrufen würde. Das nahm er sich fest vor.

19.03.2024 - wenig

Aimees Arme waren vor der Brust verschränkt, als sie ihren Bruder Matt mit Argusaugen beobachtete. Matt stand vor den Spiegel und richtete sich das Oberteil, in das gerade geschlüpft war. Der Ältere hatte heute eine Verabredung mit seinem Schwarm Noah und war ein wenig nervös. Das sah Aimée ihm förmlich an.

“Geht das so? Kann ich so gehen?”, sprach Matt sie schließlich an und sah seine Schwester durch den Spiegel hindurch an. Aimee nickte und stieß sich vom Türrahmen ab, um näher an ihren Bruder heran zu treten.

“Fühlst du dich wohl?”, hakte sie nach und für einen kurzen Moment runzelte sich die Stirn des Älteren. “An sich schon, aber ich will hauptsächlich Noah gefallen”, erwiderte er nach ein paar Augenblicken, woraufhin Aimee lächelte.

“Du musst in erster Linie dir selbst gefallen. Wenn du das tust, strahlst du das auch nach außen hin aus und das wird auch Noah bemerken”, antwortete die junge Frau und trat vor ihren Bruder, um ihm den Kragen seines Hemdes zu richten.

“Wo trefft ihr euch eigentlich?”, wollte sie wissen und lächelte sachte. Matt war drei Jahre älter als sie und sie fieberte regelrecht mit ihm mit. Sie kannte Noah schon länger, weil er an ihrer Schule als Referendar arbeitete und erst dadurch war Matt überhaupt erst auf den Dunkelhaarigen aufmerksam geworden.

Ein wenig neidisch war sie schon, weil sie auch fand, dass Noah unverschämt gut aussah, aber sie gönnte ihrem Bruder sein Glück und daran, dass Noah auf Männer stand, konnte sie eh nichts ändern. Zumal sie Noahs Schülerin war und das ganze eh noch ein wenig ein wenig komplizierter war. Auch wenn sie kurz vor ihrem Abschluss stand, würde und konnte sie sich niemals auf ihn einlassen.

“An der Schule. Er hat dort heute noch zu tun und ich soll ihn von dort abholen”, begann Matt erst, bevor sich seine Stirn in Falten legte. "Apropos Schule? Warum bist du dort eigentlich nicht?”, schob er hinterher und musterte seine Schwester kurz argwöhnisch. Er selbst stand schon mitten im Berufsleben und hatte sich heute extra frei genommen, um den Rest des Tages mit Noah verbringen zu können.

“Weil die Lehrer heute eine Fortbildung haben und wir Schüler dafür frei haben”, erklärte Aimee und Matt nickte verstehend. Ein paar Minuten lang blieb Matt vor dem Spiegel stehen, bevor er sich von seiner Schwester aus den Raum schieben ließ.

“Du solltest nicht nur los, sondern dich einfach ein wenig mehr entspannen. Noah freut sich bestimmt genauso sehr auf das Date mit dir und ich bin mir sicher, dass er nicht weniger nervös ist”, versuchte Aimee ihren Bruder aufzumuntern, woraufhin Matt sie über die Schulter hinweg ansah.

“Hat er das gesagt?”, wollte er wissen, woraufhin die Jüngere leise lachte. “Nein, aber ich bin mir sicher, dass es so ist”, entgegnete sie lediglich und beobachtete ihren Bruder dabei, wie er in Schuhe und Jacke schlüpfte.

“Viel Spaß und wenn du nachher nach Hause kommst, will ich alle Einzelheiten. Alle!”, kicherte sie, wodurch Matt ihr einen entrüsteten Blick zuwarf. "Aimee!”

“Was? Oder willst du riskieren, dass ich Noah morgen in der Schule ein wenig ausquetsche”, kicherte die junge Frau und folgte ihrem Bruder durch den Flur.

“Auf gar keinen Fall!”, wiegelte dieser sofort ab und drückte seine Schwester kurz an sich, ehe er die Wohnung verließ. Er wusste nicht, wie der Tag enden würde, aber das war ihm auch nicht ganz so wichtig, solange er überhaupt ein wenig Zeit mit Noah verbringen konnte.

Dem Mann, in den er sich so Hals über Kopf verliebt hatte und bei dem seine Schwester sogar ein wenig nachgeholfen hatte, damit es überhaupt zu diesem Treffen kam.

20.03.2024 - still

“Du bist so still. Ist alles okay?” Als Gina die Stimme ihrer Mutter hörte, hob sie ihren Blick. Sie saß seit über einer halben Stunde auf dem Sofa und starrte vor sich hin, anstatt zu lernen, wie sie es eigentlich tun sollte.

“Ja, ich glaube schon. Eigentlich aber auch nicht”, murmelte die Funfzehnjährige und erntete sofort einen verwirrten Blick seitens ihrer Mutter.

“Du bist schon seit ein paar Tagen so still. Wenn dir etwas auf dem Herzen liegt, kannst du jederzeit mit mir darüber reden, Schatz", sprach Marlene ihre Tochter an, woraufhin sich das Mädchen sofort auf die Lippen biss.

Sie war erneut ein paar Minuten lang still, in denen sie darüber nachdachte, ob sie ihrer Mutter wirklich davon erzählen sollte, was sie beschäftigte. Die Angst, dass nicht nur ihre Mutter, sondern auch alle anderen sie verurteilen könnten, war seit ein paar Tagen ihr stetiger Begleiter.

Dennoch nahm sie schließlich doch alle ihren Mut zusammen und durchbrach die Stille.

“Ich glaube, ich habe mich verliebt”, fing sie schließlich an und Marlene lächelte sofort. “Aber das ist doch toll, Schatz. Die erste Liebe ist immer etwas besonderes”, antwortete sie, doch Gina schüttelte kurz den Kopf, während sie die Lippen aufeinander presste.

Verwirrt zog Marlene die Augenbrauen zusammen und musterte ihre Tochter, bevor sie erneut das Wort ergriff. “In wen hast du dich denn verliebt?”, wollte sie wissen und hatte das Gefühl, dass Gina direkt beschämt den Kopf senkte.

“In Jolie”, flüsterte sie kaum hörbar und wagte es gar nicht erst, ihre Mutter anzusehen. Marlene stand tatsächlich für einen Moment der Mund offen, so dass es vollkommen still im Wohnzimmer war. Jolie war Ginas beste Freundin und die beiden Mädchen kannten sich seit ihrer Geburt, als Marlene damals mit Jolies Mutter auf einem Zimmer gelegen hatte.

Erst nach ein paar Augenblicken legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen.

“Das ist doch völlig okay, Schatz. Es kommt nicht darauf an, wen man liebt, sondern dass man es aus vollstem Herzen tut”, entgegnete sie schließlich. Es war ihr vollkommen egal, wen ihre Tochter liebte, solange Gina glücklich war.

“Weiss Jolie denn, dass du Gefühle für sie hast? ", hakte Marlene nach, woraufhin Gina direkt den Kopf schüttelte. “Nein, und ich traue mich auch nicht, ihr davon zu erzählen. Was, wenn sie danach gar nicht mehr mit mir befreundet sein will?”, erwiderte das Mädchen, wodurch Marlene erneut lächelte.

“Dann soll es so sein. Egal, wie du dich entscheidest und auch, wie sich Jolie entscheidet, ich werde für dich da sein”, versprach Marlene ihrer Tochter und ließ sich nun endlich neben dem Mädchen nieder, um Essen eine Umarmung zu ziehen. Um ihr dadurch das stiller Versprechen zu geben, dass sie immer für Gina da sein würde, komme was wolle.

21.03.2024 - stachelig

Mit großen Augen sah Nika auf den Blumentopf, den ihre Mutter gerade auf die Fensterbank gestellt hatte. Der Topf enthielt keine wunderschöne Blume, sondern einen stacheligen Kaktus, bei dem Nika schon von der Vorstellung, ihn zu berühren, die Finger weh taten.

“Warum hast du dir einen Kaktus gekauft?”, richtete sie fragend das Wort an ihre Mutter und drehte gleichzeitig ihren Kopf in Richtung Sofa, wo ihre Mutter eines der Kissen aufschüttelte. Der Kaktus passte so gar nicht in das Bild, dass all die anderen Blumen auf der Fensterbank abgaben. Er war wie ein Fremdkörper und Nika verstand nicht, was ihre Mutter damit wollte.

“Weil ich ihn verschenken will”, hörte sie schließlich ihre Stimme, woraufhin sich Nikas Stirn runzelte. “An wen?”

“An deinen Vater”, entgegnete ihre Mutter seelenruhig und jetzt war Nika vollkommen verwirrt. “Warum schenkst du Papa einen Kaktus?”, wollte sie wissen und sah zwischen dem Blumentopf und ihrer Mutter hin und her.

“Weil er ein Idiot ist”, antwortete die Ältere und ließ ihre Tochter schließlich einfach stehen, indem sie in der Küche verschwand. Verdutzt sah Nika ihrer Mutter lediglich nach, bevor sie sich mit einer Hand durch die Haare fuhr und schließlich ebenso in die Küche lief.

“Kannst du mir das bitte mal genauer erklären?”, bat sie die Dunkelhaarige, woraufhin sie sich einen kurzen Blick ihrer Mutter einfing, während Birgit eine Pfanne aus einem der Schränke holte, um das Abendessen vorzubereiten.

“Was soll ich dir erklären?”

“Warum Papa ein Idiot ist? Warum du ihm einen stacheligen Kaktus schenken will und vor allem, warum du gerade wie eine Irre in die arme Gurke vor dir stichst", antwortete Nika und lehnte sich etwas in den Türrahmen. Obwohl sie bereits zwanzig Jahre alt war und im letzten Monat in ihre eigene Wohnung gezogen war, machte sie sich Sorgen um ihre Eltern und so, wie ihre Mutter sich gerade verhielt, hatte sie sie noch nie erlebt.

“Weil .. dein Vater genauso stachelig ist wie dieser Kaktus und nicht merkt, dass es Menschen in seinem Leben gibt, die wichtiger sind als die Arbeit. Und vor allem wichtiger als seine neue tolle Sekretärin Alina”, hörte sie nach ein paar Minuten Stille die Stimme ihrer Mutter, woraufhin sich ihre Stirn erneut runzelte.

“Wie meinst du das?”, hakte sie nach und legte ihren Kopf etwas schief, bevor sie auf ihre Mutter zutrat und ihr das Messer aus der Hand nahm. Kurz huschte der Blick der Dunkelhaarigen zu ihr, bevor sie seufzte und ein paar Schritte zurück trat, um sich am Küchentisch niederzulassen.

“Ich bin nicht blöd, Schatz. Er verbringt mehr Zeit in der Firma als sonst. Er kommt später als sonst nach Hause und wenn, dann brütet er stundenlang in seinem Büro über irgendwelchen Unterlagen”, erzählte sie anschließend leise und senkte ihren Blick auf ihre Hände.

“Vielleicht hat er schon längst eine Affäre mit dieser Frau und genießt seinen zweiten Frühling mit mir”, fügte sie mit einem Seufzen hinzu und zuckte erschrocken zusammen, als sie die Stimme ihres Mannes aus dem Wohnzimmer hörte. “Traust du mir wirklich eine Affäre zu?”

Sie wusste nicht, was sie antworten sollte, aber als Henry zu seinen beiden Frauen in die Küche trat, folgte sie ihm mit ihrem Blick.

“Es stimmt, dass ich in letzter Zeit viele Überstunden geschoben habe, aber nicht, um diese Zeit mit Alina zu verbringen. Ich habe mir die Überstunden ausbezahlen lassen, um dir zum zwanzigsten Hochzeitstag die Kreuzfahrt durchs Mittelmeer schenken zu können, die du dir so sehr wünscht”, durchdrang Henrys Stimme die Stille in der Küche und Birgit fühlte direkt das schlechte Gewissen in sich aufsteigen.

“Es tut mir leid, ich dachte .. es war so offensichtlich”, murmelte sie, woraufhin Henry sachte lächelte und die Hand seiner Frau ergriff, nachdem er auf sie zugetreten war. “Mir tut es auch leid. Ich hätte vielleicht auch einfach mit offenen Karten spielen sollen, aber dann wäre es ja auch keine Überraschung mehr für dich gewesen”, erwiderte Henry, während sich Nika ins Wohnzimmer zurückzog, um ihren Eltern diesen Moment für sich alleine zu geben. Als sie jedoch den nächsten Satz ihres Vaters vernahm, konnte sie sich ein leises Lachen nicht verkneifen.

“Dann musst du mir ja nur noch erklären, was dieses stachelige Ding zwischen all deinen schönen Blumen zu suchen hat.”

22.03.2024 - majestätisch

Majestätisch ragte die alte Burg hoch oben über der Stadt auf. Gregor stand an einem der Fenster und blickte auf die Stadt hinab. Auf seinen Schultern lag eine große Last, denn schon in ein paar Tagen sollte er als neuer König des Landes gekrönt werden. Und er wollte diese Krönung nicht. Er wollte nicht das Land regieren, dass durch seinen Vater nicht nur in einer Wirtschaftskrise steckte, sondern auch hart unter ihm gelitten hatte. Auf so manche grausame Weise.

“Lord Gregor”, hörte er hinter sich eine Stimme, die ihn sofort zum Lächeln brachte.

“Veit”, antwortete er und drehte sich zu dem Jüngeren um. Der Blonde war Teil der Armee, die für seine Sicherheit verantwortlich war und inzwischen war er auch ein enger Vertrauter.

“Worüber denkst du nach?”, wollte Veit wissen, während er sich neben Gregor an die Wand lehnte und ihn abwartend, aber auch neugierig ansah.

“Hast du dich jemals gefragt, wie unser Leben verlaufen wäre, wenn wir ausserhalb dieser majestätischen Burg aufgewachsen wären?” Von der Seite aus sah der junge Lord seinen engsten Vertrauten an und verschränkte seine Arme vor der Brust.

“Nein, eigentlich nicht. Ich kann mir gar kein anderes Leben vorstellen, aber wie kommst du darauf?”, antwortete Veit und musterte Gregor etwas.

“Weil sich mein Leben in ein paar Tagen von Grund auf ändert und ich will nicht in die Fußstapfen meines Vaters treten. Ich will nicht genauso sehr vom Volk gehasst werden, weil sie in mir nur den Sohn von Lord Thoralf, dem Grausamen sehen”, erwiderte Gregor, woraufhin Veit lächelte. “Das musst du doch auch gar nicht. Du kannst dafür sorgen, dass alles anders wird. Du kannst unser Volk wieder in besseren Zeiten führen und alles beweisen, dass du anders bist. Friedvoller und vor allem eine bessere Majestät, als er es je war”, sprach der Blonde und legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter.

“Du bist anders als er. Sanftmütiger, gütiger und vor allem nicht so grausam, wie dein Vater es war. Du wirst ein toller König sein und im Laufe der zeit wird auch das Volk das merken und sie werden dich lieben”, beruhigte Veit seinen Freund und den künftigen König, woraufhin Gregor leise seufzte. “Was macht dich da so sicher?”

“Weil ich dich kennen, Greg. Besser als dein Vater es je könnte”, gab der Blonde sofort zurück und deutete anschließend in Richtung Tür. “Und jetzt komm. Lass deine Mutter nicht warten”, fügte er lächelnd hinzu und lief seinem Freund anschließend voraus. Anhand der Schritte wusste er, dass Gregor ihm folgte und er wusste auch, dass der Dunkelhaarige über ihr Gespräch nachdenken würde. Damit er seine eigenen Schlüsse daraus ziehen konnte, um einen neuen majestätischen König abgeben zu können. Einen, wie es ihn noch nie in diesem Land gegeben hatte.

23.03.2024 - ausrufen

“Ich kann meine Mama nicht finden.” Als Hannes die piepsige Stimme hinter sich hörte, drehte er sich überrascht um. “Du kannst deine Mama nicht finden?”, wiederholte er die Worte des kleinen Mädchens, dass er vor sich erblickte und sah auf die Kleine herab.

Sofort schüttelte das Mädchen den Kopf. Tränen hatten sich in ihren Augen gebildet und sie zog sogar kurz die Nase hoch.

“Kannst du mir helfen, meine Mama zu finden?”, schniefte das Mädchen und Hannes ließ sich vor ihr in die Hocke gleiten.

“Wie heißt du denn?”, wollte Hannes wissen und lächelte sachte.

“Lara, ich heiße Lara”, bekam er eine leise Antwort, während das Mädchen schüchtern zu ihm aufsah.

“Was hälst du davon, wenn wir deine Mama gemeinsam suchen gehen und wenn wir sie nicht finden, dann lasse ich sie ausrufen “, schlug Hannes vor, woraufhin Lara nach kurzem Zögern nickte. “Okay.”

Vorsichtig ergriff Hannes eine Hand des Mädchens und richtete sich wieder auf. Er arbeitete in einem Möbelhaus und wusste, wie verzweigt die Wege hier sein konnten. Selbst er verlief sich an manchen Tagen noch. Langsam lief er durch die Gänge und sah sich aufmerksam um. Aber jedesmal, wenn er Lara fragte, ob eine der Frauen ihre Mutter war, schüttelte das Mädchen den Kopf.

“Weißt du was, wir gehen deine Mama jetzt ausrufen. Milena wird uns dabei helfen”, entschied er nach ein paar Minuten und lief mit Lara wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Er ging mit Lara zum Informationsschalter und erklärte seiner Kollegin Milena, dass sie nach Laras Mutter eine Durchsage machen sollte.

“Wie heisst du denn mit Nachnamen?”, stellte er Lara die nächste Frage, woraufhin das Mädchen erst angestrengt überlegte, bevor es antwortete. “Maierhuber!”

“Die Mutter von Lara Maierhuber wird gebeten, sich an der Information im Erdgeschoss einzufinden. Die Mutter von Lara Maierhuber, bitte!”

Die Stimme Milenas war im ganzen Möbelhaus zu hören und doch dauerte es etliche Minuten lang, bevor eine junge Frau abgehetzt zum Informationsschalter kam.

“Lara, Gott sei Dank. Da bist du ja!”, platzte es sofort aus der jungen Frau heraus, während sie ihre Tochter in die Arme schloss. Lara kuschelte sich an sie heran und deutete auf Hannes und Melina. “Ich habe dich nicht mehr gefunden. Er hat mir geholfen und Melina hat dich gerufen!”, sprach das Mädchen ihre Mutter an, woraufhin diese sich direkt bei Hannes und auch Milena bedankte. Hannes lächelte nur und wuschelte Lara kurz durch die Haare. Es war alles gut ausgegangen und es kam auch nicht zum ersten Mal vor, dass er die Eltern eines Kindes ausrufen lassen musste, weil es verloren gegangen war.

Es kam jeden Tag vor.

24.03.2024 - zahlen

“Lass mich zahlen, ich mach das”, sprach Felix seine Freundin Annika, doch Annika schüttelte direkt den Kopf.

“Du hast schon das letzte Essen bezahlt, diesmal bin ich dran”, wiegelte sie ab, aber noch bevor sie überhaupt ihre Geldbörse aus der Handtasche holen konnte, hatte Felix den Betrag bereits beim Kellner beglichen.

Ein kurzes Brummen verließ die Lippen, bevor sie sich von ihrem Platz erhob, damit sie gemeinsam mit Felix das Restaurant verlassen konnte.

“Warum machst du das immer?”, sprach sie ihn draußen auch direkt an und zog ihre Jacke etwas weiter um den Körper.

“Was meinst du?”, wollte ihr Freund direkt wissen und Annika konnte sehen, dass sich seine Stirn in Falten gelegt hatte.

“Das mit Bezahlen. Nicht nur beim Essen, sondern auch bei allem anderen, was wir in den letzten Wochen unternommen haben. Du zahlst alles und lässt mir gar nicht erst die Chance, auch einmal etwas zu zahlen. Denkst du, ich kann mir das nicht leisten?”, fuhr Annika ihn an und im ersten Moment war Felix viel zu verblüfft, als das er zu einer Antwort fähig war.

“Doch, natürlich. Ich dachte nur ..”, fing er schließlich an, woraufhin Annika ihm doch nur wieder das Wort anschnitt.

“Was dachtest du? Dass ich käuflich bin und du alles für mich zahlen musst?”, brauste sie auf und fixierte Felix regelrecht.

“Wie kommst du denn auf den Schwachsinn? Ich finde es einfach nur toll, meine Freundin einzuladen. Ihr eine Freude zu machen oder ihr die eine oder andere Sache zu bezahlen. Das habe ich schon so von meinem Vater gelernt und ich erkenne nichts falsches daran!”, antwortete Felix und verschränkte seine Arme vor der Brust.

“Dann solltest du vielleicht mal darüber nachdenken, ob dein Vater dir damit nicht ein völlig falsches Bild vermittelt hat!”, wetterte Annika erneut los, bevor sie sich einfach umdrehte und ihren Freund stehen ließ.

Felix verstand die Welt nicht mehr und wusste gar nicht, was in seine Freundin gefahren war. Dennoch hielt er es für besser, ihr direkt hinterher zu laufen. Er wollte das geklärt haben und unbedingt herausfinden, warum Annika so ein großes Problem damit hatte, dass er in ihrer Beziehung das Zahlen von Dingen übernommen hatte.

Einfach, weil er dachte, dass es sich gehörte. Als Mann.

25.03.2025 - Schmucklos

Langsam lief Gabrielle die Einkaufsstraße entlang und warf hin und wieder einen Blick in eines der Schaufenster. Sie war auf der Suche nach einem ganz besonderen Schmuckstück, aber bislang hatte sie es noch nicht gefunden und stand deswegen kurz vor einem Nervenzusammenbruch.

Ihr Exmann Zack hatte nach ihrer Trennung und der schmutzigen Scheidung einen Teil ihres Schmuckes mitgehen lassen und ihn teuer verkauft. Nur durch Zufall hatte Gabrielle überhaupt davon erfahren, nachdem sie ein Gespräch zwischen Zack und seinem besten Freund Trent belauscht hatte.

Sie lief schon seit über einer Stunde durch die Innenstadt, aber in keinem Schmuckladen konnte sie ihren Schmuck entdecken. Mit einem frustrierten Seufzen kam sie vor dem nächsten Juwelier zum Stehen, aber auch diesmal konnte sie in der Auslage nichts entdecken, was an ihren Schmuck erinnerte.

“Gabrielle?” Als sie ihren Namen hinter sich hörte, drehte sie sich um und erblickte den besten Freund ihres Exmannes.

“Trent”, entgegnete sie überrascht, während der Angesprochene ihr ein Lächeln schenkte.

“Bist du allein hier?”, schob Gabrielle hinterher und sah sich automatisch nach Zack ab.

“Keine Sorgen, Zack wirst du in meiner Gegenwart nicht mehr erblicken”, wiegelte Trent direkt ab und Gabrielle runzelte die Stirn. “Wieso?”

