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Sengoku-Jidai Chronicles

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, Leute! ^^
Hiermit begrüße ich euch herzlich zum ersten Kapitel der Fortsetzung meiner FF "Abenteuer im Mittelalter"! Okay, soviel passiert hier zwar noch nicht, aber das ist ja schließlich erst der Anfang und irgendeine Form von öder Einleitung muss es schließlich geben. XD
Na gut, dennoch wünsche ich euch nun viel Spaß mit dem ersten Kapitel!
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi, Leute! ^^
Vielen Dank für eure ersten Kommis zu meiner neuen Story! Und hier ist nun das zweite Kapitel. Viel Spaß damit! ;)
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi, Leute!
Sorry, wenn ich mit dem neuen Kapitel diesmal etwas länger gebraucht habe, aber bei mir stehen demnächst die ersten Semesterklausuren an und von daher muss ich mir die Zeit jetzt so gut es eben geht einteilen, um nebenbei noch etwas weiterschreiben zu können. Na gut, zumindest ist dieser Zustand nicht dauerhaft. XD
Außerdem habe ich noch einiges an diesem Kapitel verändert und noch mal überarbeitet, als es eigentlich schon fertig war. Es hat mir nämlich nicht so gut gefallen, also habe ich es dann erst mal noch ein paar Tage ruhen lassen...
Ich versuche, das nächste Kapitel wieder etwas eher hochzuladen, aber ich möchte da lieber keine vorschnellen Versprechungen machen. Ich hoffe aber, dass ich das so hinkriegen werde, wie ich mir das gedacht habe.

So! Jetzt habe ich euch aber genug mit meinen Sorgen zugetextet. *g*
Viel Spaß nun mit dem neuen Kapitel! ;)
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi, Leute!
Hier habt ihr nun das neue Kapitel und ich sag's euch schon mal im Voraus: Es tauchen hier neue Charas auf, zu denen bereits entsprechende Beschreibungen bereitstehen. Die Zeichnerei an den Bildern hat mich an manchen Punkten aber weitaus mehr Nerven gekostet, als das Schreiben dieses Kapitels... XD
Na ja, aber ich sollte hier wohl erst mal wieder aufhören und wünsche euch nun viel Spaß mit dem neuen Kapitel! ;)
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi, Leute! ^^
Sorry, eigentlich wollte ich dieses Kapitel schon vor einer Woche veröffentlichen, aber meine Hausarbeit von der Uni hat doch etwas mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich zuerst gedacht habe. Zudem ist das Kapitel auch irgendwie länger geworden, als ich es ursprünglich eigentlich geplant hatte, weshalb ich auch mal mit dem Gedanken gespielt hatte, es in zwei aufzuteilen. Aber dann wäre im ersten Teil die Szene zwischen Sesshoumaru und Kimie weggefallen und erst im zweiten Part aufgetaucht, doch da viele von euch sich eine Situation zwischen den beiden gewünscht hatten, entschied ich mich gegen die Aufteilung und nun habt ihr stattdessen das Ganze als ein langes Kapitel vor euch liegen. XD
Na gut, ich sollte hier wohl auch erst mal wieder Schluss machen und wünsche euch nur noch viel Spaß beim Lesen! ^-^
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, Leute! ^^
Ab diesem Kapitel spielen auch die vier Geschwister der Panther-Dämonen eine Rolle. Da sie im Anime aber nur einen 3-Folgen-Auftritt hatten, hatte ich anfangs so meine Bedenken, ob ich sie angemessen darstellen könnte. Aber irgendwie wollte ich sie unbedingt mit in die Story aufnehmen. Dabei habe ich es lediglich bei den vier Geschwistern belassen, ansonsten wäre mir das etwas zu viel geworden, zumal ja auch noch andere Charas auftauchen werden.
Nebenbei habe ich nun auch noch etwas Ordnung in meine bereits bestehende Chara-Beschreibung gebracht. XD
Nehmt es mir aber bitte nicht übel, wenn sich hier der eine oder andere Tipp- oder Rechtschreibfehler reingemogelt hat. Ich habe mir das Kapitel zwar nochmal durchgelesen, aber mittlerweile ist es 22 Uhr und ich sitze seit geschlagenen 4 Stunden nonstop am PC und bin dementsprechend etwas müde... XD
Wie auch immer, jetzt habe ich euch genug zugelabert und wünsche euch nur noch viel Spaß mit den neuen Kapitel! ^-^
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, Leute! ^^
Diesmal hab ich versucht, mich etwas zu beeilen, damit ihr nicht so lange auf das nächste Kapitel warten müsst. ;)
Ich sag's aber schon mal im Voraus: In diesem Kapitel wird euch vielleicht der eine oder andere Satz etwas bekannt vorkommen. Das liegt daran, dass ich hier und da Zitate aus dem zweiten Film verwendet habe. Es bot sich an manchen Stellen irgendwie an und teilweise waren eben genau diese Sätze aus dem Film sozusagen meine Inspirationen für bestimmte Szenen dieses Kapitels. XD
Eigentlich wollte ich mit diesem Kapitel schon eher fertig werden, aber durch Ostern hat sich das ganze doch wieder ein wenig verzögert. Zudem habe ich mich mit diesem Kapitel stellenweise etwas geplagt und bin auch jetzt mit einigen Dingen nicht ganz zufrieden... *seufz*
Na gut, aber zusätzlich werde ich ab dieser Woche wohl auch wieder etwas kürzer treten müssen, da die Uni wieder bei mir anfängt...
Okay, aber das müsste erst mal an Quängeleien und Nörgeleien genügen. XD
Ich wünsche euch jetzt nur noch viel Spaß mit dem neuen Kapitel! ^-^
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, Leute!
Ja, sorry, dass es diesmal wieder etwas gedauert hat, aber mal abgesehen davon, dass ich das Kapitel an manchen Stellen noch mehrmals umgeschrieben habe, musste (und muss) ich mir wegen der Uni auch noch die entsprechende Zeit zum Schreiben irgendwie einteilen. *seufz*
Na ja, aber letztendlich hat's ja doch noch hingehauen. Allerdings war ich auch mal am Überlegen, ob ich dieses Kapitel besser in zwei aufteilen soll, denn auf meinem PC habe ich's bei Schriftgröße 11 auf 35 Seiten gebracht. XD
Aber dann dachte ich mir, da ihr diesmal ja wieder etwas länger warten musstet, belasse ich es mal so. Ich hoffe, das war eine einigermaßen gute Entscheidung... ^^'
Im Übrigen war ich am 15. Mai noch mit 'ner Freundin in der "Inuyasha"-Kinovorführung in Berlin. Das war richtig cool, doch irgendein Mädel in unserer Sitzreihe hat praktisch die ganze Zeit geredet und noch dazu mit ihrem Handy rumgespielt und damit auch telefoniert. oO
Und bei praktisch jedem dritten Satz, den die Charaktere gesagt haben, kam irgendein Kommentar, selbst, als der Rest des Kinos still war... -___-'
Ich saß ja nicht direkt neben diesem Mädchen, aber trotzdem hätte ich da gerne was gesagt. Allerdings konnte ich ja auch nicht aufspringen und quer über die ganze Sitzreihe brüllen... XD
Aber die Filme waren trotzdem toll! War einer von euch eigentlich auch bei einer der Kinovorführungen dabei gewesen?
Na gut, bevor ihr mir diese Frage eventuell beantwortet, wünsche ich euch erst mal noch viel Spaß mit dem neuen Kapitel! ;)
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, Leute! ^^
So! An dieser Stelle wäre es wohl angebracht, euch endlich mal einen richtig großen Dank für eure tollen Kommis auszusprechen und natürlich auch dafür, dass ihr die Story so eifrig mitverfolgt! *ganz gerührt ist*
Anfangs hatte ich ja nicht damit gerechnet, dass es von meiner FF noch eine Fortsetzung geben würde.
Übrigens habe ich bei den Chara-Beschreibungen jetzt auch zu jedem Chara eine Größenangabe mit dazugeschrieben. Bei manchen, wie z.B. den Panther-Youkai habe ich allerdings selbst geschätzt, da ich keinerlei Angaben gefunden habe und ich habe mich auch nicht immer genau an den bereits vorgegebenen Zahlen gehalten, wie es z. B. bei Miroku und Sesshoumaru der Fall ist. So habe ich nämlich gelesen, dass Miroku 1,80 m und Sesshoumaru 1,75 m groß sein soll. Allerdings konnte ich bei der Maßstabsangabe im Artbook zweifelsfrei feststellen, dass Sesshoumaru größer als Miroku ist (Was anderes hätte mich ehrlich gesagt auch etwas verwundert. XD), und so habe ich die beiden Angaben bei ihnen einfach mal vertauscht.
Allerdings hab ich mich beim Schreiben diesmal etwas abgequält, mich hat nämlich 'ne Erkältung erwischt... *seufz*
Da ist's manchmal schon etwas anstrengend, sich hinzusetzen und weiterzuschreiben, aber ich wollte das Kapitel unbedingt noch fertig bekommen. ^^'
Na gut, aber ich denke, das war erst mal wieder genug der langweiligen Vorreden. Viel Spaß also mit dem neuen Kapitel! ;)
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, Leute! ^^
Hiermit melde ich mich mit dem mittlerweile 10. Kapitel zurück. Ich habe versucht, mich mit dem Schreiben etwas zu beeilen und hoffe, das Tempo war einigermaßen zu eurer Zufriedenheit. XD
Tja, die gute Kimie hat nun also ihre Eltern an der Backe. *gg*
Es wurde übrigens die Frage gestellt, ob ich von ihnen auch noch ein Bild reinstellen. Ich denke mal ja (obwohl sie in der Geschichte im allgemeinen Vergleich eigentlich eine verhältnismäßig kleine Rolle einnehmen), aber das kann dann eventuell noch etwas dauern. Ich werde mal sehen, was sich machen lässt. ;)
So, jetzt will ich euch aber auch nicht länger aufhalten und wünsche euch nun viel Spaß mit dem neuen Kapitel! ^-^
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi, Leute! ^-^
Sorry, wenn's diesmal wieder etwas länger gedauert hat, aber ich hatte eben mit meinen Klausuren zu tun, von denen die letzte gut eine Woche her ist. Danach brauchte ich irgendwie noch ein paar Tage Auszeit... XD
Ich hoffe mal, dass ich jetzt in den Ferien auch in kürzeren Abständen neue Kapitel hochladen kann, wenngleich ich bis Ende August auch noch eine nicht gerade kurze Hausarbeit schreiben muss. ^^'
Na gut, aber das werde ich ja dann selbst sehen, wie's weiter vorangeht. Jetzt erst mal viel Spaß mit dem neuen Kapitel! ;)
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Halli hallo, alle miteinander!
Wow, mittlerweile sind's bereits über 300 Kommis! Danke, Leute! Ihr seid echt klasse! ^_____^
*sich verbeugt*
Zwar sagte ich das schon mal, aber mit so viel positiven Reaktionen macht das Schreiben gleich noch mehr Spaß! Und zur Zeit habe ich wegen meiner Semesterferien auch weitaus mehr Zeit dazu und komme momentan auch sonst recht gut voran. Dabei fällt mir ein, dass ich bereits vor einiger Zeit mal gefragt worden bin, ob ich denn die Bedeutung der Namen meiner Charaktere wüsste. Ich muss jedoch gestehen, ich habe keinen Schimmer. XD
Die Namensvergabe ergab sich praktisch aus Jux und Laune heraus, allerdings habe ich mal irgendwo gelesen, dass "Tôya" soviel wie "zehnte Nacht" bedeuten soll. "Akuma" heißt schlichtweg "Teufel", "Sakura" bezeichnet eine "Zierkirsche" und das "yuki" in Miyukis Namen bedeutet "Schnee". Und "Inuki" bedeutet in etwa "Hundegeist", aber weiter reicht mein Kenntnisstand auch nicht. ^^'
Übrigens lese ich seit einiger Zeit auch den Manga zu "Inu Yasha". Angefangen habe ich allerdings bei Band 23 und bin bisher auch bis Band 40 gekommen. Demnächst hole ich mir noch die anderen Bände.
So! Aber das soll's erst mal wieder an Vorreden gewesen sein. Viel Spaß nun mit dem neuen Kapitel! ^-^
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, alle miteinander! ^^
So! Endlich habe ich das neue Kapitel fertig bekommen. Ich wünsche euch nun viel Spaß beim Lesen! ;)
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi, alle miteinander! ^^
So, endlich habe ich es geschafft und kann euch das neue Kapitel präsentieren. Zunächst möchte ich mich jedoch noch dafür entschuldigen, dass es diesmal wirklich lange gedauert hat... *sich verbeugt*
Ich will auch gar nicht groß rumquatschen, warum und wieso es so lange gedauert hat, es ist ja eh wurscht. XD
Obwohl, ich persönlich bin von einigen Stellen nicht so wirklich überzeugt... ^^'
Irgendwie war ich fast die ganze Zeit über ziemlich angespannt und leicht genervt von allem möglichen. Aber so etwas hat wohl jeder mal.
Wie auch immer, ich hoffe, ihr seid mir indes nicht vor lauter Frust weggelaufen und habt Spaß mit dem neuen Kapitel! ;)
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallöchen, Leute!
Und hiermit wären wir bereits bei Kapitel 19!
Nun, eure Meinungen bezüglich des letzten Kapitels waren so ziemlich identisch. *g*
Doch wie gesagt, ich liebe solche verworrenen Geschichten. ;)
Irgendwie scheinen die Kapitel jedoch nach und nach wieder kürzer zu werden...
Aber das mag nur ein vorübergehendes Phänomen sein. Andererseits... So komme ich irgendwie rascher voran. Vielleicht ist das auch reine Ansichtssache. *Schulter zuck*
Wie auch immer, ich wünsche euch nun viel Spaß mit dem neuen Kapitel! ^^
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Vorwort zu diesem Kapitel:
So! Es hat diesmal wieder etwas gedauert, aber letztendlich hab ich's doch geschafft und kann euch nun das neue Kapitel präsentieren. Mag sein, dass ich nach meinem "Marathon" in Sachen Hochladen letztens etwas ausgebrannt war... XD
Und nachdem ich den einen oder anderen mit dem vorangegangenen Kapitel doch "etwas" geschockt habe, nähern wir uns so langsam dem Ende. Vorher passiert aber noch so einiges. ;)
Ich selbst sehe dieses Kapitel hier jedoch mehr als so etwas wie ein Übergangskapitel an.
Nun aber genug der großen Reden. Ich wünsche euch nun viel Spaß beim Lesen! ;)
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi, alle miteinander! ^^
So, endlich hab ich's geschafft. Eigentlich hätte ich mit dem Kapitel schon früher fertig werden können, aber mich hat vor einer Weile eine Grippe umgehauen und als die wieder so weit auskuriert war, kam ich aus anderen Gründen irgendwie nicht so recht voran... *seufz*
So viel also dazu... Im Vorfeld wurde ich zudem schon ab und an ermahnt, bezüglich des Ausgangs des Kampfes zwischen Ashitaka und Rokou, aber lasst euch einfach überraschen, was passieren wird. ^^
Viel Spaß beim Lesen!
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, ihr Lieben! ^^
Ja, ich bin nun doch endlich mit dem neuen Kapitel fertig geworden. Sorry, dass es dieses Mal wieder etwas länger gedauert hat. *sich verbeugt*
Eigentlich war das Kapitel ursprünglich mal länger, aber ich habe es dann noch mal geteilt. Ansonsten hätte ich bezüglich der Länge wohl "etwas" den gewohnten Rahmen gesprengt und außerdem hätte es mit dem Fertigstellen dann noch länger gedauert, ehe ihr wieder was zu Lesen bekommen hättet. ;)
So wird es dann im Endeffekt 31 Kapitel geben. (Und hoffentlich ist das die letzte Planänderung in dieser Kategorie!)
Übrigens: Ich versuche stets im Nachhinein noch die Rechtschreibfehler zu entfernen, aber manchmal übersehe ich halt doch noch etwas. Zudem fehlt mir ein entsprechendes Rechtschreibprogramm (klingt vielleicht unglaublich, ist aber so), ansonsten hätte ich das natürlich schon von Anfang an benutzt, um Fehler zu vermeiden.
Und um eventuelle Missverständnisse auszuräumen: Die Ryû-Youkai sind allesamt stockhetero! XD
So! So viel also zu einigen kleineren Dingen, bezüglich einiger Fragen und Anmerkungen. Und nun wünsche ich euch viel Spaß mit dem neuen Kapitel. ^^
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, alle miteinander! ^^
Ja, wir steuern so langsam aber sicher auf die Zielgerade zu. Noch zwei Kapitel (dieses nicht mit einbezogen), dann ist Schluss! Einerseits werde ich wohl ganz froh sein, wenn ich die Story endlich abschließen kann, andererseits hängt man ja doch irgendwie daran... ^^'
Na ja, und Animexx hat ja ein paar nette neue Funktionen bezüglich der FF-Verwaltung bekommen. Neuerdings kann man ja u. a. einen Blick darauf werfen, wie viele Leser eine FF in ihrer Favoritenliste haben. 136 waren es zuletzt bei "Abenteuer im Mittelalter", 142 hingegen bei "Sengoku-Jidai Chronicles". Gar nicht mal so übel, wie ich finde. ^^
Na gut, es wird zwar der eine oder andere Kommi vorenthalten, aber immerhin weiß ich ja jetzt genauer, wie viele Leute in etwa die Storys mitverfolgt haben, bzw. es noch immer tun. Und hätte ich etwa zu jedem Kapitel auch wirklich 142 Kommis gekriegt, hätte ich euch wohl nicht mehr wirklich mit Nachrichten versorgen können, sobald ein neues Kapitel in der Warteschleife gewesen wäre... Ehe ich da fertig gewesen wäre... XD
Übrigens habe ich gehört, dass so mancher hier wohl noch ein zweites Adult-Kapitel haben möchte. Sorry, Leute, aber es wird hierfür definitiv KEIN weiteres Kapitel dieser Art geben. *sich verbeugt*
Wow, ich neige mal wieder zu langen Vorreden... Am Besten, ich mache hier erst mal wieder Schluss und wünsche euch stattdessen viel Spaß beim Lesen! ~.^
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, alle miteinander!
Sorry, dass es dieses Mal wieder etwas gedauert hat, aber gut Ding will bekanntlich Weile haben, obwohl ich nicht hundertprozentig zufrieden mit dem Endergebnis bin. XD
Ehrlich gesagt hat mich dieses Kapitel neben der Zeit auch ziemlich Nerven gekostet. Irgendwann war ich an einem Punkt angekommen, wo ich einfach nur noch fertig werden wollte, aber andererseits konnte und wollte ich alles auch nicht einfach so hinknallen... @.@
Außerdem habe ich irgendwie das ungute Gefühl, dass mir mein PC langsam aber sicher schlappmacht... Hoffentlich hält er zumindest noch so lange durch, bis ich mit der FF fertig bin. ^^'
Aber genug von technischen Problemen. An dieser Stelle möchte ich nur noch rasch nivana dafür danken, dass sie den Job als Beta-Leserin übernommen hat. Wobei, eigentlich macht sie diesen Job schon seit 'ner Weile, nur halt nicht "offiziell". ;)
So viel dazu, und ansonsten wünsche ich euch nun viel Spaß beim Lesen des vorletzten Kapitels!
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Und zum letzten Mal: Hallo, alle zusammen! ^^
Ja, nun habt ihr es fast geschafft. Das hier ist das letzte Kapitel. Im Schlusswort werde ich ja noch genug Gelegenheit haben, um zu reden, deshalb fasse ich mich hier lieber kurz.
Na ja, was soll ich sagen? Irgendwie ging’s mir in letzter Zeit nicht so besonders. Hatte eigentlich keinen besonderen Grund dazu, ich fühlte mich nur etwas down und eigentlich ist‘s noch immer nicht ganz weg. Vielleicht lag’s am Wetter, was weiß ich…
Aber genug davon. Euch wünsche ich nun viel Spaß mit dem letzten Kapitel! ;)
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Zurück ins Mittelalter

Eine trügerische Stille lag in der Luft. Im sanften Wind der Nacht wiegten sich leicht die Zweige der Bäume, während hoch am Himmel der abnehmende Mond die Gegend in sein blasses Licht tauchte. In diesem Licht lag auch ein Schloss, welches in der Dunkelheit der Nacht sowohl einen erhabenen, als auch einen ehrfürchtigen Anblick bot. In diesem Schloss saßen drei Männer - keine Menschen, sondern Youkai - in einem dunklen Raum, den nur eine einzelne Lichtquelle erhellte, zusammen.

"Ich kann ganz deutlich spüren, dass in nicht allzu ferner Zukunft etwas geschehen wird. Eine Bedrohung, die sich immer weiter nähert und es wird schwierig werden, gegen sie anzukommen", sagte der Älteste von den dreien ernst und mit leicht gesenkten Haupt.

"Könnt Ihr uns Genaueres darüber erzählen, Kakeru-sama?", fragte der zweite seinen Kameraden.

Kakeru hob den Blick etwas, sah seine beiden Gesprächspartner jedoch weiterhin nicht an, zumal er seine Augen schon die ganze Zeit über geschlossen gehalten hatte, während er antwortete: "Ich wage noch keine endgültigen Festlegungen zu treffen, Tôya. Aber in einem Punkt bin ich mir sicher: Wir werden Hilfe brauchen."

"Hmm..." Tôya senkte etwas den Blick, wobei sein Gesicht von einem Teil seiner vorderen Haare verdeckt wurde. Auffällig war, dass das ansonsten weiß-silberne und zu einem nach oben gebundenen Zopf getragene Haar, hier teilweise schwarze Strähnen aufwies. Wie seine beiden Kameraden trug er einen Kimono, doch war hier wiederum Kakeru der Einzige gewesen, der keine Rüstung oder eine Waffe bei sich trug.

Der dritte im Bunde, der Jüngste, der sein langes weiß-silbernes Haar nach hinten schlicht zusammengebunden hatte, schaute nachdenklich zu Boden und schwieg zunächst. Es verging ein Moment der Stille, ehe er schließlich aufstand und zu einem der Fenster schritt. Nur schwach drang auch das Licht des sichelförmigen Mondes in den Raum. Der Youkai schaute nun zu jenem am Himmel stehenden Mond hinauf.

"Also gut!", sagte er mit einem Mal entschlossen und schritt dann ebenso zur Tür. Soeben wollte er das Zimmer verlassen, als er jedoch zurückgehalten wurde.

"Moment! Was hast du vor, Ashitaka?", fragte Tôya seinen Kameraden.

Ashitaka hielt sogleich in seiner Bewegung inne. "Ich werde gehen und Sesshoumaru suchen", antwortete er und nachdem er in das nunmehr doch etwas überrascht dreinschauende Gesicht des anderen geschaut hatte, fügte er anschließend mit ruhigerer Stimme hinzu: "Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, habe ich ihn gefragt, wann er gedenkt, hierher zurückzukehren. Er sagte damals, er würde zurückkommen, wenn die Zeit dafür gekommen wäre. Ich glaube, jetzt ist dieser Augenblick gekommen. Wir brauchen ihn!"

Ashitakas Kameraden stimmten ihm in der Hinsicht zu. Zwar war Sesshoumaru schon seit etwas über 200 Jahren abwesend gewesen, doch auf ihren Herrn und Anführer konnte der Clan der Inu-Youkai diesmal unmöglich verzichten.

"Aber weißt du überhaupt, wo er sich momentan aufhält?", hörte Ashitaka Tôya weiterfragen, doch konnte er daraufhin nur den Kopf schütteln.

"Nein, aber ich werde ihn finden, Tôya. Genauer gesagt, muss ich ihn finden!"

Tôya wartete einen kleinen Augenblick, dann stand auch er auf.

"Ich werde dich begleiten!", meinte er.

Ashitaka war damit einverstanden. "Gut, dann gehen wir am besten gleich."

Bevor die beiden jedoch den Raum verließen, wandte sich Kakeru noch einmal an sie: "Ashitaka-dono, Tôya, seid vorsichtig. Und viel Glück!"

"Danke, Kakeru", entgegnete Ashitaka und machte sich anschließend zusammen mit Tôya auf den Weg.

Nachdem sich die Schiebetür wieder geschlossen hatte, wandte sich Kakeru in Richtung der Fenster um. "Mir scheint, schon sehr bald wird Euer älterer Sohn das erste Mal seit Eurem Tod wieder hierher zurückkehren, Oyakata-sama (Oyakata: eine bewunderte Person, in etwa so etwas wie ein "Meister"; gemeint ist hier Inu Taishou). Doch er wird nicht allein wiederkommen."
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

"Mama! Hast du meinen Rucksack gesehen?"

"Der liegt neben dem Tisch in der Küche."

Kagome flitzte sogleich in die Küche, wo sie nach kurzem Suchen auch ihren Rucksack entdeckte. "Danke, hab ihn gefunden!", rief sie ihrer Mutter zu, kehrte ins Wohnzimmer zurück und packte eiligst noch ein paar Dinge ein.

"Und ihr zwei wollt wirklich jetzt schon gehen? Du hast sie doch eben erst vom Flughafen abgeholt", sagte Kagomes Großvater zu seiner Enkelin.

"Stimmt, aber sie hat schließlich über ein Jahr auf diesen Moment gewartet."

"Bestimmt kann sie es kaum noch erwarten", vermutete Souta, während er ein wenig mit dem Kater Buyo spielte.

"Das ist wahr. Sie hat mir erzählt, dass sie die letzten Tage kaum noch richtig schlafen konnte", sagte Kagome lächelnd, schloss nun wieder ihren Rucksack und stand auf. Dann öffnete sie die Schiebetür und rief in den Flur hinaus, hinauf in den ersten Stock: "Bist du fertig, Kimie?"

In diesem Moment kam Kimie, ebenfalls mit einem Rucksack beladen, eiligst die Treppe hinunter. "Ja, ich bin soweit! Was ist mit dir?"

"Ich bin auch fertig. Dann können wir ja gehen, oder?"

Kimie stimmte zu, woraufhin Kagome mitsamt ihrem Rucksack das Wohnzimmer verließ.

"Wir sind dann weg!", rief sie der Familie noch zu und hörte im Weggehen noch ihre Mutter rufen: "Seid vorsichtig, Mädchen! Passt auf euch auf und übertreibt es nicht!"

"Machen wir!", rief Kagome zurück, ehe sie so ziemlich zeitgleich mit Kimie aus der Tür hinauslief, doch bremste Kagome nach den ersten Metern sofort wieder abrupt ab. "Moment! Die Tür!" In der Eile hatten beide Mädchen vergessen, nach Verlassen des Hauses die Schiebetür wieder zu schließen. Kagome wollte schon zurückgehen, als Kimie ihr jedoch zuvor kam. Sogleich machte sie auf dem Absatz kehrt, schloss die Haustür und eilte dann zurück zu ihrer Cousine.

"So! Jetzt aber los!"

"Du kannst es wohl wirklich kaum erwarten, was?", fragte Kagome mit einem Lächeln, während sie zum alten Schrein des Tempels liefen.

Kimie warf Kagome auf die zuvor gestellte Frage einen gespielt beleidigten Blick zu. "Was erwartest du denn? Im Gegensatz zu dir musste ich ja eine längere Zwangspause einlegen."

Kagome lachte kurz auf.

Als die beiden Mädchen schließlich bei dem Schrein angekommen waren und Kagome die Schiebetür öffnete und somit den Blick auf den alten Brunnen freigab, konnte Kimie ihre Aufregung kaum noch verbergen. Das wäre nun das erste Mal seit etwas über einem Jahr, dass sie wieder in die Sengoku-Jidai zurückkehren würde. Vor kurzem hatte sie die Schule beendet und schon lange vorher für sich entschieden, dass sie danach zurück nach Tokio ziehen würde. Ihre Eltern waren nach einigen Überlegungen damit einverstanden gewesen, zumal Kimie nicht allein wohnen, sondern bei Kagome unterkommen würde.

"Also, dann auf ins Mittelalter!", meinte Kagome, ergriff ihre Cousine bei der Hand und sprang dann gemeinsam mit ihr in den Brunnen. Da war es wieder, dieses Gefühl, als würde man umgeben von diesem hellen Licht einem nicht sichtbaren Boden entgegenschweben. Nun kamen die Erinnerungen an die vergangenen Ereignisse Kimie wieder frisch ins Gedächtnis, als hätten sie erst vor wenigen Tagen stattgefunden. Es trennten sie jetzt nur noch Sekunden von ihrem Ziel, doch schienen gerade diese wenigen Augenblicke im Moment die längsten in der gesamten Wartezeit gewesen zu sein.

Als das Licht schließlich wieder verblasste und die beiden Mädchen den Boden unter ihren Füßen spürten, fanden sie sich im Schacht des Knochenfresserbrunnens wieder. Von draußen konnten sie schon das Zwitschern einiger Vögel hören und mit einem Blick nach oben fiel ihnen sofort der blaue Himmel ins Auge. Kagome und Kimie kletterten nun aus dem Brunnen und das erste, was Kimie tat als sie oben angekommen waren, war, einmal tief durchzuatmen. "Wow! Endlich wieder hier. Ich kann es irgendwie noch nicht so recht glauben."

"Verständlich. Komm! Wir gehen ins Dorf und begrüßen die anderen!", schlug Kagome vor, die jetzt auch das erste Mal seit drei Tagen wieder im Mittelalter war. Natürlich nickte Kimie auf den Vorschlag hin sofort zustimmend und gemeinsam eilten die beiden Mädchen nun ins Dorf, wo die anderen in Kaedes Hütte bereits warteten.

Nachdem sie und Kimie dort angekommen waren, war Kagome die erste, die den Vorhang am Eingang der Hütte zur Seite schob und ihre Freunde begrüßte: "Hallo, Leute! Da bin ich wieder!"

Sofort hatten sich die anderen zum Eingang der Hütte umgewandt.

"Kagome-chan! Schön, dass du zurück bist!", sagte Sango, doch bevor auch noch einer der anderen etwas sagen konnte, sprach Kagome weiter: "Ich bin aber diesmal nicht allein hier. Ich habe noch jemanden mitgebracht."

Zuerst warfen sich die anderen nur fragende Blicke zu, bis sie beobachteten, wie Kagome jemanden zu sich winkte. Sie staunten nicht schlecht, als Kimie nun ebenfalls fröhlich ins Innere der Hütte schaute. "Hi, alle miteinander! Kennt ihr mich noch?"

"Ah! Kimie!", rief Shippou sofort freudig aus und sprang auf das Mädchen zu, welches den kleinen Kitsune auffing. "Du bist wieder da! Das ist toll!"

"Das ist in der Tat eine erfreuliche Überraschung", meinte auch Miroku und Inu Yasha fügte an Kagome gerichtet hinzu: "Davon, dass sie wiederkommt, hast du uns ja gar nichts gesagt, Kagome."

"Klar! Es sollte ja auch schließlich eine Überraschung werden", entgegnete das Mädchen lächelnd und setzte sich neben den Hanyou. Auch Kimie gesellte sich nun zu ihnen und begrüßte erstmal alle.

"Es scheint euch ja allen ganz gut zu gehen, was?", fragte sie.

Sango nickte lächelnd und erwiderte: "Dir wohl auch, wie man sieht. Es ist wirklich schön, dich wiederzusehen, Kimie-chan."

"Danke, Sango! Ich freue mich auch riesig!"

"Es ist jetzt auch etwas mehr als ein Jahr her, dass du hier warst, nicht wahr?", fragte Kaede mit einem warmen Lächeln an Kimie gerichtet.

Kimie nickte. "Ja. Und glaubt mir, Leute, das war das längste Jahr meines bisherigen Lebens", meinte sie scherzhaft und musste doch kurz lachen. Von Kagome hatte Kimie in der Zeit ihrer Abwesenheit zwar immer die neuesten Neuigkeiten mitgeteilt bekommen, doch war sie nun umso glücklicher, dass sie endlich wieder mit dabei sein konnte und nicht immer nur hören konnte, was inzwischen so passiert war.

"Es tut richtig gut, wieder hier zu sein! Ich habe euch echt vermisst", sagte Kimie daher mehr als erleichtert, während sie die kleine Kirara, die sich neben sie gesetzt hatte, über das weiche Fell streichelte. Doch mit dieser Aussage gab das Mädchen gleichzeitig den Anstoß für ein weiteres Thema.

"Und einen bestimmten Youkai wohl besonders, was?", fragte Kagome mit einem prüfenden Lächeln.

Kimie wusste natürlich sofort, worauf ihre Cousine da hinaus wollte. Verlegen senkte sie nun etwas den Blick und errötete leicht. "Na ja..."

Zwar wusste Kimie von Kagome, dass die Gruppe Sesshoumaru zwar noch ab und zu getroffen hatte, er aber niemals auch nur ein Wort über Kimie an sich verloren hatte. Doch das wunderte sie nicht. Er würde sich sicher hüten, Inu Yasha oder einen seiner Freunde nach ihr auszufragen.

"Aber sag mal, Inu Yasha, streiten du und Sesshoumaru eigentlich immer noch so heftig miteinander?", fragte Kimie nach einem kleinen Moment an den Hanyou gerichtet, doch es war Kagome, die ihrer Cousine die Antwort darauf gab: "Nun, wirklich leiden können sich die beiden immer noch nicht. Es ist zwar meistens bei verbalen Auseinandersetzungen geblieben, manchmal sind die beiden untereinander allerdings auch etwas rabiater geworden. Aber keine Sorge, sie haben sich nichts getan."

Kimie lächelte leicht amüsiert, während sie auch ein leises Grummeln seitens Inu Yasha wahrnehmen konnte. Anscheinend hatte er noch genauso viel für seinen Halbbruder übrig wie eh und je. Zeitgleich fragte sich Kimie jedoch auch, wo Sesshoumaru sich zur Zeit wohl mit seiner Gruppe und Inuki befand und vor allem, wie lange es noch dauern würde, bis sie sich wieder über den Weg laufen würden. Auch Inukis Befinden interessierte sie sehr, doch laut Kagomes Erzählungen ging es ihm wohl ausgezeichnet.

"Frag uns jetzt aber nicht, wann wir Sesshoumaru wieder über den Weg laufen. Der kommt und geht, wie er will", meinte Inu Yasha nach einem Moment an Kimie gewandt, da er sich schon denken konnte, dass sie seinen Halbbruder möglichst schnell wieder sehen wollte. Kimie hatte sich so was aber schon gedacht. Dann würde sie eben warten, was anderes konnte sie eh nicht tun. Doch nach dem, was sie von Kagome gehört hatte, hatte keiner der Freunde mehr etwas von Sesshoumarus Cousin Ashitaka gehört, den sie vor etwas über einem Jahr kennen gelernt und als guten Freund gewonnen hatten.

"Aber wie es Ashitaka-kun wohl geht?", fragte sich Kagome mit einem Mal wie aufs Stichwort. "Er sagte zwar, wir würden uns sicher wiedersehen, aber ich dachte nicht, dass das so lange dauern würde."

"Na ja, wenn er seither die westlichen Länder nicht mehr verlassen hat, ist es auch kein Wunder, dass wir ihn nicht mehr getroffen haben", meinte Miroku. "Schließlich waren wir selbst ja auch noch nie dort."

"Stimmt. Aber in dem Zusammenhang würde es mich echt mal interessieren, wie es dort so aussieht." Kagome legte sich nachdenklich den Zeigefinger ans Kinn. Bisher hatte sie sich eigentlich eher wenig Gedanken über dieses Thema gemacht, aber seit einiger Zeit schien ihre Neugier hinsichtlich dessen gewachsen zu sein. Doch gab es scheinbar gewisse Personen, die diese Neugier nicht unbedingt teilten.

"Tse! Also mir ist es so ziemlich schnuppe, wie's da aussieht!", meinte Inu Yasha betont und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. Kagome und die anderen konnten sich schon denken, woran das lag. Schließlich war Sesshoumaru ja der Lord der westlichen Länder und so ziemlich fast alles, was in irgendeiner Form mit seinem Halbbruder zu tun zu haben schien, wollte der Hanyou wohl am liebsten weit von sich weisen.

"Jetzt sei doch nicht so mürrisch, Inu Yasha!", forderte Kagome ihn lächelnd auf und tätschelte seinen Kopf, wie bei einem Hund.

Sofort wich Inu Yasha etwas von dem Mädchen zurück. "Hey! Lass das gefälligst, Kagome! Ich bin doch kein Hund!"

Ein amüsiertes Lachen ging durch die Runde, nur Inu Yasha schien etwas eingeschnappt zu sein. Und während Kimie nun noch einmal ihren Blick schweifen ließ, wurde ihr ein weiteres Mal so richtig klar, wie sehr sie das alles hier doch vermisst hatte.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Der Gruppe von Sesshoumaru um mehrere Meter voraus, nahm Inuki aufmerksam seine Umgebung unter die Lupe. Sie befanden sich schon eine geraume Zeit in einem Wald und an so einem Ort konnte man schließlich allerhand entdecken. Immer wieder huschte Inuki in die Büsche hinein, blieb mal kürzer oder auch mal länger fort bis er schließlich wieder zum Vorschein kam, nur um anschließend einen anderen Teil des Waldes unter die Lupe zu nehmen.

"Inuki! Komm wieder zurück!"

Als er schließlich diese Stimme hörte, brach Inuki seine Entdeckungstour sogleich ab, drehte sich um und eilte wieder zu Sesshoumaru und dessen Gruppe zurück. Dort angekommen gesellte er sich auch sofort an die Seite des Youkai, der ihn zuvor zurückgerufen hatte. Rin, welche auf Ah-Uns Rücken ritt, summte fröhlich eine Melodie vor sich hin, während Jaken eher schweigsam Ah-Un an den Zügeln führte. Abrupt wurde Rin jedoch still, denn ihr Magen meldete sich soeben. Bittend wandte sich das kleine Mädchen an Sesshoumaru: "Sesshoumaru-sama, ich habe Hunger. Können wir nicht irgendwo kurz anhalten und ich besorge mir was zu Essen?"

Doch bevor Sesshoumaru eventuell etwas darauf hätte erwidern können, ergriff Jaken betont das Wort: "Ach, Rin! Wo willst du denn in diesem Wald etwas zu Essen auftreiben? Außerdem ist es viel zu gefährlich, wenn du jetzt allein durch die Gegend streifst. Du wirst wohl oder übel noch etwas warten müssen."

"Aber..." Rin wirkte alles andere als begeistert, aber Jaken ließ sie gar nicht erst so richtig zu Wort kommen.

"Kein aber! Und jetzt gib endlich Ruhe!" Doch kaum hatte der Krötendämon das gesagt, hörte er auch schon ein lautes Bellen und ehe er sich versah, stand Inuki genau vor ihm. Es wirkte, als wollte er den Krötendämon ermahnen, dass dieser etwas freundlicher zu Rin sein sollte. "Hey! Starr mich gefälligst nicht so an!", mahnte Jaken Inuki kleinlaut.

In diesem Moment wurde Rin jedoch auf ein Geräusch aufmerksam. "Hört mal! Da vorne rauscht etwas!" Sie sprang sogleich von Ah-Uns Rücken und lief voraus in die Richtung, aus der das Rauschen kam. Zwar rief Jaken dem Mädchen sofort noch etwas nach, doch blieb er ungehört.

Nachdem sich Rin noch durch ein paar Büsche gekämpft hatte, erstreckte sich vor ihr ein wunderschöner, ruhig fließender Fluss, der hier auch nicht besonders tief war. Dennoch schwammen hier viele Fische, wie Rin sofort erkannte.

"Wow! Toll! Sesshoumaru-sama! Darf ich ein paar Fische fangen?", fragte sie den Youkai, der soeben ebenfalls mit Jaken, Ah-Un und Inuki an dem Fluss ankam. Auf die Frage des kleinen Mädchen hin nickte Sesshoumaru einverstanden, woraufhin Rin Jaken an der Hand ergriff und mit sich zog. "Komm mit, Jaken-sama! Du kannst mir helfen."

"Aber... Hey! Jetzt warte doch mal! Zieh doch nicht so!", jammerte Jaken, ehe er sich kurz darauf bis zur Hüfte im Wasser stehend wieder fand. Dieses Spiel kannte er schon zu genüge, zumal er schon öfters mit Rin zusammen Fische gefangen hatte. Während Rin dem Krötendämon nun die Fische entgegen trieb, setzte sich Sesshoumaru neben einen der zahlreichen Bäume. Ah-Un legte sich im Schatten eines anderen Baumes etwas hin, während Inuki den Fluss vom Ufer aus etwas genauer in Augenschein nahm. Er war dabei scheinbar so sehr in seine Gedanken vertieft, dass er seine Umgebung kurzzeitig völlig vergaß. Urplötzlich sprang er jedoch wie von der Tarantel gestochen nach oben. Ein Fisch, der Jaken kurz zuvor aus den Fingern geglitten war, war Inuki nämlich direkt ins Gesicht gesprungen und hatte ihm einen kräftigen Schrecken eingejagt. Während Rin bei dem Schauspiel herzhaft lachte, meinte Jaken bei der Beobachtung von Inuki nur schnippisch: "Und dieser Hund soll wirklich ein Dämon sein? Pah! Für mich ist er nach wie vor nur ein stinknormaler, lästiger Flohfänger!"

Inuki schüttelte eben einmal sein Fell durch, als ihn diese Bemerkung von Jaken erreichte. Zuerst war der Blick, den er dem Krötendämon zuwarf, nicht so recht zu deuten gewesen, doch spätestens als Inuki auf Jaken zukam und ihn mit der Vorderpfote völlig unvorhergesehen den Kopf unter Wasser drückte, bereute Jaken seine Worte. Allen blubbernden Beschwerden zum Trotz hielt Inuki ihn aber noch ein Weilchen mit einer engelsgleichen Unschuldsmiene unter Wasser, erbarmte sich irgendwann aber doch noch und ließ Jaken wieder nach Luft schnappen. Schließlich wollte er ihn ja nicht ertränken, sondern vielmehr etwas aufziehen. Und obwohl Jaken doch sehr hustete, reichte es noch immer für eine weitere Beschwerde: "Ich habe es doch immer gewusst! Du hast genauso wenig Respekt vor mir, wie dein vorlautes Menschenweib es auch immer gehabt hat!"

Und als ob er ihm das gleich noch beweisen wollte, drückte Inuki Jaken daraufhin erneut unter Wasser.

"Jetzt, wo Jaken-sama das gesagt hat... Kimie-san ist schon ziemlich lange weg, oder?", fragte sich Rin. Sie konnte jedoch nicht so recht abschätzen, wie lange es schon her war, dass Kimie weggegangen war. Sesshoumaru wusste hingegen so ziemlich genau, wie viel Zeit seit Kimies Abreise vergangen war. Es war nun etwas mehr als ein Jahr her. Sich an ihre Worte erinnernd, vermutete er, dass sie eigentlich in naher Zukunft eigentlich wieder zurückkommen müsste. Natürlich hätte Sesshoumaru ja auch eventuell Kagome fragen können, wenn er ihr, Inu Yasha und den anderen mal wieder über den Weg gelaufen war, doch zu so was hätte er sich niemals hinreißen lassen! Das hatte er schließlich auch nicht nötig, zumal er früher oder später schon noch selbst dahinter kommen würde.

Sesshoumarus Gedankengänge wurden schließlich von Jakens Keuchen unterbrochen. Diesmal schien der Krötendämon wohl etwas mehr Wasser geschluckt zu haben. Erschöpft robbte er nun zurück ans Ufer.

"Du... du blöder Köter hättest mich fast... umgebracht!", schnaufte Jaken, doch Inuki wirkte eher wenig mit Schuldgefühlen belastet. Als ob er Jaken wirklich umgebracht hätte! Aber gegen einen kleinen Spaß war schließlich nie etwas einzuwenden gewesen. Und es war ja schließlich auch nicht so gewesen, dass Inuki der Einzige gewesen war, der sich mit Jaken seine kleinen Späße erlaubte.

"Jetzt sei doch nicht böse auf Inuki, Jaken-sama", meinte Rin gutmütig. "Er hat es sicher nicht so gemeint. Das war doch sicher nur Spaß. Oder, Inuki?" Und wie zur Bestätigung bellte Inuki einmal, doch Jaken wirkte dennoch keinesfalls besänftigt.

"Das ist mir völlig egal, ob es Spaß war oder nicht! So lasse ich mich nicht behandeln! Das... Autsch!" Abrupt wurde Jakens Beschwerden ein Riegel vorgeschoben, denn Sesshoumaru war kurz zuvor von seinem Ruheplatz aufgestanden und nunmehr einfach über Jaken drüber gestiegen, wie es ebenfalls schon öfters vorgekommen war. "Wie grausam... Sie sind alle nur gemein zu mir...!", murmelte Jaken gequält in sich hinein, während er noch auf dem Boden lag.

Sesshoumaru ging jedoch unbeeindruckt dessen weiter seinen Weg. Er wollte ein wenig die Gegend in Augenschein nehmen und wies die anderen an, auf seine Rückkehr zu warten. Rin hatte damit keinerlei Probleme und ebenso wenig wie Ah-Un. Und Jaken war im Moment wohl eh alles egal. Auch Inuki hielt sich an die Anweisung und gesellte sich nun zu Ah-Un unter den schattigen Baum, wobei sein Blick Sesshoumaru aber noch eine Weile folgte.

"Komm schon, Jaken-sama!", sagte Rin zu dem Krötendämon, der noch immer auf dem Boden lag, und zog etwas an seinem Kimono. "Steh wieder auf! So schlimm kann es doch nicht gewesen sein."

"Na, du hast gut reden, Rin... Auf dir wird ja auch nicht ständig rumgetrampelt", erwiderte Jaken, den Kopf mürrisch auf die Hand abgestützt. Und während das kleine Mädchen ihm dennoch weiterhin versuchte, gut zuzureden, ließ Inuki seinerseits seinen Blick zum Himmel hinaufschweifen. Es schien, als ahnte er, wie viel Zeit inzwischen vergangen war und dass es für seine Herrin allmählich an der Zeit war, wieder zurückzukommen. Was seinen Aufenthalt bei Sesshoumaru und dessen Gruppe anbelangte, so konnte sich Inuki eigentlich nicht beschweren. Es war ihm stets sehr gut ergangen und er hatte sich auch gut im Mittelalter eingelebt. Dennoch schien er sehnsüchtig den Moment abzuwarten, an welchem er Kimie endlich wieder sehen würde.

Unterdessen hatte sich Sesshoumaru etwas von seiner Gruppe entfernt, bis er schließlich an einem Punkt angelangt war, an welchem der Fluss zu einem kleinen Wasserfall wurde. Er war wirklich nicht sonderlich groß gewesen, vielleicht nur gute zwei Meter, ehe er wieder die Gestalt des ruhig fließenden Flusses annahm. Nachdem er einen Moment lang auf seinem Aussichtspunkt gestanden hatte, wanderte Sesshoumarus Blick in Richtung Westen. Seit dem Tod seines Vaters war er nicht wieder in seine Heimat zurückgekehrt. Sicherlich hatte sich dort in der Zeit von Sesshoumarus Abwesenheit auch einiges verändert, was wohl besonders auf die Mitglieder seines Clans zutreffen durfte. Einige, die zum Zeitpunkt seines Fortgehens noch relativ unerfahrene Jungspunde waren, mussten sich im Laufe der Zeit zu fähigen Kämpfern gemausert haben, wobei auch die Möglichkeit bestand, dass andere in der Zwischenzeit aus verschiedenen Gründen eventuell nicht mehr am Leben waren. In der Hinsicht musste sich Sesshoumaru eingestehen, dass er auch ab und zu über Ashitaka nachgedacht hatte. Allerdings hatte auch Sesshoumaru seinen Cousin nicht mehr wieder gesehen oder etwas von ihm gehört, seit dieser vor etwas über einem Jahr wieder in die westlichen Länder zurückgekehrt war. Sesshoumaru selbst würde hingegen mit seiner Rückkehr noch warten, wenngleich er zugegebenermaßen in letzter Zeit öfters daran gedacht hatte.

Irgendwann machte der Youkai kehrt und entschied wieder zur Rückkehr zu seiner Gruppe.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Aufmerksam ließ Ashitaka seinen Blick schweifen. Vor ihm erstreckte sich eine große Wiese, es wehte eine leichte Brise und im Klang des Gesangs der Vögel erschien dieser Ort in einer angenehmen und friedlichen Ruhe.

"Hier wirkt alles so ruhig. Steht uns wirklich eine so große Bedrohung bevor?", murmelte Ashitaka nachdenklich in sich hinein. Er und Tôya waren mittlerweile gut zwei Wochen unterwegs gewesen, doch hatten sie auf ihrer Suche nach Sesshoumaru bisher keinen Erfolg für sich verbuchen können.

"Bisher konnten wir immerhin stets auf die Zuverlässigkeit von Kakeru-samas Worten vertrauen", sagte Tôya, der soeben an die Seite seines Kameraden trat. "Wahrscheinlich ist all das hier nur die bekannte Ruhe vor dem Sturm. Wann auch immer dieser kommen mag..."

"Hmm..." Ashitaka senkte etwas den Blick. Er wusste nur zu genau, dass Tôya mit dem, was er gesagt hatte, mit ziemlicher Sicherheit Recht hatte. Es lag tatsächlich etwas in der Luft.

Und wie Vorboten, die diese Vermutung bestätigen wollten, erhoben sich plötzlich mehrere schwarze Krähen aus den Wipfeln der umherstehenden Bäume und flogen in den Himmel empor. Ashitaka konnte Krähen nicht sonderlich gut leiden, wie viele andere auch. Zu sehr standen sie immerzu in Verbindung mit etwas Negativem. Und wie viel Zeit ihm und Tôya überhaupt noch blieb, um Sesshoumaru ausfindig zu machen, vermochte er nicht zu sagen. Aber je früher sie ihn finden würden, umso besser wäre es.

"Gehen wir weiter", sagte Ashitaka daher schließlich an Tôya gewandt und sprang mit einem Satz davon, dicht gefolgt von seinem Kameraden.

Wiedersehen nach einem Jahr

Die Freunde waren am ersten Tag noch im Dorf geblieben, doch mit dem Anbruch des nächsten Tages hatten sie sich wieder auf den Weg gemacht. Kimie wäre eigentlich auch schon am Tag ihrer Ankunft gerne sofort wieder mit Inu Yasha, Kagome und den anderen losgezogen, doch dieser weitere Ruhetag hatte auch seine Vorzüge gehabt. So konnte sie sich erst mal wieder etwas mit dem Dorf vertraut machen und auch ein paar alte Bekannte begrüßen. Aber nunmehr endlich wieder mit den anderen durch die Gegend zu ziehen, weckte viele Erinnerungen und gab Kimie zugleich irgendwie das Gefühl, nie wirklich weg gewesen zu sein. Es war für sie schon etwas merkwürdig gewesen, zumal sie bis gestern noch voller Ungeduld auf diesen Moment gewartet hatte.

Als die Gruppe am Abend des zweiten Tages ihr Nachtlager vorbereitete, fragte Kimie an Kagome gerichtet: "Kagome? Würdest du mir glauben, wenn ich dir sagen würde, ich hätte das Schlafen unter freiem Himmel vermisst?"

Kagome packte gerade ihren Schlafsack aus, als sie die Frage ihrer Cousine vernahm. "Also, ich sehne mich ja hingegen des Öfteren nach meinem weichen Bett", meinte die Jüngere und lachte kurz auf. Auch Kimie musste daraufhin anfangen zu lachen, ehe ihr Blick mehr zufällig zu den anderen schweifte. Inu Yasha nahm gerade die nähere Umgebung noch mal unter die Lupe, um eventuelle Störenfriede zu vertreiben. Währenddessen kümmerten sich Miroku und Sango im Beisein von Shippou und Kirara gemeinsam um das Lagerfeuer. Dass der Mönch und die Dämonenjägerin inzwischen zueinander gefunden hatten, hatte Kimie schon vor einer Weile von Kagome erfahren. Und obwohl sie es in der Gegenwart anderer nicht so offen zeigten, so waren die Blicke, die sie sich ab und zu zuwarfen, doch mehr als deutlich, ebenso wie der eine oder andere Dialog.

Nach kurzer Wartezeit bemerkte Kagome, dass Kimies Augenmerk eben besonders auf Sango und Miroku zu ruhen schien. Nachdem ihre Cousine auch auf mehrfache Ansprache hin nicht reagiert hatte, sagte Kagome und nur, dass Kimie es hören konnte: "Dreh dich nicht um, aber Sesshoumaru steht hinter dir, Kimie."

"Was?!" Reflexartig hatte sich Kimie umgedreht, aber natürlich war da niemand. Dass hätte sie sich zwar eigentlich auch selbst denken können, doch hatte sie für diesen Sekundebruchteil das logische Denken beiseite geschoben. Dementsprechend war auch nun folgende Reaktion. "Das kriegst du irgendwann wieder, Kagome!", drohte Kimie ihrer Cousine scherzhaft.

Ein Lächeln kam auf Kagomes Gesicht zum Vorschein. "Tut mir Leid, aber du hast eben so ausgesehen, als würdest du träumen. Und das mit offenen Augen."

"Na und? Das wird ja wohl noch erlaubt sein, oder?", fragte Kimie gespielt beleidigt. Aber geträumt hatte sie in der Tat ziemlich viel, besonders während der ersten Zeit, die sie wieder bei sich zu Hause gewesen war. Fast jede Nacht hatte sie von ihren Erlebnissen im Mittelalter geträumt und natürlich auch von Sesshoumaru. Eigentlich hatte sie hauptsächlich von ihm geträumt und in den letzten Tagen vor ihrer Rückkehr war dies nicht anders gewesen. In Erinnerung daran kam sich Kimie nach einiger Überlegung ein wenig wie ein kleiner Teenie vor, der für einen Popstar schwärmte. Diese Vorstellung war ihr dann doch etwas peinlich. Verschämt senkte sie den Blick und murmelte irgendetwas vor sich hin. Dabei wurde sie auch weiterhin von Kagome beobachtet.

"Kimie, du träumst schon wieder", bemerkte die Jüngere nach einem Moment erneut, womit sie ihre Cousine zum wiederholten Mal aus ihren Gedanken holte.

"Tu ich gar nicht! Ich habe nur nachgedacht", rechtfertigte sich Kimie sofort, wenngleich Kagome natürlich Recht gehabt hatte. Aber diesmal wollte Kimie ihrer Cousine nicht unbedingt auf die Nase binden, was in ihrem Kopf vorging. Manchmal musste man eben auch was für sich behalten.
 

Schließlich hatten sich alle an das nunmehr entzündete Lagerfeuer gesetzt und gönnten sich einige von den Fertignudeln aus der Neuzeit. Natürlich war besonders Inu Yasha Feuer und Flamme für diese Form von Abendessen gewesen. Viel schneller als die anderen hatte er seine Portion verdrückt und gönnte sich sogleich die nächste. Nebenbei unterhielten sich alle ein wenig über das, was in jüngster Vergangenheit geschehen war. Kimie hatte eigentlich keine großen Neuigkeiten, die sie zum besten geben konnte, da sie ja hauptsächlich die Schulbank gedrückt hatte, aber eine wahre Herausforderung war ihre Diskussion mit ihren Eltern gewesen, da sie ihnen ja schließlich erklären musste, warum sie wieder nach Tokio hatte ziehen wollen. Kimie hatte ihre Entscheidung damit begründet, dass sie gerne wieder wie früher näher bei Kagome sein wollte, was ja auch stimmte, doch natürlich hatte sie stets alles, was mit dem Mittelalter zu tun gehabt hatte, dabei außen vor gelassen. In der Hinsicht war es für Kimie schon etwas kompliziert gewesen, ihren Eltern möglichst logisch zu erklären, warum sie bei ihrer Rückkehr mit einem neuen Schwert angekommen war. Kurz und knapp hatte sie schlichtweg erzählt, ihr altes Schwert wäre durch einen unglücklichen Zufall zu Bruch gegangen, was lustigerweise ja auch der Wahrheit entsprochen hatte, und sie sich in Tokio daher ein neues besorgt hatte. Hinsichtlich Inuki und warum sie ihn wiederum bei ihrer Rückkehr nicht auch wieder mitgebracht hatte, hatte Kimie es mit Dreistigkeit versucht und gerade heraus gesagt, dass sie schon lange den Entschluss gefasst hatte, wieder nach Tokio zu ziehen und Inuki daher schon vorsorglich dort gelassen hatte. Diese Verkündung hatte bei ihren Eltern jedoch für ziemliche Irritation gesorgt. Zwar hatte Kimie schon vor ihrem Besuch in Tokio oft zur Sprache gebracht, dass sie irgendwann wieder dorthin zurück wollte, aber dass sie auf einmal so konsequent dieses Ziel verfolgte, war für ihre Eltern doch etwas überraschend gekommen. Zuerst gab es deswegen auch mehrere Diskussionen, da Kimie vorher ja nicht mit ihren Eltern darüber gesprochen hatte, aber irgendwann hatte sie sie doch so weit, dass sie in ihren Entschluss eingewilligt hatten, zumal Kimie in Tokio nicht allein wohnen würde, sondern bei Kagome unterkommen konnte. Kimies Mutter hatte deswegen auch noch mit ihrer Schwester, Kagomes Mutter, in Tokio telefoniert und schließlich ebenfalls ihr Einverständnis gegeben. Kimies Vater schien im Nachhinein betrachtet bei dem Ganzen etwas lockerer gewesen zu sein, als seine Frau, obwohl beide am Anfang ziemlich gleich reagiert hatten: zuerst relativ sprachlos, ehe sie ihre Tochter mit allen möglichen Fragen über das warum, wieso und weshalb zugeschüttet hatten.

Umso erleichterter war Kimie letztendlich, als alles so weit eingeleitet und erledigt gewesen war. Natürlich war es schon eine gewisse Umstellung für sie und auch etwas ungewohnt, dass sie nunmehr getrennt von ihren Eltern lebte, aber es war ja schließlich nicht so gewesen, dass sie an verschiedenen Orten der Welt leben würden. Und nun war sie wirklich wieder hier, zurück im Mittelalter und saß zusammen mit Kagome, Inu Yasha und den anderen wie schon vor einem Jahr am nächtlichen Lagerfeuer.

Aber auch im Mittelalter war in der Zwischenzeit wohl einiges passiert. So war zum Beispiel Naraku laut Aussage der anderen seit einiger Zeit irgendwie verschwunden und es gab bisher wohl auch keinerlei Anzeichen auf seinen momentanen Aufenthaltsort. Auch seine dämonische Aura war wie vom Erdboden verschluckt. Ebenso fehlte jegliche Spur von Kagura und Kanna. Das Hauptziel der Gruppe war es momentan daher, Naraku wieder zu finden und nach wie vor unschädlich zu machen.

"So lange ist er aber noch nicht verschwunden, oder?", fragte Kimie die anderen.

Miroku schüttelte den Kopf. "Nein, es sind jetzt ungefähr zwei Monate."

"Für meinen Geschmack ist das lange genug!", warf Inu Yasha ein. "Aber er kann sich ja schließlich nicht ewig verkriechen. Früher oder später finden wir ihn schon wieder und dann mach ich ihn mit Tessaiga so richtig alle!" Man konnte förmlich die Euphorie des Hanyou spüren. Er brannte regelrecht darauf, Naraku zu Kleinholz zu verarbeiten, und da war er nicht der Einzige gewesen.

"Aber hört mal, lassen wir Naraku wenigstens heute mal außen vor", schlug Kagome jedoch schließlich vor. "Das ist schließlich gerade Mal Kimies zweiter Tag hier nach über einem Jahr, da sollten wir uns besser über angenehmere Dinge unterhalten."

"Der Meinung bin ich auch!", stimmte Shippou dem Mädchen zu. Auch die anderen schienen damit einverstanden gewesen zu sein. So gingen die Gespräche nunmehr in andere Richtungen und Kagome erzählte unter anderem, was so alles passiert war, wenn Inu Yasha sie mal wieder zu Hause besucht hatte und sie ihn dann auf einen Einkaufsbummel oder dergleichen mitgenommen hatte.

Und obwohl Miroku inzwischen eigentlich an Sango vergeben war, so hatte ihn dies scheinbar dennoch nicht daran gehindert, auch weiterhin gelegentlich anderen hübschen Frauen den Hof zu machen. Doch schien er sich nunmehr lediglich auf harmlose Flirts zu beschränken und außerdem wusste Sango ganz genau, wie sie den Mönch wann und wo seine Grenzen aufzeigen konnte. Es kam aber schon zum Vorschein, dass Miroku wohl wirklich nur noch an Sango ernsthaftes Interesse zeigte, doch wirklich zum Zuge hatte sie ihn bisher scheinbar noch nicht kommen lassen, wie Kimie vermutete. Dabei fiel ihr nun auch wieder ein, dass Kagome ihr gegenüber mal am Telefon gestanden hatte, dass sich zwischen ihr und Inu Yasha seit dem letzten Jahr nicht wirklich etwas verändert hatte. Zwar hatte Kagome schon irgendwie das Gefühl, dass Inu Yasha ihr gegenüber in Sachen Gefühle offener geworden war, aber noch immer schien sich etwas in ihm nach Kikyou zu sehnen. Und solange er sich von ihr nicht wirklich lösen konnte, hatte Kagome nur geringe Hoffnung darauf, dass aus ihr und Inu Yasha mehr werden konnte. In gewisser Weise empfand sie es auch als egoistisch von sich selbst, dass sie manchmal sogar hoffte, Inu Yasha würde Kikyou irgendwann vergessen. Zwar hatte Kimie ihrer Cousine Mut zugesprochen, doch wirklich was tun, konnte sie in der Hinsicht auch wieder nicht. Aber natürlich brachte Kimie dieses Thema nicht zur Sprache und schon gar nicht im Beisein der anderen.

Doch nicht nur Kagome hatte scheinbar gewisse Probleme, auch Sango plagte nach wie vor die Ungewissheit über das Befinden ihres jüngeren Bruders Kohaku, der nach jüngsten Erkenntnisstand der Freunde nach wie vor unter Narakus Einfluss stand. Doch Sango war weiterhin fest entschlossen, Kohaku zu finden und zu retten.

Da Naraku aber noch immer irgendwo sein Unwesen trieb, fragte sich Kimie ernsthaft, wie man ihm eigentlich entgegentreten sollte? Er schien immer wieder eine Möglichkeit zu finden, sich aus dem Staub zu machen, wenn es eng wurde für ihn und war immer wieder mit neuen hinterhältigen Tricks angekommen.

>Ob er auch diesmal wieder auftauchen wird?<, fragte sich Kimie nachdenklich, brachte das Gespräch aber nicht erneut auf Naraku zurück.
 

Irgendwann überkam jedoch so ziemlich jeden die Müdigkeit und so entschlossen sich die Freunde schließlich dazu, sich schlafen zu legen. Kimie war schon gespannt darauf, was der neue Tag mit sich bringen würde.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Es verging eine ganze Woche und sowohl die Suche nach Naraku, als auch nach den restlichen Splittern des Shikon no Tama blieb ergebnislos. Besonders Inu Yasha wurmte der ausbleibende Erfolg von Mal zu Mal mehr, aber er war nicht der Einzige gewesen, der allmählich die Nerven zu verlieren schien. Auch bei Kimie machte sich so langsam deutliche Unruhe breit, doch war hier ein anderer Grund ausschlaggebend gewesen.

>Vielleicht bin ich auch einfach nur zu ungeduldig, aber ich werde das blöde Gefühl nicht los, dass er ausgewandert ist...<, dachte sie trocken und seufzte auf.

Kagome, die neben ihrer Cousine herging, lächelte und klopfte ihr einmal auf die Schulter. Sie konnte sich schon denken, was Kimie beschäftigte. "Bleib ganz ruhig. Früher oder später werden wir Sesshoumaru schon noch über den Weg laufen."

Kaum, dass Kagome das gesagt hatte, schreckte Kimie hoch. "Aber Kagome! Ich..." Doch leugnen war wohl zwecklos gewesen, wie sie schnell erkannte. Auch die anderen wussten natürlich genau, dass Kimie Sesshoumaru gerne wieder sehen wollte.

"Sag mal, wie hast du dir das eigentlich weiter gedacht?", fragte Inu Yasha das Mädchen plötzlich. "Ich meine, wenn wir Sesshoumaru wieder über den Weg laufen, begleitest du ihn dann weiter oder bleibst du bei uns?"

Daraufhin blieb Kimie stehen. Inu Yashas Frage war durchaus berechtigt gewesen. Es dauerte einen kurzen Moment, ehe Kimie ihm und den anderen gegenüber jedoch gestehen musste: "Wenn ich ganz ehrlich sein soll... darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Das ist mir irgendwie entfallen."

"Wir können doch auch wieder alle zusammen durch die Gegend ziehen", schlug Kagome sogleich vor, aber sofort stellte sich Inu Yasha quer.

"Das kommt ja gar nicht in die Tüte! Ich hasse den Kerl! Mit dem will ich nichts zu tun haben!"

Kagome seufzte auf. Dass Inu Yasha so reagieren würde, hatte sie sich schon gedacht und war daher überhaupt nicht überrascht, ebenso wie die anderen auch.

Kimie nahm es mit Humor. Hinsichtlich Inu Yashas zuvor geäußerter Frage, musste sie sich aber wirklich noch ihre Gedanken machen. In dem Zusammenhang fragte sie sich erneut, wann sie Sesshoumaru wohl wieder sehen würde.
 

Gegen Mittag entschloss sich die Gruppe zu einer kleinen Rast auf einer Wiese, in dessen Nähe sich hinter einigen grasbedeckten Hügeln auch ein kleiner Fluss befand. Kimie erklärte sich dazu bereit, sogleich zu jenem Fluss zu gehen, um etwas Wasser zum Kochen zu holen und bei der Gelegenheit auch die Wasservorräte etwas aufzufrischen. Da sie außerdem nicht weit laufen musste, empfand sie es nicht als notwendig, dass sie jemand begleitete. So warteten die anderen, während sich Kimie nun mit vier Wasserflaschen auf den Weg zum Fluss machte. Nachdem sie einen der grasbedeckten Hügel hinaufgegangen war, entdeckte sie unterhalb von diesem auch sogleich den Fluss. In unmittelbarer Nähe befand sich auch ein Wald, der jedoch ziemlich friedlich aussah, weshalb sich Kimie recht unbesorgt dem Fluss näherte. Während sie nun eine der Wasserflaschen ins Wasser tauchte, dachte sie noch darüber nach, was sie machen würde, sollte sie Sesshoumaru irgendwann wieder begegnen. Sie spielte jetzt aber mehr mit dem Gedanken, ihn diesmal auf seinen Reisen zu begleiten, sollte eine erneute gemeinsame Reise mit allen zusammen diesmal nicht möglich sein.

>Hmm... Diesmal ist die ganze Sache ja schließlich auch etwas anders. Immerhin habe ich nicht mehr das Problem, bald wieder nach Hause zu müssen. Und Inu Yasha und die anderen würde ich von jetzt an wohl auch öfter sehen, auch wenn ich diesmal nicht mit ihnen zusammen unterwegs wäre...<

Nachdem sie alle Flaschen mit Wasser gefüllt hatte, kehrte Kimie aber nicht sofort wieder zu den anderen zurück. Stattdessen setzte sie sich noch einen Moment ins Gras und hing ein wenig ihren Gedanken nach. Sie hatte noch gar nicht lange dagesessen, da erstarrte sie plötzlich regelrecht, als sie etwas Kühles an ihrem Hals spürte. Es lief ihr ebenso kalt den Rücken hinunter, denn als sie ganz vorsichtig den Kopf etwas drehte, erkannte sie, dass ihr jemand die Klinge eines Schwertes an den Hals hielt. Aber wer der Eigentümer dieses Schwertes war, vermochte sie nicht zu sagen. Dazu hätte sie sich umdrehen müssen, doch die Klinge an ihrem Hals hinderte sie daran. Sie konnte momentan nicht mal ihr eigenes Schwert ziehen, um sich zu verteidigen.

>Nein! Das kann doch alles nicht wahr sein!? Wer zum Teufel ist das und wo ist der so plötzlich hergekommen? Verdammt... Was soll ich jetzt machen?<, fragte sich Kimie verzweifelt und hoffte auf ein Wunder. Was anderes schien ihr im Moment auch nicht übrig zu bleiben.
 

"Hat sich Kimie verlaufen oder warum braucht sie so lange?" Inu Yasha schaute skeptisch in die Richtung, in die Kimie kurz zuvor gegangen war. Der Fluss befand sich doch höchstens zwei Minuten vom Lagerplatz entfernt, doch mittlerweile war das Mädchen bestimmt seit zehn Minuten weg gewesen.

"Vielleicht hat sie ja etwas Interessantes entdeckt oder so", vermutete Sango, wenngleich sie auf die Schnelle auch nicht wusste, was das hätte gewesen sein können.

Schließlich bat Kagome Miroku darum, sich weiter um das Lagerfeuer für die Zubereitung des Essens zu kümmern, da sie selbst nun doch nach ihrer Cousine suchen wollte. "Ich geh mal nach ihr schauen."

"Ich begleite dich, Kagome!", verkündete Inu Yasha sogleich und machte sich anschließend zusammen mit dem Mädchen auf den Weg.
 

Währenddessen überlegte Kimie noch immer angestrengt, was sie jetzt wegen ihrer misslichen Lage hätte unternehmen können. Sollte sie es vielleicht mal mit Verhandlungen versuchen und den Unbekannten einfach direkt ansprechen, um ihn abzulenken und in einem günstigen Moment zurückschlagen?

Doch da hörte sie mit einem Mal hinter sich eine männliche Stimme kühl sagen: "Ich habe es schon immer gewusst. Menschen neigen viel zu oft dazu, ihre Umgebung außer Acht zu lassen. Das ist es, was sie so leicht angreifbar macht. Besonders für Dämonen."

Kaum, dass sie das gehört hatte, hielt Kimie für einen Moment die Luft an. >Moment mal! Das ist doch...!< Zögerlich wagte sie es nun doch, sich langsam umzudrehen und auch die Schwertklinge wurde nun wieder von ihrem Hals entfernt. Noch auf dem Boden sitzend, konnte Kimie jetzt auch endlich einen Blick auf die Person hinter sich erhaschen und wurde sofort in dem bestätigt, was sie sich gedacht hatte. "Sesshoumaru..."

Kimie blieb zunächst nur wie festgewachsen auf der Stelle sitzen. Tatsächlich stand ihr nun entgegen allen anfänglichen Erwartungen Sesshoumaru gegenüber. Sie hatte ihn nicht einmal kommen hören, als er sich ihr genähert hatte.

Als sie ihre Gedanken wieder etwas geordnet hatte, stand Kimie auch endlich wieder auf und wandte sich zu ihm um. Doch was sollte sie jetzt sagen? Zwar hatte sie es sich oft überlegt, was sie Sesshoumaru beim Wiedersehen hätte sagen können, doch jetzt wusste sich überhaupt nicht, wie sie anfangen sollte.

"Du bist also wieder zurückgekommen", sprach Sesshoumaru sie jedoch mit einem Mal an.

Zuerst nickte Kimie nur, brachte dann aber auch endlich einen Satz heraus: "Ja, ich... bin seit etwas über einer Woche wieder hier." Dann fiel ihr Blick wieder auf Sesshoumarus Schwert, welches er nun wieder einsteckte, und abrupt kam in ihr der Ärger hoch. Jegliche anfängliche Scheu war mit einem Mal wie weggefegt. "Aber sag mal, was war denn das eben für eine Begrüßung?! Was bildest du dir eigentlich ein, mich so zu erschrecken?!", beschwerte sie sich nunmehr lautstark und deutete mit dem Finger auf Sesshoumaru. "Unverschämtheit! Willst du vielleicht, dass ich einen Herzstillstand erleide?! Ich hatte mir unser Wiedersehen ehrlich gesagt 'etwas' anders vorgestellt!"

Zwar hatte Kimie inzwischen erkannt, dass es lediglich Tenseiga gewesen war, mit dem Sesshoumaru sie "bedroht" hatte, aber das minderte ihre Aufregung nicht unbedingt. Einen Moment lang hatte sie sich schließlich schon sonst was gedacht. Sesshoumaru jedoch schien wie üblich die Ruhe in Person zu sein. Unbeeindruckt von Kimies Beschwerden erwiderte er nur: "Wie es aussieht, hast du noch ein genauso vorlautes Mundwerk wie damals."

Sofort wollte Kimie etwas darauf erwidern, doch fand sie auf die Schnelle keine passenden Worte. Und da war es auch schon wieder zu spät, um noch eine schlagfertige Erwiderung zum Besten zu geben und sie seufzte nur entnervt auf. "Mann! Du schaffst es wirklich immer wieder, mich aus der Fassung zu bringen! Gratulation!" Das letzte Wort hatte sie ziemlich sarkastisch betont, während sie nunmehr trotzig die Arme vor der Brust verschränkte und den Blick von Sesshoumaru abwandte.

Sesshoumaru selbst hatte sich dagegen mittlerweile davon überzeugen können, dass sich Kimie wohl nicht verändert hatte. Noch immer fuhr sie relativ leicht aus der Haut und neigte zu Überreaktionen.

Kimie grummelte inzwischen noch immer etwas eingeschnappt vor sich hin, doch als sie nach einem Moment aus dem Seitenwinkel zu Sesshoumaru schielte, sprach sie nunmehr wieder ruhiger und auch etwas schüchtern weiter: "Aber... ich freue mich, dass ich dich endlich wieder sehe. ... Du hast mir gefehlt." Doch kaum hatte sie das gesagt, drehte sie ihm vollends den Rücken zu. >Ach, du Schreck! Habe ich das etwa wirklich gerade laut gesagt?<, schoss es Kimie durch den Kopf. Sie war schon darauf gefasst, dass Sesshoumaru irgendeinen Kommentar zum besten geben würde, von wegen Menschen und ihre eigenartigen Emotionen, die sie nicht unter Kontrolle hatten, und so was.

Aber Sesshoumaru sagte zu Kimies Erstaunen nichts, sondern kam nun etwas mehr auf sie zu, woraufhin sie sich doch wieder etwas zu ihm umdrehte. Aufmerksam beobachtete sie, wie er seine rechte Hand hob und ihr einen Teil ihrer Haare, der ihr nach vorne über die Schulter gefallen war, wieder nach hinten strich. Etwas verlegen schaute Kimie Sesshoumaru an. Es schien, als wollte sie gerade noch etwas sagen, doch er kam ihr zuvor: "Hm! Deine Freunde scheinen sich bereits Sorgen um dich zu machen."

"Wie?" Kimie verstand zuerst gar nicht, auf was Sesshoumaru damit hinaus wollte, bis sie plötzlich Kagomes Stimme hörte, die nach ihr rief: "Kimie! Wo bleibst du denn? Ist alles in Ordnung?"

Gerne hätte Kimie jetzt ein lautes Seufzen zum besten gegeben, unterließ es aber in Sesshoumarus Gegenwart lieber. >Kagome, du bist meine Cousine und ich liebe dich, aber das ist jetzt genau wie in diesen ganzen dämlichen Serien! Immer tauchen zu den falschen Zeitpunkten irgendwelche Leute auf der Bildfläche auf...<

Kurz darauf erschien Kagome zusammen mit Inu Yasha auf einem der wiesenbedeckten Hügel. Und Inu Yashas Augenmerk blieb natürlich zu allererst an Sesshoumaru hängen. "Ach, du meine Güte! Wo kommt der denn jetzt wieder her?" Der Hanyou wirkte wirklich alles andere als begeistert vom Auftauchen seines Halbbruders. Und dieser schien diese mindere Begeisterung zu teilen. "Mir ist es auch immer wieder ein Vergnügen, dich zu sehen, Inu Yasha", konterte Sesshoumaru kühl.

Die Blicke von Kagome und Kimie trafen sich kurz. Während Kagome jedoch etwas beschämt darüber wirkte, dass sie mit Inu Yasha gerade in diesem Moment aufgetaucht war, dachte Kimie beim Anblick des Dialogs von Inu Yasha und Sesshoumaru trocken: >Es leben die guten alten Zeiten!<
 

Nicht weit von Inu Yasha und den anderen warteten währenddessen Rin, Jaken und Ah-Un im nahe gelegenen Wald auf die Rückkehr von Sesshoumaru. Er hatte sie zuvor angewiesen, auf ihn zu warten, doch hatte er ihnen nicht gesagt, wo er hinwollte.

Rin saß nachdenklich auf einem alten, auf dem Boden liegenden Baumstamm und ließ etwas die Beine in der Luft baumeln. "Wohin Sesshoumaru-sama wohl gegangen ist? Ich wäre so gern mitgegangen", meinte sie etwas enttäuscht.

Jaken, der mit dem Rücken zu ihr an einem Ende des Baumstamms saß, drehte sich zu ihr um und erwiderte: "Jetzt hör schon auf, dich zu beschweren, Rin! Es ist ja schließlich nicht das erste Mal, dass Sesshoumaru-sama allein irgendwo hingeht. Außerdem kommt er sowieso bald wieder zurück."

Rin seufzte auf. "Hach! Mir ist aber so langweilig..." Doch was konnte sie schon tun, außer warten? Da sie außerdem keine Ahnung gehabt hatte, wohin Sesshoumaru gegangen war, konnte sie ihm auch nicht eventuell auf eigene Faust folgen. So versuchte Rin, sich irgendwie ein wenig abzulenken und ließ ihren Blick etwas schweifen. Nicht weit von ihr und Jaken entfernt lagen unterdessen Ah-Un und Inuki nebeneinander unter einem der zahlreichen Bäume. Doch plötzlich hob Inuki mit gespitzten Ohren den Kopf, ehe er kurz darauf auch von seinem Ruheplatz aufstand und aufmerksam in eine Richtung schaute. Als Rin dies bemerkte, war sie doch etwas überrascht. "Was hast du, Inuki?"

Auch Jaken wandte seinen Blick nun doch etwas neugierig zu dem Hund um, der auf einmal ohne jegliche Vorwarnung losspurtete und Sekundenbruchteile später zwischen den Bäumen und Büschen verschwand.

"Inuki, warte doch! Komm zurück!", rief Rin ihm sofort nach, doch Inuki kam nicht wieder zurück. Also zögerte Rin nicht lange und folgte ihm, was wiederum Jaken völlig aus dem Konzept brachte.

"Rin! Bleib hier!" Aber auch hier blieben die Rufe ungehört. So blieb Jaken nicht anderes übrig, als zusammen mit Ah-Un im Schlepptau ebenfalls die Verfolgung aufzunehmen. "Unglaublich! Dieser Hund und dieses Kind bringen mich letztendlich noch um weitere hundert Jahre meines Lebens!"
 

Unterdessen befanden sich Kagome, Inu Yasha und Kimie noch immer zusammen mit Sesshoumaru an dem kleinen Fluss. Glücklicherweise gingen die beiden Halbbrüder aber nicht mit ihren Schwertern aufeinander los, obwohl man schon den Eindruck bekommen konnte, dass es besonders Inu Yasha irgendwie in den Fingern zu jucken schien. Es ging um die üblichen Dinge. Inu Yasha fragte Sesshoumaru, was er hier verloren hatte, Sesshoumaru konterte üblich kühl, dass Inu Yasha das nichts anginge und so drehte sich das alles noch etwas weiter. Kagome und Kimie wussten nicht so ganz, was sie jetzt eigentlich machen sollten. Irgendwie kamen sie sich momentan etwas überflüssig vor. Da hörte Kimie es in unmittelbarer Nähe im Gebüsch rascheln. Sie bemerkte schnell, dass diese Geräusche aus einem Gebüsch direkt hinter ihr kamen. Soeben wollte sie sich umdrehen, doch da war es schon zu spät. Sie hatte sich kaum bewegt, da wurde sie schon von einem gewaltigen Stoß gegen ihren Rücken nach vorne umgeworfen und legte sich mit einer wenig eleganten Bauchlandung vor den Augen der anderen lang ins Gras.

"Autsch!" Kimie wollte sich lieber nicht ausmalen, wie sie momentan wohl von Kagome, Inu Yasha und auch noch von Sesshoumaru angestarrt wurde, während sie so auf dem Boden lag.

"Kimie! Hast du dir was getan?", fragte Kagome ihre Cousine sofort besorgt, doch es kam nur ein unverständlich gemurmelter Satz zurück. Für die Jüngere war alles auch viel zu überraschend gekommen, doch sie staunte nicht schlecht, als sie erkannte, wer für diese Aktion verantwortlich gewesen war.

"Aua... Mein Kreuz..." Kimie war noch etwas zu sehr damit beschäftigt, den leichten Schrecken zu verdauen und sich zu vergewissern, dass ihre Knochen heil geblieben waren, doch spätestens, als sie ein erfreutes Bellen hörte, schob sie alles andere beiseite und schaute auf. Direkt vor sich sah sie nun genau auf Augenhöhe einen schwarzen Hund mit hellem Gesicht sitzen, der sie aufmerksam und abwartend ansah. Zuerst konnte sie es gar nicht wirklich glauben.

"I-Inuki?", fragte schließlich Kimie vorsichtig, als ob sie sich vergewissern wollte, und setzte sich auf. Jetzt hielt den Hund aber nichts mehr aus seinem momentanen Sitzplatz. Er sprang sofort wieder auf und genau auf Kimie zu, wobei er sie erneut umwarf.

"Inuki, du bist es wirklich! Ist das schön, dich wieder zu sehen!" Glücklich umarmte Kimie ihren Hund, der ihr erstmal das Gesicht ableckte und anschließend wie ein junges Reh um sie herum sprang. Als sie sich ihren Hund nun so ansah, musste Kimie feststellen, dass er ziemlich gut aussah. Anscheinend hatte es ihm an nichts gefehlt, während sie fort gewesen war. Dass er in der Nähe gewesen sein musste, hatte sie sich schon zuvor überlegt, nachdem schon Sesshoumaru aufgetaucht war. Aber dann mussten ja eigentlich auch...

"Kimie-san! Du bist ja wieder zurück!"

Kimie erkannte diese Stimme sofort. Das war eindeutig Rin gewesen und als sich Kimie umdrehte, sah sie das kleine Mädchen auch schon aus dem Wald und direkt auf sie zulaufen. Kimie musste aufpassen, nicht wieder umzufallen, nachdem Rin sie so überschwänglich begrüßt hatte.

"Rin! Freut mich, dich wieder zu sehen! Wie geht es dir?", fragte sie das kleine Mädchen, das fröhlich antwortete: "Gut! Sehr gut! Ich freue mich so, dass du wieder da bist!"

Rin schüttete Kimie sofort mit allerhand Fragen zu: Wie es ihr ginge, was sie die ganze Zeit gemacht hatte, wie lange sie schon wieder zurück war und so weiter. Kimie kam mit den Antworten kaum hinterher, bis sie mit einem erneuten Blick in Richtung Wald nun auch Jaken mit Ah-Un im Schlepptau entdeckte.

"Ach! Dich gibt's ja auch noch, Jaken!", stellte das Mädchen scherzhaft fest. Jaken klappte aber erstmal nur die Kinnlade bis zum Anschlag runter, als er Kimie entdeckte. Mit ihr hatte er nun wirklich nicht gerechnet und seine Begeisterung hielt sich auch eher in Grenzen.

Ah-Un hob hingegen neugierig seine beiden Köpfe und gab wie zur Begrüßung einen tiefen Laut von sich. Kimie ließ es sich daher nicht nehmen, auf den Drachen zuzugehen und ihn ebenfalls zu begrüßen. Dabei entging ihr aber auch nicht, dass Jaken sie noch immer mit offenem Mund anstarrte, als käme sie von einem anderen Planeten.

"Jaken, mach den Mund zu, sonst kommen Mücken rein!", meinte Kimie, nachdem der Krötendämon nach wie vor nicht so wirkte, als würde er sich von selbst wieder aus seiner Erstarrung lösen. Ihre Bemerkung schien ihn jedoch sofort wieder "aufgetaut" zu haben.

"Frechheit! Kaum wieder hier und schon wieder unverschämt werden! Das passt zu dir, du...", beschwerte er sich lautstark, verstummte aber sogleich wieder, nachdem ihn ein stechender Blick von Sesshoumaru getroffen hatte. >Jetzt geht das wieder los...<, dachte Jaken mürrisch. Nach wie vor war es ihm ein einziges Rätsel, was sein Herr an diesem Menschenmädchen fand.

"Sind die anderen denn auch alle hier, Kagome-sama?", fragte Rin nun an Kagome gerichtet, die lächelnd nickte.

"Ja, sie sind hier ganz in der Nähe."

"Das ist toll! Können wir bitte zu ihnen gehen, Sesshoumaru-sama?" Abwartend schaute das kleine Mädchen zu dem Youkai hoch, der einverstanden nickte. Rin bedankte sich sofort erfreut und drängte nun darauf, dass sie alle zusammen zu den anderen gehen würden. Sie ergriff Kagome bei der Hand und zog sie hinter sich her. Inu Yasha trottete, mit den nunmehr vollen Wasserflaschen unter den Armen, hinter den beiden her. Auch Kimie wollte sich soeben auf den Weg machen.

"Was ist mit dir? Kommst du auch mit?", fragte sie dann jedoch noch etwas verunsichert an Sesshoumaru gewandt, da er im ersten Moment auf sie nicht so wirkte, als wollte er mitgehen. Doch dann machte auch er die ersten Schritte und folgte den anderen zusammen mit Kimie. Das Schlusslicht von alldem bildete Jaken mit Ah-Un.
 

Die zuvor Zurückgebliebenen waren höchst überrascht über diese unerwartete Wende der Ereignisse, als sie nicht nur Inu Yasha, Kagome und Kimie, sondern auch Sesshoumaru mit dessen Gruppe erblickten. Doch Rin war wirklich mehr als erfreut darüber, alle mal wieder zu sehen und fing sofort eine lebhafte Unterhaltung an. Jaken hielt sich allerdings aus alldem raus und beobachtete stattdessen missmutig, wie Sesshoumaru etwas abseits von den anderen mit Kimie im Gras saß und mit ihr sprach. Doch worum es dabei ging, konnte Jaken nicht verstehen.

Kimie schien inzwischen etwas lockerer geworden zu sein und ging nun weitaus direkter auf Sesshoumaru zu. "Ich freue mich echt, wieder hier zu sein und dich endlich wieder zu sehen. Und Fluffy auch!" Ein amüsiertes Lächeln kam auf ihr Gesicht, doch mit dem, was sie zuletzt gesagt hatte, schien Sesshoumaru wiederum nicht wirklich was anfangen zu können. Im Gegenteil, er wirkte einen kurzen Moment sogar so, als vermutete er hinter "Fluffy" einen potenziellen Gegner, wenngleich der Name in seinen Ohren mehr lächerlich, als Furcht einflößend klang.

"Fluffy?", wiederholte Sesshoumaru daher mit einem leichten Unterton von Misstrauen in der Stimme.

Kimie musste ein Lachen unterdrücken, ehe sie ihn aufklärte. "Na, ich meine das fluffige Ding hier!" Mit diesen Worten ergriff sie den hinteren Teil seines Fells und hielt es hoch.

Zuerst erwiderte Sesshoumaru nichts darauf, doch dann sagte er betont und als ob er Kimie in ihrer vermeintlichen Unwissenheit korrigieren wollte: "Das ist ein Fell."

"Weiß ich doch! Das war doch nur ein Witz! Jetzt guck nicht gleich wieder so!", entgegnete Kimie und ließ das Fell wieder los. Sesshoumaru bedachte das Mädchen zwar mit einem etwas skeptischen Blick, sagte jedoch nichts weiter. Aber Kimie hätte es auch sehr gewundert, hätte er anders reagiert und sie empfand es dennoch als sehr angenehm, bei ihm zu sein. Nach kurzer Überlegung überwand sie sich auch dazu, etwas näher an ihn heranzurutschen. Dann schaute sie kurz zurück zu den anderen, wobei ihr auch Inuki ins Auge fiel. Dieser wuselte schon die ganze Zeit um die einzelnen Mitglieder der Gruppe herum.

"Übrigens... Danke, dass du dich um Inuki gekümmert hast. Es scheint ihm bei dir ja richtig gut gegangen zu sein", meinte das Mädchen an Sesshoumaru gewandt.

Dieser erwiderte üblich ruhig: "Ich habe schließlich versprochen, dass ich mich seiner annehmen werde."

>Ein Mann, ein Wort!<, dachte Kimie etwas amüsiert und musste doch etwas lächeln. Sie war Sesshoumaru aber nicht nur sehr dankbar dafür, dass er sein Versprechen eingehalten hatte, sie war auch wirklich froh und glücklich darüber, ihn nunmehr endlich wieder gesehen zu haben.
 

"Ob unsere zwei Hübschen da hinten sich so langsam aufgewärmt haben? Außer reden scheinen sie aber nichts zu machen", meinte Miroku mit einem prüfenden Blick in die Richtung von Kimie und Sesshoumaru. Auch für ihn und die anderen war es aus der Entfernung aber nicht zu erahnen, worüber sich die beiden unterhielten. Die letzte Bemerkung des Mönchs veranlasste Sango nun dazu, ebenfalls etwas dazu zu sagen.

"Erwartest du etwa, dass sich die beiden in unserer Gegenwart gegenseitig um den Hals fallen?", fragte sie skeptisch. "Außerdem kennst du doch Sesshoumaru. Wer weiß, wie das mit den beiden bisher gelaufen ist."

"Ach! Da war bestimmt nicht viel!", meinte Inu Yasha überzeugt. In der Tat konnte er sich nicht vorstellen, dass schon wirklich was zwischen seinem Halbbruder und Kimie gelaufen war. Es war dem Hanyou ja auch nach wie vor ein einziges Rätsel, wie Sesshoumaru gerade darauf kam, Kimie zu seiner Gefährtin zu nehmen, zumal er für Menschen - Rin ausgenommen - bisher eigentlich nicht sonderlich viel übrig gehabt hatte, um es mal milde auszudrücken.

>Och, eigentlich war da schon mal was<, dachte Kagome hingegen etwas amüsiert für sich und erinnerte sich noch ziemlich gut an das Gespräch, dass sie im letzten Jahr mal mit Kimie geführt hatte. Damals hatte ihre Cousine ihr gestanden, dass Sesshoumaru sie einmal geküsst hatte. Doch natürlich hatte Kagome dies für sich behalten und somit wusste von ihren Freunden sonst niemand davon.

"Aber wie geht es jetzt weiter?", fragte Shippou mit einem Mal neugierig. "Ich meine, bleibt Kimie bei uns oder geht sie mit Sesshoumaru mit?"

Nicht nur Shippou hatte sich im Moment wohl diese Frage gestellt, auch seine Freunde schienen das selbe gedacht zu haben. Es war schließlich Kagome, die dem kleinen Kitsune antwortete: "Tja, wenn wir nicht wieder alle zusammen reisen werden, dann wird sie wohl diesmal mit ihm mitgehen, nehme ich an."

"Oh... Das wäre aber schade." Etwas enttäuscht ließ Shippou daraufhin doch den Kopf hängen. Kagome wollte eben versuchen, ihn wieder etwas aufzumuntern, als sie jedoch plötzlich aufhorchte. "Leute, habt ihr das eben auch gehört?"

Als alle daraufhin jedoch angestrengt anfingen zu lauschen, konnten sie nichts wahrnehmen.

"Also, ich höre nichts", meinte Inu Yasha, ehe er etwas frech weiter sprach: "Da hat dir deine Phantasie wohl einen Streich gespielt, Kagome."

Kagome warf dem Hanyou einen beleidigten Blick zu. "Entschuldige mal! Dann habe ich mich eben geirrt, aber das kann ja wohl mal vorkommen, oder?"

Aber nicht nur Kagome schien sich dann etwas eingebildet zu haben. Auch Sesshoumaru hatte mit einem Mal das Gespräch zwischen sich und Kimie unterbrochen und ließ nunmehr prüfend seinen Blick schweifen.

"Ist was? Stimmt etwas nicht?", fragte Kimie verwundert, als sie plötzlich das Gefühl bekam, als hätte die Erde leicht gebebt. Zögerlich fragte sie: "Ähm... Bilde ich mir das jetzt nur ein oder hat sich der Boden eben wirklich bewegt?"

