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Die Kindheit eines Wolfs

Hogwarts 1971 - 1978
von

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1.II.Der Hogwarts-Express

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1.Akt: Kapitel II: Der Hogwarts-Express

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Remus war am nächsten Morgen bereits gegen sechs Uhr wach gewesen und lief unruhig in seinem Zimmer hin und her. Er konnte es kaum erwarten, sich endlich auf den Weg zu machen. Zwar fuhr der Zug erst gegen elf Uhr, doch er war jetzt schon Feuer und Flamme. Er hatte den Hogwarts-Express bis jetzt nur ein einziges Mal gesehen, hatte ihn dafür noch gut in Erinnerung. Damals, vor ungefähr vier Jahren, war der Lehrer für Muggelkunde kurz vor Ende der Ferien verstorben und man hatte noch keinen Ersatz gefunden. Daher hatte man seinen Vater darum gebeten für ein Jahr die Stelle zu übernehmen. Ohne große Widerworte hatte er sich dazu bereit erklärt und Remus und seine Mutter hatten Mr. Lupin zum Gleis gebracht.

Remus hatte das kribbelnde Gefühl, als er durch die Absperrung gegangen war, ebenfalls noch gut im Gedächtnis. Er war so aufgeregt gewesen, dass er auf sie zu und durch sie hindurch gerannt war. Als er durch den Backstein gelaufen war, war es ihm wie ein kalter Windhauch vorgekommen und er hätte schwören können, dass er einen kurzen Moment lang das Mauerwerk hatte atmen hören.

Es dauerte einige Zeit, bis auch seine Eltern endlich aufwachten und sie sich zu dritt auf den Weg zum Bahnhof machten.
 

In King's Cross herrschte bereits reger Betrieb. Auf den meisten Gleisen standen Züge, in welche die Muggel entweder ein- oder ausstiegen. Hier und da verabschiedete man Freunde und Verwandte stürmisch und an anderen stellen begrüßte man sie. Die Stimmung war zwar recht hektisch, doch eigentlich auch recht gut und heiter.

"Wir müssen uns beeilen. In dreißig Minuten geht der Zug", sagte Mr. Lupin, der den Gepäckwagen seines Sohnes schob.

Remus war zu sehr damit beschäftigt sich umzusehen, als das er auf den Weg achtete.

"Trödel nicht so Schatz", sagte Mrs. Lupin.

Sie liefen an Gleis neun entlang, als Mrs. Lupin ihren Sohn fragte, ob er seine Fahrkarte habe. Remus griff in eine seiner Hosentaschen und zog besagte Karte heraus.

"Von London nach Hogwarts. Abfahrt elf Uhr von Gleis neundreiviertel", las Remus vor.

"Nicht so laut, Remus", sagte Mr. Lupin warnend. "Die Muggel müssen nicht alles mitbekommen."

"Pass auf, wo du hinfährst!", rief Mrs. Lupin, doch zu spät.

Mr. Lupin hatte einen Muggel übersehen, der ebenfalls einen Gepäckwagen schob, und stieß mit diesem zusammen. Cassandras Käfig stürzte zu Boden und öffnete sich. Wütend flog Cassandra heraus und schoss über das Bahnhofsgelände davon.

"Cassandra!", rief Remus ihr hinterher.

"Oh nein. Das hat uns gerade noch gefehlt", seufzte Remus' Mutter.

"Ich geh sie suchen", sagte Remus schnell. "Geht ihr schon mal vor. Ich komme gleich nach."

"Gut, aber beeil dich, Schatz", meinte Mrs. Lupin, die dem Muggel aufhalf.

Remus nickte kurz und lief los. Er machte auf der Übergangsbrücke, die über alle Plattformen reichte und von der zu jedem Gleis eine Treppe hinunterführte, Stopp und sah sich nach seiner Eule um. Es dauerte nicht lang und er entdeckte eine große Muggelmenge, die sich auf der Plattform von Gleis fünf und sechs um besagtes Tier gescharrt hatte. Cassandra schlug heftig mit ihren Flügeln und wirkte äußerst gereizt. Schnell rannte Remus zu ihr und kämpfte sich durch die Menge.

"Cassandra! Darf ich mal? Das ist meine Eule."

Es dauerte ein Stück, bis er zu ihr durchgedrungen war. Als Cassandra ihn erspähte, blitzten ihre Augen zornig auf. Er reichte ihr seinen Arm.

"Tut mir leid, Cassandra. Das war keine Absicht."

Sie flatterte auf den ausgestreckten Arm und Remus lief so schnell er konnte los. Die Muggel strömten auseinander, als ihnen Cassandras ausgestreckte Flügel zu nahe kamen.

"Papa wollte das nicht", sagte Remus etwas außer Atem, als er langsam an Gleis zehn entlang lief. "Das war nicht böse gemeint."

Er streichelte sie, worauf sie zutraulich gurrte. Remus ging zu der Absperrung zwischen Gleis neun und zehn. Sein Bauch kribbelte vor Aufregung. Er ging auf die Mauer zu und - lief gegen hartes Ziegelwerk. Er rieb sich die schmerzende Nase und betastete die Ziegel. Stein, kalter Stein. Seine Hand fühlte kalten Stein. Aber war hier nicht der Durchgang zum Gleis? Er war sich ganz sicher, dass er hier gewesen war. Wütend schlug er mit der linken Hand gegen den Stein.

"He, was soll das?! Was soll der Mist?!"

Doch es half nichts. Die Mauer blieb unverändert.

,Verdammt! Ich muss zum Gleis! Der Zug fährt in fünfzehn Minuten.'

Plötzlich hörte er ein kaltes Lachen hinter sich, was ihm vom gestrigen Tag nur zu gut in Erinnerung geblieben war. Wütend drehte er sich um und erspähte die ihm wohl unsympathischste Person, der er je begegnet war.

"Na, hast du Probleme auf das Gleis zu kommen?", fragte der platinblonde Junge spöttisch. Ihm folgten drei Ehepaare, drei Mädchen und - er hätte es sich fast denken können - der andere Junge von gestern. Die sechs Erwachsenen waren wohl die Eltern der fünf Jugendlichen. Remus schauderte unmerklich, als er feststellte, dass alle in schwarz gekleidet waren und so aussahen, als würde sie zu einer Beerdigung gehen. Das erste Ehepaar gehörte wohl zu diesem vorlauten Jungen. Der Vater hatte silbergraues Haar und eisblaue Augen. Die Mutter Platinblondes Haar und giftgrüne Augen. Sie mutete ziemlich gebrechlich an und ihr Gesicht war ziemlich schmal und blass. Zum zweiten Paar gehörten die drei Mädchen. Eines der Mädchen war wahrscheinlich so alt wie der ältere Junge, das zweite sah so aus, als würde sie dieses Jahr ebenfalls erst nach Hogwarts kommen und die mittlere der drei Töchter, die wohl am schlecht gelauntst Dreinblickende, schien dreizehn bis vierzehn Jahre alt zu sein. Der schwarzhaarige Junge gehörte eindeutig zum letzten Paar, denn der Vater hatte eine eben solche Hakennase, wie sein Sohn und ebenso schwarze Pupillen. Remus sah wieder zu dem platinblonden Jungen.

