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Liebe, Leid und Leben

Mamorus Jugend
von

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Gedankenverloren saß Mamoru an seinem Platz und starrte die langen, schwarzen Haare an, die nur einen Meter vor ihm über Hikaris Schultern flossen. Würde er sich nur ein wenig vorbeugen, könnte er nach dieser seidigen, schier einzigartig dunklen Haarpracht greifen. Doch er ließ es besser. Chikara saß nämlich direkt neben ihr und wachte wie ein Schießhund über seine Angebetete. Und ihm entging nicht die allerkleinste Bewegung. Mamoru war also völlig chancenlos und fügte sich in sein Schicksal.

Doch das störte ihn im Moment nur mäßig. Denn er war zu sehr damit beschäftigt, Hikaris Haare zu bestaunen. Diese glatten, langen Haare, die wohl weich wie Wolken sein mussten, und die sich im allerkleinsten Lufthauch bewegten. Es schien, als spielten sie mit dem Wind, nur um Mamoru zu verzaubern, ihn zu faszinieren, ihn völlig in einen unüberwindbaren Bann zu ziehen!

Da regte sich der schwarze Schleier, gleich einem Theatervorhang, der zur Seite gezogen wurde, um einem Schauspiel sondergleichen platz zu machen: je mehr die Haare zur einen Seite verschwanden, um so mehr erschien Hikaris Gesicht auf der anderen Seite. Sie drehte sich wahrlich zu Mamoru um!

Ihre sanften Smaragdaugen wandten sich ihm zu, und sie warf einen tiefen Blick in Mamorus lapislazulifarbene Augen, die begierig jeden einzelnen Farbton assimilierten, der sie traf.

Ungeachtet der Gefahr, die Chikara verkörperte, widerstand Mamoru nicht, Hikari ein Lächeln zuzuwerfen. Er schwebte geistig auf höchsten Wolken!

...bis ihm plötzlich klar wurde, dass jeder, wirklich absolut jeder der Klasse ihn anstarrte. Wer seinen verklärten Blick nicht gesehen hatte, musste blind sein! Entsetzt stellte er weiterhin fest, dass auch Chikara nicht entgangen war, wie Mamoru Hikari zugelächelt hatte.

<Ok, das war's. Ich bin tot. Ich lass mich einsargen.>

Mit tomatenrotem Kopf sah sich Mamoru nach einem Mauseloch um, in das er sich verkriechen könnte. Doch die Schulleitung schien gutes Geld für Schädlingsbekämpfung hinzulegen. Es war weit und breit kein Loch zu finden.

"Chiba?", meinte Herr Fune, der Geschichtslehrer, da gerade. In seiner Stimme schwang ein leicht gereizter Unterton mit, und es war normalerweise schwer, diesen sonst so lässigen Lehrer zu reizen. "Würden Sie meine Frage bitte beantworten, bevor Sie weiterträumen?"

<Welche Frage?> Mamoru fühlte sich hoffnungslos hilflos. Er stupste mit der Fußspitze Motokis Fuß an.

"Was soll ich jetzt sagen?", flüsterte er ohne jedwede Lippenbewegung.

Motoki antwortete, ebenfalls so, dass man es nicht merkte: ""Du musst ja nichts sagen, Du sollst nur reden." Er konnte sich den dummen Spruch wohl nicht verkneifen. Wieder einmal.

"Klugscheißer", murmelte Mamoru.

"Also?", meinte Herr Fune. Er hatte inzwischen die Arme vor der Brust verschränkt. "Ich warte!"

"Öh, wie war doch gleich die Frage?", fragte Mamoru kleinlaut.

"Ich würde gerne von Ihnen wissen, wie das europäische Weltbild vor 1600 aussah."

Froh darüber, diese Frage beantworten zu können, sprudelte es aus Mamoru heraus: "Die hatten ne Scheibe als Kugel, ...äh..."

<Ups, total verhaspelt.>

Er erntete allgemeine Heiterkeit, was ihm in seiner prekären Lage aber auch nicht weiterhalf.

"...ich meine, damals hat man die Welt für ne Scheibe gehalten, und noch nicht für eine Kugel", verbesserte er sich. Innerhalb einer Nanosekunde entschloss er sich, alles auf eine Karte zu setzen und fügte noch hinzu: "Oder besser gesagt: man hat sie nicht mehr für eine Kugel gehalten. Denn dass die Erde eine Kugel ist, wussten schon die alten Griechen. Aber dieses Wissen ist bis in das Zeitalter des Mittelalters verloren gegangen." Seine Stimme war, während er sprach, immer leiser geworden und verstarb nun völlig.

Herr Fune nickte.