"Nein. Da ist wirklich etwas unter der Erde", antwortete Sesshoumaru und konnte beobachten, dass auch die anderen mittlerweile nicht mehr an einen Irrtum seitens Kagome glaubten, denn auch sie hatten die leichte Erderschütterung wahrgenommen.

"Siehst du? Ich hab's doch gesagt!", rechtfertigte sich Kagome nun gegenüber Inu Yasha, der soeben Tessaiga zog.

"Ja, ja! Schon gut! Hör auf zu nerven!"

Unterdessen war Rin zu Sesshoumaru und Kimie gelaufen. "Sesshoumaru-sama! Was war das eben? Ich habe Angst!" Ängstlich schaute das kleine Mädchen zu dem Youkai hoch, während es sich hinter ihm versteckte und sich umsah. Keiner sagte nunmehr etwas, doch diese Stille, die dadurch in der Luft lag, war im Moment fast noch schlimmer, als alles andere.

Plötzlich bebte erneut die Erde, diesmal heftiger, ehe aus dem Boden mit einem Mal der Kopf eines Dämons aus dem Erdboden auftauchte.

"Igitt! Ein Riesenwurm!", rief Kimie sofort angewidert aus. Dieses Vieh erinnerte sie sehr an mehrere Dämonen, mit denen sie auch schon in der Vergangenheit konfrontiert worden war. Auch dieser Wurm besaß an seinem Kopf keine Augen, sondern nur ein Maul voller spitzer Zähne. Und obwohl er blind war, entdeckte er dir Gruppe sogleich und kam nun weiter aus dem Boden zum Vorschein. Dabei bekam nun auch die Erde in unmittelbarer Nähe von Inu Yasha und den anderen Risse.

"Vorsicht, Leute! Weg da!", rief Inu Yasha warnend aus, schnappte sich Kagome und brachte sie eiligst aus der Gefahrenzone. Die anderen hatten sich selbst in Sicherheit bringen können. Erst jetzt wurde aber deutlich, dass dieser Dämonenwurm wirklich ein Monstrum war. Denn dort, wo Inu Yasha und die anderen eben noch gestanden hatte, kam unter der Erde nunmehr ein weiterer Teil des dicken Körpers des Dämons zum Vorschein. Die Gruppe hatte dem Anschein nach praktisch auf ihm Rast gemacht.

"Wir haben ihn wohl beim Schlafen gestört...", meinte Kimie trocken, ehe sie bemerkte, dass der Dämonenwurm seine Aufmerksamkeit nun auf sie, Rin und Sesshoumaru gelenkt hatte. Rin wagte nicht mal, zu schreien. Sie starrte den Dämon nur wie erstarrt an. Kimie hingegen wollte angesichts dieses riesigen Kriechtieres schon ihr Schwert ziehen, als sie jedoch plötzlich von Sesshoumaru gepackt wurde, ebenso wie Rin. "Haltet euch fest!", wies er die beiden Mädchen an, ehe er mit einem Satz davon sprang und sie aus der Gefahrenzone beförderte, bevor der Riesenwurm hatte angreifen können. Anschließend stieß Sesshoumaru zusammen mit den Mädchen im Schlepptau zu Inu Yasha und den anderen.

"Vielen Dank, Sesshoumaru-sama!", bedankte sich Rin sofort, noch während Sesshoumaru sie und Kimie festhielt. Jetzt setzte er die beiden wieder ab.

Der Dämonenwurm hatte nach kurzem Suchen die Gruppe schon wieder aufgespürt und wandte sich ihr sogleich zu. Kimie musste schlucken. "Also gut, Leute... Hauen wir ab oder kämpfen wir?"

"Was für eine blöde Frage! Wir kämpfen natürlich!", entschied Inu Yasha sofort, Tessaiga angriffsbereit in den Händen haltend. Er wollte auch nicht lange fackeln und gleich sein Kaze no Kizu einsetzen, doch bevor er das machen konnte, sprang plötzlich der Boden unweit der Gruppe regelrecht auf, als der Dämonenwurm nun mit seinem Schwanz ausschlug, der sich bis eben noch unter der Erde befunden hatte. Bei dieser Aktion verlor fast jeder sein Gleichgewicht und der kleine Shippou wurde sogar förmlich in die Luft geschleudert, denn er hatte genau da gestanden, wo sich der Schwanz des Dämonenwurms befunden hatte und war von diesem nun genau erwischt worden.

"Um Himmels Willen! Shippou-chan!!" Kagome war entsetzt. Sie und die anderen hatten zwar noch Glück gehabt, aber ihr kleiner Freund befand sich im Moment in großer Gefahr. Der kleine Kitsune flog noch immer ängstlich schreiend durch die Luft und genau auf den feindlichen Dämon zu. Shippou sah sich schon im Rachen des Dämonenwurms, als dieser jedoch plötzlich mit einem sauberen Schnitt genau in der Mitte in zwei Teile geteilt wurde. Kurz darauf wurde Shippou aufgefangen und spürte, wie er zusammen mit seinem Retter sanft wieder auf dem Boden aufkam.

"Bist du verletzt, Kleiner?", hörte der kleine Kitsune eine männliche Stimme ihn fragen. Auf die Frage hin schaute Shippou etwas scheu nach oben und blickte nunmehr in das Gesicht eines jungen Mannes. Doch dieser war kein Mensch. Da Shippou aber scheinbar aufgrund des Schocks wohl noch nicht ganz fähig gewesen war, zu antworten, schaute sein Retter ihn sich kurz an, ehe er für sich selbst feststellte, dass es dem Kitsune soweit gut zu gehen schien. "Nein, ich glaube mit dir ist alles in Ordnung. Da hast du ja noch mal Glück gehabt."

"Wer ist das?", fragte sich Sango verwundert. Sie und die anderen sahen den jungen Mann nur von hinten, doch schien es so, als würde in Kagome nun dennoch ein Verdacht aufkommen, um wen es sich dabei handelte.

"Augenblick! Könnte es sein, dass...?" Eigentlich war sie sich in seiner Vermutung ziemlich sicher gewesen, dass sie den jungen Mann vor sich kannte. Er hatte langes, weiß-silbernes Haar, welches er zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Außerdem trug er einen dunkelblauen Kimono ohne jegliche Musterung, darüber eine Rüstung und über seiner linken Schulter trug er ein helles Fell. Auf seinem Rücken hatte er ein Naginata festgeschnallt und in der rechten Hand hielt er noch sein normales Schwert, mit welchem er zuvor den Dämonenwurm ausgeschaltet hatte. Zugegeben, es gab gewisse Unterschiede, dennoch fragte Kagome den Fremden schließlich ganz direkt: "Ashitaka-kun! Bist du das?"

Der junge Mann horchte überrascht auf, ehe er sich umdrehte und nunmehr in mehrere verunsicherte Gesichter sah. Zeitgleich bemerkte Kagome aber auch sofort mit etwas Enttäuschung, dass ihre Vermutung falsch gewesen war.

"Nein... Das ist nicht Ashitaka-kun. Aber er sieht ihm ähnlich..."

Tatsächlich hatte sie im ersten Moment geglaubt, der Fremde vor ihr und den anderen wäre Ashitaka gewesen. Doch wirkte dieser Youkai hier in etwa so alt wie Sesshoumaru. Auch wies er nicht die rote Linienzeichnung im Gesicht auf, sondern besaß auf seinen Wangen jeweils zwei dunkle, violettfarbene Zeichnungen, von denen die unteren jedoch etwas kürzer und kaum richtig zu sehen waren. Außerdem hatte er im vorderen Bereich seiner Haare vereinzelt schwarze Strähnen.

"Hey! Wer bist du?", fragte Inu Yasha den fremden Youkai plötzlich schroff und mit Tessaigas Klinge auf diesen deutend. Doch drückte Miroku den Arm seines Kameraden, in welchem dieser das Schwert hielt, sofort wieder hinunter.

"Halt, Inu Yasha! Nicht so voreilig! Immerhin hat dieser Youkai soeben Shippou gerettet. Ich glaube nicht, dass er ein Feind ist."

"Hm!" Inu Yasha wirkte zwar noch etwas misstrauisch, ließ sein Schwert aber dennoch wieder sinken. Der fremde Youkai ließ nunmehr seinerseits auch etwas den Blick von einem zum anderen schweifen, bis sein Augenmerk nach einem kurzen Augenblick auch auf Sesshoumaru fiel.

"Ihr seid hier, Sesshoumaru-sama?", fragte er doch deutlich überrascht, war dabei aber nicht der einzige gewesen.

"Hä? Kennst du den etwa, Sesshoumaru?", fragte Inu Yasha seinen Halbbruder sofort, der üblich kühl antwortete: "Ja, ich kenne ihn."

"Und wer ist das, Sesshoumaru-sama?", fragte Rin weiter, doch bevor Sesshoumaru eventuell den Namen seines Gegenübers hätte aussprechen können, hörte man eine männliche Stimme schon rufen: "Tôya!"

Der fremde Youkai drehte sich sogleich um und rief zurück: "Ich bin hier, Ashitaka!"

>Ashitaka?!<, dachten Inu Yasha und die anderen irritiert, bis dieser nun selbst ebenfalls hinter einem der grasbedeckten Hügel auftauchte.

"Tôya, ist alles in Ordnung? Tut mir Leid, aber ich hatte da hinten eben selbst noch mit einem dieser Dämonen zu tun und..." Ashitaka stockte plötzlich, als er sah, wen Tôya da auf dem Arm hielt. "Na, so was! Shippou-chan?" Die Überraschung stand dem jungen Inu-Youkai deutlich ins Gesicht geschrieben und als er dann auch noch die anderen entdeckte, war sie wirklich perfekt gewesen. "Äh... Inu Yasha? Kagome-chan? ... Sesshoumaru, du bist auch hier?"

"Wie du sehen kannst, bin ich das. Dass wir uns so bald wieder über den Weg laufen würden, hatte ich ehrlich gesagt nicht erwartet", meinte Sesshoumaru mit gewohnt ruhiger Stimme an seinen jüngeren Cousin gewandt. Dafür war die Freude bei Kagome und den anderen umso größer.

"Ashitaka-kun! Du bist ja doch hier! Ist das schön, dich wieder zu sehen!", rief das Mädchen erfreut aus. Natürlich war auch Ashitaka erfreut gewesen, aber zugleich wirkte er noch immer etwas überrumpelt. Niemals hätte er wohl damit gerechnet, allen auf diese Weise und noch dazu gemeinsam und regelrecht auf einen Schlag wieder zu begegnen.

Während bei den meisten Überraschung und vielleicht auch kurzzeitige Irritation vorrangig gewesen waren, schien Sesshoumaru jedoch zu ahnen, dass das gemeinsame und unvorhergesehene Auftauchen Ashitakas und Tôyas nicht unbegründet gewesen war.

Der Weg nach Westen

"Tse! Machen die drei jetzt ihre Privatrunde oder warum schließen die uns aus?", fragte sich Inu Yasha, während er mit einem misstrauischen Blick zu Sesshoumaru, Ashitaka und Tôya rüberschaute, die sich inzwischen etwas von den anderen abgesondert hatten. Schon eine Weile standen die drei zusammen. Es schien, als hätten Ashitaka und Tôya Sesshoumaru etwas wichtiges zu sagen. Viel Zeit für Kagome und die anderen, sich nach dem Wiedersehen eventuell etwas ausgiebiger mit Ashitaka zu unterhalten, war wahrlich nicht geblieben. Es hatte nur dazu gereicht, dass Ashitaka Tôya kurz mit den anderen namentlich bekannt gemacht hatte und umgekehrt. Zudem war Inu Yasha eben genau wegen Tôya noch immer etwas misstrauisch und vorsichtig.

Auf das, was der Hanyou jedoch eben gesagt hatte, fragte Miroku nun doch etwas prüfend: "Seit wann kümmern und interessieren dich denn Sesshoumarus Angelegenheiten, Inu Yasha?"

"Überhaupt nicht!", konterte Inu Yasha sofort. "Der kann von mir aus machen, was er will, solange er mir damit nicht auf die Nerven fällt oder mir bei meinen eigenen Vorhaben in die Quere kommt!"

Und in der Tat war es Inu Yasha so ziemlich egal, was sein Halbbruder so in seiner "Freizeit" machte. Lediglich die Unwissenheit darüber, was Ashitaka und Tôya mit Sesshoumaru zu besprechen hatten, veranlasste den Hanyou dazu, sich auch ein wenig seine Gedanken zu machen. Man konnte schließlich nie wissen, inwiefern sich eine Angelegenheit auf andere Dinge auswirken konnte und im Zusammenhang mit Sesshoumaru konnte sich Inu Yasha mittlerweile einiges vorstellen. Auch Kimie beobachtete die drei Youkai mit einem gewissen Gefühl von Unruhe. "Ich wette, es ist irgendetwas passiert", vermutete sie, woraufhin Kagome ihren Blick zu ihrer Cousine umwandte.

"Was meinst du damit, Kimie?"

"Nur so ein Gefühl", antwortete die Ältere. "Aber Ashitaka und dieser Tôya sahen nicht so aus, als wollten sie Sesshoumaru lediglich auf ein Plauderstündchen aufsuchen, um eventuell die guten alten Zeiten aufzuwärmen."

Da musste Kagome Kimie Recht geben. In der Tat musste wohl irgendetwas vorgefallen sein, von dem Sesshoumaru nun von seinen Kameraden in Kenntnis gesetzt wurde. Die Frage war eben nur, was genau das war?

Rin schaute von den Anwesenden momentan wohl am unsichersten drein. Auch sie fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte. "Jaken-sama, kannst du dir vorstellen, was jetzt eigentlich los ist? Was wollen Ashitaka-san und dieser andere Youkai von Sesshoumaru-sama?", fragte das kleine Mädchen den Krötendämon, der neben ihr stand. Doch Jaken konnte nur unwissend mit den Schultern zucken.

"Frag nicht, Rin. Ich habe auch keine Ahnung."

Der Blick von Rin richtete sich wieder auf Sesshoumaru, Ashitaka und Tôya. Zu gerne hätte sie gewusst, was die drei zu bereden hatten.
 

"Sesshoumaru, wir haben dich gesucht, weil wir dich bitten möchten, wieder zurück in die westlichen Länder zu kommen", unterbreitete Ashitaka seinem Cousin in der Zwischenzeit sein und Tôyas Anliegen. Und wenngleich Sesshoumaru es nicht zeigte, so war er doch etwas überrascht.

"Ich hatte eigentlich vor, mit meiner Rückkehr noch zu warten", erwiderte er in üblicher Tonlage. "Aber ich nehme an, ihr äußert eure Bitte nicht ohne Grund."

"Wir haben in der Tat einen Grund", bestätigte Tôya Sesshoumaru in dessen Vermutung. "Es könnte nämlich sein, dass wir in naher Zukunft einige Probleme bekommen werden und deswegen bitten wir Euch um Eure Unterstützung."

So was in der Art hatte sich Sesshoumaru schon gedacht. Allerdings musste sein Clan sich mit einem größeren Problem konfrontiert sehen, dass nun sogar um seine Rückkehr gebeten wurde. "Ihr scheint jedoch noch nicht zu wissen, um was für Schwierigkeiten es sich handelt, mit denen unser Clan wohl konfrontiert werden wird", vermutete er. "Kakeru hat hinsichtlich dessen also geschwiegen."

Ashitaka nickte. "Er konnte uns bei unserem Aufbruch noch nichts genaueres dazu sagen."

"Verstehe." Sesshoumaru schwieg nun einen Moment. Offenbar brauchte sein Clan wirklich seine Hilfe und da er ja immerhin der Herr der westlichen Länder war, lag es eigentlich nahe, dass er seinen Leuten bei Schwierigkeiten zur Seite stehen würde. Das gehörte immerhin ebenfalls zu Sesshoumarus Aufgaben mit dazu. Gerade schien es auch so, als wollte Sesshoumaru seinen Kameraden nach kurzer Überlegung seinen Entschluss verkünden, als er jedoch spürte, wie jemand leicht am rechten Ärmel seines Kimonos zog. Als er sich entsprechend umwandte, entdeckte er Rin, die verunsichert zu ihm hoch schaute.

"Sesshoumaru-sama, was ist denn los? Ist etwas passiert?", fragte das kleine Mädchen, das diese Warterei nicht länger ausgehalten hatte und daher einfach zu Sesshoumaru gegangen war. Nun wurde Rin aber besonders von Tôya ins Auge gefasst. Zwar hatte dieser schon von Ashitaka gehört, dass Sesshoumaru seit einiger Zeit ein kleines Menschenmädchen bei sich hatte, aber so recht glauben können, hatte er es bis zu diesem Zeitpunkt wohl doch nicht.

"Ich bin ehrlich überrascht, Sesshoumaru-sama. Seit wann lasst Ihr Menschen so nah an Euch heran?", fragte Tôya nach einem Moment. "Eigentlich hätte man bisher vermuten sollen, Ihr hättet für Menschen in etwa so viel übrig, wie ein Schneedämon für Feuer." Aufgrund dieser direkten Ansprache konnte im ersten Moment eventuell der Eindruck entstehen, Tôya nehme eine eventuelle direkte Konfrontation mit Sesshoumaru bewusst und billigend in Kauf, doch trat er dem Oberhaupt seines Clans durchaus mit Respekt gegenüber. Keinesfalls hatte er die Absicht, Sesshoumaru herauszufordern und Tôyas Bemerkung war auch nicht begleitet gewesen von einem beispielsweise abfälligen Unterton. Auch Sesshoumaru kannte seinen Kameraden gut genug, um zu wissen, dass er aus dessen Bemerkung keine große Sache zu machen brauchte. Tôya drückte sich des Öfteren einfach nur weniger "scheu" aus, als vielleicht das eine oder andere weitere Mitglied des Clans.

"Das war ein Zufall", antwortete Sesshoumaru daher im üblichen Ton auf die zuvor gestellte Frage von Tôya und ließ das Thema damit auch schon wieder auf sich beruhen. Stattdessen machte er nun wieder kehrt und schien zu den anderen zurückgehen zu wollen. Dabei wandte er sich aber noch an Rin: "Rin, komm mit. Dann erfährst du, was los ist."

"Gut, Sesshoumaru-sama!" Sofort folgte Rin dem Youkai an dessen Seite, während Ashitaka und Tôya etwas hinter den beiden gingen.

"Hey! Was habt ihr denn für Probleme?", kam es sofort von Inu Yasha, kaum, dass die kleine Gruppe wieder bei ihm und den anderen angekommen war.

Sesshoumaru blieb schließlich stehen und antwortete kühl: "Keine, die dich in irgendeiner Form zu interessieren hätten, Inu Yasha. Ashitaka und Tôya haben mich lediglich darum gebeten, dass ich etwas früher, als ich es eigentlich vorgehabt hatte, wieder in die westlichen Länder zurückkehre."

"In die westlichen Länder?", wiederholte Kagome doch etwas überrascht und Kimie horchte auf. Sie war verblüfft, denn die westlichen Länder waren laut ihrer Erinnerung immerhin so was wie das Herrschaftsgebiet der Inu-Youkai und Sesshoumaru hatte dort schließlich das Sagen. Allerdings fragte sich Kimie, aus welchem Grund Sesshoumaru so plötzlich dorthin zurückkehren sollte. Kurz nachdem dieser jedoch das Anliegen von Ashitaka und Tôya preisgegeben hatte, sprang Jaken sofort zu seinem Herrn.

"Aber was ist denn passiert, Sesshoumaru-sama? Wollt Ihr wirklich schon jetzt wieder zurückgehen? Und wollt Ihr etwa allein gehen?" Bei dem letzten Teil von Jakens Satz, weiteten sich einen Moment lang Rins Augen vor Schreck.

"Ich will aber mit Euch mitgehen, Sesshoumaru-sama!", rief das kleine Mädchen bittend. "Wollt Ihr Jaken-sama, Ah-Un die anderen und mich wirklich allein lassen? Geht nicht ohne uns weg! Bitte nehmt uns mit!" Ängstlich und verunsichert schaute Rin zu Sesshoumaru hoch und ergriff ihn erneut am Ärmel seines Kimonos. Der Youkai war nicht überrascht gewesen. Er hatte schon erwartet, dass Rin ihn bitten würde, mit ihm mitkommen zu dürfen. Aber ungefährlich wäre diese Sache für das kleine Mädchen unter Umständen sicherlich nicht.

Und wie auf Kommando schaltete sich nun auch Tôya ein und sprach Rin an: "Das ist aber kein Spiel, kleines Mädchen. Wir haben einige Probleme, von denen wir momentan noch nicht einmal wissen, welchen Ursprung sie haben und von wem oder was sie überhaupt ausgehen. Für Kinder ist das nichts. Verstehst du?" Tôyas Blick und der ernste Unterton in seiner Stimme, ließ Rin nun doch etwas eingeschüchtert den eigenen Blick senken. Sie verstand, worauf der Youkai ansprach, aber dennoch wollte sie auf keinen Fall von Sesshoumaru getrennt werden. Vor eventuellen Gefahren hatte sie bisher auch keine so große Angst gehabt, solange er immer in der Nähe gewesen war. Warum sollte sie ihn diesmal also nicht auch begleiten können? Wäre sie ihm vielleicht nur ein Klotz am Bein?

"Aber...", begann das kleine Mädchen nach einem Moment zögerlich. "...ich stehe euch bestimmt nicht Weg... Auch Euch nicht, Sesshoumaru-sama."

Erneut schaute Rin zu dem Youkai hoch. Aber aus Sesshoumarus Blick konnte man nicht erahnen, wie er im Moment über diese Sache dachte. Er hatte bis jetzt ja noch nicht einmal verlauten lassen, ob er überhaupt zusammen mit Ashitaka und Tôya in den Westen zurückgehen würde. Aber ähnlich wie Rin war auch Kimie verunsichert gewesen. Und nachdem Sesshoumaru auch nach einer längeren Pause nichts gesagt hatte, fragte sie schließlich nach: "Was ist los, Sesshoumaru? Hast du dich entschieden? Gehst du wieder zurück?" Eigentlich war sich Kimie relativ sicher gewesen, dass er zurückgehen würde, denn immerhin wurde scheinbar seine Hilfe gebraucht. Doch wenn er zurückgehen würde, was würde das eventuell mit sich bringen?

Sesshoumarus Blick richtete sich nun auf Kimie. Auf das, was sie ihn eben gefragt hatte, entgegnete er nach einem Moment: "Auch, wenn ich es eigentlich noch nicht vorgehabt hatte, werde ich nun dennoch in der Tat wieder zurückgehen. Allerdings zwinge weder dich, noch einen anderen dazu, mitzukommen. Wenn du hier bleiben willst, dann tu das." Mit seinen letzten beiden Sätzen hatte er schon vorweggenommen, worüber Kimie eben noch nachgedacht hatte: Ob sie ihn begleiten konnte oder nicht. Doch kaum hatte Sesshoumaru das gesagt, horchte Tôya abrupt auf. Wenngleich nicht direkt, so schaute er zumindest aus dem Seitenwinkel zu seinem Herrn und Kimie rüber. Tôya wirkte unschlüssig. Er fragte sich, in was für einer Beziehung Kimie zu Sesshoumaru stehen könnte, denn obwohl Ashitaka bei seiner Rückkehr in die westlichen Länder viel von seiner Begegnung und anschließenden zeitweiligen Reise mit Sesshoumaru und auch mit Inu Yasha und den anderen berichtet hatte, hatte er einiges wohl auch für sich behalten. Bei einem anschließenden Blick zu Ashitaka fiel Tôya auch auf, dass dieser von dem, was Sesshoumaru zu Kimie gesagt hatte und überhaupt vom Umgang der beiden miteinander, auch überhaupt nicht überrascht oder irritiert wirkte. Das konnte sich der Ältere nur so erklären, dass Sesshoumarus Cousin etwas wusste, was er bisher wirklich für sich behalten hatte, aus welchen Gründen auch immer. Tôya nahm sich daher vor, bei einer günstigen Gelegenheit Ashitaka nach den Hintergründen von alldem zu fragen.

Unterdessen hatte Kimie schon nach relativ kurzer Zeit ihre Entscheidung gefällt und verkündete: "Also gut! Dann komme ich mit."

"Und du bist dir da auch wirklich sicher?", fragte Sesshoumaru noch mal äußerst prüfend nach. "Du hast es eben selbst gehört, es könnte gefährlich werden."

"Ach! Zur Hauptverkehrszeit bei Rot über die Straße zu gehen, ist unter Umständen auch gefährlich, wenn man es so nimmt. Mach dir mal keinen Kopf, ich komme schon klar!", entgegnete Kimie mit einer abwinkenden Handbewegung. Sesshoumaru schien mit ihrem Entschluss einverstanden gewesen zu sein, denn er nickte zustimmend, wenngleich er mit Begriffen wie "Hauptverkehrszeit" nicht wirklich was anfangen konnte. Für Rin war Kimies Aussage natürlich der ideale Moment, um ebenfalls zu verkünden, dass auch sie Sesshoumaru auf jeden Fall begleiten wollte, ebenso wie Jaken. Es war klar, dass somit auch Inuki und Ah-Un mit von der Partie sein würden, doch die Aussicht auf eine stetig wachsende Gruppe, stieß zumindest bei Tôya irgendwann an den Rand des Zumutbaren.

"Wenn die hier aber auch noch alle mitkommen, brauchen wir für den Rückweg bestimmt mehr Zeit, als nur zu dritt", meinte er nun und nickte in die Richtung von Inu Yasha und den anderen. "Außerdem hat es schon lange genug gedauert, um Sesshoumaru-sama zu finden."

Und in der Tat würden sie alle als große Gruppe wohl länger brauchen. Die Tatsache, dass sie unter diesen Umständen auch noch mehr Menschen im Schlepptau hätten, wäre in dem Zusammenhang wohl der größte Problemfaktor gewesen. Schließlich waren Menschen nicht unbedingt für große Ausdauer und Kampfkraft oder dergleichen bekannt. Dabei war Tôya eigentlich nicht der Typ Youkai, der etwas gegen Menschen hatte, doch im Moment wollte er es nach Möglichkeit schon vermeiden, noch mehr Zeit zu verlieren. Und die Aussicht, mit Menschen zusammen zu reisen, schien Verzögerungen unweigerlich mit sich zu ziehen.

Auf das, was Tôya eben gesagt hatte, warf jedoch Inu Yasha sofort ein: "Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd! Wer hat denn bitte gesagt, dass wir alle mit euch mitkommen wollen?! Wir haben echt was Besseres zu tun und auch eigene Probleme, um die wir uns kümmern müssen!"

Tôyas Blick richtete sich auf den Hanyou. "Kein Grund, gleich feindselig zu werden", meinte er ruhig aber betont, da Inu Yashas Tonfall wirklich nicht unbedingt der freundlichste gewesen war.

"Keh! Wer ist denn hier feindselig? Ich habe lediglich meine Meinung geäußert!", rechtfertigte sich Inu Yasha jedoch sofort, woraufhin Tôya ebenso ruhig wie schon eben entgegnete: "Schön. Das selbe habe ich nämlich auch getan."

Scheinbar fühlte sich Inu Yasha jetzt erst recht von dem Youkai provoziert. Kurzerhand legte er seine Hand an den Griff von Tessaiga und zog dieses aus der Schwertscheide. "Hör mal, du Klugscheißer! Wenn du Streit suchst, kannst du ihn gerne haben!", knurrte Inu Yasha Tôya entgegen. Kagome und die anderen schauten erschrocken auf das Bild, was sich ihnen bot. Sofort versuchte Kagome den Hanyou zurückzuhalten. "Inu Yasha! Fang bitte keinen Streit an!"

"Halte dich da raus, Kagome!", erwiderte Inu Yasha jedoch. "Mit den ganzen Dämonen ist es immer wieder das selbe! Sie bilden sich immer ein, sie könnten stets hochmütig auf andere herabschauen und zu allem ihre Kommentare abgeben."

"Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dich eventuell beleidigt zu haben", konterte Tôya nun und warf einen Blick auf Tessaiga. "Willst du das Erbstück deines Vaters nicht besser gegen deine wahren Feinde zum Einsatz bringen, anstatt jeden attackieren zu wollen, der deinen Weg kreuzt und der dir nicht von vornherein sympathisch ist?"

Wieder drang ein Knurren aus Inu Yashas Kehle, doch Tôya schien sich von ihm in keinster Weise beeindrucken oder gar einschüchtern lassen zu wollen. Gerade wollte der Hanyou etwas erwidern, als sich jedoch Ashitaka einmischte: "Inu Yasha! Tôya! Lasst es bitte gut sein. Das lohnt doch keinen Streit."

"An mir soll es nicht liegen", meinte Tôya ruhig und wandte sich ab. Die finsteren Blicke von Inu Yasha trafen ihn jedoch weiterhin im Rücken.

"Inu Yasha, findest du nicht, es reicht schon, dass du ständig Zoff mit Sesshoumaru hast?", fragte Miroku nun prüfend. "Da musst du doch nicht auch noch Streit mit jemand anders anfangen."

"Ashitaka-kun und Miroku-sama haben Recht", sprach Kagome den Hanyou daraufhin erneut an. "Steck Tessaiga wieder ein und belasse es dabei, Inu Yasha. Bitte!"

Inu Yashas Blick fiel auf Kagome, die ihn bittend ansah. Einen Moment lang schien er noch unschlüssig zu sein, doch dann steckte er Tessaiga doch wieder zurück in die Schwertscheide.

"Wenn ich mir das so ansehe, scheinst du in der Tat kein Interesse daran zu haben, dich an dieser Sache zu beteiligen, Inu Yasha", meinte Shippou nun trocken und sprach damit natürlich auf die bevorstehenden Probleme in den westlichen Ländern an. Doch Inu Yasha wandte nur trotzig seinen Blick ab und schien auch nicht an einer Weiterführung dieser Unterhaltung in irgendeiner Form interessiert gewesen zu sein.

Dennoch wagte Kagome ihn nach einem Moment vorsichtig zu fragen: "Aber sollten wir trotzdem nicht wenigstens darüber nachdenken, ihnen eventuell zu helfen, Inu Yasha? Ich meine... immerhin ist Ashitaka-kun unser Freund. Und du könntest so auch endlich mal den Clan deines Vaters kennen lernen. Interessiert dich das denn wirklich nicht?"

Zunächst erwiderte Inu Yasha nichts darauf. Es stimmte, Ashitaka war ein Freund, aber schließlich ist die Gruppe doch gar nicht um Hilfe gebeten worden und wenn sie nun doch ebenfalls mit in die westlichen Länder gehen würde, dann konnte sich Inu Yasha schon denken, was ihn dort erwarten würde. Da würde er dann praktisch nur Inu-Youkai gegenüberstehen. Vollwertigen Youkai, wie Sesshoumaru einer war. Und mittendrin wäre er, Inu Yasha, der Hanyou. Dementsprechend äußerte sich auch seine anschließende, deutlich in Grenzen haltende Begeisterung: "Ungh... Was für ein Gedanke..."

Wenngleich sein Vater das ehemalige Oberhaupt des Clans gewesen war, damit würde Inu Yasha in den westlichen Ländern auch keinen Blumentopf gewinnen, wie er vermutete. Na gut, Ashitaka war in Ordnung gewesen, aber diesem Tôya konnte der Hanyou jetzt schon nicht sonderlich viel abgewinnen. Und wie sollte er erst die anderen Clan-Mitglieder einschätzen? Inu Yasha war sich ziemlich sicher, dass viele genauso drauf waren wie sein älterer Halbbruder. Sollte sich der Hanyou dem wirklich aussetzen?

"Auf keinen Fall! Ich komme nicht mit!", verkündete Inu Yasha daher schließlich und wandte sich an seine Freunde: "Außerdem glaube ich auch kaum, dass Sesshoumarus Leute vor Begeisterung jubeln werden, wenn wir da alle antanzen. Das sind schließlich alle vollwertige Inu-Youkai und meinen Erfahrungen zufolge dulden Youkai im Grunde weder Menschen noch Halbdämonen unter sich."

Kagome und die anderen tauschten kurz ihre Blicke untereinander aus. Was Inu Yasha da eben gesagt hatte, stimmte zwar, aber dennoch sprach Kagome ihn nach kurzem Zögern erneut an: "Aber... immerhin gehörst du doch auch in einem gewissen Sinne dazu. Und es gibt doch schließlich auch Ausnahmen..." Doch von so was wollte Inu Yasha scheinbar nichts hören.

"Keh! Eine Handvoll vielleicht, aber das war's dann wohl auch schon!" Trotzig verschränkte er die Arme vor der Brust, während er den anderen den Rücken zukehrte.

Hilfe suchend schaute Kagome zu Ashitaka rüber. Doch auch er konnte eigentlich nur das bestätigen, was Inu Yasha zuvor gesagt hatte. Auch in Sesshoumarus Clan gab es sowohl Youkai, die die eine Meinung und welche, die die andere Meinung vertraten. In dem Zusammenhang stellte sich Kagome die Frage, auf was für einer Seite Tôya wohl stand? Bisher war nicht wirklich erkennbar zum Ausdruck gekommen, wie er die ganze Sache sah. Und wenngleich er eben noch eine verbale Auseinandersetzung mit Inu Yasha gehabt hatte, so hielt er sich jetzt eher bedeckt und schwieg. Dabei wurde er noch ab und zu von dem Hanyou mit misstrauischen Blicken beäugt. Aber nicht nur Inu Yasha machte sich so seine Gedanken. Auch Kimie gingen nach diesem kleinen Wortwechsel mehrere Dinge, die sie zuvor nicht unbedingt berücksichtigt hatte, durch den Kopf. Wenn schon Inu Yasha als Hanyou der Konfrontation mit den Inu-Youkai besser aus dem Weg gehen wollte, was sollte dann Kimie erst machen? Schön, sie war zwar Sesshoumarus Gefährtin, aber unwohl wäre ihr wohl dennoch irgendwie. Trotzdem blieb sie bei ihrer Entscheidung und wollte diese auch nicht wieder ändern. Dann musste sie sich eben gegebenenfalls mit ein paar starrköpfigen Youkai auseinandersetzen. Es wäre ja schließlich nicht so gewesen, dass sie das in der Vergangenheit nicht auch schon ab und zu getan hätte. Doch zum gegebenen Zeitpunkt schienen sich Inu Yasha und die anderen nicht der Gruppe um Sesshoumaru anzuschließen. Das hieße dann wohl, dass sich die Wege trennen würden. Und auch Kagome schien das zu ahnen, als sich Kimie nun zu ihr umdrehte, um ihr scheinbar hinsichtlich dessen etwas zu sagen.

Doch gerade, als Kimie anfangen wollte zu sprechen, kam ihr Sesshoumaru völlig unvorhergesehen zuvor und sagte im üblichen und auch etwas gleichgültig klingendem Ton an die weiteren Umherstehenden gewandt: "Wer von euch sonst noch mitkommen will, der soll das von mir aus tun. Es ist mir vollkommen gleich, was ihr macht, solange ihr mir nicht im Weg seid!"

Kagome und ihren Freunden war sofort klar, dass Sesshoumaru sie eben angesprochen hatte. Überrascht waren sie deswegen allerdings schon gewesen, hatten sie so was von Inu Yashas älterem Halbbruder nun wirklich nicht erwartet. Auch Kimie war verblüfft gewesen. Kagome nutzte jedoch die Gelegenheit, um sich noch mal bittend an Inu Yasha zu wenden: "Inu Yasha, jetzt überleg es dir doch bitte noch mal!"

Aber Inu Yasha wirkte unschlüssig. Irgendwie fühlte er sich momentan, wie zwischen zwei Stühlen stehend. Er selbst wollte eigentlich gar nicht in die westlichen Länder, doch würde er Sesshoumarus "Angebot" ignorieren, wäre Kagome sicherlich wegen Kimie sehr besorgt gewesen. Unter anderen Umständen hätte die Jüngere das alles vielleicht etwas anders gesehen, aber mit der Aussicht, dass auf die westlichen Länder einige Probleme bislang unbekannten Ausmaßes und Ursprungs zurollten, war an Ruhe wohl nicht zu denken gewesen. Kimie schien da ähnliche Bedenken zu haben, wobei es ihr nicht um ihr eigenes Wohl ging, sondern um das von Kagome und den anderen, sollten sie sich nun doch ebenfalls dazu entschließen, mitzukommen. Gerade wollte Kimie Kagome auch darauf ansprechen, dass sie, Inu Yasha und die anderen sich nicht eventuell zur Mitreise verpflichtet fühlen mussten, als Sango plötzlich das Wort ergriff: "Moment mal! Mir fällt da was ein!" Sie wandte sich an Ashitaka und Tôya: "Ihr sagtet doch, dass ihr bisher noch nicht wüsstet, was eure Ländereien bedroht, oder?"

Ashitaka nickte. "Ja, das stimmt. Aber warum fragst du, Sango-chan?"

"Das würde mich auch mal interessieren", warf Inu Yasha ein und war schon gespannt auf die Antwort.

Mit dieser fackelte Sango auch nicht lange herum: "Nun, vielleicht steckt ja Naraku hinter alldem. Eventuell heckt er wieder etwas aus und wartet jetzt nur auf einen günstigen Moment, um wieder zuzuschlagen."

Die Blicke der Gruppe um Inu Yasha wanderten nun von einem zum anderen. Nach einem Moment legte sich Miroku nachdenklich eine Hand ans Kinn. "Hmm... Ich muss zugeben, da könnte durchaus etwas Wahres dran sein."

"Und was, wenn ihr beiden euch da irrt?", fragte Inu Yasha skeptisch nach, wenngleich auch er für sich selbst zugeben musste, dass diese Idee gar nicht so abwegig gewesen war, da man bei Naraku ja schließlich nie wissen konnte, was dieser wieder mal ausheckte. Es war vielmehr noch diese innere Hemmung, in die westlichen Länder zu gehen, die Inu Yasha dazu gebracht hatte, diese Frage zu stellen.

Auf diese antwortete Miroku nun: "Dann haben wir wohl Pech gehabt, aber wenn wir es nicht überprüfen, werden wir das sowieso nicht erfahren."

"Hmm..." Inu Yasha senkte den Blick. Es schien, als würde er nachdenken. Kagome sah den Hanyou abwartend an. Wie würde er sich letztendlich entscheiden? "Inu Yasha?"

Es verging eine gewisse Zeit und es war nicht klar, wie Inu Yasha sich wegen dieser Sache entscheiden würde, doch schließlich willigte er doch noch ein: "Also gut! Von mir aus! Dann gehen wir eben auch mit. Aber um eines vorher klarzustellen: Es geht mir lediglich darum, Naraku zu finden! Alles andere ist mir egal!" Mit dieser Aussage hatte er sich natürlich an Sesshoumaru gewandt. Sonst hätte am Ende noch der Eindruck entstehen können, Inu Yasha würde sich um seinen Halbbruder sorgen, was ja vollkommen absurd war! Sesshoumaru selbst nahm die Entscheidung kommentarlos hin. Jaken fühlte sich hingegen sofort wenig begeistert an das vergangene Jahr erinnert, wohingegen Rin höchsterfreut gewesen war.

"Toll! Dann sind wir alle wieder zusammen! So wie früher!"

"Jetzt werden wir aber in der Tat länger brauchen, als normalerweise", warf Tôya nun mitten in die Runde. "Bis in die westlichen Länder ist es immerhin ein weiter Weg. Bestimmt brauchen wir jetzt mindestens viermal so lange, wie wir drei allein gebraucht hätten." Aber damit mussten sie sich alle wohl abfinden. Was hätten sie auch sonst tun sollen? Zwar überlegte Kimie kurzzeitig, wie es wohl wäre, könnten sie alle gemeinsam über den Luftweg reisen, da dies sicherlich schneller gehen würde, als etwa zu Fuß, aber sie bezweifelte doch stark, dass irgendeiner der Anwesenden im Besitz eines Privatjets oder eines größeren Helikopters gewesen war. So gesehen hatte ihr kleiner Einfall einen größeren Denkfehler gehabt.

Plötzlich sprach Miroku mit einem optimistischen Lächeln genau das aus, was Kimie zuvor im Kopf rumgespukt war: "Hört mal, warum fliegen wir nicht einfach zu den westlichen Ländern? Das müsste doch auch ziemlich schnell gehen."

"Aber wie soll denn das gehen, Miroku?", fragte Shippou skeptisch. "Kagomes Fahrrad kann schließlich nicht fliegen und ich bezweifle, dass Kirara und Ah-Un uns alle tragen können."

"Ja, das weiß ich doch!", entgegnete der Mönch. "Aber du scheinst in der Hinsicht eine Kleinigkeit zu vergessen, Shippou. Bei diesem Problem kann ich uns ganz leicht aushelfen."
 

Und tatsächlich fanden sich kaum zwei Stunden später allesamt über der Landschaft fliegend wieder. Allerdings waren einige mit der Gesamtsituation weniger zufrieden als andere.

"Ich muss sagen, soviel Fracht hatte ich bisher noch nie tragen müssen..."

"Sag bloß, du wirst schon müde, Hachi?", fragte Miroku den verwandelten Tanuki, der die gesamte Gruppe auf seinem Rücken trug, mit einem leichten Unterton von Vorwurf.

Doch sprach der Mönch gleich darauf mit einem freundlichen Lächeln weiter: "Aber wir sind dir auf jeden Fall dankbar für deine freiwilligen und freundschaftlichen Dienste."

"Von wegen! Ihr habt mir gedroht, mich in Euer Kazaana einzusaugen, wenn ich Euch und Eure Freunde nicht zu den Inu-Youkai in die westlichen Länder bringe, Miroku-no-danna!", protestierte Hachi sofort aufgebracht, doch Miroku winkte gelassen ab.

"Nicht doch! Ich habe dir doch nicht gedroht, sondern dir lediglich eine Alternative aufgezeigt."

Hachi entwich ein erneutes Seufzen, ehe er leise in sich hineinmurmelte: "Missratener Houshi...!"

Während Hachi die meisten Reisenden auf seinem Rücken trug, flog Ah-Un im gleichen Tempo neben ihm her. Für den Drachen war es kein Problem gewesen, die Strecke bis zu den westlichen Ländern selbst zurückzulegen. Und während Inu Yasha und seine Gruppe diese Art des Reisens ja schon gewohnt waren, saß Kimie zunächst noch etwas verkrampft auf Hachis Rücken. Hier gab es nichts, wo man sich hatte festhalten können, aber nach einer Weile gewöhnte sie sich an den Flug, zumal das Tempo auch recht angenehm und nicht etwa zu schnell war. Rin wirkte hingegen hellauf begeistert und schien den ruhigen Flug sehr zu genießen. Und während Jaken dem Ganzen eher teilnahmslos beiwohnte, lag Inuki dösend neben Kimie. Ihn konnte wohl auch nichts aus der Ruhe bringen. Allerdings fragte sich Kimie, wie lange dieser Flug eigentlich dauern sollte. Um diese Frage beantwortet zu bekommen, drehte sie sich schließlich zu Sesshoumaru, Ashitaka und Tôya um, die es sich etwas weiter hinten auf Hachis Rücken bequem gemacht hatten, und rief ihnen zu: "Hey! An die Expertenrunde da hinten: Wie lange werden wir jetzt bei diesem Tempo voraussichtlich brauchen, um in die westlichen Länder zu kommen?"

"Nun, wenn wir so weiterreisen und nur während der Nacht eine längere Pause einlegen, müssten wir morgen Abend am Ziel sein", antwortete Ashitaka. Kimie bedankte sich für die Antwort und drehte sich wieder um.

"Ich bin schon so gespannt!", meinte Rin mit einem fröhlichen Lächeln und in der Tat konnte sie es kaum erwarten. "Jaken-sama, warst du eigentlich schon mal in den westlichen Ländern?", fragte sie den Krötendämon, der neben ihr saß. Dieser schüttelte jedoch den Kopf.

"Nein, ich muss zugeben, dort war ich bisher noch nie." Und auch Jaken musste für sich selbst zugeben, dass er durchaus neugierig darauf war, wie es in den Ländereien seines Herrn so aussah. Garantiert besaß Sesshoumaru ja auch ein Schloss. Jaken stellte es sich sehr eindrucksvoll vor, wie es eben zu seinem Herrn passen würde.

Sesshoumaru selbst zeigte wie üblich keinerlei Anzeichen, wie er die ganze Sache sah, wenngleich er sich innerlich natürlich so seine Gedanken machte. Die Vermutung, Naraku könnte eventuell mal wieder seine Finger im Spiel haben, kam auch ihm nicht unbedingt abwegig vor. Es stellte sich nur die Frage, was genau dieser Hanyou in diesem Fall wieder im Schilde führte und was er sich von alldem versprach?
 

Allmählich wurde es Abend. Hachi landete schließlich in der Nähe eines Waldes, damit sich alle die Nacht über ausruhen konnten und auch er selbst brauchte wirklich eine Pause.

"Uff... Was tut man nicht alles für seine Freunde...?", murmelte Hachi, sich mittlerweile wieder in seiner normalen Gestalt befindend, müde in sich hinein. Inu Yasha schaute etwas skeptisch zu ihm runter.

"Jetzt hör aber mal auf!", meinte er. "Anfangs wolltest du uns doch gar nicht in die westlichen Länder bringen."

Von Hachi kam nur ein unverständlich gemurmelter Satz zurück.

"Nur keine Sorge, Hachi", meinte Miroku an ihn gerichtet. "Wir werden uns schon noch bei dir für deinen Gefallen erkenntlich zeigen."

Nun wurde das Lagerfeuer für die Nacht vorbereitet. Kagome und Kimie holten ihre Schlafsäcke hervor, während Shippou und Miroku sich schon mal um das Lagerfeuer kümmerten. Für die anderen gab es im Moment nicht wirklich etwas zu tun, doch nach einer Weile hörte man plötzlich eine Art Grollen, das aus dem Wald kam. Die Blicke aller richteten sich auf einige nahe gelegene Büsche, aus denen kurz darauf ein etwa zwei Meter langer echsenartiger Dämon auftauchte. Seine gelben Augen fixierten die Gruppe ganz genau und seine lange, an der spitze gespaltene Zunge schnellte mehrmals hintereinander aus seinem Maul hervor. Es war unschwer zu erkennen gewesen, was dieses Vieh wollte.

"Da hat wohl jemand Hunger", bemerkte Kimie trocken.

"Dann soll er sich gefälligst woanders etwas suchen!", meinte Tôya daraufhin nur unbeeindruckt und machte einen Schritt auf den anderen Dämon zu. Dieser schien sich von dem Inu-Youkai zunächst jedoch alles andere als einschüchtern zu lassen und hatte nur ein bedrohliches Fauchen für ihn übrig. Die Antwort seitens Tôya darauf folgte prompt in einem kurzen, aber unmissverständlichen Knurren. Den Rest erledigte der mahnende Blick. Der Echsendämon verstummte abrupt und starrte seinen Gegenüber zunächst nur mit einem ziemlich verunsicherten Blick an. Von der Warnung nun scheinbar aber doch sichtlich eingeschüchtert, machte der Dämon schließlich kehrt und verschwand genauso schnell wieder im Wald, wie er zuvor aus diesem aufgetaucht war. Kaum war der Störenfried verschwunden, wandte sich Tôya wieder zu den anderen um und meinte gelassen: "Hm! Damit kann man diese kleineren Dämonen einfach immer wieder zurechtweisen."

"Du hättest ihn auch einfach erledigen können", entgegnete Inu Yasha trocken, woraufhin der Youkai erwiderte: "Ja, das stimmt. Aber es sind immerhin Frauen und Kinder anwesend."

"Wie rücksichtsvoll", meinte Kagome mit einem Lächeln, woraufhin Shippou mit leicht sarkastischem Unterton hinzufügte: "Ich dachte eigentlich, es wäre ein Hobby eures Clans, immer und überall andere Dämonen platt zu machen."

"Meistens nur dann, wenn sie uns belästigen, Kleiner", konkretisierte Tôya die Aussage des Kitsune. Doch dies schien zumindest Hachi Antwort genug gewesen zu sein, denn er verflüchtigte sich sogleich heimlich und still hinter Mirokus Rücken. Die drei Inu-Youkai, mit denen die Gruppe um Inu Yasha nun unterwegs war, waren Hachi schon von vornherein nicht ganz geheuer gewesen und die Tatsache, dass er wohl noch eine gewisse Zeit mit ihnen zusammen ausharren musste, sagte ihm auch jetzt nicht unbedingt zu. Deswegen hatte er sie zunächst eigentlich auch nicht in die westlichen Länder bringen wollen, aber der Gedanke, von Mirokus Kazaana eingesaugt zu werden, war auch keine wohlklingende Alternative gewesen. Hachi wollte sich weiterhin möglichst im Hintergrund halten und besser keine Aufmerksamkeit erregen, besonders nicht die von Sesshoumaru, der in seinen Augen von allen am bedrohlichsten wirkte.

Andere wiederum schienen im Gegensatz zu Hachi jedoch weniger ängstlich oder scheu gewesen zu sein. So konnte Rin zum Beispiel es nicht lassen, Tôya schon die ganze Zeit ganz aufmerksam anzusehen. Sie stand nun direkt neben ihm und schaute zu ihm hoch. Wenngleich sie ihm gegenüber anfangs etwas scheu gewesen war, so schien sich das jetzt jedoch geändert zu haben. Die Blicke des Mädchens blieben von Tôya selbstverständlich nicht unbemerkt.

"Was ist?", fragte der Youkai schließlich, nachdem Rin ihn nur angesehen, bisher jedoch nicht angesprochen hatte. Doch auf seine Frage antwortete sie nun wie selbstverständlich: "Eigentlich nichts. Ich frage mich nur, wie gut Ihr mit Sesshoumaru-sama befreundet seid. Kennt ihr beiden euch schon lange? Seid Ihr auch so stark wie er? Was genau ist Eure Aufgabe in seinem Schloss? Habt Ihr vielleicht noch Geschwister? Was ist Eure Lieblingsspeise? Und..."

"Du fragst ziemlich viel auf einmal, Kleine", unterbrach Tôya das kleine Mädchen schließlich, das ihn daraufhin aber doch etwas unschlüssig ansah.

"Oh... Tut mir Leid", sagte Rin und senkte etwas den Blick. "Stört Euch das? Dann sage ich auch nichts mehr..."

"Nein, so war das nicht gemeint", erwiderte Tôya sofort ruhig, da ihm die Unsicherheit des Kindes nicht entgangen war.

Rin schien nun doch wirklich mehr als erleichtert zu sein, nachdem sie bemerkt hatte, dass sie Tôya doch nicht auf die Nerven gegangen war, wie sie es zuerst befürchtet hatte. So wollte sie sich soeben weiter mit ihm unterhalten, als sie jedoch Kagome sagen hörte: "Sagt mal, ich habe vorhin aus der Luft eine heiße Quelle hier in der Nähe entdeckt. Wie sieht's aus? Hat einer von euch sonst noch Lust auf ein Bad?" Abwartend schaute sie Sango und Kimie an, die diesen Vorschlag sehr zu begrüßen schienen.

"Das klingt wirklich gut!", meinte Sango. Auch Rin wollte sich die Aussicht auf ein Bad natürlich nicht entgehen lassen, doch einer aus der Gruppe schien hinsichtlich Kagomes Plan einige Bedenken zu haben.

"Hey, Kagome!", wandte sich Inu Yasha nun an das Mädchen. "Vielleicht hast du das ja eben nicht mitgekriegt, aber in dem Wald gibt es Dämonen."

"Das ist doch kein Problem. Dann kommt eben einer von euch Männern mit und beschützt uns", erwiderte Kagome wie selbstverständlich. Doch auch dieser Vorschlag stieß seitens Inu Yasha nur auf wenig Gegenliebe.

"Wie?! Für so einen Quatsch sollen wir unsere Zeit verschwenden?"

"Was soll das denn bitte wieder heißen?", fragte das Mädchen prüfend auf diese patzige Antwort zurück und stemmte die Hände in die Hüften. "Willst du damit etwa sagen, es ist Quatsch und Zeitverschwendung, wenn ihr uns beschützt? Wenn wir kämpfen, tut ihr das doch auch, wenn es sein muss!"

Doch auch diesmal hatte Inu Yasha eine Antwort parat: "Da lässt es sich ja auch nicht vermeiden, dass es mal gefährlich werden kann, aber wenn ihr euch jetzt von euch heraus als Dämonenfutter bereitstellen wollt, ist das doch nicht unser Problem! Außerdem habt ihr doch erst gestern ein Bad genommen." Es war zwar nicht so, dass sich der Hanyou wirklich auf Teufel komm raus geweigert hätte, Kagome und die anderen Mädchen gegebenenfalls zu beschützen, aber seine Laune war an diesem Tag irgendwie schon seit längerem im Keller und somit machte er den Eindruck, ihm wäre alles und jeder nur ein Dorn im Auge und überhaupt nur noch nervig.

Mit einem entnervten Seufzen entgegnete Kagome wiederum: "Aber ständig dieses kalte Flusswasser zu ertragen, wird auf die Dauer echt anstrengend. Ich will endlich mal wieder ein entspannendes und heißes Bad!"

Inu Yasha griff sich an den Kopf und stöhnte auf: "Boah! Weiber! Das ist ja wirklich grauenhaft, wie die sich manchmal wegen solcher Kleinigkeiten anstellen..."

Kagome sah man deutlich an, dass sie wohl gerade kurz davor war, zu platzen und Inu Yasha mit ihrem beliebten Kommando wieder zurechtzuweisen. Bevor dies aber eventuell passieren konnte, schaltete sich Kimie ein und versuchte, auf den Hanyou einzureden.

"Das ist aber nicht das typische Verhalten eines Kavaliers, Inu Yasha", meinte sie ruhig, aber betont, während sie ihm gegenübertrat.

Mit ihrer Aussage konnte Inu Yasha jedoch scheinbar nicht sonderlich viel anfangen. Irritiert fragte er nur zurück: "Eines was?"

Kimie hielt kurz inne. Es war manchmal wirklich nicht ganz einfach, den Wortschatz der Gegenwart dem des Mittelalters anzupassen. "Also, ich erkläre dir das jetzt mal so: Wenn ein Mann einer Frau gegenüber stets höflich und zuvorkommend ist und immer darum bemüht ist, dass es ihr gut geht, dann kann man ihn als Kavalier bezeichnen und die meisten Frauen mögen so was."

Inu Yasha hatte Kimie zwar aufmerksam zugehört, wirkte aber auch danach alles andere als überzeugt.

"Ja, na und?", fragte er nur mit einem Schulterzucken. "Das ist mir doch egal!"

Es verging ein kleiner Moment der Stille, ehe Kimie daraufhin wieder von dem Hanyou wegtrat und auf Kagome zuging.

"Ich hab's versucht, Kagome", sagte die Ältere mit einem leichten Unterton von Bedauern. "Ich überlasse dir wieder das Feld."

Kagome schien sich da nicht zweimal bitten lassen zu wollen. "Inu Yasha?", säuselte sie zunächst nur mit einer engelsgleichen Unschuldsmiene, ehe sie angesichts Inu Yashas nunmehr doch leicht panischen Gesichtsausdrucks, ihn wieder in seine Schranken wies: "Osuwari!"

Kaum einen Sekundenbruchteil später lag der Hanyou mit dem Gesicht im Dreck.

"Vielen Dank auch, Kagome...", murrte er in diesen hinein, doch das Mädchen zeigte keinerlei Anzeichen von Reue.

"Bitteschön! Habe ich gern gemacht", erwiderte Kagome nur beleidigt und kehrte Inu Yasha den Rücken zu. Während die anderen dieses Schauspiel aber schon kannten, wirkte Tôya doch recht irritiert. Er hatte zwar nicht lange gebraucht, um für sich herauszufinden, dass Inu Yashas Rosenkranz, den er um den Hals trug, ihn zu Boden gerissen hatte, aber die Tatsache, dass ein Menschenmädchen mit einem Hanyou so umspringen konnte, war dem Inu-Youkai völlig neu gewesen. Wenngleich er jedoch ahnte, dass Kagome kein normales Mädchen war. Sie hatte etwas an sich, dass sie von anderen Sterblichen unterschied. Er erinnerte sich daran, dass Ashitaka ihm gegenüber mal erwähnt hatte, Kagome sei die Wiedergeburt einer Miko. Das würde zumindest einiges erklären.

"Tja, wenn Inu Yasha keine Lust hat, dann muss uns wohl jemand anders begleiten", warf Sango plötzlich ein und lenkte die Aufmerksamkeit der anderen wieder auf das ursprüngliche Thema zurück. Die Aussage der Dämonenjägerin rief sogleich Miroku auf den Plan.

"Ich würde mich den Damen gerne als Betreuer anbieten", bot er an und wollte sogleich seinen Arm um Sangos Taille legen, doch diese schob ihn gleich wieder sanft, aber bestimmt von sich weg und erwiderte: "Danke, wir verzichten lieber."

"Wie? Aber Sango! Ich..." Miroku war wie vor den Kopf gestoßen, doch ehe er seinen Satz beenden konnte, sprach Sango weiter: "Du bleibst besser hier und kümmerst dich um das Lager. Würdest du uns begleiten, wären die herumstreunenden Dämonen wohl wirklich unsere kleinste Sorge."

Mit einem enttäuschten Seufzen gab der Mönch schließlich nach. Sango hatte es bisher wirklich immer meisterhaft verstanden, ihn stets auf so was wie einen Sicherheitsabstand zu sich zu halten. Es stellte sich jetzt aber erneut die Frage, wer die Mädchen nun begleiten und auf sie achten würde. Die Antwort darauf schien so einfach wie offensichtlich gewesen zu sein, als Inuki Kimie nun leicht mit dem Kopf anstupste. Sie verstand ihn sofort und verkündete: "Dann nehmen wir eben Inuki mit."

Kagome, Sango und Rin waren mit diesem Vorschlag sofort einverstanden gewesen. Und so schnappten sie sich endlich ihre Sache und verschwanden kurz darauf zwischen den Bäumen. Währenddessen hatte sich Inu Yasha wieder aufgesetzt und kratzte sich erstmal den Dreck vom Gesicht.

"Diese dämliche Kagome!", fluchte er leise in sich hinein. "Ich sollte ihr mal so richtig die Meinung geigen, sonst dreh ich irgendwann noch durch!"

"Nimm dir stattdessen lieber ein Beispiel an Inuki, Inu Yasha!", mahnte Shippou den Hanyou eindringlich. "Er benimmt sich wenigstens erwachsen. Davon könntest du dir mal 'ne Scheibe abschneiden!"

"Ach, halt doch die Klappe!", erwiderte Inu Yasha nur patzig und drehte beleidigt den Kopf zur Seite. Auch Shippou beließ es diesmal lediglich bei einem Kopfschütteln und setzte sich an das Lagerfeuer.

Tôya schien hingegen aus der ganzen Situation nicht ganz schlau zu werden. Er wusste offenbar nicht so ganz, was er von alldem halten sollte und irgendwie ging hier alles nur so drunter und drüber, weshalb er so langsam wirklich den Überblick zu verlieren schien. So langsam machte er sich sogar schon Gedanken darüber, ob er vielleicht besser zu Hause geblieben wäre, weshalb er schließlich flüsternd Ashitaka fragte: "Sag mal, ist das hier... normal?" Tôya fand auf die Schnelle nicht das richtige Wort, aber was besseres war ihm im Moment auch nicht eingefallen.

Ashitaka wusste gleich, auf was sein Kamerad ihn angesprochen hatte und antwortete, als wäre es das Normalste von der Welt: "Doch, eigentlich schon."

"Aha..." Jetzt schien für Tôya wirklich klar gewesen zu sein, dass er wohl wirklich besser zu Hause geblieben wäre.

Unbeeindruckt von alldem war aber wie üblich Sesshoumaru gewesen. Derartige Schauspiele kannte er schließlich schon besonders aus dem vergangenen Jahr und sein Halbbruder hatte es wohl immer noch nicht hinbekommen, sich gegen dieses Menschenmädchen durchzusetzen. Aber das hatte Sesshoumaru auch nicht anders erwartet.
 

Es dauerte etwa eine halbe Stunde, dann kamen die Mädchen und Inuki wieder zum Lager zurück. Es hatte währenddessen auch keine besonderen Vorfälle gegeben.

"So! Jetzt fühle ich mich schon viel besser!", sagte Kagome zufrieden und warf einen Blick auf Inu Yasha. Dieser saß schmollend auf dem Boden, den Kopf auf die rechte Hand abgestützt.

"Bist du etwa noch sauer?", fragte das Mädchen den Hanyou etwas ungläubig, woraufhin dieser erwiderte: "Keh! Das kann dir doch wohl egal sein, oder?! Als ob dich das wirklich interessieren würde!"

"Jetzt sei doch nicht mehr so beleidigt", meinte Kagome bittend und fügte mit einem engelsgleichen Lächeln hinzu: "Gut! Ich entschuldige mich hiermit für meine Grobheit."

Inu Yasha schielte nun aus dem Seitenwinkel zu Kagome. Er war sich eigentlich ziemlich sicher gewesen, dass sie das eben nur so gesagt und nicht wirklich ernst gemeint hatte. Also schaltete er weiterhin auf stur und antwortete erst gar nicht mehr.

Kagome überlegte einen Moment, ehe sie ihren Rucksack öffnete und Inu Yasha kurz darauf einen Behälter mit Fertignudeln unter die Nase hielt. "Vielleicht kann ich dich ja wieder etwas milde stimmen, wenn ich dir die hier zubereite?"

"Hm?" Der Blick des Hanyou haftete sofort an dem Behälter mit den Nudeln. Einen Moment lang schien Inu Yasha noch innerlich mit sich zu ringen, doch die Nudeln direkt vor seiner Nase und noch dazu Kagome mit ihrem Lächeln direkt neben sich, erreichten schließlich ihr Ziel.

"Hmm... Hach! Also gut! Vergessen wir die Sache", meinte Inu Yasha schließlich, wenngleich es auch etwas frustriert klang, eben weil er letztendlich doch noch nachgegeben hatte.

Doch Kagome behielt ihr Lächeln bei. "Gut! Dann koche ich jetzt Wasser." Und damit machte sie sich auch sofort ans Werk.

>An dem Spruch 'Liebe geht durch den Magen' scheint wohl wirklich etwas dran zu sein<, dachte Kimie indessen etwas amüsiert. In diesem Moment kam ihr aber auch der Gedanke, dass sie vorhin eigentlich auch hätte Sesshoumaru fragen können, ob er sie und die anderen Mädchen eventuell begleitet hätte. Aber kaum hatte sie das gedacht, wurde ihr Gesicht mit einem Mal ganz warm. >Ach, du Schreck! Werde ich jetzt etwa rot?! Ja, es stimmt! Ich bin wirklich ganz rot!< Das ging sogar so weit, dass Kimie Sesshoumaru momentan nicht mal mehr ansehen konnte, auch, wenn er nur mit dem Rücken zu den anderen stand. Wie sie anfangs überhaupt auf diese Idee gekommen war, war ihr nun nur noch ein einziges Rätsel gewesen. In dem Versuch, sich nunmehr etwas abzulenken, kramte Kimie schließlich einfach planlos etwas in ihrem Rucksack herum. Im Moment hatte wohl nur Inuki mitbekommen, was seiner Herrin gerade noch im Kopf herumgespukt war.

Tôya schien sich in der Zwischenzeit mit der ungewohnten und neuen Situation etwas mehr angefreundet zu haben, wenn man es so nennen konnte, obwohl ihn sicher noch so einiges überraschen dürfte. Die nächste Überraschung ließ auch nicht lange auf sich warten, als nach einer Weile plötzlich Kagome direkt vor ihm stand und ihm einen kleinen Behälter unter die Nase hielt. Der Youkai wusste aber zuerst gar nicht, was das Mädchen eigentlich von ihm wollte. "Warum zeigst du mir das?", fragte er Kagome etwas irritiert und schaute auf den Behälter, den sie in den Händen hielt. Es war genau ein solcher Behälter gewesen, den sie kurz zuvor schon Inu Yasha vor die Nase gehalten hatte.

"Das ist etwas zu essen", erklärte Kagome lächelnd. Jedoch schaute Tôya noch immer etwas skeptisch drein. Irgendetwas Warmes war in dem Behälter gewesen, doch roch es nicht etwa nach heißem Wasser. Es war ein Geruch, den Tôya bis dahin überhaupt nicht kannte und auch überhaupt nicht einordnen konnte.

"Und was genau soll das sein?", fragte er nach.

"Das sind Fertignudeln", antwortete Kagome. "Die sind echt lecker! Probiert einfach mal, Tôya-san. Ich darf Euch doch so nennen, oder?"

Tôya nickte einmal, wenngleich etwas unschlüssig, und nahm den Behälter mit den Nudeln nun doch noch an sich. Er wirkte aber noch immer irritiert. So was hatte er bisher noch nie gesehen.

"Keine Angst! Daran wirst du schon nicht eingehen", meinte Inu Yasha trocken und ließ sich schon mal seine Portion Fertignudeln schmecken. Tôya schien sich aber auch weiterhin nicht sicher zu sein, was er jetzt eigentlich machen sollte.

"Sei nicht so misstrauisch!", sagte nun auch Ashitaka scherzhaft an seinen Kameraden gewandt, während er sich selbst auch schon eine Portion Fertignudeln gönnte. Er hatte diese schon kennen gelernt, als er bereits im vergangenen Jahr mit Inu Yasha und den anderen unterwegs gewesen war. Zwar zögerte Tôya noch einen Moment, probierte die Nudeln dann aber ebenfalls. Und er musste zugeben, er war positiv überrascht gewesen.

"Oh! Nicht schlecht. Die schmecken wirklich gut!"

"Seht Ihr? Das habe ich doch gesagt!", meinte Kagome lächelnd und verteilte nun auch an die anderen etwas zu essen. Ah-Un begnügte sich mit dem Gras, welches überall wuchs und Kirara und Inuki bekamen für sie etwas passendes zu fressen. Jakens erster Versuch, sich ebenfalls an Fertignudeln zu versuchen, endete jedoch so, dass er sich erstmal die Zunge an der heißen Suppe verbrühte. Die Lacher hatte er dafür auf jeden Fall auf seiner Seite gehabt, während er daraufhin wie von der Tarantel gestochen quer durch die Gegend sprang. Seiner Hüpferei bereitete letztendlich Sesshoumaru ein Ende, indem er einfach seinen Fuß gegen den Kopf des Krötendämons stemmte und ihn somit zum Anhalten zwang. Der Aufprall war für Jaken jedoch etwas heftig gewesen, denn er sank danach reichlich mitgenommen zu Boden und blieb da auch eine Weile liegen. Und während die anderen noch ein wenig lachten, zog sich Sesshoumaru unterdessen etwas für sich selbst zurück, da er zudem kein Interesse daran gehabt hatte, sich eventuell am Essen zu beteiligen und sei es auch nur als Zuschauer gewesen.
 

Nach dem Essen erzählten sich Kagome und die anderen untereinander noch ein paar Geschichten über das, was in der Vergangenheit noch so passiert war und bei manchen Dingen war die Erinnerung so amüsant gewesen, dass daraufhin jedes Mal ein herzhaftes Lachen durch die Runde ging. Dabei ging es unter anderem auch um die Kabbeleien zwischen Inu Yasha und Kouga, wenn dieser mal wieder Kagome den Hof gemacht hatte, wenngleich Inu Yasha da nicht unbedingt mitlachen konnte. Doch für die anderen war es immer wieder lustig, sich daran zu erinnern, wenn die beiden sich mal wieder wegen Kagome in die Haare bekommen hatten. Aber auch das eine oder andere Abenteuer war auch einen Lacher wert gewesen, wie etwa die Geschichte mit den drei Affenkobolden, die Inu Yasha mal diesen Streich mit dem Felsen, der an seiner Hand fest gehangen hatte, gespielt hatten. Diese Geschichte kannte Kimie noch nicht und obwohl Inu Yasha da mal wieder der Leidtragende gewesen war, konnte sie sich das Lachen beim besten Willen nicht verkneifen. Allein die Vorstellung, wie der Hanyou an diesem großen Felsen fest gehangen haben musste, war zu köstlich.

Während er das alles so beobachtete, fiel Tôya auf, wie locker und unbefangen sich alle verhielten. Es hatte in gewisser Weise etwas befremdliches, zu sehen, wie Menschen, Dämonen und ein Hanyou hier so zusammen saßen und sich untereinander so freundschaftlich verhielten. Kagome hatte den kleinen Shippou auf ihrem Schoß sitzen, Sango streichelte ihre Dämonenkatze Kirara und Inuki hatte seinen Kopf auf Kimies Schoß gebettet. Nebenbei zog Kagome Inu Yasha hin und wieder ein wenig auf, der daraufhin zwar immer etwas beleidigt tat, aber wohl nicht wirklich lange sauer sein konnte. Und wenngleich Jaken wegen der Sache mit den Fertignudeln noch immer die beleidigte Leberwurst spielte, ließ Rin es sich nicht nehmen, sich fröhlich mit ihm zu unterhalten, wenngleich sie es war, die die meiste Zeit sprach. Auch Ashitaka beteiligte sich an dem Gespräch. Auf Nachfragen der anderen erzählte er ein wenig von den westlichen Ländern, verriet aber nicht zu viel, zumal sich alle schon bald selbst ein Bild machen konnten.

"Wenn mir da aber jemand blöd kommt, dann garantiere ich für nichts!", warf Inu Yasha irgendwann betont und mit vor der Brust verschränkten Armen ein. Kagome stieß ihm daraufhin sofort leicht mit dem Ellenbogen in die Seite. "Jetzt sei doch nicht immer so ruppig, Inu Yasha! Warte doch erstmal ab."

"Ja, ja... Ich wollte es auch nur noch mal gesagt haben."

"Keine Sorge, Inu Yasha", meinte Ashitaka nun. "Es gibt bei uns vielleicht wirklich einige, die etwas... Na gut, ich sage mal engstirnig sind, aber viele sind wirklich in Ordnung."

"Hmm..." Inu Yasha hatte sich das Ganze zwar aufmerksam angehört, aber etwas Skepsis blieb. Doch spätestens am nächsten Abend würde sich der Hanyou einen eigenen Einblick verschaffen können.
 

Die Nacht schritt weiter voran und so langsam kehrte Ruhe am Lagerfeuer ein. So ziemlich alle schliefen schon, während Ashitaka und Tôya noch ein letztes Mal die nähere Umgebung in Augenschein genommen hatte, ehe sie sich etwas von den anderen entfernt ihren Ruheplatz bei einem Baum auswählten. Ebenfalls etwas abseits vom Lagerfeuer saß auch Sesshoumaru auf dem Ast eines Baumes und schaute hinauf in den nachtblauen, mit Sternen übersäten Himmel. Doch hörte er nach einer Weile sich ihm nähernde Schritte und kurz darauf eine Stimme, die fragte: "Hey! Störe ich?"

Als Sesshoumaru seinen Blick nach unten richtete, entdeckte er Kimie, die am Baum stand und zu ihm hochsah.

"Solltest du nicht eigentlich schlafen?", fragte er sie, woraufhin sie die Arme vor der Brust verschränkte.

"Wie redest du denn mit mir? Ich bin schließlich kein kleines Kind mehr!", protestierte sie, wenngleich es nicht wirklich ärgerlich klang. Vielmehr schien es so zu sein, dass Kimie Sesshoumaru ein wenig aus der Reserve locken wollte, doch sprang er nicht darauf an. Er schwieg und wandte auch den Blick wieder ab.

"Hm!" Kimie schaute prüfend zu dem Youkai hoch. Die ganze Zeit so planlos unten an diesem Baum zu stehen, hatte nicht unbedingt etwas für sich, also beschloss sie nach recht kurzer Zeit, Sesshoumaru auf seinem Ruheplatz ein wenig Gesellschaft zu leisten. Blieb nur die Frage, wie Kimie den Baum hochkommen sollte? Als sie damit begann, den Baum einmal zu umkreisen, entdeckte sie sofort einen tiefer hängenden Ast. Es bedurfte zwar eines kleinen Sprungs, doch schon beim ersten Versuch konnte das Mädchen nach dem Ast greifen und sich an diesem hochziehen, wie an einer Reckstange.

>Sieh an! War der Sportunterricht also doch zu etwas gut<, dachte sie. Ab hier war es dann relativ einfach, weiter nach oben zu klettern. Andere Äste hingen gut erreichbar in der Nähe und so hatte es Kimie letztendlich geschafft und befand sich nun ebenfalls auf diesem Baum. Zwar trennte sie noch ein guter halber Meter von Sesshoumaru, aber Kimie war es erstmal wichtig, dass sie überhaupt oben angekommen war. Denn etwas anstrengend war diese Klettertour doch gewesen. Nachdem sie kurz verschnauft hatte, fiel ihr auf, dass Sesshoumaru nun wieder zu ihr runterschaute, doch sagen tat er erstmal nichts.

"Was? Dachtest du, nur weil ich ein Mensch bin, könnte ich nicht auf einen Baum klettern?", fragte Kimie mit einem etwas triumphierenden Unterton in der Stimme. Dann machte sie es sich, so gut es eben möglich war, ein wenig bequem. Eigentlich wartete sie jetzt darauf, dass Sesshoumaru eventuell etwas sagte, aber von ihm kam nicht mal ein leiser Piep-Ton. So entschied sich Kimie dazu, einfach mal selbst eine Unterhaltung anzufangen, da ihr dieses Schweigen auf die Dauer aufs Gemüt schlug. "Und? Bist du schon gespannt, wie's bei dir zu Hause so aussieht?", fragte sie Sesshoumaru daher und außerdem interessierte sie das sowieso. Aber Sesshoumaru wäre wohl nicht Sesshoumaru gewesen, hätte er einfach so auf diese Frage geantwortet.

"Worauf sollte ich denn gespannt sein?", fragte er daher nur zurück. Doch zumindest sprach er jetzt und so konnte Kimie die Unterhaltung davon ausgehend weiterführen.

"Na, auf deine Leute und so", antwortete sie. "Bist du nicht neugierig, ob und inwiefern sie sich eventuell verändert haben? In 200 Jahren kann schließlich einiges passieren. Das sollte man jedenfalls vermuten."

"Das werde ich sehen, wenn wir morgen Abend ankommen werden", entgegnete Sesshoumaru und damit schien das Gespräch auch schon wieder am Ende angelangt zu sein, denn Kimie fiel auf die Schnelle nicht ein, was sie jetzt noch dazu hätte sagen können.

>Vielleicht sollten wir es mal mit Zettelchenschreiben versuchen...<, dachte sie trocken, als Sesshoumaru plötzlich weiter sprach: "Du hast dich aber ziemlich schnell entschieden, mitzukommen."

Kimie horchte auf. Sie wusste sofort, worauf er ansprach und erwiderte: "Na ja, schließlich habe ich über ein Jahr darauf gewartet, wieder hierher zurückzukommen und meine Eltern so lange bequatscht, bis ich sie endlich so weit hatte, bis sie mich zurück nach Tokio gelassen haben. Da lasse ich mir doch jetzt nicht wieder die Tour vermasseln, nachdem wir beide uns gerade erst wieder gesehen haben."

Sesshoumaru schaute erneut zu dem Mädchen runter. "Hast du ihnen auch erzählt, dass du hierher kommst?"

"Um Himmels Willen! Garantiert nicht!", entgegnete Kimie sofort. "Sie hätten doch sofort geglaubt, ich hätte nicht mehr alle Murmeln im Bunker." Doch mit dieser Aussage schien Sesshoumaru nicht wirklich etwas anfangen zu können. Als Kimie zu ihm hoch schaute, bemerkte sie seinen prüfenden Blick und erklärte: "Ich meine damit, sie hätten geglaubt, ich wäre ein wenig... verrückt. Aber das hätte mich nicht gewundert, schließlich sind solche Zeitreisen, wie Kagome und ich sie unternehmen, ja nicht unbedingt das, was man in unserer Zeit als völlig normal bezeichnen würde. Und an Dämonen und dergleichen glaubt heutzutage doch auch so gut wie keiner mehr."

Doch dann fragte sich Kimie, ob sie ihren Eltern nicht ohnehin irgendwann von Sesshoumaru erzählen musste? Bei diesem Gedanken wurde ihr aber sofort ganz anders, denn sie konnte sich schon denken, wie das aussehen würde, würden ihre Eltern Sesshoumaru irgendwann gegenüberstehen und alles über ihn erfahren haben, denn auf ihre bloße Erzählung hin hätten sie ihr bestimmt keinerlei Glauben geschenkt. Bei Kimies Vater war es nicht wirklich voraussehbar gewesen, wie er reagieren würde, aber ihre Mutter würde hundertprozentig kollabieren. Da war sie wieder ganz anders als ihre Schwester, Kagomes Mutter.

>Oje... Versuch aber erst mal die Eltern davon zu überzeugen, dass sie einem Youkai gegenüberstehen, der eigentlich im japanischen Mittelalter von vor 500 Jahren lebt...<, dachte Kimie trocken, ehe sie ihre Gedanken an dieses Problem erstmal wieder zur Seite schob. Noch war es wohl ohnehin zu früh gewesen, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, zumal ihre Eltern sowieso nicht in Tokio lebten und von daher auch nichts von den Ausflügen ins Mittelalter mitbekamen, die ihre Tochter und ihre Nichte unternahmen.

Nachdem sie ihre Gedankengänge abgeschlossen hatte, fiel Kimie jedoch auf, dass Sesshoumaru nichts auf das, was sie zuletzt gesagt hatte, erwidert hatte. Also schaute sie erneut zu ihm hoch und bemerkte, dass er seinen Blick inzwischen wieder abgewandt hatte. Sie konnte nicht mal erahnen, ob er ihr überhaupt zugehört hatte. Von daher stand Kimie nun auf, wobei sie sich an dem Baumstamm abstützte, um nicht eventuell zu fallen. In nunmehr stehender Position konnte sie Sesshoumaru sogar auf die Schulter tippen, was sie auch sogleich tat. "Hey! Wenn ich dich langweile, dann sag mir Bescheid. Ich will nämlich nicht schuld daran sein, wenn du aufgrund eines durch mich verursachten narkotisierten Zustandes noch vom Baum fällst."

Sesshoumaru wandte sich wieder dem Mädchen zu, das stehend am Baumstamm lehnte und prüfend zu ihm hoch schaute. Es war eigentlich ein bisschen riskant, wie sie momentan so dastand, zumindest für einen Menschen. "Du solltest wohl besser aufpassen, sonst bist du diejenige, die am Ende hier runterfallen wird", meinte Sesshoumaru daher, wenngleich es mehr belehrend, als eventuell besorgt klang.

"Och, warum denn noch immer so ernst?", fragte Kimie scherzhaft. "Lächle doch wenigstens mal, und wenn es auch nur gestellt ist."

Doch Sesshoumaru entgegnete nur: "Ich lege keinen Wert darauf, mich lächerlich zu machen."

So langsam kam sich Kimie vor, als liefe sie nur weiter in eine Sackgasse und seufzte auf. "Nein, da wärst du wohl bestimmt der Letzte auf dieser Welt..."

Langsam setzte sie sich wieder auf ihren Ast und hing ihren Gedanken nach. Ihr Blick schweifte irgendwann zu den anderen, die bereits am warmen Lagerfeuer schliefen. Da bemerkte Kimie so langsam, dass es auf diesem Baum eigentlich recht kalt war und sie musste ein plötzliches Niesen unterdrücken, wodurch nur ein drucksender Laut von ihr kam. Dieser war wirklich nicht laut gewesen, doch Sesshoumaru hatte ihn selbstverständlich dennoch gehört.

"Du solltest besser wieder zu den anderen ans Feuer gehen", schlug er Kimie vor, die jedoch ablehnte. Sie sei schließlich nicht überempfindlich, wie sie meinte. Daraufhin fragte Sesshoumaru weiter: "Willst du etwa die ganze Nacht hier auf dem Baum bleiben?"

Kimie zuckte einmal mit den Schultern.

"Vielleicht", meinte sie nur etwas geheimnisvoll. Es war vielleicht eine gewisse Trotzreaktion von ihr gewesen, dass sie nun ebenfalls nicht mehr viel sagte. Aber schlafen würde sie hier oben wohl nicht können und falls sie doch einnicken sollte, gäbe es sicher schon bald ein böses Erwachen auf dem Boden, wenn sie wie Fallobst vom Baum gefallen wäre. Doch war dies nicht das einzige Problem. Denn auch, wenn Kimie nicht schlief, so langsam wurde es ihr auf diesem Baum doch etwas unbequem.

>Mein Gott... Wie kann man es aber nur schaffen, eine ganze Nacht auf so einem Baum sitzen?<, fragte sie sich.

Alle zwei Minuten versuchte Kimie, sich etwas anders hinzusetzen, doch die geeignete Sitzposition fand sie auch nach mehreren Versuchen nicht. Das ging so lange, bis Sesshoumaru das Mädchen erneut ansprach: "Was machst du da die ganze Zeit?"

Im ersten Moment hatte sich Kimie so erschrocken, dass sie wirklich fast vom Baum gefallen wäre. Sie war so sehr in ihre Gedanken vertieft gewesen, dass sie ihre Umgebung eine Zeit lang völlig außer Acht gelassen hatte.

"Ich versuche, mich zu entspannen", antwortete sie nun auf Sesshoumarus Frage. "Allerdings ist das etwas schwierig. Schlafen im Stehen stelle ich mir da noch weitaus bequemer vor..." Sicherlich würde Kimie am nächsten Morgen schöne Augenringe haben. So langsam spielte sie doch mit dem Gedanken, wirklich besser wieder runterzuklettern und wieder zu den anderen ans Lagerfeuer zu gehen. Außerdem spürte sie so langsam doch die Müdigkeit in sich aufsteigen.

Noch eine Weile beobachtete Sesshoumaru, wie Kimie sich bemühte, nicht doch noch auf diesem Ast einzuschlafen, aber sicherlich würde sie dennoch irgendwann einnicken und dann garantiert fallen, wenn sie nicht schon von sich heraus wieder runterklettern würde. Aber ob sie das jetzt noch ohne größere Probleme hinkriegen würde?

"Gib mir deine Hand", forderte Sesshoumaru Kimie mit einem Mal, woraufhin sie zu ihm hoch schaute und sah, wie er ihr die Hand hinhielt. Im ersten Moment zwar doch etwas überrascht, reichte sie ihm dann doch noch ihre Hand, woraufhin er sie sogleich scheinbar mühelos zu sich hochzog. Und ehe sie sich versah, fand sich Kimie bei Sesshoumaru auf seinem Schoß wieder. Zuerst schaute sie ihn ziemlich überrumpelt an.

"Du... du bist wirklich immer wieder für eine Überraschung gut", meinte sie und spürte, wie sie leicht errötete. Aber eigentlich war das genau das gewesen, worauf sie über ein Jahr gewartet hatte: Wieder so nah bei ihm sein zu können. Und wenngleich Kimie noch etwas verlegen war, lehnte sie sich nach einem kurzen Moment an Sesshoumaru. Erst jetzt wurde ihr wohl so richtig bewusst, wie sehr er ihr doch gefehlt hatte.

Jedoch schaute Kimie gleich wieder auf, als Sesshoumaru sie ansprach: "Bevor du dich noch verletzt, achte ich besser persönlich darauf, dass das nicht passieren wird."

Überrascht zog Kimie eine Augenbraue hoch und setzte sich wieder aufrecht hin. Hatte er das eben wirklich gesagt? Es klang schon irgendwie eigenartig, wie sie fand. Sie zögerte einen Augenblick, erwiderte dann aber: "Irgendwie schon seltsam, so was aus dem Mund von jemanden zu hören, der sich ansonsten so unnahbar und kühl gibt."

"Was willst du mir damit sagen?", fragte Sesshoumaru mit prüfender Stimme nach, woraufhin Kimie mit einem kecken Lächeln antwortete: "Nun ja, du bist und bleibst mir wohl immer ein Rätsel, aber das macht dich auch gerade so interessant, muss ich zugeben."

Diesmal schwieg Sesshoumaru. Was sollte an seinem Verhalten denn bitte so rätselhaft gewesen sein? Immerhin verstand es sich eigentlich von selbst, dass er auf Kimie aufpasste, schließlich war sie seine Gefährtin. Zugegeben, für die meisten Menschen hatte Sesshoumaru jedoch auch weiterhin nicht sonderlich viel übrig und mied und ignorierte sie daher nach Möglichkeit.

"Ist was? Habe ich was Falsches gesagt?", fragte Kimie plötzlich und lenkte somit die Aufmerksamkeit des Youkai wieder auf sich. Da Sesshoumaru auf ihre letzten Bemerkung nichts erwidert hatte und mit den Gedanken auch kurzzeitig woanders gewesen zu sein schien, hatte sich Kimie ein wenig gewundert.

Doch entgegnete er nunmehr auf ihre Frage: "Nein. Im Übrigen solltest du jetzt schlafen. Wir werden morgen schon recht früh wieder aufbrechen."

Da war er wieder gewesen: Dieser typische Unterton in seiner Stimme, den Kimie inzwischen nur zu gut kannte. Dennoch lächelte sie leicht und lehnte sich nun wieder an ihn. Zwar fragte sie sich kurz, ob sie jetzt eventuell noch etwas hätte sagen sollen, doch erschien ihr das als unnötig. Also beließ sie es dabei und schloss schließlich ihre Augen. Schon bald spürte sie wieder die Müdigkeit, doch bekam Kimie im noch Halbschlaf mit, wie Sesshoumaru ihr nun sein Fell umlegte und murmelte ein leises "Danke".

Es dauerte nicht lange, dann war sie auch schon eingeschlafen, wie Sesshoumaru es an ihren ruhigen und gleichmäßigen Atemzügen feststellen konnte. Einen Augenblick lang ruhte sein Blick noch auf ihr, dann schaute er in Richtung des Lagerfeuers. Dort bei den anderen lag Rin ruhig schlafend an Ah-Un gelehnt, während Inuki direkt neben dem kleinen Mädchen lag und es zusätzlich noch etwas warm hielt.

Sesshoumaru wusste, dass, wenn er am nächsten Abend wieder in sein Schloss zurückkehren würde, würde seine menschliche Begleitung nicht nur auf Befürworter stoßen. Das war ihm schon damals aufgefallen, als sein Vater mit der Mutter von Inu Yasha zusammengekommen war. Sesshoumaru selbst hatte der Entscheidung seines Vaters zwar auch nicht sonderlich viel abgewinnen können, doch hatte er sie zu dem Zeitpunkt dennoch hingenommen. Doch der Bruder seiner Mutter, Ashitakas Vater, hatte Inu Taishou schwere Vorwürfe gemacht. Dass eine Menschenfrau an die Stelle seiner Schwester getreten war, war für Ashitakas Vater eine vollkommen absurde Vorstellung gewesen. Inu no Taishou hatte es ihm jedoch nicht übel genommen, da er die Gefühle von Ashitakas Vater nachvollziehen konnte. Und nach einiger Zeit schien auch dieser sich tatsächlich mit der Entscheidung seines Herrn abgefunden zu haben, wenngleich er sie wohl aber nie wirklich akzeptiert hatte oder akzeptieren konnte. Kurze Zeit später starb Ashitakas Vater im Kampf gegen einen feindlichen Dämon, der in dieser Auseinandersetzung ebenfalls sein Leben gelassen hatte. Daran konnte sich Sesshoumaru noch gut erinnern. Ebenso an ein Mitglied seines Clans, das keinerlei Hehl daraus gemacht hat, die Bekennung Inu no Taishous zu einer Menschenfrau sei der größte Beweis von Schwäche, den es überhaupt gab. Es gab zwar noch einige andere, die der Entscheidung ihres ehemaligen Herrn nicht sonderlich viel abgewinnen konnten, doch war es nur dieser eine Youkai gewesen, der den offenen Kampf mit Inu no Taishou öffentlich provoziert hatte. Anstatt den Abtrünnigen jedoch nach siegreichem Kampf zu töten, hatte Sesshoumaru Vater ihn lediglich aus den westlichen Ländern verbannt. Das war nun ebenfalls etwas über 200 Jahre her gewesen.

Sich nun an diese Geschehnisse erinnernd, fragte sich Sesshoumaru, ob und inwiefern er sich eventuell in ähnlicher Form, wie schon einst sein Vater, behaupten musste. Dass er sich jemals mit derartigen Problemen auseinandersetzen musste, hätte er bis vor einiger Zeit nicht mal im Traum erwartet, doch allein schon sein Stolz würde es ihm nicht erlauben, auch nur einem einzigen Gegner nachzugeben. Wer sich ihm in den Weg stellte oder seine Autorität anzweifelte, würde ohne wenn und aber aus dem Weg geräumt werden. Ganz egal, um wen oder was es sich dabei auch handelte!

Aus der Entfernung hatte Tôya aus dem Seitenwinkel schon die ganze Zeit über beobachtet, wie Sesshoumaru und Kimie sich unterhalten haben. Als Sesshoumaru das Mädchen aber am Ende sogar bei sich schlafen ließ, hob Tôya doch einen Augenblick lang den Blick und schaute etwas genauer hin, aber ohne, dass es einem anderen eventuell aufgefallen wäre. Es passte ihm ganz gut, dass Ashitaka genau über ihm auf einem der Äste des Baumes, bei welchem die beiden ruhten, saß.

"Ashitaka, kann es sein, dass du mir und auch den anderen etwas seit deiner Rückkehr in die westlichen Länder verschwiegen hast?"

Auf diese Frage seines Kameraden schaute Ashitaka zu diesem runter. "Inwiefern?"

Nun stand Tôya auf und sprang scheinbar mühelos mit einem Satz auf einen weiteren Ast des Baumes, so dass er sich auf gleicher Höhe mit Ashitaka befand. Mit einem Nicken deutete er in die Richtung von Sesshoumaru und Kimie. "Dieses Mädchen... Was genau hat es mit ihr auf sich? Ihre Vertrautheit mit Sesshoumaru-sama, die besteht doch nicht einfach nur so."

Zwar hatte Tôya schon einen gewissen Verdacht und war sich darin auch relativ sicher gewesen, doch wollte er sich dennoch noch das anhören, was ihm Ashitaka darüber eventuell erzählen konnte. Zuerst wirkte dieser jedoch unschlüssig, rückte dann aber doch mit der Sprache raus: "Nun, eigentlich wollte ich mich darüber nicht auslassen, aber früher oder später erfahren du und die anderen es ja doch. Sesshoumaru hat Kimie-chan zu seiner Gefährtin bestimmt. Bereits im letzten Jahr."

Tôya horchte auf. "Ach! So ist das also." Er klang nicht wirklich überrascht, doch seine Stimme hatte dennoch einen etwas eigenartigen Unterton gehabt, was Ashitaka ein wenig nachdenklich stimmte.

"Du scheinst aber auch schon eine gewisse Ahnung gehabt zu haben, oder?", fragte der Jüngere nach einem Moment, während er sich mit dem Rücken an den Baumstamm lehnte. Doch darauf antwortete Tôya nicht. Es schien, als würde er im Moment über irgendetwas intensiv nachdenken.

"Was ist mir dir? Stimmt etwas nicht?", fragte Ashitaka seinen Kameraden nach kurzer Wartezeit, jedoch schien sich Tôya nicht weiter äußern zu wollen. Ashitaka war im ersten Moment zwar etwas überrascht, fragte aber nicht weiter nach.

"Ashitaka?", sprach Tôya den Jüngeren jedoch plötzlich wieder an und klang merkwürdig ernst.

"Ja? Was ist denn?", fragte Ashitaka ruhig nach, woraufhin der Ältere antwortete: "Die Dämonenjägerin hat vorhin einen Kerl namens Naraku erwähnt. Ist das der selbe Naraku von dem du erzählt hast? Dieser Hanyou, der hinter dem Shikon no Tama her ist?"

Ashitaka nickte. "Ja, das ist er. Wer weiß, vielleicht hat Sango-chan mit ihrer Vermutung gar nicht so Unrecht. Aber vielleicht weiß Kakeru mittlerweile mehr. Das werden wir ja spätestens morgen Abend erfahren."

"Hmm..." Tôya richtete seinen Blick zum nachtblauen Himmel hinauf. Mit seinen Gedanken war er sowohl bei den westlichen Ländern, als auch bei Sesshoumaru und Kimie, zu denen er noch ab und zu rüberschaute. Es war nicht nur die Überraschung über Sesshoumarus Verhalten, sondern auch etwas anderes, was Tôya beschäftigte.