"Hast du etwas damit zu tun?", fragte er etwas gereizt.

Der Angesprochene grinste nur breit.

"Was kann ich dafür, dass die Absperrung dich nicht durchlässt. Anscheinend gehörst du doch nicht nach Hogwarts."

Ohne Remus eines weiteren Blickes zu würdigen, verschwand er auch schon in der Absperrung. Die zwei älteren Mädchen kicherten und warfen Remus verstohlene Blicke zu, während sie ebenfalls mit ihren Eltern verschwanden.

"He, wartet gefälligst!", rief Remus und schlug mit seiner Faust gegen harten Backstein.

"So geht das nicht", sagte eine kühle Stimme.

Bis auf den schwarzhaarigen Jungen waren bereits alle auf dem Gleis.

"Und wieso nicht?!", rief Remus sauer.

"Hmpf. Wenn du schreist erreichst du überhaupt nichts."

"Dann sag mir doch, wie ich auf das Gleis komme. Ich kann doch nicht der Einzige sein, der nicht durch kann."

Remus war sichtlich am Verzweifeln. Selbst als Cassandra zutraulich an seinem Ohr knabberte, konnte er sich nicht beruhigen.

"Probier es mit Alohomora", sagte er nur knapp und verschwand ebenfalls im Mauerwerk.

"He!"

Remus starrte ungläubig auf die Mauer. Was sollte ihm dieses dämliche Wort bringen? Doch dann ging ihm ein Licht auf. Er zog seinen Zauberstab aus dem Umhang, vergewisserte sich, dass ihm kein Muggel zusah und schwang ihn durch die Luft.

"Alohomora!"

Funken sprühten aus seinem Stab, doch für ihn hatte sich nichts geändert. Er steckte den Stab wieder ein und wollte die Mauer abtasten, als er durch sie hindurch griff. Er unterdrückte einen Freudenschrei und lief hindurch.

Kurz darauf fand er sich auf einem weiteren Bahnsteig wieder. Über ihm hing ein Schild mit der Aufschrift Gleis 9 ¾ Hogwarts-Express, 11 Uhr. Ganz in der Nähe sah er den platinblonden Jungen, der ihn etwas ungläubig beäugte. Remus grinste breit.

"Remus! Da bist du ja endlich!"

Seine Mutter und sein Vater kamen auf ihn zu. Sie schienen sehr nervös.

"Wir dachten schon, dass du es nicht mehr rechtzeitig schaffst", sagte seine Mutter aufgeregt.

"Wo warst du so lang?"

"Ich hab Cassandra nicht gleich gefunden. Entschuldigt."

"Schon gut! Jetzt ab mit dir in den Zug. Bring deine Eule in den Gepäckwagen. Der Zug fährt in zwei Minuten", drängte Mr. Lupin.

Remus verabschiedete sich noch schnell von seinen Eltern, bevor er einstieg.

"Schick uns eine Eule und sag uns bescheid, ob du in den Ferien kommst, oder nicht!", rief seine Mutter, als der Zug auch schon abfuhr.

"Mach ich!", rief Remus und winkte ihnen zum Abschied, bis der Zug um eine Kurve fuhr und der Bahnsteig nicht mehr in Sicht war. Er schloss das Fenster und ging einen langen Gang entlang. Alle Abteile schienen schon ziemlich voll zu sein, als er im Vorbeigehen einen kurzen Blick durch die Glasscheiben hineinwarf.

Wenig später erreichte er den Gepäckwagen und brachte Cassandra zurück in ihren Käfig. Zwar sträubte sie sich stark und gab ihrem neuen Besitzer damit deutlich zu verstehen, dass sie keines falls dachte die gesamte Fahrt über freiwillig dort drin zu bleiben, doch waren Katzen und Eulen in den Abteilen stets unerwünscht gewesen. So hatte es ihm sein Vater zumindest am gestrigen Abend im Tropfenden Kessel erklärt.

"Tut mir leid", sagte er sanft und lächelte entschuldigend. "Aber es geht nicht anders. Entschuldige."

Er machte sich auf den Wer zu den vorderen Abteilen und begann erneut seine Suche nach einem freien Platz. Nebenbei hielt er auch noch Ausschau nach James und Sirius, doch die beiden bekam er ebenfalls nicht zu Gesicht. In den Abteilen zwischen Lok und Gepäckwagen fand sich kein freier Platz. Zu seinem Glück war er nicht bis nach ganz vorn gegangen. Eine ältere Schülerin hatte ihm erklärt, dass dies die Abteile für die Vertrauensschüler und die Schülersprecher seien und hatte ihn zurückgeschickt. Aus einem der Abteile hatte er die Stimme des platinblonden Jungen gehört und fragte sich einen Moment später, wie er zu dem Titel Vertrauensschüler gekommen sei. Remus durchquerte den Speisewagen und kam zu den hinteren Personenwagen. Er warf einen Blick in das erste Abteil und erspähte den Jungen aus der Buchhandlung und vom Bahnsteig, sowie ein Mädchen mit langem roten Haar und wunderschönen grünen Augen. Sein Herz schlug bei ihrem Anblick höher. Langsam schob er die Abteiltür auf und erntete ein paar überraschte und abschätzende Blicke.

"Ähm, entschuldigt. Hättet ihr noch einen Platz für mich frei? Die anderen Abteile, an denen ich vorbeigekommen sind, waren alle schon voll."

"Klar! Komm rein!", sagte das Mädchen fröhlich und lächelte dabei.

Remus war es so, als würden hunderte von Schmetterlingen in seinem Bauch umherflattern, als er die Tür zuschob und sich neben dem Schwarzhaarigen niederließ.

"Also, wo waren wir?", überlegte das Mädchen laut und klatschte erfreut in die Hände, als es ihr wieder einfiel.

"Wir wollten uns gerade vorstellen. Also, mein Name ist Lily Evans. Freut mich!"

Sie strahlte die beiden Jungen an.

"Severus Snape", erwiderte der Junge neben Remus knapp, dennoch nicht abweisend. Im Gegensatz zum gestrigen Tag, schien der Junge nicht ganz so kühl zu sein. In seinen Augen konnte Remus ein leichtes Flackern sehen. Er sah zu Lily. Ob es an ihr lag? Immerhin verspürte er selbst in ihrer Gegenwart eine angenehme Wärme.

