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Liebe, Leid und Leben

Mamorus Jugend
von

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Motoki und Reika verabschiedeten Mamoru an der Haustür des Hochhauses. Unendlich müde und abgekämpft schleppte sich Mamoru in den Fahrstuhl, fuhr hinauf und öffnete mit einem tiefen Seufzer die Wohnungstür. Er bemühte sich darum, so leise wie möglich zu sein. Er konnte es im Augenblick gar nicht brauchen, Kiokus Aufmerksamkeit auf seine Rückkehr zu lenken. Stattdessen wollte er nur sang und klanglos in seinem Zimmer verschwinden und schlafen. Doch er hatte Kiokus mehr als feines Gehör bei weitem unterschätzt.

"Mamoru? Wie ist es gelaufen?", tönte es aus dem Wohnzimmer.

Innerlich betete Mamoru ein überaus beachtliches Repertoire an Flüchen, Beschimpfungen und Beleidigungen herunter. Äußerlich beließ er es bei einem leisen Brummeln.

"Klingt ja, als hätte es hervorragend geklappt", meinte seine Tante und erschien in der Tür.

Unschlüssig blieb Mamoru mitten im Flur stehen. Er konnte kommentarlos in seinem Zimmer verschwinden oder sich seiner Tante in die Arme werfen und hemmungslos herumheulen. Die Wahl fiel sehr schwer. Kioku nahm sie ihm ab. Mit einer einladenden Handbewegung wies sie ins Wohnzimmer. "Komm, sprich darüber."

Mamoru seufzte erneut und fügte sich. Gesenkten Hauptes schritt er an Kioku vorbei und machte es sich auf einer Couch gemütlich. Ihm gegenüber saß sein Onkel Seigi in einem Sessel und machte ein betretenes Gesicht. Offenkundig hatte ihm Kioku von der Schlägerei und von Hikari berichtet.

Kioku setzte sich auf den zweiten Sessel. Dann entstand erst mal eine leicht angespannte Stille. Eigentlich war Mamoru so todmüde, dass er kaum die Augen offen halten konnte, aber er besaß dennoch genug Anstand, sich nicht einfach zum Schlafen zurück zu ziehen, wo ihn doch so offensichtlich eine Standpauke über die große, gefährliche Welt erwartete. Er unterdrückte ein Gähnen.

Zögerlich stand Seigi auf, kam zu Mamoru herüber und strich ihm durch die Haare. "Lass mal sehen", murmelte er und zog vorsichtig das Pflaster von Mamorus Augenbraue ab. Dieser biss tapfer die Zähne zusammen. Jeder allerkleinste Druck, der auch nur in der Nähe seines verletzten Auges ausgeübt wurde, war zwar eine kleine Tortur für ihn, aber er hatte einfach nicht mehr die Kraft zum quengeln.

Seigi besah sich alles sehr genau und ließ sich auch viel Zeit dabei. Er ließ sich wirklich nichts entgehen, betrachtete absolut jeden Kratzer im Gesicht seines Neffen und strich behutsam über einige der weniger schlimmen Schrammen.

"Wie geht es Dir nun?", fragte er, und er klang dabei etwas hilflos. Als sei es seine Schuld gewesen, dass sein Neffe nun so aussah.

Mamoru zuckte leicht desinteressiert mit den Schultern. "Müde", erklärte er wahrheitsgemäß.

"Hattest Du schon öfter Schwierigkeiten mit diesem Chikara?", wollte Seigi wissen.

<Aha. Tante Kioku hat es ihm also sehr detailliert erzählt.>

"Schwierigkeiten?" Er dachte nach. Dann zuckte er erneut mit den Schultern. "Nun ja, kleine Auseinandersetzungen, vielleicht. Aber er hat mich noch nie angerührt, wenn Du das meinst. Zumindest, bis heute nicht."

"Und wieso war es ausgerechnet heute anders?", fragte Seigi weiter in ruhigem Ton. Überhaupt war er ein sehr gelassener und stiller Mensch. Mamoru hatte ihn noch nie aufgebracht oder brüllend erlebt, und war auch sehr dankbar dafür. Als seine Eltern gestorben waren, hatten sich wirklich die beiden liebsten Menschen der ganzen Welt seiner angenommen.