Ashitaka bemerkte, dass sein Kamerad sich so seine Gedanken machte und er konnte sich schon denken, worüber. In jüngster Vergangenheit hatten sich die beiden immer wieder über ein bestimmtes Thema unterhalten und neueste Erkenntnisse würden dieses Thema sicher bald wieder zur Sprache bringen.
 

Am nächsten Morgen waren alle schon relativ früh wach. Kagome wollte sich sogleich daran machen, etwas für das Frühstück zuzubereiten, als ihr auffiel, dass Kimie sich nicht mehr dort befand, wo sie sich am Abend zuvor noch hingelegt hatte. Aber als hätte sie es instinktiv geahnt, drehte Kagome ihren Kopf nun in Sesshoumarus Richtung und entdeckte ihre Cousine tatsächlich bei ihm auf einem der Bäume. Allerdings schlief Kimie im Gegensatz zu dem Youkai noch. Inu Yasha konnte es nicht lassen und ging geradewegs auf den Baum, auf welchem sich sein Halbbruder mit Kagomes Cousine befand, zu. Äußerst vergnügt grinste der Hanyou in sich hinein. "Na, das ist ja mal ein Anblick, Sesshoumaru! Richtig süß!"

Sesshoumaru schaute mit dem üblich kühlen Blick auf Inu Yasha herab. "Hast du am frühen Morgen denn nichts besseres zu tun, als sinnlose Kommentare verlauten zu lassen, Inu Yasha?"

"Alles, womit ich dir den Tag madig machen könnte, ist für mich alles andere als sinnlos", konterte der Hanyou sogleich.

Durch den kleinen Wortwechsel der Brüder, erwachte nun auch Kimie. Verschlafen öffnete sie ihre Augen ein wenig. "Mmh... Was ist denn los...?"

In diesem Moment war auch Kagome an den Baum getreten und rief ihrer Cousine munter zu: "Aufstehen, du Schlafmütze! Es gibt Frühstück und danach müssen wir weiter."

"Wohin denn?", fragte Kimie, nun wieder mit geschlossenen Augen. "Ich muss doch nicht mehr zur Schule..."

Damit schien sie auch schon wieder wegzudämmern, als erneut Kagomes Stimme zu hören war: "Wach bleiben, Kimie! Schon vergessen? Wir wollen doch in die westlichen Länder."

"Klingt schön... Schick mir 'ne Postkarte...", murmelte Kimie zurück und zog sich Sesshoumarus Fell wie eine Decke komplett bis über den Kopf. Sie war scheinbar noch immer etwas im Halbschlaf und wusste momentan wohl auch nicht, wo sie eigentlich war.

Sesshoumaru machte jedoch keine Anstalten, Kimie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, als wollte er abwarten, wann sie von selbst wieder darauf kommen würde. Doch wahrscheinlich hätte er noch den ganzen Tag so mit ihr auf diesem Baum gesessen, hätte sich nun nicht auch noch Ashitaka eingemischt. Zusammen mit Inu Yasha und Kagome am Baum stehen, rief er: "Kimie-chan! Wenn du nicht aufstehst, dann kommt Sesshoumaru auch nicht von der Stelle und er kann schließlich auch nicht ewig auf dem Baum sitzen bleiben."

"Hm?" Jetzt erst schien Kimie allmählich ins Diesseits zurückzukehren. Sie kam wieder unter dem Fell hervor, stieß dabei aber den Kopf etwas unglücklich an Sesshoumarus Rüstung. "Aua! Na super... Jetzt brauche ich gleich zum Aufstehen auch noch ein Aspirin...", murrte sie noch mit geschlossenen Augen, ehe sie kurz darauf ein paar Mal blinzelte.

Als ihre Sicht nach einem kurzen Moment wieder scharf war, schaute Kimie direkt in das Gesicht von Sesshoumaru. Sofort legte sich ein leichter Hauch von Röte auf ihr Gesicht, als sie außerdem bemerkte, dass sie noch auf seinem Schoß saß. Und die anderen konnten das auch noch mit ansehen!

Mit verlegen gesenktem Blick wollte Kimie nun doch endlich aufstehen. Doch die Tatsache, dass sie momentan auch noch auf einem Baum saß, schien sie bisher weiterhin erfolgreich verdrängt zu haben, denn als sie eines ihrer Beine auf den vermeintlichen Boden absetzen wollte, fand sie natürlich keinen Halt und rutschte kurzerhand ab. "Waah!!"

Bevor Kimie aber auch nur ansatzweise im Begriff gewesen war, zu fallen, hatte Sesshoumaru sie schon festgehalten und wieder zu sich gezogen. "Genau aus diesem Grund sollten Menschen grundsätzlich besser mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben", meinte er.

Innerlich seufzte Kimie auf, doch sparte sie sich diesmal einen Kommentar. Im Übrigen war sie auch ganz froh darüber gewesen, dass Sesshoumaru sie schließlich sicher von dem Baum trug und sie anschließend wieder auf den Boden absetzte.

Jetzt entwich Kimie aber doch noch ein müdes Seufzen: "Uff! Ein derartiger Schock schon am frühen Morgen... Jetzt bin ich wirklich 'total' locker!" Das Wort "total" hatte sie dabei überdeutlich ironisch betont. Aber zumindest war sie jetzt definitiv wach. Jetzt fiel Kimie aber auch Kagomes amüsiertes Grinsen auf, das sie der Älteren schon etwas länger zuwarf. Kimie zog misstrauisch eine Augenbraue hoch. "Was soll dieser Schielblick? Was gibt's da so zu gucken, Kagome?"

"Ach! Eigentlich gibt ‘s dafür keinen besonderen Grund", entgegnete Kagome mit ihrem besten Unschuldsblick, den sie wirklich super drauf hatte. Aber Kimie wusste dennoch ganz genau, weswegen die Jüngere eben so gegrinst hatte. Dann bekam sie jedoch von Kagome plötzlich von hinten einen kleinen Schubs. "Los jetzt! Wir essen eine Kleinigkeit und dann geht's weiter!"

"Ist ja gut! Nur keine Hektik, Kagome", erwiderte Kimie daraufhin und gab ihrer Cousine eine scherzhaft angedeutete Kopfnuss, während sie zusammen zum Lagerfeuer gingen. Kurz darauf hörte Kimie ein erfreutes Bellen und sah auch schon Inuki auf halber Strecke auf sich zukommen. Bei seiner Herrin angekommen, stellte sich der Hund sogleich auf die Hinterbeine, um sie zu begrüßen. Lächelnd streichelte Kimie seinen Kopf. "Na, Inuki? Alles klar bei dir?", fragte sie und wieder bellte Inuki einmal. Dann lief er jedoch an den beiden Mädchen vorbei und direkt auf Sesshoumaru zu. Diesen sprang er jedoch nicht an, sondern blieb stattdessen vor ihm stehen und senkte leicht den Kopf, wie zur Begrüßung. Bei diesem Anblick wechselte Kimies Blick mehrmals von Sesshoumaru zu Inuki. Es schien, als verstünden sie sich praktisch ohne Worte. Das faszinierte Kimie immer wieder aufs Neue, wenn sie die beiden beobachtete.

"Kommt schon, Leute!", hörte Kimie plötzlich Kagome, die in der Zwischenzeit bereits wieder am Lagerfeuer und dem Rest der Truppe angekommen war, nach sich und den anderen rufen. "Ich dachte, wir wollten heute Abend in den westlichen Ländern ankommen."

"Drängle doch nicht so, Kagome!", entgegnete Inu Yasha mit einem müden Gähnen. "Die laufen uns schon nicht weg und auf die paar Minuten kommt es nun auch nicht an."

Schließlich hatten sich aber doch alle wieder am Lagerfeuer eingefunden. Das Frühstück nahm auch nicht viel Zeit in Anspruch und schon bald konnte die Reise daher fortgesetzt werden. Am Abend würden sie dann alle ihr Ziel erreicht haben.
 

Sie waren noch den gesamten Tag unterwegs. Nun war es mittlerweile später Nachmittag, als Hachi endlich die Grenze zu den westlichen Ländern überflog. Unter ihm erstreckte sich nunmehr ein großer Wald.

"Wir haben soeben die Grenze zu den westlichen Ländern passiert. So langsam müssten wir doch eigentlich fast da sein, oder?", fragte Hachi seine Passagiere.

Ashitaka schaute sich kurz um. "So lange kann es nicht mehr dauern. Flieg einfach immer weiter geradeaus."

Die Aussicht, bald am Ziel der Reise anzukommen, sorgte bei jedem für ein etwas anderes Gefühl. Kindliche Neugier überwog zum Beispiel bei Rin oder auch bei Shippo, wohingegen Kagome mehr gespannt zu sein schien, ebenso wie Kimie. Den anderen sah man nicht unbedingt an, was sie gerade dachten. Doch fiel Kagome bei einem Blick zu Inu Yasha auf, dass dieser sehr ernst dreinschaute.

"Bist du nervös, Inu Yasha?", fragte sie ihn vorsichtig.

Sofort hatte der Hanyou aufgehorcht. "Quatsch! Warum sollte ich das denn sein?!", entgegnete er betont, schien damit aber auch nicht weiterreden zu wollen, denn sogleich hatte er den Blick wieder abgewandt. Kagome spürte, dass Inu Yasha im Moment wohl nicht in der Stimmung war, sich zu unterhalten und ließ ihn daher in Ruhe.

Auch, wenn er es Kagome gegenüber geleugnet hatte, Inu Yasha musste für sich selbst zugeben, dass er doch auf gewisse Weise beunruhigt und verunsichert war. Nach außen hin sah man ihm das vielleicht nicht unbedingt an, aber so viele verschiedene Gedanken kreisten ihm im Moment wie in einziges Chaos im Kopf herum. Normalerweise hätte sich der Hanyou nicht so verrückt gemacht, aber diese Situation war eine völlig andere gewesen, als die bisherigen. Inu Yasha fragte sich, was ihn wohl erwarten würde.

Auch Kimie machte sich so ihre Gedanken. Sie war einerseits nervös, andererseits aber auch ziemlich neugierig und gespannt, besonders auf die verschiedenen Mitglieder von Sesshoumarus Clan. Sie hoffte, dass zumindest einige von ihnen einigermaßen umgänglich waren, aber laut Ashitaka waren die meisten wohl ganz in Ordnung gewesen.

>Hmm... Na, hoffentlich gibt es trotzdem kein böses Erwachen...<, dachte sie. Um sich etwas die Zeit zu vertreiben, sah sich Kimie die Umgebung etwas an. Eigentlich sah es hier genauso aus, wie in so vielen anderen Teilen des mittelalterlichen Japans, nur gab es hier wohl keine Dörfer, die von Menschen bewohnt wurden.

Wie lange sie noch so durch die Gegend geflogen waren, wusste Kimie zwar nicht, doch als sie ihren Blick irgendwann zur Seite richtete, glaubte sie, in der Ferne etwas zu sehen. "Schaut mal, Leute! Was ist das da hinten?"

Sofort hatten die anderen aufgehorcht und die Blicke ebenfalls zur Seite gerichtet. Zuerst konnten auch Kagome und die anderen nichts genaueres erkennen, außer etwas, das aus der Ferne aussah wie ein dunkler Nebel.

"Vielleicht ist das ja nur ein Wolkenfetzen", vermutete Sango, doch Tôya wirkte misstrauisch. "Wenn das wirklich so ist, dann bewegt der sich aber recht schnell und das auch noch gegen den Wind."

Ashitaka stand auf und versuchte einen genaueren Blick auf das unbekannte Etwas zu erhaschen. Es vergingen vielleicht gerade mal fünf Sekunden, ehe er erkannte, um was es sich dabei tatsächlich handelte. Und es war nicht Gutes. "Das ist ein Schwarm dämonischer Krähen! Sie kommen direkt auf uns zu!"

"Was?! Wollen die uns etwa angreifen?", fragte Kagome sofort erschrocken und starrte in die Richtung des riesigen, immer näher kommenden Schwarms.

Inu Yasha sprang sofort auf und zog Tessaiga. "Pah! Sollen diese Viecher es doch versuchen! Ein Angriff mit meiner Windnarbe und die sind hinüber!" Sogleich erhob der Hanyou die Klinge seines Schwertes in die Höhe, um alle dämonischen Krähen mit einem Schlag auszulöschen, doch genau in diesem Moment flog der Schwarm auseinander, so dass der Angriff keine Wirkung mehr gehabt hätte. Inu Yasha brach diesen daher ab. "Mist! Sie haben sich aufgeteilt!"

"Ja, und jetzt wollen sie uns wohl von allen Seiten attackieren!", vermutete Miroku und wurde auch sofort darin bestätigt.

Von allen Seiten flogen die schwarzen Ungetüme mit rot glühenden Augen direkt auf die Gruppe zu. Diese Krähen waren viel größer als gewöhnliche Krähen. Ihre Flügelspannweite betrug etwa zwei Meter, ihre Körperlänge maß ungefähr 1 1/2 Meter und ihre gewaltigen Krallen stellten sogar die von größeren Raubvögeln in den Schatten. Die heran fliegenden Ungetüme direkt vor Augen klammerte sich Rin ängstlich an Kimie und wimmerte: "Ich habe Angst!"

Schützend legte Kimie ihren Arm um das kleine Mädchen, den Blick dabei immer auf die dämonischen Vögel gerichtet. Mit ihrem Bumerang versuchte Sango nun, einige dieser Krähen auszuschalten. "Hiraikotsu!"

Zwar erwischte die Dämonenjägerin ein paar von ihnen, doch dieser Angriff war mehr wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es waren zu viele Krähen gewesen und wenngleich auch Sesshoumaru, Ashitaka und Tôya nun mehrere dieser Biester mit ihren Angriffen erledigten, es waren weiterhin zu viele. Auch Ah-Un setzte sich gegen die Krähen zu Wehr, so gut ihm das möglich war, dennoch konnte auch der Drache nicht verhindern, dass sie am Ende Hachi attackierten, der vor lauter Panik mitten im Flug mit einem lauten "POFF" seine normale Gestalt wieder annahm. Sicherlich wäre ein Großteil der Gruppe alles andere als heil auf dem Boden aufgekommen, wären sie auf sich allein gestellt gewesen. Doch Kirara hatte sich im Gegenzug sofort verwandelt und fing Sango und Miroku auf. Inu Yasha schnappte sich Kagome und Shippou, während Sesshoumaru Rin und Kimie noch rechtzeitig auffing. Auch Jaken kam ohne Beulen davon, denn Ah-Un hatte ihn am Kimono gepackt. Inuki brauchte dank seiner dämonischen Kräfte keine Hilfe und konnte selbst dafür sorgen, dass er in seiner nunmehr dämonischen Form unverletzt aus dieser Sache herauskam. Jeder normale Hund wäre nach so einem Fall ansonsten sicher nicht wieder aufgestanden. So landeten alle sicher wieder auf dem Boden und fanden sich nun mitten in jenem großen Wald wieder, den sie schon zuvor aus der Luft gesehen hatten.

"Meine Güte... Das war echt knapp. Aber wo sind diese verdammten Krähen?", fragte sich Kimie, nachdem sie wieder von Sesshoumaru auf den Boden abgesetzt worden war, und schaute sich suchend um. Jedoch konnte sie die fliegenden Ungetüme erstmal nicht entdecken.

"Die sind hier noch irgendwo", sagte Tôya aber sogleich. "Passt auf! Sie werden sicher gleich wieder angreifen."

Wachsam ließen alle ihre Blicke schweifen, doch merkwürdigerweise konnte man momentan nicht mal mehr das Flügelschlagen dieser Krähen hören. Sie waren wie vom Erdboden verschluckt.

"Verfluchte Mistviecher!", knurrte Inu Yasha wütend. "Haben die etwa Angst bekommen?! Los! Zeigt euch endlich, ihr Mistkrähen!"

"Du solltest dich vielleicht etwas mehr im Zaum halten, Inu Yasha", meinte Sesshoumaru kühl an seinen Halbbruder gewandt. "Dass du dazu neigst, deine Kräfte mit großen Sprüchen zu verschwenden, ist mir zwar durchaus bekannt, aber man sollte dennoch von dir erwarten können, dass du dich zumindest etwas zurückhalten kannst, obwohl du nur ein Hanyou bist."

Ein nun noch wütender klingendes Knurren drang aus Inu Yashas Kehle. Sofort wollte er mit einer Gegenbemerkung zuschlagen, als sich Miroku jedoch einmischte: "Seid mal still! Ich glaube, sie kommen zurück."

Und tatsächlich konnte man jetzt wieder das Flügelschlagen und das Krächzen dieser Krähen hören. Rin versteckte sich ängstlich hinter Sesshoumaru. Aber im Moment direkt bei ihm zu bleiben, war zu gefährlich für sie.

"Rin, tritt zurück", wies Sesshoumaru das kleine Mädchen daher an und nickte in die Richtung von Ah-Un. Rin drehte sich kurz zu dem Drachen um und nickte dann, ehe sie zu ihm lief. Jaken bekam von seinem Herrn auch sogleich die Anweisung erteilt, zusätzlich noch auf Rin aufzupassen, während die anderen sich um diese Krähen kümmern wollten. Doch konnte man diese bisher nur hören, aber nicht sehen. Aufmerksam bewegten sich Inukis Ohren mit jedem neuen Geräusch und er war es auch, der als erster die ersten Krähen entdeckte, die soeben hinter einigen Baumwipfeln auftauchten und geradewegs auf die Umherstehenden zuflogen. Mit einem lauten Bellen machte Inuki die anderen auf die Angreifer aufmerksam.

"Sie kommen her!", rief Kagome aus und holte einen Pfeil aus ihrem Köcher. Sie zielte genau auf die heran fliegenden Krähen und schoss. Der Pfeil glühte hell auf, ehe er sein Ziel traf und die fliegenden Dämonen auslöschte. Doch bei diesen paar Angreifern blieb es nicht, denn kaum waren diese wenigen erledigt, tauchte der Rest des Schwarms mit einem Mal wieder auf. Mit einem Satz sprang Tôya mitten in den herannahenden Schwarm hinein und zerfetzte mehrere der dämonischen Vögel mit seinen Klauen in ihre Einzelteile. Der Schwarm teilte sich danach wieder auf, um von mehreren Seiten anzugreifen.

"Sonderlich stark sind diese Biester ja nicht, aber ihre Anzahl ist das Problem!", sagte Sango, als sie soeben ihren Bumerang nach einem Gegenangriff wieder aufgefangen hatte. Und in der Tat schien die Anzahl der Krähen einfach nicht abnehmen zu wollen, weshalb Miroku nun von seinem Kazaana Gebrauch machte. Doch allzu lange einsetzen konnte er dieses auch wieder nicht, da diese dämonischen Vögel einmal gewarnt dem Sog immer wieder auswichen.

"Und dumm sind sie auch nicht unbedingt!", bemerkte der Mönch mit einem Unterton von Ärger und schloss sein Kazaana schließlich wieder. Sesshoumaru jedoch schien sich davon kein bisschen beeindrucken lassen zu wollen. Er zog nun seinerseits Toukijin und schickte einen blauen Energiestrahl in die Richtung einer Gruppe der Vögel, die sich sofort in Staub auflösten. Während sich der Großteil der Gruppe relativ gut gegen die Angreifer behaupten konnte, hatte Shippou so seine Probleme gehabt. Zwar gelang es auch ihm, ein paar dieser Krähen mit seinem Kitsunebi zunächst wegzujagen, doch der Gegenangriff ließ nicht lange auf sich warten. Gerade, als es so aussah, als könnte sich eine der Krähen den kleinen Kitsune greifen, schaltete sich Ashitaka ein und erledigte das Ungetüm mit seinem Schwert, zusätzlich zu einigen anderen. Auch Inu Yasha setzte vorzugsweise sein Schwert Tessaiga gegen diese dämonischen Vögel ein und hatte damit auch guten Erfolg, doch dann attackierte ihn eine dieser Krähen von hinten und krallte sich an seinen Schultern fest. Auf die Schnelle konnte der Hanyou das Ungetüm nicht loswerden, während dieses versuchte, ihn mit seinem langen, scharfen Schnabel zu verletzen. Doch wurde die Krähe kurz darauf von einem von Inu Yashas Mitstreitern erledigt. Mit einer gewaltigen Kraft wurde sie an den nächst besten Baum geheftet, in ihrer Brust steckte die Klinge von Tôyas Naginata, welches der Inu-Youkai zuvor auf sie geworfen hatte. Inu Yasha drehte daraufhin sich zu Tôya um.

"Hey! Das war ja ganz nett von dir, erwarte jetzt aber keine überschwänglichen Dankesreden von mir!", rief er und der Youkai erwiderte gelassen: "Keine Sorge! Das tue ich auch nicht!"

"Na dann!" Und damit kümmerte sich Inu Yasha wieder um diese Krähen. Auch Inuki und Kirara beteiligten sich tatkräftig an dem Kampf, wohingegen Hachi sich schon zu Anfang eiligst in einem der zahlreichen Büsche verkrochen hatte. Kimie, die weitere herannahende Angreifer mit direkten Schwerthieben erledigte und weiter entfernte mit dem Raigeki in ihre Schranken wies, wollte sich jedoch keinesfalls irgendwo verstecken und schon gar nicht vor ein paar fliegenden, zu groß geratenen Ausgaben von Krähen. Doch die menschlichen Mitstreitern spürten über kurz oder lang doch so langsam die Erschöpfung in sich aufsteigen.

"Verdammt! Die werden einfach nicht weniger!", sagte Kimie und musste erstmal versuchen, etwas zu verschnaufen. "Ist das hier etwa normal und alltäglich?!"

"Nein, auf keinen Fall!", antwortete Ashitaka. "Aber anscheinend hat sich in den drei Wochen, in denen Tôya und ich weg waren, einiges getan."

"Ja, aber nichts Positives...", bemerkte Kimie trocken und damit musste die Unterhaltung auch schon wieder beendet werden, denn wieder griffen diese Krähen an.

Kagome sah erneut eine Gruppe der fliegenden Ungetüme auf sich zukommen und wollte soeben einen weiteren Pfeil aus ihrem Köcher holen, doch da war keiner mehr. "Oh nein! Meine Pfeile sind alle verbraucht!"

Hastig starrte das Mädchen daraufhin wieder auf die herannahenden Dämonen, doch wie sollte sie sich nun verteidigen? Inu Yasha war nicht entgangen, dass Kagome im Moment in großer Gefahr schwebte. "Nein! Kagome!!" Er eilte ihr sofort zur Hilfe, doch da wurde er selbst erneut angegriffen. Indem er sich nun selbst diese lästigen Krähen vom Hals halten musste, ging wertvolle Zeit verloren. Erschrocken und wie zu Stein erstarrt stand Kagome noch immer auf der Stelle, im Blick weiterhin die sich bedrohlich nähernden Krähen. Endlich schien es, als hätte sich Inu Yasha seiner Angreifer entledigen können, doch bevor er nun einen Angriff starten konnte, um Kagome zu retten, zersprang die erste der angreifenden Krähen scheinbar völlig grundlos in mehrere Stücke. Die anderen hielten daraufhin in ihrem Angriff inne und flogen erstmal wieder davon.

Kagome verstand die Welt nicht mehr. "Was... was ist passiert...?"

Alles war plötzlich so schnell gegangen. Da entdeckte das Mädchen in einem der Bäume einen langen Pfeil...

Neue Bekanntschaften

Während Kagomes Blick noch auf den fremden Pfeil im Baumstamm ruhte, war Inu Yasha endlich bei dem Mädchen angekommen.

"Kagome! Bist du verletzt?", fragte er sofort besorgt, doch Kagome schüttelte den Kopf und antwortete beruhigend: "Nein, es geht mir gut."

Bereits während sie dem Hanyou geantwortet hatte, hatte sich das Mädchen schon suchend nach demjenigen umgesehen, der den rettenden Pfeil abgeschossen hatte. Es vergingen vielleicht auch gerade mal ein paar Sekunden bis sie ihn entdeckt hatte. Auf dem Ast von einem der zahlreich umherstehenden Bäume erspähte Kagome nun einen jungen Mann, der in seiner linken Hand einen Langbogen hielt, dessen Sehne von dem zuvor abgefeuerten Schuss längst wieder zur Ruhe gekommen war. Auf dem Rücken trug er den dazugehörigen Köcher, der mehrere Pfeile enthielt, und um die Hüfte trug er außerdem noch einen Gürtel mit einer Schwertscheide, in dessen Inneren er ein Tachi (Schwert mit ca. 78 cm Länge; gehört wie das Katana zu den Langschwertern (Daito)) aufbewahrte. Sein Haar war etwas länger als schulterlang und nach hinten zu einem schlichten Zopf zusammengebunden. Auffällig war jedoch, dass im Vergleich zu den hauptsächlich dunkelbraunen Haaren, der zusammengebundene hintere Teil wie auch bei Sesshoumaru oder auch Ashitaka weiß-silbern war. Der weiße Kimono des Fremden war kurzärmlig und so konnte man ganz eindeutig passend zu der schwarzen Rüstung die gleichfarbigen Armschoner erkennen, die er an beiden Unterarmen trug.

Aber nicht nur Kagomes Blick ruhte auf dem jungen Mann, auch die anderen hatten sich inzwischen zu ihm umgewandt. Doch für Ashitaka war der Bogenschütze kein Unbekannter.

"Hey, Subaru! Du hättest dir wirklich keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können!", rief er dem anderen Youkai zu, der nun vom Ast des Baumes hinunter sprang, dabei zeitgleich aber auch einen neuen Pfeil aus seinem Köcher holte, nur um diesen auch sofort in Richtung Ashitakas abzuschießen. Der Pfeil zischte um Haaresbreite an dessen Gesicht vorbei und flog mitten in eine weitere Gruppe der Krähen, die eben wieder angreifen wollte, jetzt jedoch von der dämonischen Energie, die den Pfeil umgab, sofort vernichtet wurde. Während Ashitaka darauf im Moment überhaupt nicht vorbereitet gewesen war, war Subaru unterdessen bei ihm angekommen.

"Bedankt Euch besser erst, wenn wir sie erledigt haben, Ashitaka-sama!"

"Schön und gut, aber warne mich das nächste Mal wenigstens vor, bevor du auf mich schießt", entgegnete Ashitaka trocken, da er sich einen Moment lang doch erschrocken hatte.

Subaru nickte nur einmal. "Wenn Ihr meint. Ich werde für die Zukunft daran denken."

Und damit schien für ihn dieses Thema auch schon erledigt gewesen zu sein, denn das nächste Anliegen von Subaru war das außer Gefecht setzen dieser Krähen. Auch schien sich der Youkai im Moment auch gar nicht wirklich um die anderen Umherstehenden zu kümmern, stattdessen legte er nun seinen Bogen aus der Hand und zog stattdessen sein Tachi aus der Schwertscheide. Mit schnellen Angriffen nahm sich Subaru die Krähen vor, aber auch die anderen standen nicht nur rum, sondern mischten nach der kurzen Überraschung ebenfalls wieder mit. Nachdem sich die übrigen Krähen schließlich aber etwas entfernten, um nicht auch noch von den Klingen der Schwerter und den anderen Nahwaffen getroffen zu werden, tauschte Subaru sein Tachi wieder gegen seinen Bogen aus. Seine Angriffe mit den Pfeilen ähnelten denen von Kagome sehr, nur mit dem Unterschied, dass in dem einen Fall die Pfeile mit dämonischer Energie und in dem anderen Fall mit Kagomes Miko-Kräften verstärkt wurden. Kurzzeitig war Kimie von den durchschlagskräftigen Angriffen des fremden Youkai so beeindruckt gewesen, dass sie darüber hinaus, ihre eigene Sicherheit einen Augenblick lang vollkommen außer Acht ließ. Erst, als sie die Stimme von Sesshoumaru vernahm, war sie mit ihren Gedanken wieder bei dem Kampf: "Souryuuha!" Eine blaue Energiewelle löste sich von Toukijin und bewegte sich geradewegs auf mehrere Krähen zu, die Kimie soeben hatten angreifen wollen. Vor lauter Schreck hatte sich das Mädchen geduckt, um nicht eventuell von Sesshoumarus Angriff ebenfalls getroffen zu werden, wie es nun diesen Krähen widerfuhr. Ob sie der Angriff wirklich erwischt hätte, vermochte Kimie im Nachhinein nicht zu sagen, aber der Schreck saß ihr danach noch einen Moment lang in den Gliedern.

"Hey, Sesshoumaru! Ich bin dir ja wirklich dankbar, aber sag das nächste Mal doch wenigstens 'Vorsicht!' oder 'Pass auf!' oder sonst was, bevor du so dermaßen aufdrehst!", mahnte Kimie den Youkai, der sich von der Ansprache jedoch keinesfalls beeindrucken ließ.

"Du solltest dich dagegen besser nicht so leicht ablenken lassen, sonst bist du deinen Kopf schneller los, als du es vielleicht denken magst", entgegnete er stattdessen nur.

Kimie blickte etwas eingeschnappt zu Sesshoumaru hoch, wobei es aber mehr der Ärger über sie selbst war, der sie wurmte. Denn Sesshoumaru hatte mit dem, was er gesagt hatte, schließlich Recht gehabt und das war ihr durchaus bewusst. Also nahm sie sich vor, seine Worte im Hinterkopf zu behalten, während sie sich nun vom Boden aufstand und sich wieder in den Kampf einmischte.

Es schien irgendwann so, als hätten die Krähen doch genug von dem heftigen Widerstand ihrer Beute und so zog sich der übrig gebliebene, klägliche Rest schließlich zurück. Ihr Gekrächze war zwar noch eine Weile zu hören gewesen, doch schließlich war auch das verstummt.

Nachdem er sich sicher war, dass sie auch nicht wieder zurückkommen würden, steckte Tôya sein Schwert wieder ein.

"Ich glaube, sie sind weg", meinte er und kümmerte sich dann darum, sein Naginata wieder aus dem Baumstamm zu ziehen, mit welchem er zuvor eine der Krähen aufgespießt hatte, die jedoch noch an der Klinge hing. Mit einem abwertenden Blick löste Tôya den toten Körper des fliegenden Ungetüms von seiner Waffe und ließ ihn zu Boden fallen, wo er sich kurz darauf zu Staub auflöste.

Die anderen ließen nun ebenfalls ihre Waffen sinken. Müde stützte sich Kimie auf ihrem Schwert ab. "Uff! Meine Güte, das war ja vielleicht ein Empfang..."

Und während auch so manch anderer erstmal eine Runde verschnaufen musste, waren andere wiederum putzmunter, wie Rin zum Beispiel. Nachdem die dämonischen Krähen nun endlich wieder verschwunden waren, lief sie freudig auf Sesshoumaru zu. "Ihr seid großartig, Sesshoumaru-sama! Toll, wie Ihr und die anderen gekämpft habt!"

Sesshoumarus Blick ruhte nun auf Rin. Sie war unverletzt geblieben, wie er erkennen konnte und auch Kimie war noch an einem Stück vorhanden gewesen, wenngleich sie noch etwas schwer ein- und ausatmete. Aber dass Menschen bei einem gewissen Grad von körperlicher Anstrengung relativ schnell ihre Kräfte aufbrauchten, war Sesshoumaru schon lange kein Geheimnis mehr gewesen. Und während auch die anderen noch mit heiler Haut davongekommen waren, ruhte unterdessen insbesondere Kagomes Blick weiterhin auf Subaru, der sie zuvor gerettet hatte. Gerne wollte sie sich bei ihm dafür bedanken, womit sie nun auch nicht mehr länger zögerte. Zumal machte der Youkai auf sie einen sehr sympathischen Eindruck. So ging sie nun auf ihn zu, wobei Subaru sie genau beobachtete, nachdem er auf sie aufmerksam geworden war, bis sie schließlich genau vor ihm stand. Mit einem dankbaren Lächeln sagte Kagome: "Ich wollte mich bei Euch gerne für Eure Hilfe bedanken. Ich stehe in Eurer Schuld. Also, vielen Dank!"

Zunächst schwieg Subaru nur, während sich Kagome nun auch noch leicht vor ihm verbeugte. Stattdessen musterte er sie nur ausgiebig. Aber die Art und Weise, wie er sie und kurzzeitig auch die anderen, ihm fremden Personen gerade ansah, war nicht unbedingt von großer Begeisterung gekennzeichnet gewesen und das machte er auch in seinen nachfolgenden Fragen an seine Kameraden deutlich: "Wozu sind denn diese Menschen gut? Wollt ihr die etwa unseren Feinden zum Fraß vorwerfen oder sind die zur eigenen Verpflegung gedacht?"

Abrupt hatte Kagome wieder aufgeschaut. Auf so eine abfällige Bemerkung war sie nun wirklich nicht gefasst gewesen und bei Subarus Erwähnung über die Eigenverpflegung überkam nicht nur Kimie plötzlich ein ganz eigenartiges Gefühl. Allerdings rief Subarus Aussage sogleich Inu Yasha auf den Plan, der sich nun schützend an Kagomes Seite stellte.

"Weder noch! Nur zu deiner Information: Wir sind in einem gewissen Sinne zu eurer Unterstützung hier", bemerkte er patzig an den Youkai gewandt und mit demonstrativ vor der Brust verschränkten Armen.

Jetzt galt Subarus Augenmerk insbesondere dem Hanyou. Die nächste abfällige Bemerkung folgte prompt: "Hm! Ist unser Clan mittlerweile so tief gesunken, dass er schon Hilfe von Menschen und Halbdämonen in Anspruch nehmen muss?"

"Hey! Hast du etwa irgendein Problem?", fragte Inu Yasha schroff. "Wenn ja, dann frage ich mich, warum du dir eben noch die Mühe gemacht hast, Kagome zu retten?!"

Subaru wandte sich demonstrativ von dem Hanyou ab. "Glaub es oder nicht, aber das frage ich mich auch. Muss wohl ein Reflex gewesen sein. Ich war wohl der Meinung, da sie mit Sesshoumaru-sama, Ashitaka-sama und Tôya unterwegs ist, wäre sie die Mühe wert gewesen."

Jetzt hatte Subaru nach Inu Yashas Meinung den Bogen endgültig überspannt. Schließlich waren der Hanyou und seine Freunde nicht in die westlichen Länder gekommen, um sich jetzt von oben herab blöd anmachen zu lassen! Derartiges konnte Inu Yasha auf den Tod nicht ausstehen und seine nun folgende Reaktion bestätigte dies nur zu gut, denn erneut zog er nun Tessaiga aus der Schwertscheide und deutete mit der Klinge genau auf Subaru. "Jetzt hör mir mal gut zu, du arroganter Wichtigtuer! Wir sind nicht hier hergekommen, um uns jetzt so was anhören zu müssen! Schon gar nicht von jemanden wie dir, und wenn du irgendein Problem mit uns hast, dann schau uns gefälligst ins Gesicht, wenn du uns deswegen etwas zu sagen hast!"

Und tatsächlich drehte sich Subaru daraufhin wieder zu Inu Yasha und Kagome um, doch schien er das weniger deswegen zu tun, weil ihn Inu Yashas Ansprache in irgendeiner Form eingeschüchtert hätte. Vielmehr wirkte er reichlich desinteressiert, aber seine Aufmerksamkeit galt nun ohnehin eher Tessaiga, dessen Klinge noch immer auf ihn gerichtet war.

"Du besitzt also Tessaiga. Dann bist du wohl Inu Yasha", bemerkte Subaru ruhig, aber mit einem merkwürdig klingenden Unterton in der Stimme. Es trat eine kurze Pause ein, ehe er seinen Blick hob und Inu Yasha erneut direkt ins Gesicht sah. "Bilde dir jedoch nicht zu viel darauf ein, dass unser Oyakata-sama dein Vater war. Ein Hanyou ist und bleibt ein Hanyou!"

Ein wütendes Knurren drang aus Inu Yashas Kehle. "Hanyou, Hanyou... Ich kann's langsam nicht mehr hören!"

"Du kannst die Wahrheit wohl nicht ertragen, was?"

Jetzt hatte Inu Yasha endgültig genug gehört. Gerade wollte er schon auf Subaru losgehen, als sich nun jedoch Tôya einschaltete und sich zwischen die beiden stellte, ehe die Situation eventuell noch eskalieren konnte. Mit ernster Stimme wandte er sich an Subaru: "Subaru! Es reicht! Wir wollen uns nicht gegenseitig bekämpfen! Wir könnten in naher Zukunft schließlich schon genug Probleme bekommen, da können wir Konflikte untereinander erst recht nicht gebrauchen."

"Wie es um uns steht, weiß ich selbst, Tôya! Wessen Idee war es denn überhaupt, dass dieses Pack hierher kommt?", fragte Subaru aber nur mit genauso herablassender Stimme, wie schon zuvor.

Kimie entwich daraufhin ein entnervtes Seufzen. "Hey! Könnten wir uns vielleicht darauf einigen, dass du dich um einen etwas freundlicheren Umgangston bemühst? Schließlich hat Kagome dich auch nicht so angepflaumt!", meinte sie an Subaru gewandt, der für das Mädchen jedoch genauso viel Freundlichkeit übrig hatte, wie für ihre Begleiter.

"Von einem Menschen lasse ich mir nicht vorschreiben, wie ich zu sprechen habe, und schon gar nicht von einem Weib!"

Kimie bemühte sich darum, ruhig zu bleiben, wenngleich man ihren aufkommenden Ärger aber aus ihrer Stimme heraushören konnte. "Dieses 'Weib' hat zufälligerweise auch einen Namen, du unverschämter Grobian! Ich heiße nämlich Kimie!" Doch kaum hatte sie das gesagt, schoss ihr auch der nachfolgende Gedanke durch den Kopf: >Irgendwie kommt mir diese Art der Diskussion verflucht bekannt vor...< Und tatsächlich fühlte sie sich im Moment sehr in so manch vergangene Unterredung mit Sesshoumaru zurückversetzt.

Und genauso wenig wie Sesshoumaru, so ließ sich auch Subaru nicht von dem Mädchen beeindrucken. "Du bist entweder sehr mutig oder aber sehr dumm, dass du dich traust, so mit mir zu reden."

"Pah! Es ist ja schließlich nicht das erste Mal, dass ich einem bockigen Youkai über den Weg laufe!", konterte Kimie sofort und während sie das gesagt hatte, war sie auch einen Schritt auf den fremden Youkai zugegangen, doch dann wurde ihr der Weg plötzlich von einem ausgestreckten Arm versperrt.

Kimies Blick huschte zur Seite und sie sah, dass Sesshoumaru sie am Weitergehen gehindert hatte. Doch sah er nicht etwa sie bei dieser Aktion an, sondern Subaru, den er nun auch ansprach: "Du solltest jetzt besser schweigen, Subaru. Zu deiner Information, diese Leute sind unter anderem auch mit meinem Einverständnis hier und ich dulde in der Hinsicht keine Kritik und keine überflüssigen Bemerkungen!" Langsam ließ Sesshoumaru seinen Arm wieder sinken. "Solltest du dennoch in irgendeiner Form etwas an meinen Entscheidungen auszusetzen haben, dann behalte das in deinem eigenen Interesse besser für dich. War das verständlich?"

Der kühle Unterton in seiner Stimme hätte einem einen kalten Schauer über den Rücken jagen könne. Jedoch machte Subaru zumindest von Außen her nicht den Eindruck, als ließe er sich einschüchtern. Dennoch verneigte er sich schließlich leicht vor seinem Herrn. "Hai, Sesshoumaru-sama." Zwar hatte ein gewisser Unterton von Widerwillen in seiner Stimme gelegen und auch sein Blick zeugte nicht gerade von großer Begeisterung, doch musste Subaru dem Willen von Sesshoumaru folge leisten, wollte er nicht der Leidtragende von recht unangenehmen Folgen werden.

So gesehen schien die Situation erstmal wieder unter Kontrolle gewesen zu sein, wenngleich bei Inu Yasha und seinen Freunden ein gewisses Gefühl von Unsicherheit und Misstrauen zurückblieb. Es schien, als begriffen sie nun alle endgültig , dass ihr Aufenthalt bei den Inu-Youkai kein reiner Sonntagnachmittagsspaziergang werden könnte. Rin wirkte im Gegenzug ziemlich eingeschüchtert von Subarus Auftreten, weshalb sie sich auch die ganze Zeit über in Sesshoumarus Nähe aufhielt, wo sie sich noch immer am sichersten fühlte.

Es verging ein kurzer Moment des Schweigens und schließlich war es Ashitaka, der das Gespräch wieder in eine andere Richtung lenkte: "Aber sag mal, warum bist du eigentlich hier, Subaru? Ich meine, so nah an der Grenze unserer Ländereien."

Subaru wandte sich nun zu Ashitaka um. "Nun, seit ungefähr einer Woche kriegen wir gelegentlich ungebetenen Besuch. In der Nähe des Schlosses treiben sich ab und zu eigenartige Gestalten herum, die garantiert irgendwo von außerhalb stammen. Noch gab es zwar keine Angriffe, aber es scheint, als würden wir überwacht werden. Deshalb hat Kakeru-sama vorgeschlagen, dass wir unsere Grenzen etwas mehr im Auge behalten sollten und darum wollte ich mich hier ein wenig umsehen. Einige andere von uns beobachten die Grenzen in anderen Teilen unserer Ländereien."

Während Subaru kurz die aktuelle Situation schilderte, nutzte Hachi die Gelegenheit, um wieder aus seinem Versteck hinter den Büschen zu kommen und sich an Miroku zu wenden: "Wenn ich kurz das Wort ergreifen dürfte, würde ich mich nun gerne wieder verabschieden, Miroku-no-danna. Ihr braucht mich jetzt ja erstmal nicht mehr, wenn ich das richtig sehe."

Der Mönch nickte einverstanden und bedankte sich bei seinem Freund: "In Ordnung. Vielen Dank noch mal, Hachi! Du warst uns wirklich eine große Hilfe."

"Schon gut", erwiderte Hachi und legte sich ein Laubblatt auf den Kopf. Nachdem er kurz mit einem "POFF" in einer undurchsichtigen Wolke verschwunden, befand er sich kurz darauf wieder in seiner verwandelten Form. "Na gut, Miroku-no-danna und ihr anderen… Dann passt mal auf gut auf euch auf und viel Glück!" Und mit diesen Worten erhob sich der Tanuki wieder in die Luft, machte kehrt und flog wieder davon. Sein Abschied war für die anderen jedoch nicht überraschend gekommen. Hachi hatte schon ganz zu Anfang von vornherein klargestellt, dass er nicht vorhatte, mit ihnen in den westlichen Ländern zu bleiben und das war schließlich auch nicht von ihm verlangt worden. Miroku und die anderen waren ihm schon dankbar dafür gewesen, dass er sie hergebracht hatte.

Nachdem Hachi schließlich aus der Sicht der anderen verschwunden war, wandten diese sich wieder um.

"Gut, dann schlage ich vor, wir machen uns wieder auf den Weg", meinte Ashitaka, der seine Unterredung mit Subaru inzwischen wieder beendet hatte. Dessen Blick schweifte noch einmal zu Inu Yasha und den anderen, ehe er sich auch sofort wieder abwandte und wortlos voranschritt. Nachdem Subaru ein wenig vorausgegangen war, wandte sich Ashitaka an Inu Yasha und die anderen: "Entschuldigt bitte sein Auftreten von eben."

"Keh! So ein blöder Kerl! Was bildet der sich überhaupt ein?!", entgegnete Inu Yasha aber nur patzig, wobei es ihm scheinbar völlig gleichgültig gewesen war, ob Subaru ihn gehört hatte oder nicht. Und entweder hatte dieser ihn wirklich nicht gehört oder die Aussage schlichtweg ignoriert, denn von Subarus Seite erfolgte keinerlei sichtbare Reaktion.

Ashitaka versuchte, die Situation zu schlichten: "Sei bitte nicht beleidigt, Inu Yasha. Subaru ist zwar manchmal etwas schwierig, aber eigentlich ist er sehr verlässlich."

"Und er kann keine Menschen und Halbdämonen leiden...", warf Sango trocken ein.

"So würde ich das nicht sagen, aber er ist in gewissen Dingen etwas... eigenwillig, wenn ihr versteht", versuchte Ashitaka das Verhalten seines Kameraden zumindest ansatzweise zu erklären. Ihm war es wirklich recht unangenehm gewesen, dass Subaru ein derartiges Verhalten an den Tag gelegt hatte, wenngleich er schon geahnt hatte, dass es durchaus Probleme geben könnte.

"Tja! Dann können wir ja nur noch hoffen, dass er uns nicht irgendwann noch zum Fressen gern hat...", entgegnete Kimie auf die Aussage des Youkai ironisch und fügte in Gedanken ebenso noch hinzu: >Wunderbar! So gesehen wäre der erste große Sympathisant also hiermit schon mal gefunden...< Doch dann schob sie ihre Gedanken an Subaru rasch wieder zur Seite und erkundigte sich stattdessen nach der Länge des bevorstehenden Fußmarsches: "Wie weit ist es denn eigentlich noch bis zum Schloss?"

"Nicht mehr so weit. Vielleicht zwei Stunden Fußweg", antwortete Ashitaka. Wäre Kimie das lange Umherwandern mit Inu Yasha, Kagome und den anderen nicht schon gewohnt gewesen, hätte sie jetzt sicherlich einen weiteren sarkastischen Kommentar zum besten gegeben. Dennoch wären sie und auch die anderen wohl sicherlich doch ganz froh, wenn sie endlich an ihrem Ziel angekommen wären. So machte sich die Gruppe nun wieder auf den Weg.
 

Der Weg wurde im Großen und Ganzen stillschweigend fortgesetzt. Diese Stille war aber alles andere als angenehm, denn schienen seit dem Angriff der Krähen und dem plötzlichen Auftauchen Subarus gewisse Anspannungen in der Luft zu liegen. Die Spitze des durch den Wald wandernden Trupps bildeten die Inu-Youkai, dicht gefolgt von den anderen. Das Schlusslicht bestand aus Jaken mit Ah-Un, den der Krötendämon an den Zügeln führte. So ging es noch eine ganze Weile weiter durch diesen schier endlos wirkenden Wald, doch ließen die Blätter der Baumkronen genügend Licht bis zum Boden hindurch, dass die Atmosphäre der Umgebung doch sehr angenehm war. Man konnte aber nicht übersehen, dass die Sonne allmählich unterging.

"Hoffentlich kommen wir an, bevor es dunkel wird. Nach diesen unheimlichen Krähen verspüre ich nicht unbedingt den Wunsch, die Nacht hier draußen zu verbringen...", meinte Shippou leise auf Kagomes Schulter sitzend.

"Nur keine Sorge, Shippou-chan!", erwiderte Ashitaka, der wie auch seine Kameraden den Kitsune gehört hatte, und deutete nach vorne. "Wir müssen nur noch den kleinen Hügel da hinten hoch und dann sind wir auch schon da." Kaum, dass der Youkai das gesagt hatte, blieb Inu Yasha einen Moment lang stehen, den Blick prüfend nach vorne gerichtet. Nun wäre es also bald soweit und er würde das erste Mal in seinem Leben das Schloss seines verstorbenen Vaters sehen. Wenngleich der Hanyou in der Vergangenheit stets bekräftigt hatte, nichts mit seinem Vater zu tun haben zu wollen, so hatte er sich ab und zu doch so seine Gedanken gemacht und nun überkam ihn auch ein ganz merkwürdiges Gefühl, das er nicht so recht einordnen konnte.

"Inu Yasha? Was hast du?", hörte Inu Yasha Kagome plötzlich fragen und wurde so wieder aus seinen Gedanken gerissen.

Auf die Frage des Mädchens schüttelte er den Kopf. "Schon gut. Es ist nichts, Kagome."

Und damit ging auch er wieder weiter.

Nur noch der von Ashitaka erwähnte Hügel befand sich noch vor der Gruppe. Diesen hinaufzusteigen bedurfte keiner großen Anstrengung und als sie alle oben angekommen waren, blieben diejenigen, die zum ersten Mal einen Fuß in diesen Teil des Landes gesetzt hatten, einen Moment lang wie gebannt stehen und schauten ebenso auf das große Schloss, was sich nun vor ihnen erhob. Es war zwar noch etwas weiter weg, aber dennoch für alle gut sichtbar.

"Wow! Seht euch das an! Wahnsinn!" Kagome war hin und weg, ebenso wie ihre Freunde.

Ashitaka nahm die Reaktion seiner Freunde mit einem etwas amüsierten Lächeln zur Kenntnis und fügte wie zum Scherz hinzu: "Nun denn! Willkommen in Sesshoumarus bescheidenem Anwesen!"

Das Schloss war strahlend weiß, die Dächer hingegen grau, doch schimmerten sie in einem edlen, fast schon silbernen Glanz, und besonders beeindruckend war der große mehrstöckige Hauptturm gewesen. Eine Mauer umgab das gesamte Schloss und das Gelände drum herum. Außerhalb der Schlossmauern war alles von einer Vielzahl von Bäumen umgeben, doch das Schloss erhob sich über alles, nicht zuletzt deshalb, weil es zusätzlich auf einer Anhöhe stand.

"Und das alles gehört wirklich Sesshoumaru-sama?", fragte Rin staunend.

Auch Kimie war zugegeben richtig geplättet. Sie trat an Sesshoumarus Seite und meinte: "Also, dass du der Herr der westlichen Länder bist, wusste ich zwar schon, aber das hier ist ehrlich voll krass!"

Sesshoumaru horchte auf und wandte seinen Blick zu dem Mädchen um. "Voll krass?", wiederholte er mit einem etwas eigenartigen Blick. Diesen Ausdruck hatte er vorher noch nie gehört und er klang in seinen Ohren auch recht eigenartig.

Kimie machte sich daher sogleich daran, ihm zu erklären, was sie damit gemeint hatte: "Mit anderen Worten: Ich bin schwer beeindruckt."

Jetzt hatte Sesshoumaru verstanden, doch irgendwie konnte er diese ganze Aufregung nicht so recht nachvollziehen. Bis auf Ashitaka, Tôya und Subaru schienen so ziemlich alle im Moment mit ihren Augen regelrecht an dem Schloss festzukleben. Gut, es war durchaus imposant und beeindruckend gewesen, aber war das von den anderen wirklich ein Grund gewesen, gleich so zu tun, als hätten sie noch nie in ihren Leben ein Schloss gesehen? Andererseits waren die meisten Schlösser und Paläste der Menschen wirklich kein Vergleich zu diesem Schloss hier gewesen. So gesehen war es doch irgendwie auf gewisse Weise nachvollziehbar, dass sie beeindruckt gewesen waren.

Auch Inu Yasha fasste das Schloss genau ins Auge. Er war ebenfalls auf einer Seite beeindruckt gewesen, wie er sich eingestehen musste, doch überwog in ihm die Ungewissheit über das, was ihm hier eventuell widerfahren und auf was für Youkai er hier treffen würde.

Schließlich gingen sie alle weiter und näherten sich allmählich dem Schloss. Bei diesem endlich angekommen, schweiften die Blicke sogleich die große steinerne Treppe hinauf, die nach oben zum Eingang an der Schlossmauer führte.

"Ich muss wirklich zugeben, das ist beachtlich", meinte Miroku, während er sich das Ganze so ansah. Vom momentanen Standpunkt der Gruppe aus, wirkte insbesondere der große Hauptturm noch viel imposanter und größer, als es eben noch der Fall gewesen war.

"Wir werden sicher schon erwartet. Kommt! Die Treppe hier müssen wir hoch." Ashitaka deutete nun auf jene steinerne Treppe. Als sich die Gruppe dieser gerade näherte, hörte sie es jedoch in einer der Kronen der umherstehenden Bäume plötzlich verdächtig rascheln. Kaum hatten sich alle entsprechend umgewandt und misstrauisch die Blicke nach oben gerichtet, sprang aus einer Baumkrone mit einem Mal ein junges Mädchen zwischen den Blättern heraus.

"Nii-sama! Du bist zurück!", rief das Mädchen überglücklich und fiel sofort dem völlig verdutzten Tôya, der gerade noch verhindern konnte, bei diesem Manöver nicht eventuell noch umzufallen, um den Hals.

"Miyuki! Um Himmels Willen, jetzt sei doch nicht immer so stürmisch!"

"Na, hör mal! Du warst immerhin drei Wochen weg!", protestierte Miyuki, behielt aber ihr fröhliches Lächeln bei. "Ich bin so froh, dass du wieder zurück bist! Du hast mir gefehlt und ich habe mir wirklich große Sorgen um dich gemacht."

Während sich die beiden miteinander unterhielten, schauten die auswärtigen Besucher zunächst nur etwas ratlos drein, ehe sich Kagome flüsternd an Ashitaka wandte und auf das unbekannte junge Mädchen deutete: "Wer ist sie?"

"Miyuki-chan. Sie ist Tôyas kleine Schwester", antwortete Ashitaka, ebenfalls flüsternd.

Miyuki wirkte in etwa so alt wie Kagome, wenngleich man bei Dämonen ja nicht auf menschlichen Maßstäbe zurückgreifen konnte. Sie trug einen kurzen roten Kimono mit ebenfalls kurzen Ärmeln, der stellenweise mit größeren lavendelfarbenen Blüten verziert war, und den sie sich mit einer gelben Schleife nach hinten zusammengebunden hatte. Passend zu den hellbraunen Schuhen, die an Halbstiefel erinnerten, waren Miyukis Unterarme mit gleichfarbigen Armschonern aus Stoff ausgestattet, die sie jeweils mit einem dunklen Lederband festgebunden hatte. Wie schon Tôya, so wies auch dessen kleine Schwester die gleiche violettfarbene Gesichtszeichnung auf.

Die Aufmerksamkeit des Dämonenmädchens richtete sich schließlich auf die Fremden. "Und wer sind diese Leute?", fragte Miyuki ihren Bruder, wobei ihr Blick besonders an Sesshoumaru hängen blieb. Aber wirklich einordnen konnte sie ihn wohl nicht.

Da ihm dies nicht entging, stellte Tôya seiner Schwester ihn nun vor: "Miyuki. Das hier ist Sesshoumaru-sama. Es ist jedoch nicht verwunderlich, dass du dich wohl nicht mehr an ihn erinnerst, du warst schließlich noch ein kleines Kind, als er damals wegging."

Ashitaka konnte seinem Kameraden da nur zustimmen: "Stimmt! Mich kannte sie auch nicht mehr, als ich vor einem Jahr zurückgekommen bin."

Ungeachtet dessen trat Miyuki nun Sesshoumaru gegenüber und musterte ihn ganz genau. Da sie kleiner war als er, musste sie aber immer zu ihm hoch schauen, wollte sie ihm ins Gesicht blicken.

"Ihr seid also Sesshoumaru-sama?", fragte sie wie zur Vergewisserung nach. Als Sesshoumaru die Frage in üblicher Art bejahte, brach es regelrecht aus Miyuki heraus: "Wow! Das ist ja irre! Ich wollte Euch schon immer mal kennen lernen! Ich habe schon so viel von Euch gehört! Dass Ihr so stark seid und so, aber ich habe mich immer gefragt, wie Ihr wohl ausseht. Und endlich sehe ich Euch! Das ist wirklich... Hmpf!?" Weiter kam sie jedoch nicht, denn Tôya hielt ihr nunmehr den Mund zu.

"Miyuki, ich glaube, Sesshoumaru-sama hat's verstanden", meinte er trocken, ehe er mit einem prüfenden Blick auf seine kleine Schwester fortfuhr: "Erkläre mir lieber mal, was du allein außerhalb des Schlosses zu suchen hast? Ich dachte, wir wären uns einig darüber gewesen, dass du zu deiner eigenen Sicherheit nicht allein hier herumstreunst, zumal es hier momentan eh nicht mehr so sicher ist." Von diesen Worten nun doch wohl etwas erbost, entfernte Miyuki die Hand ihres Bruders wieder von ihrem Mund.

"Mann! Behandle mich doch nicht ständig, wie ein kleines Kind, Nii-sama!"

"Das hat damit rein gar nichts zu tun, aber ich bin immerhin für dich verantwortlich!"

Miyuki verschränkte die Arme hinter ihrem Kopf und drehte sich etwas von Tôya weg. "Ach! Und dann konntest du es dir dennoch leisten, einfach mal für drei Wochen zu verschwinden und mit Ashitaka nach unserem verloren gegangenen Herrn zu suchen?", fragte sie etwas sarkastisch und mit einem frechen Grinsen im Gesicht. Tôya seufzte auf. Das war mal wieder typisch seine kleine Schwester! Immer einen frechen Spruch im Hinterkopf und trotz ihres mittlerweile jugendlichen Alters nichts von ihrer kindlichen Art eingebüßt.

"Aber eigentlich hat Tôya doch Recht, Miyuki-chan", mischte sich Ashitaka nun ein. "Kleine Mädchen sollten besser zu Hause bleiben, wo es sicher ist, und nicht allein draußen in der Wildnis rumlaufen."

Abrupt hatte Miyuki sich zu Ashitaka umgewandt und blickte in sein amüsiert grinsendes Gesicht. Beleidigt zog sie ein Schnute und protestierte: "Du nervst, Ashitaka! Ich hab's dir auch schon hundertmal gesagt: Ich bin KEIN kleines Mädchen!"

Doch Ashitaka behielt sein amüsiertes Grinsen bei. "Egal, wie viele Jahre auch vergehen, du wirst immer unser kleines Mädchen bleiben."

"Argh! Du bist echt blöd!", entgegnete Miyuki und streckte ihrem Gegenüber die Zunge raus. Ashitaka nahm dies jedoch mit Humor, es war schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass Miyuki so auf seine Sprüche reagiert hatte.

Sich das kleine Schauspiel eine Weile ansehend, meinte Miroku schließlich an den Youkai gerichtet: "Hey, Ashitaka! Dass du mittlerweile eine Freundin gefunden hast, hast du uns ja noch gar nicht erzählt."

"Wie bitte?! Freundin?!", wiederholte Miyuki sofort ungläubig, denn sie hatte die Anspielung des Mönchs ganz genau verstanden. Aber der selben Ansicht wie er war sie keinesfalls. "Ich und seine Freundin?! Bestimmt nicht! Nie im Leben käme ich auf die Idee, irgendetwas mit so einem nervigen Besserwisser anzufangen! Keine Chance!"

"Aber zumindest scheint ihr euch ziemlich gut zu verstehen", warf nun Kagome mit einem Lächeln ein, doch auch hier konnte Miyuki nicht zustimmen.

"Was?! Wir sehen uns kaum und schon ist Schluss mit der Ruhe und dem Frieden, weil er sich immer über mich lustig machen muss!", beklagte sie sich, aber Ashitaka verschränkte nur mit einer Unschuldsmiene die Arme hinter dem Kopf.

"Wenn du immer so wunderbar darauf anspringst...", meinte er mit einem Schulterzucken und sofort deutete Miyuki mit dem Finger auf ihn.

"Da! Genau das habe ich gemeint!"

Jetzt konnte Kagome nicht mehr anders und musste doch leise lachen. "Tja, aber je mehr man streitet, umso größer ist die Freundschaft, wie es so schön heißt."

"Wer sagt denn so was? Und wer bist du eigentlich?", fragte Miyuki und ließ ihren Blick nunmehr auf Kagome ruhen.

Diese stellte sich und die anderen nun bereitwillig vor, bis sie schließlich auch bei Inu Yasha angekommen war: "Und das ist Inu Yasha, Sesshoumarus Halbbruder."

Sofort hatte Miyuki aufgehorcht und sich Inu Yasha zugewandt, von dem sie bereits aus Erzählungen von Ashitaka gehört hatte. "Halbbruder? Dann bist du also der Hanyou?"

"Hm!", gab Inu Yasha nur mürrisch und mit vor der Brust verschränkten Armen zurück. Er vermutete schon, dass gleich wieder ein blöder, herablassender Spruch folgen würde, doch entgegen seiner Erwartungen blickte Miyuki ihn nur äußerst neugierig an, als sie sich ihm inzwischen direkt gegenübergestellt hatte. Inu Yasha zog skeptisch eine Augenbraue hoch. "Was ist?", fragte er, doch schon hatte Miyuki ihn an den Ohren gepackt und meinte vergnügt: "Deine Ohren sind ja lustig! Die gefallen mir!"

"Hä?!" Während Inu Yasha zunächst überhaupt nicht wusste, wie er auf diese Aktion reagieren sollte, wurden seine Ohren ausgiebig und voller Begeisterung von Miyuki in Augenschein genommen. Doch schließlich riss er sich wieder von ihr los. "Hey! Lass gefälligst dieses Rumgezerre!"

"Tut mir Leid, aber es überkam mich eben so", entschuldigte sich Miyuki mit einem freundlichen Lächeln. "Jedenfalls freue ich mich wirklich, dich und auch deine Freunde kennen zu lernen! Oder soll ich dich lieber mit Inu Yasha-sama ansprechen? Schließlich bist du..."

"Nein, mein Name reicht vollkommen und du kannst mich auch weiterhin duzen", entgegnete Inu Yasha hastig, noch bevor Miyuki ihre Frage hatte zu Ende stellen können.

Ungeachtet dessen nickte sie aber sofort einverstanden. "Ist gut! Wie du meinst."

Miyukis freundliche und aufgeschlossene Art ihm gegenüber irritierte Inu Yasha zwar noch etwas, doch angesichts der Tatsache, dass sie ganz anders als Subaru von dem Besuch sehr angetan wirkte, kam in Kagome hingegen wieder die Hoffnung auf, dass sich der Aufenthalt der Gruppe in den westlichen Ländern und im Schloss der Inu-Youkai doch nicht nur als problematisch herausstellen dürfte.

"Na gut, wenn ihr soweit seid, dann würde ich sagen, wir gehen so langsam mal ins Schloss", schlug Ashitaka schließlich vor. Er, Sesshoumaru, Tôya, Miyuki und Subaru gingen voran, dicht gefolgt von den anderen. Dabei hüllte sich jeder wieder in Schweigen, nur ihre Schritte waren zu hören gewesen und das Zwitschern einiger Vögel. Schließlich standen sie jedoch alle vor den Toren des Schlosses. Diese wurden sogleich von Ashitaka geöffnet und die Gruppe konnte den großen Innenhof betreten. Dort wurde sie auch schon erwartet, und zwar unverkennbar von einem weiteren Inu-Youkai. Sein langes Haar, welches er offen trug, wirkte silbern, doch trug er im Gegensatz zu Sesshoumaru, Ashitaka, Tôya und Subaru keine Rüstung, sondern nur ein helles Fell über den Schultern. Auch war er anders als die anderen mit einem langen, weißen Kimono bekleidet, der ein wenig an einen Mantel erinnerte. Vom Gesicht her wirkte er noch sehr jugendlich, wenngleich er nach der Vermutung von Kagome und ihren Freunden wahrscheinlich sogar älter als Sesshoumaru war. Er strahlte etwas sehr angenehm Freundliches, aber auch Geheimnisvolles aus.

Mit einem freundlichen Lächeln begrüßte der fremde Youkai nun die Gruppe und seine Stimme klang sehr angenehm: "Es freut mich, dass ihr wohlbehalten von eurer Reise wieder zurückgekehrt seid, Ashitaka-dono und Tôya. Und natürlich freut es mich besonders, Euch nach all den Jahren wieder in Eurer Heimat begrüßen zu können, Sesshoumaru-sama. Auch Eure Reisegefährten heiße ich willkommen." Er verneigte sich leicht.

Sesshoumaru grüßte ihn in seiner üblich ruhigen Art kurz zurück, doch fehlte diesmal die gewohnte Kühle in der Stimme, was bei dem einen oder anderen doch für kurzweilige Irritation sorgte und die eine oder andere Frage aufwarf.

Die Aufmerksamkeit des fremden Inu-Youkai schien sich nun auf den Rest der Gruppe zu richten. "Wie ich es mir schon gedacht habe, habt Ihr mehrere Begleiter an Eurer Seite, Sesshoumaru-sama", sprach er mit ruhiger Stimme weiter. "Und Eurer Halbbruder Inu Yasha ist auch dabei."

"Hey! Woher kennst du mich? Ich habe dich jedenfalls noch nie in meinem Leben gesehen", erwiderte Inu Yasha sofort misstrauisch und bekam dafür von Kagome sogleich einen leichten Stoß mit dem Ellenbogen in die Seite.

"Inu Yasha, benimm dich!", mahnte sie ihn, ehe sie sich mit einem entschuldigenden Lächeln an den fremden Youkai wandte: "Entschuldigung, bitte. Er ist manchmal etwas... vorlaut."

Doch der Youkai schüttelte nur einmal den Kopf und erwiderte freundlich: "Keine Ursache. Mein Name ist übrigens Kakeru."

Kagome nahm sich nun die Freiheit, sich und die anderen ebenfalls vorzustellen. Doch nachdem sie das getan hatte, wirkte sie auch etwas verwirrt. Denn Kakeru schien ihr lediglich nur zugehört zu haben. Seine Augen hatte er die ganze Zeit über geschlossen gehalten und sie auch kein einziges Mal geöffnet. Dennoch wirkte es so, als habe er das Mädchen ganz genau verstanden und ihr auch folgen können. Inu Yasha wollte trotzdem soeben wieder etwas sagen, entschied sich dann jedoch dagegen und ging stattdessen anders vor. Er trat Kakeru direkt gegenüber und wedelte mit seiner Hand direkt vor dessen Gesicht herum. Aber Kakeru verzog keine Miene.

"Was Ihr da tut, ist vollkommen unnötig", sagte der Youkai schließlich nur mit ruhiger Stimme. "Ich kann nicht sehen, was Ihr tut. Zumindest nicht mit meinen Augen."

"Tse! Das ist ja auch kein Wunder, wenn du die Augen die ganze Zeit geschlossen hältst!", erwiderte Inu Yasha etwas patzig. "Mach sie doch einfach auf und..." Doch bevor er hatte weiter sprechen können, wurde der Hanyou plötzlich von Miroku an der Schulter ergriffen und zurückgehalten. Zuerst verstand Inu Yasha den Sinn dieser Aktion nicht und wollte sich schon beschweren, doch im Gesicht des Mönchs konnte er sehen, dass dieser wohl eine Vermutung gehabt hatte.

"Ihr... Ihr seid blind, habe ich Recht?", bemerkte Miroku schließlich vorsichtig an Kakeru gewandt. Verunsichert wechselten Kagome und die anderen daraufhin untereinander ihre Blicke.

Kakeru jedoch behielt sein freundliches Lächeln bei. "Ich bin nicht blind. Ich mag zwar mit meinen Augen nicht mehr sehen können, doch sehe ich dafür auf eine andere Art und Weise. Und dass Ihr mit Eurer Hand vor meinem Gesicht rumgewedelt habt, habe ich übrigens auch ganz deutlich mitbekommen, wenngleich ich es, wie schon gesagt, nicht mit meinen Augen wahrgenommen habe."

Mit dem letzten Satz hatte er sich direkt an Inu Yasha gewandt, der daraufhin sofort von Kagome erneut für sein Handeln getadelt wurde: "Also wirklich! Das war sehr unhöflich von dir und außerdem höchst unangebracht, Inu Yasha!"

"Tut mir ja Leid! Aber ich konnte das doch schließlich nicht wissen", entschuldigte sich der Hanyou sogleich kleinlaut, wobei er scheinbar doch etwas peinlich berührt den Blick abwandte.

Um die "Gewissensbisse" seines jüngeren Halbbruders scherte sich Sesshoumaru jedoch nicht lange und wandte sich stattdessen an Kakeru.

"Wie ist es dazu gekommen?", fragte er prüfend.

Kakeru machte ein leichte abwinkende Handbewegung. "Ach, nur ein Andenken an eine kleine Auseinandersetzung, die schon über 100 Jahre zurückliegt. So was kann in einem Kampf immer passieren. Damit muss sogar ein erfahrener Kämpfer nun mal stets rechnen."

"Ja, ich verstehe", erwiderte Sesshoumaru ernst, während sein Blick dabei kurz auf Inu Yasha fiel. Nur zu gut erinnerte sich der Youkai noch daran, wie sein Halbbruder ihm einst den linken Arm abgetrennt hat. Diesen hatte Sesshoumaru mittlerweile zwar wieder zurückerlangt, doch könnte er Inu Yasha noch immer ab und zu den Hals für diese Unverfrorenheit umdrehen, wenn er sich daran zurückerinnerte. Doch schien Inu Yasha den Blick von Sesshoumaru nicht ganz deuten zu können.

"Was gibt's denn da zu gucken? Habe ich etwa wieder irgendetwas ausgefressen?", fragte der Hanyou nur genervt und wandte sich ab.

Etwas amüsierte wohnte Kakeru noch einen Moment der aktuellen Situation bei, ehe er schließlich wieder das Wort an die Umherstehenden und besonders an die Besucher richtete: "Es wird allmählich dunkel und ihr seid sicher müde von der langen Reise. Ruht euch doch ein wenig aus. Zum richtigen Kennenlernen ist auch morgen noch genug Zeit." Dann wandte er sich erneut an Sesshoumaru: "Sesshoumaru-sama, wenn es Euch recht ist, würde ich Euch aber gerne noch um ein Gespräch ersuchen."

Sesshoumaru erklärte sich zu dem gewünschten Gespräch bereit, richtete das Wort zunächst aber noch an Rin, die sich die ganze Zeit an seiner Seite befunden hatte: "Rin, du bleibst in der Zwischenzeit bei den anderen."

"In Ordnung, Sesshoumaru-sama", erwiderte Rin und nickte bereitwillig.

Jaken konnte hingegen nicht anders, als seinem Herrn im Gegenzug eine Frage zu stellen: "Dürfte ich Euch denn wenigstens begleiten, edler Herr?"

Abwartend sah der Krötendämon zu Sesshoumaru hoch, dessen Antwort aber klar und deutlich war: "Nein, ich werde allein gehen. Du wirst ebenfalls hier bleiben, Jaken."

"Äh... Na gut. Wie Ihr es wünscht", entgegnete Jaken kleinlaut und verbeugte sich leicht.

Bevor Sesshoumaru Kakeru nun jedoch folgte, wies er Ashitaka zuvor zusätzlich noch an, sich währenddessen der anderen anzunehmen. Natürlich sagte Ashitaka zu, während sich sein Cousin nun mit Kakeru schon mal ins Schloss zurückzog.

Mit einer Bitte wandte sich Ashitaka schließlich an Tôya: "Tôya, würdest du dich eventuell bitte um Ah-Un kümmern?"

"Sicher." Tôya nahm Ah-Uns Zügel von Jaken entgegen und führte den Drachen anschließend von der Gruppe fort, um ihn entsprechend unterzubringen. Dabei wurde er von Miyuki begleitet.

"Bis dann! Vielleicht sehen wir uns nachher ja noch mal", rief das Dämonenmädchen den Besuchern im Weggehen noch fröhlich zu, ehe es zusammen mit ihrem Bruder und dem zweiköpfigen Drachen aus seiner Sicht verschwunden waren.

Nun wandte sich Ashitaka wieder an die anderen: "Gut, dann führe ich euch jetzt mal ein wenig herum."

Die anderen waren mit dem Vorschlag durchaus einverstanden gewesen. Bevor sie ihr Vorhaben jedoch in die Tat umsetzen konnten, ergriff Subaru, der mit dem Rücken zu der Gruppe stand, plötzlich wieder das Wort, nachdem er bis eben eine längere Zeit geschwiegen und alles nur stumm beobachtet hatte: "Haltet euch aber besser nach Möglichkeit zurück! Glaubt nicht, nur weil ihr mit Sesshoumaru-sama hier hergekommen seid, wird man euch immer freundlich gegenübertreten. Achtet also besser auf das, was ihr sagt und was ihr tut."

Nach dieser Ansprache war insbesondere Inu Yashas Stimmung wieder auf dem Nullpunkt angelangt. "Super Ratschlag! Hat dir den jemand zugeflüstert oder ist er auf deinem eigenen Mist gewachsen?", fragte der Hanyou spürbar gereizt, doch darauf erwiderte Subaru gar nichts mehr, sondern sonderte sich nur von den anderen ab und verschwand recht bald aus deren Sicht.

Nachdem alle einen Moment wie bestellt und nicht abgeholt auf der Stelle stehen geblieben waren, war es schließlich Kimie, die als Erste wieder das Wort ergriff: "Was meint ihr? Bevorzugt der Typ Menschen eher medium oder doch lieber gut durch?"

Auch so manch anderer schien sich in einem gewissen ironischen Sinne diese Frage zu stellen. Aber Ashitaka versuchte sofort dafür zu sorgen, dass Subaru nicht noch länger die Stimmung der anderen vermieste. "Ach, macht euch um Subaru nicht so viele Gedanken. Der kriegt sich schon wieder ein. Kommt! Ich zeige euch jetzt lieber mal eure Unterkünfte. Schließlich sollt ihr ja nicht draußen schlafen." Und nachdem er als Erster vorangegangen war, folgten ihm die anderen bereitwillig.

"Aber Kakeru-sama ist richtig nett und er hat auch sonst eine sehr freundliche Ausstrahlung, finde ich", meinte Kagome nun, richtete gleich darauf aber auch eine Frage an Ashitaka: "Er sieht jedoch nicht wie ein Krieger aus. Nimmt er eine besondere Position hier bei euch ein, Ashitaka-kun?"

Ashitaka gab dem Mädchen gerne die gewünschte Auskunft: "Nun, während Sesshoumarus Abwesenheit hat Kakeru sozusagen eine Art Stellvertreterposition in der Rolle des Clan-Oberhauptes eingenommen. Er versteht sich zudem ganz hervorragend auf Magie und Heilkunst. Und bevor er erblindete, war er auch ein ganz ausgezeichneter Schwertkämpfer." Aber nach einer kurzen Pause fuhr er scheinbar etwas bedrückt fort: "Seit dieser Sache hat er aber nie wieder eine Waffe in die Hand genommen."

"Was ist denn passiert?", fragte Shippou, der auf Kagomes Schulter saß, neugierig, doch Ashitaka schüttelte nur leicht den Kopf.

"Wisst ihr, ich erzähle euch das am besten ein anderes Mal, in Ordnung? Oder ihr fragte Kakeru selbst."

"Hmm... Na gut, wenn du meinst", entgegnete Kagome ein wenig irritiert, wollte Ashitaka aber nicht mit weiteren Fragen eventuell auf die Nerven fallen. So ließen sie und auch die anderen dieses Thema erstmal ruhen.
 

Und während die anderen sich ein wenig mit dem Schloss vertraut machten und nebenbei gegebenenfalls noch etwas über den einen oder anderen erzählt bekamen, hatten sich Sesshoumaru mit Kakeru in Kakerus Privaträume zurückgezogen. Sich nach den langen Jahren seiner Abwesenheit nun wieder im Schloss seines Vaters zu befinden, rief in Sesshoumaru so manche Erinnerung wieder wach, zumal alles auch beim Alten geblieben zu sein schien.

Während sie sich so gegenübersaßen, war es Kakeru, der schließlich als Erster das Wort ergriff: "Nun sind schon knapp über 200 Jahre seit dem Tod Eures ehrenwerten Vaters vergangen. Dass Ihr heute nach all der Zeit wieder hierher zurückgekommen seid, freut mich, Sesshoumaru-sama."

"Wobei ich anzumerken habe, dass ich eigentlich noch nicht vorhatte, zurückzukommen", entgegnete Sesshoumaru ruhig, aber bestimmt.

Ein leicht amüsiert wirkendes Lächeln stahl sich nun auf Kakerus Gesicht. "Eure Antwort überrascht mich nicht. Etwas in der Art habe ich mir schon gedacht, sonst wärt Ihr schließlich auch schon längst von selbst wieder zurückgekehrt."

"Viel hat sich hier aber dem Anschein nach nicht verändert."

"Nicht wirklich, da habt Ihr Recht. Es ist hier seit Eurer Abwesenheit eher ruhig geblieben. Seit Euer Vater tot ist und Ihr selbst Euch auf Euren Reisen befunden habt, habe ich versucht, so gut es mir möglich war, die Verwaltung und Sicherung unserer Ländereien zu übernehmen. Ich hoffe, es ist alles zu Eurer Zufriedenheit."

"Das ist es. Aber daran hatte ich auch nicht gezweifelt."

Andernfalls war es auch sehr fragwürdig gewesen, dass Sesshoumaru überhaupt weggegangen wäre. Zudem war Kakeru stets einer von wenigen gewesen, denen er in der Vergangenheit immer blindlings vertraut hatte. Außer, dass er ein sehr guter Freund Inu no Taishous gewesen war, war Kakeru in Sesshoumarus Kindheitsjahren auch sehr an dessen Ausbildung und Training beteiligt gewesen, um ihn auf seine spätere Aufgabe vorzubereiten, über die westlichen Länder zu herrschen. Aber nicht nur Sesshoumaru war ein Lehrling Kakerus gewesen, auch Ashitaka hatte viel von ihm gelernt. Besonders, was die Beherrschung seiner Bannkreise anbelangte, denn was die Magie anging, war Kakeru unangefochten derjenige, der diese innerhalb des Clans am besten beherrschte.

"Darf ich ehrlich zu Euch sein, Sesshoumaru-sama?", fragte Kakeru nach einem Moment der Stille seinen Herrn, der ihm antwortete: "Sicher. Worum geht es?"

Erneut erschien ein leichtes Lächeln auf Kakerus Gesicht. "Nun, ich war eigentlich stets der Meinung, ich würde Euch gut kennen. Schließlich habe ich Euch aufwachsen sehen und all das, doch Ihr habt mich heute wirklich überrascht. Wer hätte gedacht, dass Ihr mal Menschen in Eurer Gegenwart akzeptieren würdet?"

Sesshoumaru horchte auf. Irgendwie hatte er schon am Anfang geahnt, dass sein Gegenüber ihn auch auf dieses Thema ansprechen würde.

"Zu gerne wüsste ich um die Reaktion Eures Vaters, könnte er hier sein", sprach Kakeru weiter. "Ich muss zugeben, gerade von Euch hätte ich nie erwartet, dass Ihr Euch dazu hinreißen lassen würdet, Euch um ein Menschenkind zu kümmern."

"Ashitaka hat dir und den anderen wohl einiges erzählt", bemerkte Sesshoumaru. Woher hätte Kakeru auch sonst sein Wissen über Rin haben können, wenn nicht von Ashitaka?

"Nur ein wenig", antwortete Kakeru auf die Bemerkung seines Herrn hin. "Aber dieses kleine Mädchen... Rin ist ihr Name, nicht wahr? Ich frage mich, wie sie es wohl geschafft hat, Euer Herz zu berühren?"

Sein Herz zu berühren? Diese Bemerkung musste Sesshoumaru doch noch mal Revue an sich vorüberziehen lassen. Zum Glück hatte er seine Selbstbeherrschung immer meisterhaft unter Kontrolle gehabt, sonst wäre ihm vermutlich doch ein kurzes Lachen entwichen, so nach dem Motto "Mach doch keine Witze!". Aber schien Kakeru mit seinen Worten dennoch gar nicht so falsch zu liegen und es schien, als wüsste Sesshoumaru das auch selbst ganz genau. Warum sonst hätte er sich überhaupt dazu entschieden, Rin bei sich aufzunehmen und zugelassen, dass sie ihn begleitete? Er hatte ihr schließlich sogar ihr Leben zurückgegeben. Aber die Art und Weise, wie Kakeru das Verhalten seines Herrn gedeutet zu haben schien, war für Sesshoumaru doch ein wenig gewöhnungsbedürftig gewesen. Solcher "Gefühlsduselei" konnte er nach wie vor nicht sonderlich was abgewinnen.

"Du hast schon früher immer so geredet", meinte er schließlich. "Das war beim Kennenlernen meines Vaters mit dieser Menschenfrau nicht anders, nur mit dem Unterschied, dass mein Vater den Menschen gegenüber schon immer positiv eingestellt war."

"Und genau das hat Euch von ihm unterschieden, Sesshoumaru-sama. Zumindest bis jetzt."

Allmählich wirkte es so, als wollte Kakeru Sesshoumaru langsam aber sicher aus der Reserve locken. Doch dieser schien sich auch weiterhin nicht ködern lassen zu wollen. Und dass er sowohl Rin als auch Kimie in seiner Nähe duldete, bedeutete doch noch lange nicht, dass er sich inzwischen zu einem Menschenfreund entwickelt hatte! Dementsprechend machte er dies auch nun Kakeru gegenüber deutlich: "Kakeru, ich bin weit davon entfernt, in dieser Hinsicht wie mein Vater zu werden. Dass ich ein Menschenkind bei mir habe, bedeutet noch lange nicht, dass ich meine Meinung geändert habe."

"Und dennoch lasst Ihr auch andere Menschen mit Euch reisen?", fragte Kakeru, als wartete er förmlich darauf, dass Sesshoumaru doch noch aus dem Nähkästchen plaudern würde. "Oder mag das nur daran liegen, dass sie Freunde Eures jüngeren Bruders sind? Mir ist aufgefallen, dass sich unter ihnen ein Mädchen befindet, dass sich wie Rin stets in Eurer Nähe aufgehalten hat und Ihr habt es geduldet. Ihr Name ist Kimie, wenn ich mich recht erinnere. Kann ich davon ausgehen, dass mir Ashitaka-dono doch nicht alles erzählt hat?"

Sesshoumaru zog kaum merklich eine Augenbraue hoch. "Du wagst dich so langsam gefährlich weit vor, Kakeru." Aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten hätte man diese Aussage indirekt als eine Art Warnung interpretieren können, doch anders, als es wohl bei vielen anderen der Fall gewesen wäre, hätte Sesshoumaru Kakeru niemals angegriffen oder gar getötet.

Das war auch Kakeru durchaus bewusst, dementsprechend gelassen war auch seine Antwort: "Es war nie meine Absicht, Euch eventuell zu bedrängen, Sesshoumaru-sama. Aber Ihr kennt mich doch, ich spreche stets das aus, was ich denke. Und selbstverständlich interessiert es mich, was Euch in der Zwischenzeit auf Euren Reisen widerfahren ist." Kakeru stand auf und ging auf einen kleinen Tisch zu, der etwas abseits stand und auf welchem sich eine Kanne und eine Tasse befanden. Aus dem Inhalt der Kanne goss Kakeru nun etwas Tee in die dafür vorgesehene Tasse und fragte mit einem freundlichen Lächeln seinen Herrn: "Eine Tasse Tee?"

Sesshoumaru lehnte das Angebot mit einem kurzen Dank ab. Aber genauso hatte er Kakeru in Erinnerung gehabt. Immer ruhig und besonnen, und scheinbar durch nichts wirklich aus der Ruhe zu bringen. Seinen Eindruck schilderte Sesshoumaru seinem Gesprächspartner auch sogleich: "Du hast dich wirklich kein bisschen verändert. Genauso wenig wie Ashitaka."

Kakeru trank einen Schluck von dem Tee, ehe er etwas darauf erwiderte: "Das hat dafür so manch anderer an unserer Stelle übernommen. Besonders die kleine Miyuki. Obwohl, als klein kann man sie wohl nicht mehr unbedingt bezeichnen." Doch dann schien ein leichter Ausdruck von Besorgnis auf seinem Gesicht sichtbar zu werden. Das entging natürlich auch Sesshoumaru nicht und auf dessen Nachfrage, schilderte Kakeru seinem Herrn nun das, was ihn beschäftigte: "Ich muss Euch gestehen, ich mache mir so meine Gedanken wegen Subaru. Er hat sich in der Vergangenheit sehr für sich zurückgezogen. Und vorhin machte er auf mich nicht gerade den Eindruck, als sei er von unserem Besuch sonderlich angetan gewesen."

Sesshoumaru schien die Bedenken seines Gegenübers nicht wirklich zu teilen, zumindest zeigte er nichts dergleichen erkennbar von außen. "Subaru war schon immer ein wenig aufsässig. Das mag bei ihm aber wohl in der Familie liegen. Mich wundert es allerdings, dass er überhaupt noch hier ist. Eigentlich war ich der Meinung, er hätte unsere Ländereien inzwischen verlassen, nach dieser Geschichte von damals."

Diesmal schwieg Kakeru, zumal er zu diesem Thema momentan eh nichts mehr sagen konnte.

So kam Sesshoumaru nun auf das zu sprechen, was ihn ohnehin am meisten interessierte: "Um jetzt aber mal auf den eigentlichen Grund meiner Rückkehr zu sprechen zu kommen: Weißt du inzwischen eigentlich mehr hinsichtlich der Bedrohung, von der Ashitaka und Tôya mir berichtet haben? Bisher waren die Auskünfte nämlich etwas dürftig. Damit kann man nicht viel anfangen."

"In der Tat, da habt Ihr Recht", stimmte Kakeru ihm zu, sprach dann jedoch mit einem deutlich hörbaren Unterton von Bedauern weiter: "Aber es tut mir Leid, Sesshoumaru-sama, ich kann auch jetzt keine genauen Angaben deswegen machen." Mit diesen Worten drehte er sich um und wandte sich einem der Fenster zu. Von draußen drang nur noch schwach das Licht der untergehenden Sonne in das Zimmer. "Ich fühle nur, dass sich etwas allmählich wie ein großer, dunkler Schatten über uns zu legen beginnt. Irgendetwas zieht herauf. Und seit ungefähr einer Woche scheinen wir aus dem Verborgenen beobachtet zu werden."

"Ich weiß", entgegnete Sesshoumaru. "Subaru hat etwas in der Art kurz erwähnt. Außerdem sind wir vorhin angegriffen worden." Er berichtete Kakeru nun ausführlich vom Angriff der dämonischen Krähen und davon, wie ein kleiner verbliebener Teil nach dem Kampf geflohen war. Sowohl Sesshoumaru als auch Kakeru waren sich einig darüber, dass sie irgendjemanden Bericht von dem Geschehenen erstatteten, wenn dieser jemand nicht schon längst anderweitig in Kenntnis gesetzt worden war. Es stellte sich nur die Frage, wer oder was hier seine Finger im Spiel hatte?

Nachdem er alles gehört hatte, senkte Kakeru ein wenig den Blick. "Dann scheint es so langsam zu beginnen. Sicherlich werden wir bald wieder mit derartigen Übergriffen konfrontiert werden... doch werden diese wohl nicht mehr so relativ harmlos verlaufen."

Auch in diesem Punkten stimmte Sesshoumaru mit seinem Kameraden überein. Es war sicherlich nur noch eine Frage der Zeit, bis wieder etwas geschehen würde.
 

Inzwischen hielt die Nacht allmählich Einzug und am Himmel waren bereits der Mond und einige Sterne sichtbar geworden. Es herrschte eine angenehme Ruhe in der Umgebung rund um das Schloss, während in einem der Gästezimmer Inu Yasha, Kagome und die anderen zusammen saßen und ihre ersten Eindrücke untereinander austauschten. Nur Rin war nicht dabei, sie war bereits schlafen gegangen, ebenso wie Jaken.

"Also, bisher sind doch alle sehr nett gewesen, oder?", fand Kagome und in der Tat war sie größtenteils durchaus positiv überrascht gewesen, wenngleich die Begegnung mit Subaru sie noch ein wenig beschäftigte.

Und als ob sie ihre Gedanken gelesen hätte, kam Sango nun genau auf diesen zu sprechen: "Alle, bis auf diesen Subaru. Mich würde ja mal interessieren, wie viele es von seinem Schlag noch gibt."

"Hoffentlich nicht allzu viele...", meinte Shippou, der sich so umgeben von mehreren Inu-Youkai doch ein wenig unwohl fühlte, wie er sich eingestehen musste. Zum Glück war er ja aber nicht allein hier und hatte seine Freunde um sich herum. Doch hatte die Gruppe seit ihrer Ankunft keine weiteren Inu-Youkai mehr kennen gelernt, sah man von den bisherigen Begegnungen ab. Lediglich von weitem hatten die Freunde noch einen kurzen Blick auf den einen oder anderen erhaschen können, waren aber ebenfalls nicht angesprochen worden.

"Aber ungewöhnlich finde ich das schon", sprach Kagome mit einem Mal nachdenklich weiter. "Ich meine, ich habe noch nie einen Youkai mit Pfeil und Bogen kämpfen sehen, so wie Subaru-san es tut... Darauf habe ich auch Ashitaka-kun vorhin angesprochen. Er sagte mir, Subaru-san wäre der Einzige hier, der neben dem Schwertkampf auch das Bogenschießen praktiziert. Die meisten anderen Youkai hier kämpfen hingegen meist hauptsächlich mit Schwertern oder eben wie Tôya-san auch mit dem Naginata."

In der Gegenwart der anderen gab Kagome es zwar nicht offen zu, doch sie musste zugeben, dass Subarus Einsatz von Pfeil und Bogen sie sehr beeindruckt hatte. Bei dem Kampf vorhin hatte er seine Ziele immer genauestens getroffen und dabei immer seine Ruhe und Selbstbeherrschung bewahrt. Doch eine Sache an ihm war Kagome insbesondere nach dem ersten Wortwechsel mit dem Youkai aufgefallen und das war der Ausdruck in seinen Augen gewesen. Dieser war teilweise zwar kühl und durchaus auch abweisend gewesen, doch glaubte Kagome auch noch etwas anderes in ihnen gesehen zu haben.

Im Gegensatz zu ihr machte sich Inu Yasha jedoch überhaupt keine Gedanken um Subaru. "Pah! Von mir aus kann der Typ auch mit Essstäbchen kämpfen! Ich weiß schon jetzt, dass ich ihn nicht ausstehen kann!"

"Es hätte uns auch sehr überrascht, wenn es anders gewesen wäre, Inu Yasha.", warf Kimie amüsiert ein, doch musste auch sie sich eingestehen, dass Subaru sie ebenfalls nachdenklich stimmte. Er war ihr wirklich nicht ganz geheuer und für sich selbst entschied Kimie, es wäre wohl das beste, würden sie und die anderen ihn von jetzt an besser meiden.

Irgendwann schweifte Mirokus Blick aus einem der Fenster. Schon vorher war ihm und auch den anderen aufgefallen, dass es inzwischen dunkel geworden war, aber bis eben hatte die Vertiefung in das Gespräch dafür gesorgt, dass dieser Punkt eher nebensächlich gewesen war.

"Hört mal, Freunde, es ist spät. Wir sollten und jetzt schlafen legen", schlug der Mönch nun vor, ehe er sich gleich darauf mit einem freundlichen Lächeln an Sango wandte: "Es würde mir übrigens überhaupt nichts ausmachen, würdest du mir heute Nacht Gesellschaft leisten, Sango. Ich würde es verstehen, wenn du momentan eventuell lieber nicht allein sein und jemanden an deiner Seite haben möchtest."

Als er ihr daraufhin eine Hand auf die Schulter legte, wartete Sango zunächst mit der Antwort. Doch dann stand sie auf und bewegte sich so einen Schritt von Miroku weg, dass seine Hand von ihrer Schulter rutschte. "Vielen Dank, für das Angebot, Miroku, aber ich glaube, ich komme auch ganz gut allein zurecht. Außerdem glaube ich nicht, dass du dich sonderlich gut von der Reise erholen könntest, würde ich bei dir sein", erwiderte sie mit einem neckenden Lächeln auf die Aussage des Mönchs, ehe sie daraufhin zur Schiebetür von Kagomes Zimmer ging, dicht gefolgt von Kirara. Nachdem Sango die Tür geöffnet hatte, drehte sie sich noch einmal zu ihren Freunden um. "Ich gehe dann schon mal. Also, gute Nacht!"

"In Ordnung. Gute Nacht, Sango-chan! Schlaf gut!", entgegnete Kagome, ehe die Dämonenjägerin die Schiebtür wieder hinter sich schloss. Zurück blieb unter anderem ein enttäuscht aufseufzender Miroku.

"Wenn ich mir dich so ansehe, könnte ich fast schon Mitleid mit dir bekommen, Miroku", meinte Kimie und lachte einmal leise, ehe auch sie nun aufstand. Inuki, der die ganze Zeit neben ihr auf dem Boden gelegen hatte, tat es ihr sofort gleich.

"Nun gut, ich glaube, ich verschwinde dann auch mal", sagte Kimie und ging zur Tür. "Gute Nacht, Leute! Wir sehen uns morgen."

Die anderen wünschten Kagomes Cousine ebenfalls noch eine gute Nacht, ehe auch sie zusammen mit Inuki das Zimmer verließ. Nicht lange nach ihr zogen sich auch Miroku und Inu Yasha in ihre Zimmer zurück. Shippou blieb hingegen die Nacht über bei Kagome, die sich recht bald nach dem Weggehen ihrer Freunde zusammen mit dem kleinen Kitsune schlafen legte.
 

