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Schillern

von

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Bluthochzeit

Ein Raunen ging durch die Menge.

Schiller sah genauso erstaunt wie alle anderen drein. „Aber, Goethe! Dazu müssten Sie ein Schiller werden…!“

Goethe nickte lächelnd. „Es hört sich zwar ungewöhnlich an, wenn ein Goethe ein Schiller wird, aber ich war schon immer dazu bereit gewesen.“

Er drückte Schillers Hand fester. „Wenn Sie es sind, der mich verwandelt.“

„Das – nein, das geht nicht!“, rief Caspar Schiller entrüstet. „Das…ist nicht…das ist nicht vorgesehen!“

„Aber wieso nicht, Papa?“

Der Alte drehte sich herum, um zu sehen, wer ihm da eben so in den Rücken gefallen war. Es war seine eigene Tochter, Nanette.

Sie sah ihn sanft lächelnd an. „Wenn sie es doch wollen.“

Alle seine Töchter sahen ihn mit diesem Blick an. Und plötzlich hatte er das Gefühl, dass seine gesamten Gäste ihrer Meinung waren.

„Friedrich hat so viele Jahre auf Menschenblut verzichtet, immer an Herrn von Goethe gedacht. Du willst doch nicht deinen eigenen Sohn todunglücklich machen, Vater.“

„Das kommt selten vor, Herr Schiller, aber es kommt vor, dass es zwei Männer sind, die das Bündnis eingehen.“

„Ich, ähm…“, meldete sich der Mondpriester zu Wort. „Ich habe in meiner langen Laufbahn in der Tat auch schon zwei Männer miteinander vermählt.“

Caspar Schiller biss die Zähne zusammen, dass sie knirschten.

Es war ihm deutlich anzusehen, dass er sich unwohl dabei fühlte, aber er spuckte die folgenden Worte aus: „Nun gut. So sei es.“

Und während die Menge Platz machte, damit Schiller und Goethe zum Podium laufen konnten, nahm Schiller Senior seinen jüngeren Enkelsohn an die Hand.

„Bitte enttäusch du mich nicht, Ernst. Sonst bin ich ein gebrochener Mann.“

Ernst schluckte und ließ seinen Blick schüchtern hinüber zu dem Mädchen schweifen, das ihn schon die ganze Zeit unverhohlen betrachtete.
 

Goethe merkte, als sie schließlich oben auf dem Podium standen, was in Schiller vorging. Er hatte es immer gewusst, was der andere fühlte, dachte, wollte.

All die Jahre ohne Menschenblut. Verständlich, dass der Blonde vor Verlangen zitterte.

So versuchte der Ältere dem Priester mit einem Blick klarzumachen, dass er sich beeilen sollte.

Und endlich, dachte Schiller, fühlte es sich richtig an, was er hier tat. Wieso er hier stand. Wie Goethe ihn anlächelte und sagte: „Ja, ich will.“

Er hätte wieder gegen Tränen, diesmal der Rührung, ankämpfen müssen, wenn er nicht schon ganz wo anders mit seinen Gedanken gewesen wäre.

„So antworte mit »Ja, ich will«.

Er sah in die warmen braunen Augen, die morgenfrüh schon schillern würden. Rot wahrscheinlich. Orange.

Er hatte Angst, dass seine Stimme aufgeben würde, aber sie gehorchte ihm. „Ja, ich will.“

„Möge der Mond euch auf ewig zusammenführen. Sie dürfen die Ehe nun besiegeln und das Bündnis eingehen.“

Schiller wusste, dass manche Paare das Bündnis, wenn sie es noch nicht getan hatten, noch vor dem Priester und den Gästen eingingen, und er wusste auch, dass er Cornelia hier auf diesem Podium gebissen hätte. Aber genauso gut wusste er, dass es jetzt, in dieser Situation, unmöglich war. Das konnte er weder Goethe, noch seinem Vater antun. Ganz zu schweigen den Kindern, die zusahen.

Also legte er nur zaghaft seine Lippen auf Goethes, und sie gaben sich einen kurzen Kuss.

Er hielt Goethe an beiden Armen, als er ihn wieder anblickte. Das Jubeln der Menge war ein Rauschen in seinen Ohren.

„Ich…kann nicht mehr…“, brachte er heraus.

Goethe lächelte ihn an, grinste. „Dann sollten wir gleich zu unserem Hochzeitschmaus übergehen.“
 

Karl hatte seine Hände aneinandergelegt.

„Tja“, meinte er. Sah zu August auf.

Der begann zu lachen.

„Ich bin froh“, meinte Karl. „dass wir Vater nicht gefragt haben. Wie weit die beiden gehen, meine ich.“

August nickte, den Blick auf die Straße gerichtet, wo ihre Väter soeben mit Schillers Course zwischen den Lehmhütten verschwunden waren.

„Sonst wüssten wir jetzt genau, was sie machen.“ Er verzog leicht das Gesicht. „Und das will ich ehrlich gesagt nicht wissen.“

Caspar Schiller rief in die Runde und lud seine Gäste zum großen Bankett auf der Wiese ein.

„Ich dachte, ihr Schiller braucht nichts zu essen. Nichts Normales.“

Karl nahm seine Hand.

„Brauchen wir auch nicht, aber was ist schon ein Fest, ohne einen Festschmaus?“
 

Goethe hatte die Augen geschlossen. Er konnte sich nicht bewegen, Schiller kniete über ihm, drückte seine Handgelenke neben seinem Kopf auf die Matratze.