“Weil ich ihm die Freundschaft gekündigt habe und ich war auch derjenige, der ihn an die Polizei verraten hat. Sind die Beamten noch nicht auf dich zugetreten?”

Verwirrt schüttelte die junge Frau den Kopf und musterte Trent etwas. Sie wusste nicht recht, ob sie ihm glauben sollte oder nicht, denn es konnte immerhin auch eine Falle sein, um sie auf irgendeine Art und Weise auszuhorchen.

“Ich war vor ein paar Tagen schon bei der Polizei und Zack wurde noch am selben Abend festgenommen. Sie haben sogar deinen Schmuck bei ihm gefunden, zumindest den Teil, den er noch nicht verscherbelt hat”, hörte sie Trents Stimme, auch wenn die Worte nur langsam zu ihr durchsickerten.

Wie in Trance griff sie zu ihrem Telefon, um bei dem zuständigen Beamten anzurufen, der auch damals schon für sie zuständig gewesen war. Kurz nachdem sie gemerkt hatte, dass Zack sie eiskalt bestohlen hatte, hatte sie ihn selbst bei der Polizei gemeldet.

“Wieso haben Sie damals nichts gefunden? Als sie zum ersten Mal seine neue Wohnung durchsucht haben?”, stellte sie Trent die Gegenfrage, während sie dem Tuten am anderen Ende der Leitung lauschte. Noch bevor Trent überhaupt antworten konnte, erklang die Stimme eines Beamten, mit dem sich Gabrielle kurz unterhielt und ein Treffen abmachte. Jetzt, sofort.

“Ich kann dich begleiten, wenn du magst?”, bot der ehemals beste Freund ihres Ex - Mannes ihr an, woraufhin die junge Frau kurz zögerte, schließlich aber doch nickte. Vielleicht konnte Trent ihr wirklich eine Hilfe sein, immerhin wusste er mehr, als er bislang erzählt hatte und sie konnte es kaum erwarten, mehr darüber zu erfahren, warum Trent sich überhaupt dazu entschlossen hatte, seinen besten Freund zu verraten.

26.03.2024 - Bein

Auf einem Bein hüpfte Kati über ein Spielfeld, dass sie selbst auf den Boden gemalt hatte. Konzentriert bewegte sie sich von einem Feld zum anderen und geriet augenblicklich ins Stolpern, als sie eine fremde Stimme vernahm. “Was machst du da? Das sieht lustig aus!”

Perplex sah sie auch um und entdeckte ein fremdes Kind vor dem Gartenzaun.

“Ich spiele hüpfen” erwiderte Kati und deutete auf das Spielfeld, dass sich vor ihr erstreckte. Verstehend nickte das Mädchen und fummelte am Saum ihres T-Shirts herum. “Darf ich mitspielen?”

Verblüfft sah Kati wieder auf das Mädchen und zögerte einen Moment lang. Ihre Mutter hatte ihr eigentlich gesagt, dass sie niemand Fremden in den Garten lassen sollte, aber das Mädchen war in ihrem Alter. Da sollte doch eigentlich nichts passieren, oder?

Langsam lief sie auf das Gartentor zu und blieb doch wieder davor stehen. “Wer bist du denn? Ich habe dich hier noch nie gesehen ", wollte sie wissen und legte ihren Kopf schief.

Das Mädchen deutete mit einem Arm auf das grüne Haus am Ende der Straße. “Ich bin Emma, bin acht Jahre alt und wohne jetzt da”, erklärte sie und sah wieder zu Kati.

Kati nickte verstehend und sah zu dem grünen Haus. Sie wusste von ihrer Mutter, dass dort wieder jemand eingezogen war und jetzt, wo Emma vor ihr stand, freute sie sich direkt darüber, dass dort auch ein Mädchen in ihrem Alter eingezogen war.

Sie öffnete das Gartentor und wartete, bis Emma drinnen war, bevor sie das Tor wieder schloss. “Ich bin Kati!”

“Wie geht das Spiel?”, wollte Emma wissen und sah ihre neue Freundin an. Ihr Blick kurz zum Spielfeld, ehe er doch wieder zu Kati glitt.

“Du darfst das Spielfeld immer nur mit einem Bein betreten, wo die Eins steht. Mit beiden Beinen da, wo eine Zwei steht oder mit den Händen, wo ich die Hände aufgemalt habe”, erklärte Kathi dem Mädchen, woraufhin Emma verstehend nickte.

“Pass auf, ich mache es dir einmal vor”, sprach Kati und begann im selben Augenblick über die Felder zu hüpfen.

“Jetzt du”, forderte Kati ihre neue Freundin auf und deutete mit der Hand auf das Spielfeld. Emma nickte sofort und hüpfte so über den Boden, wie Kati es ihr gezeigt hatte.

“Super!”, strahlte Kati und freute sich sehr darüber, dass sie endlich eine Spielkameradin hatte. Die beiden Mädchen spielten mehrere Stunden lang, bevor Emmas Name auf der anderen Straßenseite erklang. “Emma? Schatz? Wo bist du?”

“Oh, das ist meine Mama!”, rief das Mädchen sofort und stürzte auf das Gartentor zu. “Hier bin ich, Mama. Bei Kati.”

Eine junge Frau eilte auf das Tor zu und die Erleichterung war ihr deutlich anzusehen. “Hier bist du, du kannst doch nicht einfach weglaufen.”

“Das bin ich nicht, ich bin doch bei Kati”, widersprach Emma sofort, während sie sich an ihre Mutter drückte, nachdem sie das Tor geöffnet hatte.

“Und guck mal, ich kann auf einem Bein hüpfen”, fügte sie hinzu und lief auch sofort zum Spielfeld, um es ihrer Mutter zu zeigen.

“Toll, mein Schatz!”, lobte diese ihre Tochter, bevor sie sich entschloss, Katis Eltern aufzusuchen. Und sich gleichzeitig direkt vorzustellen.

27.03.2024 - Schiff

Langsam und auf einen Gehstock gestützt, lief Harald an der Strandpromenade entlang. Er war lange nicht hier gewesen, aber er fühlte sich direkt wieder in seine Jugend zurückversetzt.

Damals hatte er hier in der Gegend gewohnt und war zusammen mit seinem besten Freund in See gestochen. Das Schiff, auf dem sie damals unterwegs gewesen waren, lag noch immer im Hafen von Wilhelmshaven und war inzwischen Teil des Marinemuseums.

Die Strandpromenade lag darunter und Harald hatte sie schon einmal umrundet. Obwohl er einen Gehstock benötigte, war er noch gut zu Fuß und machte auch in seiner Heimat in der Mitte Deutschlands fast jeden Tag einen Spaziergang.

“Harry!” Als sein Spitznamen hinter ihm erklang, drehte er sich um und erblickte Kurt. Der Grauhaarige eilte auf ihn zu und auf Haralds Lippen bildete sich sofort ein Lächeln.

Fast zwanzig Jahre hatte er Kurt nicht gesehen und obwohl sie in engem Kontakt zueinander gestanden hatten, war es ihnen nie gelungen, sich zu treffen.

Dadurch, dass Kurt mit seiner Familie irgendwann in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewandert war, blieben ihnen bisherige Treffen verwehrt.

Umso mehr freute es ihn jetzt, seinem alten Freund endlich wieder gegenüber stehen zu können und das an einem Ort, der ihnen beiden so unendlich viel bedeutete.

Als sie einander in die Arme schlossen, genoss Harald dieses Gefühl direkt. “Was hälst du von einer Besichtigungstour? Unser Schiff bietet so etwas derzeit an”, sprach er Kurt anschließend an und schmunzelte augenblicklich, als Kurt direkt wieder los lief.

“Das fragst du noch?”, rief er ihm über die Schulter hinweg zu und lief wieder in Richtung der Kaiser Wilhelm - Brücke, unter welcher sich das Marinemuseum befand. Harald folgte ihm und blieb vor dem Schiff stehen, dass sie einst über das Meer geführt hatte.

“Vermisst du diese Zeit manchmal?”, glitt es ihm über die Lippen, während er Kurt von der Seite aus ansah. Es war nicht so, dass er kein erfülltes Leben gehabt hatte. Er hatte eine wunderbare Frau, wunderbare Kinder und Enkelkinder, aber trotzdem vermisste er es auch nach all den Jahren noch, tagelang auf See zu sein.

“Manchmal schon ja. Unsere Anfänge, wir uns uns kennengelernt haben oder wie wir tagelang auf dem Schiff eingesperrt waren, ohne Land in Sicht”, erwiderte der Angesprochene und lächelte sanft.

“Was hälst du davon, wenn wir uns in Zukunft zweimal im Jahr hier treffen, an diesem Schiff. Einmal an deinen Geburtstag und einmal meinem?”, schlug Kurt ihm schließlich vor, woraufhin Harald sofort nickte. Das war eine unglaublich gute Idee und auch, wenn sie nicht wussten, wie viele gemeinsame Treffen ihnen überhaupt noch blieben, war das eine wunderbare Möglichkeit, in gemeinsamen Erinnerungen zu schwelgen und das Schiff würde sie eh auf ewig miteinander verbinden.

Selbst dann, wenn einer von ihnen eines Tages nicht mehr leben würde.

28.03.2024 - Kätzchen

Lucias Blick huschte durch die Gegend, während sie das Bündel in ihren Armen fest an auch heran drückte. Sie war auf dem Weg in die alte Gartenlaube ihrer Großmutter, wo sie das, was sich in dem Bettlaken befand, verstecken wollte. Niemand durfte von dem Inhalt des Bettlakens erfahren, vor allem nicht ihre Mutter.

Lucia wünschte sich schon länger ein Haustier und als sie das Bettlaken mit den zwei Kätzchen vorhin gefunden hatte, hatte sie sofort gewusst, dass sie die Tiere behalten wollen würde.

Ihre Mutter würde das allerdings nie erlauben, schon allein deshalb, weil sie an einer Tierhaarallergie litt. Zumindest hatte sie das gesagt.

Die Elfjährige wusste nicht, was genau das bedeutete, aber sie wusste, dass sie sie Katzen deswegen auf gar keinen Fall mit nach Hause nehmen durfte. Die Gartenhütte ihrer Oma war daher ein guter Platz, um die Kätzchen dort zu verstecken.

Ihre Oma war erst vor ein paar Wochen gestorben und die Hütte war seitdem nicht mehr in Benutzung. Ihre Eltern hatten sie noch nicht verkauft und in diesem Moment war Lucia wirklich froh darüber.

Sie betrat die kleine Hütte und legte das Bündel auf dem Tisch ab, um es zu öffnen. Sofort reckten sich ihr zwei kleine Köpfen entgegen streckten. Das Miauen, das von einem der Kätzchen erklang, war so kläglich, dass Lucia direkt erschauderte. Sie strich dem Tier kurz über den Kopf, bevor sie sich in der Hütte umsah. Hier gab es nichts, mit dem sie die Katzen füttern konnte, sodass sie sich schließlich dazu entschloss, die Hütte doch wieder zu verlassen, um im nahegelegenen Supermarkt Milch und Katzenfutter zu besorgen.

Es dauerte nicht einmal eine halbe Stunden, bis sie wieder zurück war und die Katzen sogar schon gefüttert hatte. Sie setzte sich auf den Boden und spielte anschließend ein wenig mit den Kätzchen.

Als sie die Turmuhr in der Nähe hörte, die zur vollen Stunde schlug, sprang sie sofort auf. Sie sorgte dafür, dass sich die Kätzchen hier nicht weh tun konnten, bevor sie die Hütte verließ, sie abschloss und anschließend auf schnellstem Wege nach Hause lief.

Kaum, dass sie die Wohnung betreten hatte, streckte ihre Mutter den Kopf aus dem Wohnzimmer in Richtung Flur.

“Warum bist du so spät?”, hörte Lucia sofort ihre Stimme, woraufhin sich auf ihren Lippen ein kurzes Lächeln bildete. “Ich habe mit Mariella die Zeit vertrödelt. Es tut mir leid”, erwiderte Lucia und hoffte, dass ihre Mutter ihr glaubte. Sie schlüpfte an ihr vorbei und hielt doch sofort inne, als ihre Mutter mehrmals hintereinander nieste.

“Scheiß Allergie”, hörte sie die Stimme ihrer Mutter, woraufhin sie sich sofort auf die Lippen biss. Hatte sie am Ende vielleicht doch eine Allergie und merkte direkt, dass Lucia bei den Katzen gewesen war.

“Was für eine Allergie?”, wollte sie zaghaft wissen, während ihre Mutter ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche zog und sich die Nase putzte.

“Meine Tierhaarallergie”, schniefte sie und Lucia senkte ihren Blick direkt. Sie war doch nur ein paar Stunden bei den Katzen gewesen, wie konnte ihre Mutter da schon ihre Allergie bemerken?

“Der Hund der Nachbarn liegt bestimmt wieder im Hausflur”, hörte sie die Stimme ihrer Mutter, woraufhin sie nur nickte und anschließend in ihrem Zimmer verschwand. Sie konnte und wollte ihrer Mutter nicht sagen, dass es ihre Schuld war, dass ihre Mutter Allergiesymptome zeigte. Auch, wenn das bedeutete, dass sie die Kätzchen so lange wie möglich verstecken musste. Und darauf hoffen, dass ihre Eltern so schnell nicht auf die Idee kam, die alte Gartenhütte ihrer Oma zu verkaufen.

29.03. 2024 - Landstreicher

“Papa? Was ist ein Landstreicher?” Fragend sah Pinar ihren Vater Emir an, als dieser gerade dabei war, die Pfeife in seiner Hand zu stopfen.

“Wieso willst du das wissen?”, hakte er nach und sah seine Tochter fragend an.

“Wir waren doch gestern mit der Schule auf diesem Wanderausflug. Und auf dem Weg zur Aussichtsplattform saß ein Mann am Wegrand. Unser Lehrer hat uns aufgefordert, schnell weiter zu gehen, weil das ein Landstreicher wäre und die sind es nicht wert, dass man sich mit ihnen abgibt”, erzählte Pinar und ihr Vater zog eine Augenbraue hoch.

“Diese Ansichten vertritt dein Lehrer?” Verwundert legte Emir seine Pfeife weg und musterte seine Tochter etwas. Pinar nickte und erwiderte den Blick ihres Vaters.

“Dann hat dein Lehrer keine Ahnung”, hörte sie die aufgebrachte Stimme ihres Vaters, woraufhin sich ihre Augenbrauen zusammen zogen.

“Ein Landstreicher hat sich bewusst dafür entschieden, keinen festen Wohnsitz zu haben. Er streift durch die Lande und rastet dort, wo er es für richtig hält. Er lebt von dem, was er von fremden Menschen bekommt oder dem, was er sich durch kleinere Gelegenheitsjobs dazu verdienen kann. Trotzdem ist er kein schlechter Mensch, eher im Gegenteil. Er will meine Unterstützung und keine Almosen und das macht ihn zu einem besseren Menschen als so manch anderen Bürger dieser Welt. Oder willst du damit andeuten, dass auch dein Großvater ein schlechter Mensch war, der es nicht wert war, dass man sich mit ihm abgibt?”, sprach der Dunkelhaarige und Pinar wusste gar nicht, wie ihr geschah. So wütend und aufgebracht hatte sie ihren Vater noch nie erlebt und der letzte Satz hatte sie vollkommen durcheinander gebracht.

“Opa Aslan war ein Landstreicher?”, sprach sie ihre Verwirrung auch direkt aus, woraufhin Emir nickte.

“Er hat hart für uns gearbeitet und irgendwann konnte er nicht mehr. Er hat alles aufgegeben und ist durch das Land gereist. Er hat nicht nur die Türkei völlig neu kennengelernt, sondern auch die umliegenden Regionen und er hat es geliebt. Er war glücklich, bis zu seinem Tod.”

Noch während Emir von seinem Vater erzählte, bildeten sich Tränen in seinen Augen. Pinar zögerte nicht lange und rutschte an ihn heran, um ihn zu umarmen. Sie hatte ihren Opa nie richtig kennengelernt, aber sie wusste, dass er ein wahnsinnig toller Mensch gewesen war. Allein durch die jetzigen Erzählungen ihres Vaters. Und seiner Reaktionen auf ihre Frage.

30.03.2024 - ängstlich

Zitternd schlang Giulia ihre Arme um ihre angezogenen Beine. Dunkelheit umgab sie und nur das Tropfen eines Wasserhahns durchbrach die Stille. Sie wusste nicht, wo sie war oder wer sie hierher gebracht hatte, aber als sie das Quietschen einer Tür hörte, wich sie ängstlich in Richtung Wand.

Im Türrahmen entdeckte sie einen Mann, komplett in schwarz gekleidet. Eine Maske verdeckte die wichtigsten Gesichtszüge, sodass lediglich die Mundpartie freigelegt war.

“Princessa.” Als die Stimme des Mannes erklang, biss sich Giulia auf die Lippen. Wer war der Mann und was wollte er von ihr?

“Wo bin ich und was .. mache ich hier?”, glitt es leise über ihre Lippen, während sie den Mann regelrecht anstarrte und doch sofort nach Luft schnappte, als er ein paar Schritte auf sie zumachte.

“Du bist bei mir, Princessa”, bekam sie die knappe Antwort, bevor sich der Fremde auf der Bettkante niederließ. Er streckte eine Hand aus und strich Guilia über den Unterschenkel hinweg. Seine Hand glitt in Richtung Knie und als Guilia ihre Beine wegziehen wollte, drückte sich seine Hand so fest in ihr Knie, dass sie gar keine Chance mehr auf Bewegung hatte.

“Du bist bei mir, Princessa und schon bald wirst du als Königin an meiner Seite neu auferstehen”, hörte sie die Stimme des Fremden, woraufhin sich ihre Stirn runzelte. “Was?”, krächzte sie lediglich und legte reflexartig ihren Kopf schief.

“Du hast mich schon richtig verstanden, kleine Giulia. Du bist dafür bestimmt, den Rest des Lebens an meiner Seite zu verbringen und schon morgen wird dieses neue Leben für dich anfangen. Aber jetzt schlaf, morgen ist ein großer Tag für uns, Princessa”, erklang die Stimme des Fremden ein weiteres Mal. Giulia konnte gar nicht so schnell reagieren, wie sich seine Hand in Richtung Hals gehoben hatte, aber als sie einen kurzen Stich in ihrer Halsbeuge spürte, sackte sie sofort in sich zusammen. “Wer .. bist du…?”,, konnte sie gerade noch von sich geben, bevor alles dunkel wurde und sie nicht einmal mehr die Antwort des Fremden hörte.
 

Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie bewusstlos gewesen war, aber als sie das nächste Mal ihre Augen öffnete, befand sie sich nicht mehr in dem dunklen Loch von gestern, sondern in einem großen, geräumigen Zimmer. Sie lag in einem Himmelbett, dass mit der rosa Bettwäsche im Gegensatz zu den restlichen Möbeln fast fehl am Platz wirkte. Der schwarze Schrank am anderen Ende des Raumes, der schwere Vorhang aus schwarzem Samt und sogar die Sitzecke gegenüber ihres Bettes, all das wirkte so, als wäre das Bett erst viel später in den Raum gestellt worden.

Als sich die Tür öffnete, setzte sie sich sofort auf und rutschte ein Stück nach hinten. “Oh, du bist schon wach. Perfekt, es wird Zeit, dass wir dich wunderschön herrichten, damit allen die Augen aus dem Kopf fallen”, hörte sie die Stimme einer Frau und als diese auf sie zutrat, runzelte sich Giulias Stirn.

“Wo bin ich?”, glitt es ihr erneut über die Lippen und sie musterte die ältere Frau ängstlich. Sie folgte ihr mit dem Blick, als sie auf den großen, massiven Schrank zulief und eine der Türen öffnete. Ohne zu zögern zog sie etwas aus dem Schrank und als Giulia erkannte, was es war, weiteten sich ihre Augen. Auf dem Kleiderbügel, den die Fremde in der Hand hielt, hing ein schwarzes Abendkleid. Mit Strasssteinen an den Schultern und über den Rest des Kleides legte sich zusätzlich noch eine Schicht Tüll. Der Schlitz am Bein würde mehr zeigen, als er verbarg und nicht nur Panik ergriff von Giulia Besitz, sondern auch Angst. Und Verwirrung.

“Was ist das?”, wollte sie leise wissen und folgte der älteren Frau mit ihrem Blick, als sie mit dem Kleid in ihre Richtung lief. Und als sie ihre Antwort bekam, fiel ihr nicht nur alles aus dem Gesicht, sondern sie wich auch direkt wieder ängstlich ein Stück weiter an die Wand.

“Das, meine Liebe, ist dein Hochzeitskleid.”

31.03.2024 - Schlangen

“Findest du immer noch, dass es eine gute Idee war, heute einkaufen zu gehen?” Fragend sah Jonas seine Freundin Steffi von der Seite aus an, während sie in einer Schlange vor der Kasse standen.

Heute war Gründonnerstag und Steffi hatte unbedingt noch ein paar Kleinigkeiten besorgen wollen, aber jetzt standen sie schon seit fast einer halben Stunden vor der Kasse an und Jonas hatte nicht unbedingt das Gefühl, dass sie auch nur einen Schritt vorwärts gekommen waren.

An den anderen Kassen sah es nicht besser aus und die Leute standen in langen Schlangen Einkaufswagen an Einkaufswagen.

“Du hättest ja nicht mitkommen müssen”, zischte Steffi ihm direkt entgegen, woraufhin sich die Augenbraue des Älteren hob.

“Ach nein? Und wer hätte dann die Tüten geschleppt?”, erwiderte er ruhig und verschränkte seine Arme vor der Brust. Meistens lief es darauf hinaus, dass er die Tüten schleppte, egal in welchen Geschäften sie unterwegs waren.

Ein tiefer Seufzer war die Antwort, die Steffi ihm schenkte. “Entschuldige”, murmelte sie leise und ergriff die Hand ihres Freundes. Sie wollte sich nicht mit ihm streiten und schon lange nicht hier in einem Laden, in dem alle mithören konnten, wie schlecht ihre Laune in diesem Moment war.

Dabei lag es nicht einmal daran, dass sie sich gerade mit einer Menge fremder Menschen in mehreren Schlangen im Einkaufszentrum befanden.

Von der Seite sah Jonas seine Freundin an und lächelte kaum merklich. “Schon okay”, erwiderte er leise und schob den Einkaufswagen ein Stück nach vorne, als es endlich vorwärts ging.

“Ich weiß auch nicht, was momentan mit mir los ist. Vielleicht sind es die Hormone”, murmelte sie leise und sorgte so dafür, dass sich die Augenbrauen ihres Freundes zusammenzogen. “Die Hormone?”