>So was Blödes! Ich hätte vorhin vielleicht Brotkrumen verstreuen sollen...<

Auf dem Weg zu ihrem Zimmer hatte Kimie hingegen anfangs ihre kleineren Probleme, sich in diesem großen Schloss zurechtzufinden. Wahrscheinlich hätte sie sich hoffnungslos verlaufen, hätte sie nicht Inuki bei sich gehabt. Dieser wies ihr nun zuverlässig den Weg zu ihrem Zimmer, welches sich anders als die der anderen in einem der höher gelegenen Stockwerke befand. Und während Kimie noch ein wenig durch das Schloss stolperte, war sie sich sehr sicher gewesen, dass die anderen sich schon längst gemütlich zurückgezogen hatte. Aber während sie nun zu guter Letzt nur noch einem Gang folgen musste, war sie zugegeben doch etwas verwundert gewesen. Denn auf ihrem Weg hatte sie bisher keinen einzigen Bewohner des Schlosses getroffen. Aber eigentlich konnte ihr das wohl auch ganz recht sein, denn ausgerechnet jetzt auf einen unbekannten Inu-Youkai zu stoßen, darauf verspürte sie nicht unbedingt einen großen Drang. Im Gegenzug fragte sie sich, ob Sesshoumaru sich eventuell noch mit Kakeru unterhielt, oder ob er sich ebenfalls schon zurückgezogen hatte. Während sie sich so ihre Gedanken machte, konnte Kimie nun das Ende des Ganges erkennen. Als sie dort schließlich um die Ecke biegen wollte, wäre sie jedoch beinahe mit jemandem zusammengestoßen. Gerade noch rechtzeitig hatte sie einen Satz nach hinten gemacht.

"Huch! Entschuldigung", sagte sie sofort, doch als sie ihren Blick hob, um ihren Gegenüber anzusehen, schaute sie direkt in das Gesicht von Subaru. Kimie stand zunächst nur wie angewurzelt auf der Stelle. >Ach je... Großartig! Ausgerechnet der...<

Subaru schaute seinerseits nur wortlos auf das Mädchen herab und machte auch keinerlei Anstalten, einfach an ihr vorbeizugehen. Kimie war sich nicht sicher, ob sie jetzt stattdessen eventuell an ihm vorbeigehen sollte, während Inukis Blick abwechselnd von seiner Herrin zu Subaru und wieder zurück wanderte.

Nachdem Kimie auch nach ein paar Sekunden der Stille nichts gesagt oder getan hatte, war es schließlich Subaru, der als Erster das Wort ergriff: "Noch wach zu so später Stunde?"

Kaum hatte er sie angesprochen, schien Kimie wieder aus ihrer Starre erlöst zu sein. "Das ist ja wohl immer noch meine Sache, wie lange ich wach bleibe! Im Übrigen wollte ich gerade schlafen gehen", meinte sie etwas patzig, doch im nächsten Moment bereute sie ihren frechen Unterton bereits wieder. Eventuell einen Streit zu provozieren, war momentan wohl das Blödeste, was ihr einfallen konnte. Dennoch schaute sie dem Youkai fest in die Augen und versuchte, keine Unsicherheit zu zeigen.

Im Gegensatz zu Kimie schien Subaru jedoch wirklich die Ruhe in Person gewesen zu sein. "Sei lieber nicht so vorlaut", mahnte er das Mädchen nun. "Ich weiß zwar nicht, was Sesshoumaru-sama damit bezweckt, aber er wird nicht immer in deiner Nähe sein können, um auf dich oder auch auf deine Freunde aufzupassen. Und wenn es soweit ist, schlage ich vor, ihr passt besser auf eure Rücken auf. Sonst könnte unter Umständen genau dort schon sehr bald etwas drinstecken, was dort eigentlich nicht hingehört."

Kimie musste auf diese Aussage hin doch kurz schlucken. "Sollte... das jetzt eine Warnung oder eine Drohung sein?", fragte sie vorsichtig, obwohl sie aus dem Wortlaut des Youkai schon für sich ganz klar zu Letzterem tendierte.

Auf diese Frage hin entgegnete Subaru aber nur knapp: "Such es dir aus."

Jetzt war Kimie aber noch verunsicherter, als sie es ohnehin schon gewesen war. Sie wusste beim besten Willen nicht, was sie von alldem halten sollte. >Tut der jetzt nur so oder meint der es wirklich ernst...?<

Auch Inuki schien von Subarus Verhalten alles andere als begeistert gewesen zu sein, was er durch seine leicht angelegten Ohren und dem leisen Knurren verdeutlichte. Kimie legte ihrem Hund beruhigend eine Hand auf den Kopf, aber so langsam fühlte auch sie sich in der Gegenwart von Subaru wirklich mehr als unbehaglich und machte endlich Anstalten, an ihm vorbeizugehen, doch kaum hatte sie das getan, blieb sie auch schon wieder stehen, denn unbemerkt von ihr war irgendwann Sesshoumaru ebenfalls auf der Bildfläche erschienen. Er stand nur wenige Meter von Kimie und Subaru entfernt.

"Sesshoumaru! Was... was machst du denn hier?", fragte Kimie völlig perplex.

Doch während Subaru bei der Erwähnung dieses Namens sich nun entsprechend zu seinem Herrn umwandte, entgegnete Sesshoumaru nur in seiner üblich ruhigen Art: "Die Frage ist nicht schwer zu beantworten, schließlich ist das hier mein Schloss."

"Das weiß ich doch selbst!", erwiderte Kimie mit einem leichten Seufzen. "Ich meinte ja auch nur... Ach! Ist ja eigentlich auch egal."

Im Grunde war sie sich im Nachhinein sicher, dass Sesshoumaru sie nur mal wieder aufziehen wollte. Es wäre ja schließlich nicht das erste Mal gewesen, aber momentan war Kimie wirklich nicht in Stimmung für ein potenzielles Wortgefecht gewesen. Sie fuhr sich einmal mit der Hand durch die Haare, als Sesshoumaru sie schließlich erneut ansprach: "Ich war eigentlich der Meinung, du hättest dich bereits zurückgezogen."

"Das hatte ich eigentlich gerade vor", entgegnete das Mädchen, wobei es aber unweigerlich etwas verunsichert in Subarus Richtung schaute. Das entging sowohl diesem, als auch Sesshoumaru nicht. Letzterer näherte sich den beiden anderen nun, wobei er jedoch stets den anderen Youkai im Auge behielt.

"Dann solltest du jetzt auch besser auf dein Zimmer gehen", meinte Sesshoumaru an Kimie gerichtet, die diesmal auch nichts auf das Gesagte entgegnete, sondern der Aufforderung nur mit einem Nicken nachkam. Sie rief Inuki zu sich, der ihr sogleich folgte. Sesshoumaru wartete noch, bis die beiden fort gegangen waren, ehe er sich nun mit Subaru befasste. "Ist eben etwas vorgefallen, von dem ich wissen sollte?", fragte Sesshoumaru seinen Gegenüber ernst, der die Frage jedoch ruhig, aber bestimmt verneinte: "Nein, nichts dergleichen, Sesshoumaru-sama."

"Hm!" Sesshoumaru wirkte zwar nicht wirklich überzeugt, aber entschied er sich dazu, es diesmal lediglich bei mahnenden Worten belassen zu wollen. "Subaru, vergiss nicht, was ich dir schon vorhin gesagt habe. Im Übrigen tätest du dir selbst einen großen Gefallen, wenn du es von jetzt an nach Möglichkeit vermeiden würdest, dich in unmittelbarer Nähe von diesem Mädchen oder auch von Rin aufzuhalten, besonders dann, wenn ich gegenwärtig bin. Sollte dir dies aus irgendwelchen Gründen nicht möglich sein, dann rate ich dir, die beiden dennoch in Ruhe zu lassen." Mit diesen Worten kehrte er dem Jüngeren den Rücken zu, hatte diesem aber abschließend noch etwas zu sagen: "Im Gegensatz zu meinem Vater, halte ich nicht viel von Gnade gegenüber denjenigen, die mir im Weg sind und seien es auch die eigenen Clan-Mitglieder."

"Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Ich habe auch gar nicht die Absicht, Euch im Weg zu sein", entgegnete Subaru nach einer kurzen Pause ruhig, ehe er sich leicht vor seinem Herrn verneigte und dann wieder ging. Auch Sesshoumaru verließ seinen Standort nach dieser kleinen Unterredung wieder. Subaru gab ihm wirklich das eine oder andere Rätsel auf. Er würde ihn wohl gut im Auge behalten müssen.

Während er so darüber nachdachte und dabei weiter dem langen Gang folgte, entdeckte Sesshoumaru schließlich Kimie und auch Inuki wieder. Das Mädchen hatte die Schiebetür eines Zimmers einen Spalt weit geöffnet und schaute vorsichtig in dieses hinein. Es war das Zimmer von Rin gewesen. Kimie hatte Sesshoumaru nicht bemerkt, als sie festgestellt hatte, dass Rin trotz der neuen und ungewohnten Umgebung scheinbar gut schlief, und nun wieder die Schiebetür schloss. Erst als sie sich daraufhin in ihr eigenes Zimmer, was sich direkt nebenan befand, begeben wollte, fiel ihr der Youkai ins Auge. Da es Kimie schon interessierte, was Sesshoumaru noch mit Subaru besprochen hatte, fragte sie nun: "Und? Worüber habt ihr beiden denn noch geredet? Was hast du zu ihm gesagt?"

"Das ist unwichtig. Hauptsache, ER vergisst es nicht", entgegnete Sesshoumaru, woraufhin Kimie skeptisch eine Augenbraue hochzog. Eine solche Aussage konnte bei dem Youkai so einiges bedeuten.

"Na gut, vielleicht will ich auch gar nicht wissen, was du zu ihm gesagt hast..." Und in der Tat konnte sie sich hinsichtlich dessen schon zu genüge so einiges denken. Stattdessen öffnete sie nun die Schiebetür ihres Zimmers und ließ Inuki zuerst in dieses eintreten. Bevor Kimie ihrem Hund jedoch folgte, wandte sie sich noch einmal an Sesshoumaru: "Sag mal, ich war eigentlich der Meinung, du könntest Inu Yasha und die anderen nicht sonderlich gut leiden. Warum hast du ihnen dann angeboten, dass sie mit hier herkommen können? Das frage ich mich eigentlich schon die ganze Zeit."

Sesshoumaru wirkte von dieser Frage nicht gerade überrascht, als hätte er geahnt, das so was in der Art irgendwann kommen würde. Dementsprechend erfolgte auch die Antwort in gewohnter Tonlage: "Früher oder später wären sie wohl ohnehin hier aufgetaucht, hätten sie sich nicht schon jetzt dazu entschieden. Allein schon wegen dir."

Im ersten Moment schien Kimie etwas überrascht gewesen zu sein, doch ahnte sie recht schnell, was Sesshoumaru damit gemeint hatte. Vermutlich wären Kagome und die anderen irgendwann wirklich von selbst aus Sorge um sie hier aufgetaucht. So gesehen hatte Sesshoumaru diesem Moment praktisch vorgebeugt und ihn vorweggenommen. Nachdem diese Sache aber dem Anschein nach geklärt worden war, stand Kimie etwas planlos vor ihm, weshalb sie sich schließlich dazu entschloss, ebenfalls in ihr Zimmer zu gehen.

"Na gut, ich bin dann mal weg." Mit diesen Worten verschwand Kimie kurzzeitig in ihrem Zimmer, doch dann steckte sie noch einmal den Kopf aus der Tür und wandte sich wieder an Sesshoumaru: "Hey! Aber nur mal so eine letzte Frage aus Neugier: Wo ist eigentlich dein Zimmer?"

"Genau über deinem", antwortete Sesshoumaru bereitwillig, sehr zu Kimies Erstaunen. Aber dann nickte sie.

"Okay, alles klar! ... Tja, ich weiß zwar nicht, was du jetzt noch groß machen wirst, aber ich wünsche dir trotzdem mal eine gute Nacht. Also, bis morgen!" Und mit diesen Worten verschwand sie auch schon wieder und schloss diesmal auch die Schiebetür. Sesshoumaru blieb noch einen Augenblick in dem Gang stehen, ehe auch er sich erstmal für die Nacht zurückzog.
 

Von ihrem Zimmer aus konnte Kimie hören, wie Sesshoumaru schließlich wegging. Über ihre letzte Frage an ihn, war sie jedoch zugegeben selbst verwundert gewesen und wiederholte sie noch einmal leise für sich: "'Wo ist eigentlich dein Zimmer'... Wieso frage ich ihn das denn? Das war doch völlig aus dem Zusammenhang gerissen! Das muss ja so geklungen haben, als wollte ich mich schlau machen, um mich bei Gelegenheit heimlich zu ihm schleichen zu können..." Doch kaum hatte sie das gesagt, schüttelte Kimie heftigst den Kopf. "Aah! Schluss damit! Was denke ich denn hier?! Komm mal wieder klar, Mädchen! Du bist doch kein kleines Kind mehr!"

Trotz allem ertappte sich Kimie schon kurz darauf dabei, wie sie versuchte zu erahnen, ob sich Sesshoumaru inzwischen ebenfalls auf sein Zimmer zurückgezogen hatte und schaute hinauf zur Decke. Doch natürlich gab es keine erkennbaren Anzeichen dafür, ob er dort war oder nicht.

"Ach! Ich sollte wohl besser aufhören und mich hinlegen", meinte Kimie schließlich und kramte aus ihrem Rucksack nun ihren Schlafanzug heraus. Nachdem sie sich umgezogen hatte, schlüpfte sie auch sofort unter die Bettdecke des bereits fertig ausgerollten Futons. Und während sich Inuki nun neben seine Herrin legte, hing diese noch ein wenig ihren Gedanken nach, bis ihr schließlich doch die Augen zufielen und sie nach einer Weile einschlief.

Erste Ereignisse des ersten Tages

"Also, das kann man sich doch wirklich guten Gewissens gefallen lassen, oder? Ein schönes heißes Bad, ein gemütlicher Platz zum Schlafen, erstklassiges Essen. Das hier könnte auch ein prima Ferienort sein!"

Kagome war sichtlich zufrieden, als sie sich an diesem Morgen zusammen mit ihren Freunden und Kimie das Frühstück schmecken ließ. Direkt nach dem Aufstehen hatten sich die Mädchen die Vorzüge der heißen Quelle, die sich direkt hinter dem Schlossgarten befand und auf die Ashitaka alle nach der Ankunft aufmerksam gemacht hatte, gegönnt und spätestens seit diesem Augenblick fühlten sie sich so richtig wohl. Und da die Gruppe schon den ganzen Morgen unter sich gewesen war, konnten alle sehr gut ihre Eindrücke nach der ersten Nacht im Schloss untereinander austauschen.

"Und wie viele Sterne gibst du dem Hotel, Cousinchen?", fragte Kimie amüsiert auf das, was Kagome eben gesagt hatte.

"Also, vier sind mindestens drin. Locker auch fünf", antwortete Kagome ihrer Cousine, ehe beide vergnügt lächelnd wie zur Selbstbestätigung im Chor sagten: "Genau!"

Ein herzhaftes Lachen ging daraufhin durch die Runde, nur einer schaute ziemlich mürrisch drein.

"Jetzt kommt mal wieder runter, ihr zwei!", mischte sich Inu Yasha ein. "Es ist ja schließlich nicht so, dass wir hier Urlaub machen würden."

Sofort hatte Kagome zu dem Hanyou rübergeschaut, der schon die ganze Zeit über in einer Ecke des Raumes gesessen hatte. "Passt dir etwas nicht?", fragte sie ihn und es klang auch etwas verständnislos. "Du bist schon seit Tagen so schlecht gelaunt!"

Genau genommen schien Inu Yashas Stimmung genau seit dem Moment, als Sesshoumaru zum ersten Mal wieder aufgetaucht war, im Keller gewesen zu sein und eine eventuelle Besserung schien noch in weiter Ferne zu liegen.

"Ich glaube, er ist nur deshalb so schlecht drauf, weil das alles hier Sesshoumaru gehört und er hier auch den Ton angibt", vermutete Shippou, ließ sich selbst aber keinesfalls die gute Laune verderben. "Solange man aber so gut leben kann, ist es doch eigentlich egal, welche Umstände dazu geführt haben, oder?"

"Genau!", kam es daraufhin erneut im Chor von Kagome und Kimie zurück und wieder wurde alles von Lachen begleitet.

Inu Yashas Stimmung wurde aber von der der anderen jedoch keinesfalls beeinflusst. Er wandte nur eingeschnappt den Blick ab. "Keh!"

Während die meisten der Freunde jedoch weiterhin aus ihrer guten Laune keinen Hehl machten, wirkte Rin ziemlich nachdenklich. Dies bemerkte auch Kimie, die neben Rin saß, recht bald. "Was ist los, Rin? Stimmt etwas nicht?"

"Hmm... Ich habe Sesshoumaru-sama heute noch gar nicht gesehen...", antwortete das kleine Mädchen nun mit einem deutlich hörbaren Unterton von Enttäuschung. Kimie versuchte daraufhin, sie ein wenig abzulenken.

"Er hat sicherlich nur viel zu tun. Immerhin ist er eine ziemlich lange Zeit weg gewesen und..." Doch stoppte sie mitten im Satz, als ihr Jakens äußerst skeptischer Blick auffiel, den er ihr zuwarf. "Ist was? Was guckst du denn so?", fragte sie den Krötendämon, der jedoch nur pampig zur Antwort gab: "Ich kann gucken, wohin ich will und das geht dich auch überhaupt nichts an!"

"Pump dich wieder ab! Das wäre wohl auch besser für deinen Blutdruck." Kimie hatte wirklich nicht den Bedarf, sich schon am frühen Morgen auf ein Wortgefecht mit Jaken einzulassen. Neben Inu Yasha war er der zweite im Raum, der etwas angefressen zu sein schien, wenn auch aus einem anderen Grund.

"Aber ist es euch auch aufgefallen, dass wir bisher niemand sonst noch kennen gelernt haben? Gehen die uns hier etwa alle aus dem Weg?", warf Sango plötzlich mitten in die Runde, woraufhin alle abrupt verstummten. Die Dämonenjägerin hatte in der Tat Recht gehabt. Seit gestern waren die Freunde keinem anderen Inu-Youkai mehr direkt über den Weg gelaufen, geschweige denn, hatten ein Wort mit jemanden gewechselt. Dies schien jedoch das erneute Stichwort für Inu Yasha gewesen zu sein, denn sofort meldete er sich wieder zu Wort und hielt mit seiner Ansicht keinesfalls hinterm Berg.

"Das würde mich nicht wundern. Als ob die Youkai hier auch irgendetwas mit uns zu tun haben wollten. Wenn die könnten, würden die uns doch alle gleich in kleine Streifen schneiden!"

"Jetzt hör doch mal auf damit, Inu Yasha!", bat Kagome den Hanyou. "Was ist denn zum Beispiel mit Ashitaka-kun oder Miyuki-chan?"

"Wie hieß noch mal der Spruch? Ausnahmen bestätigen die Regel." Diesen Spruch hatte Inu Yasha mal von Kagome gehört und er erschien ihm gerade der Situation zu entsprechen und angebracht gewesen zu sein. Kagome entwich aber nur ein leises Seufzen. Inu Yasha würde seine Meinung wohl so schnell doch nicht ändern, wenngleich es hier auch nette Youkai gab.

"Vielmehr als das würde mich ja interessieren, wer Sesshoumarus Clan zur Zeit das Leben schwer macht", sagte Miroku nach einer kurzen Pause und kam nun auch wieder auf den Angriff der Krähen zu sprechen: "Solche dämonischen Krähen habe ich zuvor noch nie gesehen, aber sie flogen am Ende in die Richtung der Berge im Norden. Ich vermute, dass sich dort irgendwo auch derjenige aufhält, der sie zuvor auf uns gehetzt hat."

"Ihr meint also, der Angriff war kein Zufall, Miroku-sama?", fragte Kagome, woraufhin der Mönch antwortete: "Nein, zumal Ashitaka uns ja bestätigt hat, das derartige Angriffe hier für gewöhnlich nicht zum normalen Alltag gehören. Mir war auch irgendwie so, als hätten diese Krähen auf uns gewartet. Und wenn meine Vermutung richtig ist, dann dürfte ihr Anführer mittlerweile auch schon Wind von unserer Anwesenheit hier bekommen haben."

"Denkst du bei diesem Anführer an einen bestimmten Youkai?", fragte nun Sango an Miroku gewandt, der mit ernster Miene weiter sprach: "Noch habe ich keine Vorstellung von dem, um was für einen Youkai es sich dabei handeln könnte. Theoretisch könnte es alles mögliche sein, zumal es auch nicht unbedingt ein Einzelner sein muss."

"Denkst du dabei aber immer noch auch an Naraku?"

"Ja, aber hinsichtlich dessen bin ich mir mittlerweile unsicher." Miroku legte sich nachdenklich eine Hand ans Kinn. "Wenn Naraku wirklich seine Finger mit im Spiel hat, warum waren dann seine Saimyousho bei dem Angriff gestern nicht dabei? Natürlich könnte es auch sein, dass er absichtlich keine Hinweise, die auf ihn schließen lassen könnten, zurücklassen will. Bleibt aber weiterhin die Frage, wer oder was dann die Fäden in der Hand hält?"

Nachdenkliches Schweigen machte sich im Raum breit.

Nachdem er sich das alles so angehört hatte, ließ Shippou schließlich ein erschöpftes Seufzen verlauten: "Uff! Das klingt alles so furchtbar kompliziert... Entweder steckt der eine dahinter oder aber auch wieder ein ganz anderer. Ich mache mir ja mehr Sorgen darum, ob die ganze Sache am Ende wirklich so schlimm für uns werden wird."

"Tja..." Miroku legte eine kurze Pause ein, in der er von allen äußerst neugierig beäugt wurde, doch schon nach einem Moment brach es fröhlich lächelnd aus ihm heraus: "Wenn es wirklich zu heikel werden sollte, bleibt uns ja immer noch die Möglichkeit des diskreten Rückzugs."

Die anderen brachen sofort unter lauten Stöhnen und Seufzen in sich zusammen, nur Rin saß noch aufrecht auf ihrem Platz und schaute etwas irritiert um sich herum.

"Also, erst herkommen und dann abhauen, wenn's brenzlig wird, geht ja wohl mal gar nicht!", meinte Kimie betont, während sie sich wieder aufrappelte.

Miroku behielt sein Lächeln jedoch bei. "Das war doch nur Spaß. Jetzt regt euch doch wieder ab, Freunde."

Kimie seufzte auf. "Also ehrlich, dein Humor ist eine echt schockierende Erfahrung, Miroku..."
 

Die Unterhaltung ging noch bis nach dem Frühstück so weiter. Als sich die anderen danach dazu entschieden, sich erstmal wieder ein wenig auf ihre Zimmer zurückzuziehen, wollte Kimie das ebenfalls tun. Aber auf halber Strecke des Weges zu ihrem Zimmer siegte doch die Neugier über sie und so machte sie stattdessen einen kleinen Umweg und nahm ein wenig das Schloss unter die Lupe. Eigenartigerweise schien es jedoch völlig egal gewesen zu sein, an welchem Zimmer oder an welchem Raum sie gerade vorbeiging, denn überall war es so ruhig, man hätte eine Stecknadel fallen hören. Das einzige, was die ganze Zeit über zu hören gewesen war, waren Kimies Schritte, begleitet von den tapsenden Geräuschen von Inukis Pfoten. Inuki schien seiner Herrin dabei die ganze Zeit über mehr wie beiläufig zu folgen, als rechnete er nicht mal damit, das eventuell etwas Aufregendes passieren könnte. Einmal entwich ihm sogar ein kleines Gähnen.

"Du bist ja sehr motiviert...", bemerkte Kimie trocken. "Sesshoumarus Mich bringt nichts aus der Ruhe-Haltung scheint etwas auf dich abgefärbt zu haben, was? Ich würde echt gerne mal wissen, was du in der Zeit, in der ich weg war, so erlebt hast."

Inuki legte den Kopf etwas schief, schien Kimie dabei aber auch ein wenig belustigt anzusehen. Sicherlich hätte er ihr schon das eine oder andere zu erzählen gehabt, könnte er ihre Sprache sprechen. Kimie hingegen widmete sich schon sehr bald wieder ihrer Erkundungstour. Doch irgendwann blieb sie mitten auf dem Gang stehen.

"Hm! Vielleicht hat Sango ja Recht. Ob die uns hier wirklich alle aus dem Weg gehen?", fragte sie sich und kratzte sich etwas am Kopf, als sie plötzlich hinter sich eine männliche Stimme ruhig sagen hörte: "Mehrere unserer Krieger sind zur Zeit außerhalb des Schlosses, um unsere Grenzen zu schützen. Das Schloss ist jetzt größtenteils leer."

Erschrocken hatte sich Kimie sofort umgedreht. Zuerst starrte sie ihren Gegenüber nur völlig entgeistert an, da sie eigentlich damit gerechnet hatte, allein gewesen zu sein. Sie fing sich aber recht schnell wieder und fand auch ihre Sprache wieder, als sie den Youkai vor sich als Kakeru wieder erkannte. Doch kam sie sich irgendwie ertappt vor.

"Ähm... Entschuldigung. Ich wollte hier nicht rumschnüffeln oder so was...", versuchte Kimie etwas verschüchtert zu erklären, doch Kakeru schüttelte mit einem freundlichen Lächeln den Kopf.

"Keine Sorge, das habe ich auch nicht gedacht."

Während Kimie aber dennoch noch etwas unbeholfen auf der Stelle stehen blieb, lief Inuki nun direkt auf Kakeru zu. Sanft stupste der Hund die Hand des Youkai an, der ihm daraufhin den Kopf streichelte. Dann wandte sich Kakeru wieder Kimie zu: "Ihr heißt Kimie und der Name Eures Begleiters hier ist Inuki, nicht wahr?"

"Ja, das ist richtig", bestätigte das Mädchen ihn noch etwas verschüchtert.

Kakeru wirkte hinsichtlich dessen ein wenig amüsiert, als er schließlich weiter sprach: "Ihr solltet nicht so allein hier rumlaufen. Wie sieht es aus, möchtet Ihr mir stattdessen vielleicht etwas Gesellschaft leisten?"

Im ersten Moment schaute Kimie nur etwas irritiert drein. Dieses Angebot kam für sie völlig überraschend, doch antwortete sie nach einem kurzen Augenblick mit einem Nicken: "Nun... Gut, in Ordnung."

"Schön. Dann folgt mir bitte."

Kakeru wies Kimie den Weg, wobei sie mit Inuki etwas hinter ihm herging. Dass das Mädchen auch weiterhin ein wenig nervös wirkte, entging Kakeru dabei jedoch trotzdem nicht.

"Stimmt etwas nicht?", fragte er sie schließlich. "Ihr wirkt schon die ganze Zeit etwas verunsichert."

"Was? Äh... Nein, es ist alles in Ordnung", antwortete Kimie hastig, ehe sie etwas schüchtern weiter sprach: "Es ist nur... Es ist alles noch etwas ungewohnt für mich und ich bin es auch nicht gewohnt, mit 'Ihr' angesprochen zu werden. Das klingt irgendwie so... wichtig und hört sich für mich auch ein wenig seltsam an." Und in der Tat hatte Kimie so ihre Schwierigkeiten mit dieser Art der Anrede ihr gegenüber. Schließlich war sie ein Menschenmädchen und ein Youkai trat ihr gegenüber so auf, als wäre er ihr untergeordnet oder zumindest gleichgestellt. Und dieser Gedanke war schon sehr befremdlich, eigentlich schon überaus unrealistisch, wie sie fand.

Kakeru hingegen schien dieses Gefühl aber nicht zu teilen. "Jemandem den gebührenden Respekt zu erweisen, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit", erwiderte er nur ruhig. Kimie legte den Kopf etwas schief. Der einzige Grund, der ihr einfiel, warum sich Kakeru ihr gegenüber so respektvoll verhielt, war, dass er wissen musste, dass sie Sesshoumarus Gefährtin war. Eine andere Erklärung konnte sie sich nicht vorstellen.

Noch eine Weile folgte Kimie Kakeru durch die Gänge, als er schließlich an der Schiebetür eines Zimmers stehen blieb. Er öffnete die Tür und bat das Mädchen, einzutreten. "Das hier sind meine Privaträume. Bitte tretet ein."

"Danke." Kimie betrat das Zimmer, dicht gefolgt von Inuki. Aufmerksam ließ sie ihren Blick durch das Zimmer schweifen. Dabei entdeckte sie noch eine weitere Tür, die wohl in einen weiteren Raum führte, der zu diesem Zimmer dazugehörte. Es gab auch eine Tür, die zur Veranda führte. Doch die meiste Aufmerksamkeit erregte bei Kimie etwas ganz anderes, als sie ihren Blick auf die Wand zu ihrer Linken richtete. Denn vor dieser Wand lag auf einem etwa hüfthohen Schrank ein Schwert auf einer speziell dafür vorgesehenen Ablage und allein schon beim Anblick der Schwertscheide und des Griffs schien für Kimie klar gewesen zu sein, dass die Klinge selbst ganz bestimmt ebenfalls wundervoll gearbeitet sein musste. Fasziniert näherte sich Kimie dem Schwert, um es sich etwas genauer anzusehen. Die Schwertscheide bestand aus dunkel lackiertem Magnolienholz, ebenso wie der Griff, der zudem in seiner ganzen Länge mit einem dunklen Lederband umwickelt war. Kimie war sich sehr sicher, dass dieses Schwert Kakeru gehörte.

"Ich merke, Ihr habt bereits etwas Interessantes entdeckt", hörte Kimie schließlich Kakeru sagen. Mit einem etwas verlegenen Lächeln drehte sie sich zu ihm um.

"Das ist wirklich ein sehr schönes Schwert", sagte sie. "Es gehört doch garantiert Euch, nicht wahr?"

"Ja, das ist richtig", bestätigte Kakeru das Mädchen in dessen Vermutung. "Aber ich habe schon lange keinen Gebrauch mehr davon gemacht."

Kimie konnte sich denken, worauf Kakeru damit angesprochen hatte, hatten sie und die anderen schließlich schon am Vortag von Ashitaka ein wenig von Kakerus Erblindung erfahren, und dass er seither sein Schwert nicht mehr eingesetzt hatte. Mit diesen Gedanken wandte sich das Mädchen nun wieder der Waffe zu. Kimie musste gestehen, dass es ihr schon irgendwie ein wenig in den Fingern juckte. Da sie selbst den Umgang mit dem Schwert praktizierte, fragte sie sich schon, wie wohl Kakerus Schwert so in der Hand liegen mochte.

Es kostete sie einige Überwindung, doch schließlich rang sich Kimie dazu durch, den Youkai zu fragen: "Ähm... Haltet mich bitte nicht für unverschämt, aber... könnte ich es mir vielleicht einen Moment etwas genauer ansehen, wenn ich darf?"

Gespannt wartete Kimie auf Kakerus Antwort, die auch gleich folgte und zu ihrem Gunsten ausfiel: "Sicher. Ihr könnt es ruhig in die Hand nehmen."

Kimie bedankte sich erfreut und hob anschließend das Schwert vorsichtig von seinem Platz. Als sie es nach einem Moment aus der Schwertscheide zog, staunte sie, denn es war ganz leicht und die Klinge schimmerte im Licht strahlend weiß. Beeindruckt ließ Kimie ihren Blick die Klinge hinauf- und hinuntergleiten. Sie war sich sehr sicher, dass diese keinesfalls aus gewöhnlichem Stahl bestand. Vielleicht war auch dieses Schwert aus einem Fangzahn gefertigt worden, was das Mädchen aber auch bei den anderen Schwertern der Inu-Youkai für sehr wahrscheinlich hielt. Daraus schloss Kimie zudem, dass eigentlich so ziemlich jedes dieser Schwerter über eigene besondere Fähigkeiten verfügen musste. Anders, als es eben bei normalen Schwertern der Fall war.

"Das ist wirklich ein tolles Schwert", bemerkte sie schließlich an Kakeru gewandt, ehe sie das Schwert nun wieder zurück in die Schwertscheide steckte und es auf seinen Platz zurücklegte.

Kaum hatte sie das getan, begann Kakeru nun wieder zu sprechen: "Sagt, darf ich Euch eventuell etwas anbieten? Vielleicht eine Tasse Tee?"

Kimie überlegte einen Moment, während sie sich wieder zu Kakeru umdrehte und nickte dann. "Ja, gerne. Vielen Dank."

Kakeru bot dem Mädchen daraufhin an, sich an den kleinen Tisch zu setzen, der im Zimmer stand, während er selbst sich um den Tee kümmerte. Also nahm Kimie unterdessen Platz, Inuki legte sich neben sie. Kimie musste auch nicht lange warten, bis Kakeru ihr den zuvor angebotenen Tee servierte, den sie gerne annahm. "Danke."

"Keine Ursache", erwiderte Kakeru ruhig. "Es gehört doch schließlich zum guten Ton, einer jungen Dame etwas anzubieten, wenn man sie schon zu sich einlädt."

Ein vergnügtes Lächeln kam auf Kimies Gesicht zum Vorschein. Wenngleich sie dem Youkai gegenüber vorhin noch etwas scheu und unentschlossen gegenübergetreten war, gefiel ihr seine Gegenwart mittlerweile. Kagome hatte in der Tat Recht gehabt, als sie am Tag zuvor gemeint hatte, er strahle etwas sehr Freundliches aus.

"Ihr seid wirklich nett", meinte Kimie daher nun auch direkt an Kakeru gewandt. "Ehrlich gesagt hatten die anderen und ich so unsere Bedenken, ob wir hier überhaupt willkommen wären... Und Inu Yasha ist wohl noch immer irgendwie misstrauisch." Dabei dachte das Mädchen besonders an Subaru zurück. Seine Worte vom Vorabend kreisten ihr noch immer des Öfteren im Kopf herum und sorgten nicht unbedingt für ein angenehmes Gefühl.

Auf das, was Kimie eben gesagt hatte, erwiderte Kakeru nun: "Verständlich, schließlich sind die meisten Dämonen nicht unbedingt für ihre guten Meinungen über Menschen oder Halbdämonen bekannt."

Es schien, als wollte er dem gleich noch etwas hinzufügen, doch hielt der Youkai einen Moment lang inne, bevor er schließlich doch weiter sprach: "Eigenartig. Ich muss immer noch öfters darüber nachdenken, was in der Vergangenheit wohl mit Sesshoumaru-sama geschehen sein mag, seit er seine Heimat verlassen hat."

Kimie horchte überrascht auf, als das Thema soeben auf diese Weise gewechselt wurde. "Inwiefern?", fragte sie neugierig zurück, während sie nun ihre Teetasse hochhob. Kakeru ließ nicht lange mit der Antwort auf sich warten: "Nun, er war niemals ein großer Befürworter von Menschen und aus seiner Abneigung ihnen gegenüber hat er ebenfalls nie einen Hehl gemacht, wenngleich er sich hinsichtlich der Beziehung seines Vaters mit der Mutter seines Halbbruders etwas zurückgehalten hatte. Aber als ich erfuhr, dass gerade er sich um ein Menschenkind kümmert und mittlerweile auch andere Menschen um sich herum zu dulden scheint, war und bin ich doch noch etwas verblüfft."

"Na ja, anfangs wollte er mich ja noch einen Kopf kürzer machen...", murmelte Kimie mehr für sich in sich in ihre Teetasse hinein, doch war dies für Kakeru noch immer verständlich genug gewesen.

"Das passt wiederum schon eher zu ihm", meinte er. "Stellt sich nur die Frage, wie Ihr ihn denn letztendlich davon abgehalten habt? Zumal Ihr jetzt sogar seine Gefährtin seid. Das seid Ihr doch, nicht wahr?"

Als Kimie das etwas amüsierte Lächeln von Kakeru wahrnahm, zog sie etwas irritiert eine Augenbraue hoch, ehe sie ebenso fragte: "Na ja... das sagt er zwar... aber... Wie viel hat er Euch denn eigentlich erzählt?"

In der Tat konnte sie sich nicht unbedingt vorstellen, dass Sesshoumaru zu diesem Thema gesungen haben soll wie ein Kanarienvogel. Er zog es doch eher meistens vor, sich in Schweigen zu hüllen und nur das Nötigste preiszugeben. Und scheinbar wurde diese Ansicht nun durch Kakerus nachfolgende Aussage bestätigt: "Eigentlich hat er darüber kein Wort verloren. Aber ich habe bei der Begrüßung gestern mitbekommen, wie nah Ihr Euch im Gegensatz zu Euren Freunden bei ihm aufgehalten habt. Der Rest war nur noch eine Sache logischen Denkens und ein wenig Fantasie."

Kakeru hatte das so selbstverständlich gesagt, als wäre es das normalste von der Welt gewesen. Kimie verschaffte dies jedoch nicht unbedingt mehr Klarheit, sondern vielmehr wurde eine weitere Frage in ihr aufgeworfen, die sie ebenfalls sogleich loswerden musste, wenngleich diese im Nachhinein etwas dämlich klang: "Aber... ein Hellseher seid Ihr nicht zufällig, oder?"

Etwas überrascht schien Kakeru jetzt doch gewesen zu sein, aber recht schnell legte sich das auch wieder und er schüttelte auf die Frage des Mädchens hin lächelnd den Kopf. "Nein, das bin ich nicht. Nun gut, es stimmt, dass ich bestimmte Dinge zwar erahnen kann, aber wirklich voraussehen kann ich sie nicht."

"Aha." Kimie nahm einen Schluck aus ihrer Teetasse. Doch irgendwie schienen nun sowohl ihr, als auch Kakeru momentan die Gesprächsthemen ausgegangen zu sein, denn jetzt saßen sie sich nur stumm gegenüber. Wenngleich es doch eine Sache gab, über die Kimie gerne etwas mehr in Erfahrung gebracht hätte, doch traute sie sich nicht, ihren Gegenüber so direkt danach zu fragen, da sie sonst das Gefühl gehabt hätte, aufdringlich oder gar unverschämt zu wirken. Unschlüssig tippte sie mit dem Zeigefinger gegen ihre Tasse.

"Beschäftigt Euch etwas?", fragte Kakeru plötzlich, dass Kimie vor Schreck fast ihre Tasse fallen gelassen hätte. Überrascht schaute sie den Youkai an. "Wie? Was meint Ihr?"

"Ich merke doch, dass Ihr über etwas nachdenkt. Sprecht es ruhig aus, es gibt keinen Grund, zurückhaltend zu sein", erwiderte Kakeru. Und dennoch war Kimie zunächst noch unsicher.

"Ich... will aber nicht aufdringlich erscheinen...", murmelte sie in sich hinein. Obwohl sie es eigentlich nicht beabsichtigt hatte, schien Kimie aber eben genau mit ihrem letzten Satz Kakeru auf die richtige Spur zu führen. Er fackelte auch nicht lange damit herum, seinen Verdacht ihr gegenüber zu äußern: "Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr mich auf meine Erblindung ansprechen wolltet?"

Völlig verdattert stellte Kimie ihre Teetasse daraufhin auf den Tisch ab. "Jetzt erzählt mir nicht, Ihr könnt meine Gedanken lesen!?"

Kakeru entwich daraufhin ein kurzes Lachen. "Nein, auch das kann ich in der Tat nicht. Aber ich merke in der Regel schnell, was Sache ist."

Kimie konnte nicht mehr anders, sie musste ihren Kopf erstmal auf ihre Hand abstützen. Sie hatte sich so gesehen eigentlich noch gar nicht lange mit Kakeru unterhalten und doch hatte er es bereits geschafft, sie so richtig zum Nachdenken zu bewegen. In gewisser Hinsicht war auch er für sie so was wie ein Buch mit sieben Siegeln gewesen.

"Ich hoffe, ich habe Euch jetzt nicht zu sehr verwirrt?", fragte Kakeru nach einem Moment nach, sein freundliches Lächeln die ganze Zeit über beibehaltend.

Kimie winkte verneinend ab. "Nein, nein. Schon gut. Es ist nur das erste Mal, dass ich jemanden treffe, der so... nun ja... der so... Hmm... Ich weiß auch nicht..." Die letzten Worte hatte sie mit einem leichten Seufzen verlauten lassen. Ihr wollte partout nicht der passende Ausdruck einfallen, der Kakeru mit einem Wort beschrieben hätte. Nach kurzer Überlegung sprach das Mädchen aber schließlich weiter: "Na ja, Ihr erscheint mir einerseits so unkompliziert, aber andererseits seid Ihr auch irgendwie ein wenig... undurchschaubar. Man weiß nie so wirklich, was Ihr denkt oder was Ihr als nächstes sagen könntet. Ihr hingegen scheint die Gedanken anderer ja förmlich zu wissen." Plötzlich hielt Kimie in ihren Ausführungen inne. "Gott, was rede ich hier eigentlich...?", murmelte sie in sich hinein. Irgendwie hatte sie eben das Gefühl gehabt, je mehr sie versuchte zu erklären, was sie meinte, umso mehr Stuss kam dabei letztendlich heraus. Doch Kakeru schien dennoch genau zu wissen, worauf Kimie mit ihren Worten hinaus wollte.

"Ihr braucht nicht unsicher zu werden", meinte er beruhigend. "Ihr seid nicht die Einzige, die so über mich denkt. Ich habe auch schon oft zu hören bekommen, dass ich mich besonders in den letzten 100 Jahren in eine etwas eigenwillige Richtung entwickelt habe. Viele sagen auch, ich neige inzwischen dazu, gelegentlich auch in Rätseln zu sprechen."

Als Kakeru bei seiner Aussage nun aber wieder auf die letzten 100 Jahre zu sprechen gekommen war, lenkte er die Unterhaltung nun wieder auf ihr kurz zuvor vorangegangenes Thema zurück: "Nun, aber ich werde mir die Rätsel diesmal wohl ersparen und Euch auf direktem Weg erzählen, was mir widerfahren ist. Wie Ihr schon gestern kurz mitbekommen haben werdet, es geschah während eines Kampfes, der schon 100 Jahre zurückliegt. Ich war einen Moment lang unaufmerksam und schon hatte ich meine erste und zugleich verhängnisvollste Begegnung mit der Giftattacke eines Schlangendämons. Mein Rat an Euch: Schaut niemals einer Schlange in die Augen, wenn sie im Begriff ist, ihr Gift auf Euch zu spucken."

Kurz öffnete Kakeru seine Augen, doch anders als bei Sesshoumaru oder den anderen Inu-Youkai besaßen seine Augen nicht mehr ihre goldene Farbe, sondern waren weiß getrübt.

Stumm hatte Kimie den Ausführungen des Youkai bisher zugehört und auch jetzt sagte sie nichts. Als Kakeru seine Augen nun wieder schloss, sprach er weiter: "Eigentlich war dieser Kampf keine große Sache gewesen. Eine Schar unterschiedlicher Dämonen unter der Führung dieses Schlangendämons hatte es sich wohl in den Kopf gesetzt, unsere Ländereien für sich zu beanspruchen. Es war nicht das erste Mal, dass so was passiert ist. Der Kampf hat nicht lange gedauert, schon sehr bald waren die meisten der Dämonen besiegt oder waren geflohen. Der Einzige, der bis zum Ende nicht den Rückzug antreten wollte, war dieser Schlangendämon gewesen. Er und ich kämpften in unseren dämonischen Gestalten gegeneinander. Schließlich unterlag er, doch scheinbar hatte er noch genügend Kraft, einen letzten Angriff zu starten, bevor letztendlich zu Staub zerfiel. Ich verstehe zwar viel von Heilkünsten, aber in diesem Fall konnte ich nichts gegen die Konsequenzen dieser Auseinandersetzung unternehmen." Und mit einer Spur Selbstironie fügte Kakeru schlussendlich noch hinzu: "Nun man sollte sich eben wirklich niemals zu früh sicher sein, einen Gegner dem Anschein nach besiegt zu haben."

Nachdem sie sich das alles so angehört hatte, senkte Kimie nachdenklich den Blick. Sie war sich nicht sicher, was sie darauf hätte antworten können.

"Das... tut mir ehrlich Leid", sagte sie schließlich, wenngleich es ihr doch ein wenig peinlich war, dass ihr nichts besseres eingefallen war, auch wenn das albern klingen mag. Als sie ihren Blick wieder hob, um Kakeru anzusehen, schüttelte dieser mit einem leichten Lächeln den Kopf. "Das muss es nicht. Ich komme auch so ganz gut zurecht, zumal ich auch wirklich viel Zeit hatte, um mich an meine Situation zu gewöhnen."

Kimie war erstaunt, wie locker Kakeru die ganze Sache scheinbar nahm. Sie selbst konnte sich nicht vorstellen, wie es ihr an seiner Stelle wohl gehen würde. Es war merkwürdig, aber obwohl man in seinen Augen eigentlich nichts hätte sehen können, fand sie dennoch, dass er einen sehr warmen Blick gehabt hatte. Es war wirklich sehr angenehm, in seiner Nähe zu sein und sich mit ihm zu unterhalten.

"Obwohl, eine Sache bedaure ich dennoch", sagte Kakeru nach einem Moment des Schweigens und holte Kimie damit wieder aus ihren Gedanken. Neugierig fragte sie ihn, was er damit meinte. Kakeru antwortete: "Ich kann meinen Gesprächspartnern nicht mehr in die Augen schauen und vermag nicht zu erahnen, wie diejenigen aussehen, denen ich in meinem Leben zuvor noch nicht begegnet bin."

Für einen kurzen Augenblick glaubte Kimie einen gewissen Unterton in Kakerus Stimme gehört zu haben. Auch wusste sie nicht, was sie darauf hätte erwidern können, da sie sich wohl nur schlecht vorstellen konnte, wie es war, sich in so einer Situation zu befinden. Auch hier bedurfte es erst der erneuten Ansprache durch Kakeru, um das Mädchen wieder aus den Gedanken zu holen: "Ich würde Euch gerne etwas fragen. Ich weiß, es mag ungewöhnlich und für Euch auch unverschämt klingen, aber dürfte ich mir Euch eventuell einen Moment genauer ansehen?"

Überrascht hatte Kimie aufgehorcht, teilweise eben weil sie kurzzeitig mit ihren Gedanken ganz woanders gewesen war und auch, weil sie damit jetzt nicht wirklich gerechnet hatte. Und während sie so in das Gesicht ihren Gegenübers schaute, spielte sie dessen Frage in ihrem Kopf noch einmal ab. So manch anderen hätte Kimie bei so einer Frage wohl auf den Mond geschossen, doch hier war die Situation eine ganz andere gewesen. So hatte sie auch keinerlei Bedenken, Kakerus Bitte nach relativ kurzer Überlegung ihre Einwilligung zu erteilen: "Sicher, natürlich."

Nachdem er ihr Einverständnis vernommen hatte, stand Kakeru auf und kniete sich anschließend genau vor Kimie wieder auf den Boden. Sanft nahm ihr Gesicht in seine Hände. Er machte eigentlich nicht fiel, außer, dass er zunächst mit den Händen sanft an den Seiten ihres Gesichts entlangfuhr und auch einmal mit den Fingern durch ihr langes Haar glitt, doch um sich einen Eindruck zu verschaffen, schien es zu reichen.

"Ihr seid durchaus ein hübsches Mädchen", sagte Kakeru nach einer Weile mit einem warmen Lächeln, woraufhin Kimie doch etwas verschüchtert den Blick senkte.

"Nicht doch! Ihr bringt mich in Verlegenheit..."

In der Tat hatte sie ein Kompliment in dieser Form gerade zum ersten Mal erhalten, ohne, dass derjenige, der ihr dieses Kompliment gemacht hatte, sich eventuell noch etwas anderes dabei gedacht haben könnte. Denn die meisten Sprüche, die sie gegebenenfalls von den Jungs in der Neuzeit zu hören bekommen hatte als sie beispielsweise noch zur Schule gegangen war, hatte man meist ohnehin nur in die Tonne kloppen können.

Zur besseren Vorstellung verriet Kimie Kakeru noch ihre Haar- und Augenfarbe, nachdem er sie zuvor danach gefragt hatte und nun schließlich wieder von ihr abließ.

"Ich danke Euch", sagte er mit ruhiger Stimme.

Kimie legte den Kopf etwas schief. "Wofür denn? Ich habe doch gar nichts gemacht."

"Einfach nur für diese nette Unterhaltung", antwortete Kakeru freundlich.

Kimie musste daraufhin doch leicht lächeln. "Ich fand es auch sehr angenehm, mit Euch zu reden."

Sie nahm nun erneut ihre Teetasse in die Hand, um deren noch darin enthaltenen Inhalt auszutrinken. Nachdem sie das getan hatte, stellte sie die Tasse wieder auf den Tisch ab.

"So! Ich glaube, ich habe Euch jetzt lange genug belästigt.", meinte Kimie scherzhaft. "Würde es Euch stören, wenn ich jetzt erstmal wieder gehe?"

Auf keinen Fall wollte Kimie den Eindruck erwecken, sie wollte möglichst schnell das Weite suchen. Es ging ihr lediglich darum, Kakeru nicht den ganzen Tag von dessen Pflichten abzuhalten, die er sicherlich hatte. Kakeru selbst schien Kimies Beweggründe zu erahnen, weshalb er ihre Frage auch nicht falsch verstand.

"Ihr könnt natürlich gehen, wann und wohin Ihr wollt", antwortete er auf die Frage des Mädchens, ehe er nun zeitgleich mit ihr vom Boden aufstand. "Ich hoffe jedoch, dass dies nicht unsere letzte Unterhaltung gewesen ist."

"Nein, bestimmt nicht", antwortete Kimie lächelnd als sie sich nun etwas vor Kakeru verbeugte und sich noch mal für den Tee bedankte, bevor sie anschließend in Richtung Tür ging. Inuki folgte ihr sogleich. Bevor Kimie jedoch mit ihrem Hund das Zimmer verließ, wandte sie sich noch mal an Kakeru: "Also, bis dann! Ich wünsche Euch noch einen schönen Tag."

"Danke. Den wünsche ich Euch auch", entgegnete Kakeru und hörte kurz darauf auch schon, wie die Schiebetür geschlossen wurde. Einen Moment blieb er noch auf der Stelle stehen, ehe er sich jedoch der Schiebetür zuwandte, die auf die Veranda führte. Nachdem er diese geöffnet hatte, wehte ihm von draußen gleich eine leichte Brise entgegen und ließ sein langes silbernes Haar ein wenig aufwehen. Und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen sagte er: "Haben Menschen etwas so besonderes an sich? Oder warum scheinen sie sonst eine solche Anziehungskraft auf Euch und Eure beiden Söhne auszuüben, Oyakata-sama? Ich wüsste zu gerne, was Ihr mir auf diese Fragen geantwortet hättet."
 

Inzwischen befand sich Kimie wieder in den Gängen des Schlosses, aber auf ihr Zimmer zu gehen, darauf hatte sie jetzt irgendwie gar keine Lust. Vielmehr wollte sie ein wenig nach draußen, zumal sie sich auch nicht ewig vor Sesshoumarus Clan versteckt halten konnte, was sie auch gar nicht wollte.

"Schließlich kann ich mich nicht in Luft auflösen. Wollen wir etwas nach draußen gehen, Inuki?", fragte sie ihren Hund daher, der von diesem Vorschlag sehr angetan zu sein schien, denn freudig sprang er nun an seiner Herrin hoch. Kimie verstand diese Geste nur zu gut und so machte sie sich nun daran, den Ausgang des Schlosses zu finden. Zu allererst mussten sie und Inuki erstmal in die unterste Etage zurück. Dort angekommen suchte Kimie nach einer Schiebetür, die nach draußen führte. Recht bald hatte sie eine solche Tür auch gefunden, doch führte dieser Ausgang nicht etwa auf den großen Innenhof des Schlosses, sondern in den von den Gebäuden umringten Schlossgarten, den Kimie und die anderen am Abend zuvor nur mal flüchtig beim Vorbeigehen kurz zu sehen bekommen hatten. Jetzt bei Tageslicht konnte man hingegen die ganze Farbenpracht der unterschiedlichen Blumen erkennen. Kimie war begeistert. "Boah! Das ist ja irre! Gestern ist mir noch gar nicht aufgefallen, wie toll das hier alles aussieht. Und einen Teich gibt es auch noch!"

Eine kleine Treppe führte von der Veranda hinunter in den Garten. Doch nicht etwa Kimie ging nun diese Treppe hinunter, sondern Inuki, dessen Interesse wohl besonders auf dem Gartenteich zu ruhen schien.

"Inuki, pass auf und mach keinen Unsinn, ja?", rief Kimie ihrem Hund zu, ehe sie sich den Garten wieder etwas genauer ansah. Von ihrem Standpunkt aus konnte sie sehen, dass sich etwas verdeckt durch einen kleineren Baum am Rande des Teiches ein überdachter Pavillon befand, dessen sechs tragende Stützen jeweils einzeln auf großen Steinen standen, die sich direkt im Wasser befanden. Nicht allzu weit davon entfernt befand sich auch eine kleine Brücke, die über den Teich führte. Und da dieser ohnehin groß genug gewesen war, wirkte sie auch nicht überflüssig oder dergleichen. Umgeben war alles von wunderschön gewachsenen Bäumen und zahlreichen bunten Blumen.

Während Kimie noch ein wenig den Garten analysierte, nahm unterdessen Inuki den Teich genauestens unter die Lupe. Er stand sogar schon mit den Vorderpfoten teilweise im Wasser. Als Kimie dies mitbekam und gerade nach ihrem Hund rufen wollte, sprang ein Fisch aus dem Wasser und spritzte Inuki bei dieser Aktion ein wenig nass. Sofort sprang der Hund mit einem Satz nach hinten und schüttelte sich einmal.

Kimie musste daraufhin doch kurz lachen. "Tja, da siehst du's! Das kommt davon, wenn man zu neugierig ist. Komm jetzt, Inuki! Gehen wir weiter."

Und während Kimie schon auf der Veranda entlangging, lief Inuki wieder zu ihr zurück, um ihr an ihrer Seite zu folgen.

Nach einer Weile hatten die beiden den Garten hinter sich gelassen und schienen sich wieder dem Innenhof zu nähern, wie Kimie vermutete. Doch als sie noch ein paar Schritte gegangen war, blieb sie plötzlich einen Moment kurz stehen und begann, zu lauschen. Zuerst dachte sie, sie würde sich das nur einbilden, doch recht schnell war sie sich doch sicher gewesen, dass sie Musik hörte.

"Da spielt jemand auf einem Shamisen (jap.: Laute)", erkannte Kimie etwas überrascht. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, wer da spielte. Vielleicht jemand, den sie bisher noch nicht kannte. Etwas mulmig war ihr bei dem Gedanken dann doch wieder zumute. Denn wollte sie weiter auf der Veranda entlanggehen, würde sie diesem ominösen Jemand garantiert über den Weg laufen.

Vielleicht lag es ja an dem ruhigen, angenehmen Klang der Musik, dass Kimies Unsicherheit nach einem Moment ein wenig wich und sie schließlich doch ihren Weg fortsetzte. Dennoch blieb sie an der Biegung am Ende des Weges wieder kurz stehen und lugte zunächst nur vorsichtig hinter der Wand des Gebäudes hervor. Wen sie nun jedoch entdeckte, machte sie kurzzeitig doch sprachlos, hatte sie mit dieser Person nun wirklich nicht gerechnet. Genau in diesem Moment wurde die Musik leiser und verstummte schließlich.
 

"Das war toll, Ashitaka-kun!", schwärmte Kagome und klatschte begeistert in die Hände. "Das klang wirklich wundervoll! Wo hast du das gelernt?"

"Das habe ich mir von meiner Mutter abgeschaut. Es freut mich, wenn es dir gefallen hat, Kagome-chan", antwortete Ashitaka lächelnd, während er das Shamisen nun zur Seite legte. Zusammen mit Kagome hatte er schon eine geraume Zeit hier gesessen, nachdem sie ihn zuvor gebeten hatte, ihm ein wenig beim Spielen auf dem Shamisen zuhören zu dürfen. Natürlich hatte Ashitaka dagegen keine Einwände gehabt.

Es schien so, als wollte Kagome ihn jetzt noch etwas fragen, als sie jedoch die Stimme von Kimie vernahm: "Hey, ihr zwei! Hofft lieber mal, dass Inu Yasha euch nicht so sieht, sonst denkt er eventuell noch etwas Falsches." Dies war natürlich nur als Scherz gemeint gewesen und das wussten auch Kagome und Ashitaka, die das Mädchen nun begrüßten. Nachdem sie kurz das eine oder andere Wort gewechselt hatten, sprach Kimie Ashitaka an: "Ich bin zwar erst gegen Ende dazugekommen, aber das eben klang wirklich gut. Ich wusste ja gar nicht, dass du musikalisch veranlagt bist, Ashitaka."

"Das hat Kagome-chan vorhin auch gesagt", bemerkte Ashitaka. "Warum seid ihr zwei so überrascht? Dachtet ihr etwa, höhere Dämonen könnten nur kämpfen?"

Ein kurzes amüsiertes Lachen ging durch die Runde. Lange konnte die kleine Gruppe so aber nicht zusammen sein, denn kurz darauf hörte man Tôyas Stimme aus einiger Entfernung nach Ashitaka rufen: "Hey, Ashitaka! Komm doch bitte mal her!"

Der Angesprochene hatte sich sogleich entsprechend umgewandt und entdeckte seinen Kameraden etwas abseits stehend. Er hob seinen linken Arm und rief zurück: "Ist gut! Einen Moment noch!"

Tôya nickte, ehe er nun wieder verschwand. Kagome wirkte etwas irritiert. "Was hat das zu bedeuten? Ist etwas passiert?", fragte sie unsicher, doch Ashitaka schüttelte beruhigend den Kopf.

"Nein, keine Sorge. Vermutlich möchte Tôya mir nur etwas sagen." Mit diesen Worten stand er auf und streckte sich einmal, ehe er die Treppe der Veranda hinunterging und sich im Weggehen noch einmal an die Mädchen wandte: "Entschuldigt, dass ich euch nicht länger Gesellschaft leisten kann. Aber sicher laufen wir uns nachher noch mal über den Weg. Also, bis später!"

Kagome und Kimie winkten Ashitaka noch ein Weilchen hinterher, bis er aus ihrer Sicht verschwunden war. Den Blick nun auf das Shamisen gerichtet, hockte sich Kimie schließlich hin und zupfte ein paar Mal an den Saiten. Heraus kam aber nicht wirklich was Nennenswertes.

"Na gut, bevor sich eventuell noch jemand wegen Ruhestörung beschwert, lasse ich es wohl lieber...", meinte sie mit einem verlegenen Lächeln und richtete sich wieder auf, während Kagome erstmal noch an der Treppe sitzen blieb und Kimie sie erneut ansprach: "Aber was machst du hier eigentlich, Kagome? Ich dachte, du und die anderen wolltet euch etwas auf eure Zimmer zurückziehen."

"Stimmt. Da wollte ich auch hin, aber dann habe ich Ashitaka-kun auf dem Shamisen spielen hören und ihn gefragt, ob ich ihn noch etwas dabei zuhören kann", antwortete Kagome, schaute ihre Cousine kurz darauf aber äußerst interessiert an. "Und was ist mit dir? Wolltest du nicht eigentlich auch etwas auf dein Zimmer gehen?"

"Nun, sagen wir es so, ich wollte dann doch lieber das Schloss etwas in Augenschein nehmen und bin dabei Kakeru über den Weg gelaufen. Wir haben uns etwas in seinem Zimmer unterhalten."

"Du hast mit Kakeru-sama gesprochen?", fragte Kagome sofort aufgeregt und sprang auf, dass Kimie vor lauter Überraschung erstmal einen halben Schritt zurückgegangen war. Neugierig fragte Kagome weiter: "Und worüber habt ihr euch unterhalten? Und wie ist er eigentlich so?"

"Auf jeden Fall sehr nett, wie du schon vermutet hast", antwortete Kimie und erzählte ihrer Cousine nun, worüber sie sich mit Kakeru zuvor gesprochen hatte. So erfuhr nun auch Kagome, was es mit Kakerus Verletzung auf sich gehabt hatte. Auch ihr tat es sehr Leid, was ihm widerfahren war.

"Er nimmt es aber erstaunlicherweise ziemlich locker", bemerkte Kimie. "Nun gut, sicherlich bekommst du aber auch noch mal die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Man kann sich wirklich sehr gut mit ihm unterhalten."

Kagome nickte mit einem Lächeln. Gerne wollte auch sie sich mal mit Kakeru unterhalten und die Erzählungen ihrer Cousine hatten sie nun noch neugieriger gemacht. Kimie streckte sich unterdessen einmal, ehe sie sich auf das Geländer der Veranda lehnte.

"Kakeru hat gesagt, viele der Krieger seien momentan außerhalb des Schlosses. Deswegen ist hier jetzt wohl auch alles so tot", sagte sie, wobei sie den letzten Satz deutlich hörbar zum Scherz gesagt hatte. Kagome entwich ein kurzes Lachen, als sie nun an die Seite ihrer Cousine trat. Den Blick ein wenig auf die Bäume hinter den Schlossmauern gerichtet, fragte sie Kimie nach einem Moment: "Sag mal, Kimie, wollen wir uns vielleicht mal etwas in der näheren Umgebung des Schlosses ein wenig umsehen?"

"Hm?" Kimie sah Kagome etwas verunsichert an. "Du meinst, wir sollen das Gelände verlassen?", fragte sie nach, als wollte sie sich vergewissern, dass sie ihre Cousine auch wirklich richtig verstanden hatte. Als Kagome zur Antwort nickte, schaute Kimie ein wenig unschlüssig in die Richtung der Eingangstore in der Schlossmauer.

"Na gut, aber... sollten wir nicht vielleicht vorher jemandem Bescheid sagen, oder so was?", fragte sie, doch Kagome schien sich da weniger Gedanken zu machen.

"Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird", meinte sie. "Wir gehen ja schließlich nicht weit weg und außerdem passt Inuki doch sicherlich auf uns auf. Nicht wahr, Inuki?"

Nachdem Inuki ein bestätigendes Bellen hatte verlauten lassen, schien Kimie so gesehen überstimmt worden zu sein. Und Kagome schien wirklich sehr neugierig und gespannt darauf gewesen zu sein, wie es in der näheren Umgebung des Schlosses so aussehen mochte.

Einen Moment lang überlegte Kimie zwar noch, doch schließlich schien auch sie ihre letzten Zweifel abgeschüttelt zu haben. "Ach, was soll's! Na los, gehen wir!"

So machten sich Inuki und die Mädchen nun auf den Weg, sich die Umgebung etwas genauer anzusehen.

Kaum, dass sie das Gelände des Schlosses durch die Tore in der Schlossmauer verlassen hatten, gingen sie die steinerne Treppe hinunter und folgten einem kleinen Weg, der in den Wald, der das Schloss umgab, hineinführte. Und während sie sich im gemütlichen Vorbeigehen das alles so ansahen, bekamen Kagome und Kimie immer mehr den Eindruck, als gäbe es hier eigentlich nichts, was in irgendeiner Form gefährlich sein könnte. Doch der Schein konnte bekanntlich auch trügen.

"Also, wenn ich mir das so überlege... vielleicht ist es ja nur an den Grenzen gefährlich. Diese komischen Krähen haben uns schließlich auch dort angegriffen", vermutete Kimie nach einer Weile. Kagome überlegte einen Moment und erwiderte dann: "Könnte schon sein. Aber vielleicht sollten wir jetzt trotzdem besser wieder zurückgehen und uns näher am Schloss aufhalten."

Als Kagome das gesagt hatte, drehte sich Kimie um und schaute den Weg zurück, den sie zuvor mit ihrer Cousine gekommen war. Zu ihrem eigenen Erstaunen musste sie feststellen, dass sie schon eine ganz schöne Strecke zurückgelegt haben mussten, denn das Schloss war zwischen den Baumkronen gar nicht mehr zu sehen gewesen. Zum Glück gab es ja aber noch diesen kleinen Weg, so sollte es für sie eigentlich kein Problem sein, wieder sicher zurückzukommen. Kagome und Kimie entschieden sich daher dazu, nun wieder zurückzugehen. Plötzlich spitzte Inuki jedoch seine Ohren und ließ ein warnendes Knurren verlauten. Kagome und Kimie blieben sofort wieder stehen, kaum, dass sie zwei Schritte getan hatten.

"Was hast du, Inuki?", fragte Kagome den Hund ihrer Cousine, dessen Nackenfell sich nun zu sträuben begann. Dabei schaute er die ganze Zeit auf die Büsche direkt vor sich. Gerade, als auch die beiden Mädchen zu diesen Büschen schauten, hörten sie es in diesen verdächtig rascheln. Sofort schrillten bei ihnen alle Alarmglocken.

"Wir scheinen Gesellschaft bekommen zu haben...", meinte Kimie und wurde prompt bestätigt, als hinter den Büschen nun mehrere Dämonen zum Vorschein kamen. Es waren hagere, echsenartige Ungetüme, die von der Größe her den Mädchen zwar nur bis zur Hüfte reichten, aber dennoch hielten Kagome und Kimie nach Möglichkeit einen Sicherheitsabstand ein. Denn die scharfen Krallen und die spitzen Zähne wirkten alles andere als ungefährlich. Aufmerksam beobachteten die gelben Augen, die in den kleinen, abgerundeten Köpfen saßen, die Mädchen und den Hund. Einige dieser Dämonen schlichen sich nun auf allen Vieren an ihre Beute heran, andere bewegten sich wiederum nur auf ihren langen, für schnelle Sprünge sicherlich hervorragend geeigneten Hinterbeinen und in leicht gebeugter Haltung vorwärts, wobei ihnen hier der lange Schwanz dabei half, das Gleichgewicht zu halten. Aus den mit vielen scharfen Zähnen bestückten Mäulern züngelten hin und wieder die in der Mitte langen und gespaltenen Zungen hervor.

"Sie haben uns eingekreist!", bemerkte Kagome erschrocken, als sie einmal ihren Blick hatte schweifen lassen. Denn nicht nur von vorne hatten sich diese Dämonen genähert, auch von hinten und von den Seiten. Es wirkte, als haben sie praktisch auf ihre Beute gewartet.

Rücken an Rücken standen beiden Mädchen nun beieinander, die Dämonen dabei immer genau im Auge behaltend. Als einer der Dämonen ihnen schließlich gefährlich nah herankam und dabei bedrohlich fauchte, trat sofort Inuki in den Vordergrund und antwortete seinerseits mit einem warnenden Knurren. Zunächst schienen sich die Dämonen davon jedoch nicht unbedingt beeindrucken lassen zu wollen. Erst, als Inuki daraufhin kurzzeitig in einem Wirbelwind verschwand, nur um kurz darauf um ein deutliches Stück größer und mit rot glühenden Augen wieder aus diesem auftauchte, wichen sie einen Moment lang alle vorsichtig zurück. Aber fliehen wollten sie immer noch nicht, vielmehr starteten sie schon recht bald neue Versuche, sich ihrer Beute zu nähern. Inuki, Kimie und Kagome wurden weiterhin genauestens umkreist und in Augenschein genommen.

"Sieht nicht so aus, als würden diese Viecher von selbst wieder abhauen", meinte Kimie und zog ihr Schwert. "Na gut, dann bleibt uns so gesehen auch keine große Auswahl mehr. Dann kriegen sie's eben auf die harte Tour!"

Und als wäre dieser Satz praktisch ein Kommando gewesen, sprang Inuki nun mit einem lauten Bellen direkt auf die feindlichen Dämonen zu. Einen konnte er sogleich mit seinen scharfen Zähnen packen und einen anderen mit einem gezielten Schlag mit den krallenbesetzten Pfoten erledigen.

Auch Kagome machte sich nun kampfbereit und spannte einen Pfeil auf ihren Bogen. Schon sehr bald hatte sie auch ein Ziel anvisiert, doch wich der entsprechende Dämon dem abgeschossenen Pfeil blitzschnell aus. Nachdem auch ein zweiter Versuch fehlgeschlagen war, trat Kagome unsicher einen Schritt zurück, so dass sie nun wieder mit dem Rücken genau an dem ihrer Cousine stand.

"Sie sind zu schnell! Meine Pfeile können sie nicht treffen", sagte Kagome, während Kimie ihrerseits ihr Schwert erhob.

"Vielleicht erwische ich ja ein paar von ihnen", meinte sie, konzentrierte sich auf die Dämonen und schwang Raidon direkt in deren Richtung. Ein gleißender Blitz löste sich von der Klinge und obwohl mehrere der Dämonen noch ausweichen konnten, erwischte der Angriff zumindest zwei von ihnen und machte sie unschädlich. Sonderlich zufrieden war Kimie aber dennoch nicht. "Mist! So wird das auf die Dauer nichts! Ich schätze, wir haben ein kleines Problem, Kagome."

Die nun heran springenden Dämonen erledigte Kimie mit gezielten Schwerthieben, aber auf die Dauer würde sie das so nicht lange aushalten. Denn kaum war ein Dämon hinüber, kamen scheinbar zwei oder drei neue nach. Aber eben genau diese direkten Angriffe der Dämonen ermöglichten Kagome wiederum, ihre magischen Pfeile wieder gezielt einzusetzen. Denn immer, wenn einige dieser Dämonen direkt auf sie zusprangen, waren sie ein gutes Ziel, zumal sie im Sprung auch nicht den Gegenangriffen ausweichen konnten. So konnte auch Kagome nun mehrere Gegner mit ihren Pfeilen erledigen. Problematisch wurde die Sache aber dann wieder so richtig, als sie ihren letzten Pfeil abgeschossen hatte.

"Mist! Meine Pfeile sind zu ende!", bemerkte das Mädchen, als genau in diesem Moment wieder einer dieser Dämonen genau auf sie zusprang. Bevor er jedoch zuschnappen konnte, hatte sich Inuki das Ungetüm schon mit den Zähnen gepackt und zur Strecke gebracht. Kagome atmete erleichtert auf. "Danke, Inuki!"

Doch kaum, dass sie sich gerade wieder etwas erholen konnte, hörte Kagome mit einem Mal Kimie kurz aufschreien. Als sie sich entsprechend zu ihrer Cousine umdrehte, hatte gerade einer der Dämonen diese mit seinen scharfen Krallen am rechten Unterarm erwischt. Dennoch hielt Kimie weiterhin ihr Schwert fest, um welches sie den Griff durch den Angriff kurzzeitig gelockert hatte, und schlug zu. In zwei Teile geschlagen ging der Dämon zu Boden. Kaum war der erste Schreck verdaut gewesen, spürte Kimie ein gemeines Brennen an ihrem Arm.

"Kimie! Ist alles in Ordnung?", fragte Kagome, ehe ihr Blick auf Kimies Arm fiel. Der Ärmel der Jacke wies drei Risse an der Stelle auf, wo der Dämon mit seinen Krallen zugeschlagen hatte. Durch diese Risse trat mittlerweile auch Blut hervor. Der Dämon hatte nicht nur Kimies Jacke erwischt.

"Du blutest ja! Ist es schlimm?", fragte Kagome ihre Cousine sofort besorgt.

"Ach, was! Das sind doch nur Kratzer!", erwiderte Kimie zwar, hielt sich aber dennoch de verletzten Arm. Die Aufmerksamkeit der Mädchen war aber schon sehr bald wieder auf diese Dämonen gerichtet, die sich ihnen wieder näherten. Kimie und Kagome wichen zwei Schritte zurück, wobei Kimie ihrer Cousine zuflüsterte: "Es gefällt mir zwar nicht, aber ich glaube, wir sollten lieber von hier verschwinden. Ich schätze, wir haben keine andere Wahl."

Kagome war der selben Meinung gewesen. Würden sie hier bleiben und weiterkämpfen, würde es sicher nicht mehr lange dauern, bis sie sich hätten geschlagen geben müssen. So rief Kimie nun Inuki zu sich: "Inuki!"

Sofort hatte sich der Hund zu den Mädchen umgewandt und sprang an ihre Seite. Kimie steckte ihr Schwert wieder ein, schwang sich anschließend auf Inukis Rücken und streckte dann ihre Hand nach Kagome aus. Kagome ergriff die Hand ihrer Cousine und wurde von dieser ebenfalls auf Inukis Rücken gezogen.

"Inuki! Lauf zurück zum Schloss!", wies Kimie ihren Hund an, der auch sofort loslief, dich gefolgt von den feindlichen Dämonen.
 

Inzwischen hatte sich bereits Inu Yasha so seine Gedanken hinsichtlich Kagomes Verbleib gemacht. Nachdem er erstmal ein wenig allein in seinem Zimmer gewesen war, hatte er sich schließlich dazu entschieden, mal bei dem Mädchen vorbeizuschauen. Doch hatte er Kagome in ihrem Zimmer nicht aufgefunden. Mittlerweile hatte Inu Yasha sie nun bereits im Schloss und auf dem gesamten Gelände, inklusive des Gartens gesucht, doch noch immer nicht gefunden. Als er auf seiner Suche stattdessen schließlich Sango, auf dessen Schulter Kirara saß, Miroku und Shippou im Beisein von Rin und Jaken über den Weg lief, fackelte der Hanyou nicht lange, auf seine Freunde zuzugehen und sie gleich nach Kagome zu fragen: "Hey, Leute! Sagt mal, wisst ihr, wo Kagome im Moment steckt?"

Die Gefragten tauschten untereinander kurz ihre Blicke aus, doch schüttelte Sango danach nur den Kopf. "Nein, wir haben sie seit dem Frühstück nicht mehr gesehen."

"So ein Mist!", fluchte Inu Yasha leise in sich hinein. "Sie kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben!?"

Ihm kreisten schon alle möglichen Gedanken durch den Kopf, was eventuell passiert sein könnte. Sogar, dass irgendeiner der Inu-Youkai da seine Finger im Spiel gehabt hatte, schloss der Hanyou dabei nicht aus.

Während Miroku und Sango versuchten, Inu Yasha etwas von seinen Bedenken zu befreien, ließ Rin schon sehr bald wieder etwas ihren Blick schweifen. Dabei entdeckte sie nun zufällig Sesshoumaru in Begleitung von Ashitaka und Tôya. Sofort lief das kleine Mädchen auf die Gruppe zu. "Da seid Ihr ja, Sesshoumaru-sama! Ich habe Euch vermisst!"

Kaum, dass Inu Yasha den Namen seines Halbbruders vernommen hatte, hatte er seinen Blick gehoben. Und während Rin Sesshoumaru ganz erfreut begrüßte und Jaken um seinen Herrn herumwuselte, näherte sich nun auch Inu Yasha der Gruppe, doch schenkte er dabei lediglich Ashitaka seine Aufmerksamkeit.

"Ashitaka! Sag mal, hast du vielleicht Kagome irgendwo gesehen?", fragte der Hanyou diesen daher auch gleich ohne Umschweife.

Auf die Frage hin nickte Ashitaka einmal. "Ja, wir haben uns vorhin ein wenig unterhalten. Das ist bestimmt keine halbe Stunde her. Zuletzt waren noch Kimie-chan und Inuki bei ihr."

"Vielleicht sind die drei ja zusammen", vermutete Shippou, der inzwischen mit Miroku und Sango ebenfalls zu den anderen hinzugekommen war. "Vielleicht sind sie ja außerhalb des Schlosses und sehen sich ein wenig um."

"Das wäre aber mehr als dumm!", warf Tôya daraufhin ein. "Schließlich weiß keiner von uns, ob da draußen momentan nicht..."

Ein Bellen, was plötzlich von außerhalb des Schlosses aus einiger Entfernung zu hören gewesen war, schnitt dem Youkai jedoch den Satz ab. Rin brauchte nicht lange, um das Bellen entsprechend zuzuordnen und zog nervös am linken Ärmel von Sesshoumarus Kimono. "Ich kenne das Bellen! Das war Inuki, ganz bestimmt!"

Auch Sesshoumaru hatte natürlich sofort erkannt, dass es Inuki gewesen war, der da gebellt hatte. Und anhand dessen, wie er gebellt hatte, war für ihn unschwer zu erkennen gewesen, dass er von irgendetwas bedrängt wurde. Und da war Inuki mit großer Sicherheit nicht der Einzige gewesen, was auch die Vermutung Mirokus nun bestärkte: "Dann sind Kagome-sama und Kimie wohl wirklich irgendwo da draußen und Inuki muss bei ihnen sein!"

Kaum hatte der Mönch das gesagt, war Sesshoumaru auch schon mit einem Satz davon gesprungen und keine zwei Sekunden später hinter der Schlossmauer verschwunden. Die anderen hatten gar nicht so schnell gucken können. Dennoch folgte Ashitaka seinem Cousin sogleich, ebenso wie Tôya und Inu Yasha, der seine Freunde zuvor jedoch noch anwies, im Schloss zu warten. Dann waren auch die drei schon aus der Sicht der anderen verschwunden.

"Ich hoffe, Kagome-chan und Kimie-chan ist nichts zugestoßen", sagte Sango mit ernstem Gesicht.
 

Noch immer waren Kagome, Kimie und Inuki auf der Flucht vor den Dämonen, die partout nicht aufgeben wollten und weiterhin hartnäckig an ihrer Beute dranblieben. Doch konnten die Mädchen hinter den Baumkronen bereits das Schloss sehen. Unruhig drehte sich Kagome nach hinten um. Ihr schien, als kämen diese Dämonen immer näher und als drei von ihnen plötzlich mit weit aufgerissenen Mäulern zum Sprung ansetzten, schrie das Mädchen entsetzt auf. Zeitgleich sah Kimie vor sich nun mehrere Schatten zwischen den Bäumen auftauchen, von denen einer genau über ihren Kopf hinweg den Dämonen entgegen sprang.

"Sankontessou!"

"Inu Yasha!", rief Kagome sofort den Namen des Hanyou, dessen Klauen die angreifenden Dämonen in ihre Einzelteile zerfetzt hatten, erleichtert aus. Zusätzlich zu Inu Yasha waren auch Sesshoumaru, Ashitaka und Tôya da gewesen. Mit gezogenen Waffen erledigten sie nun ebenfalls noch einige dieser Dämonen, woraufhin die noch verbliebenen stehen blieben und die Verfolgung abbrachen. Stattdessen wichen sie wieder etwas zurück. Aber auch Inuki konnte nun endlich stehen bleiben und Kagome und Kimie entwichen leise Seufzer der Erleichterung.

"Kagome! Ist dir etwas passiert?", fragte Inu Yasha das schwarzhaarige Mädchen sofort und kam auf sie zu. Dankbar lächelnd schüttelte Kagome den Kopf, während sie von Inukis Rücken abstieg.

"Nein, mir geht es gut. Aber..." Verunsichert schaute sie nun zu Kimie rüber, die inzwischen ebenfalls von Inuki abgestiegen war. Zu ende sprechen konnte Kagome ihren Satz jedoch nicht mehr, denn das Fauchen dieser echsenartigen Dämonen erregte wieder ihre Aufmerksamkeit. Doch benahmen sich diese plötzlich sehr merkwürdig. In geduckter Haltung wichen sie immer weiter mehrere Schritte zurück, dabei hatten sie die ganze Zeit Sesshoumaru, Inu Yasha, Ashitaka und Tôya im Auge. Schließlich machten sie eiligst kehrt und liefen den selben Weg zurück, den sie zuvor gekommen waren.

Inu Yasha schaute ihnen etwas verdutzt nach. "Hä? Was soll 'n das jetzt?"

Daraufhin folgte Ashitaka den Dämonen einige Meter, doch beschleunigten diese dadurch ihr Tempo sofort. So blieb Ashitaka auch gleich wieder stehen. Er hätte die Dämonen zwar locker einholen können, doch machte er sich diese Mühe nicht. Stattdessen kehrte er wieder zu den anderen zurück. "Sie sind geflohen", sagte er. "Sie werden wohl erstmal auch nicht wieder zurückkommen."

"Hm! Da habt ihr ja so gesehen noch mal Glück gehabt", sagte Tôya daraufhin an Kagome und Kimie gewandt, zog aber kurz darauf skeptisch eine Augenbraue hoch.

"Ist einer von euch verletzt? Ich rieche Blut", bemerkte er und schaute die Mädchen prüfend an. Aber nicht nur ihm war der Blutgeruch aufgefallen, auch Inu Yasha, Ashitaka und natürlich auch Sesshoumaru hatten ihn schon längst wahrgenommen. Sämtliche Blicke schienen nun auf Kimie zu ruhen, die daraufhin irgendwie zu versuchen schien, ihre Verletzung zu verbergen, indem sie ihren rechten Arm hinter ihrem Rücken versteckte.

"Schaut mich nicht so an! Es ist alles halb so wild", meinte sie, wobei sie aber trotzdem etwas zu Boden schaute. Als aber Sesshoumaru an ihre Seite getreten war, hob Kimie ihren Blick wieder. Aus seinem Gesichtsausdruck wurde sie aber nicht so recht schlau.

"Ihr geht zurück zum Schloss", wies Sesshoumaru die anderen plötzlich an, während er selbst sich auch gleich wieder umdrehte und genau die Richtung einschlug, in welche zuvor die Dämonen davongelaufen waren.

"Sesshoumaru, was hast du vor?", fragte Kimie den Youkai, der jedoch nicht antwortet, sondern stattdessen seine Schritte beschleunigte und dann mit geschickten Sprüngen von Baum zu Baum sprang. Kimie konnte sich schon denken, was Sesshoumaru wohl vor hatte, ebenso wie die anderen.

"Na gut, gehen wir zurück", schlug Ashitaka der Gruppe nach einem Moment vor. Um Sesshoumaru machte er sich keine Sorgen, schließlich kam dieser sicherlich auch ganz gut allein zurecht. Hingegen machte sich Kimie schon so ihre Gedanken, wobei auch sie sich aus den gleichen Gründen wie Ashitaka eher weniger Sorgen um Sesshoumaru machte, als viel mehr darum, dass sie diesen mit ihrem unüberlegten Handeln verärgert haben könnte. Sein Gesichtsausdruck hatte sie zumindest sehr darauf schließen lassen.

Schweigend ging die Gruppe wieder zum Schloss zurück.
 

Diese Dämonen einzuholen war für Sesshoumaru wirklich keine große Schwierigkeit gewesen. Ziemlich schnell war er ihnen nahe genug gekommen, dass er sie stellen konnte. Mit einem gekonnten Sprung über ihre Köpfe hinweg landete er nun genau vor ihnen und versperrte ihnen somit den weiteren Fluchtweg. Die Dämonen mussten wohl oder übel stoppen und nun dem kalten und stechenden Blick des Inu-Youkai standhalten.

"Wer hat euch geschickt und was habt ihr hier zu suchen? Antwortet mir!", befahl Sesshoumaru mit derart durchdringender Stimme, dass jeder Normalsterbliche sich wohl am Liebsten an Ort und Stelle in Luft aufgelöst hätte. Auch die Dämonen schienen ganz genau zu wissen, dass sie niemals eine Chance gegen den Youkai vor ihnen hatten, doch auf seine Fragen antworten, das taten sie dennoch nicht. Und sie würden seine Fragen wohl auch nicht beantworten, zu diesem Schluss war auch Sesshoumaru sehr schnell gekommen. Aber es machte auch wenig Sinn, diese Viecher einfach so wieder von dannen ziehen zu lassen, zumindest aus Sesshoumarus Sicht. Die Dämonen mit seinem Blick genau erfasst, hob er nun seine rechte Hand, die leicht in einem hellen Licht aufzuglühen begann. Für die anderen Dämonen war das Zeichen genug, doch anders als vielleicht gedacht, versuchten sie jetzt nicht etwa, erneut zu fliehen, sondern sie taten genau das Gegenteil und griffen Sesshoumaru an, wie in der Art eines letzten Versuchs. Sich davon aber keinesfalls beeindruckt zeigend, ließ Sesshoumaru seinerseits nun seine Lichtpeitsche für sich auf diese Aktion antworten. Es vergingen gerade mal ein paar Sekunden, da war von den Dämonen keiner mehr am Leben.

"Als ob solche primitiven und niederen Dämonen mir etwas anhaben könnten." Sesshoumarus kühler Blick schweifte noch einmal über die geschlagenen Dämonen, als aus den Wipfeln der Bäume plötzlich einige schwarze Krähen laut krächzend emporstiegen. Sesshoumaru erkannte sie sofort. Es waren genau solche Krähen gewesen, die ihn und die anderen schon bei ihrer Ankunft in den westlichen Ländern angegriffen hatten. Sicherlich hatten sie das Geschehen mitverfolgt und flogen nun davon, um ihren Herrn Bericht zu erstatten. Für Sesshoumaru wäre es zwar kein sonderliches Problem gewesen, den geflügelten Ungetümen zu folgen und sie alle schnell und unkompliziert vom Himmel zu holen, doch entschied er sich bewusst dagegen. Sollten diese Krähen ihrem Herrn doch von dem berichten, was vorgefallen war. Vielleicht würde sich der Feigling, der sich bisher immer nur im Verborgenen gehalten hatte, dann auch mal persönlich auftauchen. Also kümmerte sich Sesshoumaru schon bald nicht mehr um die Krähen, sondern machte sich nun wieder auf den Rückweg zu seinem Schloss.
 

Unterdessen waren Kagome, Kimie und Inuki in Begleitung von Inu Yasha, Ashitaka und Tôya wieder im Schloss angekommen. Kurz und knapp hatten Kagome und Kimie den anderen erzählt, was vorgefallen war. Besorgt kam Rin nun auf Kimie zu, den Blick dabei ständig auf deren verletzten Arm gerichtet.

"Tut das sehr weh, Kimie-san?", fragte das kleine Mädchen unsicher, doch Kimie schüttelte mit einem beruhigenden Lächeln den Kopf.

"Ach was! Das ist doch nur ein Kratzer, Rin. Mach dir keine Sorgen."

Doch die Wunde blutete noch immer und bot nicht gerade einen beruhigenden Anblick. Kimie versuchte daher, sie so gut es eben ging unter dem Stoff ihrer Jacke zu verbergen.

"Was ist mit dir, Kagome-chan? Bist du auch verletzt worden?", fragte Sango nun an Kagome gerichtet, die verneinend den Kopf schüttelte.

"Nein, mir ist nichts passiert, Sango-chan."

Allerdings fühlte sich Kagome irgendwie schuldig für das, was Kimie passiert war. Und überhaupt wäre es wohl das beste gewesen, würde man ihre Wunde schnell versorgen.

"Komm, Kimie. Ich kümmere mich jetzt besser um deine Verletzung", schlug Kagome ihrer Cousine daher vor. Kimie nickte einverstanden und ging nun gemeinsam mit Kagome ins Schloss, dicht gefolgt von Inuki.

"Hoffentlich geht's Kimie schnell wieder besser...", meinte Shippou bedrückt, als ihm und den anderen eine ziemlich abfällig klingende Bemerkung ins Ohr drang: "Tse! Kaum kehrt man unseren Besuchern den Rücken, stellen sie hier alles auf den Kopf. Als ob wir nicht schon genug zu tun hätten, jetzt müssen wir auch noch die Aufpasser für so ein paar Menschen spielen."

Sofort hatten sich alle Blicke auf denjenigen gerichtet, der das gesagt hatte. Natürlich hatte es sich dabei um Subaru gehandelt, der erst jetzt zu den anderen gestoßen war, das zuvor Gesagte aber dennoch gehört hatte.

"Lass diese Bemerkungen, Subaru!", forderte Ashitaka seinen Kameraden auf. "Das gehört hier nicht her!"

"Wieso denn nicht? Es stimmt doch!", konterte Subaru jedoch unbeeindruckt und verschränkte die Arme vor der Brust, in der rechten Hand seinen Bogen festhaltend. "Nur, weil Ihr mit diesen Leuten befreundet seid, Ashitaka-sama, muss das doch noch lange nicht heißen, dass das auch auf mich oder auf einen der anderen zutreffen muss. Mich wundert es ja zudem noch immer, dass sich Sesshoumaru-sama neuerdings extra die Mühe macht, Menschen zu helfen. Dieses Verhalten ist so untypisch für ihn, dass es schon wieder beinahe amüsant ist. Aber eben auch nur beinahe."

Es schien so, als wollte Subaru damit auch schon wieder gehen, da er sich nun wieder von der Gruppe abwandte, doch auf seine letzte Bemerkung hin räusperte sich nun Jaken: "Ähem! Entschuldige mal! Aber wagst du es etwa, dich über meinen Herrn lustig zu machen? Denn wenn das so ist, warne ich dich! Ich..."

"Du warnst mich?", fragte Subaru, noch bevor der Krötendämon hatte aussprechen können. Beeindruckt oder gar eingeschüchtert wirkte der Inu-Youkai aber keinesfalls, vielmehr empfand er dies einfach nur als lachhaft. "Ha! Wenn das nicht so lächerlich wäre, würde ich jetzt anfangen zu lachen."

"Äh..." Zuerst schaute Jaken etwas verunsichert zu Subaru hoch, doch versuchte er, sich nicht von diesem einschüchtern zu lassen. "Unterschätze mich besser nicht! Ansonsten müsste ich dir doch eine Lektion erteilen und..." Aber wieder konnte Jaken seinen Satz nicht zu ende sprechen, denn mit dem unteren Ende seines Bogens drückte Subaru nun den Kopf Krötendämons auf den Boden.

"Wenn ich fast Genickstarre bekommen würde, um mit anderen zu sprechen, würde ich mich nicht so aufspielen, mein Freund", sagte er kühl, während Jaken unter dem Druck des Bogens auf seinen Kopf auf dem Boden rumzappelte. Ashitaka wollte sich gerade wieder einmischen, als Subaru jedoch von sich heraus wieder von Jaken abließ, als er nämlich mitbekam, dass Sesshoumaru inzwischen ebenfalls wieder zurückgekommen war. Soeben kam er über den großen Innenhof auf die am Schloss stehende Gruppe zu.

"Ist alles in Ordnung, Sesshoumaru?", fragte Ashitaka seinen Cousin, der auf die Frage aber nicht antwortete, sondern nur kurz seinen Blick schweifen ließ. Ashitaka ahnte, wonach er suchte. "Wenn du Kimie-chan suchst, sie ist eben mit Kagome-chan rein gegangen."

"Hm!" Das war alles, was Sesshoumaru dazu zu sagen gehabt hatte, ehe auch er ohne ein weiteres Wort auf die Eingangstüren des Schlosses zuging und schließlich in diesem verschwand. Auch Subaru entfernte sich nun wieder von den anderen, während Jaken noch etwas mitgenommen auf dem Boden liegen blieb.

"Hey, du!", rief Inu Yasha dem Inu-Youkai noch einmal zu und tatsächlich blieb Subaru einen Moment stehen, wenngleich er sich nicht zu dem Hanyou umdrehte, der nun weiter sprach: "Eines will ich mal klarstellen! Lass es dir nicht einfallen, Kagome oder sonst wem zu nahe zu kommen, sonst wirst du mich kennen lernen! Ist das klar?"

Jetzt wandte Subaru seinen Blick doch ein wenig zu Inu Yasha um. Dieser war aber zugegeben etwas irritiert von dem eigenartigen Lächeln des Youkai. "Man merkt, dass du und Sesshoumaru-sama Brüder seid. Ihr beiden seid euch in mancher Hinsicht gar nicht mal so unähnlich." Und mit diesen Worten ging Subaru schließlich davon.

"Was sollte das denn?", fragte sich Inu Yasha und wirkte auch in einem gewissen Sinne verärgert. "Was soll ich denn bitte mit Sesshoumaru gemeinsam haben?! So ein Quatsch!"

Miroku, Sango und Shippou tauschten daraufhin untereinander kurz ihre Blicke aus und konnten sich ein leicht amüsiertes Lächeln beim besten Willen doch nicht verkneifen, wobei sie dieses jedoch vor ihrem Freund verbargen.
 

Inzwischen war Kagome in Kimies Zimmer bereits dabei, sich um die Verletzung ihrer Cousine zu kümmern.

"Tut's noch weh, Kimie?", fragte die Jüngere, während sie die Wunde an Kimies rechten Arm mit einem feuchten Tuch reinigte.