"Und du?", fragte sie plötzlich und riss Remus aus seinen Gedanken.

"Wie-? Ach, ich-" Er lachte. "Remus Lupin. Freut mich sehr."

Er reichte ihr die Hand, welche sie nicht ausschlug.

"Lupin sagtest du?", fragte Severus plötzlich.

"Äh, ja. Wieso?"

"Dann bist du also auch ein Reinblüter."

Für Remus war es wie ein Schlag in den Magen. Wie konnte dieser Junge dieses Thema so ohne weiteres anschneiden? Da viel ihm ein, hatte sein Vater nicht kürzlich von den Snapes gesprochen? In Verbindung mit Du-weißt-schon-wem?

"Ähm, nein. Nicht ganz", antwortete er trocken und etwas unbehaglich.

"Was ist ein Reinblüter?", fragte Lily unverblümt.

Remus betrachtete sie kurz. Sie schien nicht zu wissen, wovon die beiden sprachen. Er lächelte sie etwas schief an.

"Deine Eltern sind Muggel, oder?"

Sie nickte und sah die zwei noch immer verwundert an.

"Weißt du, es gibt da einige Zauberer, die ihre Art, also alle magiebegabten Menschen, nach ihrer Herkunft einteilen."

"Schwarze Magier", fügte Severus recht teilnahmslos hinzu.

"Ja-" Remus ordnete seine Gedanken neu, die dieser Einwurf durcheinander gebracht hatte. "Schwarze Magier vertreten diese Theorie. Oder besser gesagt die mit reinem Blut."

"Reines Blut?"

"Ja, so nennt man die, deren Vorfahren ausschließlich Zauberer und Hexen waren."

"Aha?!"

"Dann gibt es da noch die Halbblüter. Ein Teil der Eltern ist ein Muggel, der andere eine Hexe oder ein Zauberer. Und dann sind da noch-"

"-die Schlammblüter", warf Severus wieder kühl ein.

"-die Muggelgeborenen", presste Remus zwischen seinen Zähnen hervor und bedachte Severus mit einem eiskalten Blick, der diesen jedoch unbeeindruckt erwiderte.

"Was denn jetzt? Schlammblut oder Muggelgeborener?"

Lily verstand nur Bahnhof.

"Beides trifft zu", antwortete Remus kurz und bündig. "Muggelgeborene sind Leute wie du, die Muggel als Eltern haben. Diejenigen, die die Theorie der Blutlehre für richtig halten - und selbst reinblütig sind - halten sich für etwas Besseres und die Muggelgeborenen für minderwertig. Sie nennen sie Schlammblüter. Das ist ein äußerst heftiges Schimpfwort."

Lilys Augen hatten sich geweitet.

"Das ist ja Rassismus! So etwas gibt es unter Zauberern und Hexen auch?"

Remus nickte.

"Wenn ich mich recht entsinne, dann finden deine Eltern diese Theorie richtig. Oder Severus?"

"Das tun sie durchaus", erwiderte er kühl.

"Und wie steht es mit dir?", bohrte der Brünette weiter.

"Was denkst du?"

"Die Erziehung deiner Eltern färbt sicherlich auch auf dich ab."

"Verstehe-"

"Die Bekanntschaften, welche du pflegst, sind da nicht anders. Ich gehe doch recht in der Annahme, dass du und deine Eltern ausschließlich im Kreise Malfoy, Lestrange, Crabbe, Doyle und so weiter flankieren?"

Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage und daher antwortete der junge Snape auch nicht. Remus lächelte verschmitzt.

"Du wirkst auch ziemlich kühl und scheinst dich nicht sehr von besagten Leuten zu unterscheiden."

"Remus", sagte Lily und wollte ihn auffordern damit aufzuhören Severus schlecht zu machen, doch dieser hob nur die Hand und bedeutete ihr, dass sie einen Moment warten solle.

"Aber ich bezweifle stark, dass du wirklich so bist, wie deine Eltern oder deren Bekannte."

Severus' rechte Augenbraue hob sie ein Stück und er sah Remus etwas verwirrt und gleichzeitig neugierig an. Remus lächelte ihn fröhlich an.

"Du hast mir zweimal innerhalb von zwei Tagen geholfen. Erst in Flourish&Blotts und dann heute auf dem Bahnsteig. Dabei kanntest du weder meinen Namen, noch meine Eltern. Das unterscheidet dich doch schon von deinen Eltern oder diesem blonden Eckel. Dieser eingebildete Typ konnte es ja einfach nicht lassen mich herunterzumachen."

"Und die Absperrung zu verzaubern", ergänzte Severus.

"Wie bitte?!"

Remus war aus seinem Sitz aufgesprungen.

"Das war er auch?!"

Severus nickte stumm. Remus brodelte.

"Das bringt ja das Fass zum Überlaufen! Und dann tut er auch noch so unschuldig! Wer ist dieser Idiot eigentlich?!"

"Das weißt du nicht? Und trotzdem bringt er dich so in Rage?", fragte der Schwarzhaarige mit amüsiertem Unterton.

"Es ist mir doch egal, wer dieses Ekelpaket ist! Er ist ein so pikierter Schnösel, dass ich mich einfach nicht zurückhalten kann!"

"Sein Name ist Lucius Malfoy", antwortete Severus und schien über Remus' Wutausbruch sehr belustigt zu sein. Ein Grinsen umspielte seine Lippen. Kein aufgesetztes, ein echtes. Doch keiner der beiden Reisegenossen bemerkte es. Zum Einen war Remus zu sehr außer Rand und Band, zum Anderen machte sich Lily große Sorgen um dessen Blutdruck, da Stress bekanntlich schlecht für die Gesundheit war.

"Malfoy... Hätt's mir ja denken können!", stöhnte Remus und ließ sich niedergeschlagen zurück auf seinen Sitz fallen. Er sah Severus fragend an.

"Und wie stehst du zu der Sache mit dem reinen Blut?"

Der Gefragte zuckte mit den Schultern.

"Mir ist das so ziemlich egal. Meine Eltern denken, dass ich ganz nach ihnen komme, aber eigentlich kann ich ihren Standpunkt nicht ganz nachvollziehen. Ich bin weder dafür noch dagegen. Wenn ich etwas gegen Schlamm- - Muggelstämmige hätte, dann würde ich wohl kaum mit Lily ein Abteil teilen, oder? Und mit dir auch nicht. Immerhin sind die Lupins wie die Potters oder die Weasleys. Und wenn ich dich recht verstanden habe, dann bist du auch nicht reinblütig."