Mamoru konnte sich gut vorstellen, was im Inneren seines Onkels vorging. Obwohl man es Seigi nicht ansah, war er tief betroffen, dass es tatsächlich jemand gewagt hatte, seinem Schützling etwas anzutun. Er wäre für Mamoru in sämtliche Breschen gesprungen; jederzeit und ohne Zögern.

Mamoru dachte ernsthaft darüber nach, ob er nun die Karten auf den Tisch legen, und erzählen sollte, wie lange er schon für Hikari schwärmte, oder ob er sich erst mal irgendwie rauswinden sollte, damit er eine Nacht über all diese Ereignisse schlafen konnte. Doch wie er es auch drehte und wendete, früher oder später musste er sagen, was geschehen war. Er konnte es unmöglich als ein ewiges Geheimnis mit sich herumtragen. Obwohl es ihm mehr als unangenehm war, von dieser Pleite berichten zu müssen. Er liebte dieses Mädchen, sie war für ihn immer noch die Schönste auf Erden. Und es wäre erst gar nicht zu dieser Schlägerei gekommen, hätte er sich ihr nicht andauernd genähert.

Und nun hatte sie ihn einfach so lächerlich gemacht.

Mamoru legte sich der Länge nach auf die Couch, stopfte sich ein Kissen unter den Kopf und legte die Beine über einander. Dann erst antwortete er auf Seigis Frage:

"Es hat Chikara nicht gepasst, dass ich mich heute in der Schule etwas beliebt gemacht habe. Du weißt ja, dass ich normalerweise kein großer Sprücheklopfer bin. Und wenn es mir einmal gelingt, den Vogel abzuschießen, dann hänge ich das gerne an die große Glocke. Langsam lerne ich die Sache mit dem Sarkasmus. Und darauf bin ich auch mächtig Stolz! Es wird auch langsam Zeit, finde ich."

"Du redest um den heißen Brei", stellte Seigi fest, "nun sag doch endlich, was heute so besonders war, dass Du ihn zur Weißglut getrieben hast."

"Du wirst lachen, aber das war es schon! Nur, weil ich was losgelassen hab, was Hikari zum Lachen gebracht hat, ist er eifersüchtig geworden. So hat er es mir zumindest verkündet, kurz bevor ich eins auf die Nase bekommen habe. Ende der Geschichte."

Mamoru hatte immer mehr Mühe, wach zu bleiben. Er hatte an diesem Tag so viele Stresshormone produziert, wie wohl selten zuvor in seinem Leben. Und er wollte eigentlich auch nicht weiter über diesen schrecklichen, langen Tag nachdenken. Er wollte ihn eher so schnell wie es nur irgend möglich war aus seinem Erinnerungsvermögen löschen.

"Und warum hast Du Dir nicht helfen lassen, sondern Dich in Deinem Zimmer eingesperrt? Das war gefährlich! Eigentlich würde ich Dich gerne jetzt noch schnell in ein Krankenhaus fahren, zur Nachuntersuchung!", meinte Seigi. Eine flehende Hilflosigkeit sprach aus seinen Worten.

"Och, nö! Bloß nicht!", beschwerte sich Mamoru. "Ich will für den Rest meines Lebens nichts mehr von Krankenhäusern hören, das weißt Du ganz genau!"

Sein Herz schlug ein gutes Stück schneller, als er sich vorstellte, er müsste wieder in ein Krankenhaus zurück. Diese nackten, weißen Wände, die sterilen Kittel, die Einsamkeit, die Medikamente und Spritzen... all das erwachte in seinen Gedanken zu neuem Leben. Er war lange genug in einem Krankenhaus gewesen. Damals, als er noch ein Kind war und seine Eltern gestorben waren. Er wollte sich um nichts in der Welt wieder an diese schreckliche Zeit erinnern, und noch weniger wollte er, dass sich das alles wiederholte.