Kimie schüttelte auf die Frage hin einmal den Kopf. "Es geht schon wieder. Danke, Kagome."

Aufmerksam saß die ganze Zeit Inuki neben den beiden Mädchen und beobachtete ganz genau, was Kagome tat. Hin und wieder stupste er Kimie auch leicht mit dem Kopf an, als wollte er ihr ein wenig beistehen. Behutsam kraulte Kimie ihn mit ihrem unverletzten Arm am Kopf, während Kagome das Tuch nun einmal in einer Schüssel mit Wasser auswusch, ehe sie es erneut zu der Wunde führte. Einen Moment lang sagte keines der beiden Mädchen etwas, bis Kagome diese Stille scheinbar nicht mehr aushielt und leise sagte: "Es tut mir Leid."

"Hm?"

Etwas verwundert hatte Kimie den Blick zu ihrer Cousine umgewandt, die weiter sprach: "Es ist meine Schuld, dass du verletzt worden bist. Hätte ich nicht den Vorschlag gemacht, dass wir das Schloss verlassen, dann..."

"Ach, was! Jetzt hör aber mal auf, Kagome!", widersprach die Ältere vehement, noch bevor Kagome ihren Satz hatte zu Ende sprechen können. Doch war in Kimies Stimme kein Unterton von Ärger oder Wut vorhanden gewesen, denn keinesfalls gab sie Kagome in irgendeiner Form Schuld an dem, was passiert war. Nachdem sie jedoch Kagomes zunächst etwas erschrocken wirkenden Blick bemerkt hatte, sprach Kimie daraufhin ruhiger weiter: "Mach dir keinen Kopf. Es ist ja schließlich nicht so, als wären wir zum ersten Mal in eine gefährliche Lage geraten. Und außerdem ist doch nichts weiter passiert."

Kagome senkte etwas den Blick. "Aber..."

"Kein aber!", unterbrach Kimie sie erneut, diesmal jedoch mit einem leichten Lächeln im Gesicht. "Ich bin schließlich freiwillig mit dir mitgegangen und dir hätte das genauso gut passieren können. Nur hat es letztendlich eben mich erwischt. Und schließlich hätte ich dir ja auch auf deinen Vorschlag hin widersprechen können, aber ich habe dir zugestimmt. So gesehen war es mein eigener Fehler. Also vergessen wir diese Sache. In Ordnung?"

Als Kagome daraufhin wieder aufschaute, konnte sie nicht anders, als das Lächeln ihrer Cousine zu erwidern und zu nicken. "Ist gut."

In der Tat fühlte sich Kagome jetzt wirklich erleichtert, dass Kimie ihr keinen Vorwurf aus dem machte, was geschehen war. So kümmerte sie sich nun weiterhin darum, die Verletzung ihrer Cousine zu versorgen. Inzwischen war sie mit dem Säubern der Wunde fertig geworden und hatte diese schon so weit behandelt, dass schlussendlich nur noch der Verband fehlte. Diesen wollte Kagome nun aus dem Erste-Hilfe-Kasten herausholen, doch mit einem Mal spitzte Inuki die Ohren und schaute ganz gespannt in die Richtung der Schiebetür. Einen Sekundenbruchteil später war er auch schon aufgesprungen. Kimie und Kagome folgten ihm ein wenig verwundert mit ihren Blicken.

"Hey! Was ist denn los, Inuki?", fragte Kimie ihren Hund, der abwartend vor der Schiebetür stand, die nun von draußen von jemandem geöffnet wurde.

"Sesshoumaru!", sprach Kimie den Namen des Besuchers überrascht aus. Mit ihm hatte sie ihm Moment überhaupt nicht gerechnet und auch Kagome schien die Überraschung ihrer Cousine zu teilen. Während Inuki den Youkai aber nun mit angemessener Zurückhaltung begrüßte, wandte sich dieser Kagome zu.

"Ich will allein mit ihr sprechen", gab Sesshoumaru kühl bekannt. Kagome war sofort klar, was er damit gemeint hatte. Ihr Blick traf sich kurz mit dem von Kimie, die einmal nickte.

"Es ist in Ordnung", meinte sie ruhig.

Auch Kagome nickte nun einverstanden. "Okay, dann gehe ich erstmal wieder zu den anderen."

"Ja, mach das."

Kagome stand auf und ging mit einem doch etwas mulmigen Gefühl an Sesshoumaru vorbei, ehe sie schließlich das Zimmer verließ und die Schiebetür wieder hinter sich schloss. Abgesehen von Inuki befanden sich Kimie und Sesshoumaru nun allein in dem Zimmer. Kimie kam sich zugegebenermaßen ein wenig blöd vor, so wie sie jetzt vor Sesshoumaru auf dem Boden saß. Auch wusste sie nicht, was sie jetzt eventuell hätte sagen sollen, zumal Sesshoumaru auch keinerlei Anhaltspunkte dafür gab, was gerade in ihm vorging. Er war so undurchschaubar wie immer. Doch gerade, als Kimie überlegte, als Erste etwas zu sagen, kam ihr der Youkai überraschend zuvor.

"Das war mehr als dumm, was ihr getan habt!", sagte Sesshoumaru üblich kühl und es klang zusätzlich auch noch regelrecht belehrend. "Verrate mir mal, wie ihr beiden auf die Idee gekommen seid, euch allein außerhalb des Schlosses aufzuhalten."

Etwas trotzig schaute Kimie daraufhin zu ihm hoch. Zwar hatte sie schon geahnt, dass er sie auf dieses Thema ansprechen würde, aber sein Ton sagte ihr nicht unbedingt zu.

"Wir wollten uns nur ein wenig umsehen", rechtfertigte Kimie das Verhalten von Kagome und ihr. "Ist das etwa verboten? Und außerdem sind doch gar nicht weit weg gewesen." Das war jedoch alles gewesen, was sie kleinlaut zur Antwort gegeben hatte, denn auf keinen Fall wollte sie Kagome verpetzen.

Sesshoumaru schaute seinerseits prüfend zu dem Mädchen runter, doch würde es dazu nichts mehr sagen, das konnte er schon jetzt für sich feststellen. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, selbst noch einmal etwas zu sagen: "Dummes Mädchen! Tôya hatte Recht, ihr beiden habt wirklich noch mal Glück gehabt und das gilt besonders für dich."

"Ja, ja! Ich hab's geschnallt!"

Kimie hatte wirklich keine Lust darauf, sich jetzt einen altklugen Vortrag anzuhören und das vermutlich auch deshalb, weil sie selbst eigentlich wusste, dass Sesshoumaru Recht gehabt hatte. Frustriert griff sie nun stattdessen nach dem Erste-Hilfe-Kasten und holte daraus einen Verband heraus, um sich diesen um ihren verletzten Arm zu wickeln. Doch dadurch, dass Kimie ihren Arm durch die Verletzung nicht so richtig bewegen konnte und sie sowieso praktisch nur mit einer Hand den Verband anlegen konnte, wurde ihr das anschließende Herumhantieren mit diesem doch sehr erschwert. In Sesshoumarus Gegenwart wollte Kime aber nicht das völlig hilflose und wehleidige kleine Mädchen spielen und biss die Zähne zusammen. Für einen kurzen Moment durchfuhr sie jedoch ein stechender Schmerz, der sich bis in die Schulter hochzog und sie kurz zusammenzucken ließ. Auch konnte Kimie es nicht vermeiden, dass sie deutlich sichtbar in sich zusammengezuckt war. Um dies jedoch zu überspielen, wollte sie - kaum, dass der Schmerz ein wenig nachgelassen hatte - sogleich erneut versuchen, ihren Arm zu verbinden, doch spürte sie plötzlich, wie dieser nun von jemandem festgehalten wurde. Kimie hatte sich gerade erst umgedreht, als ihr nun auch noch der Verband aus der Hand genommen wurde. Völlig verdutzt ruhte ihr Blick nun auf Sesshoumaru, der einerseits ihren verletzten Arm hielt und nun auch noch damit begann, ihr den Verband umzulegen. Kimie hatte nicht mal mitbekommen, wie er sich an ihre Seite begeben hatte. Die Prozedur ließ sie diesmal aber ruhig über sich ergehen und brachte nur ein leises "Danke..." heraus.

Während der ganze Zeit, in der Sesshoumaru ihr den Verband anlegte, sagte keiner der beiden auch nur ein Wort. Erst, als er Kimies Arm versorgt hatte, sprach Sesshoumaru das Mädchen erneut an: "Du machst in Zukunft keine solchen Alleingänge mehr. Du wirst von jetzt an in meiner Nähe bleiben und mir nicht mehr von der Seite weichen."

Kimie horchte auf. Skeptisch zog sie eine Augenbraue hoch, zumal das von Sesshoumaru Gesagte in ihren Ohren sehr nach einer Anweisung geklungen hatte.

"Was wird das? Übermäßige Kontrolle?", fragte sie daher etwas patzig.

"Sei nicht albern", entgegnete Sesshoumaru im üblichen Ton. "Aber schließlich scheinst du ja jemanden zu brauchen, der ein Auge auf dich hat. Ich frage mich, wie du in dem einen Jahr, in dem du weg warst überhaupt zurechtgekommen bist."

"Das mag eventuell daran liegen, dass es in meiner Epoche keine Dämonen gibt", gab Kimie ein wenig altklug zur Antwort. "Im Übrigen solltest du vielleicht mal so langsam damit aufhören, mit mir zu sprechen, als wäre ich ein kleines, ungehorsames Kind!"

"Wenn du dich nun mal stets so benimmst", konterte Sesshoumaru unbeeindruckt und diesmal fiel Kimie auf die Schnelle keine Erwiderung darauf ein. Sesshoumaru schaute nun doch mit einer Spur von Triumph zu dem Mädchen. "Du bist sprachlos. Mir scheint, so langsam kriege ich dich doch noch zahm."

"Wie bitte? Zahm?!" Kimie glaubte zuerst, sie habe sich verhört. Jetzt sprach er schon mit ihr, wie mit einem Haustier. Das war ihr dann doch zu viel und sie entgegnete aufgebracht: "Hör mal! Ich bin auch nicht dein Haustier! Das ist ja wohl die Höhe! Ich habe keinen Bock mehr, mir so was anhören zu müssen! Ich bin...!"

"Du bist meine Gefährtin", unterbrach Sesshoumaru sie mitten im Satz und wieder war Kimie einen Moment lang sprachlos. So wollte sie selbst ihren Satz eigentlich gar nicht enden lassen, aber viel weniger von dem Inhalt von Sesshoumarus Satz, war sie mehr darüber überrascht gewesen, WIE er es gesagt hatte. Diesmal blieb Kimie aber stumm. Sie schaute Sesshoumaru nur an, als er kurz darauf weiter sprach: "Es gehört zu meinen Aufgaben, dich zu beschützen. Das ist selbstverständlich und bedarf keiner größeren Erklärungen. Aber damit ich dich beschützen kann, muss ich wissen, wo du dich befindest. Das machst du mir nicht unbedingt dadurch leichter, dass du dich kopflos in irgendeine Gefahr stürzt."

Als Sesshoumaru nun erstmal pausierte, senkte Kimie etwas den Blick. Sie wusste, dass er mit dem, was er gesagt hatte, durchaus Recht gehabt hatte, aber irgendwie hatte sie immer noch dieses etwas widerspenstige in sich, das sie in seiner Gegenwart schon von Anfang an immer wieder mal an den Tag gelegt hatte.

"Es tut mir Leid...", entschuldigte sich Kimie schließlich leise. "Ich wollte dir keinen Ärger machen oder so was..."

Mehr konnte sie im Moment auch nicht sagen, da sie auch nicht wusste, was sie eventuell noch hätte sagen können. Auch hob sie ihren Blick nicht wieder. Erst, als Sesshoumaru ihr Kinn leicht anhob, schaute sie ihm wieder in Gesicht. Nun legte er seine rechte Hand an ihre linke Wange.

"Für den Fall, dass du dennoch mal wieder deinen eigenen Kopf durchsetzen wirst, rate ich dir, in Zukunft besser auf dich aufzupassen", forderte er sie auf, während er zeitgleich auf ihren verletzten Arm schaute. "So was möchte ich nicht noch einmal sehen."

Kimies Augen weiteten sich überrascht. Die Art, wie Sesshoumaru gerade mit ihr gesprochen hatte und wie er sich ihr gegenüber verhielt, bereitete ihr irgendwie ein eigenartiges Gefühl. Irgendetwas wollte sie jetzt unbedingt sagen, aber ihr fiel nicht ein, was das hätte gewesen sein können. Unschlüssig knibbelte Kimie ein wenig mit ihren Fingern herum, als ihr Inuki unerwartet zur Hilfe kam. Allerdings gab er ihr eine recht ungewöhnliche Hilfestellung, denn Inuki platzierte sich nun direkt hinter seine Herrin, nur um sich anschließend auf die Hinterbeine zu stellen und ihr mit den Vorderpfoten einen kräftigen Stoß in den Rücken zu geben. Die völlig überrumpelte Kimie fiel also nach vorne und Sesshoumaru direkt entgegen.

"Aah! Inuki! Was soll denn der Blödsinn?!", beschwerte sich Kimie sofort, doch als sie sich zu ihrem Hund umgedreht hatte, war dieser schon in eine andere Ecke des Zimmers getrabt. Als Kimie ihren Blick daraufhin wieder nach vorne richtete, schaute sie geradewegs über den oberen Rand von Sesshoumarus Rüstung auf seinen Kimono. Zuerst tat sie nichts weiter, dann wanderten zunächst nur ihre Augen weiter zu seinem Gesicht hoch, bevor sie auch ihren Kopf hob. Hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie glatt vermutet, Sesshoumaru wäre im Moment ebenso überrumpelt gewesen wie sie, oder zumindest ansatzweise. Verunsichert versuchte Kimie etwas zu sagen: "Ähm... Also, ich... Nun ja..."

Doch plötzlich hörte man ein Klopfen an der Tür. Sprungartig und wie auf ein Kommando gehorchend hatte sich Kimie sofort von Sesshoumaru entfernt und schaute nunmehr mit einem Unschuldsblick und leicht geröteten Wangen in die Luft. Als es kurz darauf wieder an der Tür klopfte und man von draußen nun auch eine männliche Stimme nach Sesshoumaru fragen hörte, stand dieser auf, ging auf die Tür zu und öffnete diese. Dabei wurde er stets von Kimie aus dem Seitenwinkel beobachtet. Da er ihr nun jedoch ein wenig die Sicht versperrte, lehnte sie sich ein wenig zur Seite, um nach Möglichkeit an ihm vorbeischauen zu können. An der Tür entdeckte sie nun einen Youkai, den sie zuvor noch nicht gesehen hatte. Außerdem unterhielten er und Sesshoumaru sich momentan auch so leise, dass sie kein Wort verstehen konnte, egal, wie sehr sie sich auch anstrengte, zumindest ein paar Wortfetzen herauszuhören. Auf einmal ging der fremde Youkai auch schon wieder fort, während sich Sesshoumaru wieder zu Kimie umwandte.

"Was bedeutete das?", fragte sie ihn sofort neugierig. "Ist etwas passiert?"

"Nichts sonderlich Nennenswertes. Aber wir haben Besuch bekommen", antwortete Sesshoumaru.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Hohe, spitze Berge, vor denen sich ein gänzlich unbepflanztes Ödland erstreckte, ragten in den bewölkten Himmel empor und ein großer Schwarm dämonischer Krähen zog auf der Höhe der mit Wolkenschleiern verhüllten Bergspitzen seine Kreise. Lautes, kämpferisches Gekrächze wurde begleitet vom immer fortwehrenden Flügelschlagen der fliegenden Ungetüme. Das Gekrächze wurde noch lauter, als ein kleinerer Schwarm Krähen nun zu dem großen dazu stieß. Der Himmel wurde verdunkelt durch ihre schwarzen Schwingen.

"Hm! In Schach gehalten von zwei Menschenmädchen. Eine Schande!", sprach eine männliche Stimme kühl und herablassend aus dem Inneren einer dunklen Höhle heraus, die sich auf halber Höhe von einem der Berge befand. Hin und wieder stießen einige der Krähen zu der Höhle hinunter und flogen krächzend an deren Eingang vorbei. Ein Paar rot glühender Augen wurde nun aus dem Dunkeln der Höhle sichtbar, als die Stimme nun belustigt weiter sprach: "Aber dennoch könnte diese Sache noch recht unterhaltsam werden. Man muss eben nur wissen, wie man das Spiel zu spielen hat."

"Und was hast du jetzt genau vor, Akuma?", hörte man nun eine zweite männliche Stimme, die allerdings etwas jugendlicher klang, fragen. "Gehst du zum Schloss der Inu-Youkai?"

"Vielleicht. Aber jetzt noch nicht", antwortete Akuma, während seine Augen einen hinterhältigen Ausdruck annahmen. "Zuerst möchte ich mal noch ein Wörtchen mit unserem neuen Freund wechseln. Unterdessen sollen unsere Späher diese Hunde weiter beobachten. Gehen wir!"

Kurz darauf flogen zwei Gestalten mit großen schwarzen Schwingen aus der Höhle hinaus und verschwanden schließlich im aufziehenden Nebel des Gebirges. Der Krähenschwarm löste wieder sich auf und während ein Teil den zwei Gestalten folgte, flog der andere Teil in die entgegen gesetzte Richtung davon.

Neue Mitstreiter und neue Erkenntnisse

"Und was soll das für ein Besuch sein?", fragte Kimie Sesshoumaru, während die beiden dicht gefolgt von Inuki durch die Gänge des Schlosses gingen. Da ihre Jacke durch den Angriff einer dieser echsenartigen Dämonen am rechten Ärmel beschädigt worden war, hatte sich Kimie zuvor noch schnell ihre zweite, vorsorglich mitgebrachte Jacke geschnappt, bevor sie Sesshoumaru gefolgt war. Dieser antwortete nun auf die zuvor gestellte Frage des Mädchens: "Du kennst sie nicht. Ich hingegen schon. Aber du wirst sie gleich selbst sehen können."

"Hm..." Kimie musste sich wohl mit dieser Antwort erstmal zufrieden geben. Wahrscheinlich hätte es ihr ohnehin nichts gebracht, hätte Sesshoumaru klipp und klar auf ihre Frage geantwortet, wenn sie diesen ominösen Besuch ohnehin nicht kannte, wie er es schon gesagt hatte. Und während sie sich noch so ihre Gedanken machte, blieb Sesshoumaru schließlich vor der Eingangstür des Schlosses stehen und öffnete diese. Als Kimie nun dicht hinter Sesshoumaru aus der Tür trat, war sie mehr als überrascht und teils auch irritiert. Abgesehen von Kagome und ihren Freunden und einigen Inu-Youkai aus dem Schloss, darunter auch einige von denen, die sie bereits kannte, standen zudem noch vier andere und dem Mädchen völlig unbekannte Personen auf dem großen Innenhof vor dem Schloss. Kimie brauchte jedoch nicht lange, um festzustellen, dass es sich bei den Fremden keinesfalls um Menschen handelte, wenngleich auch sie ein gewisses menschenähnliches Aussehen an den Tag legten.

"Sieh mal einer an", sagte Sesshoumaru, obwohl es nicht gerade überrascht klang, als er nun die Stufen der Treppe vor der Eingangstür hinunter- und auf die Besucher zuging. "Dass wir uns auf so eine Weise und noch dazu so bald wieder sehen würden, hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet, Touran."

Die Angesprochene lächelte geheimnisvoll. "Da bist du nicht der einzige, Sesshoumaru. Aber zumindest ist dieses Wiedersehen von friedlicher Natur. Und auch deine Leute waren immerhin so freundlich, uns hierher zu geleiten."

"Sei nicht albern, Nee-san!", mischte sich plötzlich eine ihrer Begleiter, eine Dämonin mit kurzen roten Haaren, ein und schaute misstrauisch um sich. "Diese Hunde wollten uns doch immerhin zuerst angreifen." Ihr Blick fiel dabei auf drei Inu-Youkai, die sie, Touran und die anderen beiden zuvor zum Schloss gebracht hatten.

Touran richtete nach dieser Bemerkung beschwichtigende Worte an ihre Begleiterin: "Beruhige dich wieder, Karan. Überlass mir das Reden, ich erledige das schon."

Und während sie das Wort erneut an Sesshoumaru richtete und sich mit ihm kurz über die Lage austauschte, gesellte sich Kimie zu Kagome, Inu Yasha und den anderen und auch Rin war bei ihnen. Kimie stellte sich direkt neben Kagome und fragte sie flüsternd: "Hey, Kagome! Sag mal, wer sind die? Kennt ihr die?"

Kagome nickte einmal, ehe sie ebenfalls flüsternd antwortete: "Ja. Das sind Panther-Dämonen. Wir sind ihnen früher schon mal begegnet, aber da haben wir gegen sie gekämpft. Die, die gerade mit Sesshoumaru spricht, heißt Touran. Und die, die eben auch kurz etwas gesagt hat, das ist Karan. Die anderen beiden heißen Shunran und Shuuran. Sie sind alle vier Geschwister."

"Ach. Und ihr habt mal gegen sie gekämpft?"

"Das ist eine längere Geschichte. Ich erzähle sie dir bei Gelegenheit", schlug Kagome vor, ehe sie aus dem Seitenwinkel wieder prüfend zu den Panther-Dämonen rüberschaute. "Aber ich frage mich, was sie hier wohl wollen...?"

Aber nicht nur Kagome und die anderen beäugten die Neuankömmlinge. Diese taten es ihnen nämlich gleich und so hatte Karan die Truppe von Inu Yasha auch schnell entdeckt, nachdem diese ihr zuvor noch nicht aufgefallen waren, da sie zudem etwas abseits standen. Sofort deutete Karan mit dem Finger auf sie und machte auch ihre Geschwister auf sie aufmerksam: "Hey, Leute! Schaut mal! Das ist ja Inu Yasha mit seinem Gefolge! Da ist auch diese Miko mit den komischen Klamotten! Kagome, oder wie auch immer sie noch mal heißen mag... Und da ist ja noch so eine! Die war beim letzten Mal aber nicht dabei."

Kimie brauchte nicht lange, um für sich festzustellen, dass die letzten beiden Sätze auf sie hingedeutet hatten. Trocken gab sie daraufhin zur Antwort: "Auch schön, euch kennen zu lernen. Übrigens bin ich keine Miko..."

Die Überraschung war dennoch auf beiden Seiten recht groß gewesen.

"Du hast also bereits deinen kleinen Bruder und seine Freunde um Hilfe gebeten", sprach Touran Sesshoumaru erneut an, der jedoch kühl entgegnete: "Ich habe sie nicht gebeten. Das habe ich nicht nötig!"

"Hm! Wie ich sehe, hast du nichts von deinem Stolz eingebüßt", meinte die Panther-Dämonin, ohne sich eventuell aus der Fassung bringen zu lassen. Auch dann nicht, als nun Tôya etwas schroff das Wort an sie und ihre Geschwister richtete: "Wie wäre es denn, wenn ihr jetzt endlich mal mit der Sprache rausrücken würdet und uns sagt, was ihr hier eigentlich verloren habt?"

Aus seiner Tonlage war deutlich herauszuhören gewesen, dass er für die Panther-Dämonen wirklich nicht sonderlich viel übrig gehabt hatte. Und obwohl Karan und ihre anderen beiden Geschwister dem Inu-Youkai auf dessen Frage hin nicht unbedingt wohlwollende Blicke zuwarfen, blieb Touran hingegen ruhig und seriös.

"Wir möchten euch gerne ein Angebot machen", erklärte sie nun und wandte sich wieder an Sesshoumaru. "Und zwar das Angebot einer vorübergehenden Zusammenarbeit zwischen deinem Clan und uns. Eine Zeckgemeinschaft sozusagen."

"Eine Zweckgemeinschaft?!" Diese Frage kam von Inu Yasha, der im Moment wohl genauso perplex dreinschaute, wie der größte Teil der anderen Umherstehenden.

Sesshoumaru aber zuckte nicht einmal mit der Wimper, als Touran nun weiter sprach: "Ich nehme an, du und deine Leute, ihr wisst auch schon längst um die jüngsten Veränderungen hier im Westen und um die merkwürdigen Dämonen, die sich neuerdings hier herumtreiben."

"Und wenn es so wäre?", fragte Sesshoumaru prüfend zurück, woraufhin die Panther-Dämonin erwiderte: "Dann solltest du dir meinen Vorschlag gut durch den Kopf gehen lassen. Eine Entscheidung zugunsten einer Zusammenarbeit kann uns beiden nur nützlich sein."

"Warum sollten wir eure Hilfe in Anspruch nehmen?", fragte Tôya die Panther-Dämonen nun äußerst misstrauisch. "Sehen wir vielleicht so aus, als bräuchten wir Unterstützung von eurer Seite? Und überhaupt, was könnt ihr vier schon groß ausrichten?"

"Du solltest uns besser nicht unterschätzen", meinte Karan nun im Gegenzug und mit äußerst herausforderndem Blick. Doch Tôya ließ sich in seiner Ansicht nicht beirren. "Und überhaupt! Warum sollten wir uns mit Katzen zusammentun? So tief sind wir schließlich bei weitem noch nicht gesunken und das wird auch in Zukunft nicht passieren!"

"Ziemlich große Töne, wenn man bedenkt, dass ihr Hunde euch in letzter Zeit eher wenig mit Ruhm bekleckert habt. Ich habe jedenfalls nicht gehört, dass ihr mal wieder einen starken Gegner bezwungen hättet", erwiderte Karan, nunmehr durchaus mit der Absicht, zu provozieren. Dies zeigte sich besonders in ihrer weiteren Äußerung: "Und lasst es euch allen hier gesagt sein: Wir sind Panther-Dämonen! Werft uns nicht mit stinknormalen Katzen in einen Topf! Sonst gibt es Ärger! Klar?"

Diese Art und schon dieses Gehabe machten nicht nur Tôya so langsam fuchsteufelswild.

"Sollte das eine Drohung sein?", fragte er mit einem warnenden Knurren, doch hielt ihn Kakeru davon ab, eventuell etwas Unüberlegtes zu tun.

"Lass es gut sein, Tôya. Das lohnt keinen Streit."

Wohl oder übel beließ es Tôya daraufhin erstmal dabei, seine Blicke zeugten aber nur zu gut von seinem Ärger.

"Ihr solltet es euch unser Angebot wirklich gut überlegen, denn früher oder später werdet ihr euch mitten im Kampf befinden und da im Moment noch keiner von uns genau weiß, was für eine Art von Problem da auf uns zukommt, sollten wir besser zusammenarbeiten. Das wäre im Interesse von uns allen." Touran wartete nun darauf, dass Sesshoumaru etwas darauf erwidern würde. Sie und ihre Geschwister wussten ebenso gut wie er und sein Clan von den fremden Dämonen, die neuerdings den Westen des Landes unsicher machten. Tourans Äußerung gab zunächst aber nur neuen Zündstoff für Tôya, der aus seiner Meinung keinen Hehl machte: "Mit anderen Worten: Ihr befürchtet, dass bei euch bald alles drunter und drüber geht und von daher braucht ihr dringend ein Loch, in dem ihr euch verkriechen könnt."

Diese Bemerkung war der Tropfen gewesen, der das Fass nunmehr zum Überlaufen gebracht hatte. Zumindest aus der Sicht von Karan, die wütend fauchend verbal zurückschlug: "Willst du damit etwa sagen, wir hätten Angst?! Wage es nicht, unsere Stärke anzuzweifeln, Hundeschnauze!"

Und jetzt war auch das zweite Fass übergelaufen. Doch konterte Tôya diesmal nicht etwa mit Worten, sondern schien gleich Taten walten zu lassen. Seine Augen verfärbten sich mit einem Mal glühend rot und man bekam das Gefühl, als würde ein leichter Wind aufkommen, der sich um den Inu-Youkai herum konzentrierte.

"Tôya! Nicht! Lass es bitte! Das ist nun wirklich nicht der richtige Moment für so was", hielt Ashitaka seinen Kameraden eiligst zurück, als dieser zudem gerade einen Schritt nach vorne gemacht hatte. Zuerst schaute Tôya den Jüngeren nur mit einem undefinierbarem Blick an. Es war nicht klar, was gerade in seinem Kopf vorzugehen schien, doch nach einem Moment schien er sich doch wieder zu beruhigen. Tôya trat wieder einen Schritt zurück und in seine Augen kehrte die goldene Farbe wieder zurück. Ashitaka ließ ein leises, erleichtertes Seufzen verlauten. Eigentlich war es nicht Tôyas Art gewesen, derart die Beherrschung zu verlieren, aber diesmal war das Ganze wirklich nah an der Grenze zur Eskalation gewesen. Aber auch Karan schien nach diesem kleinen Zwischenfalls wieder etwas ruhiger geworden zu sein, zumal Touran ihr nunmehr einen mehr als mahnenden Blick zuwarf.

"Du musst aber auch immer gleich übertreiben, Karan", warf nun Shunran mit einem etwas tadelnden Unterton ein. Karan winkte jedoch ab. "Ach, hör auf, Shunran! Als ob du diese Hunde besser leiden könntest..."

"Zumindest behalte ich aber einiges für mich, im Gegensatz zu dir."

"Jetzt streitet euch nicht auch noch untereinander!", rief Touran ihre jüngeren Schwestern wieder zur Ordnung, die auch sofort wieder verstummten. Tourans Aufmerksamkeit galt nun wieder Sesshoumaru, der sich bisher nicht zu ihrem Angebot geäußert hatte.

"Meinetwegen könnt ihr bleiben", kam es jedoch nach einer kurzen Pause von ihm, wenngleich es auch recht gleichgültig klang. Dennoch sorgte diese Ankündigung für ein Raunen unter einigen der anwesenden Inu-Youkai. Aber lediglich Tôya gab seine Ansicht dazu wieder klar und deutlich zum Ausdruck und sprach die Panther-Dämonen erneut betont an: "Tse! Eines stellen wir aber mal von vornherein klar: Wir sind KEINE Verbündeten im eigentlichen Sinne!"

"Dessen sind wir uns durchaus bewusst", entgegnete Touran ruhig. "Aber wie bereits gesagt, sind wir lediglich auf eine Zweckgemeinschaft aus. Obwohl wir unseren alten Streit von damals in der Zwischenzeit doch eigentlich wieder beigelegt haben und die Geschichte längst zu Ende ist."

Diese Aussage sorgte nunmehr für noch größere Verwirrung.

"Was soll das heißen?", fragte Ashitaka mit skeptisch hochgezogener Augenbraue, woraufhin Touran ihm und den anderen erklärte: "Wir sind nicht mehr auf Rache aus. Bedankt euch dafür bei eurem jungen Herrn." Sie wandte sich wieder Sesshoumaru zu. "Im Übrigen sind meine Geschwister und ich dir noch einen Dank schuldig, Sesshoumaru. Schließlich hast du die drei wieder zum Leben erweckt, nachdem unser Meister ihnen ihre Seelen genommen hatte."

Die anwesenden Clan-Mitglieder der Inu-Youkai tauschten nun untereinander teils irritierte und teils überraschte Blicke aus. Sie wussten nicht so recht, was sie von Tourans Aussage halten sollten, bis Ashitaka sich an Sesshoumaru wandte und ihn fragte: "Kann uns vielleicht mal jemand aufklären? Was hat das zu bedeuten, Sesshoumaru?"

Sesshoumaru bedachte seinen Cousin, aber auch einige der anderen zunächst nur mit einem Blick, ehe er in seiner üblich seriösen Art und Weise antwortete: "Das war nur ein Nebeneffekt. Es galt, diesen Panther-Dämon auszuschalten und das ist ja auch letztendlich gelungen. So einfach ist das." Mit dem letzten Satz hatte er den Blick wieder auf Touran gerichtet, als wollte er besonders ihr deutlich machen, dass seine Tat keinesfalls aus Nächstenliebe oder ähnlichem Unsinn geschehen war. Dennoch behielt Touran ihr leichtes Lächeln bei, als sie auf Sesshoumarus Aussage hin entgegnete: "Wenn du das sagst. Ich hatte auch nichts anderes von dir erwartet."

Sesshoumaru wies Ashitaka schließlich an, den Panther-Dämonen für ihren zeitweiligen Aufenthalt im Schloss entsprechende Unterkünfte zuzuweisen. Und nachdem diese Sache erstmal geklärt war, entfernten sich nach und nach die Anwesenden wieder, wobei einige der Inu-Youkai untereinander noch das eine oder andere Wort hinsichtlich der Panther-Dämonen wechselten und meist waren die Inhalte des Ausgesprochenen nicht unbedingt freundlich, wie Inu Yasha und die anderen es ab und zu in kleineren Wortfetzen aufschnappen konnten.

"Jetzt weiß ich woher der Spruch 'die streiten sich wie Hund und Katze' herkommt", meinte Kimie flüsternd an Kagome gewandt, wobei sie sich auch an Tôyas Beinahe-Ausraster zurückerinnerte. Da war es auch ihr einen Moment lang recht mulmig zumute gewesen.

"Aber Sesshoumaru war erstaunlich freundlich für seine Verhältnisse...", fand Shippou, woraufhin Miroku erwiderte: "Er besitzt eben Anstand. Das sollte man vom Lord der westlichen Länder ja wohl auch erwarten können."

Der kleine Kitsune warf dem Mönch einen fragenden Blick zu. "Soll das etwa heißen, nach außen hin wirkt er völlig cool, aber in seinem Inneren kocht er?"

Die Spekulationen hinsichtlich Sesshoumarus Verhalten gingen noch ein Weilchen so weiter. Unterdessen ließ sich Kimie die vorangegangene Situation noch einmal durch den Kopf gehen.

"Es wird hier aber langsam doch etwas voll, wie mir scheint...", sagte sie schließlich. "Habe ich vielleicht was verpasst und wir sind hier eigentlich auf der Arche Noah? Fehlt uns nur noch, dass es tatsächlich auch noch anfängt zu regnen..."

Kagome musste bei diesen Worten ihrer Cousine nun doch amüsiert lächeln. Doch richtete sich die Aufmerksamkeit der Gruppe recht bald auf zwei Inu-Youkai, die sich etwas abseits miteinander unterhielten und dabei die Gruppe um Inu Yasha scheinbar gar nicht beachteten. Dementsprechend unbekümmert unterhielten sie sich auch und hielten dabei mit ihren Ansichten keinesfalls hinterm Berg.

"Früher hätte ich so was ja niemals gesagt, aber für mich verliert Sesshoumaru-sama so langsam an Autorität", meinte einer der beiden, woraufhin sein Kamerad hinzufügte: "Tja, zuerst lässt er sich gut 200 Jahre nicht mehr hier blicken und dann kommt er mit einem Hanyou und einem Haufen Menschen wieder zurück. Und als ob das nicht schon reichen würde, gestattet er nun auch noch diesen Katzenviechern, dass sie vorübergehend hier bleiben."

Inu Yasha und die anderen wohnten dem Dialog schweigend bei, doch hörten sie sehr aufmerksam zu. Das schien die beiden Inu-Youkai aber auch weiterhin nicht zu kümmern, denn jetzt sprach der erste sogar das aus, wofür ihm Sesshoumaru, wäre er noch anwesend gewesen, sicherlich den Kopf abgeschlagen hätte: "Nun, dann sollte er vielleicht abdanken. Wenn er nämlich noch weicher wird, sehe ich schwarz für den bevorstehenden Kampf. Was kommt als nächstes? Lässt er neben dem Schloss ein Menschendorf errichten?"

>Blöde, arrogante Schwätzer!<, dachte Kimie wütend, sprach es aber nicht laut aus, obwohl sie durchaus mit diesem Gedanken spielte.

Im Gegensatz zu ihr, hielt sich Rin jedoch nicht unbedingt zurück, denn das kleine Mädchen war nunmehr auf die beiden Inu-Youkai zugelaufen und sprach sie an: "Das ist gemein! Sprecht nicht so über Sesshoumaru-sama!"

Die beiden Youkai hatten die Blicke sofort auf das Menschenkind gerichtet. Ihre Blicke zeigten ganz deutlich, dass sie Rins Ansprache mehr störte, als eventuell beeindruckte.

"Du bist ein ziemlich freches kleines Ding, du Balg!", meinte einer der Inu-Youkai bedrohlich und machte einen Schritt auf Rin zu, die nun doch verunsichert zurückwich.

Bevor dem kleinen Mädchen eventuell etwas passierte, schaltete sich Kagome ein und stellte sich an Rins Seite. Beschützend legte sie ihr die Hände auf die Schultern, wandte sich dabei aber auch ziemlich deutlich an die beiden Youkai: "So fühlt ihr euch wohl sehr stark, was? Kleinen Kindern Angst machen und hinter dem Rücken eures Herrn schlecht über ihn sprechen. Ihr habt wohl nicht genügend Mut, um ihm ins Gesicht zu sagen, was ihr von ihm haltet!"

Erst im Nachhinein erkannte Kagome, dass sie wohl besser nichts zu dem Thema gesagt hätte, denn einer der Inu-Youkai packte sie nun an dem roten Tuch ihrer Schuluniform, zog sie grob näher an sich heran und sagte bedrohlich: "Du riskierst ja auch eine ziemlich große Lippe, Menschenweib! Wie würde es dir gefallen, wenn ich dir die Haut von deinem hübschen Gesicht abschäle wie bei einer Mandarine?" Mit diesen Worten hob er seine linke Klaue und hielt Kagome die Kralle seines Zeigefingers an die Wange. Mit einem hinterhältigen Ausdruck in den Augen sprach er weiter: "Allerdings bezweifle ich, dass dir das ebensoviel Spaß bereiten wird, wie mir."

Die anderen waren sofort in allerhöchster Alarmbereitschaft gewesen, allen voran Inu Yasha, der seine Hand schon an den Griff von Tessaiga gelegt hatte, während er den Inu-Youkai, der Kagome bedrohte, warnend ansprach: "Lass sofort Kagome los, du Dreckskerl, sonst...!" Doch weiter kam der Hanyou nicht mehr, denn an seiner Stelle hatte sich nun jemand anders in das Geschehen eingemischt. Der Inu-Youkai musste Kagome nämlich wieder loslassen, als er nämlich selbst recht grob an der linken Hand ergriffen wurde, ehe sich der Griff an den Kragen seines Kimonos legte.

"Wenn du einem Mädchen gegenüber gewalttätig werden willst, dann habe ich wohl auch das Recht und die Pflicht, dich ebenso gewalttätig daran zu hindern, oder siehst du das anders, mein Freund?", sagte nun zur Überraschung aller Subaru an den anderen Inu-Youkai gerichtet, bevor er diesen grob von sich wegstieß, dass dieser einige Schritte nach hinten taumelte. Subaru ließ seinen warnenden Blick einmal zu ihm und seinen Kameraden schweifen.

"Ihr zwei solltet in Zukunft besser eure Zungen hüten", sagte er weiter. "Keiner verbietet euch eure eigene Meinung, aber seid dennoch vorsichtiger in dem was ihr sagt oder tut."

Die beiden anderen Inu-Youkai tauschten untereinander kurz ihre Blicke aus, ehe der zweite von ihnen wenig freundlich entgegnete: "Tse! Seid wann bist du denn unter die Menschenfreunde gegangen, Subaru? Oder sprichst du etwa aus eigener Erfahrung und sagst deshalb selbst nicht klar und deutlich, was dir nicht passt? Verstehen könnte ich es ja, wenn ich da an diese eine Sache von vor etwa 200 Jahren zurückdenke."

Ein Knurren drang nun aus Subarus Kehle.

"Ich scheine mich eben nicht deutlich genug ausgedrückt zu haben, wie mir scheint!", erwiderte er nunmehr bedrohlicher, die linke Hand an die Scheide seines Schwertes gelegt. Es verging ein scheinbar endloser Augenblick, in denen sich die drei Kontrahenten ohne jedes weitere Wort nur genauestens beäugten. Die Luft war zum zerreißen gespannt. Wenngleich die beiden anderen Inu-Youkai durchaus in der Lage gewesen waren, gegen ihren Kameraden zu kämpfen, so entschieden sie sich scheinbar dennoch dagegen. Letztendlich zogen sie doch ohne weitere Worte wieder ab, ebenso wie kurz darauf auch Subaru, der sich ebenfalls mit keinem weiteren Wort noch mal an Kagome oder die anderen wandte. Er ging nur an ihnen vorbei, als wären sie gar nicht existent. Und Kagome selbst war von der unerwarteten Hilfe seitens des Youkai noch immer so verblüfft gewesen, dass sie darüber hinaus glatt vergaß, sich bei ihm zu bedanken. Sie kam erst wieder aus ihren Gedanken, als Inu Yasha sie besorgt ansprach: "Ist alles in Ordnung, Kagome? Bist du verletzt?"

"Nein. Es geht mir gut, Inu Yasha", antwortete ihm das Mädchen. Inu Yashas Aufmerksamkeit richtete sich nach dieser doch sehr beruhigenden Nachricht wieder auf Subaru, der soeben hinter einem der Gebäude verschwand.

"Was ist denn bei dem kaputt?", fragte sich der Hanyou skeptisch. "Hat der uns nicht erst gestern noch so blöd angemacht?"

Miroku nickte. "Ja. Und trotzdem hat er eben Kagome-sama geholfen."

Und während sich nun auch Kimie, Sango und Shippou nach dem Befinden des Mädchens und Rin erkundigten, rätselten auch sie noch eine längere Zeit über Subarus eigenartiges Verhalten. Der Typ gab ihm wirklich Rätsel auf, insbesondere Kimie, die sich noch allzu gut an die Worte des Youkai erinnerte, die er ihr noch am Abend zuvor gesagt hatte. Allerdings hatte sie diese Begegnung bisher für sich behalten. Aber vielmehr interessierte sie nun, was genau diese Sache gewesen war, die vor 200 Jahren vorgefallen war und was für eine Rolle Subaru dabei gespielt hatte.
 

Etwa eine Stunde nach diesem Vorfall, saß die Gruppe um Inu Yasha zusammen mit Ashitaka zusammen unter dem Pavillon am Gartenteich des Schlosses. Rin war ebenfalls nach wie vor bei ihnen, spielte aber etwas abseits mit Inuki.

"Dass so was passiert ist, tut mir wirklich sehr Leid", sagte Ashitaka an die anderen gewandt, nachdem er von ihnen zuvor von dem Vorfall mit den beiden Inu-Youkai unterrichtet worden war. "Ich hoffe, es geht dir und Rin-chan inzwischen wieder besser, Kagome-chan."

Kagome nickte mit einem leichten Lächeln. "Ja, keine Sorge, Ashitaka-kun. Es ist schließlich auch nichts weiter passiert."

"Es tut mir trotzdem sehr Leid." Ashitaka war diese Sache wirklich mehr als unangenehm gewesen. Dass aber ausgerechnet Subaru Kagome und Rin geholfen hatte, verwunderte jedoch auch ihn zugegebenermaßen auf eine gewisse Weise.

"Aber so langsam weiß ich echt nicht mehr, was ich von alldem halten soll...", murmelte Kimie schließlich mit einem Seufzen in sich hinein, während sie auf das Wasser des Teiches schaute. Kagome, die ihr zuvor noch die Geschichte mit den Panther-Dämonen erzählt hatte, warf ihrer Cousine einen fragenden Blick zu. "Was meinst du damit, Kimie?"

"Ich rede von den Panther-Dämonen", antwortete Kimie und drehte sich wieder zu den anderen um. "Ist es wirklich eine gute Idee, dass sie hier sind? Ich meine, nichts gegen sie, aber Tôya zum Beispiel war ja wirklich kurz davor, so richtig in die Luft zu gehen oder täusche ich mich da?"

"Nein, das stimmt schon", antwortete Ashitaka. "Aber mach dir keine Sorgen. Tôya hatte noch nie sonderlich viel für Katzendämonen jeglicher Art übrig gehabt. Er beruhigt sich aber schon wieder."

Und in der Tat hatte Tôya bisher um sämtliche Katzendämonen nach Möglichkeit einen Bogen gemacht. Lediglich Kirara schien hierbei eine Ausnahme gewesen zu sein. Doch schienen diese Themen zumindest Inu Yasha mit der Zeit etwas zu langweilen, wie sein nun ertönendes Gähnen es vermuten ließ. "Oh Mann! Es wäre mir wesentlich lieber, hier würde endlich mal was ordentliches passieren. Diese komischen Echsendämonen von vorhin waren ja nun wirklich keine Herausforderung und wenn hier wirklich bald so was Großartiges über die Bühne gehen soll, könnte das ja eigentlich so langsam mal losgehen!"

Kagome schüttelte daraufhin verständnislos den Kopf. "Also wirklich, Inu Yasha! Wir sind gerade mal einen Tag hier und ehrlich gesagt, gefällt es mir persönlich viel besser, wenn es mal etwas ruhiger ist. Früher oder später wird es wohl schließlich damit auch wieder vorbei sein."

"Ich bin aber nicht hergekommen, um irgendwelche Ruhe zu genießen!", konterte der Hanyou sogleich. "Ich bin zum kämpfen hier und um Naraku zu erledigen! Ich habe weder die Zeit noch die Lust, hier für nichts und wieder nichts nur dumm herumzusitzen oder mich mit irgendwelchen Inu-Youkai herumzuärgern, die glauben, sie müssten uns blöd anmachen! Wenn Naraku letztendlich doch nichts mit alldem hier zu tun hat, dann sind wir sofort wieder weg und suchen stattdessen weiter nach Juwelensplittern, klar? Das ist wesentlich sinnvoller!"

Lediglich ein erschöpftes Seufzen kam als Antwort von Kagome zurück, ehe sie mit einem merkwürdigen Blick zu Inu Yasha sagte: "Also geht es dir immer noch nur darum!"

Kurz darauf stand sie auch schon auf und machte scheinbar Anstalten, zu gehen. Inu Yasha schaute nun doch etwas irritiert drein. "Eh... Kagome, wo gehst du denn jetzt hin? Warte doch! Habe ich irgendwas Falsches gesagt?"

Dass Kagome so plötzlich weggehen wollte, konnte sich Inu Yasha wirklich nur so erklären, dass er sie irgendwie verärgert haben musste, obwohl er nicht genau wusste, was er eigentlich falsch gemacht hatte. Und um eine Antwort zu bekommen, folgte der Hanyou dem Mädchen auch sofort. Kagome, die den Pavillon noch gar nicht verlassen hatte, war auf Inu Yashas Nachrufe hin noch einmal kurz stehen geblieben und es schien, als wollte sie ihm gerade auf seine Frage antworten, als ihr jedoch eine schöne und elegante Dame auffiel, die soeben aus einem der Gebäude kam. Sie trug einen hellen, lavendelfarbenen Kimono, der am Kragen und an den Ärmeln mit dunkelblauen pflanzenähnlichen Verzierungen versehen war. Ihr Haar hatte sie nach hinten hochgesteckt. Bisher war den Freunden diese Frau noch gar nicht begegnet. Ihre Erscheinung beeindruckte Kagome jedoch sehr.

"Wow, sie ist echt hübsch! Wer ist das?", fragte sie nun an Ashitaka, gewandt, der ihr auch soeben die Antwort geben wollte, doch dazu kam er nicht mehr, denn die Aufmerksamkeit aller war nunmehr auf Miroku gerichtet, der auch sofort ohne große Umschweife auf die fremde Frau zugegangen war und nun ihre rechte Hand festhielt.

"Entschuldigt bitte, wenn ich Euch so einfach überfalle, werte Dame", begann der Mönch typisch schmeichelhaft. "Aber Eure Schönheit ist so unglaublich, dass ich meine Augen nicht mehr von Euch wenden konnte. Auch, wenn Ihr eine Dämonin seid, dürfte ich Euch dennoch fragen, ob Ihr es dennoch in Erwägung ziehen könntet, mir...?"

"Sprich es aus und du lernst die wahre Bedeutung des Wortes 'Schmerz' kennen, du notgeiler Mönch!", unterbrach ihn jedoch plötzlich die äußerst erbost und bedrohlich klingende Stimme von Sango, die sich hinter Miroku aufgebaut hatte und wie ein Brennofen auf Feuer zu sein schien.

Miroku hatte sich hastig zu der Dämonenjägerin umgedreht und hob beschwichtigend die Hände. "Nicht doch, Sango! Versteh das bitte nicht falsch! Ich wollte doch nur..."

"Ich kann mir schon denken, was du wolltest!", fuhr ihm Sango wieder dazwischen. "Es ist doch immer wieder das gleiche mit dir! Mir reicht‘s!" Und mit diesen Worten drehte sie dem Mönch den Rücken zu und schritt erhobenen Hauptes davon, wobei Kirara an die Seite ihrer Herrin sprang und ihr folgte. Miroku war zuerst total perplex, nahm aber sofort die Verfolgung seiner eigentlichen Angebeteten auf.

"Warte doch, Sango! Geh nicht weg! Lass es mich dir doch bitte erklären... Du kennst mich doch!", versuchte er die ganze Zeit über, Sango zuzurufen, doch diese würdigte ihn keines Blickes mehr. So konnten auch die anderen nur dabei zusehen, wie die beiden schließlich aus ihrer Sicht verschwanden, Miroku dabei immer noch nach Kräften bemüht, Sango wieder milde zu stimmen. Ob es ihm letztendlich gelungen war, würden die Freunde wohl erst später erfahren.

"Ob die beiden das irgendwann noch mal auf die Reihe kriegen?", fragte sich Shippou mit einem Seufzen, während sich Kagome nun mit einem entschuldigenden Lächeln und einer leichten Verbeugung an die fremde Frau wandte: "Entschuldigt bitte. Unser Freund hat manchmal so seltsame Anwandlungen."

Doch die Frau lächelte nur freundlich und erwiderte ebenso: "Ihr braucht euch nicht zu entschuldigen. Es ist schon in Ordnung." Sie kam nun auf die Gruppe zu, wobei ihre Aufmerksamkeit nunmehr auf Ashitaka zu ruhen schien, den sie auch sogleich ansprach, als sie am Pavillon angekommen war: "Und, Ashitaka? Hast du deine Freunde schon überall herumgeführt?"

Ashitaka winkte mit einer lockeren Handbewegung ab, während er antwortete: "Das habe ich doch schon bei unserer Ankunft getan. Eigentlich müsstest du mich doch kennen und so ziemlich am besten wissen, dass ich weiß, was sich gehört. Oder etwa nicht, Mutter?"

"Wie bitte?! MUTTER?!", kam es nun regelrecht im Chor von den anderen zurück, kaum, dass er den Satz beendet hatte. Und während Ashitaka und seine Mutter die Freunde nun doch etwas irritiert ansahen, fing sich Kimie schließlich als eine der ersten wieder und fragte wie zur Sicherheit noch einmal nach: "Das... ist wirklich deine Mutter, Ashitaka?"

Mit einem Lächeln nickte der Youkai. "Ja, genau! Und ihr Name ist Sakura."

"Ach so... Das ist ja eine Überraschung."

Nachdem sie sich alle wieder eingekriegt hatten, verneigten sie sich leicht vor der Frau. Diese tat es ihnen gleich.

"Ich habe schon viel von euch gehört", sagte Sakura schließlich. "Ashitaka hat oft von euch gesprochen. Verzeiht, dass ich mich euch nicht schon früher vorgestellt habe."

Sie ließ ihren Blick einmal durch die gesamte Gruppe schweifen. Scheinbar hatte Ashitaka ihr wirklich viel erzählt, denn auf Anhieb konnte seine Mutter jedem Gesicht den richtigen Namen zuordnen und auch Sango und Miroku, die kurz zuvor gegangen waren, konnte sie bei ihren Namen nennen. Schlussendlich blieb nur noch Inu Yasha übrig, dem Sakura offensichtlich besondere Aufmerksamkeit schenkte. Sie stellte sich ihm gegenüber und sah ihn sich ganz genau an, ehe sie sagte: "Dann dürfte dieser junge Mann wohl folglich Inu no Taishous zweiter Sohn sein. Inu Yasha..."

Inu Yasha nickte daraufhin nur wortlos. So ganz wohl war ihm ehrlich gesagt nicht in seiner Haut, denn eigentlich konnte es der Hanyou nicht sonderlich gut leiden, wenn ihn jemand so genau musterte. Als Sakura nun aber auch noch ihre rechte Hand hob und diese sanft auf Inu Yashas linke Wange legte, wobei sie ihn weiterhin genauestens ansah, wusste er erst recht gar nicht, was er davon halten sollte, bis Sakura ruhig weiter sprach: "Ja, es ist in der Tat nicht zu übersehen. Auch aus deinen Augen spricht der Geist deines Vaters." Mit einem freundlichen Lächeln ließ sie daraufhin auch schon wieder von dem Hanyou ab. "Ich habe ihn gut gekannt und es freut mich, dich nun endlich kennen zu lernen, Inu Yasha. Sei hier willkommen."

"Uhm... D-Danke." Inu Yasha senkte etwas verlegen den Blick. Sakuras freundliche Art war keinesfalls gespielt, das merkte er ganz genau. Doch eben genau das wunderte ihn zeitgleich ein wenig, da er so was bisher nicht wirklich von fremden Youkai gekannt hatte.

Kagome lächelte hingegen äußerst erfreut. >Wow! Ist die nett!<

"So freundlich du auch zu Inu Yasha sein magst, umso gleichgültiger scheine ich dir ja im Gegenzug zu sein, Mutter", warf Ashitaka plötzlich ein und verschränkte gespielt beleidigt die Arme hinter dem Kopf. "Immerhin hast du es nicht mal für nötig erachtet, deinen Sohn nach drei Wochen der Abwesenheit gleich zu begrüßen. Ich habe dich schließlich erst am Abend nach unserer Ankunft wieder gesehen und dazu musste ich sogar noch selbst in deinem Zimmer vorbeischauen."

Sakura lachte kurz amüsiert auf. "Nun, ich war eigentlich der Meinung, dass mein mittlerweile erwachsener Sohn die ständige Nähe seiner Mutter nicht mehr bräuchte. Schließlich hast du es auch 200 Jahre ganz gut ohne mich geschafft, obwohl ich ja gegen deinen Alleingang gewesen war. Aber so ist das wohl mit den Kindern. Haben sie erstmal ein bestimmtest Alter erreicht, halten sie sich gleich für erwachsen, egal, wie viel von einem Kind in Wirklichkeit noch in ihnen steckt."

"Mutter, mittlerweile bin ich aber wirklich aus dem Welpenalter raus!", entgegnete Ashitaka. Ein sanftes Lächeln erschien dem Gesicht seiner Mutter.

"Dessen bin ich mir bewusst", erwiderte sie ruhig. "Achte aber trotzdem weiterhin gut auf dich, in Ordnung? Schließlich bist du mein einziger Sohn."

Ein warmes Lächeln erschien nun auf Ashitakas Gesicht. "Keine Sorge. Ich tue schon nichts Unüberlegtes, Mutter", erwiderte er, woraufhin seine Mutter einmal nickte. Dann wandte sie sich wieder den anderen zu.

"Entschuldigt mich bitte, ich würde mich nun gerne wieder zurückziehen. Ich wünsche euch noch einen schönen Tag", sagte sie und verneigte sich einmal vor der Gruppe, ehe sie sich zum Gehen umwandte und die anderen wieder allein ließ.

"Deine Mutter ist ja echt supernett! Jetzt wissen wir wenigstens endlich, woher du deinen guten Charakter hast", meinte Shippou an Ashitaka gerichtet, der scherzhaft erwiderte: "Ja, du hast aber noch vergessen, das gute Aussehen zu erwähnen, Shippou-chan."

Ein amüsiertes Lachen ging daraufhin durch die Gruppe, als in diesem Moment Rin zusammen mit Inuki auf die anderen zugelaufen kam, nachdem sie sich bis eben in einem anderen Teil des Gartens aufgehalten hatten.

"Kimie-san! Kann ich dich was fragen?", fragte sie Kagomes Cousine sogleich, die bejahend nickte. "Sicher, Rin. Um was geht es denn?"

Rin ergriff nun die Hand von Kimie. "Ich möchte gerne zu Sesshoumaru-sama. Kommst du mit?"

"Ja, ist gut", antwortete Kimie mit einem Lachen, ehe sie auch schon von dem kleinen Mädchen weggezogen wurde. Kimie hatte es lediglich noch geschafft ein "Bis später!" an Kagome und ihre Freunde zu richten, bevor sie mit Rin im Schloss verschwand, wie gewohnt dabei begleitet von Inuki. Erst als sie sich in den Gängen befanden, drosselte Rin das Tempo wieder.

"Weißt du, wo Sesshoumaru-sama ist?", fragte sie Kimie abwartend, die aber zunächst nur etwas unschlüssig mit den Schultern zuckte.

"Nicht wirklich, aber wir könnten ja mal in seinem Zimmer nachsehen", schlug sie vor. Rin nickte einverstanden.

Während Kimie und Rin zusammen mit Inuki durch die Gänge des Schlosses gingen, hörte Inuki nach einer Weile Schritte von einer einzelnen Person. Er spitzte die Ohren und blieb stehen, was auch die beiden Mädchen dazu veranlasste, ebenfalls stehen zu bleiben.

"Was ist denn los, Inuki?", fragte Rin den Hund, dessen Blick aufmerksam nach vorne gerichtet war. Kimie schaute nunmehr in die selbe Richtung und erkannte kurz darauf auch den Grund, warum Inuki so plötzlich stehen geblieben war. Hinter einer Biegung am Ende des Ganges tauchte nun nämlich eine andere Person auf. Kimie erkannte sie sofort.

>Das ist doch eine von den Panther-Dämonen. Touran, wenn ich mich nicht irre.<

Während Kimie im ersten Moment noch etwas unschlüssig darin war, was genau sie jetzt machen sollte, kam Touran direkt auf sie, Rin und Inuki zu. Schließlich trat Kimie einen Schritt zur Seite, wobei sie Rin sanft mit sich zog, damit Touran an ihnen vorbeigehen konnte. Kimie empfand es als besser, dieser ihr noch gänzlich fremden Dämonin mit gebührender Vorsicht gegenüberzutreten. Zwar bemerkte das Mädchen ganz genau, wie Touran ihr im Vorbeigehen einen Blick zuwarf, aber trotzdem wortlos an ihr, Rin und Inuki vorbeiging.

Kimie schaute der Panther-Dämonin noch einen Moment lang hinterher, bis sie am anderen Ende des Ganges hinter einer weiteren Biegung wieder verschwunden war. Ein etwas beklemmendes Gefühl hatte das Mädchen schon gehabt.

>Oje... Vielleicht bin ich mittlerweile dämonengeschädigt oder so was. Ich muss wohl mal wieder eine Zeit lang nur unter Menschen verbringen<, dachte Kimie ein wenig selbstironisch, bis sie ein leichtes Ziehen an ihrem Jackenärmel bemerkte.

"Kimie-san! Gehen wir weiter?", fragte Rin erwartungsvoll. Ihr hatte die kurze Begegnung mit Touran scheinbar überhaupt nichts ausgemacht, ebenso wenig wie Inuki, der seine Herrin momentan mit einem ähnlichen Blick anzusehen schien, wie Rin es tat. Kimie musste nun doch leicht lächeln und nickte auf Rins Frage hin.

"Ja, natürlich. Gehen wir weiter."

Schließlich waren Kimie, Rin und Inuki an Sesshoumarus Zimmer angekommen und standen nun vor der Schiebetür. Zunächst klopfte Kimie an diese nur einmal zaghaft an und lauschte. Es dauerte auch nicht lange, da hörte man von drinnen ein "Kommt rein." seitens Sesshoumaru. Kimie war sich sehr sicher gewesen, dass er bereits wusste, dass es sie, Rin und Inuki gewesen waren, die zu ihm wollten. Nichts desto trotz öffnete Kimie nun die Tür und entdeckte Sesshoumaru mit dem Rücken an der Wand lehnend auf dem Boden sitzend.

"Hallo, Sesshoumaru!", grüßte sie den Youkai. "Hast du gerade Zeit? Da will dich nämlich jemand besuchen." Und kaum, dass sie das gesagt hatte, betrat Rin den Raum und lief auf Sesshoumaru zu.

"Sesshoumaru-sama!"

Freudig umarmte Rin ihn einmal ausgiebig, ehe sie sich fröhlich lächelnd neben ihn setzte. Als auch Kimie das Zimmer betreten und die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, kam auch sie mit Inuki näher.

"Ich hoffe, wir kommen nicht ungelegen?", fragte sie, woraufhin Sesshoumaru erwiderte: "Nein. Im Moment ist erstmal alles erledigt."

Kimie konnte sich nicht helfen, aber irgendwie hatte sie das komische Gefühl, dass Touran noch bis eben bei Sesshoumaru gewesen war. Jedenfalls war die Dämonin aus genau der selben Richtung gekommen, in welcher sein Zimmer lag. Aber recht schnell schob Kimie ihre Gedanken hinsichtlich dessen wieder beiseite. Wenn Touran bei Sesshoumaru gewesen war, hatte es sich garantiert nur um eine Unterhaltung während der aktuellen Situation gehandelt. Stattdessen machte sich Kimie recht schnell Gedanken um etwas ganz anderes und zwar um Jaken. Denn normalerweise war dieser ja entweder bei Sesshoumaru oder auch bei Rin. Doch schon seit Stunden hatte Kimie den Krötendämon nun nicht mehr gesehen. Von daher fragte sie Sesshoumaru nun: "Sag mal, Sesshoumaru, weißt du eigentlich, wo Jaken geblieben ist? Es scheint mir irgendwie so, als habe er sich seit vorhin in Luft aufgelöst."

Anstatt von dem Youkai erhielt Kimie aber daraufhin eine Antwort von Rin: "Also, ich habe ihn vorhin zuletzt dort gesehen, wo Tôya-sama nach unserer Ankunft Ah-Un hingebracht hat. Und Jaken-sama sah ziemlich deprimiert aus und hat irgendwas davon gemurmelt, dass ja alle so gemein zu ihm wären und so."

"Oje, der arme Kerl fühlt sich hier wohl etwas unterdrückt, wie mir scheint...", meinte Kimie mit einem etwas verlegenen Lächeln.

Inuki schien sich momentan hingegen keinerlei Sorgen oder Gedanken um irgendetwas zu machen. Stattdessen machte er es sich nun mitten im Zimmer ein wenig bequem, rollte sich zusammen und versteckte seine Nase unter seinem flauschigen Schwanz. Und während Rin ein wenig mit Sesshoumaru sprach, wobei einem auch der Eindruck hätte kommen können, sie habe ihn schon seit Monaten nicht mehr gesehen, trat Kimie auf die Veranda hinaus und genoss die frische Luft. Ihre Blicke richteten sich dabei auch hin und wieder auf den einen oder anderen Inu-Youkai, der über den großen Innenhof ging. Sie fragte sich, wie viele von ihnen wohl noch ähnliche Ansichten zu haben schienen, wie schon die beiden anderen, die sich zuvor in der Gegenwart der Freunde nicht gerade positiv über Sesshoumaru geäußert hatten, wenn man zudem auch noch berücksichtigen musste, dass sich laut Kakerus Aussage mehrere momentan auch gar nicht im Schloss aufhielten. Andererseits gab es auch wieder solche Inu-Youkai, wie Ashitaka und seine Mutter Sakura. Aber hinsichtlich dessen mussten Kimie und die anderen wohl einfach abwarten, was passieren würde. Allerdings empfand es Kimie als besser, Sesshoumaru erstmal nichts von dem Zwischenfall, der sich vor einer Stunde zugetragen hatte, zu erzählen. Auch Rin schien hinsichtlich dessen noch kein einziges Wort dem Youkai gegenüber verloren zu haben. Kimie wollte zudem nicht unnötig Öl ins Feuer gießen und es besser erstmal dabei belassen.

Während sie noch so in ihre Gedanken versunken auf der Veranda stand, schaute Kimie auch hin und wieder in das Zimmer zurück, in welchem nach wie vor Rin fröhlich mit Sesshoumaru redete und Inuki friedlich vor sich hindöste.
 

"Ich kann der Idee, dass wir hier bleiben sollen, immer noch nicht sonderlich viel abgewinnen, Nee-san!", beschwerte sich Karan bei ihrer älteren Schwester, während die vier Geschwister zusammen im Gang vor einem der Zimmer standen, dass ihnen zugewiesen wurde. Touran konnte Karans Unmut zwar nachvollziehen, blieb aber bei ihrer Entscheidung.

"Momentan ist es so aber das Beste", erwiderte sie. "Ich habe eben ausführlich mit Sesshoumaru gesprochen, aber hier scheinen die Übergriffe noch nicht so heftig ausgefallen zu sein. Aber keiner von uns weiß, inwiefern sich die Situation hier im Westen allgemein noch verschärfen könnte. Deswegen ist es für uns alle momentan das Beste, wenn wir zusammenarbeiten."

Karan entwich ein erschöpftes Seufzen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. "Wenn es denn unbedingt sein muss... Aber ihre Flöhe sollen diese Hunde mal schön bei sich behalten!"

"Was macht dich so sicher, dass wir überhaupt welche hätten?", fragte eine ruhige männliche Stimme mir einem amüsiert klingenden Unterton, kaum, dass Karan ihren Satz beendet hatte. Die Überraschung darüber, dass die Geschwister anders als gedacht nicht nur unter sich gewesen waren, ließ sie im ersten Moment doch kurz überrascht aufhorchen. Sofort wandten sie ihre Blicke um und entdeckten Kakeru nur wenige Meter entfernt stehen. Dieser verneigte sich nun leicht vor den Panther-Dämonen.

"Ich wollte euch nicht erschrecken", sagte er ruhig, doch Touran schüttelte sogleich den Kopf. "Nein, es ist schon in Ordnung. Ihr seid Kakeru, richtig?"

"Ja, das stimmt", antwortete Kakeru, als er nun auf die Geschwister zukam. "Ich will euch aber auch nicht unnötig belästigen. Einen angenehmen Aufenthalt noch", sprach er weiter in seiner gewohnt gelassenen Art weiter, ehe er mit diesen Worten auch schon an ihnen vorbei schritt und schließlich hinter einer Biegung wieder verschwand. Die Panther-Dämonen hatten ihm bis zuletzt hinterher geschaut.

"Wo kam der denn so plötzlich her?", fragte sich Shunran schließlich. "Ich habe gar nicht mitbekommen, wie er sich uns genähert hat."

Karan nickte und fügte misstrauisch hinzu: "Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie ist der Typ mir unheimlich..."

"Höre ich da etwa einen Unterton von Angst?", fragte nun Shuuran seine Schwester als wollte er sie ein wenig aufziehen, doch sofort funkelte diese ihn warnend an und entgegnete: "Ich und Angst?! Das soll doch wohl ein Witz sein!?"

Unterdessen hatte sich Shunran ihrer Schwester Touran zugewandt, doch diese wirkte momentan irgendwie in Gedanken versunken. Also fragte Shunran sie nach einem Moment: "Was hast du, Nee-san? Stimmt etwas nicht?"

"Ich mache mir nur so meine Gedanken wegen diesem fremden Mädchen", antwortete die Ältere nachdenklich. "Ich bin ihr eben auf dem Gang begegnet, zusammen mit dem kleinen Menschenkind. Mir scheint, die beiden wollten zu Sesshoumaru."

Touran richtete ihren Blick nun in die Richtung, aus der sie zuvor selbst gekommen war, nachdem sie mit Sesshoumaru gesprochen hatte. Es vergingen einige Sekunden, doch schließlich bemerkte sie, dass ihre Geschwister sie nun äußerst prüfend beäugten. Unschlüssig fragte Touran sie daher: "Was habt ihr? Was guckt ihr mich denn so an?"

Shunran zog daraufhin skeptisch eine Augenbraue hoch. "Vielleicht bilde ich mir das ja nur ein, Nee-san, aber könnte es sein, dass du gerade einen gewissen Unterton in deiner Stimme hattest?"

Touran wirkte nun doch etwas verunsichert. Es schien zwar als ahnte sie, was ihre jüngste Schwester gemeint hatte, dennoch antwortete sie nur mit einer prüfenden Gegenfrage: "Worauf willst du hinaus?"

Aber daraufhin verschränkte Shunran nur die Arme hinter dem Kopf und wandte den Blick von Touran ab. "Ach, eigentlich nichts. Vergiss es! Ist schon gut."

Auch Karan und Shuuran schienen aus Shunrans zuvor gestellter Frage für sich selbst geschlossen zu haben, was ihre Schwester gemeint hatte. Wenngleich Shuuran sich jedoch nicht weiter dazu äußerte, machte Karan eindeutig klar, was sie von der Sache hielt: "Shunran, dieser Gedanke ist ja grässlich! Bitte lass diese geschmacklosen Witze!"

Touran ließ ihre Geschwister noch ein wenig miteinander diskutieren, während sie selbst sich nun zurückzog. Allerdings verschwendete sie selbst an der Frage ihrer jüngsten Schwester schon bald keine Gedanken mehr.
 

Während der Tag allmählich voranschritt, hatte sich Kagome auch weiterhin am großen Teich des Schlossgartens aufgehalten und befand sich mittlerweile auch allein dort. Unter dem Pavillon sitzend genoss sie die angenehme Ruhe und die frische Luft und beobachtete hin und wieder die Fische, die im Teich umher schwammen. Die anderen hatten sich ins Schloss zurückgezogen oder hielten sich anderweitig auf dem Gelände auf, doch Kagome hatte es vorgezogen, den Nachmittag ein wenig im Schlossgarten zu verbringen. Irgendwann verließ sie den Pavillon jedoch und spazierte ein wenig im Garten herum. Dabei sprang ihr dabei keine Minute später eine Mauer ins Auge, die jedoch nicht zur äußeren schützenden Schlossmauer gehörte, zumal sie auch recht niedrig war. Zugleich ließ ihre Lage unweigerlich darauf schließen, dass sich dahinter irgendetwas befand. Kagome schaute sich kurz um, ehe sie sich dazu entschloss, etwas näher an die Mauer heranzugehen. Und während sie sich allmählich näherte, hörte sie plötzlich ein zischendes Geräusch, das ihr sehr bekannt vorkam.

"Das klingt ja wie... Ob er das vielleicht ist?"

Die Neugier packte Kagome jetzt nur noch mehr. An der Mauer angekommen, versuchte sie zu lauschen und hörte das selbe zischende Geräusch tatsächlich noch einmal. Kagome wollte jetzt unbedingt in Erfahrung bringen, was genau sich hinter dieser Mauer verbarg und hob prüfend ihren Blick. Die Mauer war wirklich nicht sonderlich hoch gewesen, würde sie einmal einen tüchtigen Sprung wagen, konnte sie sich bestimmt an ihr hochziehen und rüberschauen. Das tat Kagome schließlich auch und nahm Anlauf für ihr Vorhaben. Sie sprang und bekam tatsächlich den oberen Rand der Mauer zu fassen. Es kostete sie zwar ein wenig Mühe, aber letztendlich hatte sie es doch noch geschafft und konnte endlich auf die andere Seite schauen. Und was sie da sah, bestätigte nun einerseits ihre Vermutung, bereitete ihr aber dennoch zeitgleich eine Überraschung. Hinter der Mauer hatte Kagome Subaru entdeckt und es schien, als übte er ein wenig das Bogenschießen. Die zischenden Geräusche, die Kagome zuvor gehört hatte, mussten also von seinen Pfeile gestammt haben. Ohne auf sich aufmerksam zu machen, konnte Kagome nun beobachten, wie Subaru einen weiteren Pfeil aus seinem Köcher entnahm und diesen auf seinen Bogen spannte. Er visierte sein Ziel an und schoss. Die in etwa 200 Metern entfernte Zielscheibe traf der schnelle Pfeil genau in der Mitte, wie auch schon zuvor die ersten beiden Pfeile, die Kagome gehört hatte. Aber Subaru musste schon vorher hier geübt haben, denn es steckten noch weitere Pfeile im Bereich der Mitte in der Zielscheibe. Kagome war sehr beeindruckt gewesen, doch als Subaru kurz darauf einen weiteren Pfeil auf seinen Bogen spannte, erneut schoss und seinen zuvor abgeschossenen Pfeil mit dem jetzigen traf und regelrecht spaltete, klappte dem Mädchen die Kinnlade runter.

"Unglaublich! Aus der Entfernung!", brach es aus Kagome heraus, doch sofort wurde ihr klar, dass sie sich nun verraten hatte. >Ups! Erwischt...<

Zögerlich wanderte ihr Blick zu Subaru. Der Youkai hatte das Mädchen seinerseits ebenfalls genau ins Auge gefasst. Etwas mulmig war Kagome nun doch zumute. Verlegen versuchte sie, zu erklären: "Ähm... Glaubt bitte nicht, dass ich Euch nachschnüffeln wollte! Ich habe nur zufällig mitbekommen, dass Ihr hier geübt habt und dachte mir, vielleicht kann ich ja beim Zuschauen etwas von Euch lernen..."

Als Subaru zuerst jedoch nichts darauf erwiderte, senkte Kagome etwas verunsichert den Blick. Irgendwie kam sie sich momentan wie ein Idiot vor, wie sie so über die Mauer schaute und sich nun nicht mal mehr traute, wieder von dieser runterzurutschen.

"Dann versuch es", hörte Kagome jedoch plötzlich Subaru sagen und schaute wieder auf. "Du hast schon richtig verstanden. Komm her und versuch es", wiederholte der Youkai und machte dem Mädchen mit einem Nicken deutlich, dass es zu ihm kommen sollte. Zuerst zögerte Kagome noch, kletterte dann jedoch über die Mauer, sprang auf der anderen Seite von dieser hinunter und ging auf Subaru zu.

"Wo ist deine Ausrüstung?", fragte er sie als sie bei ihm angekommen war, doch Kagome schüttelte nur den Kopf.

"Ich habe meinen Bogen und meine Pfeile nicht dabei. Sie sind in meinem Zimmer", erklärte sie, ehe sie ihren Blick in die Richtung der Zielscheiben lenkte. "Und außerdem ist das doch viel zu weit weg. Mein Pfeil würde ja nicht mal die halbe Strecke schaffen..."

"Mit einem Han-kyû (Kurzbogen) kriegst du das auch nicht hin. Versuch es besser hiermit." Mit diesen Worten hielt Subaru ihr seinen Langbogen hin. "Mit viel Übung erreicht man mit so einem Bogen auch Ziele in bis zu 300 Metern Entfernung."

"Hmm..." Kagome schaute nachdenklich auf den Bogen in ihrer Hand. Sie hatte zwar schon eine gewisse Übung mit Pfeil und Bogen und war damit auch durchaus geschickt geworden, wenn man das mit ihren Leistungen ganz zu Anfang verglich. Aber beim Anblick der in 200 Metern entfernten Zielscheibe, zögerte sie. War sie schon so weit?

Unter den prüfenden Blicken von Subaru spannte Kagome schließlich einen Pfeil, den Subaru ihr ebenfalls zur Verfügung gestellt hatte, auf den Bogen und visierte ihr Ziel an.

"Deine Haltung ist gut", sagte der Youkai, was Kagome durchaus mit einem wohltuenden Gefühl vernahm, wenngleich der Umgang mit diesem größeren Bogen für sie doch etwas befremdlich war, war sie ja schließlich an ihren eigenen, wesentlich kleineren Bogen gewöhnt. Dann konzentrierte sie sich jedoch wieder auf die Zielscheibe und schoss. Der Pfeil flog zwar genau auf sein Ziel zu, blieb jedoch mehrere Meter davor im Boden stecken. Kagome gab ein frustriertes Seufzen von sich.

"Die Flugbahn war schon mal ganz gut, aber du hast die Sehne nicht ausreichend genug gespannt", sagte Subaru, der alles ganz genau beobachtet hatte und seinen Blick nun wieder auf Kagome richtete. "Aber mit etwas mehr Übung wird das schon noch klappen. Lass dir Zeit."

Kagome war zugegeben mehr als überrascht und verblüfft gewesen. So, wie Subaru gerade mit ihr sprach, hatte er überhaupt nichts mehr von dem abweisenden und verächtlichen Verhalten, wie er es zu Anfang gezeigt hatte. Zwar lag in seiner Stimme noch ein gewisser kühler Ton, doch wirkte er trotzdem viel freundlicher. Kagome war sich zunächst aber nicht sicher, was sie von diesem scheinbaren plötzlichen "Sinneswandel" überhaupt halten sollte.

"Du heißt Kagome, nicht wahr?", fragte Subaru das Mädchen schließlich, das bejahend nickte, dann jedoch etwas fragend dreinschaute, als der Youkai es genauestens musterte.

"Was ist?", fragte Kagome, woraufhin Subaru ihr wieder ins Gesicht sah und zu ihrer Überraschung antwortete: "Ich hatte schon so eine Vermutung. Du bist eine Miko."

"Nun ja, eigentlich bin ich ja mehr die Wiedergeburt einer solchen", erwiderte Kagome. "Aber woher wisst Ihr das?"

"Mein Gefühl täuscht mich selten", antwortete Subaru wie selbstverständlich, während er Kagome den Bogen wieder abnahm. Es schien auch so, als wollte der Youkai seine Übungen erstmal ebenfalls beendet.

Bevor er aber eventuell einfach so gehen konnte, sprach Kagome ihn noch mal an: "Sagt mir bitte, was hat Eure Meinung geändert?"

Subaru hielt in seiner Bewegung inne und wandte den Blick erneut zu dem Mädchen um. Prüfend fragte er nach: "Meine Meinung geändert?"

"Ich rede von Eurem Verhalten meinen Freunden und mir gegenüber", erklärte Kagome ihm. "Ihr ward ja nicht gerade begeistert von unserem Eintreffen hier. Und trotzdem habt Ihr mir vorhin geholfen, wofür ich Euch gerne noch danken möchte." Sie verbeugte sich leicht, ehe sie weiter sprach: "Aber warum habt Ihr das getan? Ich möchte irgendwie kaum glauben, dass hier der ein und derselbe Youkai vor mir steht."

Subaru wusste nun ganz genau, was das Mädchen gemeint hatte. Er schien sich davon aber keinesfalls beirren zu lassen. Eher im Gegenteil, auch weiterhin hatte er dieses Unnahbare an sich. Subaru erwiderte schließlich kühl: "Ich habe mich nicht verändert, wenn du darauf anspielst. Ich weiß nach wie vor um die Stärken von euch Menschen und es sind wahrlich nicht viele!"

"Oh..."

Für einen kurzen Moment spielte Kagome schon mit dem Gedanken, vielleicht besser wieder zu gehen, doch wenn sie schon die Gelegenheit bekommen hatte, mit Subaru zu sprechen, dann wollte sie diese Gelegenheit auch für sich nutzen. Also blieb sie und entgegnete zunächst etwas zögerlich, dann aber mit fester Stimme auf seine Aussage: "Das... das mag ja alles stimmen, dass Menschen nicht so stark sind, wie so mancher Youkai, aber wir sind deswegen noch lange nicht nutz- oder gar wertlos! Wir haben genauso ein Recht darauf, zu leben wie jeder andere auch! Unabhängig davon, wie unsere Abstammung auch sein mag! Das gilt auch für Inu Yasha!"

Als Kagome den Namen des Hanyou erwähnt hatte, schaute Subaru das Mädchen äußerst prüfend an. "Sesshoumaru-samas Halbbruder scheint dir ja sehr am Herzen zu liegen", vermutete er, woraufhin sie ein wenig den Blick senkte, ehe sie nach einer kurzen Pause leise antwortete: "Nun ja... Er ist mir schon sehr wichtig."

Im nächsten Augenblick hätte sich Kagome regelrecht dafür ohrfeigen können, dass sie ausgerechnet Subaru gegenüber geäußert hatte, wie sie über Inu Yasha dachte. Aber in diesem Moment war ihre Antwort fast automatisch gekommen. Die Tatsache, dass Subaru zunächst stumm blieb und sich nicht dazu äußerte, irritierte Kagome jedoch ein wenig. Zögerlich hob sie ihren Blick wieder und sah den Youkai abwartend an. Dieser kam daraufhin auf sie zu und blieb nach wenigen Schritten direkt neben ihr stehen. Er sah sie jedoch nicht an, während er wieder sprach: "Verstehe mich nicht falsch, Mädchen, aber sieh den Tatsachen ins Gesicht. Menschen und Dämonen passen nicht zusammen. Das bekommen die existierenden Halbdämonen oft genug am eigenen Leib zu spüren. Das Beste ist daher, jeder bleibt bei seinesgleichen und belässt es auch dabei."

Und damit ging Subaru auch schon an Kagome vorbei und ließ sie allein an Ort und Stelle zurück. Aber Kagome wollte auf seine Worte unbedingt noch etwas erwidern, doch fiel ihr nichts ein, was sie jetzt hätte sagen können. Denn eigentlich hatte Subaru in einem gewissen Sinne Recht gehabt. Kagome musste sich dabei nur an das zurückerinnern, was sie bisher aus Inu Yashas Vergangenheit mitbekommen hatte. Von Menschen gemieden und von Dämonen stets von oben herab als wertloses Halbblut betrachtet, das waren die Dinge, die Inu Yasha auch heute noch ab und zu zum Nachdenken brachten, wenn er mal für sich allein war und sich an seine Kindheit erinnerte. Nach außen hin, zeigte er es seinen Freunden zwar nicht, aber besonders Kagome hatte ihm oft angesehen, dass seine Vergangenheit ihn nicht losließ. Aber auch in Subarus Vergangenheit musste etwas vorgefallen sein, sofern sich Kagome richtig an die Bemerkung von einem der beiden Inu-Youkai zurückerinnerte. Gerne hätte das Mädchen gewusst, was damals vorgefallen war, vielleicht lag darin ja der Grund für das eigenartige Verhalten Subarus. Aber Kagome hatte deutlich spürbare Hemmungen ihn jetzt eventuell so direkt danach zu fragen. So blieb ihr im Moment scheinbar nichts anderes übrig, als Subaru nur mit ihrem Blick zu folgen, bis er aus ihrer Sicht verschwunden war, ohne sich eventuell noch mal zu ihr umgedreht zu haben.

>Eigenartig... Anstatt, dass mal etwas klarer wird, scheinen sich stattdessen immer nur weitere Fragen aufzutun<, dachte Kagome, ehe auch sie sich erstmal wieder zurückzog. Mit ihren Gedanken war sie noch lange bei der Sache mit Subaru.
 

Der Tag neigte sich so langsam dem Ende entgegen und irgendwann war auch die Sonne hinter dem Horizont verschwunden, um dem nun am nächtlichen Himmel erscheinenden Mond und den Sternen Platz zu machen. Während die Nacht allmählich voranschritt und inzwischen auch im Schloss längst Ruhe eingekehrt war, stand Ashitaka noch zusammen mit Tôya auf der Veranda des zweiten Stockwerkes des Schlosses. Neben ihrer Unterhaltung hörte man noch ab und zu aus dem nahe gelegenen Wald den Ruf einer Eule.

"Warum müssen wir uns jetzt auch noch die Anwesenheit dieser Katzenviecher antun?", fragte Tôya mürrisch und noch immer verärgert von seiner verbalen Auseinandersetzung mit den Panther-Dämonen. "Da sträuben sich einem ja die Nackenhaare bei dem bloßen Gedanken!"

"Bleib ganz ruhig, Tôya. Es sind doch schließlich nur vier", versuchte Ashitaka seinen Kameraden zu beschwichtigen. "Geh ihnen einfach aus dem Weg und damit hat's sich dann auch."

"Das brauchst du mir nicht zu sagen. Ich werde mich hüten, denen freiwillig über den Weg zu laufen!"

Nichts desto trotz musste Ashitaka nun doch leicht lächeln. Tôyas Missgunst gegenüber Katzendämonen von so ziemlich jeglicher Art traf auch auf den Großteil der anderen Inu-Youkai zu. Ashitaka selbst hatte eher weniger seine Probleme mit Touran und ihren Geschwistern. Um Tôya nun jedoch ein wenig abzulenken, wollte Ashitaka gerade das Thema wechseln, als der Ältere jedoch auf etwas aufmerksam geworden zu sein schien. Und auch Ashitaka hörte nun etwas in unmittelbarer Nähe. Tôya schaute nun die Veranda entlang bis zu einer Biegung. Ohne Zweifel versteckte sich hinter der Ecke jemand, den er sehr gut kannte.

"Miyuki! Was ist los? Warum versteckst du dich?"

Und kaum, dass er ihren Namen ausgesprochen hatte, tauchte wirklich Miyuki hinter der Biegung auf. Mit einem verlegenen Lächeln kratzte sie sich an der Wange und fragte zögerlich: "Woher... hast du gewusst, dass ich es bin, Nii-sama?"

"Ich bin dein Bruder, ich weiß alles über dich.", entgegnete Tôya wie selbstverständlich, ehe er sie fragte: "Warum bist du hier? Ist etwas passiert?"

"Ach! Ich dachte, du weißt alles", sagte Miyuki nun wieder üblich selbstbewusst und stemmte die Hände in die Hüften. Dann winkte sie jedoch mit einem kurzen fröhlichen Lachen ab. "Nein, es ist nichts passiert. Ich konnte nur noch nicht schlafen und wollte ein wenig frische Luft schnappen. Scheinbar war ich aber nicht die Einzige, die diese Idee gehabt hat, wenn ich mir euch zwei hier so ansehe."

"Könnte es nicht auch sein, dass du dich etwas allein gefühlt hast?", fragte Ashitaka nun prüfend nach. "Ich meine, es ist schließlich nichts ungewöhnliches dabei, wenn kleine Mädchen sich nachts im Dunkeln ein wenig fürchten." Doch diese Bemerkung hätte er wohl besser für sich behalten, denn Miyuki funkelte ihn sofort derart durchdringend an, dass einem das Blut in den Adern hätte gefrieren können.

"Wie war das eben?! Ich soll mich fürchten?!" Wütend packte Miyuki Ashitaka nun an dessen langen Zopf. "Sag das noch einmal, wenn du dich traust!"

"Au! Miyuki-chan, lass mich los! Das war doch nur ein Witz, jetzt beruhige dich doch wieder! Au!"

Auf diese Attacke war Ashitaka überhaupt nicht vorbereitet gewesen, aber alles Bitten half zunächst überhaupt nichts. Miyuki ließ keine einzige Sekunde von ihm ab. Tôya beobachtete das Schauspiel mit wachsender Skepsis.

"Wenn ihr zwei weiter so einen Radau macht, weckt ihr noch das ganze Schloss auf", bemerkte er trocken, als er wie auf Kommando hörte, wie eine Schiebetür geöffnet wurde und zwar zwei Stockwerke über dem momentanen Aufenthaltsort der drei Inu-Youkai. Als Tôya seinen Blick entsprechend nach oben richtete, entdeckte er Sesshoumaru auf der Veranda.

"Was macht ihr da unten?", fragte Sesshoumaru im üblichen Ton, woraufhin Ashitaka und Miyuki kurzzeitig wie versteinert auf der Stelle verharrten, ehe auch sie ihre Blicke nach oben richteten.

Sofort ließ Miyuki Ashitakas Zopf wieder los, während Ashitaka sich daraufhin an seinen Cousin wandte: "Nichts! Es ist alles in Ordnung, Sesshoumaru."

"Dann hört mit dem Lärm auf!" Und mit dieser Anweisung verschwand Sesshoumaru wieder in seinem Zimmer und schloss die Schiebetür hinter sich. Jetzt herrschte wieder Stille.

"Ich habe es euch ja gesagt", sagte Tôya nach einem Moment an Ashitaka und Miyuki gewandt und es klang auch ein wenig tadelnd.

Ashitaka ließ ein leises Seufzen verlauten. "Sag das deiner Schwester...", erwiderte er nur, während er nun sein Haarband löste, da Miyukis Aktion bei ihm so seine Spuren hinterlassen hatte. Wohl oder übel musste Ashitaka seine Haare erstmal wieder bändigen. Und während er damit zu tun hatte, richtete er das Wort noch mal an Miyuki: "So ein Gehabe passt nicht sonderlich gut zu dir, Miyuki-chan. Denn eigentlich bist du ein nettes Mädchen."

"Wie?" Miyuki schien gar nicht genau zu wissen, wie sie auf diese Bemerkung reagieren sollte. Derartiges hatte sie Ashitaka zum ersten Mal sagen hören. Tôya hingegen glaubte nunmehr auf dem Gesicht seiner Schwester so was wie leicht gerötete Wangen zu sehen, was ihn doch ein wenig amüsierte.

Schließlich hatte Ashitaka seiner Haare wieder zusammengebunden bekommen, schien sich nun aber auch besser für die Nacht zurückziehen zu wollen.

"Nehmt es mir nicht übel, aber ich glaube, ich geh dann mal", meinte er an Tôya und Miyuki gewandt.

Tôya nickte. "Ist gut. Bis morgen Früh!"

Und als Ashitaka schon ein paar Schritte gegangen war, rief ihm Miyuki noch schnell hinterher: "Schlaf gut, Ashitaka!"

Ashitaka hatte sich daraufhin noch mal kurz umgedreht und sie angelächelt. Dann setzte er seinen Weg fort und war schon sehr bald verschwunden. Das hinderte Miyuki aber nicht daran, auch weiterhin noch in die Richtung zu schauen, in die er gegangen war.

"Was war denn das gerade?", drang jedoch plötzlich die Stimme von Tôya an Miyukis Ohr und holte sie wieder aus ihren Gedanken. Als sie den amüsanten Blick ihres Bruders bemerkte, schaute sie ihrerseits etwas unschlüssig drein.

"Was war was?"

"Tu nicht so, Schwesterchen!", erwiderte Tôya und nickte einmal in die Richtung, in die Ashitaka zuvor gegangen war. "Erst attackierst du ihn, wie eine wild gewordene Furie und dann schaust du ihm ganz verträumt hinterher und wünschst ihm einen guten Schlaf."

"Worauf willst du hinaus?" Miyuki schaute ihren Bruder äußerst skeptisch an. Teilweise glaubte sie zu ahnen, worauf er anspielte, aber sicher war sie sich nicht gewesen.

Gespannt wartete sie daher auf seine Antwort, die zunächst nur ganz knapp ausfiel: "Ganz einfach!" Sofort machte Tôya wieder eine geheimnisvolle Pause, als wollte er Miyuki noch ein wenig auf die Folter spannen, ehe er schließlich aussprach, was er vermutete: "Du magst Ashitaka. Ist doch so, oder? Ich glaube, du bist sogar ein kleines bisschen in ihn verknallt."

Trotz der Dunkelheit konnte man dennoch förmlich erkennen, wie Miyukis Kopf mit einem Mal knallrot anlief. Zuerst starrte sie ihren Bruder nur völlig perplex an, ehe sie vehement versuchte, seine Behauptung zu widerlegen und energisch erwiderte: "Argh! So ein Blödsinn! Ich bin doch nicht in Ashitaka verknallt! Erzähl nicht so einen Schwachsinn, Nii-sama!"

Zu sehen, wie sich seine kleine Schwester gerade so aufregte, fand Tôya durchaus amüsant. Unbeeindruckt von ihrer Reaktion lächelte er nur, als er weiter sprach und sich dabei mit dem Rücken an das Geländer der Veranda lehnte: "Warum streitest du so energisch ab? Es ist doch nichts weiter dabei, wenn du ihn magst. Außerdem wäre er doch eine ziemlich gute Partie."

Miyuki zog skeptisch eine Augenbraue hoch. "Was verstehst du denn bitte unter einer guten Partie, Nii-sama? Als ob es überhaupt auf so was ankommen würde..."

Tôya beobachtete seine kleine Schwester ganz genau. Für sich selbst war er sich schon seit einiger Zeit ziemlich sicher gewesen, dass er mit seiner Vermutung hinsichtlich ihr und Ashitaka Recht gehabt hatte.

"Hast ja Recht, Schwesterchen. Darum geht es wirklich nicht", sprach er schließlich weiter. "Ich wollte eigentlich auch nur sagen, dass ich mich für dich freue und du ihm auch ruhig sagen könntest, wie du über ihn denkst. Er mag dich doch schließlich auch."

Der Blick, den Miyuki ihrem Bruder jetzt zuwarf, war gekennzeichnet von Unglaube und Irritation. Dementsprechend war auch ihre Reaktion: "Der?! Davon träumst du wohl! Und warum macht er mich dann immer so runter?"

In der Tat konnte sich Miyuki nur sehr schlecht vorstellen, dass Ashitaka ihr gegenüber auch nur ansatzweise so was wie Respekt zeigen konnte. Und dann sollte er sie mögen? Das war doch zu verrückt!