<Etwa ein zufriedenes Nicken?>, fragte sich Mamoru hoffnungsvoll.

"Sie haben sich soeben wieder gerettet, Herr Chiba. Meinen Glückwunsch! Die Antwort war völlig korrekt und zudem noch mehr, als ich zugegebenermaßen erwartet hätte", meinte Herr Fune, nun wieder lausbübisch lächelnd, "Ich darf Sie dennoch um Aufmerksamkeit in meinem Unterricht bitten. Oder was machen Sie sonst hier in der Schule, wenn es Sie nicht mehr interessiert?"

Mamoru, der schon wieder etwas an Selbstvertrauen zurückgewonnen und dafür an roter Gesichtsfarbe verloren hatte, antwortete mutig mit einem Schulterzucken: "Hier ist es warm und ich hab ein Dach überm Kopf."

Seine Klassenkameraden lachten, diesmal nicht über ihn, sondern mit ihm. Selbst Herr Fune schmunzelte. Und außerdem, man höre und staune, sogar Hikari schien der Spruch zu gefallen. Sie ließ ein glockenhelles Lachen vernehmen, und ihre wundervollen grünen Augen strahlten pure Begeisterung aus.

Was Mamoru allerdings nicht auffiel, war die Tatsache, dass seine plötzliche Beliebtheit Chikara gar nicht in den Kram passte. Es gefiel dem muskulösen Blonden überhaupt nicht, dass Hikari ihre Aufmerksamkeit auch nur einen Augenblick lang an einen Kerl wie den da verschwendete. Chikara beschloss, dieses Problem aus der Welt zu schaffen. Und er würde dafür sorgen, dass es nie wieder zum Problem werden konnte...
 

Mamoru streckte sich ausgiebig. Gerade hatte die Pause begonnen, und nun hatte er fünf Minuten Zeit, sich zu sammeln und etwas auszuruhen, bevor die zweite Geschichtsstunde beginnen würde.

<Doppelstunde Geschichte ist was echt Mieses. Aber ich kann es mir ja nicht aussuchen.>

Er hatte beobachtet, wie Chikara direkt nach dem Klingeln der Schulglocke zu seinem Freund Buki gegangen war, mit ihn wenige Worte gewechselt hatte und dann mit ihm verschwunden war. Nun saß Hikari alleine an ihrem Platz und kontrollierte ihr Make-up im Spiegel. Sie sah hinreißend aus!

<Jetzt oder nie!>

"Motoki? Tust Du mir einen Gefallen?", raunte Mamoru seinem Freund zu.

"Was bekomme ich dafür?", wollte er wissen.

"Du hast die Wahl zwischen einem Knutscher auf die Wange und keinem Tritt vors Schienbein", kam prompt die Antwort.

"Dann nehme ich keinen Tritt vors Schienbein, bitte. Wenn's geht mit ner rosa Schleife drum herum. Worum geht's also?"

"Stell Dich an die Tür und steh Schmiere. Wenn Chikara oder Buki, oder noch schlimmer, beide zurückkommen, dann... äh... dann pfeifst Du irgend ein Lied. Aber laut, hörst Du?", verlangte Mamoru und ließ dabei nicht eine Sekunde lang den Blick von Hikari schweifen.

"Moment mal", beschwerte sich Motoki, "von einem Himmelfahrtskommando war aber nicht die Rede! Was hast Du vor, willst Du Dich an Hikari ranmachen?"

Mamoru nickte und lächelte selbstsicher.

"Wer hat Dir ins Gehirn gerülpst? Bist Du wahnsinnig? Was Du da vorhast, nennt man im Allgemeinen <Harakiri>! Das ist Selbstmord! Du spinnst ja wohl! Und mich da mit reinziehen! Nein, mein Bester, ohne mich!"

"Was heißt hier <mit reinziehen>?", meckerte Mamoru, "Du sollst doch bloß Spalier stehen. Sonst nichts! Ist doch nicht ungewöhnlich, wenn Du mal ein Liedchen pfeifst!"

"Ich spiel Dir das Lied von Tod", giftete Motoki augenrollend.

"Och, komm! Bitte, bitte, bitte!", bettelte Mamoru, "Ich flehe Dich an!" Er faltete die Hände, zog eine Schnute und funkelte Motoki mit seinem herzerweichendsten Blick an.

Dieser seufzte.

"Na gut, na gut", lenkte er endlich ein, "wenn Du mich dann nicht mehr so ansiehst. Aber was tust Du, wenn Hikari Dich hinterher bei ihrem Schoßhündchen verpetzt und der sich dann in einen Werwolf verwandelt?"