Mit einem Blick zu ihrem Freund lächelte Steffi leicht. “Nicht hier”, gab sie lediglich zurück und legte ihre Einkäufe auf das Kassenband, nachdem sie es endlich erreicht hatte. Eigentlich wusste sie ganz genau, was mit ihr los war, aber bislang war sie noch nicht dazu gekommen, ihm davon zu erzählen.

Jonas nickte knapp und bezahlte ihren Einkauf wenig später, bevor er neben Steffi her aus dem Laden lief. Ein kurzer erleichterter Seufzer verließ seine Lippen, bevor er seine Freundin wieder von der Seite ansah.

“Man könnte meinen, morgen geht die Welt unter, dabei ist es doch nur ein Feiertag. Die Leute stürmen in Scharen in die Einkaufsläden und wundern sich dann, wenn sie in langen Schlangen mehrere Minuten oder länger warten müssen”, sprach er sie an, woraufhin Steffi nickte und anschließend doch grinste.

“Das nächste Mal gehe ich vorher einkaufen oder bestelle online, was wir brauchen”, entgegnete sie und ergriff erneut die Hand ihres Freundes. “Aber jetzt lass uns nach Hause gehen, ich muss dir nämlich unbedingt etwas zeigen”, forderte sie ihn auf und zog ihn zum Auto, damit sie ihm endlich unter vier Augen davon erzählen konnte, warum ihre Hormone in der letzten Zeit so sehr verrückt spielten.

01.04.2024 - beugen

“Beugen Sie sich ganz nach unten, bis sie ihre Zehenspitzen berühren.”

Die Stimme des Trainers hallte durch den Raum und ein kollektives Stöhnen war die Antwort.

Fernanda war erst seit wenigen Tagen in diesem Kurs, weil sie sich fest vorgenommen hatte, etwas fitter zu werden.

Das der Kurs sie allerdings schon nach vollkommen neue Herausforderungen stellen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Seit Tagen plagte sie sich mit Muskelkater durch den Tag und trotzdem stand sie jetzt hier und versuchte sich so weit es ging nach unten zu beugen.

Auf dem Weg nach unten durchzog jedoch ein stechender Schmerz ihren unteren Rückenbereich.

Ein Ächzen verließ ihre Lippen und sie hob ihren Kopf, um den Trainer auf sich aufmerksam zu machen. Der Jüngere stand am Ende des Raumes und bemerkte sie gar nicht, sodass sie sich hillfesuchend an ihrer Trainingsnachbarn Leif.

“Ich komme nicht mehr hoch”, flüsterte sie ihm leise zu, woraufhin Leifs Blick sofort zu ihr huschte. Fragezeichen lagen in seinem Blick und er trat ein paar Schritte näher.

“Mein Rücken, ich komme nicht mehr hoch”, sprach Fernanda ihn erneut an, woraufhin Leif nickte und sofort ihren Trainer auf sich aufmerksam machte. “Thomas? Kannst du kurz kommen?”, bat er den Trainer, woraufhin dieser sich sofort in seine Richtung bewegte. Leise erklärte Leif, was mir Fernanda los war, woraufhin Thomas den Kurs sofort beendete, damit er sich um sie kümmerte konnte.

Er trat hinter Fernanda und legte seine Hände auf ihren unteren Rücken. Er dauerte nicht lange, bis er ihr den Schmerz so weit genommen hatte, dass sich auch zumindest wieder aufrichten konnte.

“Danke”, ächzte sie und rieb sich den Rücken.

“Du solltest das ganze noch einmal von einem Arzt checken lassen, vielleicht hast du dir einen Nerv oder ähnliches eingeklemmt”, sprach der Trainer sie an, woraufhin sie nickte und zu Leif sah, als sie seine Stimme vernahm.

“Wenn du möchtest, begleite ich dich und vielleicht hast du ja Lust, danach noch einen Kaffee trinken zu gehen.”

Verblüfft sah Fernanda ihn an und bekam gar nicht mit, dass sich Thomas aus dem Raum zurück zog.

“Nur wenn du möchtest, natürlich“, schob Leif hinterher und nach ein paar Augenblicken nickte Fernanda. “Gerne, aber nur unter einer Bedingung”, bat sie ihm, woraufhin Leif ihr einen fragenden Blick schenkte.

“Ich muss mich nicht nach unten beugen, denn nochmal komme ich bestimmt nicht so einfach wieder hoch”, lachte sie, woraufhin auch Leif in das Lachen einstimmte.

“Das kriegen wir ganz sicher hin”, erwiderte er und lief anschließend aus dem Raum, um sich selbst umzuziehen.

Damit er vor dem Studio auf Fernando warten konnte.

02.04.2024 - geniessen

Mit einem zufriedenen Seufzen schloss Muriel ihre Augen und kuschelte sich eng an ihren Freund Anatoli.

Erst seit zwei Stunden war er wieder bei ihr, nachdem er die letzten Wochen bei seiner Familie verbracht hatte. Seine Eltern lebten noch immer in Weißrussland und auch seine Schwester war vor kurzem wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt. Unwillkürlich öffnete sie ihren Augen wieder, hob ihren Kopf und musterte Anatoli ein paar Augenblicke lang. Geschlossenen Augen lag er friedlich neben ihr, während sich sein Brustkorb ruhig hob und auch wieder senkte.

Ob er manchmal auch darüber nachdachte, in sein Heimatland zurückzukehren? Um näher bei seiner Familie zu sein, statt bei ihr?

Ohne, dass sie sich dessen bewusst war, stiegen ihr Tränen in die Augen und rannen an ihren Wangen entlang.

Mit einer Hand wischte sie sich über die Augen und ließ sich wieder nach unten sinken, um sich an Anatolis Seite kuscheln zu können. Sie schloss ihre Augen wieder und genoss stillschweigend seine Nähe, bis sie seine Stimme vernahm.

“Warum weinst du?”, stellte er die leise Frage, woraufhin sich Muriel im ersten Moment nur auf die Lippen biss.

“Sieh mich an, Schatz”, forderte er Muriel sanft auf und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.

Langsam hob Muriel ihren Kopf und öffnete auch ihre Augen wieder. “Hast du jemals darüber nachgedacht, bei deiner Familie zu bleiben? So wie Ekaterina?”, sprach sie nach ein paar Minuten leise und strich ihm mit der Hand leicht über die Brust hinweg. Hauptsächlich, um sich abzulenken.

“Natürlich habe ich das und Ekaterina hat mich am Wochenende sogar dasselbe gefragt”, entgegnete Anatoli und Muriel hielt automatisch die Luft an. War es vielleicht sogar schon beschlossene Sache, dass Anatoli bei seinem nächsten Besuch in der Heimat gar nicht mehr zurück kam? Was es das letzte Mal, dass sie die Zeit mit ihm genießen und in seinen Armen liegen konnte?

“Und was hast du ihr geantwortet?”, glitt es ihr nach ein paar Augenblicken leise über ihre Lippen, woraufhin Anatoli seinen Kopf zu sich hoch drückte. die Zeit mit ihm geniessen und in seinen Armen liegen konnte?

“Und was hast du ihr geantwortet?”, glitt es ihr nach ein paar Augenblicken leise über die Lippen, woraufhin Anatoli ihren Kopf zu sich hoch drückte.

“Ich habe ihr geantwortet, dass du meine Heimat bist und ich nur da sein kann, wo du bist”, hauchte er ihr leise entgegen und küsste sie anschließend zärtlich auf die Lippen.

Und Muriel erwiderte den Kuss, während ihr Tränen in die Augen stiegen, weil es keine schöneren Worte in diesem Moment für sie gab, als die, die Anatoli gewählt hatte. Und die würde sie tief in ihrem Herzen bewahren und auf ganz besondere Art und Weise geniessen.

03.04.2024 - Start / starten

“Start der Etappe ist das Restaurant am Steinbruch. Wir werden den Steinbruch komplett durchqueren und auch den angrenzenden Wald. Die Route erstreckt sich über mindestens fünfzehn Kilometer, bis wir unser Ziel erreichen. Wer doch noch aussteigen und der Wanderung nicht beiwohnen will, hat heute die Gelegenheit dazu. Morgen früh treffen sich alle, die dabei sind, am Restaurant”

Die Stimme eines grauhaarigen Mannes hallte durch den Raum und Fred biss sich sofort auf die Lippen. Eigentlich war er bislang bei jeder Wanderung dabei gewesen und den Steinbruch wollte er unbedingt durchqueren, aber seit gestern abend plagten ihn schreckliche Rückenschmerzen und er bezweifelte, dass er dem Marsch von fünfzehn Kilometern wirklich gewachsen sein würde.

Dennoch gab er sich keine Blöße und unterdrückte den Drang, seinen Arm zu heben. Es meldeten sich zwar noch ein paar Teilnehmer, die morgen nicht dabei sein würden, aber er wollte unbedingt dabei sein.

Ihre Gruppe bestand aus mindestens dreißig Leuten, wobei nicht alle regelmäßig bei allen Wanderungen dabei waren, aber es gab eine Art Grundgerüst von zehn Mitgliedern, die bislang jede Wanderung vollzogen hatten.

Und dazu gehörte auch er.

“Super, dann treffen wir uns alle morgen früh um acht am Restaurant. Und denkt daran, für alle Wetterverhältnisse gewappnet zu sein”, erklang erneut die Stimme des Grauhaarigen, woraufhin Fred seinen Blick in dessen Richtung wandte. Er kannte Boris durch die Arbeit und obwohl der Grauhaarige mindestens fünfzehn Jahre älter war als er, hatten sie sofort auf einer Wellenlänge gelegen. Boris war es auch gewesen, der ihn in diese Gruppe geholt hatte und seitdem hatten sie schon etliche Wanderungen vollzogen. Sogar im Ausland waren sie gewesen.

“Fred? Ist alles okay?” Als Boris’ Stimme jetzt zu ihm durchdrang, nickte er direkt und erhob sich von dem Stuhl, auf dem er die ganze Zeit gesessen hatte.

“Klar, wir sehen uns morgen”, wiegelte er schnell ab und huschte aus dem Raum, noch bevor Boris ihn aufhalten konnte.

Obwohl er schon wieder Rückenschmerzen bekam, eilte er den Gang entlang nach draußen und auch die Straße entlang. Sein Ziel war die örtliche Apotheke, in der er die Frau hinter dem Ladentisch sofort nach einem wirksamen Mittel gegen Rückenschmerzen fragte.

“In erster Linie kann ich ihnen Tabletten oder Salben empfehlen, aber wenn die Schmerzen gar nicht zu lindern sind, sollten sie einen Arzt aufsuchen”, klärte ihn die junge Frau auf, woraufhin er nickte.

“Das weiss ich, aber ich werde es vorerst mit ihren Tabletten und Salben versuchen. Und vielleicht noch mit den Wärmepflastern dort”, antworte Fred und kaufte gleich zwei Packungen davon, nachdem er sie auf einem Regal in der Nähe des Ladentisches entdeckt hatte.

Er bezahlte die Sachen und verabschiedete sich knapp, bevor er mit den Sachen nach Hause lief.

Eine der Tabletten schluckte er gleich und ließ die Salbe über Nacht einwirken. Zusätzlich nutzte er eine Wärmflasche, wie die Apothekerin ihm das außerdem geraten hatte.

Und auch, wenn er sich am nächsten Tag ein bisschen besser fühlte, so nahm er die Tabletten dennoch mit und nutzte auch das Wärmepflaster an der Stelle, die so sehr geschmerzt hatte und stand pünktlich noch vor acht Uhr an dem Restaurant, an dem sie starten sollten.

Mit der Hoffnung, es würde alles gut gehen und sein Rücken würde die Wanderung ohne Probleme mitmachen.

04.04.2024 - stören

“Stör ich?” Als es an der Bürotür klopfte und Stellas Kollegin Miri ihren Kopf zur Tür reinsteckte, hob Stella ihren eigenen Kopf. Sie schüttelte ihn und deutete ihr an, in den Raum zu treten.

Miri zögerte nicht lange und trat zu ihrer Freundin an den Schreibtisch, nachdem sie die Tür direkt wieder hinter sich geschlossen hatte.

“Was gibts denn?”, wollte Stella direkt wissen und zog eine Augenbraue hoch, als Miri lediglich grinste. “Falls du mir irgendetwas sagen willst, solltest du es einfach tun oder gleich wieder gehen. Ich habe noch viel zu tun”, fügte sie hinzu und deutete auf all die Unterlagen auf, die auf dem Tisch verstreut lagen.

Sie arbeiten beide in einem Architekturbüro und während Stella bereits ein eigenes Büro hatte, saß Miri mit mehreren anderen Kollegen in einem Großraumbüro.

“Nevio hat nach dir gefragt”, brachte Miri es schließlich auf den Punkt und Stella seufzte direkt. Nevio war Miris Bruder und erst seit kurzem wieder in der Stadt, nachdem er vor zwei Jahren nach Italien abgehauen war.

“Ich will es nicht hören, Miri”, entgegnete Stella und sah wieder auf ihre Unterlagen. Sie presste die Lippen zu einem Strich zusammen und versuchte krampfhaft ihre Tränen zu unterdrücken.

Damals war Nevio einfach verschwunden und hatte ihr das Herz gebrochen. Sie hatte nicht nur einmal versucht, ihn zu erreichen, aber bei jedem Telefonat - wenn er denn überhaupt abgehoben hatte - abgewiesen und ihr sogar gesagt, dass sie stören würde. Irgendwann hatte sie einfach aufgegeben und sich damit abgefunden, dass sie keinen Platz mehr in Nevios Leben hatte. Miri wusste scheinbar nicht, dass zwischen ihnen überhaupt etwas vorgefallen war, zumindest würde das ihr derzeitiges Grinsen erklären.

“Wenn du mich nicht weiter stören willst oder noch irgendwas anderes sagen willst .. du weisst, wo die Tür ist.” Kurz hob sie ihren Blick und deutete mit dem Kinn in Richtung Tür.

“Willst du denn gar nicht wissen, warum er nach dir gefragt hat?”, hakte Miri nach, ohne auf die Worte ihrer Freundin einzustehen. Stella seufzte erneut und schüttelte leicht den Kopf. “Nein, Miri. Ich will nicht wissen, warum er nach mir gefragt hat und ich will auch nicht wissen, wo er in den letzten zwei Jahren gewesen ist. Ich habe mein Herz gerade erst davon überzeugt, dass es besser ist, ihm dort keinen Platz mehr zu gewähren”, entgegnete Stella und deutete mit einem Arm auf die Tür.

“Geh, bitte. Und bestell deinem Bruder einen Gruß, ich will auch von ihm nicht mehr gestört werden”, fuhr sie fort, woraufhin Miri den Rückzug antrat und den Wunsch ihrer Freundin akzeptierte. Vorerst zumindest, denn das letzte Wort war da noch nicht gesprochen, da war sie sich sicher.
 

Kaum, dass Miri die Tür hinter sich geschlossen hatte, sank Stella in sich zusammen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Miri sie ausgerechnet aus diesem Grund stören würde, während sie sich gleichzeitig ziemlich dämlich vorkam, weil ihr Herz doch direkt wieder ins Stolpern geriet.

Auch, wenn sie mit Nevio abgeschlossen hatte und sich keine Beziehung mehr mit Schwarzhaarigen vorstellen konnte, tat es doch weh, dass Nevio jetzt einfach wieder da war und so tat, als wäre nie etwas gewesen. Kopfschüttelnd richtete sie sich wieder auf und widmete sich wieder den Unterlagen, zumindest solange, bis es erneut klopfte.

“Miri, ich habe doch gesagt ..”, begann sie und brach doch ab, als sie Nevio in der geöffneten Bürotür stehen sah.

“Was willst du?”, gab sie knapp von sich und verschränkte ihre Arme vor der Brust.

“Darf ich dich kurz stören?” Fragend, aber auch bittend sah der Schwarzhaarige sie an, woraufhin Stella den Kopf schüttelte.

“Nein”, entgegnete sie und senkte ihren Blick wieder auf ihre Unterlagen.

“Nein?”, wiederholte Nevio perplex und sah Stella auch genau so an.

“Es ist alles gesagt, Nevio. Du hast doch vor zwei Jahren entschieden, dein eigenes Leben zu führen. Ohne mich. Jetzt habe ich mich für das Leben ohne dich entschieden”, sprach sie ruhig und deutete mit dem Kopf in Richtung Tür, ohne den Schwarzhaarigen richtig anzusehen. Als sich die Tür schloss, atmete sie direkt befreit auf.

Es tat tatsächlich gut, Nevio abgewiesen zu haben und jetzt würde sie hoffentlich auch niemand mehr stören.

05.04.2024 - Flucht

“Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?” Skeptisch und auch nicht wirklich überzeugt von dessen Plan, sah Miguel seinen Mitinsassen Santiago an.

Inzwischen saß Miguel schon seit über einem Jahr im Gefängnis und Santiago und er waren wirklich gute Freunde geworden. Und mehr. Sie wohnten sogar in einer gemeinsamen Zelle, nachdem die Gefängnisleitung ihr Einverständnis gegeben hatte.

Vor ein paar Minuten hatte Santiago ihm allerdings den Vorschlag gemacht, gemeinsam von hier zu fliehen. "Ja, und es ist auch mein voller Ernst!”, hörte er dessen Stimme, woraufhin er ihn wieder ansah.

“Aber wie stellst du dir das denn vor, wir können doch nicht einfach hier raus spazieren?”, entgegnete Miguel und lehnte sich auf seinem Stuhl etwas zurück.

“Das werden wir, aber nicht als Miguel und Santiago” antwortete der Ältere kryptisch und Miguel runzelte direkt verwirrt die Stirn. “Hä?”

“Pass auf, ich erkläre es dir”, reagierte Santiago sofort auf die Verwirrung seines Freundes, wobei ein Schmunzeln seine Lippen zierte.

In den nächsten Minuten erläuterte er seinen Plan bis ins kleinste Detail. Er erzählte Miguel davon, dass er aus der Krankenstation, auf der er derzeit arbeitete, ein Mittel mitgehen lassen wollte, mit dem sie zwei Wärter außer Gefecht setzen konnten.

Sie würden in ihre Uniformen schlüpfen und das Gefängnis als die beiden Angestellten verlassen und nicht als Miguel und Santiago. Um den Schein zu wahren und nicht noch erkannt zu werden, wollte er das ganze bei Dunkelheit durchführen. Dann, wenn die meisten Insassen schon längst schliefen und auch die Gefängnisleitung mit allen Mitarbeitern längst Zuhause war.

“Sei mir nicht böse, Tiago.. aber das ist der schwachsinnigste Plan, den ich je gehört habe und er ist bereits zum Scheitern verurteilt, noch bevor wir ihn überhaupt ausgeführt haben”, widersprach Miguel ihm sofort und musterte Santiago etwas.

“Woher willst du das wissen, wenn wir es nicht versuchen?”, hakte Santiago nach und hielt dem Blick seines Freundes stand. Leise seufzte Miguel und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht.

“Weil ich das realistisch sehe und mir sicher bin, dass wir nicht einmal durch die Eingangstür kommen. Ich will hier auch raus, Santiago. Aber ich will mir nach unserer Entlassung ein normales Leben aufbauen und nicht mein Leben lang auf der Flucht sein. Ich will die Welt neu entdecken und nicht jeden Tag daran denken müssen, dass uns vielleicht doch wieder eine Gefängnisstrafe droht, weil wir auf der Flucht doch wieder geschnappt werden”, sprach er sanft und ergriff kurz die Hand seines Gegenübers.

Santiago hingegen sah auf ihre Hände und schwieg einen Moment lang, bevor er schließlich doch leise seufzte und nickte.

“Vielleicht hast du Recht”, entgegnete er leise und als Miguel ihm einen Kuss auf die Lippen drückte, war er sich sofort sicher, dass der Jüngere alles war, was er brauchte. Auch hier im Gefängnis, solange sie noch hier waren.

Gemeinsam.

06.04.2024 - veraltet

“Wieso kannst du nicht einfach akzeptieren, dass ich nicht heiraten will?”

Mit vor der Brust verschränkten Armen stand Bethany vor ihrer Großmutter Agatha und presste anschließend ihre Lippen aufeinander.

“Weil es dazugehört, wenn man schwanger ist”, erwiderte Agathe und hielt dem Blick ihrer Enkelin stand.

“Deine Ansichten sind total veraltet. Man muss heutzutage nicht mehr heiraten, bloß weil man ein Kind erwartet”, hielt Bethany dagegen und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht.

“Und wie willst du deinem Kind später erklären, dass es einen anderen Namen trägt als Papa?” Bei der Frage ihrer Großmutter verdrehte Bethany kurz die Augen. “Bis er oder sie diese Frage stellt, ist es noch lange hin. Vielleicht habe ich Liam bis dahin längst geheiratet, aber jetzt ist das zwischen uns kein Thema!”, behaarte sie auf ihre Meinung und seufzte doch sofort auf, als sie sehen konnte, dass sich in den Augen ihrer Großmutter Tränen bildeten.

“Aber bis dahin bin ich vielleicht nicht mehr da. Was ist so falsch daran, dass ich meiner Enkelin dabei zusehen kann, wie sie auf den Altar zuschreitet?”, hörte sie anschließend die Worte ihrer Großmutter und für einen kurzen Moment bekam sie tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Sie war sich durchaus bewusst, dass ihre Großmutter nicht ewig leben würde, aber sie wollte auch jetzt noch nicht heiraten. Sie hatte nicht einmal mit Liam darüber gesprochen, ob es für sie beide überhaupt in Frage kam, auch wenn sie einen Heiratsantrag sicherlich nicht ablehnen würde.

“Gar nichts, Granny. Aber ich fühle mich einfach noch nicht bereit für eine Hochzeit?”, versuchte sie ihre Großmutter erneut von ihrer Ansicht zu überzeugen, aber ohne Erfolg. Agathe blieb bei ihrer veralteten Ansicht.

“Heiraten willst du nicht, aber für ein Kind bist du bereit?”, stellte sie die nächste Frage, woraufhin Bethany erneut die Augen verdrehte. Sie schüttelte kurz den Kopf und wandte sich von ihrer Großmutter ab. “Es hat keinen Sinn darüber zu diskutieren, solange du nicht akzeptieren willst, dass man auch ohne Trauschein glücklich sein kann”, antwortete sie leise und ließ ihre Großmutter schließlich einfach stehen. Es tat ihr weh, dass die ältere Frau so penetrant an ihrer Meinung festhielt und nicht einmal versuchte, ihre Enkelin zu verstehen. Sie war glücklich. Ohne Trauschein und mit einem Kind unter dem Herzen. Und im Gegensatz zu ihrer Großmutter hielt sie nichts von veralteten Traditionen, sondern wollte gemeinsam mit Liam neue Erinnerungen und Traditionen schaffen, ohne auf veraltete Methoden zurückzugreifen.

Zumindest nicht jetzt.