Aber Tôya schien dies ganz anders zu sehen. Er antwortete auf Miyukis Frage nur mit einem amüsierten Lächeln und belehrend emporgehobenen Zeigefinger: "Das ist vermutlich nur seine Art, um dir zu zeigen, dass er dich mag. Er will deine Aufmerksamkeit erregen."

Dieser Erklärung konnte Miyuki allerdings nicht unbedingt etwas abgewinnen. "Wie bescheuert ist das denn bitte? Jetzt weiß ich endgültig, warum ich Jungs schon immer blöd fand!"

"Aber aus diesem Alter bist du doch mittlerweile raus", meinte Tôya wie zum Scherz, woraufhin seine Schwester etwas beleidigt eine Schnute zog.

"Und was ist mit dir, Nii-sama?", fragte sie schließlich etwas herausfordernd. "Du hast wohl nicht vor, in naher Zukunft mal nach einem Mädchen Ausschau zu halten, was? Und dabei bist du weitaus älter als ich."

Tôya war sofort klar, dass Miyuki ihn mit dieser Anspielung nur aus der Reserve locken wollte. Aber darauf eingehen, tat er nicht wirklich, sondern erwiderte nur gelassen: "Ich verspüre momentan keinen derartigen Drang. Aber haben wir bis eben nicht noch über dich und Ashitaka gesprochen? Du willst wohl schnell das Thema wechseln, was?"

Jetzt hatte Miyuki aber genug gehört. Diese Unterhaltung ging ihr mittlerweile nur noch gegen den Strich.

"Pah! Lass mich doch mit deinen Fantastereien in Ruhe!", entgegnete sie nur patzig, während sie sich schon umgedreht hatte und ging. "Ich geh schlafen. Gute Nacht!" Und nur ein paar Sekunden später was das Dämonenmädchen auch schon wieder verschwunden. Tôya hingegen blieb seinerseits noch einen Moment auf der Veranda stehen, ehe auch er sich dazu entschloss, sich für die Nacht zurückzuziehen. Miyukis Abgang beunruhigte ihn nicht. Sie fuhr schließlich immer etwas schnell aus der Haut, wenn man etwas ansprach, was sie eventuell in Verlegenheit brachte. Ebenso schnell beruhigte sie sich aber auch immer wieder. Zudem war sich Tôya sehr sicher gewesen, dass Miyuki zuvor versucht hatte, ihn und insbesondere Ashitaka heimlich zu beobachten, weshalb sie auch nicht von selbst zu ihnen hinzugekommen war. Aber mit Ashitaka hatte Tôya über seinen Verdacht, den er eben seiner Schwester gegenüber geäußert hatte, jedoch noch nie gesprochen. Das würde er auch in Zukunft nicht machen. Da wollte er einfach abwarten, was passieren würde.
 

Kimie fiel es in dieser Nacht merkwürdig schwer, einzuschlafen. Sie lag bestimmt schon seit Stunden wach und hatte sich noch nicht mal die Mühe gemacht, sich umzuziehen. Stattdessen lag sie mit einer Taschenlampe bewaffnet auf ihrem Futon und versuchte sich die Zeit mit Lesen zu vertreiben. Ihre Lektüre bestand aus einem Buch über die Sengoku-Ära, was sie sich vor einiger Zeit gekauft hatte. Allerdings stimmte dessen Inhalt manchmal nicht so ganz mit den Dingen überein, die sie und Kagome schon so erlebt hatten.

"Hm... Das ist genau wie in der Schule, aber was habe ich denn schon zu erwarten gehabt? Als ob hier drin wirklich was über Dämonen stehen würde.", sagte Kimie mit einem Unterton von Sarkasmus zu sich selbst. So kam ihr einiges, was in dem Buch stand, aber irgendwie unglaubwürdig vor, obwohl sie unter anderen Umständen wohl eher Kagome für verrückt erklärt hätte, hätte diese ihr noch vor einem Jahr von ihren Zeitreisen in die Sengoku-Ära erzählt. Aber eigentlich war das Buch, mal abgesehen von der Nichterwähnung irgendwelcher Dämonen, doch recht gut gewesen. Eigentlich hatte Kimie den Geschichtsunterricht in der Schule meist eher als etwas öde empfunden, aber seit sie vor einem Jahr selbst das erste Mal in diese Epoche gekommen war, war ihr Interesse für dieses Thema geweckt worden.

"Wer weiß? Vielleicht entdecke ich auch irgendwann meine Leidenschaft für Physik, wenn ich Albert Einstein treffen würde", überlegte Kimie amüsiert und klappte schließlich ihr Buch wieder zu. Aber müde war sie immer noch nicht gewesen. Sie vermutete aber, dass es mittlerweile schon nach Mitternacht sein musste.

"Hach! Ich sollte eigentlich schon längst schlafen, aber irgendwie kann ich das heute nicht..."

Auf dem Rücken liegend leuchtete sie mit der Taschenlampe an die Decke, dann die Wände entlang und wieder hinauf zur Decke, bis ihr das scheinbar zu eintönig wurde und sie die Taschenlampe ausschaltete und zur Seite legte. Ihr Blick blieb aber nach wie vor an der Decke hängen.

"Ob ich vielleicht...?", fragte sich Kimie nach einer Weile nachdenklich, ehe sie sich aufsetzte und ihr Blick dabei auf ihren rechten Arm fiel, an welchem sie noch den Verband trug.

"Hmm..."

Nach einem weiteren kurzen Moment der Überlegung griff Kimie schließlich wieder nach ihrer Taschenlampe, ehe sie aufstand und zur Zimmertür ging. Bevor sie das Zimmer jedoch verließ, sprach sie Inuki noch einmal an: "Inuki, warte hier auf mich, in Ordnung?"

Dann verließ Kimie das Zimmer und schloss die Schiebetür wieder. Inuki hatte die ganze Zeit schon mehr oder weniger schlafend auf dem Boden gelegen, hatte die Worte seiner Herrin aber dennoch gehört. Aber er blieb ruhig und ließ sie ohne weiteres Gehen. Er schien schon genau zu wissen, wohin es sie zog.

Mit der Taschenlampe leuchtete Kimie den dunklen Gang entlang und war auch recht schnell an der Treppe angekommen, die in den nächsten Stock führte. So leise wie möglich stieg sie die Stufen hinauf bis sie oben angekommen war. Suchend schaute sich das Mädchen um. Das war gerade mal das zweite Mal, dass Kimie hier oben gewesen war. Sie brauchte daher einen kleinen Moment, ehe sie wieder wusste, wohin es weiterging. Als sie schließlich dem Gang weiter folgte und irgendwann an einer Schiebetür stehen blieb, schien sie ihr Ziel auch schon erreicht zu haben.

>Also dann...<

Aber als sie gerade ihre Hand gehoben hatte, um an die Tür zu klopfen, hielt sie in dieser Bewegung auch schon wieder inne, als hielte sie etwas zurück. Es folgten noch zwei weitere solcher Versuche, aber immer wieder schien etwas in ihrem Inneren sie zu hindern. Bei nächsten missglückten Anlauf ließ Kimie entnervt ihre Hand wieder ganz sinken.

>Toll... Jetzt stehe ich hier rum, traue mich nicht anzuklopfen und weiß noch nicht mal, ob er überhaupt da ist. Was zum Teufel mache ich hier denn überhaupt?! Ich komme mir echt wie der letzte Idiot vor!<

Kimie spielte schon mit Gedanken, einfach unverrichteter Dinge wieder abzuziehen, aber ehe sie sich versah, wurde die Schiebetür mit einem Mal von Innen geöffnet.

"Aah!" Erschrocken sprang Kimie mit einem Satz zurück, als sie kurz darauf sah, dass Sesshoumaru im Türrahmen stand.

"Oh Mann... Meine Güte, erschreck mich doch nicht so!", seufzte Kimie auf, nachdem der erste Schrecken wieder gewichen war, doch war sie bei weitem nicht die Einzige gewesen, der diese Begegnung im ersten Moment nicht unbedingt geheuer gewesen war. Denn als sie versehentlich mit der Taschenlampe direkt in Sesshoumarus Gesicht leuchtete, drehte dieser sofort den Kopf zur Seite. Dieses grelle Licht empfand er wirklich als sehr unangenehm, was auch Kimie recht schnell auffiel.

"Oh! Entschuldige bitte!", sagte sie hastig und schaltete die Taschenlampe wieder aus. Jetzt standen die zwei zwar im Dunkeln, aber das Mondlicht, welches in Sesshoumarus Zimmer fiel, schien durch die geöffnete Schiebetür nun auch in den Gang hinaus und bot zumindest ein wenig Sichtmöglichkeit. Zumindest half dies Kimie ein wenig, denn Sesshoumaru brauchte schließlich keine anderen Lichtquellen, um sich in dunklen Räumen zurechtfinden zu können. Und nachdem auch das grelle Licht der Taschenlampe wieder erloschen war, fand er sogleich zu seiner bekannten Art zurück.

"Gibt es einen Grund dafür, dass du vor meiner Tür stehst, ohne etwas zu tun?", fragte er Kimie auch sofort mit prüfender Stimme.

Kimie zog auf diese Frage hin zunächst aber nur eine Augenbraue hoch und fragte zurück: "Du wusstest also, dass ich hier bin?"

"Natürlich habe ich dich bemerkt. Allein schon wegen diesem eigenartigen Licht." Sesshoumaru deutete auf die Taschenlampe, die Kimie noch in ihrer Hand hielt. "Warum bist du nicht einfach rein gekommen, wenn du etwas von mir wolltest?" Auf diese Frage wusste Kimie aber auch nicht, was sie antworten sollte. Also stand sie nur schweigend vor ihm und schien nach einer einigermaßen plausiblen Erklärung zu suchen, als sich Sesshoumaru erneut an sie wandte: "Was ist nun? Wolltest du zu mir oder nicht?"

Etwas zögerlich antwortete Kimie nun doch: "Na ja... eigentlich schon. Aber..."

"Dann komm rein", forderte Sesshoumaru sie auf, noch bevor sie eigentlich wirklich etwas gesagt hatte. Aber sie folgte ihm nun dennoch in sein Zimmer und schloss die Schiebetür hinter sich wieder.

"Ich hoffe, du hast noch nicht geschlafen oder so", sprach Kimie den Youkai nach einem Moment an. Sesshoumaru verneinte dies, ehe er seinen Blick auf den rechten Arm des Mädchens lenkte. Da sie diesmal keine Jacke über ihrem T-Shirt trug, war der Verband an ihrem Arm unübersehbar gewesen.

"Wie geht es deiner Verletzung?", fragte Sesshoumaru das Mädchen, das sogleich antwortete: "Besser. Danke noch mal."

Aber damit schien das Gespräch auch schon wieder an seinem Ende angekommen zu sein. Zumindest fiel Kimie nichts ein, worüber sie sich noch groß mit Sesshoumaru unterhalten konnte, als dieser jedoch wieder auf ihre Absichten zu sprechen kam: "Also was möchtest du? Warum wolltest du zu mir?"

Kimie zögerte noch einen Augenblick, ehe sie darauf antwortete: "Ach, eigentlich gibt es dafür keinen besonderen Grund. Ich konnte nur nicht schlafen und da dachte ich mir... ähm... Nun ja, da dachte ich..."

Ja genau! Was dachte sie eigentlich? Denn eigentlich hatte sich Kimie überhaupt nichts dabei gedacht, als sie zu Sesshoumarus Zimmer gegangen war. Und da ihr auch im Moment noch nichts einfiel, musste sie Sesshoumaru wohl oder übel die Wahrheit sagen. Sich etwas peinlich berührt an der Wange kratzend, antwortete Kimie daher nun mit einem verlegenen Lächeln: "Ehrlich gesagt, ich habe keinen blassen Dunst, warum ich eigentlich hier bin."

Viele andere hätten bei so einer Antwort wohl nur laut aufgeseufzt, aber das wäre nun wirklich nicht Sesshoumarus Stil gewesen. So bedachte er Kimie nur mit einem typisch undurchschaubaren Blick, während er nach einer kurzen Pause erwiderte: "Du bist wirklich seltsam. Den Eindruck hatte ich schon immer irgendwie."

Sofort wich Kimies etwas schüchternes Lächeln einem äußerst skeptischen Blick. "Na, vielen Dank auch... Soll das etwa heißen, ich wäre beschränkt?"

Zwar erwiderte Sesshoumaru auf diese Frage nichts, aber das schien Kimie auch nicht sonderlich zu jucken, da ihre Frage ohnehin keinen ernsthaften Hintergrund gehabt hatte. Stattdessen ließ sie ihren Blick nun etwas in dem Zimmer schweifen. Wie sie es schon am Tage bemerkt hatte, war es sehr geräumig und es gab auch eine weitere Schiebetür, die in einen Nebenraum führte und eben auch die Tür hinaus zur Veranda. Im Gegenzug war Kimie aber auch aufgefallen, dass Sesshoumaru inzwischen seine Rüstung und seine Schwerter abgelegt hatte. Etwas ungewohnt war dieser Anblick für sie im ersten Moment schon irgendwie.

"Wenn du nicht schlafen kannst, dann kannst du heute Nacht hier bleiben, wenn du es möchtest."

Völlig überrascht schaute Kimie auf diesen Vorschlag wieder zu Sesshoumaru. Mit so was hatte sie nun wirklich beim besten Willen nicht gerechnet und war im ersten Moment auch nicht zu einer Antwort fähig gewesen. Doch schließlich fragte sie wie zur Sicherheit noch einmal nach: "Wie war das? Ich... soll heute Nacht hier bleiben?"

"Hast du ein Problem damit?", fragte Sesshoumaru, der dem Mädchen erstmal wieder den Rücken zugedreht hatte, sich jetzt aber wieder zu ihr umwandte.

Kimie schaute ihrerseits etwas verunsichert auf den Boden, während sie die Zeigefinger aneinandertippte. "Mmh... Eigentlich nicht. Aber..."

Dass Kimie unsicher war, entging Sesshoumaru natürlich nicht und er schien für sich selbst auch schon die Antwort darauf gefunden zu haben, warum sie sich so verhielt.

"Keine Sorge. Ich werde dir schon nichts tun", sprach er daher sogleich weiter und sofort war Kimies Blick wieder auf ihn gerichtet.

"Was soll das denn wieder heißen?", fragte sie äußerst prüfend zurück, wobei sie sich auch selbst schon denken konnte, was er gemeint hatte. Also wollte sie eine Sache in dem Zusammenhang besser gleich mal klarstellen: "Hör mal, ich weiß ja nicht, was genau dir gerade durch den Kopf gegangen ist, aber können wir deine komischen Fantasien hier vielleicht beiseite lassen?"

Aber Sesshoumaru bedachte das Mädchen seinerseits nur mit einem äußerst prüfenden Blick. "Meine Fantasien? Dann würde es mich mal interessieren, was DU gerade gedacht hast", erwiderte er, wobei man auch den Eindruck hätte gewinnen können, dass er Kimie ein wenig aufziehen wollte. Diese weigerte sich aber strikt, ihm eine klare Erklärung dessen zu liefern, was sie gemeint hatte und meinte nur stattdessen: "Tse! Das werde ich ja auch gerade dir auf die Nase binden!"

Eigentlich war sich Kimie sehr sicher gewesen, dass Sesshoumaru genau wusste, was ihr kurzzeitig im Kopf herumgespukt war. Dementsprechend verlegen wurde sie nun wieder und spürte, wie ihr eine leichte Röte in die Wangen stieg. Um aber nicht noch länger so mitten im Zimmer stehen zu müssen, ging sie schließlich von sich heraus zur Schiebetür, die auf die Veranda führte und trat auf diese hinaus. Draußen atmete das Mädchen erstmal einmal tief durch. Es wehte ein angenehmer leichter Wind und der große Wald lag friedlich vor dem Schloss.

Irgendwann trat auch Sesshoumaru auf die Veranda hinaus an Kimies Seite. Ebenso wie sie, so schaute auch er schweigend auf den dichten Wald.

"Sag mal, kann ich dich etwas fragen, Sesshoumaru?", fragte Kimie schließlich und brach damit die Stille wieder, denn es gab da eine Sache, die sie schon den ganzen Tag des Öfteren beschäftigt hatte. Als Sesshoumaru sie nun ansah, sprach das Mädchen weiter: "Es geht um Subaru. Die anderen und ich haben da heute so etwas mitbekommen über eine Sache, die vor 200 Jahren passiert sein soll und Subaru soll darin wohl irgendeine Rolle gespielt haben. Was genau war denn damals los?"

Im ersten Moment war Sesshoumaru doch etwas überrascht, wenngleich er es nicht zeigte. Aber eigentlich hatte er schon damit gerechnet, dass früher oder später gewisse Dinge wieder ans Tageslicht kommen würden, die schon seit längerer Zeit mehr unter Verschluss gehalten wurden. Den Blick wieder auf den Wald gerichtet, enthielt Sesshoumaru Kimie die Antwort dennoch nicht vor und begann nun zu erzählen: "Um es kurz zu fassen: Vor etwas über 200 Jahren verbannte mein Vater ein Mitglied unseres Clans aus den westlichen Ländern. Das war zu der Zeit, als er diese Menschenfrau kennen gelernt hatte." Es entstand eine kurze, etwas eigenartige Pause, ehe er weiter sprach: "Wie dem auch sei, jedenfalls hatte es einer unserer Leute gewagt, ihn deswegen vor allen anderen zu einem Kampf herauszufordern. Abgesehen davon hat er die Autorität meines Vaters in Frage gestellt. Das wird unter vielen schon als Verrat angesehen. Mein Vater behauptete sich in diesem Kampf und ging als klarer Sieger hervor. Anstatt den Aufsässigen jedoch zu töten, verbannte er ihn lediglich. Der Youkai, der damals gegen meinen Vater gekämpft hat, war der ältere Bruder von Subaru."

Kimie, die bis dahin sehr aufmerksam zugehört hatte, staunte bei dem letzten Satz doch Bauklötze.

"Subaru hat einen Bruder?!", fragte sie nach, als wollte sie sich vergewissern, dass sie sich auch wirklich nicht verhört hatte. Eigentlich war an dieser Information ja nichts Ungewöhnliches dabei, aber dennoch war sie sehr überrascht gewesen, da sie auf eine solche Erkenntnis, im Zusammenhang mit der vorangegangenen Geschichte, nicht wirklich vorbereitet gewesen war. Diese Geschichte erklärte aber noch nicht wirklich, wie Subaru nun wirklich dachte und wie seine Einstellung im Allgemeinen war. Dazu verhielt er sich einfach viel zu merkwürdig.

Nach einem Moment fragte Kimie weiter: "Und hat hier mal irgendjemand wieder etwas von Subarus Bruder gehört?"

"Nein. Laut Kakeru hat seither keiner mehr etwas von ihm gehört. Möglicherweise ist er auch schon seit geraumer Zeit tot."

Sesshoumaru hatte das so typisch kühl und emotionslos gesagt, dass Kimie kurzzeitig wieder Bilder von ihrer ersten Zeit mit dem Youkai in den Sinn kamen. Sie empfand es nun auch als besser, jetzt wohl nicht mehr weiter auf diesem Thema herumzureiten, zumal sie ja schon die Antworten auf ihre gestellten Fragen bekommen hatte. Über den Rest musste sie sich dann selbst ihre Gedanken machen. Stattdessen schaute sie wieder in die dunkle Nacht, die trotz allem etwas merkwürdig Friedliches an sich hatte.

"Es ist alles so ruhig. Irgendwie kaum vorstellbar, dass irgendwo da draußen eine Gefahr lauern soll", meinte Kimie und legte mit einem Seufzen ihre Unterarme auf das Geländer, als sie sich auf dieses stützte. Ein leichtes Seufzen entwich ihr.

"Ich mag den Krieg und den Kampf nicht", sagte sie weiter. "Viel zu oft werden Unbeteiligte in solche Konflikte mit rein gezogen und müssen dann darunter leiden."

"So ist das nun mal. Kriege und Kämpfe wird es immer geben. Es war schon immer so", erwiderte Sesshoumaru ohne ein erkennbares Anzeichen von Mitgefühl, sprach dann aber nach einer kurzen Pause an Kimie gewandt weiter: "Ich werde aber darauf Acht geben, dass dir nicht zustößt."

"Hm?" Kimie hatte sich zu Sesshoumaru umgewandt und nun traf sich ihr Blick mit seinem.

>Was ist los mit ihm? Seit wann spricht er denn so?<, fragte sie sich überrascht. Das war ihr schon zu dem Zeitpunkt etwas eigenartig vorgekommen, als er sich um ihre Verletzung gekümmert hatte.

Während sie ihn so ansah, fiel nach wie vor das Mondlicht auf das Schloss. Sesshoumarus weiß-silbernes Haar glich der Farbe des Mondes und das Gold seiner Augen hatte regelrecht etwas magisches an sich. Kimie sah ihn in diesem Moment nur wie gebannt an.

>Vielleicht liegt das ja auch nur am Mondlicht, aber... er sieht wirklich toll aus, wie er jetzt so dasteht!<, dachte sie ganz verträumt, ohne aber ein einziges Wort zu sagen.

"Was hast du?", fragte Sesshoumaru sie plötzlich und riss Kimie somit wieder aus ihren Gedanken.

Mit einem etwas verlegenen Lächeln schüttelte sie den Kopf. "Ach, nichts! Ist schon gut."

Kimie richtete ihren Blick zum nächtlichen Sternenhimmel hinauf, an welchem sie nach einem Moment auch eine Sternschnuppe vorbeiziehen sah.

"Ah! Eine Sternschnuppe! Wünsch dir was!"

Die Hände aneinandergelegt und mit geschlossenen Augen ging Kimie gedanklich nun ihren Wunsch durch. Dabei wurde sie genauestens von Sesshoumaru beobachtet. Er erinnerte sich daran, dass es schon vor einem Jahr eine ähnliche Situation gegeben hatte, wo auch das Thema über Sternschnuppen eine Rolle gespielt hatte.

"Glaubst du etwa wirklich an diesen Unsinn?", fragte er Kimie nach einem Moment, woraufhin sie die Augen wieder öffnete.

"Wo bleibt dein Sinn für Romantik? Man muss doch nicht alles so eng sehen!", meinte Kimie zunächst ein wenig tadelnd, ehe sie kurz darauf aber wieder in normaler Tonlage weiter sprach: "Allerdings habe irgendwo auch mal gehört, dass man den Wunsch dreimal wiederholen muss, damit er sich erfüllt und zwar innerhalb der Zeit, in der die Sternschnuppe noch am Himmel zu sehen ist. Aber einen Wunsch innerhalb dieser kurzen Zeit dreimal zu wiederholen, das schafft wohl keiner."

Sesshoumaru bedachte Kimie nunmehr mit einem etwas prüfenden Blick. "Unter diesen Umständen könntest du mir doch auch sagen, was du dir eben gewünscht hast", meinte er. Zwar hatte er schon mal von ihr gehört, dass ein Wunsch nicht in Erfüllung geht, wenn man ihn verrät, aber mal abgesehen davon, dass er an so was eh nicht glaubte, war die Sache doch ohnehin egal, wenn man den Wunsch sowieso dreimal wiederholen musste, damit er sich erfüllte.

Im ersten Moment sah Kimie den Youkai zwar ein wenig überrascht an, winkte dann aber dennoch ab. "Lieber nicht. Wie ich dich kenne, empfindest du das sicherlich als albern oder so was."

"Finde es doch heraus", forderte Sesshoumaru sie auf. Kimie war sich in diesem Moment nicht sicher, ob ihn ihr Wunsch wirklich interessierte oder ob er sie einfach nur aus der Reserve locken wollte. Nichts desto trotz ließ sie sich letztendlich doch noch breitschlagen und antwortete, wenn zunächst noch etwas zögerlich: "Ich habe mir gewünscht... dass ich ab jetzt immer bei dir bleiben kann."

Den Blick zunächst etwas gesenkt, schaute Kimie den Youkai nach einem Moment abwartend an und war wirklich mehr als überrascht von dem, was er nun tat. Denn ohne ein weiteres Wort ergriff Sesshoumaru plötzlich Kimies Hand und zog das Mädchen an sich heran.

"Sesshoumaru, was...?" Doch weiter kam Kimie nicht mehr, da Sesshoumaru nunmehr seine Augen schloss und seine Lippen auf ihre legte. Im ersten Moment weiteten sich Kimies Augen vor lauter Überraschung, die jedoch schnell einem wohlig warmen Gefühl wich. Mit diesem Gefühl schloss nun auch Kimie ihre Augen und genoss den Augenblick.

>Wow! Diese Sternschnuppen-Sache ist doch besser als ich gedacht habe. Man bekommt sogar einen Bonus mit dazu!<, dachte sie, noch während sie zusammen mit Sesshoumaru in diesem Kuss versunken war. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte die Zeit in diesem Moment nur zu gerne stehen bleiben können.

Angriff auf das Schloss

Das Licht der aufgehenden Sonne fiel auf Kimies Gesicht. Zuerst drehte sie sich nur um, öffnete dann aber doch noch verschlafen ihre Augen. Das erste, was sie bemerkte, war, dass sie mit dem Kopf auf irgendetwas Flauschigem lag. Als sie sich aufgesetzt hatte und sich erstmal den Schlaf aus den Augen gerieben hatte, erkannte sie, dass sie auf einem Futon gelegen hatte und teilweise mit Sesshoumarus Fell zugedeckt war. Sesshoumaru selbst war aber nicht in dem Zimmer gewesen. Zuerst überlegte Kimie, wie sie überhaupt hier hergekommen war, als es ihr wieder einfiel, dass sie Sesshoumaru in der Nacht zuvor aufgesucht hatte. Sie musste irgendwann einfach bei ihm eingeschlafen sein.

Kimie reckte einmal ihre Arme in die Höhe. Bei näherer Betrachtung fiel ihr auf, dass das Zimmer, in welchem sie sich gerade befand, wohl das Nebenzimmer sein musste. Zudem hörte sie nun hinter der Zimmertür einige Geräusche. Also stand sie auf - Sesshoumarus Fell im Schlepptau - und öffnete die Schiebetür. Wie sie es sich schon gedacht hatte, fand sie Sesshoumaru in dem anderen Zimmer vor. Er war gerade dabei, seine Rüstung wieder anzulegen.

"Guten Morgen", grüßte Kimie ihn beim näher Kommen, woraufhin sich Sesshoumaru zu ihr umwandte. Er hatte schon vorher mitbekommen, dass sie aufgewacht war.

"Konntest du schlafen?", fragte er sie, woraufhin sie einmal nickte, ehe sie ihm das Fell entgegenhielt. Als Sesshoumaru es ihr wieder abnahm, fragte sie ihn neugierig: "Was hast du schon so früh am Morgen vor?"

"Ich werde mich ein wenig umhören, ob es inzwischen neue Erkenntnisse gibt", antwortete der Youkai üblich seriös, während er nun zur Tür schritt. Als er sie öffnete deutete er Kimie mit einem Nicken an, das sie ihm folgen sollte, was sie auch sogleich tat.

"Ich werde heute vermutlich nicht allzu viel Zeit haben", sprach Sesshoumaru weiter, als er mit Kimie durch die Schlossgänge ging. Kimie verstand im ersten Moment nicht so ganz, worauf der Youkai eigentlich hinaus wollte, als er nach einem Moment erneut das Wort ergriff: "Ich möchte von daher, dass du ein Auge auf Rin haben wirst."

"Sicher. Kein Problem", entgegnete Kimie mit einem Achselzucken. In dem Zusammenhang fiel ihr aber ein, dass sich Inuki wohl noch immer in ihrem Zimmer aufhielt. Sie sollte wohl zu allererst ihn aus diesem rausholen. Es passte von daher ganz gut, dass der Weg von Kimie und Sesshoumaru eben auch genau an ihrem Zimmer vorbeiführte, an welchem das Mädchen nun auch stehen blieb. Gerade, als Kimie die Schiebetür öffnen wollte, um Inuki zu begrüßen, kam im selben Moment Rin aus ihrem Zimmer heraus. Ihre Freude war natürlich sehr groß, als sie Sesshoumaru und auch Kimie sah.

"Ah! Guten Morgen, Sesshoumaru-sama! Guten Morgen, Kimie-san!", grüßte das kleine Mädchen die beiden sofort erfreut und kam auf sie zu, während Kimie zunächst zurückgrüßte und dann ihre eigene Zimmertür öffnete. Inuki hatte schon geduldig an dieser gewartet.

"Na, Inuki? Gut geschlafen?" Kimie streichelte ihrem Hund ein paar Mal über den Kopf. Nachdem er seine Herrin begrüßt hatte, tat Inuki dies auch bei Sesshoumaru und anschließend auch bei Rin, die den Hund freudig umarmte. Als Sesshoumaru daraufhin nach einem Augenblick wortlos weiterging, folgten Kimie, Rin und Inuki ihm ein paar Schritte hinter ihm, wobei Rin während des Weges jedoch munter mit Kimie redete, als hätten sie sich für Wochen nicht gesehen. Das kleine Mädchen stoppte erst wieder, als die kleine Gruppe mittlerweile im untersten Stockwerk angekommen war und ihnen Jaken hier direkt entgegenkam.

"Guten Morgen, Jaken-sama!", grüßte Rin den Krötendämon lächelnd, doch Jakens Aufmerksamkeit galt in erster Linie natürlich Sesshoumaru, vor dem er sich sofort ehrfürchtig verbeugte.

"Ich wünsche Euch einen guten Morgen, mein Herr", sagte Jaken. "Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Nacht."

Sesshoumaru antwortete jedoch nichts darauf, sondern drehte sich stattdessen zu Kimie um und sagte zu ihr: "Wie ich bereits erwähnte, ich habe noch etwas zu tun. Und du verlässt besser nicht wieder auf eigene Faust das Gelände. Das tust du, wenn nötig, nur in meinem Beisein."

"Geht klar!", entgegnete Kimie nunmehr mit einem leichten Lächeln und ohne diesmal eventuell irgendwelche Einwände zum besten gegeben zu haben.

Nachdem dies geklärt war, wies Sesshoumaru zudem noch Rin an, sich möglichst entweder in Kimies Nähe oder in der Nähe von jemand anderen, wie Jaken, Ashitaka oder auch einem der Gruppe um Inu Yasha aufzuhalten. Dann schritt der Youkai den Gang allein weiter. Nachdem er hinter der Biegung an dessen Ende verschwunden war, schielte Jaken sofort äußerst misstrauisch zu Kimie hoch.

"Hey! Ist heute Nacht etwas vorgefallen?", fragte er prüfend, doch Kimie wusste zunächst nicht so ganz, worauf der Krötendämon eigentlich anspielte.

"Drück dich bitte etwas klarer aus! Was meinst du damit?", fragte sie daher nach, aber Jaken schien das nur noch misstrauischer und zugleich auch etwas erbost zu machen.

"Jetzt tu doch nicht so unschuldig!", wetterte er aufgebracht und fuchtelte mit seinem Kopfstab vor der Nase des Mädchens herum. "Sag schon! Hast du heute Nacht irgendetwas mit meinem Herrn angestellt?"

Kimie ging regelrecht ein Licht auf, als Jaken mit dieser Frage ankam. Zuerst wollte sie ihn ordentlich zusammenstauchen, entschied sich dann aber dagegen und setzte stattdessen ein geheimnisvolles Lächeln auf, als sie ebenso zurückfragte: "Na, was denkst du denn, was ich mit ihm gemacht habe? Streng mal deinen Kopf an! Was machen ein Mann und eine Frau denn eventuell so, wenn sie unter sich sind?"

Es dauerte zwar etwa zwei oder drei Sekunden, doch dann klappte Jaken doch die Kinnlade bis zum Anschlag runter. Im ersten Moment war er regelrecht sprachlos und brachte auch im Nachhinein nur stockend hervor: "Das... das würdest du... niemals wagen...!?"

"Oh Mann! Werd erwachsen, Jaken! Oder sehe ich etwa aus, wie eine Nonne?"

Kimie hatte richtig ihren Spaß daran, Jaken in dem Glauben zu lassen, zwischen ihr und Sesshoumaru wäre wirklich etwas ernsthaftes vorgefallen. Nur Rin verstand das ganze Gerede scheinbar nicht so ganz, sie schaute nur fragend von dem Mädchen zu dem Krötendämon und wieder zurück. Auf das, was Kimie zuletzt gesagt hatte, entgegnete Jaken nun ziemlich aufgebracht: "Ich habe keinen Schimmer davon, was eine Nonne sein soll, aber was du mit meinem Herrn getan hast ist absolut ungeheuerlich!"

Doch Kimie verschränkte nur mit einem Blick voller Unschuld die Arme hinter dem Kopf. "Ich kann mich nicht daran erinnern, klare Äußerungen gemacht zu haben. Ich habe lediglich von der Eventualität geredet."

Sie konnte beobachten, wie Jakens Kopffarbe allmählich in Rote überzuwechseln schien. Ob nun aus Wut oder aus Scham wusste sie zwar nicht, aber dieser Anblick allein hätte sie dieses Spiel gerne noch ein wenig weiterspielen lassen. Doch entschied sie sich am Ende doch besser dazu, die ganze Sache wieder aufzulösen. Kimie beugte sich nun ein wenig zu dem Krötendämon runter und schnippte mit ihrem Zeigefinger einmal gegen seine Stirn.

"Jetzt komm wieder runter, Jaken!", sagte sie. "Es war absolut nichts los. Obwohl ich dich ja gerne noch ein wenig in diesem Glauben gelassen hätte, aber wer weiß, ob du dann nicht eventuell Rin gegenüber noch irgendeine abfällige Bemerkung hinsichtlich dessen gemacht hättest? Das möchte ich dem armen Kind auch wieder nicht antun, sonst wäre ein Trauma wohl vorprogrammiert."

"Hm?" Rin schaute noch immer ziemlich fragend drein. "Kimie-san, was meinst du denn damit?"

"Ach, nichts Besonderes, Rin. Mach dir keine Gedanken mehr darum, okay?", winkte Kimie mit einem Lächeln ab. Rins fragender Blick haftete zwar noch einen Moment auf Kimie, doch schließlich schien sich das kleine Mädchen mit dem Abschluss dieser Sache abgefunden zu haben. Ganz anders schien da Jaken zumute gewesen zu sein. Denn obwohl Kimie noch alles aufgelöst hatte, wirkte der Krötendämon von seinem Gesichtsausdruck her noch immer so dermaßen angeschlagen, dass man hätte meinen können, ihm wäre gerade leibhaftig des Teufels Großmutter begegnet. Und mit diesem Eindruck trottete Jaken nun den Gang entlang, wobei er seinen Kopfstab wie in Trance hinter sich herzog. Schließlich verschwand er hinter der Biegung am Ende des Ganges.

>Ob ich es vielleicht etwas übertrieben habe...?<, fragte sich Kimie im Nachhinein gedanklich.

"Kimie-san?", sprach Rin das Mädchen schließlich erneut an, das daraufhin zu ihr hinuntersah.

"Was ist denn, Rin?"

"Gehen wir mit Kagome-sama und den anderen jetzt frühstücken? Ich habe Hunger."

Kimie musste nun doch leicht lächeln und nickte auf Rins Frage hin. "Ja, in Ordnung. Schauen wir aber erstmal nach, ob sie auch schon wach sind, in Ordnung?"

"Ist gut!", erwiderte Rin fröhlich und ging nun zusammen mit Kimie und Inuki zu den Zimmern der anderen. Und in der Tat waren Inu Yasha und seine Freunde ebenfalls bereits wach gewesen.

"Hallo, Leute! Guten Morgen!", grüßte Kimie die versammelte Mannschaft, die im Gang stand und scheinbar ebenfalls gerade frühstücken gehen wollte. Kimie und Rin wurden von den anderen nun ebenfalls begrüßt, ehe sie sich alle gemeinsam auf den Weg machten. Rin lief ein wenig mit Inuki voraus.

"Sag mal, Kimie, weißt du vielleicht, was mit Jaken los ist?", fragte Kagome ihre Cousine nach einem Moment. "Der ist nämlich kurz vor dir und Rin an unseren Zimmern vorbeigekommen und sah irgendwie so aus, als hätte er kurz zuvor einen Geist gesehen."

"Hmm... Eigentlich war nichts Besonderes los", antwortete Kimie. "Ich habe mir vorhin nur einen kleinen Spaß mit ihm erlaubt."

Inu Yasha wurde hellhörig und spitzte die Ohren.

"So? Was hast du denn gemacht?", fragte er, woraufhin Kimie aber doch ein wenig verlegen zu werden schien. Zögerlich begann sie: "Na ja, wisst ihr... Ich habe die Nacht bei Sesshoumaru verbracht und deshalb..." Abrupt verstummte Kimie wieder, denn die ganze Truppe war mit einem Mal stehen geblieben und starrte sie teils irritiert und teils entgeistert an. Was den einzelnen Gemütern gerade im Kopf herumspukte, wollte Kimie am besten gar nicht so genau wissen und bevor irgendwelche Spinnereien eventuell noch allzu sehr ausarten konnten, sprach sie hastig weiter: "Jetzt starrt mich doch nicht so an! Es ist überhaupt nichts gewesen!"

"Ein Mann und eine Frau verbringen eine Nacht im selben Raum und es passiert nichts?", fragte Miroku mit skeptisch hochgezogener Augenbraue. "Das kann ich mir irgendwie kaum vorstellen."

"Ja, dass dir ganz andere Dinge im Kopf rumspuken, können wir uns alle lebhaft vorstellen...", meinte Sango trocken, als sie und die anderen plötzlich Kimie in sich hineinmurmeln hörten: "Es war doch lediglich ein Kuss..."

Sofort waren diese Blicke der anderen wieder da gewesen.

"Wie bitte?! Du hast den Kerl...?!", versuchte Inu Yasha etwas zu sagen, aber weiter kam er nicht mehr. Denn allein schon diese bloße Vorstellung bereitete ihm ein komisches Magengefühl. "Ich glaube, ich habe keinen Hunger mehr..."

"Tu doch nicht so, Inu Yasha!", mischte sich Shippou nun ein. "Du bist doch nur angefressen, weil Sesshoumaru im Gegensatz zu dir zum Einen nicht auf zwei Hochzeiten tanzt und zum Anderen nicht so lange braucht, um dem Mädchen, das er mag, zu zeigen, was eigentlich Sache ist."

Inu Yashas Ohren waren sofort bis aufs allerhöchste gespitzt.

"Wie war das eben?", knurrte er bedrohlich und hob ebenso die Faust. "Du willst dir wohl eine Tracht Prügel einfangen, was?!"

"Waah!" Shippou flüchtete sich eiligst auf Kagomes Schulter. Kagome selbst warf Inu Yasha nunmehr einen höchst mahnenden Blick zu. Missmutig ließ der Hanyou seine Faust daher wieder sinken und kehrte den anderen beleidigt den Rücken zu.

Miroku hingegen schien mittlerweile eine Idee gekommen zu sein, also wandte er sich gleich mal Sango zu.

"Nun denn, Sango, folgen wir Kimies und Sesshoumarus Beispiel sogleich?", fragte er die Dämonenjägerin und legte ihr beide Hände auf die Schultern. Als er sich ihr nun auch noch mit seinem Gesicht näherte, wurde Sango zuerst puterrot, ehe sie dem Mönch reflexartig eine Ohrfeige verpasste.

"Aaah!! Was ist denn in dich gefahren?! Doch nicht vor den anderen!", rief sie empört aus, doch Miroku verstand ihre Aufregung beim besten Willen nicht.

"Aber... du lässt mich ja nicht mal dann so richtig zum Zuge kommen, wenn wir zwei mal alleine sind...", erwiderte er kleinlaut, während ein erschöpftes Seufzen durch die Runde ging. Dass Miroku wirklich keine anderen Probleme zu haben schien, schien hiermit erneut bestätigt worden zu sein.

Inzwischen war Rin zusammen mit Inuki wieder zu den anderen zurückgekommen, nachdem die beiden zuerst noch ein wenig vorgegangen waren, dann jedoch bemerkt hatten, dass der Rest der Truppe plötzlich stehen geblieben war. Zwar hatte Rin von dem Gespräch nicht alles mitbekommen, aber was zwischen Sango und Miroku vorgefallen war, war ihr nicht entgangen. Auf das, was der Mönch zuletzt gesagt hatte, fragte das kleine Mädchen nun die versammelte Mannschaft: "Was genau meint Miroku-sama denn damit? Was machen denn ein Mann und eine Frau, wenn sie alleine sind?"

Erst jetzt schien die Gruppe wieder auf Rin aufmerksam geworden zu sein. Ihre Frage löste jedoch bei so ziemlich jeden so was wie Erklärungsnot aus. Nicht so bei Miroku, der es sich scheinbar nicht nehmen lassen wollte, dem kleinen Mädchen gleich möglichst detailgetreu zu erläutern, was er eben gemeint hatte: "Also, pass auf. Die beiden würden zunächst ihre traute Zweisamkeit genießen. Irgendwann würden sie sich dann näher kommen und wenn beide erst mal so richtig in Stimmung gekommen sind, dann hält er sie fest, drückt sie flach auf dem Boden, um dann mit reichlichem Hüfteinsatz..."

Weiter kam Miroku aber nicht mehr in seinen Ausführungen, denn jetzt setzte es jeweils von Kagome, Sango und Kimie deftige Kopfnüsse.

"Das ist ja widerlich! Hör sofort auf damit!", schimpfte Sango aufgebracht und Kagome fügte ebenso hinzu: "Und so ein Gerede auch noch vor Rin-chan und Shippou-chan! Behaltet Eure Perversionen bloß für Euch!"

Und Kimie warf noch hinterher: "Und trichtere den anständigen Leuten nicht solche schmutzigen Gedanken ein, sondern tu zur Abwechslung auch mal das, was ein richtiger Mönch tut, du..."

"...notgeiler Houshi!!", kam es schlussendlich von allen drei Mädchen gleichzeitig, während jede dem Mönch jeweils noch eine kräftige Kopfnuss verpasste. Dementsprechend am Ende lag Miroku schlussendlich auf dem Boden. Dennoch versuchte er noch zu sprechen: "Und ihr drei... tragt nicht unbedingt mit dazu bei, dass die Gewalttätigkeiten untereinander abnehmen..."

Doch auch das konnte den Mädchen kein schlechtes Gewissen einreden, stattdessen stemmte Kagome nur entschieden die Hände in die Hüften und erwiderte: "Man nennt das hier schließlich nicht umsonst die Epoche der kriegerischen Staaten!"

Wie die Gruppe es letztendlich dennoch geschafft hatte, doch noch zum frühstücken zu kommen, war den einzelnen Beteiligten im Nachhinein wohl selbst ein kleines Rätsel gewesen.
 

Wie viele andere Inu-Youkai, so hielt sich auch Subaru an diesem Tag außerhalb des Schlosses auf. Er war schon bei Sonnenaufgang aufgebrochen und streifte nun durch den großen Wald. Bisher war ihm jedoch nichts Ungewöhnliches begegnet.

Irgendwann blieb er stehen und ließ prüfend seinen Blick schweifen. Durch das Blätterdach der Bäume fielen vereinzelte Sonnenstrahlen auf den Waldboden. Subaru war schon vor einer Weile aufgefallen, dass es merkwürdig still gewesen war. Zu still, wie er fand. Es war nicht mal der eigentlich natürliche morgendliche Gesang von Vögeln zu hören gewesen. Das allein genügte Subaru schon, um ihm zu signalisieren, dass hier etwas nicht stimmte.

Plötzlich wurde er hellhörig. Ihm war, als hörte er etwas; dumpfe Geräusche, wie von gewaltigen schlagenden Flügeln. Da er von seinem momentanen Standort keinen freien Blick auf den Himmel hatte, sprang Subaru nun auf einen der Bäume und anschließend weiter von Ast zu Ast, bis er die Baumkrone erreicht hatte. Nach einem kurzen Augenblick hatte der Youkai auch schon die Urheber für die dumpfen Geräusche ausfindig gemacht und seine Vermutung wurde bestätigt.

"Tse! Ich weiß zwar nicht, was ihr hier wollt, aber weiter kommt ihr nicht!"

Mit diesen Worten holte Subaru einen seiner Pfeile aus seinem Köcher und visierte sein Ziel an.

"Hier ist für euch Endstation!", sagte er und schoss.
 

Im Schloss verlief dieser Morgen ohne weitere besondere Zwischenfälle. Auch hatten sich Kimie, Kagome und die anderen nach dem Frühstück erstmal wieder auf ihre Zimmer zurückgezogen. Doch irgendwann entschieden sich zumindest Kagome, Kimie und Shippo dazu, ein wenig nach draußen zu gehen, doch wollten sie auf jeden Fall auf dem Schlossgelände bleiben. Das Erlebnis vom vergangenen Tag saß sowohl Kagome als auch Kimie noch immer ein wenig in den Gliedern und verursachte bei ihnen rückblickend eine leichte Gänsehaut. Um sich aber ein wenig Spaß zu verschaffen, hatte Kimie noch ein kleines Mitbringsel aus der Neuzeit bei sich, was sie nach Möglichkeit auch sofort an jemanden ausprobieren wollte. Von daher traf es sich ganz hervorragend, als sie schließlich zusammen mit Kagome und Shippou durch den Haupteingang aus dem Schloss trat und auf den Stufen direkt vor sich gleich Ashitaka und Tôya sitzen sah. Ohne große Umschweife sagte sie zu den beiden: "Hey, Jungs! Schaut mal her!"

Und kaum, dass die beiden Inu-Youkai sich auf die Aufforderung hin entsprechend zu dem Mädchen umgewandt hatten, leuchtete kurz ein heller Blitz auf, gefolgt von einem merkwürdigen surrenden Geräusch. Ashitaka und Tôya hatten das Gefühl, als sähen sie nun überall kleine Punkte vor ihren Augen und mussten erstmal ein paar Mal blinzeln.

"Was... was war das denn?", fragte Tôya schließlich äußerst skeptisch, bis er und Ashitaka von Kimie etwas unter die Nase gehalten bekamen. Es handelte sich dabei scheinbar um ein kleines Stück Papier oder so was, das in der Mitte jedoch völlig schwarz gewesen war. Die beiden Inu-Youkai schauten sich nur mehr als ratlos an.

"Was soll das sein, Kimie-chan?", fragte Ashitaka schließlich, woraufhin Kimie ihm ihr Mitbringsel präsentierte.

"Das ist eine Polaroid-Kamera", erklärte sie lächelnd, während sie in der anderen Hand noch das zuvor gemachte Foto hielt. "Und das hier ist ein Foto. Ich habe ein Bild von euch gemacht. Wenn wir noch etwas warten, werdet ihr es gleich sehen."

Und tatsächlich erschien nach wenigen Augenblicken nun ein Bild von Ashitaka und Tôya auf dem Foto. Die beiden staunten nicht schlecht.

"Was ist das für eine Magie?", fragte Tôya, während er das Foto in die Hand nahm und es sich genauestens ansah.

Auf seine Frage hin lächelte Kagome vergnügt. "Das ist keine Magie, das ist Technik. Wisst ihr, in unserer Zeit ist die Technik schon sehr weit fortgeschritten. Ihr glaubt gar nicht, was der Mensch inzwischen mit ihrer Hilfe alles machen kann. Wir sind sogar schon zum Mond geflogen, schicken Satelliten ins Weltall und Sonden zu anderen Planeten."

"Was?! Der Mensch ist zum Mond geflogen?!", fragten die beiden Inu-Youkai nun völlig ungläubig und wie aus einem Mund. Auch wirkten sie ziemlich skeptisch.

"Hm! Und wie wollt ihr denn bitte auf den Mond gekommen sein?", fragte Tôya daher prüfend nach, doch Kagome ließ sich davon nicht beirren und wirkte nunmehr ein wenig wie eine Lehrerin, während sie weitererklärte: "Na gut, nicht alle Menschen können zum Mond fliegen. Das tun nur einige wenige. Aber sie benutzen dazu Raketen. Das sind große Flugmaschinen, die mit einer ungeheueren Kraft und Geschwindigkeit in den Himmel hinauf fliegen. Sie durchdringen die Erdatmosphäre und verbleiben meist für mehrere Monate im Weltall. Eine solche Mission muss im Vorfeld aber ganz genauestens geplant werden. Das ist eine ziemlich komplexe Sache, wisst ihr."

Aber Ashitaka und Tôya schien dieses Thema bei weitem zu hoch gewesen zu sein, ebenso wie Shippou, dem schon schwindelig zu werden schien, denn er wäre beinahe von Kagomes Schulter gefallen.

"Der Sprung von einer Polaroid-Kamera zu einer Rakete war wohl doch etwas heftig, Kagome", meinte Kimie nunmehr mit einem amüsierten Lächeln, woraufhin Kagome sich etwas verlegen am Kopf kratzte.

"Tut mir Leid. Ich wollte niemanden verwirren."

"Aber dieser... Kasten ist doch sehr interessant", meinte Ashitaka nun und nahm Kimie die Polaroid-Kamera aus der Hand, um sie sich etwas genauer anzuschauen. Dabei entdeckte er auch den Auslöser der Kamera. "Und wozu ist das hier gut?"

"Das ist der Auslöser", erklärte Kimie ihm. "Wenn du da draufdrückst, machst du gleichzeitig ein Foto. Und um dir vorher anzusehen, was zu eigentlich fotografierst, musst du hier durch den Sucher hindurchschauen."

Während Kimie dem Inu-Youkai nun in einer Art Schnellverfahren den Umgang mit der Polaroid-Kamera näher erläuterte, bekam Tôya unterdessen mit, wie jemand durch die Tore in der Schlossmauer schritt und das Gelände betrat.

"Ah! Da kommt Subaru wieder zurück", sagte er und machte damit nun auch die anderen auf Subaru aufmerksam. Tôya hatte am Morgen beobachtet, wie sein Kamerad das Schloss verlassen hatte, von daher war er nicht verwundert darüber gewesen, dass er nun von außerhalb gekommen war. Aber besonders Kagome hatte sofort aufgehorcht, als der Name des Youkai gefallen war. Sie hatte sich am Vortag noch viele Gedanken hinsichtlich ihrer Unterhaltung mit ihm gemacht, bisher aber weder Kimie noch einem ihrer Freunde von diesem Vorfall berichtet.

Schließlich war Subaru bei den anderen angekommen und kam sofort zur Sache, indem er Ashitaka und Tôya ganz direkt fragte: "Sagt mir, ist Sesshoumaru-sama in der Nähe?"

Ashitaka deutete mit dem Daumen seiner rechten Hand hinter sich zum Haupteingang. "Er müsste irgendwo im Schloss sein. Aber was ist denn los, Subaru? Ist etwas vorgefallen?"

Subaru verschränkte die Arme vor der Brust, während er mit einem Nicken Richtung Wald deutete. "Wie man's nimmt. Ich durfte mich da draußen vorhin ein wenig mit etwas herumschlagen. Davon sollte ich Sesshoumaru-sama besser in Kenntnis setzen."

In diesem Moment öffnete sich wie auf Kommando die Tür des Haupteingangs und Sesshoumaru trat auf die Veranda hinaus. Die kleine Versammlung an der Treppe bedachte er mit einem flüchtigen Blick.

"Du kommst wirklich wie gerufen, hier will nämlich jemand etwas von dir", sagte Kimie nun an den Youkai gewandt und nickte in Subarus Richtung.

Als Sesshoumaru seine Aufmerksamkeit daher auf ihn gerichtet hatte, trat Subaru noch etwas weiter vor und verneigte sich leicht, ehe er anfing zu sprechen: "Sesshoumaru-sama. Ich habe da draußen im Wald etwas entdeckt, das Ihr Euch vielleicht mal ansehen solltet."

Es verging ein kurzer Augenblick, dann nickte Sesshoumaru einverstanden. "In Ordnung."

Dann wies er zudem noch Ashitaka und Tôya an, ebenfalls mitzukommen, wohingegen die anderen im Schloss bleiben sollten. Doch kaum, dass Sesshoumaru die Treppe vor dem Schlosseingang hinuntergegangen und drei Schritte getan hatte, spürte er ganz genau, dass ihm jemand ganz dicht folgte. Er ahnte auch schon, wer das war und wurde in seiner Vermutung sehr schnell bestätigt, als er sich umdrehte und nunmehr Kimie erblickte.

"Ich sagte eben, alle anderen bleiben hier. Das gilt auch für dich!", verdeutlichte er ihr noch einmal ganz klar.

Aber Kimie stemmte nur die Hände in die Hüften und erwiderte kleinlaut: "Ich hab's gehört! Ich bin schließlich nicht taub. Aber du hast doch erst gestern noch selbst zu mir gesagt, ich solle nicht mehr von deiner Seite weichen. Und vorhin meintest du noch, ich solle das Schloss, wenn nötig, nur in deinem Beisein verlassen. Hast du das etwa schon vergessen? Kann man es dir denn überhaupt mal recht machen? Sind eigentlich alle Männer so schwierig veranlagt oder ist das meist bei Dämonen der Fall?"

"Bist du fertig? Welche Frage soll ich zuerst beantworten?", entgegnete Sesshoumaru unbeeindruckt, womit er Kimie allerdings gleich wieder an den Rand eines Nervenzusammenbruchs zu treiben schien. Anstatt aber irgendetwas zu sagen, zückte sie nur wieder ihre Polaroid-Kamera, schaute durch den Sucher und drückte ab. Ein kurzer Blitz leuchtete auf, ehe das Foto aus der Kamera kam. Kimie wartete einen Moment bis das Bild zu sehen war und hielt es anschließend Sesshoumaru unter die Nase.

"Da! So siehst du aus, wenn du mit jemandem redest", sagte sie, als wollte sie ihn vorführen, und hatte dabei ein wenig etwas von einem trotzigen Kind. Wenngleich der plötzlich Blitz aus der Kamera Sesshoumaru kurzzeitig etwas überrumpelt zu haben schien, so versteckte er dies zum Einen sehr gut und zum Anderen ließ er sich auch nach dieser Einlage nicht von seinem Standpunkt wegdrängen.

"Du bleibst hier und das ist mein letztes Wort!", sagte er nur entschieden, als er sich nun wieder zum Gehen umwandte und anschließend ohne ein weiteres Wort das Schloss zusammen mit Subaru, Ashitaka und Tôya verließ. Bis die vier aus ihrer Sicht verschwunden waren, hatte Kimie ihnen nachgesehen.

"Du bleibst hier und das ist mein letztes Wort...", wiederholte sie nun mit dem selben Ton in der Stimme, wie Sesshoumaru ihn zuvor draufgehabt hatte, ehe sie mit einer weitschweifigen Handbewegung in die Richtung der Schlossmauern und einem Unterton von Sarkasmus fortfuhr: "Und so sprach der große Lord und zog von dannen."

"Nimm's nicht so schwer, Kimie", meinte Kagome mit einem leichten Lächeln. "Er meint es sicherlich nur gut mit dir, auch wenn es nicht so rüberkommen sollte."

"Ja, ich weiß", erwiderte Kimie mit einem leichten Seufzen. "Aber trotzdem finde ich das... Hm?" Sie stockte, denn plötzlich hatte sie ein etwas eigenartiges Gefühl und schaute hinunter auf ihren Gürtel, an dem ihr Schwert hing. Shippou und Kagome tauschten untereinander kurz ihre Blicke aus, die daraufhin wieder zu Kimie wanderten.

"Was ist denn, Kimie?", fragte der kleine Kitsune das Mädchen nun neugierig. Kimie zog Raidon nun ein wenig aus der Schwertscheide und stutzte. Es fühlte sich irgendwie an, als würde das Schwert ganz leicht pulsieren, als ob es leben würde. Letztendlich zog sie ihr Schwert vollend aus der Schwertscheide und betrachtete es ausgiebig. Aber jetzt tat sich komischerweise nichts mehr. Kimie schlug daher mit der Klingenspitze ganz leicht auf den Boden und schwang das Schwert ein paar Mal hin und her, doch das Pulsieren kam nicht wieder.

"Was ist los?", fragte nun auch Kagome, doch Kimie schüttelte nur den Kopf, während sie ihr Schwert wieder einsteckte.

"Ach, schon gut. Ich dachte nur, da wäre etwas gewesen", sagte sie, ehe sie sich wieder zum Haupteingang des Schlosses umdrehte.

"Seid bitte nicht böse, aber ich glaube, ich geh erstmal wieder auf mein Zimmer", meinte Kimie an Kagome und Shippou gerichtet und ging wieder zurück ins Schloss. Nachdem sie die Eingangstür hinter sich geschlossen hatte und soeben den Gang entlanggehen wollte, begegnete sie dabei jedoch unerwartet Touran, die mit dem Oberkörper an der Wand lehnte. Es schien, als habe die Panther-Dämonin schon die ganze Zeit hier gestanden. Kimie war sich zunächst nicht sicher, ob Touran eventuell etwas von ihr wollte oder einfach nur zufällig hier gestanden hatte. Doch beäugte sie das Mädchen ziemlich genau.

"Sesshoumaru scheint sich ja sehr um deine Sicherheit zu sorgen", sagte die Panther-Dämonin plötzlich. Kimie fühlte sich in diesem Moment irgendwie überrumpelt und wusste auch nicht, was sie darauf erwidern sollte.

"Nun ja... Schon möglich...", entgegnete sie nur zögerlich, als Touran daraufhin mit einem prüfenden Unterton fragte: "Also, Mädchen, in welcher Beziehung stehst du zu ihm?"

"Wie?" Kimie hatte sofort aufgehorcht. Sie verstand allerdings nicht so ganz, worauf die Panther-Dämonin eigentlich hinaus wollte. Doch ehe sie sich überhaupt so wirklich ihre Gedanken hatte machen können, winkte Touran jedoch ab, kehrte ihr den Rücken zu und ging mit den Worten: "Vergiss, dass ich gefragt habe."

So stand Kimie nach einem Moment wie bestellt und nicht abgeholt im Gang, bis Touran wieder aus ihrer Sicht verschwunden war.

"Was sollte das eben? Habe ich irgendetwas verpasst?", fragte sich das Mädchen ein wenig irritiert. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie glatt vermutet, Touran wollte sie aushorchen. Aber warum hätte sie das tun sollen?

Irgendwann entwich Kimie ein entnervtes Seufzen. "Hach... Ich wusste es! Ich muss wohl wirklich mal wieder eine Zeit lang nur unter Menschen verbringen."

Und damit machte sie sich schließlich wieder auf den Weg zu ihrem Zimmer.
 

"Ist euch auch aufgefallen, dass sich Nee-san etwas komisch benimmt?", fragte Karan ihre beiden anderen Geschwister, als sie mit ihnen zusammen in ihrem Zimmer saß. "Ich meine, früher wäre sie doch nicht mal im Traum auf die Idee gekommen, dass wir herkommen und mit den Inu-Youkai zusammen gegen einen gemeinsamen Feind kämpfen sollen."

Shunran und Shuuran tauschten daraufhin kurz ihre Blicke untereinander aus.

"Willst du auf etwas bestimmtes hinaus, Karan?", fragte Shuuran seine Schwester nach einem Moment. Karan verschränkte die Arme vor der Brust und entgegnete: "Willst du die Wahrheit hören? Ich weiß selbst nicht genau, was ich mir eigentlich denke. Die ganze Sache ist mir für meinen Geschmack irgendwie zu konfus."

"Oder aber, du versuchst die Möglichkeit zu verdrängen, dass Nee-san einer Zusammenarbeit mit den Inu-Youkai wirklich alles andere als abgeneigt ist", warf Shunran plötzlich ein, womit sofort die etwas irritiert wirkenden Blicke ihrer Geschwister auf ihr ruhten. Die junge Panther-Dämonin blieb aber ganz ruhig, als sie weiter sprach: "Ich meine, überlegt doch mal. Seit wir zuletzt gegen Sesshoumaru gekämpft haben und er uns drei gerettet hat, hat sie kein übles Wort mehr über ihn verloren. Es ist zwar nur so eine Vermutung, aber glaubt ihr nicht auch, dass Nee-san Sesshoumaru inzwischen mit ganz anderen Augen sieht, wenn ihr versteht?"

Jetzt waren es Karans und Shuurans Blicke gewesen, die sich kurz trafen. Während Shuuran jedoch vergleichsweise ruhig blieb, schien Karan von Shunrans Behauptung alles andere als angetan gewesen zu sein.

"Sag doch nicht so was, Shunran!", entgegnete die rothaarige Panther-Dämonin. "Dieser Gedanke ist doch vollkommen an den Haaren herbeigezogen! Und überhaupt ist diese Vorstellung einfach nur... absurd!"

Da Karan von den Inu-Youkai in etwa eine so gute Meinung hatte, wie Tôya von den Panther-Youkai, konnte sie Shunrans Vermutung wirklich nicht sonderlich viel abgewinnen. Aber auch Karan musste ihrer Schwester zumindest in der Hinsicht zustimmen, dass sich Tourans Einstellung den Inu-Youkai und besonders Sesshoumaru gegenüber seit einiger Zeit verändert hatte. So ungern Karan es auch zugeben wollte, so schien in Shunrans Worten zumindest ein Körnchen Wahrheit verborgen gewesen zu sein.
 

Und während die anderen im Schloss zurückgeblieben waren, waren die vier Inu-Youkai schon recht bald an ihrem Ziel angekommen. Subaru hatte Sesshoumaru, Ashitaka und Tôya zu dem toten Körper eines riesigen Dämons geführt. Ein gezielter Schuss mit einem Pfeil ins Maul hatte das Ungetüm zur Strecke gebracht.

"Was ist das denn für ein Ding?", fragte sich Tôya, als er sich den toten Dämon kurz angesehen hatte. So einen Dämon hatte er zuvor noch nie zu Gesicht bekommen. Subaru konnte ihm auf seine Frage jedoch keine eindeutige Antwort geben.

"Ich weiß es nicht", erwiderte er nur. "Aber jedenfalls waren sie zu dritt. Die anderen beiden sind abgehauen, nachdem ich den hier erledigt hatte."

Der Körper des toten Dämons war vollkommen bedeckt mit schwarzen Schuppen. Er war von seinem Kopf bis zum Ende des langen Schwanzes gemessen bestimmt gut 10 Meter lang gewesen. Er besaß jedoch keine Vordergliedmaßen sondern stattdessen nur ein Paar riesiger schwarzer Schwingen, ähnlich denen von Drachen, und obwohl schon längst jegliches Leben aus ihm gewichen war, schienen seine geöffneten blutroten Augen die Inu-Youkai ganz genau erfasst zu haben.

Sesshoumaru kamen bei dem Anblick des toten Dämons sofort einige Worte von Touran in den Sinn. Ihm gegenüber hatte sie am vergangenen Tag mal im Gespräch eine Bemerkung über drachenähnliche Youkai fallen gelassen, die in letzter Zeit schon öfters über dem Gebiet der Panther-Dämonen ihre Kreise gezogen hatten. Unterdessen nahm Ashitaka die Schwingen des Ungetüms etwas genauer in Augenschein.

"Nicht schlecht. Das sind bestimmt gut 15 Meter Spannweite", meinte er nach eingehender Betrachtung.

"Hmm... Und was machen wir jetzt mit ihm?", fragte Tôya nun an Sesshoumaru gewandt, der sich inzwischen wieder zum Gehen umgewandt hatte.

"Lasst ihn liegen", sagte er kühl, ehe er die Anweisung erteilte, dass sie alle erstmal wieder zum Schloss zurückkehren würden. Zwar hatte Sesshoumaru eine solchen Dämon zuvor auch noch nicht gesehen, aber ihm waren in der Vergangenheit mal Erzählungen über solche Ungetüme zu Ohren gekommen, auch von Seiten seines Vaters. Das war sicherlich nicht das letzte Mal gewesen, dass ein solcher Dämon hier in der Gegend aufgetaucht war.
 

Keiner der vier Inu-Youkai ahnte zu diesem Zeitpunkt wohl, dass sie schon eine geraume Zeit beobachtet wurden. Allerdings nicht unmittelbar, sondern aus weiter Ferne und zwar von zwei Gestalten, die sich auf einem der zahlreichen Felsvorsprünge der Berge im Norden befanden.

"Hm! So ein Spiegel ist wirklich äußerst praktisch", sagte Akuma, während er einen runden Spiegel in seiner rechten Hand hielt und mit dem er Sesshoumaru und dessen Begleiter ganz genau beobachten und jeden ihrer Schritte mitverfolgen konnte. Ein amüsiertes Grinsen erschien auf seinem Gesicht. "Ich denke mal, es wird allmählich Zeit, die erste Runde einzuleiten."

"Bist du dir auch wirklich sicher, dass du das tun willst, Akuma?", fragte sein Begleiter daraufhin, wobei ein leichter Unterton von Skepsis in seiner Stimme gelegen hatte. "Dieser Kerl... Ich traue seinen Worten nicht sonderlich und ihm selbst noch weniger."

Trotz der Bedenken seines Gesprächspartners blieb Akuma jedoch gelassen. "Zugegeben, er hat ein etwas eigenartiges Auftreten, aber er könnte uns noch durchaus von Nutzen sein, Takeshi. Und wenn ich ihn richtig verstanden habe, will er auch unsere Dienste in Anspruch nehmen. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Belassen wir es erstmal dabei."

Nun erschien ein hinterhältiges Lächeln auf seinem Gesicht. "Los! Spielen wir also ein wenig mit den Hündchen. Das wird sicherlich unterhaltsam."

Kurz darauf hörte man in der Luft das dumpfe Schlagen mehrerer Flügelpaare und die Schatten zahlreicher großer Wesen huschten die steilen Hänge der Berge entlang.
 

Die Rückkehr der vier Inu-Youkai in Schloss war größtenteils unbeobachtet geblieben. Im Moment war es rund um das Schloss auch ansonsten eher ruhig und das blieb auch so bis zum frühen Nachmittag. Kagome, Sango und Kimie saßen zu diesem Zeitpunkt zusammen mit Shippou in der heißen Quelle hinter einem der Palastgebäude. Shippou ließ sich dabei auf einem kleinen Schwimmreifen, den Kagome ihm mitgebracht hatte, genüsslich auf dem Wasser treiben, während sich die Mädchen ein wenig miteinander unterhielten.

Nach einer Weile fragte Kimie die anderen: "Sagt mal, wie viele Juwelensplitter gibt es eigentlich noch?"

"Das wissen wir auch nicht so genau", antwortete Sango, während Kagome daraufhin das kleine Fläschchen, welches sie immer um den Hals trug, nun in die Hand nahm und es sich etwas genauer ansah. Es befanden sich mehrere Juwelensplitter darin.

"Narakus Splittersammlung ist mittlerweile vermutlich auch wieder größer geworden", vermutete Shippou. "Wer weiß, vielleicht sind ja bereits alle Splitter gefunden, nur besitzen wir eben den einen Teil und Naraku den anderen. Und nicht zu vergessen Kouga! Der hat ja schließlich auch noch seine beiden Splitter."

"Hmm... Stimmt. Kann schon durchaus sein, dass mittlerweile bereits alle Splitter gefunden sind", stimmte Kagome dem kleinen Kitsune zu, wobei ihr Gesicht einen merkwürdig betrübten Ausdruck annahm. >Wenn das aber wirklich stimmt, dann gibt es für mich so gesehen doch eigentlich keinen Grund mehr, in diese Zeit zu kommen... Schließlich bin ich doch nur hier, um dafür zu sorgen, dass das Shikon no Tama wieder zusammengesetzt wird. Wie lange werde ich wohl noch zwischen den beiden Epochen reisen können...?<

"Wie es Kohaku wohl geht...?", fragte sich Sango plötzlich leise und richtete die Aufmerksamkeit der anderen wieder auf sich.

In diesem Moment fiel es auch Kimie wieder ein. "Ach, stimmt ja, dein kleiner Bruder besitzt ja ebenfalls einen Splitter, Sango."

Die Dämonenjägerin nickte einmal, ehe sie einen Moment lang aus dem Wasser aufstand. Für einen Augenblick konnten die anderen nun die Narbe auf ihrem Rücken erkennen, genau an der Stelle, wo Kohaku sie einst mit seiner Kettensichel getroffen hatte, als er unter Narakus Kontrolle stand und dabei auch seinen und Sangos Vater und zwei weitere Dämonenjäger getötet hatte. Man sah Sango des Öfteren deutlich an, dass sie das alles noch immer sehr mitnahm, ebenso wie die Sorgen um ihren Bruder.

"Mach dir keine Sorgen, Sango!", meinte Shippou schließlich optimistisch. "Ich wette, Kohaku geht es gut. Und wenn wir Naraku erstmal erledigt haben, dann werden er und du auch endlich wieder zusammen sein."

"Und natürlich werden wir dich nach Kräften unterstützen", fügte Kagome noch hinzu und auch Kimie schloss sich dem an.

Mit einem dankbaren Lächeln sah Sango ihre Freunde an. "Vielen Dank, euch allen."

Sango war ihren Freunden wirklich sehr dankbar. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie es wohl gewesen wäre, wenn die ganze Sache anders gekommen und sie ihnen nicht begegnet wäre und sich ihnen angeschlossen hätte. Mit einem erleichterten Seufzen setzte sich Sango nun wieder ins Wasser. Doch waren sie und ihre Freunde schon bald nicht mehr die einzigen, die sich hier aufhielten, denn Kagome wurde nun auf eine weitere Person aufmerksam, die sich der Quelle näherte.

"Oh! Hallo, Miyuki-chan!", grüßte Kagome das Dämonenmädchen sofort freundlich, ebenso wie die anderen.

Miyuki grüßte zurück: "Hallo! Ich hoffe, ich störe euch nicht?"

"Nein, keinesfalls. Möchtest du auch ein Bad nehmen?", fragte Sango, woraufhin Miyuki mit einem Lächeln antwortete: "Wenn ihr nichts dagegen habt, dass ich euch Gesellschaft leiste?"

Die anderen verneinten die Frage natürlich, woraufhin Miyuki ihr mitgebrachtes Handtuch auf den Boden ablegte, sich nun ebenfalls ihrer Kleider entledigte und sich dann zu den anderen gesellte. Allerdings fielen ihr kurz darauf die etwas amüsierten Blicke der anderen auf. Miyuki schaute nun etwas irritiert von einer Person zur anderen. "Was ist? Warum guckt ihr so?"

"Sag mal, dürfen wir dich vielleicht etwas fragen? Wir wollen aber bestimmt nicht unverschämt sein", begann Kagome daraufhin.

"Worum geht es denn?", fragte Miyuki zurück, woraufhin Kagome ihr erklärte, dass sie und die anderen in der vergangenen Nacht ebenfalls die kleine Auseinandersetzung zwischen dem Dämonenmädchen und Ashitaka mitbekommen hatten. Als sie das gehört hatte, tippte Miyuki sichtlich verlegen die Zeigefinger aneinander. "Huch! Ihr... habt das auch mitbekommen?"

Miyuki war diese Sache zugegeben etwas peinlich gewesen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass noch andere Wind von davon bekommen hatten. Auf ihre Frage hin, entgegnete Shippou nun: "Eure kleine Auseinandersetzung war ja nicht zu überhören gewesen. Aber was genau war denn eigentlich los?"

Zwar zunächst etwas verschüchtert erzählte Miyuki den anderen dennoch, was der Auslöser für die kleine Kabbelei zwischen ihr uns Ashitaka gewesen war. Dass er sich mal wieder einen Scherz mit ihr erlaubt hatte, der ihr ein wenig gegen den Strich gegangen war.

Nachdem sie das gehört hatte, lachte Kagome kurz auf. "Tja, Ashitaka-kun ist scheinbar noch immer genauso zu Späßen aufgelegt und direkt, wie schon vor einem Jahr, als wir ihn kennen gelernt haben."

"Das ist wahr", stimmte Kimie ihrer Cousine zu. "Aber genau das mag ich irgendwie so an ihm. Er redet nicht ständig um den heißen Brei herum."

"Mal ganz abgesehen davon kann er auch gut kämpfen und verächtlich aussehen tut er ja auch nicht", fügte Sango abschließend noch hinzu.

Sich das ganze so anhörend, schien Miyuki so langsam aber sicher doch etwas unruhig zu werden.

"Aber hört mal, von euch dreien ist doch nicht etwa eine in ihn verliebt, oder?", fragte sie Kagome, Sango und Kimie plötzlich, die nunmehr verstummten und ihre Blicke stattdessen auf das Dämonenmädchen richteten, das daraufhin etwas verlegen den Blick senkte. "Ich meine, ich könnte es verstehen, wenn eine von euch in ihn verliebt wäre. Aber..."

Kagome, Sango und Kimie tauschten untereinander kurz ihre Blicke aus, ehe sich Kagome mit einem vergnügten Lächeln an Miyuki wandte: "Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, du magst Ashitaka-kun sehr. Habe ich Recht, Miyuki-chan?"

"Uhm... Na ja..." Miyuki schien nun doch etwas rot zu werden und tippte leicht die Zeigefinger aneinander, was Kagome in ihrer Vermutung nur zu bestätigen schien und auch Sango und Kimie waren sich nun ganz sicher, dass Kagome Recht gehabt hatte. Und tatsächlich musste auch Miyuki für sich selbst zugeben, dass sie über Ashitaka durchaus anders dachte, als eventuell über einen anderen Inu-Youkai. Hatte Tôya mit seiner Vermutung, die er ihr gegenüber in der Nacht zuvor geäußert hatte, etwa doch nicht ganz Unrecht gehabt?

"Mach dir darüber mal keine Sorgen", meinte Shippou nunmehr unbekümmert an Miyuki gerichtet. "Denn Kagome Sango und Kimie haben alle schon jeweils jemanden für sich gefunden."

Als das Dämonenmädchen die anderen daraufhin doch äußerst neugierig beäugte, seufzte Kagome hingegen etwas verlegen auf. "Shippou-chan..."
 

Unbemerkt von Shippou und den Mädchen hatte sich hingegen Miroku mal wieder nicht beherrschen können und lugte schon seit einer Weile vorsichtig hinter einem der Felsen hervor, die die heiße Quelle umgaben. Eigentlich hatte er sich ja schon vor einiger Zeit vorgenommen, von solchen Verhaltensweisen in Zukunft abzusehen, aber da war die Gewohnheit wohl doch stärker gewesen, als der gute Vorsatz. Und während er die Mädchen heimlich beobachtete, seufzte er innerlich leicht auf. >Ach, Sango... Ich werde einfach nicht schlau aus dir...<

Wenngleich Miroku und Sango seit geraumer Zeit schon so was wie eine Beziehung führten, gab sich die Dämonenjägerin dennoch nach wie vor des Öfteren wie in der Zeit davor und das besonders in der Gegenwart der Freunde oder von anderen. Allerdings verpasste sie ihm jetzt nicht immer wieder eine Backpfeife, wenn er sich ihr mal zu nähern versuchte, es sei denn, er wurde dabei wieder unsittlich. Sango schien in solchen Dingen wohl ein etwas schwierigerer Fall gewesen zu sein, aber wahrscheinlich war es eben auch das, was Miroku so an ihr mochte. Und wenn die beiden mal unter sich waren, konnte sich der Mönch wohl keine schöneren Augenblicke von trauter Zweisamkeit vorstellen. Aber wie Miroku es vorhin auch schon mal den anderen gegenüber geäußert hatte: Wirklich zum Zuge hatte Sango ihn noch nicht kommen lassen.

Mit seinen Gedanken teilweise bei diesem Thema und mit den Augen ab und zu bei den badenden Mädchen, verharrte Miroku noch ein Weilchen auf seinem Aussichtsplatz, als ihn eine bekannte Stimme ansprach: "Was machst du da, Miroku?"

Hastig hatte sich Miroku umgedreht und entdeckte nunmehr Ashitaka unterhalb der Felsen stehen und neugierig zu dem Mönch hinaufschauen. Gerade, als dieser stammelnd versuchte, die Sache zu erklären und Ashitaka nebenbei mit dem Zeigefinger an den Lippen verdeutlichte, doch bitte leise zu sein, hörte Miroku plötzlich die erboste Stimme von Sango fragen: "Wer ist da?!"

Vor lauter Schreck hatte Miroku daraufhin den Halt verloren. Er fiel mit dem Oberkörper nach hinten und landete mit einem lauten Platschen ebenfalls genau in der heißen Quelle. Hustend tauchte er keine zwei Sekunden später wieder aus dem Wasser auf. Sofort trafen ihn die bitterbösen Blicke der Mädchen.

"Ich hab's doch gewusst! Du elender, notgeiler Houshi! Spannen allein reicht dir wohl nicht mehr, jetzt gehst du sogar noch weiter!!", schrie Sango aufgebracht und griff zusätzlich zu einem der Handtücher schon mal vorsorglich nach ihrem Bumerang, den sie neben ihren Sachen abgelegt hatte. Die linke Hand wie zur Verteidigung weit von sich gestreckt, versuchte Miroku, die aufgebrachte Dämonenjägerin doch noch wieder zu beruhigen.

"Warte, Sango! Das ist doch alles ganz anders!", versuchte er zu erklären, aber wirklich zu helfen schien das nicht wirklich. Zudem wurde die ganze Sache auch dadurch nicht besser, dass jetzt auch noch Ashitakas Kopf hinter den Felsen zum Vorschein kam, wenngleich der Youkai lediglich nach Miroku hatte sehen wollen. "Miroku, was...?"

"AAAAH!! Ashitaka, hau ab da!", schrie nunmehr Miyuki wie am Spieß, wohingegen Shippou nur trocken meinte: "Ashitaka... Ich bin wirklich maßlos enttäuscht. Gerade von dir hätten wir so was nun wirklich nicht erwartet."

"Was?!" Erst jetzt schien Ashitaka überhaupt wirklich mitbekommen zu haben, was genau Miroku zuvor eigentlich gemacht hatte und jetzt fand sich der Youkai selbst wohl oder übel in so ziemlich der gleichen Lage wieder, obwohl er eigentlich keine verwerflichen Absichten gehabt hatte. Dementsprechend versuchte er auch sofort, die Sache zu klären: "Moment mal! Das ist ein Missverständnis! Ich wollte doch gar nicht...!"

Weiter kam Ashitaka aber nicht mehr, denn obwohl die Situation wohl nicht noch schlimmer hätte werden können, tauchte nun auch noch Inu Yasha wie aus dem Nichts auf der Bildfläche auf.

"Was ist hier los?", fragte der Hanyou sofort, da er schon irgendeine potenzielle Gefahr vermutete und sprang mit gezogenem Schwert auf einen der Felsen. Das war nun auch endgültig zu viel für Kagome.

"Kyaaaaa!! Inu Yasha! Osuwariiii!!", schrie sie sofort und Inu Yasha wurde sofort von seinem Rosenkranz nach unten gezogen. Allerdings landete er dabei genau wie schon zuvor Miroku in der heißen Quelle. Auch Kagome, Kimie und Miyuki hatten sich inzwischen eiligst ihre Handtücher geschnappt, aber das änderte nichts an ihrer aufgebrachten Haltung.

"Haut ab! Verschwindet! Und zwar alle! Sofort!!", keifte nunmehr Kimie, die wohl vom Glück sagen konnte, dass bis jetzt nicht auch noch Sesshoumaru hier aufgetaucht war. Das wäre ansonsten wohl die Krönung des Ganzen geworden. Aber die Situation war auch so schon heftig genug gewesen. Miroku und Inu Yasha hockten nunmehr ebenfalls in der heißen Quelle, während sich Ashitaka immer noch krampfhaft darum bemühte, seine eigene Lage zu dieser Situation zu erklären. Ob ihm momentan aber überhaupt jemand so wirklich zuhörte, war äußerst fraglich, da man durch die durcheinander geworfenen Rufe der einzelnen Beteiligten ja nicht mal mehr das eigene Wort verstehen konnte. Doch irgendwann endete alles im wahrsten Sinne des Wortes Schlag auf Schlag.
 

Eine Stunde später saß Tôya zusammen mit Inu Yasha, Miroku und Ashitaka auf der Veranda direkt vor dem Eingang des Schlosses. Sein besonderes Augenmerk richtete sich dabei schon eine geraume Zeit auf die neuesten Errungenschaften seiner Gesprächspartner. Denn Inu Yashas Kopf zierte eine nette kleine Beule, die er von seinem Sturz in die Quelle und dem damit verbundenen Aufprall auf den steinernen Untergrund davongetragen hatte. Miroku war da hingegen schon mehr in Mitleidenschaft gezogen worden, denn zusätzlich zu dem knallroten Handabdruck auf seiner linken Wange hatte er von Sango auch noch ein blaues Auge verpasst bekommen. Mal abgesehen davon war das heute schon die zweite Prügel gewesen, die er kassiert hatte, zählte man Sangos Ohrfeige vom Morgen nicht mit dazu. Und passend zu Mirokus geröteter linken Wange hatte Ashitaka einen ähnlichen Abdruck auf seiner rechten Wange, den ihm Miyuki nachträglich hatte zukommen lassen. Tôya konnte nicht anders, als bei diesem Anblick zu grinsen. Er musste sich schon sehr das Lachen verkneifen, zumal er zuvor aus einer knappen Schilderung der drei erfahren, was sich kurz zuvor ereignet hatte.

"Ehrlich gesagt, ihr seht mehr so aus, als wärt ihr unter eine Horde Wildschweine geraten", meinte Tôya schließlich. "Und was dich angeht, Ashitaka, das dürfte wohl das erste Mal gewesen sein, dass dich ein Mädchen verprügelt hat, was?"

"Es war lediglich eine Backpfeife, Tôya!", korrigierte Ashitaka die Aussage seines Kameraden knapp. "Und außerdem bin ich vollkommen unschuldig! Das war schließlich alles nur ein Missverständnis."

"Bei mir ja auch!", fügte Inu Yasha hinzu, wobei er kurz darauf aus dem Seitenwinkel einen sehr finsteren Blick auf Miroku warf. "Andere hingegen wollen scheinbar nicht von ihren Gewohnheiten ablassen."

"Hach... Eine wirklich schlimme Geschichte...", seufzte Miroku nun schwer auf, wobei er aber keinesfalls seine kleinen Vorlieben gemeint hatte. "Ich frage mich, ob ein Mann jemals in seinem Leben von dieser Angst befreit werden wird?"

"Hör bloß auf damit!", sagte Inu Yasha. "Der einzige Mann, der hier wohl berechtigten Grund hat sich zu fürchten, bist einzig und allein du! Eigentlich könnte es mir auch vollkommen egal sein, wenn du dabei nicht auch noch andere mit hineinziehen würdest."

Ein Unschuldsblick aller erster Güte seitens Miroku traf nun Inu Yasha.

"Aber es ist doch nicht meine Schuld gewesen, dass du und Ashitaka auch noch aufgekreuzt seid", rechtfertigte sich der Mönch kleinlaut, bekam dafür aber nur auch noch eine Kopfnuss von dem Hanyou verpasst.

"Aua! Warum haust du mich jetzt auch noch?", fragte Miroku verständnislos, doch Inu Yasha wandte nur mit dem Wort "Klappe!" beleidigt den Blick ab.

Und während Ashitaka dem Schauspiel eher stillschweigend beiwohnte, richtete Tôya seinen Blick mehr wie zufällig zum Himmel hinauf. Dabei entdeckte er in der Ferne an diesem jedoch etwas eigenartiges und diesmal waren es hundertprozentig keine Wolken gewesen, die sich da dem Schloss zu nähern schienen. Als Tôya auch die anderen darauf aufmerksam gemacht hatte, schienen diese seine Ansicht zu teilen.

"Das sind Dämonen!", sprach Miroku schließlich das aus, was jeder der vier im Moment gedacht hatte. "Ziemlich große, wie es scheint. Und sie kommen hierher!"

Sofort war Ashitaka aufgesprungen und machte sich nicht mal mehr die Mühe, durch das Innere des Schlosses zu laufen, denn mit gekonnten Sprüngen von einer Veranda zur anderen erreichte er innerhalb von wenigen Sekunden das angestrebte Stockwerk und öffnete sofort die Schiebetür, vor der er gelandet war.
 

Sesshoumaru hatte sich sofort zur Schiebetür, die auf die Veranda hinausführte, umgewandt und entdeckte den sehr aufgeregt wirkenden Ashitaka an dieser stehen.

"Sesshoumaru! Wir kriegen gleich Besuch und bestimmt keinen gut gemeinten", sagte der Jüngere, womit Sesshoumaru gleich alles klar gewesen war. Auch er trat nun hinaus ins Freie und erblickte die fliegenden Dämonen, die nach und nach immer näher kamen.

"Hol die anderen, Ashitaka!", wies Sesshoumaru seinen Cousin sofort an, während er selbst nun von der Veranda direkt hinunter auf den Hof sprang, auf welchem sich auch noch Inu Yasha, Miroku und Tôya aufhielten. Ashitaka hatte ihm noch einen Moment lang nachgesehen, machte sich aber sogleich daran, der zuvor erteilten Anweisung nachzukommen. Dabei ging er wieder den äußeren Weg über die Veranden und wollte sich Stockwerk für Stockwerk nach unten durcharbeiten. Dabei platzte er bei der nunmehr zweiten Tür versehentlich bei Kimie rein, die bisher noch nichts von der ganzen Aufregung mitbekommen hatte, jetzt aber ziemlich erstaunt ihren unerwarteten Besucher ansah.

"Ashitaka? Wo kommst du denn auf einmal her? Ist etwas passiert?"

Zuerst zögerte Ashitaka, rückte dann aber doch mit der Sprache raus, als er einmal hinter sich gesehen hatte und mitbekam, die sich weiter nähernden fliegenden Dämonen: "Kimie-chan, es wäre wohl besser, wenn du in deinem Zimmer bleibst. Wir werden angegriffen!"

Kimie fiel aus allen Wolken, als sie das gehört hatte. "Angegriffen?! Von wem?! Was...?! Hey, Ashitaka!"

Doch Ashitaka war schon wieder verschwunden und hatte auch die Schiebetür wieder geschlossen. Kimie saß zunächst noch etwas ratlos auf der Stelle, als ihr Blick plötzlich auf Raidon fiel, welches sie neben ihrem Rucksack an die Wand gestellt hatte. Es war eigenartig, aber Kimie hörte nun wieder dieses eigenartige Geräusch. Und als sie kurz darauf aufstand und ihr Schwert in die Hand nahm, war es wieder da gewesen: dieses eigenartige Pulsieren, welches sie vorhin schon einmal kurz gespürt hatte. Was es aber genau zu bedeuten hatte, wusste sie nicht.

Kimie schaute nun kurz zu Inuki, der sie seinerseits abwarten beäugte. Recht schnell hatte das Mädchen für sich auch schon eine Entscheidung getroffen.

"Ich werde hier keinesfalls nur dumm herumsitzen! Komm mit, Inuki!" Und damit befestigte sie ihr Schwert an ihrem Gürtel und lief mit Inuki zusammen aus dem Zimmer die Gänge entlang. Die Stufen der Treppen nahm sie dabei kaum ordnungsgemäß wahr, sondern sprang diese stets fast der gesamten Länge nach runter. Schließlich waren sie und Inuki in dem Stockwerk angekommen, wo auch Kagome und die anderen ihre Zimmer hatten. Kimies erster Weg führte sie in das Zimmer ihrer Cousine.

"Kagome! Das Schloss wird angegriffen!", rief sie sogleich in das Zimmer, in welchem Kagome gerade dabei gewesen war, ihren Köcher mit den Pfeilen auf ihren Rücken zu laden und ihren Bogen in die Hand nahm.

"Ja, ich habe es eben von Ashitaka-kun gehört", entgegnete die Jüngere. "Er meinte zwar, wir sollten besser im Schloss bleiben, aber das kann ich nicht. Inu Yasha ist schließlich auch da draußen."

"Und genau deshalb werde auch ich nicht nur tatenlos bleiben!", fügte nun noch Sango hinzu, bekleidet mit ihrer Taijiya-Uniform und ihren Bumerang hinter ihrem Rücken tragend, während sie nun zusammen mit Kirara aus ihrem Zimmer schritt und auf Kimie und Inuki zukam, die noch vor Kagomes Zimmer standen.

"Wir sind schließlich auch hier, um mitzukämpfen. Also tun wir das jetzt auch!", sprach die Dämonenjägerin weiter und setzte sich ihre Schutzmaske auf. Entschlossen nickten Kagome und Kimie, und Shippou, der neben Kagome stand, hüpfte euphorisch auf und ab.

"Ich kämpfe auch mit!", verkündete er entschlossen, schien aber dennoch gleichzeitig einen Funken von Angst in sich zu spüren. Diesen wollte der Kitsune jedoch nach Möglichkeit ignorieren und so folgte er seinen Freunden nun auf dem Weg nach draußen.

Als die kleine Gruppe letztendlich aus dem Haupteingang des Schlosses nach draußen trat, waren auf dem Innenhof schon so ziemlich alle versammelt, die sich momentan im Schloss aufhielten. Dummerweise befanden sich aber immer noch viele Inu-Youkai außerhalb des Schlosses, ohne, dass jemand so genau wusste, wo genau sie sich eigentlich befanden. Und angesichts der fliegenden Dämonen, die Kagome, Kimie, Sango und Shippou nun ebenfalls ins Auge fielen, machte sich bei ihnen schon irgendwie ein mulmiges Gefühl breit.

"Seid ihr denn bescheuert?!", kam es plötzlich lautstark von Inu Yasha, der sich zu den Mädchen und dem Kitsune umgedreht hatte. "Geht bloß wieder rein! Das hier dürfte wohl eine Nummer zu groß für euch werden!"

"Auf keinen Fall!", entgegnete Sango betont. "Ich bin noch nie vor einem Kampf davongelaufen und habe nicht vor, jetzt damit anzufangen!"

Wie auf Kommando verschwand daraufhin Kirara in lodernden Flammen, nur um kurz darauf in ihrer größeren Gestalt und kämpferisch fauchend wieder aus diesen aufzutauchen.

Kagome und Kimie wollten dem Beispiel ihrer Freundin auf jeden Fall folgen, als Kimie jedoch von hinten ein Ziehen an ihrer Jacke vernahm und beim Umdrehen völlig überrascht feststellte, dass Rin genau hinter ihr stand.

"Rin! Um Himmels Willen! Was machst du hier?!", fragte Kimie vollkommen entsetzt und kniete sich zu dem kleinen Mädchen hinunter, das verunsichert fragte: "Was ist denn los? Was passiert da draußen?"

Kimie zögerte. Sollte sie Rin wirklich die Wahrheit sagen?

Plötzlich hörte man von draußen dieses ohrenbetäubende Gebrüll. Die fliegenden Dämonen waren inzwischen gefährlich nahe an das Schloss herangekommen. Bis zum ersten Angriff war es vielleicht nur noch eine Frage von wenigen Augenblicken. Kimie ergriff Rin daher bei der Hand und führte sie vom Haupteingang des Schlosses fort, in eines der zahlreichen Zimmer. Inuki, der inzwischen wie Kirara seine andere Form angenommen hatte, folgte den beiden, nachdem Kimie ihn dazu aufgefordert hatte. In dem Zimmer legte sie dem kleinen Mädchen die Hände auf die Schultern und sah es eindringlich an.

"Rin, bleib auf jeden Fall hier, in Ordnung? Komm auf keinen Fall nach draußen!", wies Kimie Rin an und fügte anschließend mit beruhigender Stimme hinzu: "Und hab keine Angst. Inuki wird auf dich aufpassen."

Wenngleich Rin anfangs doch ein wenig Angst gehabt hatte, zumal sie auch gar nicht wusste, was eigentlich los gewesen war, wirkte sie nun doch etwas beruhigter. Und die Aussicht, dass Inuki bei ihr bleiben würde, trug weiter mit dazu bei, dass das kleine Mädchen auf Kimies Anweisung hin nun einverstanden nickte.

Gerade, als Kimie das Zimmer nun wieder verlassen wollte, stieß sie auf dem Gang jedoch genau mit Jaken zusammen. Taumelnd ging dieser erstmal zu Boden, hatte sich aber recht schnell wieder aufgerappelt und konnte das Mädchen sogleich dementsprechend beschimpfen: "Steh mir gefälligst nicht so unnütz im Weg rum, Menschenweib! Ich muss meinen Herrn unterstützen!"