Grässliche Bilder von Blut und zerfetzten Autoteilen krochen unaufhaltsam in seinen Erinnerungen hoch. Wie aus der Ferne hörte er noch die Schreie seiner Eltern... Er bekam pochende Kopfschmerzen, und in ebenso pochender Art und Weise machte sich seine geschundene Niere erneut bemerkbar. Er schloss leise stöhnend die Augen, drückte reflexartig die Hände gegen den Kopf und wünschte sich, die Schmerzen mögen doch aufhören. Er hatte nun wirklich schon mehr als genug Leid erfahren in seinem Leben. Er sehnte sich irgend eine Möglichkeit herbei, diesem Leid ein für alle Mal ein Ende setzen zu können.

Mamoru spürte zuerst einen sanften Lufthauch, und dann fuhr ihm eine Hand beruhigend über die Haare. Einen Spalt breit öffnete er sein gesundes Auge und sah seine Tante Kioku an, die sich neben ihn gesetzt hatte und nun das Haargummi aus seiner Frisur entfernte. Er genoss es, wie sie ihm sanft über den Kopf strich und ihm leise zuflüsterte: "Ist schon in Ordnung, mein Kurzer. Du musst nicht von hier weg. Es ist ja auch alles nicht so schlimm. Du bist nicht schwer verletzt, und morgen früh, wenn Du ausgeschlafen hast, ist alles wieder ein Stückchen besser. Mein süßer Kleiner! Jetzt wird alles wieder gut, in Ordnung? Ich werde nicht zulassen, dass Dir je wieder was Schlechtes geschieht. Du großer Schatz. Du bist mir doch wichtig. Du bist mir so sehr wichtig. Ich geb Dich nie wieder her, verstanden?"

Sein Herzschlag hatte sich längst wieder beruhigt. Er nahm die Hände vom Kopf und kuschelte sich an seine Tante. Auch sein Onkel setzte sich dazu und legte ihm die Hand auf die Schulter.

"Es wird alles gut", flüsterte er.

Mamoru war so froh, von diesen beiden wundervollen Menschen umgeben zu sein. Im Augenblick waren sie für ihn das Wertvollste, was er sich nur irgend denken konnte. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen.

Mit dem letzten Rest an Kraft, den er zum Sprechen noch aufbringen konnte, wisperte er ihnen zu:

"Ich liebe euch."

"Wir lieben Dich auch, mein Kurzer. Und so wird es immer bleiben", antwortete Kioku.

"Ja, so ist es", stimmte Seigi zu, "Wir werden immer für Dich da sein."

"Und in Zukunft", fügte Kioku noch hinzu, "kommst Du sofort zu uns, wenn irgend etwas ist, klar?"

Doch das hörte er schon nicht mehr. Mamoru war inzwischen eingeschlafen.
 

In seinem Traum folgte er einem schwarzen Schatten durch dichten Nebel. Der Schatten wirkte groß, und abgesehen von einem langen, wehenden Umhang war nichts Genaueres zu erkennen. Mamoru wusste nicht mal, aus welchem Grund er dem Schatten folgte. Er tat es einfach. Er glaubte, dieser geheimnisvolle Schemen könnte ihm etwas Wichtiges zeigen. Der Nebel rings herum zog sich immer dichter zusammen, und bald war der Unbekannte darin verschwunden.

Mamoru blieb stehen und sah sich um. Er versuchte, irgend etwas zu erkennen, aber es war so schrecklich dunkel überall.

"Hallo? Wer ist da? Wo bist Du?", rief er in die Finsternis hinein, doch nur ein eigenartig dumpfes Echo antwortete ihm.

Er ging weiter. Irgendwohin. Nirgendwohin. Er spürte nicht mal den Boden unter den Füßen. Vielleicht ging er, vielleicht schwebte er, er konnte es nicht sagen. Oder vielleicht rührte er sich gar nicht vom Fleck.

Absolute Stille umgab ihn. Des öfteren glaubte er, huschende Bewegungen im Augenwinkel zu sehen, doch jedes Mal, wenn er sich zu konzentrieren versuchte, schien die Bewegung nie existiert zu haben.

Mamoru fühlte sich schrecklich einsam in diesem Nebel. Als er an sich herab sah, erschrak er. Er hatte wieder den Körper eines kleinen Kindes, und er trug einen hellblauen Schlafanzug. Er hob seinen Blick wieder und sah sich in einem Krankenhauszimmer in einem weißen, viel zu großen Bett sitzen. Heiße Tränen stiegen ihm in die Augen. Er wollte nicht an diesem schrecklichen Ort sein. Er hasste diese ewige Monotonie: alles um ihn herum war blendend weiß. Steril. Tot. Menschenleer.