07.04.2024 - äußern

“Willst du dich nicht auch endlich mal dazu äußern?” Als Luc die Stimme seiner Frau Trixie hörte, hob er verwundert seinen Kopf. Mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern Amelie und Henry saß er beim Frühstück in einem Café im Herzen von Paris und doch hatte er nichts von dem verstanden, worüber sich seine Familie unterhalten hatte.

“Wozu soll ich mich äußern?”, hakte er nach und konnte direkt sehen, dass Trixie die Augen verdrehte. “Zu den Plänen deiner Tochter, ihr Studium in Deutschland zu beginnen, statt hier in Paris. Warum hörst du eigentlich nie zu, wenn wir uns unterhalten?”, tadelte Trixie ihn sofort, woraufhin Luc kurz schnaubte, aber nichts dazu sagte, sondern vielmehr die ersten Worte seiner Frau aufgriff.

“Was spricht denn dagegen, wenn sie ihr Studium dort anfängt?”, wollte er wissen und diesmal war es Trixie, von der ein Schnauben zu hören war.

“Amelie ist gerade erst achtzehn geworden, da werde ich sie bestimmt nicht einfach in ein fremdes Land schicken und sich selbst überlassen”, entgegnete die Blonde und sah zwischen ihren Kindern und ihrem Mann hin und her. Luc zuckte direkt mit den Schultern und verschränkte seine Arme vor der Brust. “Du warst auch gerade achtzehn, als du nach Paris gekommen bist und kurz danach haben wir uns kennengelernt. Was spricht dagegen, wenn unsere Tochter in dem Alter ebenso ihre ersten eigenen Erfahrungen macht?”, erwiderte er und hielt dem Blick seiner Frau stand.

Trixie war gebürtige Belgiern und war damals für ihr Modedesign - Studium nach Paris gekommen. Sie war im selben Alter gewesen, dass jetzt Amelie hatte, deswegen verstand Luc absolut nicht, warum sie sich jetzt so sehr dagegen wehrte, ihre Tochter gehen zu lassen.

“Damals herrschten auch noch ganz andere Sitten und so”, versuchte Trixie, sich erneut zu verteidigen, woraufhin sich diesmal Henry einmischte. “Wenn es dir damit besser geht, dann begleite ich Amelie nach Deutschland.”

Verblüfft wandte Trixie ihren Blick zu ihrem Sohn und wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte.

“Und was willst du dort machen?”, hakte sie schließlich nach und musterte ihren Sohn etwas, woraufhin dieser mit den Schultern zuckte. “Ich kann von überall aus arbeiten und mein Chef hat ganz sicher nichts dagegen, wenn ich mir eine kleine Auszeit nehme, um meiner Schwester beizustehen”, entgegnete Henry und schenkte seiner Schwester ein sachtes Lächeln. Amelie war vier Jahre jünger als er und sie hatten ein wirklich enges Verhältnis zueinander. “Aber Deutschland ist so weit weg”, äußerte Trixie erneut ihren Unmut und seufzte leise auf. Als sie die Hand ihres Mannes auf ihrem Arm spürte, wandte sie seinen Blick in seine Richtung.

“Lass sie ihre eigenen Erfahrungen machen, Schatz. Wir werden beide so oft besuchen, wie es geht. Ihr werdet telefonieren, wann immer es möglich ist und in der restlichen Zeit tun wir endlich einmal all die Dinge, von denen du schon seit Jahren träumst”, versuchte er seine Frau zu beruhigen, während er über ihren Unterarm hinweg strich. Nach kurzem Zögern nickte Trixie, auch wenn das letzte Wort doch noch nicht richtig gesprochen war.

“Okay, aber vorher möchte ich mir ansehen, wo und wie ihr dort leben werdet”, sprach sie ihre Kinder schließlich an und bekam sofort ein Nicken seitens ihrer Tochter zurück. “Natürlich, Mama.”

Das war definitiv ein Schritt in die Richtung und wenn ihre Mutter erst einmal selbst sah, was Amelie in Deutschland alles erwarten würde und auch sehen würde, was ihre eigene Zukunft dadurch für sie bereithalten würde, würde sie auch keine Bedenken mehr äußern. Da war sich Amelie sicher.

08.04.2024 - einsetzen

Schon seit über zehn Minuten krabbelte Florian suchend durch das Zimmer, in dem er vorübergehend lebte. Durch den plötzlichen Tod seiner Mutter lebte er in einem Wohnheim für angehende Erwachsene, aber da sie schon vor über zwei Jahren verstorben war, hatte er sich hier inzwischen ganz gut eingelebt. Heute war es total regnerisch und deshalb hatte er sich vorgenommen, sich endlich einmal um das Puzzle zu kümmern, dass er im letzten Jahr zum Geburtstag bekommen hatte. Puzzlen beruhigte ihn, aber jetzt fehlte doch tatsächlich das letzte Teil, dass er in das fertige Bild einsetzen musste.

“Flo? Was machst du da?” Als er eine männliche Stimme hörte, hob er seinen Kopf und fluchte direkt, als er sich den Kopf am Schreibtisch stieß.

“Ich muss die letzten Puzzleteile einsetzen, aber ich kann das letzte Teil nicht finden. Es ist weg”, erklärte er und krabbelte wieder unter den Schreibtisch hervor. Im Türrahmen erblickte er Milan, der in der Zwischenzeit ein echt guter Freund geworden war.

“Vielleicht war es gar nicht dabei”, sprach Milan ihn an, woraufhin Florian die Stirn runzelte.

“Warum sollte es nicht dabei sein? Dann mach doch das ganze Puzzle keinen Sinn.” Verwirrt trat Florian wieder auf den Schreibtisch zu und durchsuchte den Karton des Puzzles erneut. Er verstand nicht, was Milan damit meinte. Warum sollte ein Teil in einem Puzzle fehlen, wenn noch drauf stand, dass es 500 Teile enthalten sollte.

“Es kann doch sein. Die Kartons werden bestimmt maschinell befüllt und da kann es bestimmt einmal passieren, dass ein Teil durchrutscht”, überlegte Milan und trat einen Schritt näher in das Zimmer.

“Aber wie soll ich denn dann das Puzzle fertig bekommen, wenn ich die letzten Teile gar nicht erst einsetzen kann?”, erwiderte Florian und für einen kurzen Moment Grad ein verzweifelter Ausdruck in seinen Augen. Sein innerer Monk musste dieses Puzzle unbedingt fertig bekommen. Er hatte nicht den ganzen Tag damit verbracht, das Puzzle fertigzustellen, wenn er das allerletzte Teil jetzt nicht einsetzen konnte. Er musste es einfach finden!

“Soll ich dir beim Suchen helfen?” Sofort, als er die Stimme Milans hörte, nickte Florian und bückte sich erneut, um eine Kiste neben dem Schreibtisch zu durchsuchen. Milan beobachtete ihn einen kurzen Augenblick, bevor er Florian bei der Suche half und bereits nach wenigen Minuten hatte er gesucht, was sie suchten.

“Schau, Flo. Ich habe es gefunden”, richtete er das Wort an seinen besten Freund und Florian drehte sich sofort zu ihm um.

“Wo war es denn?”, wollte er wissen und griff sofort danach, während Milan auf das Puzzle deutete. Unter deinem fast fertigen Puzzle”, entgegnete er mit einem Schmunzeln und Florian schlug sich mit der Hand kurz vor die Stirn. “Da hätte ich nie im Leben nachgeschaut”, grinste er und beugte sich über das Puzzle, um endlich das letzte Puzzlestück an den passenden Platz einzusetzen.

Der innere Monk in ihm war direkt beruhigt, er stimmte erleichtert zu und stimmte schließlich sogar zu, etwas mit Milan außerhalb des Wohnheims zu unternehmen. Jetzt hatte er immerhin das Puzzle fertig und alle Zeit der Welt.

09.04.2024 - schreien / schmettern

“Das Wandern ist des Müllers Lust, es macht nur Spaß, wenn man es zusammen tut.”

Schon seit über einer halben Stunde schmetterte Linus lediglich diese Liedzeile durch den Wald und das auch noch vollkommen falsch.

Sein bester Freund Nico, der hinter ihm ging, verdrehte ungesehen die Augen. Er mochte Linus wirklich gerne und unternahm auch gerne etwas mit ihm, aber singen gehörte definitiv nicht zu den Dingen, die er mit Linus unternehmen wollte.

Und in seinen Augen sollte Linus es alleine auch lassen, denn singen konnte er absolut nicht.

“Linus”, sprach er ihn schließlich an, aber der Dunkelhaarige reagierte im ersten Moment gar nicht, sondern sang einfach weiter.

“Linus!”, rief Nico etwas lauter und beschleunigte seine Schritte, um zu Linus aufschließen zu können. Er stieß ihn mit der Schulter an, woraufhin der Dunkelhaarige erschrocken zusammen zuckte, aber gleichzeitig auch verstummte.

“Was erschreckst du mich denn so?”, tadelte er Nico direkt und der Blonde konnte nicht verhindern, dass er erneut kurz die Augen verdrehte. “Wie soll ich denn sonst auf mich aufmerksam machen, wenn sonst nicht reagierst?”, erwiderte er erst eingeschnappt und wandte seinen Blick von Linus ab.

“Entschuldige.” Diesmal knuffte Linus ihm gegen die Schulter und auf Nicos Lippen schlich sich ein Lächeln. Ein paar Augenblicke lang ging er neben ihm her und genoss tatsächlich die Stille, jetzt wo Linus einfach mal nicht sang.

“Was wolltest du denn?”, hörte er kurz darauf dessen Stimme neben sich, woraufhin Nico ihn wieder ansah und sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.

“Eigentlich wollte ich nur wissen, wie du all die Tiere entdecken willst, von denen du im Vorfeld geschwärmt hast, wenn du sie mit deinem Gesang direkt verscheuchst?”

Bei den Worten seines Freundes schaute Linus erst verblüfft rein, bevor er lauthals lachte. Nico musterte ihn verwirrt und konnte sich auf das Verhalten seines Freundes keinen Reim machen. “Habe ich etwas falsches gesagt?”, hakte er direkt nach, woraufhin Linus, noch immer lachend, den Kopf schüttelte. Er jappste kurz nach Luft, bevor er in der Lage war, seinem Freund zu antworten.

“Nein, hast du nicht, eher im Gegenteil”, erwiderte er kichernd und legte Nico eine Hand auf die Schulter.

“Ich verspreche dir, den Rest des Weges leiser zu sein, damit wir nicht nur ein paar Rehe, sondern vielleicht auch andere Tiere des Waldes zu Gesicht bekommen”, versprach er seinem besten Freund, woraufhin Nico direkt wieder schmunzelte. “Besser so, sonst lassen sie sich überhaupt nicht mehr blicken, weil sie dein Gesang immer weiter abschreckt”, kicherte er und fing sich einen entrüsteten Blick ein. “Willst du mir damit irgendetwas andeuten?”

Kichernd schüttelte diesmal Nico den Kopf. “Ich will damit nur sagen, dass du zwar viele Talente hast, aber Wanderlieder zu schmettern nicht unbedingt dazu gehört”, schmunzelte er und stupste Linus erneut mit der Schulter an. Linus war im ersten Moment empört, musste Nico nach kurzer Überlegung aber dennoch zustimmen. Singen war nun wirklich nicht seine Stärke, dass musste er dann doch zugeben.

10.04.2024 - humorvoll

“Du bist zwischen 20 und 30 Jahre alt, liebst die Natur und das liebe Vieh? Vielleicht bist du sogar humorvoll, kannst anpacken und hast das Herz am rechten Fleck? Mit dir kann man vielleicht sogar Pferde stehlen? Dann melde dich und lerne mich - männlich, 28 und mit eigenem Bauernhof - näher kennen.”
 

Als Klara dieses Anzeige in der App las, die sie sich für die Partnersuche heruntergeladen hatte, legte sie überlegend den Kopf schief. Das Bild daneben kam ihr unglaublich bekannt vor, aber sie hatte keine Ahnung, woher sie den jungen Mann hinter dem Profil kannte. Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie das Bild. Minutenlang. Aber egal, wie sehr sie darüber nachdachte, sie kam einfach nicht darauf, wem sie das Gesicht zuordnen sollte. Sie selbst hatte kein Profilbild, sondern ein Bild gewählt dass ihr Pferd Miro zeigte.

Nach ein paar Minuten entschied sie sich, dem jungen Mann einfach eine Nachricht zu schreiben. Sie erwähnte zwar nicht, dass sie das Gefühl hatte, ihn zu kennen, aber vielleicht würde ja trotzdem ein Treffen zustande kommen. Kaum, dass sie die Nachricht abgeschickt hatte, färbte sich das Häkchen hinter der Nachricht grün und sofort erhöhte sich der Herzschlag ein wenig.

Leonard, wie auf seinem Profil stand, antwortete ihr direkt und so schrieben sie den restlichen Tag hin und her. So lange, bis Leonardo von sich aus ein Treffen vorschlug und das bereits am nächsten Tag.

Obwohl Klara direkt zustimmte, war sie doch ein wenig nervös. Die halbe Nacht dachte sie darüber nach, ob es wirklich richtig war, diesem Treffen zuzustimmen. Und vor allem dachte sie auch wieder darüber nach, warum ihr dieses Gesicht so dermaßen bekannt vorkam.
 

Als sie am nächsten Tag im Café auf Leonard wartete, hatte sie noch immer keine Antwort gefunden. Sie hatte sich bereits einen Kaffee bestellt und wartete an einem der Tische auf ebenso einen Text gden Älteren. Als Erkennungszeichen hatten sie sich im Vorfeld auf ein Buch über Pferde geeinigt, aber bislang hatte noch keine Person das Buch überhaupt beim Betreten des Cafés in der Hand gehalten.

Als sie einen Blick auf ihr Handy warf, um herauszufinden, ob Leonard ihr vielleicht eine Nachricht geschickt hatte, sprach sie endlich jemand an. Und ihr Kopf ruckte sofort nach oben.

“Klara? Ich glaube es ja nicht!” Die Stimme des jungen Mannes kam ihr genauso bekannt vor, wie sein Aussehen, aber ihr wollte einfach nicht einfallen, woher sie ihn kannte.

“Leonard?”, fragte sie nach und als der Mann nickte und auf das Buch in seiner Hand zeigte, deutete Klara auf den Stuhl gegenüber.

“Du erkennst mich wirklich nicht, oder?”, brachte Leonard es direkt auf den Punkt, sobald er sich ebenso einen Kaffee bestellt hatte. Klara runzelte die Stirn und legte ihren Kopf schief. “Nein, ich glaube nicht”, entgegnete sie und kramte in ihrem Gehirn wiederholt nach irgendwelchen Informationen.

“Ich bin mir zwar sicher, dass du mich an irgendjemanden erinnerst, aber ich komme einfach nicht darauf. Ich habe mir in den letzten Stunden oft genug den Kopf darüber zerbrochen, woher ich dich kenne, aber es will mir einfach nicht einfallen”, gestand sie ihm wenig später, woraufhin sich ein Lächeln auf den Lippen des Älteren bildete.

“Leo Barnehager, wir haben zusammen den Abschluss gemacht und deine Freundin Mieke hat damals vor versammelter Klasse abblitzen lassen, als ich ihr meine Gefühle gestanden habe”, erwiderte Leonard schließlich und Karlas Augen weiteten sich sofort. Natürlich erinnerte sie sich an diesen Moment, auch wenn sie längst keinen Kontakt mehr zu Mieke hatte.

“Oh Gott, ja. Du hast mir damals so leid getan”, entgegnete Karla und lächelte etwas verlegen. Tatsächlich hatte sie damals auch heimlich auf Leo gestanden, aber nachdem er bei Mieke so abgeblitzt war, hatte sie sich gar nicht erst getraut, ihm überhaupt etwas von ihren eigenen Gefühlen zu erzählen. Ihn jetzt hier zu treffen, war eine echte Überraschung, aber fühlte sich auch unglaublich gut an.

“Wie kommt es, dass du jetzt einen Bauernhof hast?”, hakte sie nach und ließ sich anschließend von Leonard erzählen, dass er den Bauernhof gekauft hatte, nachdem ein befreundetes Ehepaar seiner Eltern verstorben war. Und sie erzählte ihm im Gegenzug auch von ihrem Pferd Miro. Karla stellte fest, wie humorvoll Leonard noch immer war und auch, dass sie selbst über seine Witze noch immer lachen konnte. Sie verband nicht nur die Tierliebe und die Liebe zur Natur, sondern noch viel mehr.

“Es scheint, wir liegen auf derselben Wellenlänge”, stellte Leonard schließlich fest und diesmal stimmte Karla ihm sofort zu. Egal, ob sich etwas zwischen ihnen entwickeln würde oder nicht, eine alte Freundschaft neu aufleben zu lassen, konnte sich auch ziemlich gut anfühlen, da war sich Karla sicher.

“Von einer Sache muss ich dir aber unbedingt abraten”, kicherte sie, als sie das Cafe längst wieder vergessen hatten und nebeneinander die Straße entlang schlenderten.

“Achja?”, wollte Leonard schmunzelnd wissen und sah Klara von der Seite aus an. Warum war ihm damals nicht aufgefallen, wie hübsch Karla gewesen war? Wie gut er sich mit ihr verstand und wie gut es tat, mit ihr lachen oder reden zu können. Warum hatte er sich stattdessen so sehr von Mieke blenden lassen?

“Du kannst alles stehlen, was du willst .. aber bitte nicht mein Pferd”, lachte Klara neben ihm und als ihre Worte zu Leonard durchdrangen, stimmte er in ihr Lachen direkt mit ein. “Versprochen!”

11.04.2014 - Qualle

“Iiiieh, das ist ja eklig!” Als Matteo die schrille Stimme seiner Freundin Anita hörte, schoss er förmlich von der Liege hoch, auf der er bislang gelegen hatte. Er erblickte sie am Strand, wo sie mit angewiderten Gesichtsausdruck auf etwas blickte, dass sich vor ihr auf dem Boden befand.

“Was schreist du denn so?”, rief er in ihre Richtung, während er sich komplett erhob und auf Anita zulief. Als er in ihre Nähe getreten war, erblickte er den Grund für ihren Schrei und ihren angewiderten Gesichtsausdruck auf dem Boden im Sand.

Er schmunzelte und ging in die Hocke, um das kleine Tierchen, dass vor ihm lag, näher begutachten zu können.

“Was machst du denn da? Du kannst doch nicht so nahe dran gehen!”, pikierte sich Anita sofort und trat einen Schritt zurück.

“Beruhige dich, das ist eine Ohrenqualle. Die ist absolut ungefährlich!”, erwiderte Matteo und sah zu seiner Freundin auf.

“Das ist total eklig!”, antwortete Anita und blieb bei ihrer Meinung, wobei sie erneut erneut angeekelt das Gesicht verzog.

“Das ist ein Lebewesen, genau wie du und ich.” Kurz sah Matteo zu seiner Freundin hoch, bevor er sich nach irgendetwas umsah, mit dem er die Qualle wieder zurück ins Meer befördern konnte. Als er allerdings nichts sah, streckte er kurzerhand seine Hand aus. “Du willst das Vieh doch nicht ernsthaft berühren?”, kreischte Anita und wich direkt einen weiteren Schritt zurück.

“Wie soll ich es denn sonst ins Meer zurück bekommen? Es lebt noch und im Meer hat es auch die Chance, zu überleben”, erwiderte Matteo und sah wieder auf die kleine Qualle vor sich.

“Lass es doch einfach sterben, wenn kümmert das schon”, hörte er wiederholt die Stimme seiner Freundin und diesmal rieß ihm direkt der Geduldsfaden. “Du bist auch ein Lebewesen, dass vielleicht irgendwann einmal Hilfe braucht. Willst du dann auch, dass man dich einfach liegen lässt?”, fuhr er Anita an, woraufhin die junge Frau wieder zurück wich. Diesmal jedoch erschrocken über die Reaktion ihres Freundes. So hatte sie ihn tatsächlich noch nie erlebt. Sie haderte einen Moment lang mit sich, bevor der Trotz doch wieder überwog. “Wenn du dich lieber um ein ekliges Vieh, als um mich kümmerst, bitte schön. Ich bin weg!”, erklang ihre wütende Stimme, woraufhin Matteo die Augen verdrehte. Er erwiderte nichts auf die Worte Anitas, sondern widmete sich stattdessen der Qualle. Anita hatte alles gesagt und damit das Ende ihrer Beziehung besiegelt, dessen war sich Matteo in diesem Moment absolut sicher.

12.04.2024 - pflegen

Geschafft ließ sich Nelly auf das Sofa in ihrer Wohnung fallen und lehnte den Kopf nach hinten auf die Lehne. Sie schloss für einen kurzen Moment ihre Augen und genoss die Stille, die sie in ihrer eigenen Wohnung ergab.

Seit zwei Jahren arbeitete sie in einem Altenpflegeheim und seit vier Monaten befand sich auch ihre Mutter in diesem Altenheim. Seitdem hatte sie in jeder Schicht keine ruhige Minute mehr und sie sehnte jede ruhige Minute förmlich herbei.

Sie verstand, dass es für ihre Mutter eine große Umstellung war, in ein Pflegeheim zu ziehen, aber sie verstand nicht, dass sich die ältere Frau seitdem regelrecht an sie heftete. Sie klingelte pausenlos und das manchmal sogar wegen Belanglosigkeiten, sodass sich Nelly sogar schon einen Rüffel von ihrem Chef eingefangen hatte.

Als das Telefon klingelte und sie die Nummer des Altenheimes darauf erkennen konnte, seufzte sie leise auf.

“Kramer?”, meldete sie sich knapp und sofort hörte sie die Stimme ihrer Kollegin Gitta.

“Deine Mutter fragt nach dir und wann du wieder arbeiten musst.”

“Ich habe Wochenende, Gitta. Du weißt, dass ich erst am Montag wieder arbeiten muss”, entgegnete sie und fuhr sich mit einer Hand leicht über das Gesicht. Nachdem sie sich noch einen Moment lang mit Gitta unterhalten hatte, ließ sie das Telefon sinken und warf frustriert ein Kissen an die Wand. Sie fühlte sich ausgelaugt und sie wusste, dass es so nicht weitergehen konnte, wenn ihre Mutter schon wieder nach ihr fragte, sobald sie gegangen war. Dabei hatte sie ihr sogar erzählt, dass sie am Wochenende nicht da sein würde.

Mit einem Ruck erhob sie sich und schnappte sich erneut ihr Handy und auch die Handtasche. Sie musste zurück ins Altenheim und mit ihrem Chef reden, denn sie hatte einen Entschluss gefasst, der ihr hoffentlich Linderung verschaffen würde.
 

Eine halbe Stunde später saß sie im Büro der Pflegedienstleitung und schilderte ihrem Chef ihr Anliegen. “Und ich kann sie wirklich nicht umstimmen?”, hakte der Dunkelhaarige nach, woraufhin Nelly mit einem Seufzen den Kopf schüttelte.