Doch da machte ihm Kimie sogleich einen Strich durch die Rechnung, denn sie hatte eine weitaus bessere Aufgabe, die sie Jaken zuteilen konnte. Ohne Umschweife packte sie den Krötendämon daher nun am Kragen, verfrachtete ihn in das Zimmer und setzte ihn genau neben Rin auf dem Boden wieder ab.

"Sorry, Jaken, aber du bleibst am besten auch hier und passt mit Inuki zusammen auf Rin auf", sagte sie eigentlich in einem doch recht freundlichen Ton, aber damit schien Jaken trotzdem nichts anfangen zu können. Kimie fing schon an, wie sein Herr zu reden, aber von ihr wollte der Krötendämon bestimmt keine Anweisungen entgegennehmen.

"Von dir muss ich mir überhaupt nichts sagen lassen, Menschenweib!", entgegnete er daher nur erbost. Kimie begriff daraufhin schnell, dass nette Worte hier wohl keinen Erfolg bringen würden, also griff sie in die Trickkiste.

"So?", fragte sie nun äußerst prüfend zurück, ehe sie mit einem mahnenden Unterton in der Stimme weiter sprach: "Na, dann sollte ich vielleicht mal Sesshoumaru erzählen, dass du dich weigerst, auf Rin aufzupassen. Ich bin mal gespannt, was er dazu zu sagen hätte."

"Eh...!?" Jaken war im ersten Moment regelrecht sprachlos und war sich auch nicht ganz sicher, ob Kimie eventuell nicht nur bluffte. Doch der Ausdruck in ihren Augen gefiel ihm beim besten Willen nicht und um besser kein Risiko einzugehen, von Sesshoumaru am Ende ordentlich in den Boden gestampft zu werden, fügte sich der Krötendämon nun der Anweisung des Mädchens. Dieses setzte ein siegreiches Lächeln auf, als sie erkannte, dass sie das Spiel gewonnen hatte.

"Wie schön, dass wir uns doch noch verstehen, Jaken", meinte Kimie und verließ das Zimmer nun wieder, nachdem sie Rin noch mal eingeschärft hatte, auf jeden Fall nicht nach draußen zu kommen.

Nachdem die Tür wieder geschlossen war, fluchte Jaken leise vor sich hin: "Mist! Mist! Mist! Jetzt muss ich auch noch nach der Nase dieses Weibes tanzen! Das ist so was von ungerecht!"

"Was hast du denn, Jaken-sama?", fragte Rin den Krötendämon neugierig, der aber nur etwas unverständliches in sich hineinmurmelte. Kurz darauf hörte man draußen ein lautes Donnern.
 

Gerade, als Kimie wieder durch den Haupteingang des Schlosses nach draußen getreten war, war der erste Angriff gestartet worden. Obwohl sie noch nicht bei dem Schloss angekommen waren, hatte einer der fliegenden Dämonen bereits eine Attacke gestartet und eine Art Energiekugel aus seinem Maul abgefeuert, die vor dem Schloss im Wald auf dem Boden aufgekommen war.

"Okay, die sind wohl wirklich nicht nur zum Tee trinken hergekommen...", meinte Kimie ironisch zu sich selbst, als schon die zweite Energiekugel von einem weiteren der Dämonen abgefeuert wurde und diesmal genau auf die Umherstehenden zusteuerte.

Sofort löste Miroku die Gebetsperlen von seiner rechten Hand und hielt diese der Energiekugel entgegen. "Kazaana!"

Und wie von ihm beabsichtigt wurde die Energiekugel von dem Kazaana des Mönchs eingesaugt. Mehrere der umherstehenden Inu-Youkai staunten nicht schlecht, als sie sahen, wie dieser Mensch den Angriff abgewehrt hatte und nun erstmal wieder sein Kazaana versiegelte.

Unterdessen hatte Touran die fliegenden Dämonen längst wieder erkannt. "Das sind sie! Das sind genau die selben Dämonen, die wir schon öfters über unserem Gebiet haben fliegen sehen", sagte sie, woraufhin Sesshoumaru, der unweit von der Panther-Dämonin stand, aufhorchte. Dann richtete sich sein Blick wieder auf die fliegenden Ungetüme. Sie sahen genauso aus wie der Dämon, den Subaru zuvor im Wald erlegt hatte. Sesshoumaru zog nun Toukijin, während die Dämonen sich mittlerweile so weit genähert haben, dass entsprechende Gegenschläge angewendet wurden konnten. Von daher gab er nun den Befehl zum Gegenangriff.

"Also gut! Es geht los!" Kimie eilte nun die Treppen vor dem Eingang des Schlosses hinunter und gesellte sich zu Kagome und Shippou.

"Nun denn, legen wir los, Leute!", sagte sie, woraufhin Kagome auch sofort einen Pfeil auf ihren Bogen spannte und diesen genau auf einen der fliegenden Dämonen, der soeben genau über das Schloss fliegen wollte, abschoss. Zwar traf sie ihn nicht genau, aber durch die Magie ihres Pfeils wurde der rechte Flügel des Dämon regelrecht zerfetzt. Er verlor sofort an Höhe und stürzte letztendlich irgendwo hinter dem Schloss in den Wald.

Kimie schwang nun ihr Schwert genau in die Richtung eines anderen Dämon, wobei sich ein greller Blitz aus der Klinge löste, der den Dämon auch genau traf. Auch dieser fiel nun zu Boden und landete irgendwo im Wald.

Angesichts dessen, dass Kagome und Kimie schon so eifrig dabei gewesen waren, die feindlichen Dämonen zu bekämpfen, wollte Shippou ihnen in der Hinsicht auf keinen Fall nachstehen.

"Ich helfe auch mit!", rief er entschlossen aus, doch als daraufhin wieder dieses ohrenbetäubende Gebrüll zu hören gewesen war, verzog sich der kleine Kitsune eiligst unter die unterste Veranda des Schlosses, kniff die Augen zusammen und hielt sich die Ohren zu. "Aah! Aber ich bin doch nur ein kleines, niedliches Kind! Papa, ich bin bald wieder bei dir!"

"Nein! So weit wird es nicht kommen!", entgegnete Kagome sofort, als sie einen weiteren Pfeil auf ihren Bogen spannte und ihr Ziel anvisierte. Doch als sie diesmal schoss, konnte der anvisierte Dämon dem Pfeil noch rechtzeitig ausweichen. Nun näherte er sich im Sturzflug und mit weit aufgerissenem Maul dem jungen Mädchen. Vor lauter Schreck schrie Kagome auf und hob schützend ihre Arme, doch kurz darauf bemerkte sie, dass der Dämon an irgendetwas abgeprallt sein musste. Zumindest hatte sie ein sehr lautes, dumpfes Geräusch gehört und der erwartete Angriff war auch ausgeblieben. Als Kagome wieder aufschaute, flog der feindliche Dämon unmittelbar vor ihr soeben wieder etwas höher in den Himmel empor, als er im selben Moment auch schon seinen Kopf los wurde. Beides, Kopf und Körper landeten auf dem großen Innenhof und aus den Wunden des Ungetüms trat dunkelrotes, fast schon schwarzes Blut heraus. Noch etwas erschrocken auf den toten Dämon schauend, erkannte Kagome nun, dass es Ashitaka gewesen war, der sie gerettet hatte, indem er das Mädchen zunächst mit einem kleinen Bannkreis vor dem Angriff geschützt und anschließend den Dämon mit seinem Schwert niedergestreckt hatte.

"Kagome-chan! Ist alles in Ordnung?", fragte Ashitaka das Mädchen, das dankbar nickte. "Ja. Danke, Ashitaka-kun."

"Okay. Sei bloß vorsichtig! Pass auf dich auf!", riet der Inu-Youkai ihr noch, ehe er sich auch schon wieder zusammen mit den anderen um die weiteren Dämonen kümmern musste. Ashitaka hatte schon irgendwie geahnt, dass sich Kagome und die anderen nicht davon abhalten lassen würden, sich in diesen Kampf einzumischen und er konnte es ihnen wohl auch schlecht verbieten, selbst, wenn er es gewollt hätte. Von daher wollte er stattdessen versuchen, sie so gut es ging zu beschützen, wenn es notwendig war. Im Gegenzug zu ihm war Inu Yasha aber höchst verärgert über das, was eben abgelaufen war und sprang an Kagomes Seite.

"Verdammt noch mal! Ich habe dir doch gesagt, dass du im Schloss bleiben sollst, du blöde Zicke!", fuhr er das Mädchen völlig aufgebracht an. "Aber nein! Stattdessen rennst du hier draußen rum und versuchst dich hier als Superheldin! Du bist wirklich vollkommen bescheuert!"

Zwar machte sich der Hanyou einfach nur mächtige Sorgen um Kagome, aber seine Art, es ihr zu zeigen, war an vielen Stellen noch immer reichlich gewöhnungsbedürftig gewesen. Dementsprechend erbost reagierte auch Kagome nun auf Inu Yashas Worte und entgegnete: "Jetzt hör auf, mich so anzuschreien! Kannst du das nicht netter sagen?!"

"Netter?! Ich höre wohl nicht recht!? Wenn ich dich nicht anbrülle, kapierst du es doch schließlich nicht!"

"Ein großes Maul hast du wirklich, aber an Argumenten mangelt es dir dafür umso mehr!"

Sich das ganze aus einigen Metern Entfernung so ansehend, wusste Kimie momentan nicht, ob sie angesichts der momentanen Situation eher lachen oder doch eher weinen sollte. Aber darum konnte sie sich im nächsten Augenblick schon gar keine Gedanken mehr machen, denn als sie sich nun wieder dem Kampfgeschehen widmete, sah sie über sich einen weiteren Dämon vorüber fliegen. Ohne eventuell groß zu zögern, holte sie diesen mit einem Raigeki vom Himmel, doch diesmal stürzte der getroffene Dämon nicht etwa in den Wald sondern landete irgendwo hinter dem Hauptgebäude auf dem Gelände und musste dabei auch ein kleineres Gebäude erwischt haben, was zumindest die Geräusche von berstendem Holz und rollenden Steinen erklärt hätten.

"Ups... Ob ich jetzt für den Schaden aufkommen muss...?"

Kimie war dem herabstürzenden Dämon mit ihrem Blick gefolgt und dieses kleine Missgeschick war ihr wirklich mehr als peinlich. Aber anscheinend waren die anderen im Moment ohnehin so sehr mit dem Kampf beschäftigt, dass keiner so wirklich etwas davon mitbekommen hatte. Vielleicht würde sie sich ja noch später zu den entstandenen Schäden outen, doch zunächst konzentrierte auch sie sich weiter auf den Kampf und drehte sich wieder um. Kaum hatte sie das jedoch getan, stockte ihr der Atem. Sie stand nur wie erstarrt auf der Stelle, denn ein weiteres dieser fliegenden Ungetüme steuerte nun genau auf sie zu.

"Kimie! Runter!", hörte Kimie plötzlich Inu Yasha, der angesichts der drohenden Gefahr seinen kleinen Streit mit Kagome inzwischen wieder beendet hatte, laut rufen und mehr wie aus einem Reflex heraus duckte sie sich auch tatsächlich, während Inu Yasha mit aller Kraft Tessaiga schwang und dem fliegenden Dämon mit einem sauberen Schnitt den Kopf abtrennte. Der massive Körper landete einige Meter entfernt auf dem Boden, wodurch kurzzeitig die Erde bebte, was aber auch recht schnell wieder nachließ.

"Puh! Das war ja haarscharf...", meinte Inu Yasha, ehe er sich Kimie zuwandte, die noch in geduckter Haltung auf dem Boden hockte. "Kimie, ist bei dir alles in Ord...? Aah!"

Als Inu Yasha plötzlich diesen eigenartig klingenden Laut von sich gegeben hatte, schaute Kimie irritiert zu ihm hoch. Auch der Blick des Hanyou hatte nicht unbedingt etwas beruhigendes an sich.

"Was ist? Was guckst du so?", fragte Kimie ihn daher, doch Inu Yasha druckste nur ziemlich verunsichert rum, während er das Mädchen so ansah: "Tja... Ähm... Wie soll ich sagen...?"

Hätte Kimie es nicht besser gewusst, hätte sie glatt vermutet, auf Inu Yashas Stirn kleine Schweißperlen zu sehen. Noch dazu kam ihr sein Verhalten wirklich mehr als eigenartig vor. Als sie ihn daher noch mal nach dem Grund fragen wollte, entdeckte sie auf dem Boden plötzlich etwas liegen, was ihr bei näherer Betrachtung doch ziemlich bekannt vorkam.

"Hm? Aber... aber das sind ja... Sind das etwa...?"

Auf dem Boden lagen nun mehrere längere Strähnen verteilt und als Kimie einige davon zögerlich in die Hand nahm, bestätigte sich ihr Verdacht.

"Oh Gott! Meine Haare!?"

Sofort griff sich Kimie an den Kopf. Auf der linken Seite waren ihre Haare nur noch etwas länger als schulterlang. Die rechte Seite hingegen hatte noch so ziemlich ihre ursprüngliche Länge. Viel weniger schockiert über den Teilverlust ihrer Haare, war Kimie nach einem Moment hingegen von der Vorstellung, was so hätte passieren können, hätte Inu Yasha nicht nur ihre Haare erwischt. Dementsprechend entrüstet stand sie jetzt vom Boden auf.

"Sag mal, geht's dir noch gut?! Aber ansonsten bist du gesund, ja?!", fragte sie den Hanyou aufgebracht, der ihre Aufregung aber nun wirklich nicht nachvollziehen konnte, nachdem auch bei ihm der erste Schreck wieder gewichen war.

"Hey! Jetzt komm mal wieder runter und reiß dich ein bisschen zusammen! Wie wäre es denn stattdessen vielleicht mit einem 'Dankeschön' oder so was? Schließlich ist es doch nur mir zu verdanken, dass du noch lebst und auch nicht verletzt worden bist! Sonst wärst du garantiert Youkai-Futter geworden!"

"Oh, toll! Und von dir wurde ich ja hingegen nur fast skalpiert!", konterte Kimie und momentan hatte ihre Auseinandersetzung mit Inu Yasha ein wenig etwas von den gewohnten Streitigkeiten des Hanyou mit Kagome.

"Jetzt stell dich mal nicht so an!", entgegnete Inu Yasha, der zudem noch angefressen von seiner vorangegangenen Auseinandersetzung mit Kagome war. "Deine Haare wachsen doch schließlich wieder nach!"

"Die Haare wohl schon, aber ein Kopf wächst bei Menschen nicht wieder nach!"

"Aber ich habe dir doch gar nicht den Kopf abgeschlagen!"

"Das hätte aber ganz leicht passieren können!"

"Aber das ist doch gar nicht passiert!"

Gerade, als Kimie etwas darauf erwiderte, hallte das Gebrüll der fliegenden Dämonen in der Luft wider, wodurch ihre eigenen Worte praktisch untergingen. Mit einem bitterbösen Blick wandte Kimie sich den Ungetümen zu.

"Hach! Haltet doch eure dämlichen Klappen!!", schimpfte sie aufgebracht, hob ihr Schwert und schickte den Dämonen ein Raigeki entgegen. Einer der Dämonen wurde davon auch genau getroffen, wodurch er anschließend wie ein Stein vom Himmel fiel und irgendwo im nahe gelegenen Wald unter lautem Donnern auf dem Boden aufkam. Mit einem entnervten Seufzen schulterte Kimie nach getaner Arbeit ihr Schwert. "Mann! Der Tag kann echt nicht noch ätzender werden!"

Inu Yasha hatte sich unterdessen wieder etwas von Kimie entfernt.

>Genau das selbe wie bei Kagome...<, dachte er mit einem vorsichtigen Blick zurück auf das Mädchen. >Man sollte beiden besser nicht zu nahe kommen, wenn sie wirklich sauer sind.<
 

Von den Kämpfern hielt sich nur ein einziger momentan nicht mitten unter den anderen auf, und das war Subaru. Er hatte Posten auf dem Dach des Hauptgebäudes bezogen, von wo aus er perfekte Möglichkeiten hatte, die fliegenden Dämonen mit seinen Pfeilen vom Himmel zu holen. Außerdem hatte er so fast das gesamte Kampfgeschehen hervorragend im Blick und konnte hier und da im Falle des Falles eingreifen. Den unfreiwilligen Absturz des fliegenden Dämons, den Kimie erledigt hatte, in eines der Nebengebäude hatte aber auch Subaru nicht verhindern können. Sonderlich problematisch war diese Sache zwar nicht gewesen, da sich in diesem Gebäude ohnehin keiner aufgehalten hatte, aber zu vermeiden wäre es wohl trotzdem irgendwie gewesen.

"Ob es in der Natur der Menschen liegt, voreilig zu handeln?", fragte sich Subaru, als er einen neuen Pfeil auf seinen Bogen spannte und mit diesem einen der feindlichen Dämonen abschoss, der sich noch etwas weiter vom Schloss entfernt aufgehalten hatte und nach dem erfolgreichen Treffer durch den Pfeil in den Wald stürzte. Subaru ertappte sich daraufhin selbst dabei, wie sein Augenmerk scheinbar wie automatisch zu Kagome wanderte. Sie hatte sich bis eben noch mit Inu Yasha gestritten, der den Streit jedoch abgebrochen hatte, um Kimie zu retten. Die Rettungsaktion war zwar erfolgreich verlaufen, hatte aber zumindest für Kimie einen etwas bitteren Beigeschmack gehabt. Subaru konnte beobachten, wie Kagome nun zu ihrer Cousine lief, nachdem diese nach einem kleinen Wortgefecht mit Inu Yasha einen weiteren der fliegenden Dämonen vom Himmel geholt hatte, um sich scheinbar nach ihrem Befinden zu erkundigen. Innerlich seufzte Subaru bei diesem Anblick leicht auf und griff sich an den Kopf. Wie konnten diese Mädchen sich jetzt so seelenruhig unterhalten und sei es auch nur für ein paar Sekunden, während um sie herum ein Kampf tobte? Zur Sicherheit bereitete Subaru einen weiteren Pfeil zum Abschuss vor, den Blick hatte er dabei abwechselnd auf den Mädchen und auf die fliegenden Dämonen gerichtet, von denen inzwischen zwar schon mehrere besiegt worden waren, aber es schien, als würden immer wieder neue nachrücken. Und obwohl sie doch sehr groß gewesen waren, so konnten sie gegnerischen Angriffen dennoch mit geschickten Flugmanövern ausweichen.

Dessen unbeeindruckt wollte Miyuki jedoch nun ebenfalls beweisen, dass auch sie durchaus in der Lage war zu kämpfen. Doch gerade, als sie so richtig mitmischen wollte, war Tôya schon zur Stelle gewesen und hielt sie zurück.

"Moment mal, Miyuki! Du hältst dich besser im Hintergrund. Am besten wäre es, du gehst ins Schloss", meinte er entschieden. Miyuki starrte ihren Bruder daraufhin nur völlig entgeistert an.

"Nein! Ich will mit dir und den anderen gegen diese Dämonen kämpfen!", widersprach sie vehement. "Ich kann auch kämpfen! Ich bin schließlich kein kleines Kind mehr! Warum also soll ich mich raushalten?! Das ist nicht fair!"

"Miyuki! Ich mache das nicht, um dich zu ärgern! Kapierst du das nicht?!", entgegnete Tôya nunmehr mit einem äußerst strengen Unterton, den seine Schwester so von ihm überhaupt nicht gewohnt gewesen war. Dementsprechend erschrocken war sie im ersten Moment. Zwar bemerkte Tôya dies, konnte sich jetzt aber nicht darum kümmern, da die feindlichen Dämonen nun zum nächsten Schlag ausholten.

"Halte dich zurück!", wies er Miyuki daher nur noch mal an, ehe er sich wieder dem Kampf widmete. Miyuki selbst folgte ihrem Bruder nur mit ihrem Blick. Irgendwie wusste sie momentan nicht, was sie jetzt machen sollte. So gerne würde sie den anderen im Kampf helfen, aber würde sie das tun, würde sie sich Tôya widersetzen und das wollte sie auch wieder nicht so recht, zumal sie ja eigentlich wusste, dass er lediglich um ihre Sicherheit besorgt gewesen war. Solange sie denken konnte, hatte er sie immer beschützt. Das Einzige, was Miyuki daher wollte, war, auch ihrem Bruder mal genauso zur Seite zu stehen, wie er das bisher stets bei ihr getan hatte.

Plötzlich wurde Miyuki wieder aus ihren Gedanken herausgerissen, als sie mitbekam, wie Tôya nur ganz knapp einer gegnerischen Attacke hatte ausweichen können.

"Nii-sama! Vorsicht!!", rief sie ihrem Bruder zu und wollte zu ihm laufen, geriet dabei aber genau ins Visier einer der fliegenden Dämonen. Tôya bekam dies zwar noch mit, doch er selbst war momentan nicht nah genug bei seiner Schwester, als dass er sie noch hätte retten können.

"Miyuki! Geh da weg!!", rief Tôya Miyuki noch entgegen, die selbst aber auch nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte. Ihr wäre es sicher schlecht ergangen, hätte sie nicht im letzten Moment jemand gepackt und aus der Gefahrenzone herausbefördert. So blieb der Angriff des feindlichen Dämons ohne Erfolg und er flog wieder in den Himmel empor.

Tôya stand nur wie erstarrt auf der Stelle. Einen solchen Schock hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht gehabt. Umso erleichterter war er, als er feststellen konnte, dass Miyuki wieder in Sicherheit war und zwar gerettet von Ashitaka, der das Dämonenmädchen noch auf seinen Armen trug.

"Das war ja haarscharf...", bemerkte Ashitaka, der sich ebenfalls ziemlich erschrocken hatte, ehe er sich direkt an Miyuki wandte: "Du bist wohl eine Gefahrensucherin, Miyuki-chan, was?"

Miyuki schaute ihrerseits den jungen Inu-Youkai nur stumm an. Ein leichter Hauch von Röte stieg ihr ins Gesicht. So war sie bisher noch nie von jemanden auf den Armen getragen wurden, außer vielleicht mal von ihrem Bruder, aber da war das auch wieder eine ganz andere Sache gewesen.

Als Ashitaka sie schließlich wieder runterließ, senkte sie verlegen den Blick. "Uhm... Danke."

"Kein Problem, aber verschieben wir das besser auf später, in Ordnung?", entgegnete Ashitaka, denn angesichts des noch lange nicht beendeten Kampfes, war im Moment wirklich keine Zeit für große Dankesreden gewesen. Völlig überraschend für ihn rief Miyuki aber mit einem Mal laut aus: "Vorsicht! Hinter dir!"

Und genau da, als sich Ashitaka daraufhin umdrehte, feuerte ein anderer der feindlichen Dämonen wieder eine dieser Energiekugeln ab. Sofort trat Miyuki in den Vordergrund, kreuzte kurz ihre Arme vor ihrem Oberkörper und schleuderte dem gegnerischen Angriff nur Sekundenbruchteile später einen Sturm bestehend aus Blüten entgegen. "Hana no Arashi!!"

Als die Blüten mit der Energiekugel des anderen Dämons zusammentrafen, neutralisierten sie diese sofort, ehe sie weiter auf den Dämon zusteuerten und ihm jegliche Sicht nahmen. Mit Hilfe dieses Ablenkungsmanövers konnte Miyuki in ihrem Angriff auch sogleich fortfahren. So zog sie nun zwei ihrer drei Wurfmesser, wartete kurz den passenden Moment ab und schleuderte diese dann dem feindlichen Dämon entgegen, wobei sie die weiche Haut an seiner Kehle anvisiert hatte. Und die Messer trafen ihr Ziel auch. Der Dämon konnte nicht mal mehr einen Laut von sich geben, denn Miyuki hatte ihn so perfekt getroffen, dass er sogleich tot vom Himmel fiel.

Miyuki entging keinesfalls, dass sowohl ihr Bruder als auch Ashitaka diese Aktion mitbekommen hatten. Dementsprechend triumphierend trat sie nun auch auf.

"Tja! So ganz wehrlos, bin ich scheinbar doch nicht. Oder was meint ihr, Jungs?", meinte sie, woraufhin sich Tôya und Ashitaka kurz etwas ratlos ansahen.

"Verteidigen kannst du in der Tat, Schwesterchen", meinte schließlich Tôya an Miyuki gewandt, die diese positive Bemerkung durchaus wohlwollend aufnahm.

"Nun, ich gebe gerne zu, das war echt gut, Miyuki-chan", bemerkte anschließend auch Ashitaka. Ein Lob von seiner Seite schien das Dämonenmädchen hingegen ein wenig verlegen zu machen.

"Na ja... Man tut, was man kann, nicht?", meinte Miyuki leicht lächelnd. Wenngleich sie aber durchaus gezeigt hatte, dass auch sie kämpfen konnte, so schien Tôya von dieser Vorstellung dennoch auch weiterhin nicht besonders angetan gewesen zu sein. Von daher bat er seine Schwester nun, sich ab jetzt trotzdem besser zurückzuhalten und den Rest ihm und den anderen zu überlassen. Im Nachhinein wirkte Miyuki daraufhin doch wieder etwas enttäuscht, zumal sogar Kagome, Kimie und Sango als Menschen offensiv am Kampf teilnahmen, mal ganz zu schweigen von den beiden jüngeren Panther-Dämonen-Schwestern Karan und Shunran und diese waren immerhin genau wie Miyuki ebenfalls Youkai. Aber nickte Miyuki letztendlich dennoch einverstanden, da sie außerdem wusste, dass es diesmal wirklich knapp gewesen war und sie ohne Ashitakas Einsatz wohl hätte einpacken können. So überließ sie ihrem Bruder, Ashitaka und den anderen schließlich das Feld, behielt aber am Schloss stehend für alle Fälle das Geschehen genauestens im Auge.

"Miyuki…?", hörte das Dämonenmädchen plötzlich jemanden mit ängstlicher Stimme ihren Namen sagen. Als Miyuki nach unten sah, bemerkte sie Shippou, der unter die gesamte Veranda hindurch zu ihr hin gekrochen war. Schüchtern fragte der kleine Kitsune nun: "Ähm... Hättest du was dagegen, wenn ich in deiner Nähe bleibe...?"

Im ersten Moment war Miyuki zwar etwas überrascht gewesen, hatte aber nichts gegen Shippous Bitte einzuwenden und so konnte sich dieser in ihrer Nähe nun etwas sicherer fühlen.
 

Mittlerweile hatten Sango und Miroku mit der Hilfe von Kirara den Luftkampf aufgenommen. Allerdings konnte der Bumerang der Dämonenjägerin nicht wirklich etwas gegen die fliegenden Dämonen ausrichten. Er hinterließ auf deren schuppiger Haut scheinbar nicht mal irgendwelche Kratzer.

"Die Schwingen! Wenn wir ihnen die Schwingen abschlagen oder sie zumindest beschädigen, verlieren sie ihren Luftvorteil!", sagte Miroku schließlich an Sango gerichtet. "Außerdem sind sie dort mitunter am verwundbarsten."

Sango hörte dem Mönch ganz genau zu und nickte dann. "Alles klar! Los geht's, Kirara!" Kirara fauchte einmal, ehe sie genau auf zwei der feindlichen Dämonen zuflog. Sango holte zum Wurf aus und schleuderte ihnen ihren Bumerang entgegen. "Hiraikotsu!"

Der Bumerang flog genau auf seine Zielobjekte zu und wie Miroku es erwartet hatte, schaffte die Waffe es diesmal praktisch mühelos, die gewaltigen Schwingen vom Rest der Körper abzutrennen. Aber wenngleich diese Methode durchaus erfolgreich war, auf die Dauer bestand die Gefahr, dass sie sich nicht halten konnte, da die fliegenden Ungetüme die Strategie ihrer Feinde wohl irgendwann durchschauen und den Angriffen entweder ausweichen oder immer einen entsprechenden Sicherheitsabstand halten würden. Zumal zogen noch immer reichlich viele dieser Dämonen am Himmel ihre Kreise. Besorgt richtete daher auch Kimie irgendwann ihren Blick nach oben zu ihren Kameraden. Sango, Miroku und Kirara brauchten da oben auf jeden Fall Unterstützung. Aber woher sollten sie diese bekommen? Kimie überlegte angestrengt, als er es ihr mit einem Mal wie Schuppen von den Augen fiel.

"Ich hab's! Darauf hätte ich aber auch wirklich viel eher kommen können!", rief sie mit einem Mal aus und lief sogleich unbemerkt von den anderen davon. Lediglich Sesshoumaru bekam mit, wie Kimie vom Kampfschauplatz verschwand. Doch floh sie nicht etwa, viel eher schien sie etwas vorzuhaben. Und anhand der Richtung, in der sie lief, ahnte er auch schon, was genau sie sich ausgedacht hatte. Viel länger konnte er sich aber keine Gedanken mehr darum machen, denn immerhin gab es hier noch einen Kampf, der auszufechten war. Und so sprang Sesshoumaru nun einem weiteren Dämon entgegen, nachdem er schon einige andere beseitigt hatte, und zog die Klinge von Toukijin einmal genau der Länge nach durch den gesamten Körper des fliegenden Ungetüms. Wieder den Boden unter seinen Füßen spürend, schaute Sesshoumaru zum Himmel hinauf. Noch immer schien kein Ende des Kampfes in Sicht gewesen zu sein, denn diese Dämonen erwiesen sich als äußerst hartnäckig und ließen sich scheinbar auch dadurch nicht einschüchtern, dass bereits mehrere ihrer Artgenossen vom Himmel geholt worden waren. Hingegen schien es auf der anderen Seite noch keine Verluste oder gravierenden Verletzungen gegeben zu haben, obwohl so mancher nur ganz knapp daran vorbeigeschrammt war. Und ein solcher Vorfall schien sich nun erneut zu ereignen, denn als Kirara bei einem Ausweichmanöver dennoch von einem der fliegenden Dämonen mit dessen langen Schwanz erwischt wurde, verlor dabei Miroku den Halt und fiel vom Rücken der Dämonenkatze. Sango versuchte zwar noch, die Hand nach ihm auszustrecken, aber erwischte sie den Mönch nicht mehr rechtzeitig.

"Nein! Miroku!!"

Ihre Stimme hallte immer wieder in Mirokus Kopf wider. Es kam ihm vor, als würde er wie in Zeitlupe fallen und ebenso langsam schien er sich von Sango und Kirara zu entfernen. Einen klaren Gedanken konnte der Mönch in diesem Moment nicht fassen, lediglich seine linke Hand hatte er noch genauso von sich gestreckt, als er Sangos Hand hatte ergreifen wollen. Zu seiner Überraschung wurde aber genau diese Hand plötzlich doch noch von jemanden ergriffen und mit einem Ruck wurde Mirokus Fall ein Ende gesetzt. Als er verwundert nach unten schaute, erkannte er, dass er in der Luft hing. Daraufhin richtete er seinen Blick nach oben und sah nun genau in Kimies Gesicht.

"Kimie!? Aber wie...?", fragte sich Miroku, als er bemerkte, dass das Mädchen einen flugfähigen Gehilfen hatte. Kimie hatte kurz zuvor nämlich Ah-Un aus seinem Unterstand geholt. Wenn sie auf Inuki reiten konnte, warum also nicht auch auf dem zweiköpfigen Drachen? Zumal reagierte Ah-Un auf ihre Kommandos, wie sie schnell bemerkt hatte. Damit aber auch er sich gegebenenfalls zur Wehr setzen konnte, hatte sie ihm erst gar nicht die Maulkörbe angelegt, sondern es lediglich bei dem Sattel belassen. Jetzt zog sie erstmal Miroku zu sich hinauf, dass er hinter ihr auf dem Drachen Platz nehmen konnte.

"Ist alles klar bei dir, Miroku?", fragte sie den Mönch, der erleichtert aufseufzte und mit einem Nicken antwortete: "Ja, es geht mir gut. Vielen Dank, Kimie. Das hätte wirklich böse ins Auge gehen können."

"Ja, und von mir kriegst du gleich ein blaues Auge verpasst, wenn du nicht sofort seine Griffel von mir nimmst!", entgegnete Kimie mit drohend emporgehobener Faust, nachdem Miroku ihr zum Dank gleich mal den Hintern begrapscht hatte. Zwar zog der Mönch seine Hand sofort wieder zurück, bekam aber dennoch deftig eins übergezogen und zwar von Sango, die sich nun mit Kirara neben Ah-Un gesellt hatte.

"Du notgeiler Houshi!", schimpfte die Dämonenjägerin wütend. "Den Tod gerade noch vor Augen gehabt und schon wieder unsittlich werden! Du bist echt das Letzte! Wenn ich daran denke, dass ich wegen dir beinahe... Argh! Du bist so ein elender Lustmolch!!"

Und schon gab's die zweite Kopfnuss hinterher. Kurzzeitig hatte sich Sango schon sonst was ausgemalt, als sie Miroku so hatte fallen sehen. Und kaum war er in Sicherheit gewesen, fiel er auch schon wieder in seine üblichen Verhaltensmuster zurück. Da konnte sie einfach nicht anderes, als ordentlich in die Luft zu gehen. Kleinlaut entschuldigte sich Miroku nun mehrere Male bei Sango, bis sie ihm schließlich doch noch gestattete, wieder hinter ihr auf Kirara Platz zu nehmen. Bevor die drei sich aber wieder gesondert um die fliegenden Dämonen kümmerten, wandte sich Miroku noch einmal an Kimie: "Übrigens, Kimie. Deine Haare sehen komisch aus. Das solltest du bei Gelegenheit unbedingt korrigieren lassen."

Im ersten Moment noch recht überrascht über diese offene Ansage, knirschte Kimie nur einen Augenblick später äußerst missmutig mit den Zähnen.

"Danke, Miroku. Ich wäre von selbst wohl niemals zu dieser Erkenntnis gekommen", entgegnete sie höchst sarkastisch und einem derart stechenden Blick, dass Miroku Sango wohl am liebsten darum gebeten hätte, den Kampf wieder aufzunehmen. Das musste er aber nicht mehr tun, denn Ah-Un und Kirara mussten von sich heraus nun auseinander fliegen, weil sie ansonsten mitsamt ihrer Passagiere von einer feindlichen Energiekugel getroffen worden wären.

"Nun gut, die Plauderstunde ist vorbei. Es geht weiter!", sagte Sango entschlossen und ließ Kirara mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand an den feindlichen Dämonen vorbeifliegen.

Auch Kimie nahm wieder am Kampfgeschehen teil, diesmal allerdings in der Luft. Und dies gestaltete sich doch als einfacher als sie es eventuell vorher gedacht hatte, denn Ah-Un reagierte ganz hervorragend auf ihre Kommandos. Und wenn es mal nötig gewesen war, dann griff auch der Drache selbst die feindlichen Dämonen an, indem er helle Energiestrahlen aus den Mäulern seiner beiden Köpfe abschoss. Zwar waren sie nicht sonderlich effektiv gegen die gepanzerte Schuppenhaut der Dämonen, aber es genügte, um sie gegebenenfalls ein wenig abzulenken. Und wenngleich das Raigeki von Kimies Schwert diese Dämonen nicht pulverisierte, so konnte Kimie sie dennoch mit den Angriffen außer Gefecht setzen. Als sie aber mitbekam wie einer der feindlichen Dämonen von hinten an sie und Ah-Un heran geflogen kam, um sie noch im Flug mit den Zähnen zu packen, zählte das Mädchen schon die Millisekunden bis zum Ende. Im letzten Moment wurde das fliegende Ungetüm jedoch von einem hellen bläulichen Licht in der Mitte seines Körpers in zwei Teile geteilt und fiel tot in Richtung Erdboden. Kimie hatte die Augen vor Schreck zusammengekniffen, öffnete sie nun jedoch wieder und schaute hinunter auf das Schlossgelände. Dabei fiel ihr sofort Sesshoumaru ins Auge, der mit Toukijin den rettenden Angriff gestartet hatte. Kimie atmete erleichtert auf und hob ihren linken Arm, um ihm zu danken und um ihm zu signalisieren, dass mit ihr und Ah-Un alles in Ordnung war.

Nachdem sie ihm deutlich gemacht hatte, dass nichts passiert war, widmete sich Sesshoumaru wieder dem Kampf zu. Seine Rettungsaktion war jedoch nicht unbeobachtet geblieben. So mancher hatte mitbekommen, wie der Youkai das Menschenmädchen vor dem Angriff des feindlichen Dämons bewahrt hatte, darunter auch Touran und ihre Geschwister. Zwar waren alle vier über diese Aktion seitens Sesshoumaru äußerst überrascht gewesen, doch insbesondere Touran wirkte zudem noch etwas irritiert. So ganz wusste sie nicht, was sie davon halten sollte, aber irgendetwas an dieser Sache schien ihr nun etwas sauer aufzustoßen. Da ihre Aufmerksamkeit zu diesem Zeitpunkt noch auf Sesshoumaru gerichtet war, bekam sie nicht mit, wie einer der fliegenden Dämonen nun Anstalten machte, sich ihr zuzuwenden. Nur Shunrans rechtzeitigem Einsatz mit ihren magischen Blüten, kombiniert mit einem Donnerangriff von Shuuran konnte verhindern, dass Touran eventuell noch etwas zugestoßen wäre. Dementsprechend entrüstet war Shunran auch gewesen, als sie sich nach gebannter Gefahr ihrer ältesten Schwester zuwandte: "Nee-san! Sag mal, träumst du denn?! Das hätte eben verflucht schief gehen können!"

Erst jetzt schien Touran wieder mit ihren Gedanken bei dem Kampf gewesen zu sein.

"Es tut mir Leid", entschuldigte sie sich knapp. "Ich war nur kurz abgelenkt, das ist alles."

Und ohne eventuell noch weiter auf dieses Thema einzugehen, wandte sie die Panther-Dämonin wieder dem Kampf zu. Einen der feindlichen Dämonen nun genau im Blick, schleuderte sie diesem kurz darauf ihren Speer aus Eis entgegen. Mal abgesehen davon, dass der Speer ohnehin eine absolut tödliche Stelle an der Kehle erwischte, fror der gesamte Körper des Dämons zudem in Sekundenbruchteilen ein und stürzte in die Bäume des Waldes. Sofort ließ Touran einen neuen Eisspeer in ihrer rechten Hand erscheinen. Als sie den Blick zum Himmel richtete, fiel ihr dabei neben den feindlichen Dämonen auch Kimie auf Ah-Un ins Auge. Die Panther-Dämonin ertappte sich unwillkürlich dabei, wie sie sich innerlich erneut fragte, in was für einer Beziehung dieses Menschenmädchen wohl zu Sesshoumaru stand.
 

Nachdem er soeben einen weiteren Dämon niedergestreckt hatte, schaute Tôya zu den noch übrigen fliegenden Ungetümen zum Himmel hinauf. Ihre Zahl hatte mittlerweile zwar deutlich abgenommen, aber es waren noch immer mehrere da gewesen. So langsam hatte er genug von alldem.

"Mir reicht's! Ich hab's satt!", sagte er schließlich für die meisten gut hörbar, steckte sein Naginata wieder ein und richtete sein Augenmerk genau auf die fliegenden Dämonen.

"Was hat er vor?", fragte sich Shunran im Beisein ihrer Geschwister, als mit einem Mal dieser eigenartige Wind aufkam und sich genau in der näheren Umgebung von Tôya konzentrierte. Kurz schloss dieser seine Augen, doch als er sie wieder öffnete waren sie glühend rot. Zugleich wurde der Wind viel stärker, bis er den Inu-Youkai gänzlich eingeschlossen zu haben schien. Die Sicht auf ihn war nunmehr behindert, bis der Wind mit einem Mal regelrecht auseinander fuhr und nun ein großer Dämonenhund genau an der Stelle stand, wo zuvor noch Tôya gestanden hatte.

"Äh... Übertreibt der jetzt nicht etwas?", fragte sich Karan mit skeptisch hochgezogener Augenbraue, doch noch bevor eventuell jemand etwas darauf hätte erwidern können, war Tôya in seiner dämonischen Gestalt schon mit einem mächtigen Satz einem der fliegenden Dämonen direkt entgegen gesprungen und verbiss sich in dessen Hals. Mit einem Ruck zog er das Ungetüm anschließend mit sich zurück auf den Boden, wobei er nicht auf dem Schlossgelände, sondern vor den Mauern, direkt vor dem Wald landete. Zwar konnten die anderen dadurch momentan nichts von dem Kampf sehen, aber die zu hörenden Geräusche allein schienen so manch einem schon zu genügen.

"Weia... Der geht ja ran...", bemerkte Shunran trocken, als sie soeben einen Laut vernommen hatte, der klang, als wäre gerade etwas ziemlich großen mit einem Ruck das Genick gebrochen worden. Und da sie kurz darauf außer Tôyas tiefem Knurren keinen anderen Laut hörte, war hundertprozentig klar gewesen, wem hier gerade der Hals umgedreht worden war.

Aber als ob eben genau dies eine Art Zeichen gewesen war, brüllte einer der fliegenden Dämonen mit einem Mal so laut auf, dass einem das Gefühl überkam, ihm würde gleich das Trommelfell platzen. Doch etwas ganz anderes passierte nun. Wenngleich die meisten der anderen den nachfolgenden Kampf nicht genau sehen konnte, allein die Tatsache, dass nun gleich drei dieser fliegenden Ungetüme im Sturzflug genau dort auf dem Boden zusteuerten, wo sich Tôya gerade befand, ließ nichts Gutes erahnen und insbesondere nicht bei Miyuki. "Oh nein! Nii-sama!"

Sofort wollte sie über den Innenhof nach draußen zu ihrem Bruder laufen, aber als auf ihrem Weg direkt vor ihr eine Energiekugel auf den Boden einschlug, musste sie ihr Vorhaben abbrechen. Ihre Panik stieg dafür umso mehr.

"Jemand muss ihm helfen! Bitte! Die bringen ihn sonst um!!", rief Miyuki voller Angst um ihren Bruder, aber momentan hatte jeder genug mit sich selbst zu tun. Wer also sollte Tôya helfen? Denn er allein war bei weitem nicht in der Lage gewesen, den plötzlich Ansturm gegen sich allein wieder abzuwehren. Zwei der Dämonen hatten die scharfen Krallen ihrer Hinterbeine in den Rücken des Inu-Youkai geschlagen und hielten ihn auf dem Boden fest. Es war wohl allein seiner dichten Mähne zu verdanken gewesen, dass er zumindest dort keine gravierenden Verletzungen davontrug, aber der dritte Dämon hatte sich zudem in Tôyas linker Schulter verbissen, dicht neben seinem Hals. Sicherlich wäre Tôya aus dieser Sache keinesfalls mehr lebend herausgekommen, wäre ihm nicht völlig unerwartet jemand zur Hilfe gekommen. Die beiden Dämonen, die ihn bis eben noch auf den Boden gehalten hatten, wurden plötzlich mit gewaltiger Kraft von etwas weggestoßen. So konnte Tôya endlich wieder aufstehen und auch den dritten Angreifer von sich abschütteln, um ihn anschließend unschädlich zu machen. Ob er in diesem Moment überhaupt so wirklich mitbekommen hatte, was eigentlich passiert war, war zunächst noch unklar.
 

Da sie noch mit Ah-Un über dem Gelände kreiste, hatte auch Kimie den fremden Dämon, der Tôya geholfen hatte, gleich bemerkt. Sie stutzte aber, denn es handelte sich bei diesem Dämon um einen großen schwarzen Hund und dieser nahm sich gerade die anderen beiden fliegenden Ungetüme vor. Abgesehen von der Fellfarbe ähnelte er Tôya sehr, aber eine andere Sache irritierte Kimie weitaus mehr. Denn dieser schwarze Dämonenhund kam ihr verflucht bekannt vor. Doch diesen Gedanken schob sie sofort wieder weit von sich.

"So ein Quatsch! Das kann doch gar nicht sein!"

"Kimie-chan!"

Als sie Sango ihren Namen hatte rufen hören, hatte sich Kimie sofort entsprechend umgewandt. In diesem Moment gesellte sich Kirara zusammen mit Sango und Miroku zu ihr und Ah-Un. Miroku schaute seinerseits nun ebenfalls in Richtung Erdboden. Der fremde Dämon irritierte auch ihn.

"Dieser Dämon... Bilde ich mir das nur ein oder sieht der wirklich aus wie Narakus Abkömmling Kuromaru?", fragte der Mönch nach einem Moment und sprach damit genau das aus, was auch die beiden Mädchen schon gedachte hatten.

"Aber das ist doch eigentlich unmöglich!", meinte Kimie daraufhin. "Sesshoumaru hat ihn doch bereits vor über einem Jahr im Kampf geschlagen. Wie kann Kuromaru dann hier sein? Und vor allem: Warum sollte er Tôya helfen? Das ergibt keinen Sinn!"
 

Von den anderen hatte im Moment hingegen wohl keiner so recht mitbekommen, was sich außerhalb der Schlossmauern abgespielt hatte. Zu sehr waren die einzelnen Beteiligten damit beschäftigt gewesen, ihre eigenen Kämpfe auszufechten. Und erneut steuerte einer der feindlichen Dämonen wieder genau auf das Schloss zu. Karan schleuderte dem herannahenden Ungetüm sofort einen ihrer Feuerbälle entgegen und traf es direkt am rechten Auge. Der Dämon brüllte kurz, während er im Flug stoppte und sich wieder etwas weiter in dem Himmel emporhob. Doch wollte er sich keinesfalls durch die Attacke zurückziehen, vielmehr bereitete er sich nun darauf vor, einen entsprechenden Gegenschlag zu vollziehen. Also öffnete er sein Maul, in dessen Inneren sich eine Unmenge Energie zu sammeln schien, welche er auch schon nach kurzer Zeit auf seine Gegner abfeuern wollte. Und als die Energie sein Maul verließ, erkannte man, dass es sich dabei um einen gewaltigen Feuerwirbel handelte, der nun genau auf die Erde zusteuerte. Shippou quiekte bei diesem Anblick entsetzt auf: "Iiiiieeeeek!! So tut doch jemand etwas! Sonst werden wir gleich alle gegrillt!"

Und tatsächlich schien es auf diese Attacke keine entsprechende Gegenmaßnahme zu geben, zumindest wollte sich auf die Schnelle keine finden lassen.

Plötzlich schien der Feuerwirbel jedoch an etwas abzuprallen, denn bevor er überhaupt nur in die Nähe des Erdbodens gekommen war, wurde er gestoppt und die Flammen schlugen stattdessen noch in der Luft in alle Richtungen. Erst bei näherem Hinsehen, erkannten die einzelnen Umherstehenden, was den Feuerwirbel aufgehalten hatte.

"Das ist doch ein Bannkreis!" Kagome schaute sofort zu Ashitaka rüber. Als dieser ihren Blick bemerkte, schüttelte er aber sogleich den Kopf und gab ihr somit zu verstehen, dass nicht er diesen Bannkreis gespannt hatte. Doch er konnte sich schon ganz genau denken, wer stattdessen dahinter steckte und als er sich umdrehte, sah er sich auch sofort in seiner Vermutung bestätigt.

"Kakeru!"

Und tatsächlich stand nun am Haupteingang des Schlosses Kakeru. Die Hände hatte er so auf Brusthöhe gefaltet, dass beide Zeigefinger aneinander lagen, zudem umgab ihn eine unheimlich starke Energie. Doch der Bannkreis, den Kakeru errichtet hatte, diente nicht nur zur Abwehr des feindlichen Angriffs, denn jetzt vergrößerte er sich nach und nach und drängte die fliegenden Dämonen unweigerlich immer weiter zurück. Der Dämon, der zuvor den Angriff mit dem Feuerwirbel gestartet hatte, wurde von dem sich vergrößernden Bannkreis sogar regelrecht weggeschleudert, wie unter einer gewaltigen Druckwelle. Aber aufgeben schienen die Ungetüme deswegen noch immer nicht zu wollen. Eher im Gegenteil, sie starteten sofort den Versuch von neuen Angriffen. Nun schien sich die Kraft des Bannkreises jedoch zu verändern, zumindest spürte das so mancher der Anwesenden. Und diejenigen, die dies nicht wahrnehmen konnten, sahen jetzt nun, was die veränderte Kraft bewirkte. Denn kaum, dass die erneut angreifenden feindlichen Dämonen erneut mit dem Bannkreis in Berührung gekommen waren, zerfielen sie sofort zu Asche, die daraufhin im Wind wehend zu Boden fiel. Einige andere der fliegenden Dämonen stoppten daraufhin ihre Angriffe wieder, bis alle von ihnen ihre Attacken eingestellt hatten. Es schien, als würden sie noch einen Moment zögern, doch schließlich gab einer von ihnen den anderen ein Zeichen und so setzten sich die übrig gebliebenen Dämonen wieder in Bewegung und flogen in die selbe Richtung davon, aus der sie zuvor gekommen waren.
 

Endlich war der Sturm der Feinde zu Ende, genauso plötzlich wie er zuvor begonnen hatte, und der Bannkreis löste sich nach und nach wieder auf. Spürbare Erleichterung machte sich breit.

"Uff! Gerettet...", seufzte Shippou völlig fertig auf und musste sich erstmal hinsetzen, während Kimie zusammen mit Ah-Un und Sango und Miroku auf Kirara wieder auf dem Hof landeten. Doch die neu eingezogene Ruhe hielt nicht lange an. Ein dumpfes Geräusch lenkte die Aufmerksamkeit aller sofort auf den Haupteingang des Schlosses, vor diesem Kakeru erschöpft zu Boden gegangen war. Schwer atmend kniete er auf der Veranda. Sofort eilte Ashitaka zu ihm, ebenso wie Subaru, der inzwischen seinen Posten auf dem Dach wieder verlassen hatte.

"Kakeru! Was ist mit dir?", fragte Ashitaka besorgt, während er und Subaru ihren Kameraden stützten. Dieser hob nun seinen Blick wieder und mühte sich ein schwaches Lächeln ab.

"Nichts, es geht schon wieder...", antwortete Kakeru ruhig auf die Frage. "Na ja, es ist eben schon eine längere Zeit vergangen, seit ich das letzte Mal einen solchen Bannkreis errichtet habe. Ich bin wohl etwas aus der Übung."

"Ruht Euch etwas aus, Kakeru-sama", bat Subaru seinen Kameraden und half ihm zusammen mit Ashitaka beim Aufstehen. Ashitaka erklärte sich dazu bereit, Kakeru auf sein Zimmer zu bringen, damit er sich etwas ausruhen konnte. Subaru nickte einverstanden.

Nachdem Ashitaka und Kakeru ins Schloss gegangen waren, wirkte unter anderem insbesondere Kagome sehr besorgt. Sie stand nun wieder mit Inu Yasha und den anderen zusammen.

"Was ist passiert? Warum ist er plötzlich zusammengebrochen?", fragte sich das Mädchen, woraufhin Miroku erwiderte: "Ich habe mal davon gehört, dass manche magische Kräfte im Laufe der Zeit mehr und mehr nachlassen können. Wenn man sich dann zu sehr übernimmt, kann es schon mal zu solchen Zwischenfällen kommen."

Unterdessen machte sich insbesondere Miyuki noch so ihre Sorgen um ihren Bruder. Er hatte seine Gestalt inzwischen wieder verändert und betrat soeben durch das Haupttor wieder den großen Innenhof. Sofort eilte Miyuki zu ihm.

"Nii-sama, ist alles in Ordnung?", fragte sie Tôya besorgt, der wirklich einiges abbekommen zu haben schien. Trotz der dunkelblauen Farbe seines Kimonos konnte man gut das durch den Stoff gesickerte Blut im Bereich der linken Schulterpartie sehen und da der Biss des feindlichen Dämons zudem noch in der Nähe des Halses angesetzt gewesen war, war auch dort ein wenig Blut zu sehen. Wie groß die Wunde im allgemeinen wirklich war, war im Moment zwar nicht zu sehen gewesen, aber klein war sie sicherlich nicht gewesen. Dementsprechend beunruhigt war auch Miyuki. Tôya versuchte jedoch, ihr zumindest einen Teil ihrer Besorgnis zu nehmen.

"Keine Sorge, Miyuki", sagte er beruhigend. "Das kommt schon wieder in Ordnung. Es sieht schlimmer aus, als es ist."

In diesem Moment tauchte wie aus dem Nichts hinter den Schlossmauern diese eigenartige Lichtkugel auf, die nun gemächlich mitten auf den Innenhof schwebte und schließlich die Gestalt einer Person anzunehmen schien. Und tatsächlich stand, kaum, dass das Licht wieder verblasst war, ein junger Mann mitten unter den anderen.

"Hey, Tôya! Scheinbar habe ich jetzt was bei dir gut", sagte der Fremde ein wenig frech sofort an den Inu-Youkai gewandt, der vom Erscheinen des anderen jedoch keinesfalls erfreut zu sein schien.

"Du?! Was zum Teufel machst du denn hier?!" fragte Tôya nur empört zurück, woraufhin sein Gegenüber aber nur entgegnete: "Na, das ist ja eine nette Begrüßung, wenn man bedenkt, dass ich dir gerade deine Haut gerettet habe."

Ein Knurren drang aus Tôyas Kehle, doch war er scheinbar nicht der einzige gewesen, der das Auftauchen des Fremden zu missbilligen schien. Auch einigen anderen konnte man dies ansehen, demnach mussten sie diesen Youkai kennen. Bei seinem Anblick bildeten sich hingegen bei Shippou abrupt Schweißperlen auf der Stirn, aber auch seine Freunde schienen im ersten Moment etwas irritiert gewesen zu sein. Doch der kleine Kitsune suchte sofort eiligst sein Heil in der Flucht und versteckte sich hinter Kagome.

"Uaah!! Das ist Kuromaru! Geht in Deckung, Leute! Mach ihn platt, Inu Yasha! Schnell!!", rief Shippou ängstlich aus und zitterte am ganzen Leib.

"Krieg dich wieder ein, Shippou! Das ist er doch gar nicht!", erwiderte Inu Yasha, wenngleich auch er im ersten Moment etwas stutzig gewesen war. Doch dieser Youkai roch nicht nach Naraku und überhaupt war es kaum vorstellbar, dass Kuromaru wieder unter den Lebenden weilte, da er ja schließlich von Sesshoumaru getötet worden war. Bei genauerer Betrachtung fielen auch Unterschiede zwischen Narakus Abkömmling und dem fremden Youkai auf, doch insbesondere das schwarze Haar und die blaue Linienzeichnung auf den Wangen trug zu dieser kleinen Verwechslung mit bei, wenngleich dieser Youkai hier jeweils nur eine Zeichnung auf den Wangen aufwies. Zudem war sein Haar ab dem Rücken zu einem Zopf geflochten, der aber aufgrund des Fells, welches der Youkai über seiner Rüstung trug, erst bei näherem Hinsehen zu erkennen gewesen war. Ansonsten hätte man auch den Eindruck gewinnen können, er hätte lediglich etwas längere Haare. Zudem trug er einen weißen Kimono, der am Rand der Ärmel und am Kragen violett und ansonsten ungemustert war und an der linken Seite seines Körpers trug er zwei identische Schwerter bei sich, ähnlich wie Sesshoumaru es tat.

Wenngleich über das Auftauchen des fremden Youkai noch an vielen Stellen überraschtes und irritiertes Schweigen herrschte, war es letztendlich Subaru, der als Erster das Wort direkt an den Fremden richtete. Dabei hatte seine Stimme jedoch einen merkwürdig verbitterten Unterton: "Hm! Du bist also noch am Leben... Seshiru."

Bei der Erwähnung seines Namens richtete Seshiru seinen Blick sogleich auf Subaru.

"Wie du siehst, bin ich das", entgegnete er ruhig und mit einem eigenartigen Lächeln, dass beinahe schon etwas Hinterhältiges an sich hatte. "Es freut mich, dass du mich wieder erkannt hast. Es ist ja immerhin schon eine gewisse Zeit vergangen. Ich hoffe aber, es geht dir gut, kleiner Bruder."

"Kleiner Bruder?!" Inu Yasha und seine Freunde starrten Seshiru nur völlig entgeistert an.

"Nein! Das kann doch unmöglich wahr sein!? Die... die beiden sehen sich doch überhaupt nicht ähnlich!", rief Shippou ungläubig aus. Und in der Tat wäre wohl keiner von allein wirklich auf die Idee gekommen, dass Seshiru und Subaru Brüder waren, sofern dies einem nicht schon vorher bekannt gewesen war. Sie besaßen so gut wie keine Gemeinsamkeiten, die auf ihre Verwandtschaft hätten schließen lassen können. Im Gegensatz zu Subaru wirkte Seshiru auf dem ersten Blick nicht unbedingt sonderlich Vertrauen erweckend. Na gut, der Schein konnte bekanntlich trügen, aber auch sein momentanes Auftreten und die Art wie er redete, waren ihm nicht unbedingt positiv anzurechnen gewesen. Auch vom Aussehen her ähnelten sich die beiden Brüder nicht gerade, wobei der Hauptunterschied in Seshirus bereits erwähntem schwarzen Haar lag. Und im Gegensatz zu Subaru besaß Seshiru auf seiner Stirn ein Zeichen, das aussah, wie drei schmale lavendelfarbene Blütenblätter. Zudem trug er über seinem rechten Auge eine Narbe, die wohl aus einem vergangenen Kampf stammen musste.

"Einer von denen ist doch garantiert adoptiert!", vermutete Shippou nun mit ernstem Gesichtsausdruck, ehe er noch eine zweite Vermutung hinterher warf: "Oder aber ein Elternteil hat noch auf einer anderen Hochzeit getanzt."

"Nein, nichts dergleichen ist der Fall", entgegnete nunmehr Seshiru, was Shippou aber doch sehr erschreckte, denn eigentlich hatte der kleine Kitsune nicht sonderlich laut gesprochen und somit auch gar nicht damit gerechnet, dass ihn jemand gehört hatte. Seshiru jedoch behielt seine eigenartige Ruhe bei, während er seinen Blick wieder auf Subaru richtete und weiter sprach: "Der gute Subaru kommt eben einfach mehr nach unserer Mutter."

Die Aufmerksamkeit des Youkai galt daraufhin aber sofort wieder Inu Yasha und seinen Freunden. "Aber das ist ja auch äußerst interessant. Menschen und ein Hanyou."

"Hast du damit vielleicht ein Problem?", fragte Inu Yasha patzig, da ihm Seshiru schon von vornherein alles andere als sympathisch gewesen war.

Der Youkai ließ sich jedoch keinesfalls aus der Ruhe bringen, während er sich nun den Hanyou etwas genauer ansah. "Hm! Ich müsste mich schon sehr irren, aber gehe ich Recht in der Annahme, dass du Inu Yasha bist?"

Als Seshiru seinen Namen ausgesprochen hatte, wirkte Inu Yasha doch etwas überrascht.

"Hey! Was soll das? Woher kennst du meinen Namen?", fragte er äußerst misstrauisch. Aber überhaupt schien ihn in diesem Schloss so ziemlich jeder zu kennen, nur eben Inu Yasha selbst hatte bisher stets nach den Namen seiner Gegenüber fragen müssen. Auf seine Frage antwortete Seshiru jedoch nicht direkt, als er nun weiter sprach: "Also stimmt es. Du bist der zweite Sohn von unserem Oyakata-sama. Hm! Nun ja, irgendwie war es ja vorhersehbar gewesen, dass es zwischen ihm und dieser Menschenfrau mal so weit kommen würde."

Und ohne eventuell auf eine Reaktion seitens Inu Yasha gewartet zu haben, ging Seshiru nun direkt auf Sesshoumaru zu und blieb etwa zwei Meter vor ihm stehen. Sein ruhiges und zugleich eigenartiges Lächeln behielt er bei, als er ihn ansprach: "Lange nicht mehr gesehen. Geht es Euch gut, Sesshoumaru-sama?"

Sesshoumarus Blick zeugte nicht unbedingt von großem Wohlwollen oder ähnlichem, als er Seshiru so gegenüberstand. Dementsprechend war auch seine Antwort auf die gestellte Frage: "Du bist ja ganz schön mutig, dass du hier wieder auftauchst. Dafür, dass du ohne ausdrückliche Erlaubnis zurückgekommen bist, könnte ich dich eigentlich ohne weiteres töten."

"Was für eine herzliche Begrüßung, wenn man bedenkt, dass wir uns schon so lange nicht mehr gesehen haben. Ist das Eure Vorstellung davon, alte Freunde willkommen zu heißen?", entgegnete Seshiru mit einem leichten Unterton von Sarkasmus. Damit schien er allerdings nur Sesshoumarus Unmut weiter anzustacheln.

"Wir sind niemals Freunde gewesen!", entgegnete Sesshoumaru kalt. "Du hast es gewagt, die Autorität meines Vaters anzuzweifeln und bist dafür zu recht verbannt worden. Dass er dich aber nicht getötet hat, verstehe ich immer noch nicht. Schade wäre es um dich jedenfalls nicht gewesen!"

Aber wieder blieb Seshiru die Ruhe selbst. "Wie ich sehe, nehmt Ihr auch heute noch kein Blatt vor den Mund. Genau wie früher, Sesshoumaru-sama."

Zusammen mit Inu Yasha und den anderen beobachtete Kimie aus einiger Entfernung das Gespräch der beiden Inu-Youkai. Ihr kam in diesem Moment wieder das in den Sinn, was Sesshoumaru ihr erst noch am Abend zuvor erzählt hatte.

>Dann ist das also wirklich der Typ, der damals Sesshoumarus und Inu Yashas Vater zum Kampf herausgefordert hat...<

Kimies Gedanken wurden allerdings sofort wieder unterbrochen, als Sesshoumaru erneut das Wort an Seshiru richtete: "Mit dir befasse ich mich gleich, aber zuerst gibt es noch etwas anderes zu tun."

Damit wandte er sich an die umherstehenden Clan-Mitglieder. Während ein Teil sich darum kümmern sollte, diejenigen zum Schloss zurückzuordern, die sich noch irgendwo außerhalb aufhielten, wies er einige andere an, die herumliegenden Kadaver der besiegten Dämonen vom Gelände zu schaffen. Sesshoumaru erschien es momentan am sinnvollsten, seine Leute im Schloss zu versammeln, da die Grenzbewachung bei Feinden aus der Luft wohl nicht sonderlich viel brachte. Er wollte zudem so schnell wie möglich Ashitaka anweisen, einen schützenden Bannkreis um das Schloss zu errichten, der nur von den Clan-Mitgliedern durchbrochen werden konnte. Er hätte auch Kakeru darum bitten können, doch dieser war momentan wohl nicht dazu in der Lage gewesen. Da Tôya im Kampf verletzt worden war, sollte dieser jedoch im Schloss bleiben und sich entsprechend ausruhen, ebenso wie Miyuki, die zwar keinen Schaden erlitten hatte, aber bei solchen Aktionen ja noch nie wirklich hatte teilnehmen dürfen. Dementsprechend frustriert war sie zwar zunächst, würde es aber niemals wagen, einer Anweisung ihres Herrn zu widersprechen. Dass Kakeru sich nicht an der Rückholaktion der anderen beteiligen würde, lag von vornherein klar auf der Hand. Aber auch Inu Yasha und dessen Freunde, ebenso wie die Panther-Dämonen sollten im Schloss bleiben. Bezüglich Inu Yasha hatte Sesshoumaru zudem noch eine Kleinigkeit zu erledigen.

"Inu Yasha!", sprach er seinen Halbbruder daher sogleich an.

"Was willst du denn schon wieder?", fragte Inu Yasha patzig, während Sesshoumaru auf ihn zukam. Bei ihm angekommen, hob der Youkai nur wortlos und mit üblich kühlen Blick die rechte Faust und gab seinem Halbbruder kurz darauf eine deftige Kopfnuss auf den Hinterkopf.

"Auaa!! Sag mal, du Vollidiot, bist du denn jetzt vollkommen bescheuert?! Wofür war das denn das jetzt?!", beschwerte sich Inu Yasha lauthals, was Sesshoumaru jedoch gänzlich unbeeindruckt ließ.

"Wenn du das bisschen Verstand, was du eigentlich besitzen müsstest, ein wenig anstrengst, dann kommst du schon noch dahinter, mein lieber Bruder", entgegnete der Ältere nur und wandte sich auch schon wieder von dem Hanyou ab. Dieser wollte Sesshoumaru zunächst noch alle möglichen Flüche hinterher rufen, als ihm jedoch im selben Moment einzufallen schien, wofür diese Kopfnuss eben war. Das trug allerdings nicht unbedingt dazu bei, dass Inu Yasha für das Handeln des Älteren so was wie Verständnis entwickelte.

"Erzähl mir jetzt nicht, es ist wegen der Sache mit Kimie!?", rief er Sesshoumaru stattdessen aufgebracht nach. "Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre sie jetzt nämlich hinüber! Dabei müsstest DU doch eigentlich auf sie aufpassen! Schließlich ist sie DEINE Frau!"

Abrupt wurde es totenstill. Keiner sagte etwas oder rührte sich von der Stelle. Denn bisher hatte Sesshoumaru es überhaupt nicht öffentlich gemacht, dass Kimie seine Gefährtin war und jetzt war die Bombe einfach mal ohne jegliche Vorbereitung zum Platzen gebracht worden. Es war keinesfalls so gewesen, dass Sesshoumaru sich eventuell vor den Reaktionen der anderen Inu-Youkai gefürchtet hätte, aber hätte er den Zeitpunkt, ihnen reinen Wein einzuschenken doch schon gerne selbst bestimmt. Das konnte er nun aber gänzlich vergessen und wenngleich längst nicht alle Mitglieder seines Clans sich momentan im Schloss aufhielten, diese Sache dürfte sich bald verbreitet haben wie ein Lauffeuer.

"Ha! Wenn das mal keine Neuigkeiten sind.", warf Seshiru nun amüsiert ein. "Tja, der Apfel fällt scheinbar wirklich nicht weit vom Stamm. Wie der Vater, so der Sohn."

Ein leises Knurren war nun seitens Sesshoumaru zu hören gewesen. Er war wirklich nicht begeistert davon gewesen, wie jetzt einfach mal alles öffentlich gemacht worden war. Dementsprechend war auch seine Reaktion, denn als er daraufhin noch einmal zu Inu Yasha zurückging, gab es für diesen diesmal gleich drei Kopfnüsse als Antwort. Der dritte Schlag ließ den Hanyou zudem noch zu Boden gehen, doch fluchen konnte er trotzdem noch immer: "Ungh... Ich hasse dich, du elender, blöder..."

Der Rest des Satzes ging irgendwo in einem Gemurmel unter. Auf Kagomes Schulter sitzend, schaute Shippou skeptisch zu Inu Yasha runter und meinte: "Das muss wohl Sesshoumarus Version von 'Osuwari' sein..."

Nach einigen Sekunden hatte Inu Yasha seinen Kopf wieder gehoben und konnte sehen, wie Sesshoumaru einige Meter vor ihm noch beim Weggehen war.

"Jetzt reicht 's! Das war zu viel, Sesshoumaru! Dich mach ich fertig!", rief der Hanyou plötzlich aus, sprang auf und wollte sich genau auf seinen Halbbruder stürzen, doch erneut durfte er den Boden küssen, kaum, dass er überhaupt mal wirklich aufgestanden war.

"Inu Yasha! Osuwari!", kam es nämlich sofort von Kagome. Noch bevor Inu Yasha seinen Halbbruder nur ansatzweise hatte erreichen können, wurde er auch schon von Kagome in seine Schranken gewiesen. Und während der Hanyou nunmehr ein weiteres Mal mit dem Gesicht im Dreck lag, schritt Sesshoumaru ohne sich trotz dieses Vorfalls noch einmal zu ihm umgedreht zu haben auf den Eingang des Schlosses zu.

"Es wird vorgegangen, wie ich es gesagt habe", sagte er an die Umherstehenden gewandt, während er die Treppe hinaufging und machte anhand des kühlen Untertons in seiner Stimme deutlich, dass er wegen der Sache mit Kimie keine etwaigen überflüssigen Bemerkungen duldete. Diese Botschaft schienen seine Leute auch ganz genau verstanden zu haben, denn keiner äußerte sich laut dazu, wenngleich einige zuvor noch leise miteinander getuschelt hatten. Bevor Sesshoumaru nun jedoch ins Schloss ging, wandte er sich noch einmal an Seshiru: "Und, Seshiru? Du wirst ebenfalls hier bleiben. Wir beide werden uns nämlich noch miteinander unterhalten."

"Wenn Ihr das sagt, Sesshoumaru-sama", entgegnete Seshiru unbeeindruckt, als Sesshoumaru nun im Inneren des Schlosses verschwand. Einige von denen, die er angewiesen hatte, ebenfalls im Schloss zu bleiben, folgten ihm nach einem Moment, während der Rest sich nun daran machte, die anderen Inu-Youkai zurück zum Schloss zu holen oder eben wieder etwas Ordnung auf dem Hof zu schaffen. Nur Subaru zögerte zunächst noch, machte sich dann aber ebenfalls auf den Weg, einige seiner Kameraden zum Schloss zurückzuholen. Dabei ging er kurz an seinem Bruder vorbei, der dem Jüngeren mit seinem Blick folgte. Wenngleich Seshiru kein Wort sagte, Subaru konnte dennoch seine Blicke förmlich in seinem Rücken spüren. Für einen kurzen Augenblick hätte sich Subaru deswegen beinahe zu Seshiru umgedreht, unterließ es aber und verließ stattdessen eiligst das Schloss.

Nachdem sein jüngere Bruder zusammen mit seinen Kameraden gegangen war, ging Seshiru in das Schloss, zumal sich Sesshoumaru ja noch mit ihm unterhalten wollte.

Kagome hatte zuletzt die ganze Zeit über das Verhalten von Subaru und Seshiru beobachtet. Es kam ihr so vor, als würde die Gegenwart seines Bruder Subaru stark verunsichern. So hatte sie den Youkai zuvor noch nicht erlebt.

"Was ist mit dir, Kagome-chan? Du wirkst so nachdenklich", fragte Sango plötzlich und holte Kagome wieder aus ihren Gedanken. Diese schüttelte auf die Frage ihrer Freundin hin jedoch flüchtig lächelnd den Kopf.

"Nein, nein! Es ist nichts, Sango-chan. Schon in Ordnung."

Miroku machte nun den Vorschlag, dass sie alle wohl auch erstmal ins Schloss und auf ihre Zimmer gehen sollten. Die anderen stimmten dem zu. Doch Kimie ergriff Kagome sogleich an der Schulter und hielt sie noch einen Moment lang zurück.

"Sag mal, Kagome, kann ich vielleicht um einen kleinen Gefallen bitten?", fragte Kimie ihre Cousine. Als diese nickte, sprach die Ältere mit einem leicht verlegenen Lächeln weiter: "Schneidest du mir vielleicht die Haare und könntest du sie mir hinten rum bitte ein wenig gerade machen?"

In diesem Moment fiel auch Kagome Kimies kleiner "Unfall" wieder ein. Natürlich hatte sie nichts gegen die Bitte ihrer Cousine einzuwenden und antwortete dementsprechend: "Sicher! Kein Problem."

Kimie bedankte sich erleichtert bei Kagome und endlich konnten auch die beiden sich auf den Weg ins Schloss machen. Zuvor wollte Kimie jedoch noch Ah-Un zurück zu seinem Unterstand bringen. Dabei bekam sie aber noch einen kurzen Dialog zwischen zwei Inu-Youkai mit, wobei einer von ihnen gerade von einem der hinteren Nebengebäude wieder nach vorne auf den großen Hof gelaufen kam.

"Hey! Einer dieser Dämonen ist da hinten in ein Gebäude gestürzt und hat ein ganz schönes Chaos angerichtet. Irgendjemand muss ihn vorhin vom Himmel geholt haben und hat dabei nicht berücksichtigt, wo er eventuell landen könnte."

Als der zweite Inu-Youkai das gehört hatte, griff er sich sofort mit einem entnervten Seufzen an den Kopf, und ließ seinen Blick über den Hof schweifen. "Na, großartig! Als ob es nicht schon reichen würde, dass diese Viecher hier bereits zu genüge herumliegen..."

Ohne dem Gespräch noch weiter zuzuhören, hatte Kimie sich sofort wieder umgewandt. Ihr war von Anfang an klar gewesen, WER für das erwähnte Chaos verantwortlich gewesen war. Dass ihre Cousine plötzlich peinlich berührt wirkte, bemerkte Kagome erst nach einem Moment.

"Was ist los, Kimie?", fragte die Jüngere überrascht, doch Kimie schüttelte sofort hastig den Kopf und erwiderte mit einem verschüchterten Lächeln: "Ach, gar nichts! Überhaupt nichts! Hehe..."

Und spätestens in diesem Moment entschied Kimie für sich, dass sie ihre Beteiligung an dem entstandenen Sachschaden am Schloss wohl doch besser für sich behalten würde.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

"Mist! Ich hatte gleich so ein ungutes Gefühl... Was soll das alles bringen?!", wetterte Takeshi aufgebracht, als er durch die Rückkehr der übrig gebliebenen fortgeschickten Dämonen vom Misserfolg des Angriffs erfahren hatte. Während die fliegenden Ungetüme über den Bergen kreisten, befand sich Takeshi noch immer zusammen mit Akuma auf diesem Felsvorsprung.

"Ich war von Anfang an dagegen gewesen, dass wir eine solche Aktion durchführen und trotzdem hast du es zugelassen, dass mehrere unserer Dämonen getötet worden sind, Akuma! Sag mir, warum du dieses Risiko bewusst eingegangen bist! Du wusstest doch genauso gut wie ich, dass es so enden würde!"

"Beruhige dich erstmal wieder, Takeshi!", erwiderte Akuma ruhig, aber äußerst kühl. "Von ein paar Verlusten hängt der Erfolg unseres Vorhabens nicht ab."

Takeshi jedoch schien nach dieser Antwort nur noch mehr geschockt gewesen zu sein, wie es der Ausdruck seiner Augen verriet. Dennoch bemühte er sich um eine gefasste Sprache, als er erneut das Wort ergriff: "Bist du dir auch wirklich sicher, dass all das auch tatsächlich UNSER Vorhaben ist?"

Abrupt wurde Akuma hellhörig und wandte sich zu seinem Gesprächspartner um. Äußerst prüfend fragte er zurück: "Was willst du mir damit sagen?"

"Ganz einfach!", entgegnete Takeshi betont. "Liegt es wirklich in deinem eigenen Interesse, was dieses Vorhaben anbelangt? Oder aber geht es mehr um das Interesse von diesem Kerl?"

Für einen kurzen Moment schwieg Akuma, bevor er antwortete. Seine Antwort fiel aber sehr deutlich aus: "Dir ist schon klar, dass ich dich nach so einer Bemerkung eigentlich töten könnte, Takeshi. Doch da du mein jüngerer Bruder bist, sehe ich davon ab und gebe dir stattdessen einen Rat: Kritisiere nie wieder meine Vorgehensweise!" Dann wandte sich Akuma zum Gehen um. "Ich werde jetzt zum Schloss zurückkehren. Ich hoffe aber, wir beide haben uns verstanden, Takeshi."

Und mit diesen Worten breitete er seine schwarzen Schwingen aus, die er bis eben wie einen Umhang über seine Schultern gelegt und vorne zusammengefaltet hatte, und flog ohne sich noch mal zu Takeshi umgedreht zu haben davon. Takeshi folgte seinem Bruder mit einem Blick, der Unmut, Zweifel und Ungewissheit in sich vereinte.

"Ich hoffe, du weißt was du tust, Bruder", sagte er schließlich leise, ehe auch eher seine Schwingen entfaltete und seinen momentanen Standort verließ.

Der wahre Kampf beginnt erst jetzt

Gut eine Stunde war mittlerweile seit dem Kampf vergangen. Während die Aufräumarbeiten auf dem Schlosshof noch andauerten, aber schon zu einem großen Teil abgeschlossen waren, hatte sich Miyuki um die Verletzung ihres Bruders gekümmert. Kagome war so freundlich gewesen, ihr zu diesem Zweck ihre Arzneiausrüstung zur Verfügung zu stellen und hatte ihr noch erklärt, welches Mittel man gut für die Behandlung von Wunden verwenden konnte. Allerdings hatte Tôya nicht daran gedacht, sich eventuell noch etwas auszuruhen, nachdem Miyuki ihn entsprechend versorgt hatte. Stattdessen war er direkt danach zu jenem Zimmer im Schloss gegangen, in welchem sich Sesshoumaru noch mit Seshiru unterhielt. Vor dem Zimmer wartete Tôya nun ab, was passierte, während Miyuki ihm gefolgt war und nun ebenfalls mit ihm auf dem Gang vor dem Zimmer stand.

"Nii-sama, ist es in Ordnung, wenn wir hier einfach so herumstehen und lauschen?", fragte das Dämonenmädchen nach einer Weile etwas verunsichert, wurde aber sofort energischer, als sie direkt danach weiter sprach: "Außerdem solltest du dich besser etwas ausruhen! Schließlich bist du verletzt worden."

Aber Tôya, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte und mit dem Rücken an der Wand lehnte, winkte nur ab und erwiderte: "Ach, was! Mach dir keine Sorgen, Miyuki. Es geht mir gut. Und außerdem lauschen wir nicht, wir warten nur ab, was passiert."

"Hmm..." So ganz überzeugt wirkte Miyuki zwar noch nicht, aber sie beließ es erstmal dabei. Zeitgleich machte sie sich aber auch ihre Gedanken über Seshiru. Wenngleich er Tôya durch sein Auftauchen und Einmischen in den Kampf praktisch gerettet hatte, war er ihr trotzdem schon von vornherein irgendwie unheimlich und alles andere als Vertrauen erweckend gewesen. Zudem konnte sie sich auch gar nicht mehr an ihn erinnern, da sie noch ein kleines Kind gewesen war, als er damals aus den westlichen Ländern fort gegangen war. Allein schon ein zufälliger Blickkontakt mit ihm hatte dem Dämonenmädchen zuvor schon eine unangenehme Gänsehaut bereitet und so gesehen war es ihr auch ganz lieb gewesen, dass sie und Tôya jetzt lediglich vor dem Zimmer standen und nicht ebenfalls mit Sesshoumaru und Seshiru in diesem drin waren. Angst hatte Miyuki ansonsten eigentlich eher selten, aber wegen Seshiru hatte sie sich wirklich irgendwie unwohl gefühlt.

Wie lange Sesshoumaru noch mit dem anderen Inu-Youkai reden würde, konnten weder Miyuki noch Tôya erahnen, aber nach einer Weile wurde es zumindest dem Dämonenmädchen ein wenig langweilig. Sie lief ein paar Schritte im Gang hin und her, als ihr dabei irgendwann Ashitaka auffiel, der am Ende des Ganges soeben um die Ecke bog und direkt auf die beiden Geschwister zukam. Tôya hob daraufhin den Blick und schaute in die Richtung seines Kameraden.

"Und, Ashitaka?", fragte er den Jüngeren sogleich. "Wie geht's Kakeru-sama?"

"Besser", antwortete Ashitaka. "Meine Mutter ist gerade bei ihm, deshalb dachte ich mir, ich schaue mal bei euch beiden vorbei. Aber solltest du dich nicht eigentlich etwas ausruhen, Tôya?"

Als er den prüfenden und zugleich etwas tadelnd wirkenden Blick von Ashitaka bemerkte, zog Tôya skeptisch eine Augenbraue hoch.

"Jetzt fang du nicht auch noch so an!", protestierte er, nachdem schon Miyuki ihn darauf angesprochen hatte. "Ich kann schließlich einiges einstecken. So eine kleine Wunde bringt mich noch lange nicht um. Im Übrigen dürfte es dich vielleicht interessieren, dass Seshiru hier wieder aufgetaucht ist."

Diese Neuigkeit hatte es in der Tat in sich gehabt. Da er sich bis eben noch um Kakeru gekümmert und daher nicht die Vorkommnisse nach dem Kampf mitbekommen hatte, war die Nachricht von Seshirus Rückkehr für Ashitaka umso überraschender gewesen.

"Sag mal, soll das etwa ein Witz sein?", fragte er daher ungläubig, doch Tôyas Kopfschütteln machte ihm klar, dass dies kein Witz gewesen war. So erfuhr Ashitaka nun auch, dass es eigentlich Seshiru zu verdanken gewesen war, dass Tôya nichts schlimmeres zugestoßen war, doch Tôya selbst spielte die ganze Sache bewusst runter.

"Der Typ soll jetzt aber bloß nicht glauben, ich wäre ihm dankbar!", stellte er von vornherein klar. "Ich war schon immer der Meinung, dass man ihm nicht trauen kann, ebenso wie seinem Vater!"

"Nii-sama..." Miyuki wirkte verunsichert. Sie hatte ihren Bruder bisher eher selten in so einem Gemütszustand erlebt. Eigentlich kannte sie ihn stets als ruhig und ausgeglichen. Ashitakas Blick schweifte unterdessen zu der Tür, hinter welcher Sesshoumarus Unterredung mit Seshiru noch andauerte.

"Eigentlich hatte ich ja meine Zweifel, ob er überhaupt wieder zurückkommen würde", sagte Ashitaka nach einem Moment. "Ehrlich gesagt, war ich sogar der Meinung, er wäre inzwischen tot. Was sagt denn Subaru dazu?"

"Seine Begeisterung hat sich deutlich in Grenzen gehalten, aber wen wundert das?", entgegnete Tôya, nun wieder ruhiger. "Momentan ist er zusammen mit ein paar anderen unterwegs, um diejenigen zurückzuholen, die sich noch außerhalb des Schlosses aufhalten. Sesshoumaru-sama hält es für besser, wenn wir uns erstmal alle wieder hier im Schloss versammeln und von hier aus gemeinsam unsere Ländereien verteidigen."

"Das wäre wohl wirklich besser", stimmte Ashitaka zu. Doch kaum, dass er das gesagt hatte, öffnete sich plötzlich die Schiebetür des Zimmers, vor dem die kleine Gruppe im Moment stand, und so stand Ashitaka Seshiru gleich mal selbst Auge in Auge gegenüber.

"Ach! Ich habe doch gewusst, dass ich Stimmen gehört habe", sagte Seshiru, während er seinen selbstsicheren Blick einmal schweifen ließ und mit diesem letztendlich bei Ashitaka hängen blieb. Mit einem kühlen Lächeln sprach er weiter: "Ashitaka-dono. Welche Freude, auch Euch wieder zu sehen. Vorhin hatte ich ja nicht die Gelegenheit, Euch zu begrüßen. Ihr seid mittlerweile also auch wieder hierher ins Schloss zurückgekehrt."

Ashitaka hatte sofort aufgehorcht. Das hatte für ihn so geklungen, als wusste Seshiru, dass auch Sesshoumarus Cousin die westlichen Länder für einen gewissen Zeitraum verlassen hatte. Aber woher sollte er das gewusst haben? Schließlich war Ashitaka noch im Schloss gewesen, als Seshiru damals von Inu no Taishou verbannt worden war.

"Woher weißt du denn, dass ich überhaupt weg war?", fragte er den Älteren daher sofort prüfend. Doch Seshiru blieb die Ruhe selbst.

"Das hat mir mal ein Vogel zugezwitschert", antwortete er und es klang ein wenig so, als wollte er sich ein wenig über Ashitaka lustig machen.

"Red keinen Unsinn!", mischte sich Tôya daraufhin aufgebracht ein. "Und bilde dir bloß nicht ein, ich wäre dir dankbar für deine Hilfe von vorhin! Als ob du uns einfach so helfen würdest! Mich würde es jedenfalls nicht wundern, wenn du schon längst auf der Seite unserer Feinde kämpfst und uns hier nur den Verbündeten vorspielst! Vielleicht bist du ja als Spion hierher geschickt worden."

Die Aussage war begleitet worden von einem durchdringenden, finsteren Blick, den Tôya auch jetzt noch Seshiru zuwarf. Um jedoch einen drohenden Streit zu verhindern, versuchte Ashitaka, seinen Kameraden wieder zu beruhigen: "Warte noch, Tôya! Ich finde, wir sollten uns erstmal anhören, was er überhaupt zu sagen hat."

"Das habe ich bereits getan", warf Sesshoumaru nun mit kühler Stimme ein und trat hinter Seshiru aus dem Zimmer hinaus, ohne diesen jedoch eines Blickes zu würdigen. "Im Übrigen habe ich es ihm gestattet, vorübergehend hier zu bleiben. Auch, um ihn besser beobachten zu können."

Erst jetzt fasste Sesshoumaru Seshiru wieder ins Auge. Den mahnenden Blick durchaus richtig deutend, sagte Seshiru trotzdem üblich selbstbewusst: "Euer Misstrauen mir gegenüber kann ich Euch wohl schlecht verübeln, Sesshoumaru-sama. Aber Unterstützung von Euch hätte ich ehrlich gesagt eher weniger erwartet, Ashitaka-dono." Damit wandte er sich wieder Ashitaka zu. Ein eigenartiges Lächeln, das beinahe schon etwas hinterhältiges erschien auf Seshirus Gesicht, ehe er weiter sprach: "Schließlich war es doch Euer verehrter Vater, der seinerzeit Inu no Taishou schwere Vorwürfe wegen dessen Beziehung zu dieser Menschenfrau gemacht hat. Ist es nicht so?"

Abrupt hatte Ashitakas Gesicht diesen merkwürdigen Ausdruck angenommen. Dennoch entgegnete er zunächst nichts auf Seshirus Worte, auch dann nicht, als dieser weiter sprach: "Mag es eventuell daran liegen, dass Euer verehrter Vater der Bruder der ersten Gemahlin von Inu no Taishou war, und dass er deshalb im Gegensatz zu mir nicht von hier vertrieben worden war? Tja, scheint so, als würden Familienmitglieder, ob nun angeheiratete oder nicht, in der Hinsicht bevorzugt behandelt werden, obwohl dies ja eigentlich nicht gerade von großer Fairness zeugt. Seht Ihr das nicht auch so?"

Jetzt hatte Seshiru den Bogen eindeutig überspannt, zumindest empfand Tôya das so. Also trat er hervor und stellte sich dem Älteren genau gegenüber.

"Willst du damit etwa sagen, Ashitaka wäre der Sohn eines elenden Verräters, so wie du einer bist?!", fragte er mit scharfer Stimme und packte Seshiru sogar mit der rechten Hand am Kragen seines Kimonos. Während Seshiru von dieser Aktion jedoch alles andere als beeindruckt zu sein schien, versuchte Miyuki, ihren Bruder zurückzuhalten.

"Nii-sama! Lass das bitte! Sonst öffnet sich deine Wunde vielleicht wieder und dann wird es noch schlimmer.", versuchte sie auf Tôya einzureden, doch dieser erwiderte betont: "Ach was! Das ist doch nur eine Schramme! Diesen Kerl könnte ich auch noch dann fertig machen, wenn ich bereits halbtot wäre!"

"So? Sollte das eventuell eine Herausforderung sein?", fragte Seshiru prüfend, als wollte er Tôya bewusst weiter anstacheln. Und es schien zu funktionieren, denn Tôya war einer offenen Auseinandersetzung mit Seshiru keinesfalls abgeneigt gewesen und antwortete: "Wenn du es so auffassen willst, nur zu!"

"Keiner kämpft hier gegen jemanden!", beendete daraufhin Sesshoumaru mit durchdringender Stimme die drohende Eskalation des Streits zwischen den beiden Inu-Youkai. Dennoch ließ Tôya im ersten Moment noch nicht von Seshiru ab und hielt ihn weiterhin am Kragen seines Kimonos fest.

"Tôya, lass es gut sein. Bitte", bat nun Ashitaka seinen Freund, der daraufhin doch wieder, wenn auch spürbar widerwillig, von Seshiru abließ. Dieser richtete kurz den Kragen seines Kimonos wieder ein wenig zurecht, ließ es sich aber nicht nehmen, eine weitere bissige Bemerkung abzulassen: "Und unser Clan ist mittlerweile also bereits so tief gesunken, dass er schon auf die Hilfe von Menschen und Halbdämonen zurückgreifen muss. Oder wie soll ich diese Ansammlung, die ich vorhin kurz in Augenschein nehmen durfte, verstehen? Von diesen Katzen fange ich besser gar nicht erst an."

Und kaum hatte er das gesagt, hätte Tôya ihm am liebsten gleich so richtig ans Genick springen können.

"Lieber die Hilfe von Menschen und Halbdämonen in Anspruch nehmen, als sich auf einen minderwertigen Verräter zu verlassen!", entgegnete er bedrohlich, doch reichte es mal wieder nicht aus, um Seshiru zu beeindrucken.

"Du bist noch genauso direkt in seiner Ausdrucksweise wie eh und je, Tôya. Aber du wirkst verbitterter, als ich dich in Erinnerung habe", meinte er nur herablassend. Bevor er jedoch weiter sprechen konnte, wurde ihm in der Hinsicht sogleich ein Riegel vorgeschoben. Denn Sesshoumaru hatte nunmehr Toukijin gezogen und deutete mit dessen Klinge nun warnend genau auf Seshiru. Als Seshiru seinen Blick daraufhin auf Sesshoumaru richtete, sagte dieser mahnend und mit kühler Stimme: "Lass es mich dir noch einmal ganz klar und deutlich sagen, Seshiru: Solltest du mit dem Gedanken spielen, irgendetwas zu sagen oder zu tun, was mir missfallen könnte, dann rate ich dir, das in deinem eigenen Interesse zu unterlassen. Denn ich bin garantiert nicht so nett wie mein Vater. Ich hoffe, ich habe mich verständlich genug ausgedrückt."

Sich die Klinge Toukijins, die genau auf ihn gerichtet war, einmal genau ansehend, ließ sich Seshiru dennoch nicht anmerken, was er eventuell gerade dachte. Er nickte nur nach einem Moment einmal und antwortete ruhig, aber ebenfalls kühl: "Zweifellos, Sesshoumaru-sama. Ich werde daran denken."

Zwar ruhten die Blick der beiden Inu-Youkai noch kurzzeitig auf dem jeweils anderen, doch steckte Sesshoumaru sein Schwert schließlich wieder ein. Mit einem eindeutigen Nicken wies er Seshiru an, jetzt am besten erstmal zu gehen, was dieser auch tatsächlich ohne irgendwelche weiteren Bemerkungen tat. Begleitet wurde sein Abgang von Tôyas missmutigen Blick, bis Seshiru schließlich am Ende des Ganges hinter einer Biegung verschwunden war.

Kaum war er fort gewesen, wandte sich Sesshoumaru an Ashitaka: "Ashitaka, ich möchte, dass du einen Bannkreis um das Schloss errichtest. Kakeru ist momentan nicht dazu in der Lage. Verberge das Schloss vor Feinden, lasse es jedoch zu, dass unsere Leute ihn problemlos von außen oder von innen durchdringen können."

"Ist gut. Ich werde gleich damit anfangen.", entgegnete Ashitaka bereitwillig. Und damit zog sich auch Sesshoumaru erstmal wieder zurück. Schlussendlich standen Ashitaka, Tôya und Miyuki wieder allein in dem Gang.

"Uff! Das war ja vielleicht was...", seufzte Miyuki aus, deren Anspannung über die vorangegangene Auseinandersetzung mit Seshiru nun scheinbar zentnerweise von ihr zu fallen schien. Ihr entging jedoch nicht, dass Ashitaka mit einem Mal merkwürdig nachdenklich wirkte. Fragend schaute sie kurz zu ihrem Bruder, ehe sie vorsichtig am linkem Ärmel von Ashitakas Kimonos zog und ihn fragte: "Hey, Ashitaka. Ist alles in Ordnung?"

Als er bemerkte, wie Miyuki leicht an seinem Ärmel zog und ihn angesprochen hatte, schaute Ashitaka das Dämonenmädchen zuerst zwar etwas überrascht an, lächelte dann jedoch leicht und antwortete auf ihre zuvor gestellte Frage: "Ja, klar. Mach dir keine Sorgen, Miyuki-chan."

"Bist du dir da sicher?", fragte Tôya daraufhin weiter und Ashitaka schien ganz genau zu wissen, worauf sein Kamerad ihn damit genau angesprochen hatte.

"Ich weiß ja schließlich selbst, was damals zwischen meinem Vater und meinem Onkel vorgefallen ist", sagte Ashitaka daraufhin. "Und Seshiru hat schon in der Vergangenheit eher selten ein Blatt vor den Mund genommen. Macht euch also keine Gedanken, ihr zwei. Mit mir ist wirklich alles in Ordnung."