"Lass das meine Sorge sein. Und nun geh endlich! Ich hab schon genug Zeit verloren."

Motoki stand auf, spazierte zur Tür und postierte sich dort. Selbst von weitem wirkte er angespannt und nervös.

<Wenn er dadurch bloß keine Aufmerksamkeit auf sich zieht!>

Mamoru räusperte sich. Er fuhr sich schnell durch die Haare, kontrollierte, ob die Krawatte seiner Schuluniform richtig saß, holte noch mal tief Luft und schlenderte mehr mit gespielter denn mit echter Coolness auf Hikari zu. Sein Weg war nicht weit.

Sie beachtete ihn nicht mal, als er direkt neben ihr stand und umständlich hüstelte. Sie war gerade damit beschäftigt, ihre zarten Lippen mit einem sanften Rosa zu bestreichen, indem sie den Lippenstift vorsichtig mit ihren zierlichen Fingern führte.

Mamoru schüttelte leicht den Kopf. Er war schon wieder drauf und dran, wie hypnotisiert im Land der Träume zu versinken. Er hüstelte erneut, diesmal lauter.

Hikari hielt kurz in der Bewegung inne. "Was willst Du?" Dann fuhr sie fort, ohne auch nur einmal den Blick von Spiegel erhoben zu haben.

<Erst denken, dann schlucken, dann reden>, erinnerte sich Mamoru. Diesen Rat befolgte er. Es half tatsächlich, etwas ruhiger zu werden.

"Ich wollte Dir sagen, dass Du heute wirklich fantastisch aussiehst, Hikari."

Sie nickte. "Noch was?"

"Wann hat Chikara Dir das zum letzten Mal gesagt?"

Es war ein Risikospiel. Die Chance stand fünfzig-fünfzig. Und er hatte anscheinend ins Schwarze getroffen.

"Setz Dich", bot Hikari ihm an. Er ließ es sich nicht zweimal sagen. Er war ihm zwar unangenehm, sich auf Chikaras Stuhl zu setzen, aber er gab sich Mühe, das Unbehagen zu ignorieren.

Hikari warf noch einen letzten, prüfenden Blick in den Spiegel, bevor sie ihn weglegte und sich Mamoru zuwandte.

"Woher weißt Du, dass ich nicht allzu viele Komplimente von ihm bekomme? Spürst Du uns etwa nach?", fragte sie.

"Nein, das tue ich nicht. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er dazu in der Lage ist. Er ist so... so..." Mamoru wollte nicht schon wieder den Fehler begehen, Hikaris Lover in ihrer Gegenwart schlecht zu machen.

"Klotzig?", half ihm Hikari aus, "ja, das ist er. Er zeigt seine Gefühle nur selten. Aber glaube mir eines: er hat welche. Er ist nicht mit mir zusammen nur um der Welt zu zeigen, wie toll er ist. Er empfindet wirklich etwas für mich. Was ihm fehlt, ist die Fähigkeit, seine Gefühle in Worte zu kleiden."

"Oh, ich glaube, das kann er sogar sehr gut", seufzte Mamoru, "solange Hass und Eifersucht seine dominierenden Gefühle sind."

Hikari kicherte. Es war ein sanfter, wohltuender Klang.

"Ja, das ist wahr", bestätigte sie. "Wow. Mit Dir kann man sich ja wirklich unterhalten. Is ja krass."

"Hast Du das nicht gewusst?"

"Ich habe es nicht erwartet", gestand sie, "Versteh mich nicht falsch, aber ich bin es nicht gewohnt, dass Jungs auch feinfühlig sein können." Sie kicherte erneut, eh sie hinzufügte: "Und ich habe gedacht, heute wäre wieder nur so ein Sladi."

"Ein... was... bitte?"

"Ein Sladi", erklärte Hikari, "Ein Sau langweiliger Dienstag."

"Hmmm", machte Mamoru. Er lächelte.

<Wie kommt man nur auf solche Ideen?>

"Hikari, ich würde gerne etwas von Dir wissen. Liebst Du ihn genauso, wie er Dich?", fragte Mamoru. Er hatte lange Zeit Angst davor gehabt, diese Frage zu stellen. Hatte Angst vor ihrer Reaktion, vor ihrer Antwort. Aber er musste es unbedingt wissen. Und er musste fragen, solange die Atmosphäre es zuließ, und solange er sich noch traute, so eine Frage zu stellen. Solange Hikari noch Zeit hatte, sie zu beantworten, bevor Chikara zurückkehrte.

Hikari kicherte erneut. So gern Mamoru dieses Kichern auch genossen hätte, er brauchte dringend eine Antwort. Und die Zeit wurde langsam knapp.