Lily verstand nur Bahnhof. Aber wie sie den letzten Worten Severus' entnommen hatte, schien er - trotz seiner Eltern - nichts gegen sie selbst oder andere Zauberer und Hexen mit Muggeln als Eltern zu haben.

Remus nickte kaum merklich. Plötzlich fiel ihm ein, dass Lily ja auch noch da war und dass sie sie gerade übergangen hatten.

"Oh, äh, Lily..."

"Als was arbeiten eure Eltern eigentlich?", fragte sie, bevor Remus einen vernünftigen Satz zustande gebracht hatte.

Der Braunschopf lächelte.

"Mein Vater arbeitet im Zaubereiministerium, im Komitee für muggelgerechte Entschuldigungen. Hat alle Hände voll zu tun."

"Und deine Mutter?"

"Äh, die arbeitet nicht", antwortete er etwas verlegen, doch Lily schien bemerkt zu haben, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte und wendete sich nun an Severus.

"Und deine Eltern?"

"Mein Vater unterrichtet Zaubertränke an der magischen Universität in London und erforscht dort zusammen mit meiner Mutter neue Tränke und - Heilmittel."

Remus wusste, dass sein Nebenmann eigentlich etwas ganz anderes hatte sagen wollen, doch er wollte nicht nachhaken.

"Also so was wie Chemiker?", fragte Lily.

"Chemiker?", erwiderte Severus, der diesen Begriff wohl zum ersten Mal hörte.

"Das sind Leute, die mit verschiedenen Säuren und Basen herumexperimentieren und sich mit Atombau und Molekülen und so beschäftigen. Und zum Beispiel mit der Zusammensetzung verschiedener Stoffe."

"Nein, das sind sie eher nicht", meinte Severus nur knapp.

"Und was sind deine Eltern?", fragte Remus prompt.

"Mein Dad ist Lehrer an einer Grundschule und meine Mum ist Reporterin. Als sie erfahren hat, dass ich eine Hexe bin und das es neben ihrer Welt noch eine Welt voller Magie gibt, wollte sie sofort einen Artikel über Hexen, Zauberer, Hogwarts und so weiter schreiben. Aber sowohl das Muggelministerium, als auch das Zaubereiministerium haben es ihr strickt verboten. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was sie für einen Aufstand gemacht hat. Das war wirklich einmalig!"

Lily begann herzhaft zu lachen und Remus fiel mit ein. Severus jedoch konnte sich nicht einmal zu einem kleinen Lächeln hindurchringen. Lily wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln.

"Sagt mal, was denkt ihr, in welches Haus ihr kommt?", fragte Remus, nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte.

"Was für Häuser?", fragte Lily verwundert.

"Hogwarts wird in vier Häuser unterteilt", antwortete Severus nüchtern. "Die da wären Hufflepuff, Ravenclaw, Slytherin und Gryffindor. Sie wurden nach ihren Gründern benannt. Soviel ich weiß, kann man das auch in Geschichte Hogwarts' nachlesen."

"Und was ist so besonders an den Häusern?"

"In jedem Haus stehen andere Werte hoch im Kurs. In Hufflepuff ist Gerechtigkeit und Treue wichtig. Außerdem darfst du nicht all zu faul sein. In Ravenclaw musst du sehr lernfähig sein und neugierig. In Gryffindor ist Mut angebracht und in Slytherin musst du tückisch und hinterlistig sein und dich auf deinen eigenen Vorteil verstehen."

"Deshalb, so sagt man, werden dort die schwarzen Magier regelrecht am laufenden Band produziert", kommentierte Remus trocken, was ihm nur einen abwertenden Blick von Severus' Seite her einbrachte.

"In Slytherin sind fast ausschließlich nur Reinblüter. Es ist wirklich selten, dass Halbblüter oder gar Muggelgeborene dort hinkommen. Und wenn, dann wären sie so ziemlich ausgegrenzt", meinte der Schwarzhaarige.

"Also ich denke, dass ich nach Gryffindor komme", warf Remus ein. "Meine Eltern, Großeltern und auch meine Urgroßeltern waren schon allesamt da."

"Ich komme sicherlich nach Slytherin", erwiderte Severus relativ gleichgültig. "Bei mir ist es genau so, wie bei dir, Remus."

"Das heißt noch lange nicht!", rief Lily eilig. "Das muss doch nicht zwangsläufig so sein."

Severus schüttelte den Kopf und grinste dreckig. "Wir können gerne eine Wette abschließen."

Lily schmollte. Wieso dachte Severus nur so schlecht von sich selbst? Wieso schien er so genau zu wissen, dass ihm das gleiche wie seinen Eltern blühte? Das konnte er doch nicht vorher wissen. Remus schien ja auch keine so schlechte Meinung von ihm zu haben. Und sie selbst konnte die beiden Jungen recht gut leiden. Lily war ein Mensch, der sich seine Meinung meist beim ersten Treffen bildete. Und der erste Eindruck, den sowohl Remus, als auch Severus auf sie machten, war ein wirklich guter. Zwar wirkte Severus etwas unterkühlt und unnahbar, doch sie war sich sicher, dass sich hinter der rauen Schale ein weicher Kern verbarg. Remus hingegen schien ziemlich aufgeschlossen und sehr freundlich. Seine Haut war recht hell - doch nicht so bleich, wie die Severus'. Wahrscheinlich war der Brünette nicht ganz so hyperaktiv und eher zurückgehalten. Sie war sich sehr sicher, dass er zuvorkommend war und gut erzogen. Bei Severus viel ihr die Einschätzung nicht ganz so leicht. War er doch nicht so einfach zu lesen, wie der Andere. Gut erzogen war er sicherlich auch, er schien genau so selten - oder sogar noch seltener - an die Luft zu kommen, wie Remus. Er schirmte sich anderen gegenüber ab und zeigte sicherlich nur selten positive Gefühlsregungen, was wohl auf seiner Erziehung und seinen bisherigen Umgang zurückzuführen war. Die schwarze Kleidung, die er trug, ließ ihn nur noch blasser wirken, als er eigentlich schon war. Sein Haar war zwar gepflegt, doch war es etwas schmierig. Remus' Haar dagegen glänzte richtig und sah recht weich aus. Dafür war seine Kleidung schon etwas älter und abgenutzter.

Lily schüttelte den Kopf. Nein, sie hatte gelernt andere nicht nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Das war äußerst dumm und unratsam. Diese beiden Jungen, die gerade vor ihr saßen, waren wirklich nett und sie freute sich gleich an ihrem ersten Tag zwei Zauberer, wie sie es waren, kennen gelernt zu haben. Sie strahlte die beiden glücklich an. Lily war sich sicher. Hogwarts würde die schönste Zeit ihres Lebens werden.