“Meine Mutter ist erst seit vier Wochen wieder hier im Heim, aber in diesen vier Wochen bin ich wirklich schon an meine Grenzen gekommen. Ich gehe mit Bauchschmerzen zur Arbeit und schaffe es nicht, mich richtig um die anderen Patienten zu kümmern, die wir hier pflegen, weil mich meine alle zehn Minuten zu sich ruft. Ich kann das nicht mehr und wenn ich wieder Freude an meinem Beruf wiederfinden will, muss ich in ein anderes Altenheim wechseln”, entgegnete sie, auch wenn es ihr wirklich schwer fiel, das Haus überhaupt zu verlassen. Sie hatte sich hier von Anfang an richtig wohl und aufgehoben gefühlt, aber sie konnte nicht hierbleiben, wenn sie tagtäglich ihrer Mutter ausgesetzt war und ein erneuter Umzug kam für die ältere Frau nicht in Frage.

“Ich möchte sie ungern ganz gehen lassen und würde ihnen eine Stelle unserer Zweigstelle in der Nachbarstadt anbieten. Natürlich zu den gleichen Konditionen wie hier”, bot der Dunkelhaarige ihr überraschend an und nach kurzem Zögern stimmte sie direkt zu. Der richtige Grundstein für ihr eigenes Glück war gelegt, jetzt musste sie nur noch ihrer Mutter klar machen, dass sie schon in den nächsten Tagen in ein anderes Pflegeheim wechseln würde und sich nicht mehr jeden Tag um sie kümmern konnte.

Aber das würde sie morgen oder nächste Woche erledigen, jetzt wollte und musste sie sich das Wochenende Zeit für sich nehmen. Nur für sich und ihre Bedürfnisse.

13.04.2024 - aus zweiter Hand

Langsam und mit einer Hand auf ihrem Bauch schlenderte mir an den Tischen entlang, die auf einem Parkplatz abseits der Innenstadt aneinandergereiht waren. Sie liebte Flohmärkte und gerade jetzt, wo sie schwanger war und nicht mehr arbeiten gehen konnte, war sich für jeden Cent dankbar, den sie sparen konnte. Ihr Freund Gabriel zwar arbeiten und verdiente auch nicht so schlecht, aber ihr Verdienst fiel trotzdem weg.

Gabriel wusste nicht, dass sie auf Flohmärkten nach Sachen für ihren bald auf die Welt kommenden Sohn stöberte, aber sie war sich sicher, wenn er es wüsste, würde er die Sachen eigenhändig wieder zurückbringen.

Im Gegensatz zu ihm empfand mir es nicht als schlimm, Sachen aus zweiter Hand zu kaufen. Nur weil die Sachen schon einmal jemandem gehört hatten, waren sie nicht weniger schlecht.

Vor einem der Tische blieb sie stehen und strich sich etwas über den Bauch hinweg, während sie ihren Blick über die angebotenen Sachen hinweg schweifen ließ.

“Mia? Das ist ja eine Überraschung.” Als sie ihren Namen hörte, hob sie ihren Blick und blickte geradewegs in das Gesicht einer jungen Frau. Sie runzelte ihre Stirn und dachte darüber nach, wer ihr Gegenüber war. Sekundenlang, bis es ihr dämmerte.

“Samira? Was machst du denn hier?”, verließ es sofort ihre Lippen, während die Dunkelhaarige hinter ihrem Tisch hervortrat und Mia in eine Umarmung zog. “Ich verkaufe ein paar Sachen, aus denen Bas bereits rausgewachsen ist und wie ich sehe, kannst du vielleicht etwas davon gebrauchen”, antwortete sie schließlich auf die Frage ihrer langjährigen Freundin und sah auf den Bauch der jungen Frau.

Sie hatten sich zwar ein paar Jahre lang nicht gesehen, aber sonderlich verändert hatte sich keine von ihnen.

“Bist du noch mit Gabriel zusammen?”, schob Samira gleich noch hinterher und diesmal war es Mia, die nickte.

“Ja, auch wenn er es nicht gutheißen würde, wenn ich hier fündig werden sollte”, schmunzelte sie und nahm ein Oberteil vom Tisch, dass ihr wirklich gut gefiel. “Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiss und du musst ihm ja nicht sagen, dass die Sachen aus zweiter Hand sind. An einigen sind sogar noch die Preisschilder, sodass es noch nicht einmal auffallen würde”, erwiderte Samira direkt mit einem Grinsen und auch Mia konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen.

“Die Teile musst du mir unbedingt zeigen und vielleicht können wir danach ja noch einen Kaffee trinken. Um der alten Zeiten willen und du erzählst mir von deinem kleinen Bas”, schlage ich vor und diesmal nickt sie. “Gute Idee”, stimmt sie direkt zu, bevor sie ein paar der Sachen heraussuchte, die für Mia in Frage kommen würden.

Und als sie später tatsächlich noch mit Samira in einem Cafe saß, entschied sie sich trotzdem dafür, Gabriel zu erzählen, woher sie die Sachen hatte und wenn er erst einmal sah, wie gut die Sachen in Schuss waren, dann würde er sicherlich nichts mehr gegen die Sachen haben, die seine Freundin aus zweiter Hand erstanden hatte.

14.04.2024 - still / ruhig / friedlich

Friedlich liegt sie da. Ihr Brustkorb hebt sich ruhig und ich blinzele mehrmals, um herauszufinden, ob ich mir das nicht doch einbilde. Reflexartig strecke ich eine Hand aus und legte sie auf den Oberkörper der Frau, die vor mir auf dem Bett liegt. Ihr Kopf ist auf einem weißen Kopfkissen gebettet und ihre schwarzen Haare heben sich direkt davon ab.

Als sie sich regt und ein leises Seufzen von sich gibt, ziehe ich meine Hand sofort zurück und weiche ans andere Ende des Zimmers zurück., Mein Bruder hat mir nicht nur einmal eingetrichtert, dass ich in diesem Zimmer nichts zu suchen habe, aber ich kann mich ihr einfach nicht entziehen.

Ihr Geruch zieht mich an, ihr bloße Anwesenheit macht mich wahnsinnig und alles in mir sehnt sich danach, wie zu berühren. Sie zu küssen.

“Kian.” Als ich die zischende Stimme meines älteren Bruders Adam im Türrahmen höre, wirbele ich sofort herum. Mit großen Augen starre ich ihn an und beiße mir gleichzeitig auf die Lippen. “Komm her.”

Ich werfe einen flüchtigen Blick in Richtung Bett, bevor ich mich langsam in Bewegung setze. Schritt für Schritt nähere ich mich dem Älteren und keuche erschrocken auf, als sich seine Finger um meinen Arm schließen, als ich nahe genug bin. Er zerrt mich förmlich aus dem Raum und drückt mich vor der Tür direkt gegen die Wand.

“Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst dich Nala nicht nähern? Wie oft habe ich dir verboten, dieses Zimmer zu betreten?”, raunt er mir sofort entgegen, während sich seine Finger um meinen Hals schließen.

Noch während er zudrückt, weiten sich meine Augen und ich bin gar nicht erst in der Lage zu antworten.

“Nala gehört mir. Du wirst dich ihr nicht mehr nähern, du wirst keinen Fuß mehr in den Raum setzen und vor allem wirst du sie nie wieder berühren. Haben wir uns verstanden”, zischt er erneut und für einen kurzen Augenblick flackert Trotz in meinem Blick auf.

“Vielleicht hättest du das Zimmer dann einfach abschließen sollen", presse ich es mühsam hervor, auch wenn mir das Sprechen unter seinem Griff ein wenig schwerer fällt. Für einen kurzen Augenblick bilde ich mir ein, Überraschung in seinem Blick erkennen zu können, bevor sich seine Augen so sehr verdunkeln, dass ich sogar Angst vor meinem Bruder bekomme.

“Ich sage es dir nur noch einmal. Lass die Finger von Nala, begib dich nicht in ihre Nähe und denk nicht einmal an sie. Sonst schwöre ich dir, dass du keine ruhige Minute mehr hast”, flüstert er mir leise entgegen und ich kann nicht verhindern, dass ich erschaudere.

“Haben wir uns verstanden?”, hakt er zusätzlich nach und als ich nicke, lässt er endlich von meinem Hals ab. Ich sinke etwas an der Wand hinab und sehe zu ihm auf. Sein Blick trifft auf meinen und er ist so kalt, dass ich direkt ein weiteres Mal erschaudere. Ohne jedoch nur ein Wort zu sagen, lässt er mich allein und verschwindet in seinem Zimmer. Die Tür schließt sich hinter mir und mich empfängt nichts weiter als Stille. Kein Laut ist zu hören, es ist vollkommen ruhig und erst, als ich mich wieder erhebe, um in mein eigenes Zimmer zu laufen, fangen meine Gedanken an Achterbahn zu fahren.

Und sie sind alles andere als ruhig.

15.04.2024 - Wellenbindung

“Du musst eins mit der Welle werden, Bro. Du musst dich an sie binden.” Die Stimme meines Surflehrers sorgt dafür, dass ich fast vom Surfbrett falle, auf dem ich gerade stehe. Mein bester Freund Leon hat mir den Kurs zum Geburtstag geschenkt und steht neben mir auf dem Surfbrett. Auch er kann sich ein Lachen nicht verkneifen, aber hält sich besser auf dem Surfbrett als ich.

“Wie soll ich denn eins mit der Welle werden, ich sehe nicht mal eine?”, erhebe ich meine Stimme und richte meinen Blick wieder auf den Surflehrer.

“Dann stell sie dir vor. Du kannst nur dann eins mit dem Brett werden, wenn du dich an die Welle bindest”, antwortet der Dunkelhaarige erneut und ich kann mir ein Augenrollen nicht verkneifen.

“Eine Sandwelle oder was?”, gifte ich zurück und steige schließlich von dem Brett, auf dem ich schon die ganze Zeit stehe.

“Das ist echt lächerlich”, füge ich mit einem Brummen hinzu und stapfe durch den Sand zurück zu der Stelle, an der wir unsere Rucksäcke abgelegt haben.

“Du musst eins mit der Welle werden, Bro”, äffe ich den Surflehrer nach und schnappe wütend nach meiner Tasche. Ich bin mir nicht sicher, was Leon erwartet hat, aber so eine Stunde hatte er bestimmt auch nicht erwartet.

“Milo, warte!” Als ich die Stimme meines besten Freundes hinter mir höre, drehe ich mich zu ihm um. “Willst du wirklich schon gehen?”, fügt er hinzu, als er mich erreicht hat und ich nicke direkt.

“Es tut mir leid. Vielleicht hast du es nur gut gemeint, aber ich muss mich hier nicht zum Affen machen”, antworte ich und drehe mich wieder von ihm weg, um zurück zu meinem Auto zu gelangen.

“Ich muss nicht eins mit einer Welle werden und schon lange nicht mit einer Sandwelle. Du kannst gerne zurück gehen und den Kurs wahrnehmen. Ich hatte eh das Gefühl, dass es dir dabei nur um den Trainer ging und nicht um das Geschenk für mich an sich”, füge ich noch hinzu und kann hören, dass er nach Luft schnappt, schließlich aber auch seufzt.

“Es tut mir leid”, entgegnet er und ich schüttele den Kopf. “Schon okay, aber das nächste Mal sag mir einfach, wenn du lieber eine Bindung zum Surflehrer aufbauen willst, statt zum Surfbrett.”

Über die Schulter hinweg werfe ich ihm kurz ein Schmunzeln zu, bevor ich ihm noch sage, dass er mich später einfach anrufen soll. Ich selbst habe ihr nichts mehr verloren, wenn er seine Bindungen mit dem Surflehrer vertieft. Soviel ist klar.

16.04.2024 - Lächeln

Mit versteinerter Miene und Tränen in den Augen stand Lanie am Fenster ihrer Wohnung und sah hinaus. Es regnete und die Regentropfen prallten an der Fensterscheibe ab.

Es fühlte sich so an, als würde nicht nur sie darum weinen, einen der wichtigsten Menschen in ihrem Leben verloren zu haben, sondern auch der Himmel.

Mit einer Hand wischte sie sich über das Gesicht, als Tränen an ihnen Wangen herab liefen. Es fühlte sich alles so unfassbar schwer an ohne ihn und sie konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen.

Als sie Schritte hinter sich hörte, sah sie kurz über ihre Schulter hinweg und erblickte ihre Freundin Jani. Die Blonde trat neben ihre Freundin und legte ihr einen Arm um die Schultern.

“Ich weiß, dass es unglaublich weh tut und ich würde dir diesen Schmerz am liebsten auch nehmen, aber weisst du, was er dir jetzt sagen würde, wenn er hier wäre?”, sprach Jani ihre Freundin an und sah in Richtung Himmel. Kaum merklich schüttelte Lanie den Kopf und folgte dem Blick aus dem Fenster.

“Er würde dir sagen, dass du dich an all die schönen Erinnerungen mit ihm erinnern sollst. Mit einem Lächeln auf den Lippen daran denken solltest, was dich mit ihm verbindet”, hörte sie anschließend Jani’s Stimme und als hätte er die Wortwahl ihrer Freundin gehört, drang ein Sonnenstrahl durch die graue Wolkendecke.

Und auch, wenn Lanie direkt wieder in Tränen ausbrach, tat sie das diesmal mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen.

Nicht nur, weil sie ihrer Freundin dankbar für diese Worte war, sondern auch weil er damit auf seine Weise zugestimmt hatte. Mit diesem kleinen Sonnenstrahl, der ihr in diesem Moment mehr bedeutete als alles andere.

17.04.2024 - verwöhnen

“Wann hast du heute Feierabend?”

Als Leana die Nachricht ihres Freundes Noah auf ihrem Handy las, lächelte sie sofort. Sie war erst seit ein paar Monaten mit Noah zusammen und noch immer bis über beide Ohren verknallt. Sie schrieben sich über den Tag hinweg oft Nachrichten und Leana lächelte jedes Mal verliebt vor sich hin.

Sie arbeitete derzeit in einer kleinen Boutique und träumte insgeheim sogar von ihrer eigenen. Sie antwortete Noah direkt und teilte ihm mit, dass sie noch etwa zwei Stunden arbeiten musste, bis ihre Chefin sie ablösen konnte.

“Super, ich hole dich ab.” Mehr kam als weitere Nachricht nicht zurück und Leana runzelte kurz die Stirn. So knapp antwortete Noah sonst nie, aber egal wie oft Leana in den nächsten zwei Stunden auch wissen wollte, was sie nach Feierabend tun würden, Noah wich ihr auch.

Völlig im Unklaren stand sie nach Feierabend aber trotzdem vor dem Geschäft und wartete auf Noah. Schon von weitem konnte sie ihn auf sich zulaufen sehen und sofort legte sich ein sanftes Lächeln auf ihre Lippen.

“Hey Babe”, begrüßte der Blonde seine Freundin direkt und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Leana erwiderte den Kuss und verschränkte ihre Finger miteinander. Sie lief neben Noah her, als er sie vom Geschäft weg führte und konnte sich doch keinen Reim darauf machen, wohin sie gingen.

“Wohin gehen wir, Noah?”, hakke sie schließlich nach und sah ihn von der Seite aus an. “Dorthin, wo alles angefangen hat”, erwiderte der Blonde und Leana lächelte direkt. Vor ein paar Monaten hatte sie noch in einem Massagesalon gearbeitet, aber recht schnell gemerkt, dass das doch nicht der richtige Job für sie war. Deswegen arbeitete sie jetzt auch in der Boutique.

Als einen ihrer letzten Kunden hatte sie dort Noah massiert und es war sofort um sie geschehen. Sie hatte sich rettungslos in ihn verliebt, auch wenn es noch eine Zeitlang gedauert hatte, bis sie seinen Avancen nachgegeben hatte.

“Heute allerdings wirst du dich von mir verwöhnen lassen. Ich habe mit deiner alten Chefin abgemacht, dass ich dich höchstpersönlich massieren werde. Danach lade ich dich zum Essen ein und anschließend geniessen wir den Rest des Abend einfach Zuhause”, sprach Noah weiter und jetzt dämmerte auch Leana langsam, was heute für ein Tag war, denn heute waren sie bereits seit sechs Monaten zusammen.

Und sobald sie zuhause waren, würde sie Noah verwöhnen. Auf ganz besondere Art und Weise, das nahm sie sich in diesem Moment definitiv vor.

18.04.2024 - hell

Mit einem Stöhnen zog sich Adam die Decke über den Kopf. Vor ein paar Augenblicken war seine Mutter in sein Zimmer gekommen und hatte sofort die Vorhänge aufgezogen. Es war jetzt so unglaublich hell in seinem Zimmer, dass er sogar unter der Bettdecke seine Augen zukniff.

“Raus aus den Federn, Adam”, hörte er ihre gedämpfte Stimme, die eben direkt ein Brummen entlockte. Er zog die Decke ein Stück weit nach unten und linste zu seiner Mutter hoch.

“Es ist Samstag, Mama. Ich muss weder arbeiten noch habe ich irgendwelche anderen Termine. Lass mich doch einfach weiterschlafen”, sprach er sie an, woraufhin sie direkt schnaubte.

“Deswegen musst du trotzdem nicht den ganzen Tag im Bett verbringen. Du könntest mir im Garten zur Hand gehen und außerdem möchte ich noch in den Baumarkt.”

Tief wollte Adam Luft, während er versuchte, einen Blick auf die Uhr zu erhaschen. “Wie spät ist es überhaupt?”, hakte er nach und stöhnte direkt ein weiteres Mal auf, als er die Antwort seiner Mutter hörte. “Es ist halb acht.“

“Ich verspreche dir, dass ich später mit dir in den Baumarkt fahren werde, aber lass mich jetzt bitte noch ein oder zwei Stunden schlafen", bat er die ältere Frau und ignorierte, dass sie sofort die Hände in ihrem Hüften stemmte.

Er drehte sich von ihr weg und zog sich gleichzeitig die Decke wieder über den Kopf. Es war nicht so, dass er der Bitte seiner Mutter nicht nachkommen wollte, aber das musste ja nun nicht schon um diese Uhrzeit sein. Er war erst weit nach Mitternacht ins Bett gegangen, da er die meiste Zeit an seinem Rechner gesessen hatte. Er hatte mit einem Freund aus Japan geschrieben und durch die Zeitverschiebung war er selbst erst ins Bett gegangen, als es draußen schon wieder fast hell wurde. Die Mütze voll Schlaf hatte er jetzt definitiv mehr als nötig.

“Dann stell dir wenigstens den Wecker”, hörte er erneut die Stimme seiner Mutter, was er nur mit einem weiteren undefinierbaren Laut kommentierte. Er wollte einfach nur noch ein bisschen weiterschlafen, ungeachtet der Tatsache, dass es bereits hell draußen war.

Die Bettdecke war ein guter Schutz um diese Helligkeit auszublenden und wenn er erst einmal ein bisschen mehr Schlaf bekommen hätte, würde er sicher auch der Bitte seiner Mutter nachkommen.

Bevor er sich am Abend erneut online mit seinem Freund treffen würde.

19.04.2024 - lustlos

Mit der Fernbedienung in der Hand sitze ich schon seit Stunden auf dem Sofa und zappte mich lustlos durch die Programme. Ich habe vor einer Woche die Kündigung von meiner Firma erhalten und seitdem sitze ich auf dem Sofa. Ich verstehe zwar, dass Stellen abgebaut werden müssen, aber in diesem Moment hat es mich einfach zutiefst getroffen. Ich habe seinen Job wirklich geliebt und habe sogar angenommen, in der nächsten Zeit befördert zu werden, aber dass ich stattdessen die Kündigung bekommen habe, hat mich völlig aus der Bahn geworfen.

Als es klingelt, sehe ich kurz zur Tür, ohne mich auch nur vom Sofa zu erheben. Ich war so lustlos, dass ich mich nicht einmal dazu aufraffen konnte, die Tür zu öffnen.

“Mach diese verdammte Tür auf, Trevor oder ich trete sie ein!”

Die Stimme meinen besten Freundes Jackson lässt mich aufseufzen und ich erhebe mich schwerfällig. Ich bin mir sicher, dass er seine Worte ohne zu Zögern warm machen würde, aber ich habe auch keine Lust darauf, mir noch eine neue Tür anschaffen zu müssen.

Mit einer Hand drücke ich die Klinke hinunter und blicke direkt in das Gesicht meines besten Freundes. Alles, was ich entdecken kann, ist Besorgnis und ich bekomme fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen.

Ohne etwas zu sagen, schiebt sich mein bester Freund einfach an mir vorbei und ich schließe die Tür mit einem Seufzen.

“Woah, wie lange hast du hier nicht mehr gelüftet?”, dringt seine Stimme zu mir durch und ich hebe lustlos meine Schultern. “Keine Ahnung, eine Woche?”

Obwohl er mich nicht ansieht, kann ich hören, dass Jackson scharf die Luft einzieht. “Eine Woche?”, wiederholt er meine Worte und ich zucke wiederholt mit den Schultern. Mir war innerhalb dieser Woche wirklich nicht danach gewesen, auch nur einen Fuß vor die Tür zu setzen und ich habe auch jetzt noch nicht das Bedürfnis danach. Ich habe sogar die Vorhänge zugezogen, die Jackson genau in diesem Moment aufzieht, um etwas Licht in meine Wohnung zu lassen.

Reflexartig kneife ich die Augen zusammen und beisse mir leicht auf die Lippen. “Ist doch eh alles egal.”

Verwundert dreht sich Jackson in meine Richtung und ich kann sehen, dass er mich etwas mustert.

“Wenn die dich wirklich entlassen, statt dich zu befördern, wissen sie nicht, welches Talent in dir steckt und du solltest ihnen keine Träne nachweinen. Was ist mit deinem Wunsch, dein Zeichentalent zum Beruf zu machen? Du wolltest doch immer in der Modebranche arbeiten. Jetzt hast du die Chance dazu”, spricht er mich an und ich senke meinen Blick zu Boden.

“Der .. lebt auch immer noch, aber.. “, fange ich an und hole tief Luft, bevor ich meinen Blick wieder auf ihn richte.

“Es ist nicht nur der Job. Letti, sie hat mich kurz danach verlassen”, erwidere ich und diesmal weiten sich Jacksons Augen. “Warum?”

Ein weiteres Mal zucke ich mit den Schultern und bin mir gar nicht sicher, wie oft ich das in der letzten Zeit schon getan habe.

“Weil ich ihr nicht mehr das Leben finanzieren kann, was sie sich vorstellt. Ein Mann ohne vernünftigen Job passt nicht in ihre Lebensvorstellungen und meinen Traum vom Modedesigner hat sie eh von Anfang an verurteilt.”