„W-wieso…“ Sein Atem ging viel zu schnell. „Schiller…!“

Der Blonde lachte leise, das Gesicht zu ihm hinuntergebeugt, sodass seine blonden Locken über die gebräunte Haut des Älteren streichelten. „Was ist?“

„Wieso beißen Sie mich nicht…endlich?“

„Weil ich dieses Gefühl genießen will.“, antwortete er, seine Stimme nur ein heißeres Flüstern. „Das Gefühl, dass Sie wieder hier sind. Dass ich Sie beißen kann, dass ich Sie schmecken darf…“

Goethe schluckte. Die Augen des anderen schillerten so intensiv und wild, wie er sie noch nie gesehen hatte.

„Ich spüre, dass Sie es auch wollen. Dass Sie es nicht mehr erwarten können, …endlich…wieder…von mir gebissen zu werden…“

„Das…das stimmt, Schiller, das stimmt alles, ich…! Jetzt…bitte…!“

Langsam ließ Schiller seinen Kopf sinken, presste seine Lippen an Goethes Stirn.

„Elf…elf Jahre…“

Er zitterte am ganzen Körper. Sog den Geruch des anderen ein, als wenn sein Leben davon abhängen würde. Ließ seinen Mund die Schläfe entlang wandern, über die Wangenknochen, zum Ohr, weiter hinab.

„Bitte…“

Er löste das Halstuch. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Da waren die zwei kleinen roten Punkte. Immer noch seine Brandmarkung. Nach all diesen Jahren.

„Ich liebe Sie, Goethe.“

„Ich Sie – hnnngh!“

So gut hatte er es gar nicht in Erinnerung.

Mit jedem Schluck, den Schiller von ihm nahm, wurde dessen Griff an seinen Handgelenken ein wenig schwächer. Er machte sich los und umfasste den schmalen Körper, um ihn näher an sich zu ziehen.

„Goethe, ich…“, keuchte der Blonde gegen seinen Hals. „…geht nicht…kann…“

Blut tropfte auf Goethes Weste, als Schiller vergeblich versuchte, sich aufzurichten, wie ein Betrunkener, jedoch seine Arme nachgaben.

„I-ich muss…oh, mein – ich muss aufhören, sonst…“

„Nein. Noch nicht aufhören. Bitte…“

„Aber– “

„Nicht aufhören.“, flehte er mit tiefer Stimme und fasste Schiller am Hinterkopf, um ihn wieder zu sich herunterzuziehen.

Ihm wurde schummriger, mit jedem Schluck, den Schiller von ihm nahm. Und Schiller trank wie ein Verdursteter. Elf Jahre. Er hatte einiges nachzuholen.

Goethe wollte dem Blonden das Hemd aufknöpfen, aber seine Hände wurden zu schwach. Die Augen fielen ihm zu.

Schwer atmend ließ Schiller seinen Kopf auf die Brust des anderen sinken. Die Weste war sowieso schon ruiniert, jetzt machte es auch nichts mehr aus, dass Blut von seinem Kinn auf den Stoff tropfte.

„Goethe.“

Er sagte das, weil er unter seinem Ohr keinen Herzschlag mehr hörte. Fast keinen. So gut wie keinen.

Goethe reagierte nicht.

Hastig richtete Schiller sich auf, was in seinem Rausch nicht so einfach war.

Er biss sich ins rechte Handgelenk. Wenn schon, dann sollte Goethe das Blut schmecken, das durch diese Hand pochte, die er stets zum Schreiben inspiriert hatte.

„Goethe.“ Er hob den Kopf des anderen sanft an.

Die Augen öffneten sich einen Spalt.

„Trinken Sie.“, flüsterte Schiller und legte Goethe sein Handgelenk an die blassen Lippen.

Es dauerte, bis Goethe fähig war, das erste Mal zu schlucken. Er hustete.

„Mehr.“, ermahnte ihn Schiller.

Goethe tat noch ein paar Schlucke, die genügen sollten, aber Schiller wollte sicher sein. Und er wollte Goethe küssen.

Also saugte er einmal kräftig an seinem Handgelenk, bevor er sich zum anderen hinunterbeugte und ihre blutgetränkten Lippen aufeinander legte.

„Morgenfrüh…“, flüsterte er, nachdem Goethe auch den letzten Tropfen Blut von seinem Mund geküsst hatte. „…werden Ihre Augen so wunderbar schön schillern…“

Goethe hatte ein Lächeln auf dem Gesicht, seine Lider immer noch geschlossen.

Er war erschöpft, ließ sich von Schiller in den Arm nehmen.

Aber eines musste er noch loswerden.

„Haben Sie mein Gedicht gelesen? Die Braut von Korinth?“

„Ja. Es ist fantastisch.“

Es war kurz still in der kleinen Hütte.

„Wollen Sie die letzte Strophe hören?“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und ihr? Bereit fürs letzte(>.<) Kapitel? ;3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Sanguisdeci
2014-04-23T20:09:01+00:00 23.04.2014 22:09
Oh ja, mehr als bereit. :) Eine bis hierhin wunderbare Geschichte! Weiter so =)
Antwort von:  KaethchenvHeilbronn
23.04.2014 22:20
Aww, dankeschön!X33
Von:  DasIch
2014-04-23T18:37:33+00:00 23.04.2014 20:37
Hammer! Endlich ist zusammen was zusammen gehört! Und das beste ist das Caspar auch langsam mal auftaut ;-)
Antwort von:  KaethchenvHeilbronn
23.04.2014 21:12
Hey, danke für den Kommi X3!

Ich hoffe, das Ende enttäuscht dich dann nicht zu sehr ;3
Antwort von:  DasIch
23.04.2014 21:21
Nö überhaupt nicht irgendwo muss man ja aufhören und es spannend halten XD


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