Remus hatte förmlich mit ansehen können, wie das rothaarige Mädchen - das seiner Meinung nach einer Fee gleich kam, so atemberaubend schön war sie - von einem Gefühl in ein nächstes gestolpert war. Erst hatte sie besorgt gewirkt, danach abschätzend, dann wieder bedrückt, sogleich ziemlich nüchtern und entschlossen und schließlich hatte sie die beiden überglücklich angelächelt. Remus erwiderte das Lächeln sanft, doch Severus ging nicht darauf ein. Nicht ein Muskel zuckte.
 

Es war schon spät am Nachmittag. Vor ungefähr einer Stunde hatte es angefangen zu regnen. Dicke Regentropfen klatschten gegen das Fenster und bildeten einen grauen Schleier. Der Blick nach draußen war verwehrt, aber das Einzige, was man dort draußen hätte sehen können - oder besser nicht sehen können - war tiefe Dunkelheit, die sich über das Land gelegt hatte. Es war recht frisch und Lily hatte sich daher einen dicken, flauschigen Pullover übergezogen. Vom Sonnenschein und der herrlichen, dennoch für diese Jahreszeit bereits ungewöhnlichen, Sommertemperaturen war nun nichts mehr zu spüren.

Während Lily ein Muggelheft in der Hand hielt und verschiedene Rätsel löste, las Remus in einem der neuen Schulbücher (Quirin Sumo: Dunkle Kräfte. Ein Kurs zur Selbstverteidigung). Entgegen seiner Erwartungen war es doch recht interessant und gut zu lesen. Severus, der geraume Zeit aus dem Fenster gestarrt hatte, war vor gut einer viertel Stunde eingeschlafen und lehnte mit deinem Kopf gegen die Fensterscheibe. Das Glas war leicht um ihn herum geschlagen.

Leise ging die Tür auf und eine Frau mit roten Wängchen stand vor ihnen. Sie lächelte.

"Verzeiht, dass ich so spät bin. Eine Kleinigkeit vom Wagen gefällig, ihr Süßen?"

Remus legte ein Lesezeichen in das Buch und ließ es auf seinem Sitz liegen. Er ging zur Tür, als er Lilys Stimme vernahm.

"Und Severus? Er hat sicher auch Hunger. Sollten wir ihn nicht wecken?"

Remus lächelte.

"Lass ihn schlafen. Wir kaufen ihm einfach etwas mit. Wenn er wach ist, dann kann er ja auch noch essen."

Lily nickte. Ja, Remus hatte recht. Severus tat der Schlaf sicher gut und so wichtig waren Süßigkeiten nun auch wieder nicht. Sie stand auf und folgte Remus auf den Gang. Ihr Blick schweifte über die Leckereien und ihr lief regelrecht das Wasser im Mund zusammen.

"Was möchtet ihr denn? Ich habe Bertie Botts Bohnen in allen Geschmacksrichtungen, Bubbles Besten Blaskaugummi, Schokofrösche, Kürbispasteten, Kesselkuchen, Lakritz-Zauberstäbe, sahnige Nugatriegel, Zahnweiß-Pfefferminzlakritze und kleine Pfefferkobolde."

Remus und Lily nahmen eine Packung Bertie Botts Bohnen, je drei Kürbispasteten und Lakritz-Zauberstäbe sowie eine Packung Bubbles Besten Blaskaugummi und eine Packung Schokofrösche. Außerdem kauften sie noch eine Kanne Kürbissaft, welche sich von allein auffüllte wenn sie leer war und ließen sich dazu drei Gläser geben. Jeder von ihnen bezahlte die Hälfte und dann gingen sie mit den Naschereien zurück in ihr Abteil. Sie legten die Süßigkeiten auf den freien Sitz neben Lily und Remus verzauberte die Kanne mit dem Kürbissaft und die Gläser so, dass sie nicht ausliefen, falls sie umstürzten. Damit erreichte er ein Lob von Lily, was ihn etwas rot werden ließ.

Lily probierte eine Bertie Botts Bohne und meinte, dass das wahrscheinlich ihre erste und letzte sei. Remus fragte welche Geschmacksrichtung sie erwischt habe und Lily presste nur schwerlich "Die schmeckt wie eine alte Turnschuhsocke." zwischen ihren Zähnen hervor. Remus konnte sich daraufhin nicht mehr zurückhalten und bekam einen Lachanfall. Er krümmte sich, so heftig stach es in seinen Seiten, doch er konnte sich nicht beruhigen. Lily begann nur zu schmollen und stürzte ein Glas Kürbissaft in sich hinein, um den widerlichen Geschmack aus ihrem Mund zu verbannen. Nachdem sie sich satt gegessen hatten (Lily hatte sich zu einer weiteren Bertie Botts Bohne hindurchgerungen und glücklicher Weise eine, die nach Kirsche schmeckte, erwischt), hatte es nicht lange gedauert und die beiden waren, wie bereits Severus, eingenickt.
 

Es regnete noch immer, als Severus verschlafen die Augen öffnete und sich im Abteil umsah. Sowohl Lily, als auch Remus schliefen tief und fest. Sofort fielen ihm die Süßigkeiten auf dem Sitz neben Lily ins Auge und sein Magen knurrte. Da auf dem freien Platz neben Remus (ein Abteil hatte sechs Sitze) mehrere zerknüllte Verpackungsreste lagen und er drei Gläser, davon noch eins unbenutzt, ausmachte, schloss er, dass die beiden ihm etwas vom Imbisswagen gekauft hatten und er dankte ihnen innerlich dafür. Bis zur Ankunft in Hogwarts - was wohl nicht mehr all zu lang dauern würde - wäre er sicherlich bereits verhungert. Daher nahm er sich die letzte Kürbispastete und begann sie genüsslich zu verspeisen. Danach aß er den Lakritz-Zauberstab und einen der übrig gebliebenen Schokofrösche. In der Packung fand er eine Karte, die er aber - nachdem er gelesen hatte, was darauf stand (Godric Gryffindor) - wieder hineinfallen ließ. Er trank ein Glas Kürbissaft und wandte seine gesamte Aufmerksamkeit nun wieder der Schwärze, die den Zug umgab. Er fühlte sich nun - gesättigt wie er war - wieder etwas besser. Ein leichtes Lächeln kroch über sein Gesicht. Ja, er war Lily und Remus dankbar, dass sie an ihn gedacht hatten. Es war das erste Mal gewesen, dass jemand an ihn gedacht hatte. Remus und Lily waren wirklich nett, so dachte er. Aber er wusste, dass er, wenn er nach Slytherin kam, keine Gelegenheit mehr haben würde sich mit ihnen anzufreunden. Lily war eine Muggelgeborene und Remus der Sohn von Zauberern, die schon über Generationen hinweg im Hader mit seiner eigenen Familie standen, da die Lupins bei den Schwarzmagiern als Muggelfreunde und Blutsverräter verschrieen waren und die Snapes zu besagten Schwarzmagiern gehörten. Würde Severus sich mit den beiden einlassen, so würde dies kein gutes Ende nehmen. Sicherlich: weder Remus' Eltern noch die Lilys würden etwas an Severus auszusetzen haben. Die Lupins waren sehr aufgeschlossen und Muggeleltern wussten nichts von den Familienbeziehungen der Zauberer. Das Problem stellten Severus' eigene Eltern und deren Bekanntenkreis dar. Sie würde es nie gestatten, dass ihr Sohn mit Kindern von Muggeln oder Blutsverrätern verkehrte. Auch würde er in Hogwarts kaum unbeobachtet bleiben. Einige der Slytherins kannte er nur all zu gut. Einige der Blacks, der Sprössling der Malfoys, der der Crabbes und die der Goyles um nur einige beim Namen zu nennen. Würde es herauskommen, dass er etwas mit Leuten wie Remus und Lily zu tun hatte, so würde er wahrscheinlich von seinen Eltern verstoßen werden (wenn er Glück hatte). Severus seufzte tief. Nach dieser Zugfahrt - oder spätestens nach der Verteilung auf die Häuser - würde er kein nettes Wort mehr mit den beiden wechseln.
 