"Mama! Papa! Lasst mich nicht alleine! Bitte! Papa! MAMA!!!", rief er verzweifelt mit seiner kindlichen Stimme, aber nicht mal das Echo war zu hören. Seine Worte wurden von der Einsamkeit verschluckt.

Er strampelte wild um sich. Er schrie, brüllte, tobte ohne Unterlass. Bald bröckelten die Wände, bekamen riesige Risse, zerbrachen schließlich in tausend Stücke und verschwanden in unbekannter Dunkelheit.

Mamoru wischte sich die letzten Tränen von den Wangen, schlug die Decke zurück und kletterte aus dem Bett. Doch anstatt auf einem Boden aufzukommen fiel er in unvorstellbare Tiefen. Er stürzte weiter und weiter nach unten, und der Fahrtwind schlug ihm erbarmungslos ins Gesicht. Kreischend hielt er sich mit den kleinen Kinderhändchen die Augen zu. Dann wurde sein Fall sanft abgebremst. Seine nackten Füßchen kamen sachte am Boden auf, und als er die Augen wieder öffnete, stand neben ihm ein Junge mit grüner Haut, spitzen Ohren und langen grünen Haaren mit zwei rosafarbenen Strähnchen drin.

"F... Fi... Fiore? Bist Du es?", fragte Mamoru.

Mamoru hatte sich eine Ewigkeit schon nicht mehr an seinen alten Freund aus Kindertagen erinnert. Fiore stand lächelnd neben ihm und hielt in seiner Hand eine wunderschöne Rose, deren Blüte noch nicht ganz aufgegangen war.

"Erinnerst Du Dich an diese Rose?", fragte der Junge.

"Wie könnte ich sie jemals vergessen?", entgegnete Klein-Mamoru, "Ich habe sie Dir zum Abschied geschenkt. Damals, als Du wieder abreisen musstest." Bedrückt fügte er hinzu: "Da hatte ich endlich mal einen Freund, und dann musstest Du wieder weg gehen. Ich hab Dich vermisst! Wo warst Du so lange?"

Fiore schüttelte den Kopf.

"Das ist nun unwichtig. Siehst Du diese Rosen dort?"

Fiore wies in eine Richtung hinter Mamoru. Als dieser sich umwandte, erkannte er einen schmalen Pfad, der von Rosen gesäumt war.

"Gehe dort entlang", verlangte Fiore.

"Wieso? Was ist dort?", fragte Klein-Mamoru, doch als er sich wieder zu Fiore umwandte, war dieser schon wieder verschwunden.

"Wieso lassen mich nur andauernd alle allein?", fragte Mamoru in die Stille hinein, doch er erhielt keine Antwort darauf. Wieder traten Tränen in seine Augen, doch diesmal wischte er sie trotzig weg.

Er ging auf die Rosenbüsche zu und folgte dem langen Pfad. Mit jedem Schritt, den er machte, wurde er etwa einen Monat älter. Nach einer Weile hatte er wieder seinen normalen Körper zurück und der Weg endete.

Nun befand sich Mamoru in einem riesigen Schlosshof. Weiße Nebel waberten umher und hüllten das Schloss in ein sanftes Licht. Das Schloss kam ihm bekannt vor. Er ging weiter, als wäre die Richtung selbstverständlich. Als hätte er diesen Weg schon oft beschritten.

Er blieb vor einem riesigen Balkon stehen, der hoch über ihm aus dem prächtigen Palast ragte und von gewaltigen, mit Schnörkeln verzierten Säulen getragen wurde, um die sich Efeu rankte. Der Balkon wurde beleuchtet durch gleißendes Licht, das durch riesige Fenster aus dem Zimmer dahinter fiel. Eines der Fenster wurde geöffnet, und eine Frau trat hindurch. Sie schritt anmutig zum Balkongeländer, sah hinunter und blickte Mamoru in die Augen.

"Bitte, finde den Heiligen Silberkristall", sprach sie.