“Dann ist sie es noch weniger wert, dass du dir Gedanken darüber machst. Du solltest viel mehr die Chance nutzen und ihr beweisen, dass du wirklich das Zeug dazu hast”, antwortet Jackson und ich seufzte direkt. “Ich weiss nicht”, murmele ich lustlos und lasse mich in den nächsten Minuten zumindest erst einmal davon überzeugen, mit Jackson aus dem Haus und etwas essen zu gehen. Nachdem ich geduscht habe und nicht mehr ganz so lustlos und demotiviert aussehe, wie ich mich noch immer fühle.

Ich weiss nicht, ob ich es wirklich wagen soll, Jackson Worte in die Tat umzusetzen, denn dazu sitzt der Schmerz noch zu tief, aber ich weiss dass er immer an meiner Seite ist. Egal wie ich mich letztendlich entscheide.

20.04.2024 - Kanal

“Kannst du mal auf Kanal 6 schalten? Da kommt eine Sportsendung, die ich sehen möchte.”

Die Stimme ihres Bruders Ralf sorgte dafür, dass Simone kurz die Augen verdrehte und gleichzeitig den Kopf schüttelte.

“Die kannst du morgen auch noch gucken”, beschwerte sie sich und hielt die Fernbedienung provokant in eine andere Richtung. Sie hatte heute abend endlich einmal frei und wollte ihre Lieblingssendung sehen, ohne dass ihr Bruder dauernd auf einen anderen Kanal schaltete.

“Ach komm schon, diese schnulzige Serie kannst du unbedingt zuende gucken wollen”, versuchte Ralf sein Glück erneut und beugte sich etwas zu seiner Schwester, um an die Fernbedienung zu gelangen.

“Wenn du unbedingt die Sportschau schauen willst, dann tue das auf dem Tablet”, schlug sie ihm vor und zog das kleine Gerät erneut wieder weg.

Eigentlich verstand sie sich wirklich gut mit ihrem Bruder und verbrachte auch gerne Zeit mit ihm, aber heute war sie eh schon den halben Tag genervt und da konnte sie die Sticheleien ihres Bruders gar nicht gebrauchen.

“Die Sportsendung geht auch nicht lange, ich will nur kurz die Fussballergebnisse sehen”, erklang erneut Ralfs Stimme und diesmal beugte er sich so weit über seine Schwester, dass er ihr sogar den Ellenbogen in den Oberschenkel drückte, als er sich darauf abstützte.

Triumphierend hielt er ein paar Sekunden später die Fernbedienung in der Hand und schaltete sofort auf den Kanal um, auf dem seine Sportsendung lief.

Simone sah ihn im ersten Moment fassungslos an, bevor sie sich wortlos erhob und in ihrem Zimmer verschwand.

Sollte er doch glücklich mit seinem doofen Sportkanal werden.

21.04.2024 - geprüft

Schon zum dritten Mal prüfte Kathi das Dokument, dass sie schon seit über drei Stunden überarbeitete. Sie hatte die Mail heute morgen von ihrem Chef bekommen, mit der Bitte, das angehängte Dokument zu überprüfen.

Sie arbeitete erst seit kurzem in dieser Firma und wollte einen guten Eindruck machen, indem sie sich keine Fehler erlaubte.

“Kathi? Kommst du mit in die Kantine? Die Stimme ihrer Kollegin Malika riss sie aus ihren Gedanken und im ersten Moment schüttelte sie den Kopf.

“Herr Berghofer möchte, dass ich die Mail noch heute geprüft habe und ich will ihn nicht enttäuschen”, entgegnete sie und hob ihren Blick kurz vom Bildschirm, um ihre Kollegin ansehen zu können.

“Der Tag ist noch lang und du sitzt schon seit Stunden vor dem Rechner. Eine Pause wird dir gut tun”, erwiderte Malika und trat ein paar Schritte näher an sie heran. Sie warf ihrer Freundin ein sanftes Lächeln zu und diesmal holte Kathi tief Luft.

“Vielleicht hast du Recht und ein Kaffee wird mir gut tun”, entgegnete sie schließlich und erhob sich langsam. Sie hatte eh seit ein paar Minuten das Gefühl, dass die Buchstaben vor ihren Augen verschwimmen würden und da wäre die Pause vermutlich wirklich gar keine so schlechte Idee.

“Super”, erwiderte Malika lediglich und lief anschließend mit Kathi an ihrer Seite in Richtung Kantine. Auf dem Weg dorthin begegnete ihnen ihr gemeinsamer Kollege Sam und Kathi wollte sich am liebsten direkt wieder in ihrem Büro verkriechen.

“Hey”, begrüßte Sam die beiden Frauen auch direkt und lief neben ihnen her, ohne nachzuhaken, ob den Freundinnen dass überhaupt recht war. Malika hatte scheinbar kein Problem damit, denn sie unterhielt sich bereits angeregt mit Sam, während Kathi nur stillschweigend nebenher lief.

“Und wie denkst du darüber?” Als sie Sams Stimme neben sich hörte, runzelte sie die Stirn und sah ihn fragend an. Sie hatte tatsächlich nicht zugehört und ihren eigenen Gedanken nachgehangen, was sich jetzt definitiv rächte.

“Sam hat dich gefragt, ob du nach Feierabend etwas mit ihm unternehmen willst. Und keine Sorge, ich habe ihn bereits auf Herz und Nieren geprüft und bin der Meinung, dass du unbedingt zusagen solltest”, erwiderte Malika an Sams Stelle und im ersten Moment stand Kathi lediglich der Mund offen.

Hatten die beiden etwa schon die ganze Zeit über sie geredet und sie hatte es nur nicht mitbekommen?

“Hast du Lust heute abend mit mir essen zu gehen?”, sprach Sam sie erneut an und diesmal nickte Kathi langsam. “Ich denke schon?”, antwortete sie, woraufhin sich Sams Lippen zu einem Lächeln verzogen.

“Ich freu mich”, erwiderte Sam lediglich und verabschiedete sich anschließend doch wieder, um den beiden Freundinnen noch ein wenig Zeit für sich zu geben.

Denn die hatte zumindest Kathi in diesem Moment nötig. Das wusste nicht nur Sam, sondern auch Kathi selbst.

22.04.2024 - dumm

“Ich bin so dumm. Dumm, dumm, dumm.”

Mit einer Hand schlug sich Jonathan vor die Stirn und schüttelte über sich selbst fassungslos den Kopf. Vor nicht einmal zehn Minuten hatte er sich vor seinem Schwarm Merle total blamiert, indem er ihr seinen Kaffee über die Hose gekippt hatte. Eigentlich hatte er sie umn ein Treffen bitten wollen, aber nachdem er sich so dumm verhalten hatte, wollte er bestimmt nichts mehr mit ihm zu tun haben.

Direkt nach seinem Malheur war er aus dem Café gestürmt und lief nun davor auf und ab. Er hatte nicht einmal daran gedacht, seine Tasche mitzunehmen, als er überstürzt getürmt war, aber darin befanden sich alle wichtigen Dinge.

Seine Geldbörse, sein Haustürschlüssel.

Als er wieder in die Richtung lief, die vom Café weg führte, erklang hinter ihm eine wohlbekannte Stimme. Merles Stimme.

“Jonathan.” Obwohl sie in diesem Moment nichts weiter sagte als seinen Namen, erschauderte er und drehte sich nur langsam zu ihr um.

Er erblickte Merle, die mit seiner Tasche in der Hand in seiner unmittelbaren Nähe stand. Er erkannte die Tasche direkt an einem der Buttons seiner Lieblingsbands, den er dort befestigt hatte.

Und das Lächeln, das auf Merles Lippen lag, bescherte ihm sofort weiche Knie, sodass er im ersten Moment gar nicht dazu in der Lage war, ihr zu antworten.

“Du hast deine Tasche vergessen”, sprach Merle weiter und Jonathan griff direkt danach.

“Danke”, verließ es knapp seine Lippen, während er kurz in Richtung Café sah. “Es tut mir leid, mein Verhalten war echt dumm”, hörte er sich schließlich antworten, woraufhin Merle lächelnd den Kopf schüttelte.

“Eigentlich fand ich es ja sogar ganz süß”, erklang ihre Stimme, woraufhin Jonathan verwirrt blinzelte.

“Du fandest es süß, dass ich dir Kaffee über die Hose gekippt habe?”, hakte er nach und sah kurz auf den Fleck, der noch immer auf ihrer hellen Hose zu sehen war.

“Ja, irgendwie schon”, erwiderte Merle schmunzelnd und trat einen Schritt auf Jonathan zu. “Auch, wenn du meine Aufmerksamkeit auch bekommen hättest, wenn du mich einfach angesprochen hättest”, fuhr sie lächelnd fort und Jonathans Augen weiteten sich sofort. “Ehm..”, gab er lediglich von sich und nickte doch sofort, als er Merles erneute Worte hörte.

“Was hälst du davon, wenn du mich als Wiedergutmachung wirklich auf einen Kaffee einlädst?”

Mehr hatte er von Anfang an nicht gewollt. Einen Kaffee mit Merle und der Aussicht auf ein Kennenlernen. Und mehr.

23.04.2024 - verstecken

“Papa? Spielst du mit mir verstecken?” Die Stimme seines Sohnes Timo sorgte dafür, dass Holger von den Unterlagen aufsah, auf die er gerade geblickt hatte. Während er derzeit im Home Office arbeitete und seine Frau in ihrer Boutique war, kümmerte er sich gleichzeitig um ihren gemeinsamen Sohn Timo.

“Gleich, mein Schatz. Du kannst dich ja schon mal verstecken und ich komme dich suchen, sobald ich fertig bin”, erwiderte er und warf seinem Sohn ein sanftes Lächeln zu. Timo nickte sofort und sah sich erst suchend um, bevor er aus dem Raum verschwand. Holger sah ihm schmunzelnd nach und widmete sich doch erst wieder den Unterlagen, die er vor sich liegen hatte.

Nach über zehn Minuten legte er den Ordner weg und erhob sich, um sich auf die Suche nach seinem Sohn zu machen.

“Timo..~ Wo bist du nur? Wo hast du dich versteckt?”, sprach er mit sich selbst und lief langsam durch das Haus. Er verbrachte unglaublich gerne Zeit mit seinem Sohn und war sofort dafür gewesen, dass Annika wieder arbeiten ging, während er zuhause auf ihren Sohn acht gab.

Timo war erst fünf Jahre alt und ging derzeit auch nicht in den Kindergarten, weil in diesem Scharlachverdacht bestand. Timo hatte diese Krankheit zwar nicht, aber war dafür nun schon länger zuhause.

“Timo..~”, versuchte er seinen Sohn aus der Reserve zu locken und sah erst in dessen Zimmer nach. Dort fand er den Fünfjährigen zwar nicht, aber als er ein Kichern aus einem der anderen Räume vernahm.

“Wo könnte Timo denn bloß sein? In seinem Zimmer ist er nicht, in der Küche auch nicht. Und auch nicht im Schlafzimmer”, überlegte er laut und lief gleichzeitig in die Richtung des Zimmer, in dem sich das Lesezimmer seiner Frau befand.

Das Kichern erklang erneut und Holger schmunzelte direkt. Schon beim Betreten des Zimmers konnte er Timo hinter einem der Regale entdecken, auch wenn er den Jungen nicht gleich ansprach.

Er lief an einem der Regale entlang und strich über die Buchrücken hinweg. Die Liebe zu Büchern hatte Holger und Annika damals zusammengeführt und hatte erst dafür gesorgt, dass sie sich ineinander verliebt hatten.

Er zog eines der Bücher aus dem Regal und ließ sich damit auf dem Sessel nieder. Er klappte das Buch auf und begann ein paar Sätze daraus vorzulesen. Er wusste, dass auch Timo die Geschichte mochte, die er gerade vorlas und es dauerte tatsächlich nicht lange, bis der Fünfjährige aus seinem Versteck hervor kam.

Er krabbelte auf den Schoß seines Vater und schmiegte sich an ihn heran, bevor er ihn leise bat, weiterzulesen.

Denn so sehr er es auch liebte, verstecken mit seinem Vater zu spielen, genauso sehr liebte er es auch, wenn sein Vater ihm etwas vorlas. Und sogar noch ein bisschen mehr.

24.04.2024 - vorstellen

“Beruhige dich, niemand wird dir den Kopf abreißen. Meine Eltern freuen sich sogar auf dich.”

Mit einem Lächeln auf den Lippen sah Kian seinen Freund Vincent von der Seite aus an. Sie befanden sich gerade auf dem Weg zu Kians Eltern und Vincent war deswegen irre nervös. Eine Eigenschaft, die sonst normalerweise nicht zu seinen Gefühlsregungen gehört. Sein Vater war einer der einflussreichsten Männer der Stadt und Vincent sollte seine Geschäfte eines Tages übernehmen. Er verhandelte eiskalt, er schreckte auch nicht davor zurück, im Notfall mit Gewalt zu bekommen, was er begehrte und auch ihre erste Begegnung war nicht gerade harmlos verlaufen.

Aber die erste Begegnung mit den Eltern seines Partners war doch ein ganz anderes Level. Allein aufgrund der Tatsache, dass es ein dunkles Kapitel in seinem Leben gab, von dem Kian nicht wusste.

Und von dem er auch nie etwas erfahren durfte.

Und auch sonst niemand.

Als Vincent Kians Hand an seiner spürte, blieb er stehen. “Was ist los mit dir? Du bist doch sonst nicht so nervös?”, hörte er Kians Stimme und fuhr sich daraufhin kurz durch die Haare. Er konnte Kian unmöglich die Wahrheit sagen, sodass er kurzerhand zu einer kleinen Notlüge griff.

“Es kommt nicht jeden Tag vor, dass ich die Eltern eines Partners kennenlerne, genau genommen ist es sogar das erste Mal”, entgegnete er und zog Kian zu sich heran, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Auch, um sich selbst damit ein bisschen zu beruhigen.

“Was hast du ihnen überhaupt über mich erzählt?”, wollte er schließlich wissen, nachdem sie sich wieder in Bewegung gesetzt hatten.

“Nicht viel, nur dass es jemanden gibt, der mein Herz mit einem Schlag erobert hat”, kicherte Kian und Vincent verdrehte sofort die Augen.

“Spinner”, schmunzelte er, auch wenn ihre erste Begegnung wirklich in einer Schlägerei geendet hatte.
 

Eine halbe Stunde später stand Vincent hinter seinem Partner vor der Tür, hinter dem sich das große Anwesen von Kians Familie befand.

Als sich die Tür öffnete und die Stimme einer Frau erklang, lächelte er kaum merklich.

Kian umarmte die Frau und trat anschließend an die Seite. Noch bevor er überhaupt ein Wort sagen könnte, schlug sich die Dunkelblonde die Hand vor den Mund und starrte Vincent regelrecht an.

“Helen? Wer ist dort an der Tür?”, erklang im selben Augenblick die Stimme des Hausherren im Hintergrund, bevor er näher trat.

“Du!”, stieß er sofort aus, während auch er Vincent regelrecht anstarrte. Kian sah zwischen seinen Eltern und Vincent hin und her, völlig verwirrt über die derzeitige Situation.

“Was auch immer du dir dabei gedacht hast, Kian. Dieser .. Mann wird keinen einzigen Schritt in unser Haus machen. Und wenn doch, dann nur über meine Leiche “, sprach der Hausherr seinen Sohn schließlich an, ohne den Blick von Vincent abzuwenden.

“Warum? Was spricht dagegen, euch meinen Freund vorzustellen?”, hakte Kian verwirrt nach und selbst Vincent zog scharf die Luft ein, als er die Worte hörte, die das dunkelste Kapitel in seinem Leben beschrieben. Und Kians Herz zum Zerbrechen brachten, das konnte er förmlich hören.

“Weil Vincent Miller der Mörder deiner Schwester ist!”

25.04.2024 - Aufmerksamkeit

Mit einem Seufzen blickte Ines auf die geschlossene Bürotür ihres Freundes Marcel. Es verging keinen Tag in der letzten Zeit, in der sich Marcel in seinem Büro verschanzte, sobald er von der Arbeit nach Hause gekommen war.

Ines wünschte sich so viel mehr Aufmerksamkeit von ihrem Freund, aber immer wenn sie ihn ansprach, ob sie nicht etwas unternehmen wollen würden, wiegelte Marcel ab.

Er habe einen großen Fall in der Anwaltskanzlei übernommen, bei dem er noch unglaublich viel ausarbeiten musste. Die Zeit wollte er nutzen, um so viele Informationen wie möglich zu sammeln.
 

Auch heute hatte sich Marcel nach dem Abendessen wieder direkt ins Büro begeben und er war auch erst ins Bett gekommen, nachdem Ines schon längst geschlafen hatte. Als sie am nächsten Morgen schon längst auf ihrer eigenen Arbeitsstelle war, piepste ihr Handy. Sie selbst arbeitete in einer Arztpraxis und da gerade kein neuer Patient vor ihr stand, griff sie nach dem Mobiltelefon.

“Treffen wir uns um 16 Uhr am alten Bahnübergang?”

Verwirrt zog sie ihre Augenbrauen zusammen, als sie Marcels Nachricht las.

Vor ein paar Jahren war der Bahnübergang noch aktiv und es war der Ort, an dem sie einander zum ersten Mal begegnet waren. Damals hatte Ines aus dem Zug aussteigen wollen und Marcel hatte hinein gewollt. Dabei waren sie gegeneinander geprallt und Ines hatte sich sofort in das entwaffnete Lächeln des älteren verliebt.

Das war inzwischen fast vier Jahre her, aber Ines hatte keine Ahnung, warum Marcel sie unbedingt dort treffen wollte.

Den ganzen Vormittag über, versuchte sie sich Gedanken darüber zu machen, was sie dort erwarten könnte und sprach sogar mit ihrer Kollegin und besten Freundin Ariane über das Verhalten ihres Freundes.

Nachdem sie noch kurz zu Hause gewesen war, um sich ein bisschen frisch zu machen, stand sie pünktlich am alten Bahnübergang, aber von Marcel war nichts zu sehen. Mit einem leisen Seufzen schob sie ihre Hände in ihre Jackentaschen und ließ den Moment vor vier Jahren erneut Revue passieren.

“ Ines”, wollte sie Marcels Stimme schließlich aus ihren Gedanken. Sie wandte ihren Blick in seine Richtung und ihre Augen weiteten sich sofort. Marcel trug einen schwarzen Anzug und hielt einen großen Strauß Rosen in den Armen.

“Was machen wir hier?”, wollte Ines direkt wissen, während sich in ihr ein Gedanke festigte, der ihr irgendwie wieder völlig absurd erschienen.

“Ines, Schatz”, begann Marcel und schenkte seiner Freundin das Lächeln, in das sie sich damals so sehr verliebt hatte.

“Ich weiss, dass ich dir in der letzten Zeit nicht die Aufmerksamkeit geschenkt habe, die du verdient hast, aber das war nicht nur aufgrund der Arbeit in der Kanzlei. Ich habe versucht, die richtigen Worte und auch den richtigen Ort zu finden, aber eigentlich kam eh nur dieser Platz in Frage. Für das, was ich dir sagen möchte “, fuhr er fort und in Ines keimte erneut Hoffnung auf.

“Was denn?”, flüsterte Ines leise, ohne ihren Blick von ihrem Freund abzuwenden und als er vor ihr in die Knie ging, schlug sie sich direkt eine Hand vor den Mund.

Sie ließ zu, dass er ihr Hand nahm und als sie endlich die Worte hörte, die sie sich erhofft hatte, nickte sie automatisch.

“Ja. Ja, ich will dich heiraten!”, erwiderte sie und ließ sich den Ring an den Finger stecken.

Und sie war sich direkt sicher: Hätte sie gewusst, was Marcel vorgehabt hatte, hätte sie an seiner Aufmerksamkeit gezweifelt.

26.04.2024 - begierig

“Mama? Warum sind Flamongos rosa?” Die Frage ihrer Tochter Lilly sorgte dafür, dass Maren verwirrt blinzelte.

“Flamongos?”

“Ja, Flamongos! Die da!”, erwiderte Lilly und deutete auf den Fernseher, auf dem gerade eine Tierdokumentation lief.

Maren sah in die Richtung und schmunzelte kurz. “Ach, du meinst die Flamingos”, erwiderte sie und Lilly nickte.

“Sag ich doch, die Flamongos. Warum sind sie rosa?”

Fragend sah Lilly ihre Mutter an und Maren musste über diese Frage tatsächlich nachdenken.

Sie ließ sich neben Lilly auf dem Sofa nieder und sah einen Augenblick lang auf den Fernseher, bevor ihr einfiel, warum die Flamingos so rosa waren.

“Die Flamingos ernähren sich von Algen und kleinen Krebstieren. Und durch die Carotinoide färben sie sich rosa, weil sich das in den Federn ablagert”, versuchte sie ihrer Tochter anschließend zu erklären, wobei Lilly ihr aufmerksam zuhörte. Das Mädchen war unglaublich wissbegierig und stellte so viele Fragen, dass Maren manchmal gar nicht alle beantworten konnte.

Verstehend nickte die Achtjährige und sah wieder auf den Fernseher. “Kann ich auch einen Flamongo haben?”, sprach sie anschließend und sah ihre Mutter fragend an.

“Einen echten?”, wollte Maren schmunzelnd wissen und Lilly nickte sofort begeistert, zog jedoch schmollend ihre Unterlippe nach vorne, als Maren den Kopf schüttelte.

“Aber wir können nachher in den Spielzeugladen gehen und dir einen aus Plüsch kaufen, bevor wir die echten Flamingos im Zoo besuchen”, schlug sie vor und sofort strahlte Lilly wieder.

“Auja!”, stimmte sie ihrer Mutter zu und erhob sich, um in ihr Zimmer zu laufen, aus dem sie kurz darauf mit ihrer Jacke kam.

“Wo willst du denn jetzt hin?”, wollte Maren verwirrt wissen und beobachtete ihre Tochter einen Moment lang, ehe sie sich ebenso erhob, als sie die Antwort des Mädchens hörte.

“In den Laden natürlich, einen Flamongo kaufen! Ich brauche ihn. Jetzt sofort!”

Den Wunsch konnte sie ihrer Tochter natürlich unmöglich abschlagen.

27.04.2024 - drehen

Kichernd rann Vera vor ihrem großen Bruder Paul davon. Seit einer halben Stunde spielte sie mit ihm Verstecken und bislang hatte er sie immer gefunden.

Inzwischen hatte sie jedoch keine Lust mehr und begab sich stattdessen in das gemeinsame Spielzimmer. Paul war zwei Jahre älter als sie und während ihre Eltern im Krankenhaus waren, weil ihre Mutter ein weiteres Geschwisterchen bekam, passte ihre Großmutter auf Vera und ihrem Bruder auf.

Als Paul seine Schwester im Spielzimmer fand, schmunzelte er. “Wie soll ich dich denn suchen, wenn du dich gar nicht versteckst? ", tadelte er sie liebevoll und wuschelte ihr kurz durch die Haare.