"Ich glaube kaum, dass ich Dir das in einem einzigen Satz beantworten kann, Mamoru."

<Sie hat mich zum ersten Mal bei meinem Namen genannt! Das ist super! Er klingt so wunderschön, wenn sie ihn ausspricht!>

"Wenn das so ist, was würdest Du dann davon halten, wenn wir uns mal irgendwo treffen würden?", fragte Mamoru mutig drauflos und betete darum, dabei keine knallroten Wangen zu bekommen. Es klappte... so mehr oder weniger. "Wir könnten uns bei einer Tasse heißem Kakao unterhalten... oder Kaffee, wenn Du den lieber magst. Hast Du heute Zeit?"

"Na ja, ich weiß nicht recht", druckste Hikari grübelnd herum.

Da zog ein Geräusch Mamorus Aufmerksamkeit auf sich. Motoki pfiff so laut er nur irgend konnte <alle meine Entchen>. Wahrscheinlich war ihm auf die Schnelle nichts Besseres eingefallen. Er zog so natürlich einige seltsame Blicke auf sich. Armer Tropf.

Alarmiert sprang Mamoru in die Höhe. "Ich sollte jetzt lieber gehen. Ähm, die Stunde fängt ja gleich wieder an."

"Hab schon verstanden", lächelte ihn Hikari verschmitzt an, "keine Angst, ich sag ihm nichts von unserer kleinen Unterhaltung."

Dankbar strahlte Mamoru sie an, kletterte dann schleunigst über seinen Tisch und setzte sich an seinen Platz. Nur zwei Sekunden später war Motoki bei ihm und setzte sich ebenfalls. Er war vollkommen verschwitzt.

"Einmal und nie wieder, Freundchen", stöhnte er, "ich hab gerade ganze Sturzbäche an Schweiß verloren, aus lauter Sorge um Dich. Wenn ich deinetwegen vertrockne, nehme ich Dich mit in die Hölle, klar?"

"Null Problemo", grinste Mamoru, "vom Fegefeuer in die Hölle is ja nicht weit."

"Und, wie ist es gelaufen?", flüsterte Motoki Mamoru zu. Inzwischen saß auch Chikara wieder am angestammten Platz, also direkt vor Motoki.

Der Schwarzhaarige lächelte darauf siegessicher und flüsterte zurück: "Sie sagt, sie wird mich nicht verpetzen. Deine Sorge war also umsonst. Außerdem..." Er lächelte wie ein Schneekönig. "Sie überlegt sich gerade, ob sie sich mit mir treffen will."

"Moment mal", fuhr Motoki ihn ungläubig an, "Auszeit! Du hast was vor?"

"Pscht", machte Mamoru nervös mit vorsichtigem Blick auf seinen Widersacher, der ihm immerhin schräg gegenüber saß, "sei gefälligst leise. Ja, ich will mich mit ihr treffen, um einen Kaffee zu trinken. Ist doch unglaublich, was?"

"Ja, das ist es." Flüsternd schimpfte Motoki wie ein Rohrspatz. "Und zwar unglaublich blöde. Du hast doch wirklich ein schwarzes Loch zwischen den Ohren sitzen! Sag mal, denkst Du mal zur Abwechslung über das nach, was Du tust? Wenn er das rausfindet, trinkst Du Deinen Kaffee bei den Englein im Himmel!" Er machte eine leichte Kopfbewegung in Chikaras Richtung.

<Warum eigentlich nicht? Dann wäre ich wieder bei meinen Eltern.>

Mamoru schüttelte sachte den Kopf, was Motoki natürlich in diesem Zusammenhang völlig falsch interpretierte.

"Ja, ja, Du machst Dir da keine Sorgen. Aber was tu ich, wenn Du nicht mehr da bist? Das wird ja dann langweilig!"

Mamoru seufzte. "Was auch immer", gab er von sich. Inzwischen klingelte die Schulglocke erneut und kündigte die zweite Geschichtsstunde an.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Bunny_T
2005-03-18T11:57:08+00:00 18.03.2005 12:57
Na ob das gut geht? Hoffentlich, nicht das er wirklich Tee mit den Engelchen trinken muss.^^
Also, schnell weiter machen.
LG
Bunny_T
Von: abgemeldet
2005-03-17T18:47:19+00:00 17.03.2005 19:47
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Bin mal wieder absolut begeistert, schreib schnell weiter!
Von:  MamoChan
2005-03-17T18:37:08+00:00 17.03.2005 19:37
Oh je Mamoru hat Mut, habe ich aber nicht anders erwartet! ^^
Supi Kapitel, freue mich schon auf das nächste!


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