Durch das grelle Licht im Hintergrund war ihr Gesicht nicht zu erkennen, aber Mamoru wusste trotzdem, wen er vor sich hatte. Es war die selbe Frau, die ihm schon seit einer Ewigkeit jede Nacht im Traum erschienen war, und die von ihm verlangte, den Heiligen Silberkristall zu suchen.

"Was ist der Silberkristall?", rief er zu ihr nach oben, "Und wie soll ich ihn finden? Wo soll ich ihn suchen? Bitte, wenn ich ihn finden soll, dann brauche ich Deine Hilfe!"

Die Unbekannte wirkte traurig. Mamoru hätte ihr gerne geholfen, aber er wusste beim besten Willen nicht, wie er das anstellen sollte.

"Du musst ihn suchen, und Du musst ihn finden", antwortete die Frau nur bekümmert. Sie ließ den Kopf sinken. Die beiden langen, blonden Zöpfe glitten im Wind sanft hin und her.

"Du musst erwachen, um ihn zu finden", sagte sie schließlich.

"Erwachen?", fragte Mamoru überrascht nach.

Die Frau nickte bestimmt. "Du, Herr der Erde, musst wiedererwachen. Du musst Deine Vergangenheit finden."

Mamoru störte sich seltsamerweise nicht an dem Titel <Herr der Erde>. Er kam ihm so seltsam vertraut vor. Allerdings fragte er: "Wie kann ich meine Vergangenheit finden? Sag mir endlich, wer ich bin!"

"Finde zuerst den Heiligen Silberkristall!", verlangte die Frau.

Der Nebel wurde wieder undurchdringlicher. Er nahm rasant an Dichte zu und verschluckte bald alles Licht. Es wurde so unglaublich schnell dunkel, dass Mamoru sich fühlte, als würde er von einem körperlosen Monster verschlungen werden. Er versuchte gegen die Nebelschwaden anzukämpfen, doch vergeblich. Die Dunkelheit nahm weiter zu.

In Panik schrie er um Hilfe, und absolute Finsternis hüllte ihn ein. Er zitterte am ganzen Körper, er schrie immer wieder, er presste die Augen auf einander.

Dann war alles still. Nichts regte sich.

Als er die Augen wieder aufschlagen wollte, fuhr ein stechender Schmerz durch seine rechte Gesichtshälfte. Er biss die Zähne zusammen. Erst jetzt erinnerte er sich an sein blaues Auge. Er brauchte einige Sekunden um sich wieder zu fangen. Dann öffnete er vorsichtig sein linkes Auge.

Kioku saß bei ihm und sah sehr mitgenommen aus. Sie hatte schwarze Ränder unter den Augen. Dennoch lächelte sie ihn tapfer an.

"Wie geht's meinem Kurzen heute?", fragte sie.

Mamoru war immer noch todmüde, zudem noch nassgeschwitzt, sein Rücken schmerzte, ebenso wie sein Kopf und sein Hals.

"Mir geht es gut, danke", antwortete er und versuchte sich aufzurichten. Immer noch machte seine malträtierte Niere ihm zu schaffen, aber es hatte sich schon ein gutes Stück gebessert. Er setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus seinem linken Auge. Er wagte es allerdings nicht, dem rechten Auge zu nahe zu kommen. Verschlafen blinzelnd sah er sich im Wohnzimmer um. Er saß noch immer auf der Couch. Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, dass es erst halb sechs war. Viel zu früh am Tag.

Er sah Kioku an.

"Und warum siehst Du heute so verführerisch aus?"

Kioku lächelte matt. "Du hattest einen Albtraum, hab ich recht?"

<Ertappt.>

"Du hast die ganze Nacht über mich gewacht, stimmt's?"

"So ist es, mein kleiner Schreihals", antwortete sie müde lächelnd.

Schuldbewusst ließ er den Kopf hängen. "War ich sehr laut?"

Kioku strich ihm liebevoll durch die zerzausten Haare. "Was heißt hier laut? Ich dachte schon, die hören Dich bis nach New York!"

Nun schüttelte sie doch den Kopf. "...Ach was, es ging. Wenn ich ehrlich bin: Die Lautstärke hat mich weniger gestört. Aber dass es meinem armen, kleinen Liebling schlecht geht, das hat mir den Schlaf geraubt. Aber mach Dir keinen Kopf. Zwischendurch hast Du auch mal einige Zeit recht ruhig geschlafen, und da konnte ich mich auch ausruhen. Ist also kein Weltuntergang."