“Weißt du, wie sich ein Brummkreisel fühlt?”, stellte Vera die Gegenfrage, ohne ihrem Bruder zu antworten. Verwirrt blinzelte Paul, während er auf seine Schwester hinab sah.

“Nein, aber wie kommst du jetzt darauf?”, hatte er nach und zog skeptisch eine Augenbraue, als Vera erneut kicherte. Sie war gerade einmal fünf Jahre alt und manchmal so wissbegierig, das weder Paul noch ihre Eltern eine Antwort auf alle ihre Fragen wussten.

“Komm, ich zeige es dir ", hörte Paul die Stimme seiner Schwester, bevor sich die Fünfjährige mitten im Raum zu drehen begann. Minutenlang wirbelte sie hin und her, bevor ihr Körper mit all dem nicht mehr klar kam und dafür sorgte, dass sie nach hinten überkippte. Mit dem Hinterkopf schlug sie gegen den Schrank, in dem sich ein Großteil der Bücher befand, die ihr Vater sein eigen nannte.

Paul schrie sofort erschrocken auf und stürmte regelrecht aus dem Raum, um seiner Großmutter zu sagen, was passiert war.

Noch während die Ältere den Krankenwagen rief, erteilte sie ihrem Enkel Anweisungen darüber, was er zu tun hatte.

Obwohl auch Paul völlig unter Schock stand, leistete er den Worten seiner Großmutter Folge.

Es dauerte nicht lange, bis der Krankenwagen vor dem Haus hielt und zwei Sanitäter ausstiegen, damit sie sich um Pauls Schwester kümmern konnten. Am liebsten wäre Paul direkt mitgefahren, aber seine Großmutter hatte ihm erklärt, dass das nicht ging. Und im Krankenhaus würden sowieso schon ihre Eltern auf Vera warten, denn inzwischen hatte sie auch mit ihnen telefoniert.

Immerhin lernte Vera so unfreiwillig ihren frisch geborenen Bruder als erstes kennen. Alles nur, weil sie unbedingt wissen wollte, wie lange sich ein Brummkreisel drehen kann, bis er umfällt.

28.04.2024 - lockig

Zärtlich streichelte Ivo seinem Freund Zoran durch die Haare und blickte auf ihn herab. Sie waren seit über drei Jahren ein Paar, aber an dem Anblick, der sich ihm gerade bot, konnte er sich einfach nicht sattsehen.

Das lockige Haar des Älteren hing ihm ins Gesicht, während sich seine Brust regelmäßig hob und wieder senkte.

Noch zu genau erinnerte er sich an den Moment, in dem er Zoran zum ersten mal begegnet war und obwohl er ihn anfangs gar nicht hatte leiden können, war er inzwischen bis über beide Ohren in den Dunkelhaarigen verliebt.

Langsam beugte er sich nach unten und bedeckte Zorans Stirn mit einem federleichten Kuss, ehe er ein leises “Ich liebe dich”, dagegen wisperte. Für einen Moment verharrten Ivos Lippen an der Stirn des Dunkelhaarigen, bevor er sich ihm entzog und nur in Boxershorts aus dem Raum tappte.

Er ging erst kurz ins Badezimmer, bevor er sich auf den Weg in die Küche machte, um bereits das Frühstück herzurichten. Eier und Speck, Pfannkuchen, die er in Herzform ausbuk, den Smoothie aus grünem Obst, den Zoran jeden Morgen zu sich nahm und für sich selbst eine große Tasse Kaffee. Der heutige Tag war zumindest für ihn ein besonderes, denn heute vor drei Jahren hatte er Zoran gesagt, dass er sich rettungslos in ihn verliebt hatte. Obwohl sie das bislang nie gefeiert haben, wollte Ivo heute eine Ausnahme machen und Zoran einen wunderschönen Tag bescheren. Er wollte ihn verwöhnen und einfach nur Zeit mit dem Menschen verbringen, der ihm am wichtigsten war.

“Mhm.. morgen”, holten ihn Zorans leise Worte aus den Gedanken und er wandte den Blick in Richtung Tür.

“Morgen, Zo”, erwiderte er lächelnd und folgte Zoran mit dem Blick, als er zu ihm kam und ihm einen sanften Kuss auf die Lippen hauchte.

“Womit habe ich denn dieses Frühstück verdient?”, wollte der Dunkelhaarige wissen und Ivo lächelte sofort.

Wie schon eben im Bett, hob er eine Hand und streichelte Zoran liebevoll durch die gelockten Haare. Er blickte ihn einen Moment lang schweigend an, verlor sich regelrecht in dessen Anblick.

“Weil sich heute zum dritten Mal der Tag jährt, an dem ich dir zum ersten Mal gesagt habe, dass ich dich liebe, nachdem du so lange um mich gekämpft hast”, erwiderte Ivo und Zoran seufzte direkt angetan auf.

“Du bist so süß”, hauchte er leise und bedeckte die Lippen seines Freundes mit seinen eigenen. Er brauchte nicht viel, um ihn glücklich zu machen, aber das Ivo bei ihm war und ihm auf diese Art und Weise zeigte, dass dass er ihn glücklich machte, war alles was er überhaupt brauchte.

29.04.2024 - Unterrichten / Beibringen

“Gott, ich werde heute Nacht definitiv von Farben und Formen aller Art träumen und doch kein Wort verstanden haben. Morgen früh habe ich bestimmt wieder alles vergessen.”

Mit einem Stöhnen schlug Adam das Buch zu, dass er gemeinsam mit seinem besten Freund Ole durchgegangen war. Sie studierten gemeinsam Architekturwesen und bereits morgen stand eine Klausur in der dargestellten Geometrie an, aber momentan hatte Adam das Gefühl, das nichts in seinem Kopf hängen geblieben war.

“Komm, ich erkläre es dir nochmal. Bislang habe ich dir alles beibringen können”, erwiderte Ole mit einem Schmunzeln und deutete erneut auf das Buch.

“Es ist auch gar nicht so schwer, wenn man erst einmal alles verstanden hat”, fügte Ole hinzu, woraufhin Adam direkt stöhnte.

“Das sagt der, der schon immer der Streber von uns beiden war”, entgegnete er erst, wenn auch mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Ole war schon immer derjenige gewesen, dem das Lernen leichter fiel als anderen und manchmal fragte sich Adam tatsächlich, warum Ole überhaupt gemeinsam mit ihm Architektur studierte.

“Bereust du deine Entscheidung manchmal?”, sprach er Ole deswegen auch aus dem Nichts heraus an, woraufhin sein bester Freund ihn fragend ansah.

“Was meinst du?”

Leicht biss sich Adam auf die Lippen und spielte mit dem Buchdeckel, indem er ihn auf und wieder zu klappte.

“Naja, du hast früher immer davon geredet, dass du Lehrer werden willst, um andere zu unterrichten und jetzt hockst du mit mir in einem Architekturstudium”, entgegnete er nach ein paar Minuten und konnte deutlich sehen, dass sich der Gesichtsausdruck seines besten Freundes veränderte. Ob in eine positive oder negative Richtung konnte er in diesem Moment allerdings auch gar nicht einschätzen.

“Das ist auch immer noch mein Traum, daran hat sich nichts geändert”, hörte er schließlich dessen Stimme und zog leicht die Augenbrauen zusammen.

“Ich möchte Kindern und Jugendlichen etwas beibringen, ich möchte sie unterrichten und mein Wissen an sie weitergeben", schwärmte Ole und auf seinen Lippen bildete sich ein leichtes Lächeln.

“Dann verstehe ich nicht, warum du dich für Architektur eingeschrieben hast, statt auf Lehramt zu studieren”, entgegnete Adam und diesmal seufzte Ole leise.

“Weil ich dich nicht enttäuschen wollte. Du hast so sehr davon geschwärmt, wie toll es ist, gemeinsam zu studieren und sogar denselben Studiengang zu absolvieren”, antwortete Ole und Adam bekam direkt ein schlechtes Gewissen.

“Und deswegen gibst du deinen Traum auf? Für mich?”, hakte er verwundert nach, woraufhin Ole erneut lächelte. “Für wen denn sonst, wenn nicht für dich?”

Mit einer Hand fuhr sich Adam über das Gesicht, bevor er das Buch erneut zuklappte. “Weisst du, was wir jetzt machen?”, sprach er Ole und dieser schüttelte den Kopf. “Weiterlernen?”, schmunzelte er, aber diesmal war es Adam, der die Frage direkt verneinte.

“Wir werden jetzt in die Universität fahren und dort wirst du mit dem Leitung reden, um herauszufinden, ob du den Studiengang noch wechseln kannst. Das Semester hat immerhin gerade erst angefangen.”

Verblüfft sah Ole zu ihm auf. “Ist das dein Ernst?”

“Ja.” Mehr erwiderte Adam nicht und ergriff den Arm seines besten Freundes, um ihn hochzuziehen.

“Du könntest mich nie enttäuschen. Ich wäre eher enttäuscht, wenn du deinen Traum meinetwegen aufgibst und nicht das machen kannst, was dich glücklich macht. Und gemeinsam lernen können wir ja trotzdem noch.” Mit einem Lächeln zog Adam sein Gegenüber in eine kurze Umarmung, bevor er ihn aus dem Raum zog, um dessen persönlichem Glück endlich auf die Sprünge zu helfen.

30.04.2024 - besitzen

Mit nahezu offenem Mund stand Matsuyama in dem begehbaren Kleiderschrank seines Arbeitskollegen Reno.

Er arbeitete erst seit ein paar Wochen mit dem Dunkelhaarigen zusammen und heute war er zum ersten Mal in dessen Wohnung.

Sie hatten sofort auf einer Wellenlänge gelegen und dieselben Interessen pflegten.

Nachdem sie heute sogar zusammen shoppen gewesen waren, stand Matsuyama jetzt in der Wohnung des älteren und wusste gar nicht, wohin er zuerst schauen sollte.

“Und das gehört alles dir?”, hakte er nach, woraufhin Reno direkt nickte. Er konnte kaum glauben, wie viele Klamotten ein Mensch besitzen konnte.

“Ich habe eben eine Schwäche für schöne Sachen”, erwiderte der Ältere und Matsuyama konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen.

“Die habe ich auch, aber ich besitze bei weitem nicht zu viele Klamotten auf einem Haufen”, erwiderte er und trat auf eines der Regale zu. Mit dem Finger strich er an den Oberteilen vorbei, die auf mehreren Kleiderbügeln aneinandergereiht im Regal hingen.

An einem Oberteil blieb er etwas länger hängen und nahm den Kleiderbügel schließlich an sich.

“Boah geil, dieses Oberteil ist schon so lange ein Traum von mir”, sprach er euphorisch und hielt sich das Kleidungsstück vor den Körper.

“Möchtest du es fahren?” Die Stimme Renos ließ ihn verblüfft aufsehen. “Was?”

“Ob du es haben möchtest “, wiederholte Reno seine Frage und lächelte sachte. “Ich schenke es dir.”

“Ist das dein Ernst?” Ungläubig sag Matsuyama seinen Freund und zog sich das Oberteil direkt über, nachdem Reno genickt hatte.

“Danke, Danke. So ein Oberteil wollte ich schon immer mal besitzen”, strahlte der Jüngere und flog Reno im nächsten Moment um den Hals.

Und Reno, der beschlossen noch ein wenig zu verheimlichen, dass er das T-Shirt überhaupt erst in der letzten Woche für Matsuyama gekauft hatte.

Damit der Jüngere es bekam und genau diese Strahlen, dass von Matsuyama war die schönste Reaktion, die Reno hätte bekommen können.

Von dem Mann, in den er heimlich schon eine ganze Weile lang verliebt war.

Hoffnungslos.

01.05.2024 - verdient / verdienen

“Bist du dir sicher, dass Gummibärchen eine angemessene Belohnung sind?” Mit hochgezogener Augenbraue sah Cordula ihre beste Freundin an und beobachtete die Dunkelhaarige dabei, wie sie sich ein Gummibärchen nach dem anderen zwischen die Lippen schob.

Erst vor ein paar Minuten hatte sich Tamara die Tüte Gummitiere gekauft und noch auf dem Weg zum Auto hatte sie sich ein paar davon in den Mund gesteckt.

Als Belohnung, wie Tamara gesagt hatte, aber Cordula hatte keine Ahnung, was genau Tamara damit meinte.

“Für was soll die Belohnung überhaupt sein?”, hakte Cordula nach und Tamara zuckte kurz mit den Schultern.

“Manchmal braucht es keinen Grund für eine Belohnung. Ich brauche diese Gummibärchen jetzt in diesem Moment einfach und das ist alles, was zählt”, brummte die Angesprochene und stopfte sich gleich noch eine weitere Handvoll Gummibärchen in den Mund.

“Du machst nie irgendetwas ohne Grund”, stellte Cordula fest und sah ihre Freundin von der Seite aus an.

Inzwischen saßen sie bereits im Auto auf dem Weg nach Hause und Cordula war sich sicher, dass die Tüte bis dahin nicht mehr halten würde. Als ein Seufzen von ihrer besten Freundin zu hören war, sah sie die Dunkelhaarige kurz von der Seite aus an.

“Es ist nur .. eigentlich ist es keine Belohnung, sondern eher .. Frustbewältigung”, entgegnete sie schließlich und jetzt war Cordula ganz Ohr. Sie hatte eh das Gefühl, dass Tamara schon seit ein paar Tagen etwas bedrückte.

“Frustbewältigung? Gegen was?”, fragte sie nach und Tamara seufzte direkt. “Die Frage sollte eher gegen wen lauten.”

“Jetzt bin ich neugierig”, entgegnete Cordula und parkte das Auto vor ihrer eigenen Wohnung. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin stieg sie aus, um ihre eigenen vier Wände zu betreten.

“Also, du hast meine ungeteilte Aufmerksamkeit”, sprach Cordula und grinste ihre beste Freundin kurz an, bevor sie in der Küche verschwand und mit zwei kleinen Flaschen Sekt wieder kam.

“Wozu der Sekt?”, wollte Tamara direkt wissen und zog eine Augenbraue hoch. “Damit redet es sich besser”, erwiderte Cordula direkt und hielt ihrer Freundin die Flasche hin. “Also, wer ist für deinen Frust verantwortlich?”

Tamara seufzte und öffnete die Flasche, damit sie einen großen Schluck aus dieser nehmen konnte. “Manuel. Ich .. habe ihm gesagt, dass ich mich in ihn verliebt habe. Er hat gesagt, ich wäre nicht sein Typ und er könnte sich nicht einmal vorstellen, überhaupt etwas mit mir anzufangen.”

“Das hat er gesagt?” Mit großen Augen sah Cordula ihre Freundin an und öffnete ihre Flasche Sekt ebenso. Als Tamara nickte, hob Cordula die Flasche ebenso an ihre Lippen und trank einen großen Schluck.

“Der Lackaffe hat dich überhaupt nicht verdient, wenn er so etwas sagt”, brummte sie erst und deutete anschließend auf die Tüte Gummibärchen. “Weisst du, was wir jetzt machen?”

Verwirrt schüttelte Tamara den Kopf und lachte doch sofort, als sie die Antwort ihrer besten Freundin hörte. “Wir essen die Gummibärchen jetzt gemeinsam auf und stellen uns dabei vor, dass es Manuel ist. Denn das ist das einzige, was der Lackaffe überhaupt verdient hat!”

02.05.2024 - fraglich

Schon seit Tagen suchte Luca händeringend nach einem Termin für die Hochzeit mit seiner Verlobten Aurora, aber kein Standesamt in der Nähe hatte noch etwas frei. Und es war wirklich fraglich, ob er in der kurzen Zeit, die ihnen blieb, einen passenden Termin bekommen würde.

Aurora wollte nämlich unbedingt ihren Großmutter Antonella dabei haben, denn sie wusste nicht, wie lange die Ältere überhaupt noch Teil ihres Lebens sein würde.

Sie hatte vor ein paar Wochen einen leichten Schlaganfall erlitten und war gesundheitlich etwas angeschlagen, wodurch Aurora mehr als nur besorgt war, dass es zu einem weiteren kommen konnte.

Sie wollte vorher heiraten, um ihre Großmutter dabei zu haben und Luca wollte ihr diesen Wunsch nur zu gerne erfüllen.

Er konnte es eh kaum erwarten, Aurora zu seiner Frau zu nehmen und dafür zu sorgen, dass sie endlich seinen Nachnamen trug.

Mit einem Seufzen legte er sein Handy an die Seite, nachdem er wieder eine Absage bekommen hatte und sah hilflos zu seinem besten Freund Silvio.

“Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer ist, einen Termin auf dem Standesamt zu bekommen”, stöhnte er leise und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht.

“Hast du schon einmal über eine freie Trauung nachgedacht?” Die Stimme Silvios sorgte dafür, dass Luca langsam den Kopf schüttelte.

“Nein, aber ich habe mich damit auch noch gar nicht auseinandergesetzt. Wie läuft so etwas denn ab?”, hakte er nach und legte fragend seinen Kopf schief.

“Soweit ich weiss, kannst du bei einer freien Trauung den Ort selbst wählen und bist auch nicht direkt auf einen Priester oder Standesbeamten angewiesen. Du kannst dich von einem freien Redner trauen lassen und es hat trotzdem genauso viel Gültigkeit hat”, erklärte Silio ihm und lächelte sachte.

Verstehend nickte Luca und griff erneut nach seinem Handy, um herauszufinden, wo er so etwas überhaupt einen freien Redner überhaupt finden konnte.

“Vielleicht solltest du aber auch erst mit Aurora darüber reden, bevor du dich um alles weitere kümmerst”, schlug Silvio vor und diesmal nickte Luca, bevor er einen Blick auf die Uhr warf.

“Oh Mist, ich muss eh los. Wir treffen uns in einer halben Stunden”, glitt es ihm über die Lippen, während er sich erhob.

“Wenn du Hilfe brauchst, meld dich einfach. Ich bin für alle Schandtaten bereit”, schmunzelte Silvio und umarmte seinen besten Freund. Luca erwiderte die Umarmung und verabschiedete sich anschließend.
 

Auf dem Weg zum Treffpunkt mit seiner Verlobten und ihrer Mutter dachte er die ganze Zeit darüber nach, was Silvio ihm vorgeschlagen hatte. Es war zwar fraglich, ob Aurora überhaupt zustimmen würde, aber er wollte zumindest mit ihr darüber reden. Schon von weitem konnte er Aurora und ihre Mutter vor dem Café sehen, vor dem sie sich treffen wollten.

“Hey Liebling”, begrüßte er die Schwarzhaarige lächelnd und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen, bevor er auch seine Schwiegermutter mit einer Umarmung.

“Ich habe alle Standesämter in der Umgebung abtelefoniert, aber keiner hat einen Termin in den nächsten Wochen oder Monaten”, begann er schließlich, nachdem sie an einem der Tische saßen.

“Aber Silvio hatte eine Idee, die ich wirklich schön finde”, fuhr er fort, nachdem er den enttäuschten Blick seiner Verlobten gesehen hatte. Er griff nach ihrer Hand und erklärte ihr anschließend, was Silvio vorgeschlagen hatte. Sofort erhellte sich das Gesicht Auroras wieder und auch seine Schwiegermutter war von dem Vorschlag der freien Trauung sichtlich angetan.

“Ich werde meine Freundin Maria bitten, uns ein wenig unter die Arme zu greifen. Ihre Tochter arbeitet auch als freie Traurednerin. Vielleicht kann sie das sogar übernehmen oder uns jemandem vermitteln”, mischte sich die Ältere ein und griff sogleich nach ihrem Telefon, um ihre Freundin um ein persönliches Treffen zu bitten.

Luca lächelte direkt und drückte die Hand seiner Verlobten sanft. Mit der Hoffnung, dass es wirklich klappen würde und er Aurora ihren Wunsch damit auch wirklich erfüllen konnte.

Mehr wünschte er sich in diesem Moment gar nicht.

03.05.2024 - harmonisch

Mit einem Lächeln auf den Lippen beobachtete Leyla ihre kleine Familie. Ihr Mann Davide stand am Klettergerüst, auf dem ihre gemeinsame Tochter Anissa stand. Er gab ihr ein wenig Hilfestellung, während er gleichzeitig seinen Sohn Amir auf dem Arm hielt.

Amir war erst ein paar Monate alt und ein echter Sonnenschein. Er schlief fast durch und war auch sonst ein pflegeleichtes Kind. Genauso wie Anissa.

Leyla genoss diesen Anblick und das harmonische Beisammensein ihrer kleinen Familie. Nichts machte sie glücklicher als ihre kleine Familie. Da spielte es auch fast keine Rolle mehr, dass ihre Eltern nicht mehr von ihr wissen wollten und ihre Enkel noch nicht einmal kannten.

“Mama! Guck mal, wie hoch ich klettern kann!”, holte Anissa sie aus ihren Gedanken und sofort lächelte Leyla.

Sie erhob sich von der Bank, auf der sie die ganze Zeit gesessen hatte und lief auf ihre kleine Familie zu.

“Ich liebe dich”, flüsterte sie Davide ins Ohr und lehnte sich an ihn heran. Seitdem sie den Älteren kennengelernt hatte, hatte sich der Kontakt zu ihrer Familie verändert und das war inzwischen schon über vier Jahre her. Nächsten Montag feierte Anissa ihren vierten Geburtstag und schon seitdem Leyla von der Schwangerschaft erfahren und ihren Eltern davon erzählt hatte, war ihr pure Ablehnung entgegen geschlagen.

Sie wusste, dass es an Davide lag und das ihre Eltern ein Problem damit hatten, dass der Ältere über zwanzig Jahre älter war als sie. Und dazu nicht mal gleicher Abstammung.

“Ich liebe dich auch, Ley”, entgegnete Davide lächelnd und drückte ihr einen Kuss auf den Haarschopf. Für einen kurzen Moment schloss Leyla die Augen und genoss lediglich die Nähe zu ihrem Partner, als erneut die Stimme ihrer Tochter erklang.

“Mama? Wer ist die Frau dort?” Als Leyla ihre Augen wieder öffnete, folgte sie dem Fingerzeig ihrer Tochter und erstarrte sofort. Am Zaun, der den Spielplatz begrenzte, stand ausgerechnet ihre Mutter.

“Ich bin gleich wieder da”, murmelte sie leise und drückte Davide einen Kuss auf die Schulter, bevor sie in Richtung Zaun lief.

“Was willst du hier?”, sprach sie sofort und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Sie spürte Davides Blick in ihrem Rücken, war sich aber auch sicher, dass sich der Ältere in der Zwischenzeit mit Hingabe um ihre Kinder kümmern würde.

“Mit dir reden, Leyla. Du bist doch meine Tochter”, entgegnete ihr Gegenüber und Leyla zog sofort eine Augenbraue hoch.