Es hatte aufgehört zu regnen, doch nichts desto trotz konnte man draußen vor dem Fenster keinen einzigen Umriss erkennen. Alles war Pechschwarz.

Remus und Lily waren noch immer nicht aufgewacht und Severus starrte noch immer gelangweilt aus dem Fenster, als die Tür sich ein weiteres Mal öffnete. Severus sah auf. Ein Mädchen mit langen gewellten braunen Haaren und funkelnden blauen Augen stand in der Tür. Severus schätzte sie auf fünfzehn oder sechzehn. Sie trug bereits ihre Schuluniform und auf ihrer Brust prangte das Ravenclaw-Wappen. Sie lächelte den einzigen wachen Abteilbewohner an.

"Wir sind in zehn Minuten in Hogsmeadee. Weck doch bitte die anderen und zieht euch eure Umhänge an."

Severus nickte nur. Das Mädchen lächelte noch etwas stärker.

"Danke!"

Damit schob sie auch schon die Tür zu und machte sich auf zum nächsten Abteil. Severus glaubte auch kurzzeitig das Vertrauensschülerabzeichen gesehen zu haben, doch das interessierte ihn im Moment nicht sonderlich. Vorsichtig rüttelte er zunächst Lily und dann Remus wach. Die beiden gähnten herzhaft und rieben sich den Schlaf aus den Augen.

"Sind wir schon da?", fragte Lily noch immer müde.

"Gleich", antwortete Severus. "Wir sollen uns umziehen."

Remus wuschelte sich verschlafen durch die Haare. Lily lachte.

"Was ist?", fragte er verwundert.

Sie deutete auf sein Haar.

"Deine Haare! Die stehen in alle Richtungen ab."

Remus errötete leicht und versuchte sein Haar zu bändigen, was ihm allerdings nur mit mäßigem Erfolg gelang. Lily kicherte noch immer vergnügt, zog sich dabei jedoch ihren Umhang an. Severus tat es ihr gleich und ließ sich dann wieder auf seinen Sitz zurückfallen. Nachdem auch Remus es endlich geschafft hatte sich fertig zu machen, sammelte er noch schnell die verstreuten Verpackungsreste ein und stopfte sie in den kleinen Papierkorb, der neben der Schiebetür stand. Dieser verschlang alles und rülpste darauf hin. Lily brach erneut in schallendes Gelächter aus, als sie Remus' überraschtes Gesicht sah. Zwar hatte sie selbst nicht mit so etwas gerechnet, doch Remus sah einfach zu köstlich aus.

Der Zug schien langsamer zu werden. Die drei Erstklässler warfen einen Blick nach draußen. Es war bereits so düster, dass sie nur ab und an die Silhouetten der vorbeirauschenden Bäume sehen konnten. Es schien bewölkt zu sein, da Remus wusste, dass es nicht mehr lange bis zu Vollmond dauern würde und es deshalb eigentlich recht hell sein musste. Doch dies war nicht der Fall. Sterne konnten sie auch keine sehen.

Plötzlich hörten sie eine laute Stimme, welche durch den ganzen Zug hallte: "In fünf Minuten erreichen wir Hogwarts. Bitte lassen Sie Ihr Gepäck im Zug, es wird für Sie zur Schule gebracht."

Remus schluckte. Die Stunde der Wahrheit kam nun in großen Schritten auf ihn zu. Auch Lily war etwas ruhiger geworden und schien etwas blass. Severus hingegen blieb unverändert. Die drei standen auf und traten auf den Gang. Andere Schüler taten es ihnen gleich und schon einen kurzen Moment später war der Gang prall gefüllt.
 

Der Zug bremste und kam zum Stillstand. Die Schüler drängelten allesamt und schoben sich durch die Tür hinaus ins Freie. Remus sah sich um. Hier draußen war es noch dunkler, als er es vom Zug aus vermutet hatte. Er konnte zunächst nicht einmal seine Hand vor Augen sehen. Als sich seine Augen jedoch an die Finsternis gewöhnt hatte, sah er sich abermals um. Sie standen auf einem kleinen, düsteren Bahnhof. Das Schild konnte er nicht lesen. Zwar war es nicht weit von ihm entfernt, doch war es in der Dunkelheit nicht zu entziffern. Er zitterte. Die Abendluft war eisig. Severus und Lily hatte er im Gedränge ebenfalls verloren. Er reckte sich und streckte sich, doch es half nichts. Er sah sie nicht. Sirius und James, die er am vorangegangenen Tag kennen gelernt hatte, hatte er bis jetzt auch noch nicht entdeckt.

In dem Gebrabbel und Getöse, die die Schüler veranstalteten, schwappte eine tiefe Stimme an Remus' Ohr. Er sah sich um. Am anderen Ende des Bahnsteiges schwang eine Laterne über den Köpfen der Schüler hin und her. Ein Hüne stand dort. Ein struppiger Bart umrahmte sein Kinn und eine lange Haarmähne verdeckte sein Gesicht. Lediglich die Augen waren zu sehen, welche im Schein der Lampe unheimlich leuchteten.

"Erstklässler! Erstklässler zu mir! Hier her!", donnerte seine Stimme über den Bahnhof.