Sie fuhr ihm vorsichtig über die Stirn.

"Ich glaube, Du hast etwas Temperatur. Nichts Ernstes zwar, aber wir wollen ja auch nichts Ernstes draus machen, nicht wahr?"

"Was willst Du damit sagen?", fragte Mamoru. Er war immer noch ziemlich schlaftrunken und unterdrückte ein Gähnen.

"Das soll heißen, dass Du heute vielleicht zu Hause bleiben solltest. Kurier Dich aus, Du hast es verdient", erklärte Kioku.

"Auf keinen Fall", meinte Mamoru bestimmt und entwirrte seine Beine aus der Decke, die Kioku wohl irgendwann des Nachts über ihn gelegt hatte. "Das würde Chikaras Sieg nur noch bestätigen. Wenn ich heute nicht in der Schule auftauche, hält der mich doch für einen würdelosen Schlappschwanz!"

"Und wenn Du heute doch in die Schule gehst, halte ich Dich für eine tote Leiche, wenn Du wieder zu Hause bist. Was ist, wenn er Dir wieder irgend etwas Schreckliches tut?", beschwerte sich Kioku. Die Sorge, die in ihrer Stimme lag, war überdeutlich.

Beruhigend legte er eine Hand auf ihre Schulter. "Der tut mir nichts, mach Dir da mal keine Gedanken. Auf dem Campus laufen mehr als genug Lehrer in der Gegend herum, die zu verhindern wissen, dass ich tranchiert werde."

"Und was ist mit dem Heimweg? Wenn er Dir da wieder auflauert?"

Als Antwort zuckte Mamoru nur mit den Schultern. "Motoki begleitet mich. Das ist absolut kein Problem, das macht er bestimmt gerne."

"Hältst Du es wirklich für eine gute Idee, verletzt, leicht fiebrig und noch dazu unausgeschlafen in die Schule zu gehen?", fragte Kioku bekümmert nach.

"Auf jeden Fall", antwortete Mamoru bestimmt. Somit war die Diskussion abgewürgt. Kioku nickte.

"Na schön, wie Du willst. Aber Du kannst mich jederzeit anrufen, ich komme Dich dann abholen. Und jetzt hüpf mal schnell unter die Dusche, ja? Ich mach Dir solange schon mal Frühstück, mein Kurzer." Trotzdem gefiel ihr der Gedanke überhaupt nicht. Sie verspürte dieses eigenartige, warnende Gefühl im Bauch...
 


 

[Anmerkung des Autors:
 

Hallo, Leute!

Ich freue mich wahnsinnig darüber, dass diese Story so gut anzukommen scheint!
 

Was mein Versprechen angeht, jede Woche ein neues Kappi hoch zu laden...

Nun, ich habe mir eine Verletzung am Handgelenk zugezogen, und ich weiß nicht, ob ich dieses Versprechen so ohne Weiteres einhalten kann. Schon seit drei Tagen laufe ich mit einer Schiene herum...
 

Aber ich lege mich ins Zeug. Wenn es mir irgendwie möglich ist, werde ich weiter arbeiten.

Falls es doch nicht so klappen sollte, wie ich es mir vorstelle, so bitte ich um Verzeihung. Ich hasse es, Versprechen nicht einhalten zu können!
 

Aber das wird schon! Immerhin tu ich das Ganze ja auch für mich selbst; weil ich Freude daran habe, zu schreiben. Womöglich kann genau diese Freude mir dabei helfen, wieder gesund zu werden?
 

Ich geb einfach mein Bestes und tu, was ich kann!
 

Ich danke allen, die mir so fleißig Kommis hinterlassen!]



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2005-04-19T19:35:21+00:00 19.04.2005 21:35
Das ging ja diesemal schnell!

Herr der Erde? Finde ich gut. Dieses Kapitel hat mir besonders gut gefallen, auch das du Fiore mit eingebracht hast. Ich hoffe das Mamoru seine Träume bald deutlicher erkennen kann! Der arme kann einem wirklich leid tun, also mach weiter. Ich warte ....und wünsche deinem Hangelenk schnell gute bessereung!!!
By Steffi


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