“Auf einmal? Die letzten vier Jahre hatte es euch doch auch nicht interessiert, wie es mir geht. Oder dass ich inzwischen zwei wunderbare Geschöpfe auf die Welt gebracht habe, die mir jeden Tag beweisen, dass mein Leben genauso harmonisch ist, wie ich es mir immer gewünscht habe. Und dass es alles ist, was ich brauche”, erwiderte sie lediglich und drehte sich wieder um. Sie ließ ihre Mutter einfach stehen, denn obwohl es nur diesen kurzen Wortwechsel gegeben hatte, konnte sie sich derzeit nicht vorstellen, wieder Kontakt zu ihren Eltern zu haben.

Sie hatten ihr viel zu weh getan, sie hatten ihr viel zu oft gesagt und gezeigt, dass sie ihre Entscheidung nicht nachvollziehen konnte.

Und das konnte sie in diesem Moment einfach nicht vergessen.

“Was haltet ihr davon, wenn wir Eis essen gehen?”, sprach sie ihre kleine Familie an, während sie ihre Arme um die Hüften Davides schlang.

Und als sie das Strahlen ihrer Tochter sah, war sie sich einmal mehr sicher, dass diese Harmonie alles war, was sie brauchte.

Ohne ihre Eltern.

04.05.2024 - verletzt

Ein verletzter Ausdruck huschte über Naimas Gesicht, nachdem ihr Freund Laurin ihren Heiratsantrag mit einem einfachen "Nein" einfach abgelehnt hatte. Wortlos wandte sie sich von ihm ab und verließ das Restaurant, in dem sie ihm den Antrag gemacht hatte.

Es verletzte sie nicht nur, es war ihr auch unglaublich peinlich, dass sich auch andere Gäste an ihrer Schmach ergötzen konnten.

Tränen bildeten sich in ihren Augen, während sie aus dem Gebäude stürmte und die Straße entlang lief. Dass Laurin ihr folgte und ihr nachlief, ignorierte sie. Sie wollte nicht mit ihm reden, sie wollte keine Erklärungen hören.

Sie wollte einfach nur weg.

Als ihr die Sicht verschwamm, wischte sie sich kurz über die Augen. Ihr Blick huschte kurz durch die Gegend, bevor sie sich dazu entschloss, die Wohnung ihrer besten Freundin aufzusuchen.

Benita hatte ihr bei den Vorbereitungen geholfen und auch all ihre Zweifel aus dem Weg geräumt, als sie darüber nachgedacht hatte, ob es überhaupt richtig war, Laurin einen Heiratsantrag zu machen.

An der Wohnung drückte sie regelrecht auf die Klingel und lief schnurstracks nach oben. Sobald sie Benita erblickte, füllten sich ihre Augen erneut mit Tränen und sie fiel ihrer Freundin regelrecht um den Hals.

“Naima?” Verwirrt erwiderte Benita die Umarmung und zog Naima in ihre Wohnung. Schluchzend klammerte sich die Dunkelhaarige an ihre Freundin und ließ es zu, dass Benita sie in die Wohnung schob.

“Was ist passiert?”, hakte Benita sofort nach und bekam im ersten Moment doch nur ein Schluchzen zurück. Beruhigend streichelte Benita ihrer Freundin über den Rücken hinweg und gab ihr ein wenig Zeit, bevor sie erneut das Wort ergriff. “Was ist passiert, Naima? Warst du heute nicht mit Laurin in eurem Lieblingsrestaurant verabredet?”, wollte sie wissen und gleichzeitig kam ihr der Gedanke, warum ihre Freundin so unglaublich aufgelöst war. “Sag mir nicht, er hat deinen Antrag abgelehnt?”

Schluchzend nickte Naima und sah nur kurz zu ihrer Freundin auf, bevor sie den Kopf wieder an Benitas Schulter vergrub.

“Ach Süße ..”, glitt es erst über die Lippen Benitas, während er Naima ein wenig fester in ihre Arme zog.

“Weißt du denn, warum er den Antrag abgelehnt hat?” Diesmal schüttelte Naima den Kopf und richtete sich langsam auf.

“Nein, ich bin gleich gegangen”, schniefte sie und wischte sich mit einer Hand erneut über die Augen. Sie hatte in diesem Moment einfach nur gehen wollen, um den Tuscheleien der anderen Restaurantbesuchern zu entkommen.

In dem Moment, in dem Benita zu einer Antwort ansetzen wollte, ertönte die Türklingel und beide Frauen zuckten gleichermaßen zusammen.

“Kommt Valentin noch vorbei?”, wollte Naima sofort wissen, woraufhin Benita den Kopf schüttelte. “Nein, er ist bei seinen Eltern, aber selbst wenn, dann hätte er einen Schlüssel und bräuchte nicht klingeln”, entgegnete sie und erhob sich, als es erneut klingelte.

“Wenn es Laurin ist, dann will ich ihn nicht sehen”, rief Naima ihr hinterher, und doch hörte sie im selben Augenblick die Stimme des Mannes, der sie vor nicht einmal einer halben Stunde so sehr verletzt hatte. Sie erhob sich langsam und lief in Richtung Tür, nachdem Laurin nach ihr gerufen hatte, mit der Bitte, ihr alles erklären zu können.

“Deine Antwort war eindeutig, Laurin. Was gibt es denn da noch zu erklären?”, presste sie es mühsam beherrscht, aber auch noch immer verletzt hervor und hatte Mühe, nicht wieder in Tränen auszubrechen.

“Alles, Naima”, erwiderte Laurin und sah seine Freundin bittend an. “Ich habe doch nur aus einem einzigen Grund abgelehnt”, schob er hinterher und schob seine Hand in die Hosentasche.

“Aha. Und welcher soll das gewesen sein?”, wollte Naima wissen und sah kurz zu Benita, die noch immer neben ihr stand. Laurin lächelte lediglich und holte eine kleine Schachtel aus der Hosentasche.

“Weil ich seit Wochen damit beschäftigt bin, meinen Antrag für dich zu planen. Es ist bereits alles arrangiert und morgen Abend hätten wir uns in Paris auf dem Eiffelturm befinden sollen, damit ich dir die wichtigste Frage unseres Lebens stellen kann”, hörte sie Laurins Stimme und hatte das Gefühl, jeden Moment ohnmächtig zu werden.

“Was?”, fiepte sie und wusste gar nicht richtig, wie sie reagieren sollte. Sie sah hilflos zu Benita, auf deren Lippen ein Lächeln lag.

“Ich glaube, du solltest dich zuhause nicht nur frisch machen gehen, sondern auch eure Koffer packen, damit ihr morgen Abend wirklich in Paris sein könnt”, sprach sie ihre beste Freundin an und zog sie in eine Umarmung.

“Und wenn du wieder da bist, will ich sämtliche Einzelheiten hören”, flüsterte sie ihr ins Ohr, bevor sie ihre Freundin wieder freigab.

Und Naima? Naima lächelte lediglich etwas unsicher, ließ es aber auch zu, dass Laurin sie erst in seine Arme zog und sie anschließend von hier weg führte.

Damit sie wirklich ihren Koffer packen konnte, um ihn nach Paris begleiten zu können. In die Stadt der Liebe.

05.05.2024 - unordentlich

Als Kati die Wohnung ihres Bruders Mario betrat, traf sie fast der Schlag. Auf dem Boden verteilt konnte sie Klamotten und Pizzakartons entdecken, leere Dosen und Chipskrümel. Auf dem Sofa entdeckte sie zusätzlich ihren Bruder, Mit geschlossenen Augen lag der Dunkelhaarige auf dem Sofa und nahm gar nicht wahr, dass seine Schwester in seiner Wohnung stand. Ein Schnarchen war zu vernehmen, als Mario sich auf die andere Seite drehte und Kati konnte sich ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen.

Sie entschied sich dazu, ihn schlafen zu lassen und kämpfte sich stattdessen in die Küche durch. Auch wenn sie dort ebenso der Schlag traf, schloss sie die Tür hinter sich, um im Raum aufräumen zu können.

Vor ein paar Wochen hatte Marios Ex - Frau Gina die Scheidung eingereicht und die gemeinsame Tochter mit sich genommen und seither war der Größere nur noch ein Schatten seiner selbst. Damit war Gina diejenige gewesen, die Mario betrogen hatte. Mit einem Arbeitskollegen und das schon über Monate hinweg.

Sie konnte verstehen, dass es ihrem Bruder das Herz brach, aber sie wollte auch nicht, dass er sich deswegen vollkommen aufgab. Aber genau das war momentan scheinbar der Fall, denn noch nie hatte sie die Wohnung so unordentlich vorgefunden. Sie wirkte fast verwahrlost und das obwohl ihr Bruder sonst nie so unordentlich gewesen war.

Nachdem sie die Küche aufgeräumt und die Kaffeemaschine angestellt hatte, trat sie wieder ins Wohnzimmer und vernahm mit einem Lächeln, dass sich ihr Bruder inzwischen aufgesetzt hatte. Als er sie bemerkte, zuckte er sofort zusammen. “Kati? Was machst du denn hier?”, wollte er wissen und Kati konnte erkennen, dass es ihm peinlich war, dass seine Schwester ihn inmitten dieser Unordnung erblickte.

“Ich habe mir Sorgen um dich gemacht und wenn du schon nicht an dein Telefon gehst, bleibt mir ja nichts anderes übrig, als dich besuchen zu kommen”, erwiderte die Jüngere und sah ihrem Bruder das schlechte Gewissen sofort an.

“Es tut mir leid”, erwiderte er leise und schälte sich aus der Decke, damit er die leeren Pizzakartons vom Boden aufheben konnte.

“Ich kann dich verstehen, so ist das nicht, Mario. Aber wie willst du dafür sorgen, dass du Mila wieder regelmäßig sehen kannst, wenn deine Wohnung wie ein Saustall aussieht? Hier würde kein Jugendamt der Welt deine Tochter auch nur für zehn Minuten in die Wohnung lassen”, sprach sie ihren Bruder an und brachte damit auf den Punkt, was eigentlich offensichtlich war.

“Mila braucht dich und ich glaube, sie versteht mit ihren acht Jahren schon ganz gut, dass zwischen dir und ihrer Mutter nichts mehr in Ordnung ist. Aber ich glaube nicht, dass sie versteht, dass ihr Vater nicht um sie kämpft oder sie nicht mehr sehen will”, sprach sie weiter, nachdem ihr Bruder keine Anstalten gemacht hatte, zu antworten. Stattdessen ließ sich der Ältere wieder auf die Couch sinken ließ.

Er wusste, dass seine Schwester Recht hatte und dass er keine Chance hatte, überhaupt zu sehen, wenn es hier weiterhin so unordentlich sein würde.

“Hilfst du mir?”, verließ es nach ein paar Minuten leise seine Lippen, woraufhin Kati direkt nickte und sich neben ihn fallen ließ, um ihn in eine Umarmung zu ziehen. “Deswegen bin ich hier”, erwidert sie lediglich und war sich sicher, dass ihr Bruder die Kurve noch rechtzeitig kriegen würde, damit er sich endlich wieder vernünftig um seine Tochter kümmern konnte.

06.05.2024 - Zehen

Mit einem Seufzen strich Theresa über ihren dicken Bauch hinweg. “Jetzt kann ich nicht einmal mehr meine Zehen sehen”, murmelte sie in Richtung ihres Mannes und warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Marc schmunzelte und erhob sich, um auf seine Frau zuzutreten.

Er beugte sich ein wenig nach unten, um einen Kuss auf ihren dicken Bauch zu hauchen. Theresa war im achten Monat mit Zwillingen schwanger und ihr Bauch hatte in den letzten Wochen einiges an Umfang zugelegt.

Sie konnte kaum noch an sich hinab sehen, ohne dass ihr Bauch im Weg war und auch die Bewegungen im Allgemeinen fielen ihr von Tag zu Tag schwerer.

“Dafür können wir in ein paar Wochen gleich vier kleine Füßchen und ganz viele Zehen sehen”, holte Marcs Stimme sie aus ihren Gedanken und sofort legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen.

“Ich kann es auch kaum erwarten, nachdem wir so lange auf unsere beiden kleinen Wunder warten mussten”, erwiderte sie lächelnd und strich ihrem Ehemann liebevoll durch die Haare. Sie hatten über drei Jahre lang versucht, ein Kind zu bekommen und als sie sich schon damit abgefunden hatte, niemals Mutter zu werden, hatte es schließlich doch noch geklappt. Und in ein paar Wochen würde sie ihre beiden kleinen Wunder auch endlich in den Armen halten können.

“Was hälst du davon, wenn ich dir die Füße und auch die Zehen ein wenig massiere?”, schlug Marc vor und Theresa nickte direkt. “Aber nur, wenn du deine Arbeit dadurch nicht liegen lassen musst”, erwiderte sie trotzdem, woraufhin Marc den Kopf schüttelte. “Erstens werde ich das nicht und zweitens gibt es nichts wichtigeres für mich, als dich und unsere beide Wunder”, entgegnete er sanft, bevor er seine Frau zu einem Kuss zu sich heranzog. Theresa zögerte nicht lange und erwiderte den Kuss, bevor sie sich auf dem Sofa niederließ und ihren Mann auffordernd, aber mit einem Lächeln auf den Lippen ansah.

Sie war glücklich, überglücklich und in ein paar Wochen würde ihre kleine Familie endlich komplett sein. Mit all ihren vierzig Zehen.

07.05.2024 - Schritt

Vorsichtig setzte Mina einen Fuß vor den anderen. Nach einem Schlaganfall lernte sie gerade erst wieder einen Fuß vor den anderen zu setzen und es fiel ihr noch immer schwer, ihr Gleichgewicht zu halten.

Durch diese Störung war sie in einen besonderen Stützapparat eingespannt und versuchte mit diesem Hilfsmittel wieder zu ihrer alten Stärke zu finden. Aber mit jedem neuen Tag und mit jeder weiteren Stunde in diesem Stützapparat verließ sie die Hoffnung, dass überhaupt wieder richtig laufen zu können.

Mit einem tiefen Seufzen blieb sie stehen und sah zu ihrem Trainer Toni. “Das hat doch eigentlich alles keinen Sinn, oder?”, sprach sie ihn direkt an, woraufhin der Angesprochene den Kopf schief legte.

“Wie kommst du darauf?”, wollte er wissen und half Mina vorsichtig in den Rollstuhl, nachdem er sie wieder auf dem Stützapparat befreit hatte.

“Wir machen das jetzt schon seit ein paar Wochen und ohne dieses Ding kann ich weder alleine stehen noch alleine gehen”, entgegnete Mina und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.

“Du musst Geduld haben, Mina. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut”, erwiderte der Ältere und die junge Frau verdrehte kurz die Augen.

“Das kannst du überhaupt nicht miteinander vergleichen”, brummte sie, woraufhin Toni leise lachte.

“Warum nicht?”, stellte er die Gegenfrage und trat hinter Minas Rollstuhl, um sie wieder aus dem Raum zu schieben.

“Weil die Erbauung Roms etwas völlig anderes ist, als die Aufgabe, meinen Körper wieder zum funktionieren zu bringen”, erwiderte Mina und faltete ihre Hände in ihrem Schoss.

“Mag sei, aber wenn du von Anfang an aufgibst und jeden noch so kleinen Schritt nicht zu schätzen weißt, wirst du nie Erfolg haben oder sichtbare Ergebnisse sehen”, sprach Toni sanft und diesmal seufzte Mina.

“Es ist nicht so, dass mir die kleinen Schritte auch etwas bedeuten, aber .. ich habe Anni etwas versprochen und es frustriert mich, dass ich es nicht einhalten kann”, antwortete sie leise und hob ihren Blick, als Toni stehen blieb und in ihrem Gesichtsfeld auftauchte.

“Was meinst du?”, wollte er wissen und ging vor der jungen Frau in die Hocke. Im Laufe der letzten Wochen und Monate hatten sie sich etwas angefreundet und sprachen auch über Gefühlsdinge miteinander, wenn auch nicht über alles.

“Ich habe Anni versprochen, bei ihrer Hochzeit zu Fuß zum Altar zu laufen und die Hochzeit ist schon in zwei Wochen”, glitt es Mina leise über die Lippen, während sie ihren Blick auf ihre Hände senkte. “Ich kann dieses Versprechen nicht halten.”

Tränen sammelten sich in ihren Augen und sie biss sich leicht auf die Lippen, als Toni erneut das Wort ergriff.

“Ich glaube, dass es für deine Schwester das Wichtigste ist, dass du überhaupt dabei bist. Nach deinem Schlaganfall hätte niemand damit gerechnet, dass du überhaupt wieder aufrecht stehen kannst “, beruhigte der Ältere die junge Frau und strich ihr die Tränen von den Wangen. “Hab Geduld mit dir. Wenn es dein Körper für richtig hält, wird er funktionieren. Nicht dann, wenn du es auf Biegen und Brechen versuchst”, fuhr er fort und umarmte Mina sanft.

“Vielleicht hast du Recht”, murmelte die junge Frau leise und erwiderte die Umarmung, die ihr in diesem Moment viel mehr Halt gab, als dieser Stützapparat es je können würde.



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Kommentare zu dieser Fanfic (28)
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Von:  Geminy-van-Blubel
2024-05-03T21:16:06+00:00 03.05.2024 23:16
Autsch!!! Bist du mit einer Beule davon gekommen?
Antwort von:  Gedankenchaotin
03.05.2024 23:18
Nein, ich musste genäht werden und habe seither eine 10 Zentimeter lange Narbe am Hinterkopf. 🫣
Antwort von:  Geminy-van-Blubel
04.05.2024 20:30
O_O Himmel! Was du machst, machst du aber auch richtig, oder? XD"""
Antwort von:  Gedankenchaotin
04.05.2024 21:07
Ja, wenn schon denn schon. Keine halben Sachen oder so xD
Von:  Geminy-van-Blubel
2024-03-19T06:29:13+00:00 19.03.2024 07:29
Haha, das mit dem Geplapper fühl ich XD
Zum Glück gibt es Brillen und Hörgeräte, um gewisse Schwierigkeiten auszugleichen. Ich glaube, es wäre für mich trotzdem erst mal ein Schreck, wenn ich plötzlich darauf angewiesen wäre. Aber das ist sicherlich auch Gewöhnungssache.
Von:  Geminy-van-Blubel
2024-02-26T19:35:59+00:00 26.02.2024 20:35
Mit der Wendung hatte ich nicht gerechnet XD War ganz verdattert, dass ausgerechnet Miguel zum Verräter geworden sein sollte, weil er ja selbst nur zu gut wusste, wie sich das anfühlt. Interessant find ich auch seine Aussage zum Karma - gerade in seiner Situation hätte ich darauf vermutlich nicht viel Vertrauen. Andererseits hatte die Zeit im Gefängnis bisher ja auch zumindest eine gute Sache für ihn.
Antwort von:  Gedankenchaotin
26.02.2024 20:39
Wer weiss, vielleicht hat das hanze für Miguel ja auch noch ein gutes Ende und das Karma hat auch für ihn noch die eine oder andere Überraschung im Gepäck. *kicher*
Antwort von:  Geminy-van-Blubel
27.02.2024 07:00
Oooh, das klingt so nach Fortsetzung? ;)
Von:  Geminy-van-Blubel
2024-02-11T18:26:34+00:00 11.02.2024 19:26
Das mit der Vergleicherei kommt mir so bekannt vor... *sfz* ist nicht leicht, das abzulegen ^^"
Von:  Geminy-van-Blubel
2024-02-10T17:05:22+00:00 10.02.2024 18:05
So was ist bestimmt ein einschneidendes Erlebnis...
Von:  Geminy-van-Blubel
2024-02-03T07:27:04+00:00 03.02.2024 08:27
Ich hab deine Geschichte jetzt erst gelesen und find es witzig, dass wir beide zufällig das Thema Schule in unseren aktuellsten Texten untergebracht haben XD
Antwort von:  Gedankenchaotin
03.02.2024 11:00
Beim Thema Unterrichten fiel mir auch tatsächlich nichts anderes ein :D
Von:  Geminy-van-Blubel
2024-01-30T06:17:12+00:00 30.01.2024 07:17
T___T
Von:  Geminy-van-Blubel
2024-01-28T16:49:47+00:00 28.01.2024 17:49
Das war jetzt aber eine heftige Reaktion ^^"
Antwort von:  Gedankenchaotin
28.01.2024 20:48
Jaaa .. und auf einer anderen Plattform war jemand ganz pissig, weil Thea ihrer Freundin nicht gleich nachgelaufen ist. 🤣🤣
Antwort von:  Geminy-van-Blubel
29.01.2024 18:07
._. Im Ernst? Also ich finds gut, dass Thea das nicht gemacht hat. Sie hat (aus meiner Sicht) nichts falsch gemacht und da wäre es eher an Nora, das Gespräch wieder aufzugreifen. Erinnert mich auch an eine frühere Freundin, die ähnlich reagierte ^^"
Hat die Person auf der andren Plattform begründet, warum aus ihrer Sicht Thea anders handeln sollte?
Antwort von:  Gedankenchaotin
29.01.2024 20:33
Weil sie als Freundin ja auch hätte nachgeben können bzw. ihr nachlaufen müssen. Dabei hab ich ja extra geschrieben, dass Thea ihr ein wenig Zeit geben will, weil sie weiss wie Nora ist.
Sie hat es einfach nicht verstanden und will jetzt nie wieder etwas von mir lesen, weil ich ja nicht kritikfähig bin und nicht verstehe, was sie mir sagen will. XDD
Antwort von:  Geminy-van-Blubel
30.01.2024 07:13
Klingt mir so, als könne die Leserin sich die Hand mit Nora reichen xD" Ich weiß ja nicht, wie alt sie ist und welche Erfahrungen sie so gemacht hat, aber für mich klingt die noch nicht sonderlich erwachsen ^^" Genau! Es wird durchaus ersichtlich, dass Thea Nora inzwischen schon gut genug kennt, um dieses Verhalten einschätzen zu können. Und selbst, wenn du es nicht so herausgearbeitet hättest: Es ist doch deine Geschichte und du entscheidest, wie du sie schreiben möchtest... Sachliche Kritik zu äußern ist ja okay (wobei man hier merkt, dass die Geschichte nicht richtig gelesen/verstanden wurde), aber ich kann als Kritiker doch nicht drauf beharren, dass der Autor sie gefälligst auch umzusetzen hat ._. Dann sollte sie ihre eigenen Geschichten schreiben. Die kann sie ja so gestalten, wie sie meint ^^"
Von:  Geminy-van-Blubel
2024-01-27T16:38:18+00:00 27.01.2024 17:38
Mehr, bitte! :D
Von:  Geminy-van-Blubel
2024-01-25T05:54:49+00:00 25.01.2024 06:54
Ich war zwar noch nie in New York, hab aber schon oft gehört, dass es dort zu Weihnachten wunderschön sein soll :) Die Stimmung hast du super eingefangen! Nicht nur das Weihnachtliche, sondern auch die Liebe zwischen ihnen.


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