Und erst jetzt fiel Remus auf, dass die Schüler, die um ihn herum standen alle einige Köpfe größer waren, als er selbst. Er schien unter die älteren Schüler geraten zu sein. Jetzt war auch klar, wieso er weder Lily noch Severus gesehen hatte. Er kämpfte sich durch die Mengen und streifte dabei eine ihm wohl bekannte Person.

"Kannst du nicht aufpassen?", zischte eine Stimme.

,Geh weiter Remus! Reagier nicht.'

"Du schon wieder?", fuhr die Stimme spottend fort. "Interessant, dass du es doch noch in den Zug geschafft hast."

Remus verfluchte sich selbst, doch er konnte nicht anders, als sich umzudrehen. Und da stand er - Lucius Malfoy - und sah herablassend auf den Jüngeren hinab.

"Ja, und dir hab ich das ganz sicher nicht zu verdanken", erwiderte Remus ungehalten.

"Und wem dann?"

"Das kann dir egal sein."

Remus' Stimme mutierte langsam zu einem Knurren.

"Na na, Fiffy. Wer wird denn gleich so überreagieren?"

Er und einige Herumstehende, wohl auch Slytherins, lachten über diese Bemerkung.

"Wie bitte?!"

"Ach, Fiffy, du hörst schlecht. Das tut mir aber leid."

"Du..."

Remus fehlten die Worte. So etwas abtrünniges, wie Lucius war ihm noch nie unter die Augen gekommen. Wütend drehte er sich um und ging zu den anderen Erstklässlern. Er hörte nur noch einen Kommentar des Platinblonden:

"Jetzt kneif doch nicht gleich den Schwanz ein, Fiffy. Wenn du lieb bist und mir die Schuhe leckst, dann bekommst du einen Hundekuchen!"

Schallendes Gelächter folgte. Remus kochte vor Wut. Hatte er doch gehofft diesen Jungen so schnell nicht wieder zu sehen. Brachte er doch jedes Mal das Fass zum Überlaufen.

"Alle da?", rief der Riese plötzlich und sah sich um. "He, du da hinten. Beeil dich!"

Die letzten Worte hatten Remus gegolten. Die meisten Schüler drehten sich zu ihm um und er grummelte nur etwas Unverständliches vor sich hin. Als er endlich angekommen war, setzte sich die Gruppe in Bewegung. Allen voran der Hüne.

"Hopp hopp! Nicht so langsam. Mir nach. Aber passt auf, wo ihr hintretet!"

Sie schlitterten und rutschten einen engen, sehr steilen Pfad hinunter. Es war zappenduster und hin und wieder konnte Remus einige Schüler - sowohl Mädchen, als auch Jungen - fiepen und schniefen hören. Anscheinend schienen sie Angst zu haben, doch Remus tapste recht mühelos hinter allen her.

"Wooooooow!", riefen einige laut, als sie um die letzte Biegung gekommen waren und nun Hogwarts erblickten. Der schmale Pfad hatte zu einem Ufer eines gewaltigen, tiefschwarzen Sees geführt. Am gegenüberliegenden Ufer ragte ein Berg in die Höhe, auf dessen Spitze ein riesiges Schloss thronte, dessen hellerleuchtete Fenster in die Dunkelheit glitzerten.

"Höchstens vier in einem Boot! Habt ihr verstanden?", rief der riesige Mann.

Am Seeufer lagen einige Boote und schienen nur auf die Erstklässler gewartet zu haben. Remus kletterte in eines der Boote und musste lächeln, als sowohl Severus, als auch Lily mit einstiegen. Ein weiteres Mädchen folgte ihnen. Remus kam sie bekannt vor. Sie hatte langes schwarzes Haar und wunderschöne blauviolette Augen. Sie erinnerten ihn an ein paar seltene Edelsteine, die selbst in der größten Dunkelheit ihren Glanz nicht verloren. Ihr schwarzes Haar war glatt und fließend. Wie schwarzer Samt, so dachte Remus sich. Seide oder Satin würden ihm auch sehr nahe kommen. Sie war nicht ganz so blass, wie er selbst. Ihre Wangen wiesen einen leichten Rotschimmer auf. War sie nicht eines der drei Mädchen gewesen, die er auf dem Bahnsteig zwischen Gleis neun und zehn getroffen hatte? Ja! Er war sich sicher. Sie war die jüngste der drei Töchter gewesen. Ein mulmiges Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit. Das hieß, dass ihre Eltern ebenfalls in den Bekanntenkreis der Snapes zählten. Allerdings wirkte sie nicht so kalt und abweisend, wie ihre beiden anderen Schwestern. Wenn er sich recht entsann, dann hatte sie sich in King's Cross auch nicht über ihn lustig gemacht, wie es die anderen beiden Mädchen getan hatten. Als sie spürte, dass Remus sie schon eine geraume Zeit ansah, lächelte sie ihn freundlich an. Er war überrascht. Ihr Lächeln ähnelte stark dem Lilys. Von ihr ging ebenfalls etwas Warmes und Herzliches aus. Leicht verlegen und mit rosafarbenen Wangen erwiderte er das Lächeln.

"Andromeda Black", flüsterte Severus leise.

Remus brauchte eine Weile, bis er verstand, wieso Severus ihm den Namen so leise zugeflüstert hat und wem er gehörte. Er lächelte. Andromeda hieß sie also. Ein schöner Name. Aber halt! Hatte Severus gerade Black gesagt? War sie dann nicht mit Sirius verwandt? Aber das hieße ja, dass dessen Eltern ebenfalls... Das erklärte auch, wieso Sirius gestern allein mit James und dessen Eltern in der Winkelgasse war. Wahrscheinlich wussten dessen Eltern nichts von ihrer Freundschaft oder missbilligten sie zumindest. Remus seufzte. Wieder diese verfluchten Vorurteile. Wieso lag es nur in der menschlichen Natur alles in Frage zu stellen und von seinen negativen Seiten zu betrachten? Er konnte es einfach nicht begreifen.

Als alles Schüler in den Booten waren, setzten sich diese langsam in Bewegung und glitten lautlos über den See. Alles war still. Alle betrachteten das Schloss in seiner ganzen Pracht, nur Remus nicht. Er besah sich die Wasseroberfläche, welche von den Bewegungen der Boote zum Zittern gebracht wurde. Was dort unten wohl alles lebte? Er erinnerte sich daran, dass Mr. Ollivander gesagt hatte, dass Kelpies im Seetang lebten. So tief, wie der See wirkte, musste es hier sicherlich eine Menge Seetang geben. Vielleicht gab es hier ja sogar Kelpies. Innerlich war er über diesen Gedanken recht zwiegespalten. Zum Einen hätte er diese Geschöpfe nur zu gern einmal gesehen. Sie hörten sich sehr interessant an und er würde sie gern etwas ausführlicher studieren. Zum Anderen hatte Mr. Ollivander erzählt, dass sie ihre Opfer in die Fluten lockten und dann in Fetzen rissen. Diese Aussicht war dann doch nicht gerade sehr empfehlenswert.

Während er seinen Gedanken nachhing, starrte er weiter auf die Wasseroberfläche, als er plötzlich ein Paar rotglühender Augen sah. Erschrocken riss er die seinen weit auf und lehnte sich über den Bootsrand.

"He, Remus. Nicht so weit nach vorn!", rief Lily erschrocken.

Doch Remus hörte nicht. Er starrte auf den Wasserfleck, wo er gerade eben noch die Augen gesehen hatte. Doch sie waren wieder verschwunden. Langsam begann der Junge an seinem Verstand zu zweifeln und fragte sich, ob ihm seine Augen nur einen dummen Streich gespielt hatten. Wieder war er in Gedanken und so hörte er auch nicht, wie der Hüne, welcher ein Boot für sich allein hatte, "Ducken!" rief, als die ersten Boote den Felsen, auf welchem das Schloss prangte, erreicht hatten und durch einen Efeuvorhang fuhren, hinter welchem sich ein langer schmaler Tunnel befand.

"Pass auf!", rief Lily und sie und Severus wollten Remus noch packen, doch zu spät.

Er verfing sie im Efeu, während ihr Boot weiterfuhr und er plötzlich in der Luft baumelte.

"He!"

Er zappelte und strampelte heftig. Dabei riss der Efeu und Remus landete mit einem lauten Platscher im Wasser. Sein Herz hatte für einen Moment ausgesetzt, als er im eiskalten Nass gelandet war und schlug jetzt jedoch heftig und schnell gegen seinen Brustkorb.

"Was machst du denn da?!", rief die wütende Stimme des Mannes, der die Erstklässler ins Schloss geleiten sollte, durch den Tunnel zu Remus zurück. "Ihr da hinten! Fischt ihn raus, aber fallt nicht auch noch rein!"

Remus hatte Glück, dass noch ein Boot nach ihnen gekommen war. Er wurde von vier kräftigen Armen in das Boot gehievt. Remus keuchte und zitterte am ganzen Leib. Er hatte seine Augen geschlossen und rang nach Atem.

"D-danke", brachte er nur schwer heraus.

"Konntest es wohl nicht abwarten baden zu gehen, was?", fragte eine ihm wohlbekannte Stimme.

Langsam öffnete er die Augen und sah James und Sirius, die über ihm gebeugt waren und breit grinsten. Remus grinste ebenfalls etwas.

"So in etwa."

Die zwei Schwarzhaarigen feixten sich gegenseitig an. Nachdem sie im Tunnel waren, richtete sich Remus auf und bekam erst jetzt mit, dass noch ein weiterer Junge bei ihnen im Boot saß. Er hatte bis jetzt keinen Ton von sich gegeben. Sein Haar war kurz und blond, seine Augen schimmerten grau und er wirkte etwas rundlich. Das konnte aber auch an seinem dicken Pullover, den Remus unter seinem Umhang hervorgucken sah, liegen.

Das Boot dümpelte durch den Tunnel und erreichte wenig später eine Art unterirdischen Hafen, welcher sich unter dem Schloss befand. Die anderen warteten bereits auf die vier und der Koloss schien ziemlich sauer zu sein. Remus schluckte unmerklich, als er dessen verärgertes Gesicht sah. Sein Körper zitterte nun nicht nur der Kälte wegen.

Als sie aus dem Boot geklettert waren, stand der riesige Mann plötzlich vor Remus. Remus blick wanderte ganz langsam nach oben und als er in die schwarzen Augen seines Gegenübers sah, lächelte er nervös. Am Liebsten wäre er in diesem Moment schreiend weggerannt, doch seine Beine waren wie angewurzelt.

"Alles okay?", fragte der Mann plötzlich sanft.

Sanfter, als Remus es von ihm für möglich gehalten hätte.

"Geht schon", erwiderte Remus, wobei er niesen musste.

Der Hüne zog seinen Maulwurfmantel, welcher unzählige Taschen hatte, aus und legte ihn um Remus.

"Hier, sonst erkältest du dich noch ernsthaft", sagte er und lächelte dabei.

Remus schlang den Mantel fest um sich und war erstaunt, dass der Riese so freundlich war.

"D-danke", stotterte er und fühlte sich unter dem Mantel, der ihm einige Nummer zu groß war, gleich viel besser.

Der Koloss wandte sich zu den anderen Schülern um.

"Wenn ihr alles habt, dann folgt mir!"

Er nahm seine Lampe, die ein Mädchen ihm kurzweilig gehalten hatte, wieder an sich und ging voraus. Die Schüler folgten ihm und sie stiegen gemeinsam mit ihm einen langen steilen Felsgang empor. Die Stufen des Ganges waren klein und hoch. Remus hatte mit dem dicken, langen Mantel alle Mühe voran zu kommen. Er war der Letzte und schon nach kurzer Zeit ein ganzes Stück zurückgefallen. Keuchend und schnaufend kam er endlich ins Freie und fand sich auf einer Wieso, welche im Schatten des Schlosses lag, wieder. Die anderen waren eine riesige Steintreppe hinaufgegangen und standen vor einem riesigen Eichentor. Remus grummelte erneut und schleppte sich nun auch diese Stufen hoch. Er fluchte innerlich. Wäre er nicht in den See gefallen, dann müsste er jetzt nicht diesen dicken Mantel mit sich herumschleppen. Sicherlich, er hielt warm und es war gut gemeint gewesen, aber das Laufen erleichterte ihm der Mantel nicht gerade.

"Alle da?", fragte der riesige Mann und ließ seinen Blick über die Jungen und Mädchen schweifen.

Als auch endlich Remus die letzte Stufe genommen hatte und bei ihnen war, klopfte er mehrmals an das Eichenportal.
 

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1.Akt, Kap.II - Ende

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Drachenherz
2004-08-10T12:38:15+00:00 10.08.2004 14:38
WAS?! Noch kein Kommi? Das müssen wir aber schnell ändern. ^^
Ich finde die FF wirklich toll. Im 1. Kap in der Winkelgasse hasste dich am 1. HP Band orientiert oder?
Aber war Lucius (*erwürg* wie kannste das den armen Remus nur so ärgern?) nich mit Severus zusammen in einer Klasse und genauso alt wie Remus, James und Co.? Ach egal

Schreib schnell weiter. Freu mich schon aufs nächste Kap

Grauwolf *knuddel*


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