"Hmm... Wenn du meinst", entgegnete Tôya, wenngleich es ihn noch immer mächtig aufregte, dass Seshiru es gewagt hatte, Ashitaka gegenüber eine derart unverschämte Bemerkung zu machen. Er würde diesen aufsässigen Youkai garantiert im Auge behalten.
 

Währenddessen befanden sich zum selben Zeitpunkt Kimie, Kagome und die anderen in Kagomes Zimmer, wo Kimie von ihrer Cousine gerade die Haare geschnitten wurden. Die Zeit nutzte Kimie, um den anderen ein wenig von dem zu erzählen, was sie schon von Sesshoumaru über Seshiru erfahren hatte.

"Laut Sesshoumaru hat dein Vater diesen Seshiru vor 200 Jahren von hier verbannt", erklärte sie Inu Yasha der jedoch wenig mitgerissen wirkte und stattdessen nur gelangweilt den Kopf auf die Hand abstützte.

"Dann hat dieser Kerl sich offensichtlich nicht sehr beliebt gemacht. Ist er hier etwa jemandem aufs Fell getreten, oder was?", fragte er leicht sarkastisch zurück. Kimies Miene wirkte daraufhin etwas trocken, doch antwortete sie trotzdem auf Inu Yashas Frage: "Nein, es ging wohl eher um die Beziehung deines Vaters zu deiner Mutter. Seshiru hat deinen Vater wegen dieser Sache zu einem Kampf herausgefordert und verloren. Seither hat wohl keiner mehr etwas von ihm gehört. Zumindest nicht bis heute, wie's scheint..."

Als Kimie seine Eltern erwähnt hatte, schien Inu Yasha für einen Moment doch hellhörig geworden zu sein. Dass sein Vater in der Hinsicht wohl das eine oder andere Problem bekommen hatte, verwunderte den Hanyou nicht sonderlich. Welcher Dämonenstamm sah es schon gerne, wenn der Anführer - um es mal umgangssprachlich auszudrücken - aus der Reihe tanzte?

"Und darüber hat Sesshoumaru mit dir gesprochen?", fragte Inu Yasha das Mädchen kurz darauf weiter.

Kimie nickte. "Ja. Nachdem ich ihn danach gefragt hatte."

"Hmm..." Inu Yasha schien sich das ganze noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Fraglich war nur, ob er jetzt mehr über Seshiru oder doch mehr über seinen Vater nachdachte, obwohl der Hanyou in der Vergangenheit immer wieder betont hatte, er wollte nichts mit diesem zu tun haben. Aber zumindest seit sie alle hier in den westlichen Ländern waren, schien es unwillkürlich dazu zu kommen, dass Inu Yasha sich so seine Gedanken machte.

"Wie dem auch sei, dieser Seshiru macht auf mich jedenfalls nicht unbedingt den Eindruck, als könne man ihm vertrauen", meinte Sango schließlich an ihre Freunde gerichtet.

Miroku verschränkte nachdenklich die Arme vor der Brust und stimmte ihr zu: "Den Eindruck habe ich auch und wenn Inu Yashas Vater diesen Kerl schon einmal von hier verbannt hat, spricht das nicht unbedingt für diesen Seshiru. Aber dass er der ältere Bruder von Subaru-dono ist, hätte ich von selbst nie gedacht."

"Keh! Aber ich wette, beide haben den gleichen miesen Charakter!", meinte Inu Yasha daraufhin überzeugt.

"Tja, das ist wohl die Frage...", warf Kimie nun ein, obwohl sie eigentlich mehr laut gedacht hatte und dies nicht unbedingt laut hatte aussprechen wollen. Als die anderen sie daraufhin jedoch äußerst fragend anschauten, sprach sie nach kurzem Zögern weiter und erzählte ihnen, wie sie am ersten Abend im Schloss Subaru über den Weg gelaufen war und er ihr eingeschärft hatte, sie und die anderen sollten auf das aufpassen, was hinter ihren Rücken ablaufen würde.

"Allerdings weiß ich noch immer nicht so genau, ob er das als Warnung oder als Drohung gemeint hatte...", meinte Kimie schließlich. "Aber anhand des Tonfalls seiner Stimme habe ich spontan auf Letzteres getippt."

"Ha! Na, das ist doch wohl Beweis genug!", meinte Inu Yasha und war sofort aufgesprungen. "Der Kerl bildet sich wohl ein, er könnte uns Angst machen, aber da hat er sich gewaltig geschnitten! Dem werd ich erstmal ordentlich die Meinung geigen, wenn er wieder zurückkommt!"

Schon wollte der Hanyou zur Tür hinausmarschieren, um Subaru nach dessen Rückkehr "gebührend" zu empfangen, doch hielt Kagome ihn hastig zurück.

"Warte, Inu Yasha! Tu das nicht! Das ist doch vollkommen unnötig!"

Und tatsächlich blieb Inu Yasha noch einmal stehen. Als er und auch die anderen das Mädchen nun aber teils neugierig und teil irritiert beäugten, sprach Kagome schließlich weiter, um zu erklären: "Ich meine, ich glaube nicht, dass Subaru-san so schlecht ist, wie ihr vielleicht denkt. Im Gegenteil, ich habe vielmehr den Eindruck, dass ihm schlicht und einfach irgendetwas fehlt oder dass ihn etwas bedrückt und um das zu verbergen, gibt er sich so unnahbar."

Nach dieser Ansprache schaute jedoch nicht nur Inu Yasha ziemlich perplex drein. Auch die anderen wurden im ersten Moment nicht so ganz schlau aus dem, was Kagome eben gesagt hatte.

"Was meinst du damit, Kagome?", fragte Shippou das Mädchen schließlich neugierig.

Kagome hatte das Haare schneiden bei Kimie inzwischen kurz unterbrochen und antwortete: "Ich meine, er hat Rin-chan und mir schließlich geholfen und außerdem... habe ich gestern einen Augenblick lang mit ihm reden können."

Jetzt erzählte sie den anderen, was sich zwischen ihr und Subaru am Tag zuvor abgespielt hatte. Sie erzählte ihnen, wie er ihr eine kurze Unterweisung im Bogenschießen erteilt hatte und wie sie sich danach ein wenig mit ihm unterhalten hatte.

"Nur war er am Ende leider wieder etwas abweisend", endete Kagome schließlich und mit leicht gesenktem Blick. Allerdings hatte sie den Teil der Unterhaltung zwischen ihr und Subaru ausgelassen, wo es auch um dessen Ansichten hinsichtlich der Beziehungen zwischen Menschen und Dämonen ging und, dass das Gespräch auch kurz über Inu Yasha gehandelt hatte. Und genau dieser zog nun äußerst skeptisch eine Augenbraue hoch.

"Sag mal, warum erzählst du uns das eigentlich erst jetzt, Kagome?", fragte der Hanyou das Mädchen, welches ihn daraufhin doch etwas fragend ansah.

"Worauf willst du hinaus, Inu Yasha?", fragte Kagome zurück. "Ich habe es euch doch jetzt erzählt."

"Ja, aber warum erst jetzt? Das hättest du uns doch auch früher erzählen können, oder etwa nicht?", konterte Inu Yasha, nunmehr mit etwas energischerem Unterton. Auch sein Blick war durchdringender geworden, während er Kagome so ansah. Diese überkam sogleich das ungute Gefühl, Inu Yasha würde es auf einen neuen Streit anlegen.

"Sag mal, was willst du eigentlich?", fragte sie ihn daher leicht tadelnd. "Willst du damit etwa andeuten, ich hätte dir und den anderen bewusst etwas verschweigen wollen?"

Sofort wich Inu Yashas durchdringender Blick einem etwas verunsicherten und er versuchte, sich zu rechtfertigen: "Hä? Aber das habe ich doch gar nicht gesagt!"

"Du scheinst es aber gedacht zu haben, wenn ich mir dein Gerede so noch mal durch den Kopf gehen lasse", erwiderte Kagome, deren Gesichtsausdruck momentan gut vergleichbar gewesen war mit dem einer Mutter, die ihr Kind gerade beim Unsinn machen erwischt hatte. Inu Yasha schien momentan aber keine passende Antwort darauf parat gehabt zu haben, also wandte er nur eingeschnappt den Blick ab.

"Pah! Denk doch was du willst!", meinte er patzig und damit schien das Thema für ihn auch wieder erledigt gewesen zu sein, hätte Miroku danach nicht das Wort an ihn gerichtet.

"Inu Yasha, wenn du eifersüchtig bist, dann kannst du doch auch dazu stehen", meinte der Mönch mit einem etwas amüsiert wirkenden Lächeln und tätschelte dem Hanyou ein paar Mal die Schulter. "Es zeigt doch nur, dass du für Kagome-sama ziemlich viel übrig hast. Obwohl wir alle uns das ja eigentlich schon immer irgendwie gedacht haben."

Sofort hatte sich Inu Yasha zu Miroku umgedreht.

"Wer ist denn hier eifersüchtig?! Ich bin es garantiert nicht! Also hör auf, so einen Stuss zu labern, Miroku!", versuchte sich der Hanyou noch rauszureden, aber sein leicht gerötetes Gesicht sprach eine ganz andere Sprache. Miroku hatte mit seinen Worten wohl doch voll ins Schwarze getroffen. Kagome hingegen seufzte nur leise auf.

>Immer wieder die selbe Leier...<, dachte sie müde, während sie inzwischen längst wieder dabei gewesen war, Kimie weiter die Haare zu schneiden. Damit war sie in der Zwischenzeit schon recht weit gekommen und schließlich folgte nur noch der letzte Schnitt. Kagome sah sich das Ergebnis noch einmal genau an, dann verkündete sie lächelnd: "So, Kimie! Jetzt sind deine Haare wieder gerade."

"Danke, Kagome!", entgegnete Kimie und nahm ihrer Cousine den kleinen Handspiegel ab, den sie ihr nun hinhielt. Mit dem Ergebnis war Kimie durchaus zufrieden gewesen. Ihre Haare waren nun etwa schulterlang gewesen und jetzt musste sie auch nicht mehr mit der von Inu Yasha verpassten schiefen Frisur durch die Gegend laufen.

"Siehst du? Ist doch alles gut gegangen", meinte der Hanyou nun an Kagomes Cousine gerichtet. "Und dabei hast du vorhin noch so ein Theater veranstaltet."

Kimie gab Kagome daraufhin den Spiegel zurück und entgegnete auf die Inu Yashas Aussage trocken: "Wohl bemerkt ging es mir dabei aber nicht um meine Frisur. Deine Schwertführung hat mir lediglich etwas Angst eingejagt..."

"Jetzt fang du nicht auch noch damit an, an meinem Umgang mit Tessaiga rumzumeckern!", erwiderte Inu Yasha betont. "Es reicht ja schon, wenn ich mir von Sesshoumaru solche Sprüche anhören muss. Pass du mal lieber auf, dass du bei deinem Umgang mit ihm eventuell nicht irgendwann auch noch so wirst wie er!"

"Inu Yasha..." Kagome warf dem Hanyou einen ziemlich müden Blick zu. Aber ihn zurechtzuweisen, dazu kam sie nicht mehr, denn plötzlich wurde völlig unvorhergesehen die Schiebetür des Zimmers von außen aufgerissen und ein ziemlich wutschnaubender Jaken stand im Türrahmen. Sofort deutete er mit seinem Kopfstab auf Kimie, nachdem er sie entdeckt hatte, und wetterte drauf los: "Ach! Hier steckst du also! Du hast ja wirklich Nerven, hier so seelenruhig herumzusitzen! Du hast es wohl nicht als nötig empfunden, mir zu sagen, dass der Kampf inzwischen längst vorbei ist, was?!"

Kimie musste sich sehr beherrschen, bei Jakens aufgebrachten Anblick nicht in schallendes Gelächter auszubrechen, dennoch konnte sie sich ein leichtes Kichern nicht verkneifen, als sie ein wenig verlegen antwortete: "Ups! Sorry, Jaken. Das muss mir in der ganzen Aufregung wohl irgendwie entfallen sein."

"Argh! Ich fass es einfach nicht!", meckerte der Krötendämon weiter. "Und so was will die Gefährtin meines ehrenwerten Herrn sein?! Da muss doch ganz klar und deutlich ein Irrtum vorliegen! Das widerspricht doch jeglicher Logik!"

"Und du widersprichst eindeutig meinem ästhetischen Empfinden, du Gnom!", konterte Kimie ein wenig patzig. "Hast du es denn wenigstens hinbekommen, auf Rin aufzupassen?"

Zwar war sich Kimie sicher gewesen, dass Rin nichts zugestoßen war, andernfalls hätten sie und die anderen das wohl längst mitbekommen und diese Vermutung wurde sogleich bestätigt, als eben jenes kleine Mädchen fröhlich ins Zimmer gelaufen kam und dabei gleich noch Jaken über den Haufen gerannt hatte. Inuki war ihr dicht auf den Fersen gewesen und begrüßte ebenso wie sie erstmal die anderen.

"Hallo! Ist bei euch alles in Ordnung? Habt ihr den Kampf gewonnen?", fragte Rin sofort drauf los und war mehr als froh, als sie von den anderen hörte, dass alles soweit gut gegangen war. Allerdings verwunderte sie Kimies neue Frisur im ersten Moment etwas.

"Kimie-san, warum hast du dir denn die Haare abgeschnitten?", fragte Rin daher ein wenig ratlos. Sofort hatte Inu Yasha den Blick abgewandt und schaute möglichst unschuldig irgendwie in die Luft, womit er sich aber nur unfreiwillig verdächtig machte. Aber Rin schien dies nicht mitzubekommen, sondern schaute nur Kimie fragend an. Diese antwortete schließlich mit einem Lächeln: "Ach, ich wollte nur mal was neues ausprobieren. Außerdem wachsen sie ja wieder nach, von daher ist das keine große Sache."

Dies entsprach zwar nicht so recht der Wahrheit, aber warum sollte sie Rin auch die wirklichen Umstände, unter denen ihre neue Frisur entstanden war, haarklein erzählen? Das hätte das kleine Mädchen sicherlich nur verunsichert und das musste schließlich nicht sein. Und Kimies Erklärung schien Rin auch vollkommen ausgereicht zu haben. Und allein die Tatsache, dass alle den Kampf gut überstanden hatten, schien dem kleinen Mädchen gänzlich zu genügen, um ihre fröhliche Stimmung zu erhalten.
 

Inzwischen war Ashitaka zusammen mit Tôya und Miyuki gleich nach Beendigung von Sesshoumarus Unterhaltung mit Seshiru auf den Schlosshof hinausgegangen. Ashitaka hatte von Sesshoumaru zuvor schließlich noch eine Aufgabe zugeteilt bekommen.

"Kriegst du denn so einen Bannkreis hin, wie Sesshoumaru-sama ihn von dir verlangt hat, Ashitaka?", fragte Miyuki neugierig, während Ashitaka noch ein wenig seine Arme lockerte und sich auf seinen Einsatz vorbereitete.

Auf die Frage des Dämonenmädchens hin nickte er. "Ja, sicher. Ich denke, dieser müsste seinen Dienst tun."

Und mit diesen Worten schloss Ashitaka nun seine Augen und hielt beide Hände zunächst auf Brusthöhe vor seinem Körper nebeneinander. Besonders Miyuki beobachtete ihn ganz genau, als sie nun sah, wie sich allmählich Energie in Ashitakas Händen zu sammeln begann, bis er schließlich so was wie eine kleine, leuchtende Kugel in ihnen zu halten schien. Anschließend streckte er beide Hände nach oben und die Kugel verließ seine Hände. Einen Moment lang schwebte sie nur ein wenig in der Luft, doch dann dehnte sie sich zügig aus und begann damit, das Schloss und das Gelände komplett und wie unter einer Kuppel in sich einzuhüllen. Das Licht blieb noch einen Moment, dann verblasste es jedoch und verschwand schließlich gänzlich. Ashitaka ließ seine Arme nun wieder sinken und öffnete seine Augen wieder.

"So! Das müsste erstmal reichen", meinte er, während er sich das Ergebnis seines Tuns noch mal ansah. Der Bannkreis war auf den ersten Blick gar nicht wirklich zu erkennen gewesen, doch ein geübtes Auge konnte schon sehen, dass nun eine schützende Barriere das Schloss umgab.

"Für Außenstehende sieht es jetzt so aus, als würden hier ebenfalls nur einige Bäume herumstehen. Das dürfte uns eine Weile entsprechenden Schutz bieten, bis auch die anderen wieder hierher zurückgekommen sind. Und falls die Tarnung doch durchschaut werden sollte, müssen wir uns trotzdem nicht allzu große Sorgen machen. Der Bannkreis ist stabil. Er hält einiges aus."

"Aber wird es auf die Dauer nicht anstrengend für dich, ihn aufrecht zu erhalten?", fragte Miyuki Ashitaka jedoch ein wenig verunsichert, doch dieser winkte gelassen ab.

"Mach dir darum mal keine Sorgen, Miyuki-chan", meinte er. "So ein totaler Anfänger bin ich schließlich auch nicht mehr. Der Bannkreis verschwindet erst dann wieder, wenn ich es will oder aber, wenn man mir das Licht auspustet."

Zwar hatte Ashitaka insbesondere den letzten Teil seiner Aussage ziemlich scherzhaft gesagt, doch genau diese Erwähnung schien Miyuki überhaupt nicht gefallen zu haben.

"Sprich gefälligst nicht so! Das bringt nur Unglück!", meinte sie erbost. Überhaupt konnte Miyuki es absolut nicht leiden, wenn jemand solche Sprüche fallen ließ und besonders nach dem gerade überstandenen Kampf wollte sie so was nun wirklich nicht zu hören kriegen.

"Warum hast du denn nicht schon von vornherein einen solchen Bannkreis errichtet?", fragte das Dämonenmädchen kurz darauf weiter, wobei ihre Stimme nun wieder einen etwas bedrückten Unterton angenommen hatte. "Dann wäre uns dieser Kampf vielleicht erspart geblieben..."

Ashitaka und Tôya tauschten untereinander kurz ihre Blicke aus. Diese Frage war im Nachhinein betrachtet eigentlich durchaus berechtigt gewesen. Schließlich wandte sich Tôya an seine kleine Schwester: "Keiner von uns konnte doch ahnen, dass es gerade solche Dämonen sind, die uns angreifen würden. Überhaupt gehören Angriffe aus der Luft wohl zu den tückischsten. Aber immerhin ist niemand wirklich ernsthaft zu Schaden gekommen und jetzt sind wir auch besser vorbereitet."

Miyuki hörte ihrem Bruder die ganze Zeit über stumm zu und nickte letztendlich einmal.

"Aber ich hoffe, Kakeru-sama geht's bald wieder gut", sagte sie leise, den Blick dabei leicht gesenkt.

Ashitaka und Tôya wechselten kurz untereinander ihren Blickkontakt, dann kam Ashitaka auf Miyuki zu und legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter. Mit einem aufmunternden Lächeln sagte er: "Mach dir um ihn mal keine Sorgen, Miyuki-chan. Er kommt schon wieder auf die Beine."

Das Dämonenmädchen schaute Ashitaka zunächst nur stumm an, lächelte dann aber ebenfalls leicht.

"Ja, da hast du wohl Recht", erwiderte sie, während Tôya die beiden mit einem leichten Lächeln beobachtete.
 

"Du solltest besser auf dich aufpassen, Kakeru", ermahnte Sakura den Youkai, der zusammen mit ihr auf dem Boden seines Zimmers saß und mit dem Rücken an der Wand lehnte.

Kakeru war noch immer etwas erschöpft gewesen, aber so langsam ging es ihm wieder besser. Allerdings beschäftigte es ihn durchaus, dass er bereits nach einem derart kleinen Einsatz schon so dermaßen entkräftet war, zumal er aus dämonischer Sicht eigentlich noch lange nicht als alt galt. Wie mit einem Funken Selbstironie in der Stimme begann Kakeru nach einem Moment zu sprechen: "Hmm... Es scheint, als würde ich so langsam auch noch meine magischen Kräfte verlieren. Nicht genug, dass ich kein Schwert mehr führen kann, jetzt ist es mittlerweile schon so weit gekommen. So langsam scheine ich in jeder Hinsicht ausgedient zu haben."

"Sag so was nicht!", warf Sakura sofort tadelnd ein. "Das klingt ja fast schon so, als hieltest du dich selbst für nutzlos, aber das bist du bestimmt nicht! Und Kampfkraft ist schließlich nicht alles, was zählt. Allerdings scheint euch Männern dies oftmals nicht ganz klar zu sein."

Nachdem er sich diese Ansprache angehört hatte, musste Kakeru nun doch unwillkürlich lächeln. Die Art, wie Sakura gerade mit ihm gesprochen hatte, hatte irgendwie etwas von Ashitakas direkter Art gehabt. Aber wen wunderte das? Schließlich war Sakura auch Ashitakas Mutter gewesen. Kakeru erkannte nunmehr ein weiteres Mal, wie ähnlich Ashitaka sowohl seiner Mutter als auch seinem Vater war. Von seiner Mutter hatte er seinen direkten und dabei doch freundlichen Charakter und von seinem Vater hatte er seinen Mut und seine Geschicklichkeit im Kampf.

"Tut mir Leid, Sakura-dono. Ihr habt ja Recht", entgegnete Kakeru schließlich, als er kurz darauf spürte, wie jemand ganz in der Nähe eine große Menge Energie bündelte, die sich anschließend über das ganze Schloss legte.

"Ein Bannkreis", erkannte Kakeru sogleich und wusste auch sofort, wer diesen gespannt hatte. "Euer Sohn hat viel gelernt, Sakura-dono."

"Das hat er insbesondere dir zu verdanken", entgegnete Sakura, doch hatte ihre Stimme einen merkwürdigen Unterton an sich gehabt. Sie wirkte besorgt und nachdenklich, was Kakeru nicht entging.

"Macht Euch keine Sorgen um ihn", sagte er schließlich. "Ashitaka-dono ist stark und ein guter Kämpfer. Und er ist verantwortungsbewusst. Er wird nichts Unvorsichtiges tun."

Sakura nickte einmal. "Ich weiß. Es ist nur so, dass ich mir trotzdem Sorgen um ihn mache."

"Das ist verständlich."

Kakeru verstand Sakura nur zu gut. Schließlich hatte sie bereits ihren Gemahl in einem Kampf verloren. Nun eventuell auch noch den einzigen Sohn zu verlieren, wäre sicherlich kaum, wenn nicht sogar unerträglich für sie gewesen. Und die Gefahr war noch lange nicht gebannt gewesen.

"Diese Dämonen...", sprach Kakeru nach einem Moment nachdenklich weiter. "Ich hoffe, ich irre mich, aber eigentlich bin ich mir doch ziemlich sicher."

Sofort hatte Sakura aufgehorcht. Sie ahnte, was Kakeru eben gemeint hatte, traute sich zunächst aber nicht, ihn genauer danach zu fragen. Aber schließlich rang sie sich doch dazu durch: "Du meinst also, dass...?"

Und wenngleich sie ihre Frage nicht zu ende stellte, wusste Kakeru genau, was sie ihn hatte fragen wollen. Er nickte und antwortete: "Ja. Sie sind wieder hier."

Insgeheim hoffte Kakeru noch immer, dass er sich irrte, doch diese Möglichkeit war eher unwahrscheinlich gewesen. Von daher wäre es wohl das beste gewesen, wenn er Sesshoumaru so bald wie möglich von seinem Verdacht erzählen würde. Aber etwas war eigenartig. Kakeru hatte so ein merkwürdiges Gefühl. Ihm war, als spürte er die Anwesenheit einer fremden, merkwürdigen Aura. Einerseits hatte sie etwas leichtes, fließendes an sich, zugleich aber auch etwas eigenartig bedrückendes und kaltes. Es war, als ob würde einem die Luft zum Atmen genommen werde. Als würde man allmählich erfrieren, gefangen in eiskaltem Wasser.
 

Während es im Schloss momentan größtenteils ruhig zuging, war es in einem der zahlreichen Zimmer hingegen alles andere als ruhig.

"Ich pack 's nicht! Na, wenn das mal keine irren Neuigkeiten sind! Sesshoumaru hat was mit einem Menschenmädchen!"

Karan konnte es immer noch nicht fassen und schien sich wirklich köstlich über diese Neuigkeiten zu amüsieren. Zusammen mit ihren Geschwistern saß sie in einem Raum zusammen und ließ sich inzwischen mindestens zum zehnten Mal über dieses Thema aus. So langsam erntete sie von den anderen auch nur noch stumme, trockene Blicke.

"Hey! Was ist denn mit euch dreien los? Ihr seht ja alle so entgeistert aus", fand Karan, nachdem sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte. "Jetzt guckt doch nicht so! Findet ihr das denn nicht auch amüsant? Also, ich für meinen Teil könnte mich im Nachhinein kringeln vor Lachen! Ich meine, wie kommt gerade der sonst so kühle und unnahbare Sesshoumaru denn dazu, ausgerechnet eine Sterbliche an seiner Seite haben zu wollen?"

"Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest: Du kringelst dich bereits die ganze Zeit vor Lachen, Karan...", warf Shunran kleinlaut ein und Shuuran ergänzte noch: "Ja, und auf die Dauer wird das langsam etwas langweilig."

"Hm?" Karan verstand die Einstellung ihrer Geschwister nicht so ganz und schon gar nicht, warum diese das alles scheinbar so eng sahen. Besonders verblüfft war sie jedoch von der nun folgenden Reaktion von Touran, denn diese verließ plötzlich völlig unvorhergesehen und kommentarlos das Zimmer. Und ihr Blick hatte auch nicht unbedingt etwas wohlwollendes an sich gehabt.

"Äh... Nee-san? ... Wie ist die denn drauf?"

Jetzt verstand Karan erst recht nicht, was eigentlich los war, bis Shunran einwarf: "Meine Rede! Ich habe es euch ja gesagt! Und ich kann es gerne noch mal wiederholen: Nee-san hat schon seit einiger Zeit Gefallen an Sesshoumaru gefunden. Kein Wunder, dass sie jetzt ein wenig schlecht gelaunt ist, wenn man es so nennen kann."

Und wenngleich ihr diese Vorstellung nach wie vor alles andere als zusagte, musste sich sogar selbst Karan jetzt wohl oder übel eingestehen, dass ihre Schwester mit ihrer Vermutung anscheinend Recht gehabt hatte. Ein Seufzen entwich der rothaarigen Dämonin: "Oje... Na, das kann ja noch was werden. Nicht genug, dass wir hier bei diesen Hunden festsitzen und von diesen fliegenden Dämonen heimgesucht werden, jetzt fängt Nee-san vermutlich auch noch wegen Sesshoumaru einen Privatkrieg mit der Cousine von dieser Kagome an. Wir hätten damals vielleicht doch besser in den Osten gehen sollen..."
 

So langsam neigte sich der Tag seinem Ende entgegen. Es herrschte eine angenehme abendliche Temperatur und die nunmehr wieder friedliche Atmosphäre ließ nichts von dem vorhergegangenen Kampf erkennen. Mittlerweile waren auch die Aufräumarbeiten zum größten Teil beendet worden, lediglich das Nebengebäude, dass bei dem Absturz einer der fliegenden Dämonen in Mitleidenschaft gezogen worden war, zeugte noch von dem, was sich kurz zuvor ereignet hatte. Genau vor diesem Gebäude stand Kagome schon seit ein paar Minuten. Sie wollte sich ein wenig die Beine vertreten und war eher durch Zufall auch hier vorbeigekommen. Prüfend schweifte ihr Blick an den Trümmern rauf und runter. Für heute würde sich wohl keiner mehr um dieses Gebäude kümmern, dies war auf den nächsten Tag verschoben worden. Von Kimie hatte Kagome vorhin erfahren, dass sie es gewesen war, die den Dämon, der hier reinstürzte, vom Himmel geholt hatte. Inständig hatte Kimie ihre Cousine danach darum gebeten, doch bitte Stillschweigen zu bewahren.

Sich daran erinnernd kam nun ein amüsiertes Lächeln auf Kagomes Gesicht, ehe sie schließlich wieder weiterging. Dabei kam sie nach einer Weile auch genau an jener kleinen Mauer vorbei, hinter welcher sie schon mal Subaru seine Schießübungen mit Pfeil und Bogen hatte machen sehen. Mehr aus einem inneren Gefühl heraus entschied sich Kagome dazu, mal nachzusehen, ob der Youkai inzwischen zum Schloss zurückgekehrt und eventuell wieder dort war. Diesmal ging das Mädchen jedoch gleich auf die kleine Tür an der Mauer zu und versuchte sich nicht wieder darin, ihre Kletterkünste zu verbessern. Die Tür war offen gewesen, wie Kagome es recht schnell mitbekam, von daher hatte sie auch keinerlei Probleme, durch sie hindurchzugehen. Und als ob sie es geahnt hätte, fand sie Subaru hier tatsächlich wieder vor. Doch diesmal übte er nicht etwa, sondern saß nur mit dem Rücken zu ihr gewandt auf einem Felsen. Vorsichtig trat Kagome näher.

"Ähm, Entschuldigung! Störe ich?", fragte sie schließlich. Zwar antwortete Subaru nicht auf die Frage und drehte sich auch nicht zu dem Mädchen um, doch dass er sie bemerkt hatte, wurde in einem kurzen, flüchtigen Seitenblick deutlich. Kagome war sich unsicher, was genau sie jetzt machen sollte. Ihr kam der Gedanke in den Sinn, Subaru vielleicht besser wieder allein zu lassen. Er wirkte nämlich nicht so, als hätte er momentan viel für eine Unterhaltung übrig. Aber irgendwie schien Kagome nicht einfach so wieder gehen zu wollen. Also atmete sie einmal tief durch und wagte dann einen erneuten Anlauf.

"Sagt mal, darf ich Euch 'Subaru-san' nennen?", fragte sie den Youkai mit freundlicher Stimme weiter, doch diesmal kam nicht mal ansatzweise eine Reaktion zurück. Hätte es sich bei ihrem Gesprächspartner um Inu Yasha gehalten, hätte Kagome ihm jetzt wohl ordentlich die Meinung gegeigt, doch für so was war Subaru sicherlich der Falsche gewesen. Zudem schien Kagome zu ahnen, warum sich der Youkai im Moment noch abweisender zeigte als beispielsweise ganz zu Anfang, als sie und die anderen in kennen gelernt hatten.

Zwar zögerte das Mädchen zunächst ein wenig, aber schließlich wagte sie es erneut, den Youkai vorsichtig anzusprechen und zwar genau auf das Thema, was sie schon ein paar Stunden beschäftigt hatte: "Euer Bruder... Ich habe gehört, er wäre seit 200 Jahren nicht mehr hier gewesen. Habt Ihr ihn seither auch nicht mehr gesehen?"

Doch wieder wartete Kagome vergeblich auf eine Reaktion. Subaru saß nach wie vor mit dem Rücken zu ihr auf dem Felsen. Das Mädchen senkte ein wenig den Blick.

"Ihr... habt kein so gutes Verhältnis zu ihm, was?", fragte Kagome weiter, doch diesmal reagierte Subaru auf das, was sie gesagt hatte. Aber wie er reagierte, damit hatte sie nicht wirklich gerechnet.

"Sag mal, was willst du eigentlich?!", fragte Subaru äußerst schroff, nachdem er sich zu dem Mädchen umgedreht hatte. "Geht dich das ganze überhaupt irgendetwas an? Nein! Das tut es nicht! Also nerv mich gefälligst nicht länger mit diesen unsinnigen Fragen und erwähne insbesondere nicht meinen Bruder! Ich halte mich aus dem raus, was er tut und er tut das Gleiche bei mir! Und damit ist das Thema erledigt! Überhaupt finde ich es absolut unverschämt, dass du dich traust, mich so einfach nach ihm auszufragen! Jetzt lass mich endlich in Frieden und hau wieder ab!"

Und damit drehte er ihr wieder den Rücken zu.

Sichtlich erschrocken war Kagome nach dieser Ansprache mehrere Schritte zurückgewichen. Auf eine derart schroffe Art und Weise hatte sie zuvor wohl noch niemand angefahren. Inu Yashas Verhalten war in der Vergangenheit zwar auch nicht immer das freundlichste gewesen, aber doch wieder ganz anders als Subarus. Mit ihren Fragen hatte Kagome bei dem Youkai ganz ohne Zweifel einen ziemlich wunden Punkt getroffen und im Nachhinein bereute sie es, dass sie ihn auf Seshiru angesprochen hatte.

"Entschuldigung. Ich wollte Euch nicht auf die Nerven fallen oder Euch kränken", erklärte Kagome leise, wandte sich wieder zum Gehen um und ging langsam wieder auf die kleine Tür in der Mauer zu. Dort angekommen, blieb sie zwar noch einen Moment lang stehen und schaute noch einmal zu Subaru zurück, doch dieser hatte nach wie vor den Rücken zu ihr gewandt.

Mit einem betrübten Blick trat Kagome schließlich aus der Tür hinaus und schloss diese hinter sich wieder.
 

Nach und nach waren in der Zwischenzeit bereits einige Inu-Youkai wieder zum Schloss zurückgekehrt. Besonders kritisch wurde dies von Inu Yasha beäugt, der schon seit einigen Stunden nicht mehr aus seinem Zimmer gekommen war. Er spähte nur hin und wieder durch die Schiebetür, die auf die Veranda führte, nach draußen auf den Hof und beobachtete das Geschehen.

"So was Blödes!", fluchte Inu Yasha in sich hinein. "Ich hätte mich doch nicht dazu breitschlagen lassen sollen, hierher zu kommen."

Keinesfalls hatte der Hanyou vielleicht Angst vor den anderen Inu-Youkai, aber praktisch so umringt zu sein von vollwertigen Youkai, gefiel ihm nicht wirklich. Zumal er auch gar nicht wusste, wie die hier alle so tickten. Sich an eine Aussage von Ashitaka zurückerinnernd, gab es hier sowohl ein wenig engstirnige Youkai, als auch solche, die eine relativ lockere Ansicht hatten. Die Frage war eben nur gewesen, inwiefern das stimmte. Es stellte sich schließlich die Frage, ob es nach außen hin bisher immer nur so schien, als wären einige Youkai hier wirklich tolerant, oder ob das in der Praxis wiederum ganz anders aussah. Und dass sein Vater hier ursprünglich das Sagen gehabt hatte, brachte Inu Yasha vielleicht nicht unbedingt automatisch einen Vorteil gegenüber den anderen. Der Hanyou machte für sich daher schon von vornherein klar, dass er besser keinem, den er nicht schon kannte, sein Vertrauen schenken sollte. Noch immer schaute er durch den Türspalt nach draußen und war scheinbar so sehr in diese Sache vertieft gewesen, dass er gar nicht mitbekam, wie sich jemand über die Veranda allmählich seinem Zimmer näherte und schließlich auch von diesem angesprochen wurde: "Hey, Inu Yasha! Was ist los mit dir? Du siehst aus wie ein Tier, das auf der Lauer liegt."

Inu Yashas Ohren hatten sofort gezuckt. Der Hanyou hatte die Stimme erkannt, es war die von Ashitaka gewesen. Als er ihn entdeckte, öffnete Inu Yasha die Schiebetür etwas weiter, um besser mit dem Youkai reden zu können. Dabei behielt er aber weiterhin den Hof im Auge.

"Eine Frage, Ashitaka: Wie viele von euch sind bereits zurückgekommen?", fragte der Hanyou nach einem Moment prüfend.

"So einige", antwortete Ashitaka. "Aber alle sind es noch nicht. Das kann wohl auch noch etwas dauern, schließlich könnten sie sich so ziemlich überall aufhalten."

Mit skeptisch hochgezogener Augenbraue fragte Inu Yasha daraufhin weiter: "Aber wissen die, die bereits hier sind, denn auch, dass ihr nicht allein seid?"

Diese Frage wurde von Ashitaka eindeutig bejaht: "Dass du und die anderen hier sind, wissen sie bereits, ja. Besser, man erzählt es ihnen gleich, damit es später nicht eventuell zu irgendwelchen Missverständnissen kommt."

Daraufhin nahm Inu Yashas Gesicht einen etwas eigenartigen Ausdruck an. Es wirkte ein wenig so, als fühlte er sich nunmehr von allen Seiten beobachtet, sogar regelrecht bespitzelt. Ashitaka entging nicht, dass den Hanyou etwas beschäftigte und er konnte sich auch sehr gut vorstellen, was das gewesen war.

"Jetzt schau nicht so! Sie werden dich schon nicht beißen", meinte der Youkai schließlich, hockte sich zu Inu Yasha auf den Boden und gab ihm einen kräftigen Klaps auf die Schulter. Kurzzeitig schwankte Inu Yasha ein wenig, zumal er auf diese Aktion auch überhaupt nicht vorbereitet gewesen war.

"Jetzt hör aber mal auf!", entgegnete er betont, nachdem er sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte. "Du tust ja gerade so, als hätte ich Schiss vor denen! Damit eines klar ist: Ich habe KEINE Angst!"

Ashitaka behielt jedoch sein Lächeln bei und entgegnete: "Das habe ich auch nicht behauptet."

Nichts desto trotz schaute Inu Yasha noch immer etwas beleidigt drein, obwohl er eigentlich wusste, dass Ashitaka sich nicht über ihn lustig machen wollte.

"Ihr beiden versteht euch ja scheinbar sehr gut", hörten die beiden plötzlich eine weibliche Stimme sagen und wandten sich entsprechend um. Da entdeckten sie Ashitakas Mutter Sakura auf der Veranda, die gerade auf sie zukam. Ashitaka schien über ihr Auftauchen jedoch ein wenig überrascht zu sein.

"Mutter! Was machst du denn hier?", fragte er Sakura daher leicht verdutzt, woraufhin sie gespielt beleidigt erwiderte: "Was denn? Darf ich mich hier etwa nicht frei bewegen? Schließlich lebe ich ebenfalls hier."

"Ach, Mutter... Du weißt, was ich gemeint habe...", entgegnete Ashitaka trocken und sein momentaner Gesichtsausdruck brachte Sakura unweigerlich leicht zum Lächeln.

"Nun, ich gebe zu, ich habe dich gesucht, Ashitaka", sagte sie schließlich und ihre Stimme hatte nunmehr einen etwas bedrückten Unterton angenommen. Ihr Blick richtete sich kurz auf die anderen Inu-Youkai, die sich noch auf dem Hof befanden.

"Mutter?" Ashitaka, der bis eben noch neben Inu Yasha auf dem Boden gehockt hatte, stand nun wieder auf.

Sakura entwich ein leises, und kaum hörbares Seufzen, als sie sich wieder ihrem Sohn zuwandte: "Weißt du, ich weiß zwar nicht, wie lange es noch dauern wird, aber sicherlich werden solche Kämpfe wie heute auch in naher Zukunft stattfinden. Ich habe mitbekommen, was unter anderem Tôya heute zugestoßen ist. Und ich möchte dich einfach noch mal bitten, vorsichtig zu sein."

Irgendwie hatte Ashitaka geahnt, dass seine Mutter in zur Vorsicht ermahnen wollte. Das verwunderte ihn jedoch nicht.

"Ich habe es dir doch schon mal gesagt, ich passe schon auf mich auf", versuchte er sie zu beruhigen. Sakura senkte daraufhin leicht den Blick.

"Es ist ja auch nicht so, dass ich dir nicht vertrauen würde", entgegnete sie ruhig und legte ihre rechte Hand behutsam an die linke Wange ihres Sohnes. "Ich mache mir lediglich Sorgen. Ein Kampf hat schließlich immer etwas Gefährliches an sich. Dein Vater, Friede seiner Seele, hat dies auch zu spüren bekommen. Und ebenso Inu no Taishou."

Auch, wenn sie es selbst nicht zugab, aber Sakura beschäftigte sowohl der Tod ihres Gemahl als auch der von Inu no Taishou noch immer. Ashitaka ging es in der Hinsicht jedoch auch des Öfteren nicht anders.

"Ich weiß. Keine Angst, ich werde vorsichtig sein", sagte er daher beruhigend und nahm die Hand seiner Mutter sanft in seine. Sakura lächelte leicht und nickte einmal. Beobachtet wurden die beiden die ganze Zeit über von Inu Yasha. Und während er Ashitaka und dessen Mutter so beobachtete, musste der Hanyou unwillkürlich an seine eigene Mutter zurückdenken. In diesem Moment bemerkte er auch dieses merkwürdige Gefühl in seinem Inneren. Ein Gefühl, das er schon öfters gehabt hatte, wenn er an seine Mutter gedacht hatte. Und auch, wenn er es wohl niemals offen zugeben würde, er vermisste sie. Und nur zu gut konnte sich Inu Yasha besonders an jenen Tag zurückerinnern, als er seine Mutter zum ersten Mal hatte weinen sehen, weil sie Angst um seine Zukunft gehabt hatte und wusste, wie schwer sein Leben an vielen Punkten wohl verlaufen würde. Weil er ein Hanyou war...
 

Die Zeit schritt weiter voran und mittlerweile verschwand die Sonne allmählich hinter den Baumkronen. Es war inzwischen etwa eine Stunde vergangen, seit Kagome das Gespräch mit Subaru gesucht hatte, und selbst jetzt noch ließ ihr diese Sache keine Ruhe. Auch auf die Gefahr hin, dass sie bei ihm erneut wieder nur auf Granit beißen würde, wollte sie dennoch noch einmal versuchen, mit ihm zu sprechen. Also hatte sich Kagome erneut auf den Weg gemacht, in der Hoffnung, dass sich der Youkai noch dort befand, wo sie ihn vorhin schon angetroffen hatte und sie hatte tatsächlich Erfolg. Jetzt stand Kagome wieder nur wenige Meter von Subaru entfernt. Er schien sich während der ganzen Zeit kein bisschen von der Stelle bewegt zu haben. Nach wie vor saß er auf dem Felsen, auf dem er auch schon vorhin gesessen hatte.

"Ich hatte gehofft, dass Ihr noch hier seid", fing Kagome schließlich an zu sprechen. "Ich... ich wollte mich nämlich noch mal für vorhin entschuldigen. Ich hätte Euch nicht so über Euren Bruder ausfragen dürfen. Es tut mir ehrlich Leid."

Abwartend beobachtete Kagome, ob und inwiefern Subaru auf das, was sie gesagt hatte, reagieren würde. Doch da kam nichts. Er saß nur schweigend mit dem Rücken zu ihr auf dem Felsen und zuckte nicht einmal mit einem Muskel.

Kagome senkte den Blick. Anscheinend würde sie bei Subaru wirklich nichts erreichen. Dieser Gedanke betrübte sie zugegebenermaßen etwas, aber was sollte sie schon dagegen tun? Wenn er nicht mit ihr reden wollte, konnte sie ihn schließlich schlecht dazu zwingen. Also kehrte Kagome dem Youkai nun wieder unverrichteter Dinge den Rücken zu, um zu gehen. Doch kaum, dass sie drei Schritte getan hatte, hörte sie plötzlich Subarus Stimme in einem ungewohnt ruhigen Ton sagen: "Ich stand mein Leben lang in seinem Schatten."

Abrupt war Kagome wieder stehen geblieben. Zuerst drehte sie nur ihren Kopf wieder zu Subaru zurück, wandte sich ihm dann aber wieder ganz zu, als er weiter sprach, sie dabei jedoch weiterhin nicht ansah: "Unsere Mutter starb als ich noch klein war. Um die Anerkennung meines Vaters habe ich mich jedoch nie geschert. Er und Seshiru... Bei ihnen konnte man ganz deutlich erkennen, dass sie Vater uns Sohn gewesen sind, sowohl vom Aussehen her als auch im Charakter. Ich hingegen war ganz anders als die beiden. Dementsprechend schlecht war meine Beziehung zu ihnen. Von daher habe ich es schon damals vorgezogen lieber allein zu sein. Wenn man schon innerhalb der eigenen Familie das Gemeinschaftsleben meidet, eben weil man es nie wirklich gelernt hat, fällt es einem nicht unbedingt leicht, es außerhalb anders zu machen. Zumindest war dies bei mir der Fall."

Subaru brach kurz ab, aber anschließend drehte er sich doch noch zu Kagome um. Mit einem Blick, der zugleich die übliche abweisende Kühle enthielt, diesmal jedoch auch etwas eigenartig verbittertes an sich hatte, sprach er weiter: "Ich bin schon früher stets hierher gekommen, wenn ich mal allein sein wollte. Hm! Es mag vielleicht albern klingen, aber ich habe auch deshalb mit dem Bogenschießen angefangen, weil ich mich speziell im Kampf von den anderen unterscheiden wollte, insbesondere von meinem Vater und meinem Bruder."

Kagome hatte dem ganzen stumm und aufmerksam zugehört. "Ward Ihr denn wirklich immer allein?", fragte sie nach einem Moment vorsichtig. Subaru nickte einmal und antwortete: "Die meiste Zeit, ja. Weißt du, ich habe nie viel Wert auf die Gesellschaft anderer gelegt. Ich habe sie auch gar nicht benötigt. Und die anderen haben es mir in der Hinsicht auch nicht unbedingt schwer gemacht. Als unser Vater starb, hat Seshiru auf einmal angefangen, sich unserem Oyakata-sama gegenüber hin und wieder äußerst rebellisch zu zeigen, was schließlich darin gipfelte, dass er ihn sogar zum Kampf herausforderte. Noch eine längere Zeit später war diese Sache unter anderem das Gesprächsthema Nummer eins. Und nachdem Seshiru von Inu no Taishou verbannt worden war, galt ich von da an bei vielen nur noch als der Bruder eines Verräters. Und Verräter werden für gewöhnlich geschnitten. Die einzigen, mit denen ich mal ein Wort gewechselt habe, waren Ashitaka-sama oder Tôya. Und auch Inu no Taishou, aber das war natürlich auch nur bis zu seinem Tod so. Und was Sesshoumaru-sama angeht... Er hat ja nie sonderlich viel mit anderen gesprochen. Jedenfalls kann ich mich nicht an etwas in der Art erinnern."

Nachdem Subaru geendet hatte, ruhte Kagomes Blick auch weiterhin auf dem Youkai. Noch einmal ließ sie sich das, was er ihr eben erzählt hatte durch den Kopf gehen und sie begann allmählich, ihn zu verstehen.

>Kein Wunder, dass er anderen gegenüber meist so abweisend ist. Wenn er praktisch immer allein gewesen ist...<

Kagome kam nun ein paar Schritte näher, bis sie fast direkt neben Subaru stand.

"Sagt mir, und hasst Ihr Menschen und Halbdämonen wirklich so sehr?", fragte sie nach einem Moment etwas zögerlich. "Mir kam das bei unserer ersten Begegnung jedenfalls so vor. Oder... habe ich mich getäuscht?"

Als Subaru seinen Blick nun zu dem Mädchen umwandte, hatte der Ausdruck in seinen Augen ein wenig was von Überraschung in sich. Doch kurz darauf antwortete er im ruhigen Ton: "Ich gebe zu, dass ich in der Vergangenheit durchaus etwas für mein schlechtes Image getan habe. Nimm es mir nicht übel, denn eigentlich hatte ich nie was gegen dich oder deine Freunde."

Kaum, dass er das gesagt hatte, schnippte Kagome einmal mit dem Finger.

"Ha! Irgendwie habe ich mir das schon gedacht", sagte sie und ihre nunmehr sehr aufgeschlossene Art und Weise, mit ihm zu reden, machte Subaru zunächst zugegebenermaßen ein wenig ratlos. Kagome jedoch lächelte freundlich und sprach weiter: "Nun ja, ich meine, Ihr habt mir schließlich bereits zweimal sehr geholfen. Das war auch der Grund, weshalb ich nicht daran geglaubt habe, dass Ihr so kalt und voller Abneigung seid, wie es zunächst vielleicht den Anschein gemacht hat. Ich habe irgendwie gespürt, dass Ihr eigentlich ein ganz anderer seid. Dass Ihr eigentlich sehr freundlich seid, meine ich."

Zuerst erwiderte Subaru nichts auf das, was Kagome eben gesagt hatte. Er schaute sie nur stumm an, als wollte er sie fragen: "Meinst du das ernst oder machst du dich über mich lustig?" Doch Kagome machte sich nicht über ihn lustig, dass bemerkte Subaru recht schnell.

"Hm… Ich bin überrascht. So was hat mir bisher keiner gesagt", entgegnete er schließlich auf ihre Aussage hin. Kagome behielt ihr Lächeln bei.

"Ach! Und danke übrigens", fügte sie noch hinzu.

"Wofür?", fragte Subaru neugierig zurück.

"Dafür, dass Ihr mir mehr über Euch erzählt habt", antwortete Kagome. "Das war eigentlich alles gewesen, was ich wollte. Mich einfach mal in Ruhe mit Euch unterhalten und zumindest ein wenig verstehen, was Ihr denkt, Subaru-san. Ach! Ich weiß, das habe ich Euch zwar vorhin schon mal gefragt, aber darf ich Euch so nennen? Ihr hattet mir ja keine Antwort gegeben."

Subaru wirkte noch immer ein wenig überrascht, doch nach einem kurzen Moment lächelte er sogar leicht, während er dem Mädchen schließlich antwortete: "Wenn du möchtest."

Es war irgendwie eigenartig gewesen. Noch nie hatte sich Subaru so mit einem Menschen unterhalten. Eigentlich war er bisher so gut wie keinem Menschen über den Weg gelaufen. Zum einen lag das daran, dass sich nur selten welche von ihnen in diese Teile des Landes verirrten und Subaru selbst hat die westlichen Länder bisher noch nie verlassen. Aber anders, als er es sich vielleicht immer vorgestellt hatte, konnte man mit Menschen durchaus gute Gespräche führen. Zumindest machte Kagome auf ihn nunmehr einen durchaus guten Eindruck, nachdem er sie etwas besser kennen gelernt hatte. Hätte man ihm zuvor erzählt, dass er sich mal so mit einem Menschenmädchen unterhalten würde, hätte Subaru das garantiert nicht geglaubt, aber Kagome hatte etwas an sich, was sie von vielen anderen Menschen unterschied. Ob es hauptsächlich daran lag, dass sie die Wiedergeburt einer Miko gewesen war oder ob es schlicht und einfach ihre Art lag, schien im Nachhinein jedoch egal gewesen zu sein. Und die Sympathie, die Subaru nunmehr für Kagome übrig zu haben schien, beruhte ganz offensichtlich auf Gegenseitigkeit. Denn auch Kagome schien der Youkai nun wirklich sympathisch gewesen zu sein. Sie konnte es sogar kaum erwarten, ihren Freunden von ihrem Gespräch mit Subaru zu erzählen, damit auch sie erkennen würden, dass er eigentlich kein schlechter Kerl war. Als Subaru aber plötzlich seinen Kopf hob und von seinem momentanen Sitzplatz aufstand, wirkte Kagome verunsichert.

"Was ist los? Was habt Ihr?", fragte sie den Youkai, dessen Gesichtsausdruck nunmehr wieder ernst geworden war. Er schien auf irgendetwas hinter Kagome zu schauen, also drehte sich das Mädchen dementsprechend um. Da erkannte sie, was oder besser gesagt wen Subaru entdeckt hatte: nämlich seinen älteren Bruder, der mit dem Rücken an der Mauer lehnte und die beiden scheinbar beobachtete. Wie lange er jedoch eventuell schon dastand, vermochte Kagome nicht zu sagen.

"Wie süß! Mein kleiner Bruder pendelt bei einem Menschenmädchen an. Hast du etwa vor, Inu Taishou-samas und Sesshoumaru-samas Beispiel zu folgen?", fragte Seshiru seinen jüngeren Bruder sogleich, nachdem er mitbekommen hatte, dass er von diesem entdeckt worden war. Doch Subaru antwortete nicht auf die Frage, sondern bedachte den Älteren nur mit einem kühlen Blick. Seshiru zog prüfend eine Augenbraue hoch.

"Was soll denn dieser Blick?", fragte er unschuldig und näherte sich nun Subaru und Kagome, wobei er das Wort jedoch weiterhin an Subaru richtete: "Sollten wir nicht etwas freundlicher miteinander umgehen? Wir sind doch schließlich eine Familie."

Abrupt entwich Subaru ein leises Knurren.

"Tu nicht so, als würdest du plötzlich Wert auf Familiensinn legen, Seshiru!", erwiderte er mit scharfer Stimme, dass es sogar Kagome kurzzeitig etwas kalt den Rücken runter lief. Als sich Seshiru ihr und Subaru schließlich auf gerade mal zwei Meter genähert hatte, trat das Mädchen ein wenig zurück und stellte sich direkt neben Subaru. Dies tat sie wahrscheinlich auch irgendwie automatisch, hatte sie in brenzligen Situationen auch schon des Öfteren die Nähe von Inu Yasha gesucht. Zwar beobachtete Seshiru Kagome einen Moment lang ganz genau, widmete sich aber gleich wieder seinem jüngeren Bruder.

"So jung und schon so verbittert", entgegnete er auf dessen zuvor gemachte Aussage mit gespielten Bedauern. "Das hast du nicht von unserer Mutter, das steht fest. Obwohl du ihr ansonsten in vielerlei Hinsicht ähnelst."

Und kaum, dass er das gesagt hatte, wurde der Ausdruck in seinen Augen ein wenig merkwürdig und hatte schon beinahe etwas hinterhältiges an sich. Es war unheimlich und beunruhigte Kagome zugegebenermaßen schon irgendwie. Dieses Gefühl wurde insbesondere dadurch nicht besser, als Seshiru erneut das Wort an Subaru richtete: "Finde dich besser damit ab, Subaru. Du kannst nicht ewig vor den Tatsachen davonlaufen. Wir beide sind und bleiben Brüder. Gewöhn dich an den Gedanken, auch, wenn dir das nicht passt. Du bist immerhin kein kleines Kind mehr. Es wird allmählich Zeit, dass du diese rebellische Art endlich an den Nagel hängst."

"Das sagt der Richtige", entgegnete Subaru sarkastisch. "Ich bin es schließlich nicht gewesen, der damals von hier verbannt worden war."

Doch darauf erwiderte Seshiru zu Kagomes Überraschung nichts. Stattdessen setzte er nur dieses undefinierbare Lächeln auf, ehe er auch schon völlig überraschend kehrt machte und genauso schnell wieder von der Bildfläche verschwand, wie er zuvor aufgetaucht war. Doch Subarus Blick ruhte noch lange auf der kleinen Tür an der Mauer, durch die sein Bruder schlussendlich gegangen war.

"Subaru-san? Ist... alles in Ordnung?", sprach Kagome den Youkai schließlich vorsichtig an. Dieser schien daraufhin abrupt aus seinen Gedanken gerissen worden zu sein, doch nickte er auf die Frage des Mädchens hin und antwortete ruhig: "Sicher. Es ist nicht das erste Mal gewesen, dass er mit so einer Ansprach angekommen ist. Ignorier ihn am besten einfach."

Kagome nickte leicht. Scheinbar war dies wirklich das beste, was sie und auch ihre Freunde hinsichtlich Seshiru machen konnten. Am besten wäre es wohl auch, sie gingen im gänzlich aus dem Weg.

"Kagome, was machst du denn hier?"

Als Kagome ihren Namen gehört hatte, hatte sie sich sofort umgewandt und entdeckte nun Inu Yasha auf der Mauer hockend und zu ihr und Subaru rüberschauend. Doch kaum, dass der Hanyou den Youkai ebenfalls ins Auge gefasst hatte, nahm sein Gesicht einen merkwürdig skeptischen Ausdruck an, der auch Kagome kurzzeitig traf. Diese jedoch grüßte Inu Yasha fröhlich: "Oh! Hallo, Inu Yasha. Ich habe mich nur ein wenig mit Subaru-san unterhalten."

"So? Schon wieder?", fragte Inu Yasha äußerst prüfend, sprang von der Mauer und kam auf die beiden zu. Subaru schien irgendwie zu ahnen, dass er im Moment wohl irgendwie überflüssig war, zumal Inu Yasha ihm ohnehin nicht sonderlich freundlich gesonnen zu sein schien.

"Nun gut, ich werde mich dann erstmal wieder zurückziehen", sagte Subaru daher an Kagome gerichtet, wandte sich im Weggehen aber noch mal sowohl an sie als auch an Inu Yasha: "Ich wünsche euch beiden noch eine erholsame Nacht."

"Wünsche ich Euch auch. Bis dann!", entgegnete Kagome mit einem freundlichen Lächeln und folgte Subaru noch eine Weile mit ihrem Blick, ehe er aus der Tür an der Mauer getreten und aus ihrer Sicht verschwunden war. Doch kaum war der Youkai weg gewesen, nahm Inu Yasha das Mädchen regelrecht ins Kreuzverhör.

"Wie kannst du dich nur so völlig bedenkenlos mit diesem Kerl unterhalten, Kagome?", fragte er schon beinahe vorwurfsvoll, doch Kagome winkte sofort ab.

"Jetzt stell dich doch nicht so an!", entgegnete sie. "Du tust ja gerade so, als hätte ich mich mit sonst wem unterhalten. Außerdem war Subaru-san sehr freundlich. Ich habe dir und den anderen doch gesagt, dass er kein so übler Kerl ist."

"Ich glaub 's einfach nicht! Kaum, dass er dir mal geholfen hat, setzt du ihm gleich einen Heiligenschein auf den Kopf!?"

Inu Yasha war wirklich fassungslos gewesen, zumal er sich noch sehr gut an Subarus Äußerungen den Freunden gegenüber erinnern konnte. Doch in seinen Augen schien dies für Kagome scheinbar keinerlei Rolle mehr zu spielen und gerade das wollte ihm partout nicht in den Kopf. Allerdings war dies eventuell nicht der Hauptgrund für Inu Yashas entrüstete Haltung gewesen. Zu diesem Verdacht kam auch Kagome recht schnell und fragte den Hanyou daher prüfend: "Was ist denn los mit dir? Hat Miroku-sama etwa doch Recht und du bist tatsächlich ein wenig eifersüchtig?"

Für einen kurzen Moment starrte Inu Yasha zwar etwas perplex drein, stritt aber sogleich energisch ab: "Ich und eifersüchtig?! Tse! Und wovon träumst du nachts?!"

Doch trotz dieser Äußerung glaubte Kagome, nun einen leichten roten Schleier auf dem Gesicht des Hanyou zu erkennen. Vergnügt lächelte sie, ehe sie wieder das Wort ergriff: "Apropos Nacht! Es wird so langsam dunkel. Gehen wir in unsere Zimmer, okay?"

Und damit schritt das Mädchen schon an Inu Yasha vorbei, aber so einfach wollte er sich von ihr nicht abservieren lassen. Also folgte er ihr sofort und löcherte sie weiter mit seinen Fragen: "Hey! Einfach so abhauen gilt nicht, Kagome! Ich will jetzt wissen, was da zwischen euch abgelaufen ist! Was war zwischen dir und diesem Kerl?"

"Was soll denn bitte gewesen sein? Wir haben uns nur unterhalten. Das habe ich dir doch eben schon gesagt", antwortete Kagome wahrheitsgetreu, doch um Inu Yasha zu überzeugen reichte es wohl noch nicht. Er wollte wohl alles ganz genau wissen und ließ es daher nicht nehmen weiterzufragen: "Und worüber habt ihr geredet? Sag schon! Jetzt lass dir doch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen! Spuck 's endlich aus!"

So langsam wurde es auch Kagome ein wenig zu bunt. Inu Yasha war mal wieder dabei gewesen, maßlos zu übertreiben. Und um diesem Gezeter endlich einen Riegel vorzuschieben, tat sie einfach das, was sie in solchen Situationen meistens tat. Also blieb sie kurz stehen, drehte sich zu Inu Yasha um und sagte völlig ungeniert: "Osuwari!"

Und damit war das lästige Verhör erstmal beendet gewesen.
 

"Das war ja mal wieder ein Tag... Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes hundemüde", meinte Ashitaka und streckte einmal seine Arme in die Höhe. Zusammen mit Tôya befand er sich in Tôyas Zimmer und die beiden pflegten wie so oft vor der Nachtruhe noch ein kleines Plauderstündchen zu halten.

"Dann warte erstmal ab", entgegnete Tôya ein wenig amüsiert über den müden Anblick, den Ashitaka ihm gerade bot. "Denn mit Sicherheit wird es in Zukunft noch des Öfteren so ablaufen wie heute."

"Ja, mag schon sein, aber dann hoffentlich mit weniger Blessuren", erwiderte Ashitaka, wobei er das Thema indirekt auch auf Tôyas Verletzung gelenkt hatte. Prüfend steckte Tôya daraufhin seine rechte Hand unter seinen Kimono und befühlte vorsichtig den Verband an seiner linken Schulter.

"Ich schätze, in gut zwei Tagen müsste die Wunde zu einem großen Teil wieder verheilt sein", meinte Ashitaka optimistisch. "Gut, dass so was bei uns Dämonen grundsätzlich nicht lange dauert. Ich glaube, die längste Zeit, die du mal wirklich außer Gefecht gesetzt warst, lag bei drei Tagen, oder?"

Tôya nickte. "Stimmt. Das lag aber auch nur daran, dass ich damals nicht richtig aufgepasst habe."

In Bezug auf dessen wirkte Ashitaka plötzlich etwas nachdenklich, während Tôya sich nun seiner beiden Kimono-Oberteile entledigte und Ashitakas Blick dabei automatisch auf den Rücken seines Kameraden gelenkt wurde. Die Bisswunde an der Schulter wurde zwar durch den Verband abgedeckt, doch einige kleinere Wunden, die schon ein wenig verheilt waren, lagen frei. Es waren die Verletzungen, die die Krallen der feindlichen Dämonen verursachte hatten, als sie sich auf Tôya gestürzt und ihn auf dem Boden festgehalten hatten.

"Das hätte diesmal aber wirklich ganz schön böse enden können, Tôya. Viel hätte sicher nicht mehr gefehlt", sagte Ashitaka nach einem Moment, wobei seine Stimme einen, für Ashitaka eher ungewohnten Unterton von Ernsthaftigkeit angenommen hatte.

"Keine Sorge", entgegnete Tôya beruhigend. "So schnell werden du und die anderen mich schon

nicht los. Eigentlich müsste ich mir doch mehr Sorgen um dich machen."

Verblüfft zog Ashitaka daraufhin eine Augenbraue hoch. "Wie jetzt?"

"Na, du warst es doch selbst, der mir mal erzählt hat, wie Sesshoumaru-sama dich einmal mit Tenseiga wiederbelebt hat, nachdem du in einem Kampf den kürzeren gezogen hattest", antwortete Tôya, während er seine Kimono-Oberteile zur Seite gelegt hatte. Seine Aussage hatte in Ashitaka sofort wieder eine recht unangenehme Erinnerung geweckt; die Erinnerung an seinen, schon seit gut einem Jahr zurückliegenden Kampf gegen Narakus Abkömmling Kuromaru, in welchem Ashitaka von diesem getötet worden war. Glücklicherweise hatte Sesshoumaru seinen Cousin jedoch gerettet (siehe "Abenteuer im Mittelalter", Kapitel 24 & 25). Aber der doch etwas schelmische Blick von Tôya ließ Ashitaka nun doch etwas beleidigt eine Schnute ziehen.

"Das wirst du mir noch ewig vorhalten, oder?", fragte der Jüngere, doch sein Kamerad lachte nur einmal kurz auf, ehe er schließlich mit ruhiger Stimme weiter sprach: "Übrigens, danke, dass du Miyuki heute gerettet hast."

Dass Tôya sich bei ihm bedankte, kam für Ashitaka zugegebenermaßen doch ein wenig überraschend.

"Du musst dich deswegen doch nicht bei mir bedanken. Das war doch selbstverständlich", entgegnete er abwinkend. Aber kaum, dass er das gesagt hatte, nahm Tôyas Gesicht mit einem Mal einen merkwürdig nachdenklichen Ausdruck an. Nicht nur während dieses Gesprächs, auch schon zuvor war Ashitaka ab und zu aufgefallen, dass seinen Kameraden schon eine Weile etwas beschäftigen musste. Jetzt sprach er ihn auch endlich darauf an: "Tôya, seit einiger Zeit, werde ich das Gefühl nicht los, dass du mit deinen Gedanken hin und wieder ganz woanders bist. Genauer gesagt, seit wir wieder hier sind, wie zum Beispiel gestern Abend. Aber auch schon während unseres Weges hierher hast du dich auch mal etwas merkwürdig benommen. Ich meine damit die eine Frage, die du mir während der einen Nacht gestellt hast. Ich habe zwar eine Vermutung, dass die Gründe für dein Verhalten darin liegen, doch möchte ich nach Möglichkeit doch gerne von dir selbst hören, ob ich richtig liege."

Zuerst wirkte Tôya zwar ein wenig überrascht über diese direkte Ansprache und die klare Verdachtsäußerung seitens Ashitaka, aber so war der Jüngere nun mal. Immer direkt und ohne Scheu sagte er stets das, was ihm im Kopf herumspukte. Tôya senkte nun ein wenig den Blick.

"Hm! Dir was vormachen zu wollen, wäre wohl reine Zeitverschwendung, was?", fragte er Ashitaka, der wie selbstverständlich erwiderte: "Was erwartest du? Du bist mein bester Freund. Es wäre daher nur angebracht, wenn ich bemerke, dass dich etwas beschäftigt."

Tôya entgegnete zunächst nichts darauf, sondern schritt stattdessen zu der Schiebetür, die auf die Veranda hinausführte und öffnete sie ein wenig. Die klare Nachtluft drang nun in das Zimmer hinein.

"Sag mal Ashitaka, was hältst du eigentlich von dieser ganzen Sache?", sagte Tôya schließlich. "Ich meine das mit Sesshoumaru-sama. Er hatte doch eigentlich noch nie viel für Menschen übrig, jedenfalls nicht, solange ich ihn kenne. Als du mir erzählt hast, dass er sich um ein kleines Mädchen kümmert, war ich schon ziemlich erstaunt. Aber jetzt..."

Er machte eine kurze Pause, in der er sich wieder zu Ashitaka umwandte und dann weiter sprach: "Du hast in dem letzten Jahr, seit du wieder hier bist, nie erwähnt, dass er in der Zwischenzeit ein sterbliches Menschenmädchen zu seiner Gefährtin genommen hat."

Das war genau das gewesen, was Ashitaka vermutet hatte. In gewisser Weise war ihm zwar schon ein wenig unwohl dabei, sich jetzt über dieses Thema auszulassen, aber totschweigen konnte man es zum gegebenen Zeitpunkt auch nicht mehr.

"Das ist ja eigentlich auch eine Sache, die lediglich Sesshoumaru und Kimie-chan etwas angeht", antwortete der Jüngere nach einem Moment. "Im Grunde wollte ich es dir oder den anderen auch nicht sagen und stattdessen warten, dass Sesshoumaru von sich heraus etwas gesagt hätte, wäre er in naher Zukunft von sich heraus wieder hierher zurückgekommen. Aber das hat sich ja jetzt von selbst erledigt und bald dürfte wohl jeder hier Bescheid wissen."

"Glaubst du, das geht gut?", fragte Tôya sogleich, woraufhin Ashitaka doch ein wenig unschlüssig dreinschaute. Er schien sich aber nicht so recht dazu äußern zu wollen. Nichts desto trotz, sprach Tôya schließlich weiter: "Ashitaka, du weißt, ich hatte und habe nichts gegen Menschen, aber was diese Sache angeht, mache ich mir doch so meine Gedanken. Dieses Mädchen ist sterblich, wie schon gesagt."

Ashitakas Blick wurde ernster. Natürlich wusste er ganz genau, worauf Tôya hinaus wollte und um ehrlich zu sein, behagte es ihm nicht gerade, darüber nachzudenken. Zwar schien das auf eine gewisse Art und Weise auch auf Tôya zuzutreffen, doch hinderte es diesen nicht daran, sich weiter zu dem Thema zu äußern: "Diese Geschichte hat keine Zukunft, Ashitaka, das weißt du genauso gut wie ich und sicherlich weiß das auch Sesshoumaru-sama. Umso mehr verwundert mich sein Verhalten. Dieses Mädchen... Auf die Dauer wird sie nicht an seiner Seite bleiben. Genau wie alle Menschen wird auch sie sich irgendwann ihrem Los der Sterblichkeit beugen müssen, daran führt nun mal kein Weg vorbei. Und Inu Yasha... Er hat eine solche Erfahrung doch schon mit seiner sterblichen Mutter gemacht. Er war doch sicher praktisch noch ein Kind, als sie starb. Inu no Taishou muss doch gewusst haben, dass es so kommen würde, und dennoch..."

Wieder entstand eine kurze Pause, in der keiner der beiden Youkai etwas sagte, sondern sich nur schweigend gegenüberstanden. Eine bedrückende Stille lag in der Luft, bis schließlich Ashitaka wieder das Wort ergriff: "Es ist ja aber schließlich nicht so, dass sowohl Sesshoumaru als auch Inu no Taishou es sich so ausgesucht hätten. Es ist eben passiert. Was soll man dagegen machen? Außerdem konnte keiner ahnen, dass Inu no Taishou so früh sterben würde. Es war eine Verkettung von unglücklichen Ereignissen, die zu diesem Ergebnis geführt haben. Ansonsten hätte er sich nach dem Tod seiner menschlichen Gemahlin garantiert um Inu Yasha gekümmert."

Tôya senkte ein wenig den Blick, ehe er kurz darauf durch die geöffnete Schiebetür zum nachtblauen Sternenhimmel hinauf sah.

"Das bestreite ich auch nicht, aber Menschen und Dämonen können trotzdem nicht zusammen sein", sprach er weiter. "Jedenfalls nicht für lange. Es ist eine vergleichbar lächerlich kurze Zeit, die eine solche Verbindung halten wird, wenn sie denn überhaupt zustande kommt. Warum Sesshoumaru-sama unter diesen Umständen dennoch den selben Weg gehen will, wie schon Inu no Taishou, will mir nicht in den Kopf."

"Aber auch wir als Dämonen sind nicht unsterblich", warf Ashitaka daraufhin ein. "Genauso wie so ziemlich jeder andere, können auch wir beispielsweise im Kampf getötet werden und andernfalls sterben auch wir irgendwann im hohen Alter. Wir sind nicht unverwundbar. Und diese Erfahrung durften inzwischen immerhin sowohl du als auch ich bereits machen."

In der Hinsicht hatte Ashitaka zweifellos Recht, das musste auch Tôya zugeben. Dennoch schien es so zu sein, dass ihn diese Geschichte einfach nicht loslassen wollte.

Ein leises Seufzen war schließlich von Ashitaka zu hören gewesen, ehe er wieder das Wort an seinen Kameraden richtete: "Du kanntest Sesshoumaru schon, da war ich noch gar nicht auf der Welt und wahrscheinlich ist es auch unnötig von mir, dir diesen Rat zu geben, aber... Das, was du mir eben erzählt hast, wiederhole das besser nicht noch mal insbesondere in der Gegenwart von Sesshoumaru. Diesen Rat gebe ich dir nicht, um dich vielleicht zurechtzuweisen, sondern, weil ich dein Freund bin, Tôya."

Und nachdem er Tôya diesen Rat gegeben hatte, schritt Ashitaka zur Tür und verließ das Zimmer, ohne eventuell eine Reaktion seitens seines Kameraden, der dem Jüngeren stumm mit seinem Blick gefolgt war, abgewartet zu haben.
 

Draußen auf dem Gang ging Ashitaka unterdessen das Gespräch mit Tôya noch mal gedanklich durch. Tôya war kein Verräter, das wusste Ashitaka ganz genau, doch seit dem Tod von Inu no Taishou schien er in so mancher Hinsicht kritischer geworden zu sein. Die Beziehung Inu no Taishous zu Izayoi, Inu Yashas Mutter, war in der Vergangenheit unter den verschiedenen Clan-Mitgliedern immer wieder ein Gesprächsthema gewesen. Der Großteil stand dem ganzen nach wie vor skeptisch gegenüber, hatte es im Nachhinein jedoch scheinbar akzeptiert. Aber der eine oder andere konnte mit alldem immer noch nicht wirklich etwas anfangen und vielleicht betraf das sogar den Großteil des Clans. Das hatte Ashitaka an diesem Tag auch wieder ab und zu mitbekommen, als er mal den einen oder anderen Youkai mit anderen Clan-Mitgliedern hatte reden hören, natürlich in Abwesenheit von Sesshoumaru. Es wurde getuschelt und auch die eine oder andere abfällige Bemerkung hatte er aufschnappen können, es jedoch erst mal unterlassen, Sesshoumaru eventuell davon zu berichten. Ärger in den eigenen Reihen war momentan echt das Letzte gewesen, was sie alle hatten gebrauchen können.

Während er sich auf dem Weg zu seinem Zimmer machte, dachte Ashitaka sehr intensiv über Inu no Taishou nach. Wie wäre es wohl gelaufen, wenn er nicht so früh gestorben wäre? Was hätte sich anders entwickelt und wie hätte es unter diesen Umständen heute ausgesehen? Zwar war Ashitaka selbst nicht mit dabei gewesen, doch hatte er davon gehört, wie Inu no Taishou gestorben war. Obwohl er bereits durch seinen Kampf gegen den Dämon Ryuukotsusei schwer verletzt worden war, musste er direkt danach erneut in den Kampf ziehen, um die Frau zu retten, die er geliebt hatte und welche seinen Sohn Inu Yasha auf die Welt gebracht hatte. Inu no Taishou starb im Kampf gegen einen Menschen und fand zusammen mit diesem den Flammentod, während Izayoi und Inu Yasha überlebten.

Abrupt schoss Ashitaka dieser Gedanke durch den Kopf. Noch war davon

zwar nichts eingetreten, doch zog er es durchaus in Erwägung, dass eben genau Inu Yasha schon sehr bald der Missgunst des einen oder anderen Inu-Youkai ausgesetzt werden könnte. Denn die Vermutung lag nicht fern, dass einige in dem Hanyou einen bedeutenden Faktor für den Tod ihres ehemaligen Herrn sehen würden und es eventuell sogar schon taten.
 

Aber auch ohne die Kenntnis über diese Vermutungen war insbesondere diese Nacht für Inu Yasha alles andere als ruhig und erholsam gewesen, denn er hatte einen merkwürdigen Traum, der eigentlich schon einem Albtraum gleichkam. Zwar war in diesem nichts besonderes zu erkennen gewesen, aber alles war in ein eigenartiges rotes Licht getaucht. Das war aber nicht alles gewesen. Wie ein stiller Beobachter, der nicht aktiv am Geschehen beteiligt war, schien Inu Yasha alles ganz genau mitzubekommen. Mitten in dieser erdrückenden Atmosphäre glaubte er nach einem Moment jedoch etwas zu sehen. Es war allerdings nur sehr schwer zu erkennen gewesen und sah lediglich aus wie ein schwacher Schatten. Plötzlich war da nur noch dieser ohrenbetäubende Lärm, als würde irgendetwas großes in sich zusammenfallen und mit diesem Lärm verschwand abrupt das Bild vor Inu Yashas Augen. Genau in diesem Moment wachte er auf.

"Was...?!"

Inu Yasha schlug die Augen auf. Hastig sah er sich um, doch er befand sich nach wie vor in seinem Zimmer in Sesshoumarus Schloss. Mit dem Rücken an der Wand lehnend saß er auf dem Boden, Tessaiga dabei wie üblich in seiner Hand haltend.

"Ein Traum... Es war nur ein Traum. Aber..."

Es war merkwürdig gewesen, aber Inu Yasha hatte das Gefühl, als wäre er soeben aus einem Flammenmeer herausgekommen. Was genau dieser eigenartige Traum zu bedeuten gehabt hatte, konnte er sich beim besten Willen nicht erklären. Das erneute Einschlafen fiel ihm auch nicht gerade leicht, doch zumindest wiederholte sich dieser Traum nicht, nachdem er endlich wieder eingeschlafen war. Dennoch blieb dieses merkwürdige Gefühl und wich auch so schnell nicht wieder von ihm.
 

Einige Stunden später kündigte sich allmählich der nächste Morgen an. Kimie staunte in gewisser Hinsicht ein wenig über sich selbst, dass sie bereits vor Morgengrauen wach und sogar ziemlich munter gewesen war. Nach dem Kampf vom Vortag hatte sie eigentlich erwartet, dass sie mindestens bis zum Mittag wie ein Stein durchschlafen würde. Auch Inuki war schon wach gewesen.

"Die Sonne ist noch nicht mal aufgegangen", bemerkte Kimie, als sie die Schiebetür, die zur Veranda hinausführte einen Spalt weit geöffnet hatte. Zwar erkannte man an der Farbe des Himmels, dass es so langsam hell wurde, doch die Sonne selbst war noch nicht zu sehen gewesen. Dennoch war es hell genug, dass man durchaus schon aufstehen konnte, obwohl es im Schloss noch mucksmäuschenstill gewesen war. Nichts desto trotz zog sich Kimie nun um, kämmte ihre Haare durch und machte sich ein wenig frisch. Anschließend verließ sie zusammen mit Inuki ihr Zimmer und wollte ein wenig nach draußen gehen, um die frische Morgenluft zu genießen. Allerdings schaute sie vorher noch einmal in Rins Zimmer vorbei. Ein kleiner Blick durch den Türspalt zeigte Kimie, dass das kleine Mädchen allerdings noch tief und fest schlief. Also schloss sie die Tür sogleich wieder und setzte mit Inuki ihren Weg fort. Möglichst leise ging sie die Gänge entlang, um nicht eventuell jemanden zu stören, bis sie schließlich an der Eingangstür angekommen war. Zu ihrer großen Überraschung hörte sie von draußen jedoch Stimmen. Neugierig und verblüfft zugleich öffnete Kimie daraufhin die Tür und staunte nicht schlecht, als sie Inu Yasha, Kagome und die anderen auf der Veranda an der Eingangstreppe stehen sah.

"Nanu? Ihr seid auch schon alle wach?", fragte Kimie verwundert, woraufhin auch die Gruppe auf das Mädchen aufmerksam wurde.

"Ah! Guten Morgen, Kimie!", grüßte Kagome ihre Cousine erfreut. "Na ja, irgendwie schien keiner von uns diesmal sonderlich lange schlafen zu können. Und eigentlich ist es doch bereits ein schöner Morgen."

Allerdings schien außer der kleinen Gruppe noch kein anderer wach gewesen zu sein, oder aber die anderen kamen einfach noch nicht aus ihren Zimmern.

"Aber ist euch das aufgefallen?", fragte Sango plötzlich prüfend. "Die Luft ist irgendwie so merkwürdig. Als hätte es geregnet."

Und tatsächlich mussten die anderen der Dämonenjägerin in der Hinsicht zustimmen.

"Eigenartig ist das schon", meinte Miroku nachdenklich. "Dabei hat es doch gar nicht geregnet."

"Vielleicht liegt das am Morgentau?", vermutete Kimie, obwohl sie sich das ehrlich gesagt selbst nicht so recht vorstellen konnte, während sie nun die Stufen der Eingangstreppe hinunterging. Die anderen folgten ihr in einem gewissen Abstand. Doch kaum war Kimie unten angekommen, entwich ihr abrupt ein kurzer Aufschrei, der auch sofort die Aufmerksamkeit der anderen erregte. Zuerst waren sie gleich in höchster Alarmbereitschaft, allerdings legte sich die Aufregung sofort wieder, als klar wurde, was das Mädchen so erschreckt zu haben schien.

"Mist! Wo kommt denn die Pfütze her?!", fluchte Kimie entnervt, während sie auf ihr linkes, im unteren Bereich vollkommen nasses Hosenbein schaute. Zumindest waren die anderen nun vorgewarnt und machten einen entsprechenden Bogen um die Pfütze, die sich direkt unterhalb der Eingangstreppe befand. Sie war zudem verhältnismäßig groß.

"Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Hat es heute Nacht vielleicht doch geregnet und wir haben nur nichts davon mitbekommen?", fragte sich Kagome nachdenklich und sprach damit genau das aus, was jeder im Moment wohl dachte. Aber eigentlich war das sehr abwegig gewesen, zumal es nirgendwo nass gewesen war, außer eben genau unterhalb der Treppe. Und während die kleine Gruppe noch etwas ratlos neben der scheinbar wie von Geisterhand aufgetauchten Pfütze stand, wagte sich Shippou nach einem Moment etwas näher an diese heran. Er riskierte einen kurzen, vorsichtigen Blick in das Wasser, sprang aber sofort völlig erschrocken wieder zurück und schrie auf: "Uaah!!"

Die anderen hatten sofort aufgehorcht.

"Was ist los mit dir, Shippou-chan?", fragte Kagome den kleinen Kitsune besorgt, der sich eiligst in die Arme des Mädchens flüchtete. Am ganzen Körper zitternd und mit wimmernder Stimme versuchte er zu sprechen: "Das ist... Das ist... Ich habe kein Spiegelbild mehr, Kagome! Bin ich gestern etwa doch gestorben und jetzt ein Geist?!"

Doch anstatt ihrem kleinen Freund darauf eine Antwort zu geben, starrten sich die anderen nur ziemlich ratlos an. So ganz wurden sie aus dem, was Shippou eben gesagt hatte nicht schlau.

"Was redest du denn da für einen Unsinn, Shippou?", fragte Inu Yasha schließlich etwas patzig und näherte sich nun seinerseits der Pfütze, um selbst mal in diese hineinzusehen. "Kein Spiegelbild... So ein Quatsch! Das ist doch... Hm?"

Doch der Hanyou brach abrupt mitten im Satz ab. Und anstatt eventuell doch noch weiter zu sprechen, blickte er momentan nur ziemlich verwirrt in das Wasser.

Kagome trat schließlich vorsichtig einen Schritt näher und fragte ihn: "Was ist los mit dir, Inu Yasha? Sag doch etwas! Was ist passiert?"

Soeben drehte sich Inu Yasha wieder zu dem Mädchen und seinen anderen Freunden um, aber zum sprechen kam er nicht mehr. Denn kaum, dass Inu Yasha der Pfütze den Rücken zugedreht hatte, schoss deren Wasser wie eine gewaltige Fontäne geradewegs in die Höhe. Die Umherstehenden sprangen sofort reflexartig zurück.

"Du meine Güte! Was ist denn das jetzt wieder?!", rief Kimie nicht minder erschrocken aus, als die anderen. Wenngleich sie zwar schon bei ihrem ersten Besuch in der Sengoku-Ära einiges gesehen hatte, das war dann doch wieder eine ganz neue Erfahrung gewesen. Ihre Verwirrung stieg zudem, als sie spürte, wie Raidon mit einem Mal wieder so merkwürdig pulsierte, wie es schon mal der Fall gewesen war. Doch was sollte das bedeuten? Und erst recht waren alle ziemlich sprachlos, als die Wasserfontäne nun ihre Gestalt zu verändern schien und sich langsam aber in eine Art Wasserdrachen verwandelte.

"Aah! Oje, ist der etwa echt?!", fragte Shippou ängstlich.

"Nein, ich denke, das ist nur eine Illusion! Eine Art Wasserzaubertrick!", meinte Miroku. "Aber ohne Zweifel muss sich derjenige, der dafür verantwortlich ist, irgendwo hier aufhalten."

Doch um diesen ominösen Jemand zu suchen, blieb nicht wirklich die entsprechende Zeit. Denn der Wasserdrache schien die kleine Gruppe vor sich ganz genau ins Auge gefasst zu haben, nur darauf wartend, dass einer von ihnen eventuell einen Angriff auf ihn starten würde. Seine Aufmerksamkeit richtete sich kurz darauf aber auch auf eines der Zimmer im Schloss, wo gerade eine der Schiebetüren, die zur Veranda hinausführten, geöffnet wurde.

"Meine Güte! Was ist das da draußen denn für ein Radau?", fragte Karan ein wenig mürrisch, als auch ihr abrupt der Wasserdrache ins Auge fiel. Sofort war sie hellwach gewesen und fragte verdutzt: "Was zur Hölle ist das denn für ein Ding?!"

Und kaum, dass sie diese Frage gestellt hatte, schoss der Wasserdrache aus seinem Maul eine Wasserfontäne direkt auf die Dämonin ab, die jedoch mit einem gekonnten Sprung ausweichen konnte und auf dem Innenhof landete. Doch spätestens jetzt wusste wohl so ziemlich jeder, dass etwas nicht stimmte, denn die Attacke des Wasserdrachen war nicht gerade lautlos von statten gegangen.
 

"Wie kann das sein? Wo kommt der her?", fragte sich Ashitaka, der sogleich auf die Veranda vor seinem Zimmer hinausgetreten war, irritiert, als er zudem mitbekam, wie ihn nun jemand von unten rief: "Ashitaka!"

Als der Youkai seinen Blick auf die Veranda unter sich lenkte, sah er Tôya auf dieser stehen. Mit einem Sprung gesellte sich der Jüngere zu ihm, während Tôya ihn fragte: "Ashitaka, weißt du, was das zu bedeuten hat? Hat vielleicht irgendjemand deinen Bannkreis von außen durchdrungen?"

Doch Ashitaka schüttelte nur den Kopf. "Nein! Ich habe nichts dergleichen gespürt. Der Bannkreis war die ganze Zeit intakt."

Aber wie war es dann möglich gewesen, dass sich ein Feind im Schloss aufhielt?

"Nii-sama! Ashitaka!", hörten die beiden Inu-Youkai nun auch Miyuki nach ihnen rufen, die gerade über die Veranda auf sie zugelaufen kam. Auch das Dämonenmädchen war von dem plötzlich aufgekommenen Lärm aufgeschreckt worden.

"Was hat das zu bedeuten? Was ist das da?", fragte sie Ashitaka und ihren Bruder verunsichert und deutete auf den Wasserdrachen. Doch mal abgesehen davon, dass keiner der beiden Miyuki darauf eine Antwort geben konnte, wurden sie nunmehr durch einen Schrei aufgeschreckt, als der Wasserdrache nämlich zu einem weiteren Angriff übergegangen war, wobei seine Gestalt vollkommen verschwamm und er nur noch eine Art große Welle erinnerte, die sich seinen Weg über den Innenhof bahnte. Und von eben genau dieser Welle wurden Inu Yasha und die anderen genau erfasst. Doch war dies vielleicht nur für wenige Sekunden der Fall gewesen, denn ebenso schnell, wie die Welle aufgetaucht war, hatte sie sich auch schon wieder zurückgezogen und bildete stattdessen eine Art Wasserkugel, die in der Luft schwebte. Doch genau in dieser Kugel war Kimie nun gefangen.

"Kimie!", rief Kagome ihre Cousine entsetzt beim Namen, doch konnte diese die Jüngere nicht hören. Kimie sah um sich herum nur noch Wasser. Automatisch hatte sie sofort die Luft angehalten und die Augen zugekniffen. Was genau im Moment mit ihr passierte, konnte sie nicht erahnen, doch sie hatte das Gefühl, gehörig herumgewirbelt zu werden. Schlussendlich verschwamm ihr Bewusstsein immer mehr, bis sie schließlich gar nichts mehr mitbekam.

Unterdessen wurden Inu Yasha und auch die anderen Anwesenden Zeugen eines weiteren merkwürdigen Schauspiels. Denn die Wasserkugel, die Kimie nach wie vor gefangen hielt, veränderte plötzlich ihre Form. Und erst recht staunten die Anwesenden echte Bauklötze, als sich aus dem gesammelten Wasser plötzlich eine Gestalt zu bilden schien. Schlussendlich verschwand das Wasser sogar gänzlich und kaum einen Moment später schwebte direkt vor der Gruppe ein junger Mann über dem Boden und er trug die bewusstlose Kimie auf den Armen. Sein langes schwarzblaues Haar hatte er nach hinten mit einem roten Band zu einem Zopf zusammengebunden, ähnlich wie Tôya. Große schwarze Schwingen waren auf seinem Rücken platziert und sein niederträchtiger, durchdringender Blick und dazu das selbstsichere Lächeln ließ so manchem einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Seine Kleidung unterschied sich jedoch sehr von denen der meisten anderen. Er trug nämlich keinen Kimono, sondern seine Kleidung erinnerte mehr an einen chinesischen Stil. Besonders auffällig war das Symbol von Yin und Yang auf seiner Brust. Ebenso auffällig war sein Stirnschmuck, bestehend aus einem ebenfalls rotem Band, an welchem insgesamt drei Schmucksteine befestigt waren. Die beiden äußeren waren kleiner als der mittlere und im Gegensatz zu diesem glichen sie eher kleinen Kugeln, während der mittlere Stein die Form einer Scheibe hatte und in der Mitte ein kleines Loch aufwies, durch welches das rote Band verlief. Im Allgemeinen machte der Fremde einen durchaus ansehnlichen Eindruck, doch es lag klar auf der Hand, dass er nicht als Freund im Schloss erschienen war.

"W-Wer ist das?", fragte sich Shippou ängstlich und klammerte sich so fest er konnte an Kagome, die ihn noch auf den Armen trug. Aber nicht nur diese Frage beschäftigte die Anwesenden im Moment. Denn allen war vollkommen unklar gewesen, wie der Unbekannte ins Schloss hatte kommen können und vor allem, was er eigentlich wollte.

Es war nur ein sehr kurzer Moment der Ohnmacht gewesen, denn recht schnell kam Kimie wieder zu sich. Sie spürte, dass sie jemand trug, doch wer dieser jemand war, vermochte sie zuerst nicht zu erahnen und war dazu zunächst auch noch etwas zu benommen. Erst, als sie ihre Augen nun wieder öffnete und in dieses, ihr völlig unbekannte Gesicht schaute, schien sie wieder hellwach gewesen zu sein.

"Wer...?"

"Na? So schnell wieder munter, mein holdes Mädchen?", fragte der Fremde Kimie, die ihm gegenüber jedoch von vornherein misstrauisch war.

"Wer bist du? Und was hast du mit mir vor?!", fragte sie ihn bissig, doch ließ er sich davon kein bisschen verunsichern.

"Wer wird denn gleich so misstrauisch sein, meine Kleine?", fragte er das Mädchen gespielt unschuldig, ehe er mit einem hinterhältigen Lächeln fortfuhr: "Wie dem auch sei. Ich hoffe du und deine Freunde hattet eure Freude an meinem kleinen Wasserkunststück."

"Quatsch nicht so viel dummes Zeug! Rück lieber raus mit der Sprache! Wer bist du eigentlich?!", mischte sich Inu Yasha nun ein, der Tessaiga mittlerweile gezogen hatte und es kampfbereit vor seinem Körper hielt, während er den Fremden dabei genau ins Auge gefasst hatte. Auch die anderen beäugten ihn ganz genau, doch besonders seine Schwingen erregten hierbei ihre Aufmerksamkeit.

"Diese Schwingen...", murmelte Miroku nachdenklich, als es ihm im selben Moment förmlich wie Schuppen von den Augen fiel. "Moment mal! Gehört der Kerl etwa zu diesen Dämonen, die gestern schon hier waren?!"

Auch den anderen schien nun der offenbare Zusammenhang zwischen dem Fremden und den feindlichen fliegenden Dämonen so richtig aufzufallen. Die Schwingen ähnelten sich in der Tat sehr.

Unterdessen ließ der Fremde, Kimie noch immer auf den Armen tragend, seinen Blick schweifen. Sein Auftauchen war ganz offensichtlich wirklich nicht unbemerkt geblieben, denn mittlerweile war die kleine Gruppe um Inu Yasha nicht mehr die einzige gewesen, die ihn entdeckt hatte. Der Fremde erkannte nun auch einige, ihm durchaus bekannte Gesichter, aber mehrere Anwesende waren ihm auch fremd. Nichts desto trotz behielt er seine selbstbewusste Haltung. Schließlich fiel sein Blick auf jemanden, den er sehr gut zu kennen schien.

"Oh! Wenn das mal nicht der gute Kakeru ist. Es ist schon eine Weile her", sprach er den Inu-Youkai an, der schon vorher auf die Veranda vor seinem Zimmer herausgetreten war. Sofort hatten sich einige der anderen zu Kakeru umgewandt. Ihre Blicke reichten von überrascht bis irritiert. Kakeru selbst schien äußerlich ruhig zu bleiben, doch an seiner Stimme konnte man heraushören, dass ihn das Auftauchen des Fremden, den auch er durchaus zu kennen schien, schon sehr zu beunruhigen schien.

"Du bist es also wirklich... Toba", sprach er schließlich den Namen des Fremden aus, wobei man aber durchaus den erschütterten Unterton in seiner Stimme hatte hören können, als könnte er das Auftauchen von Toba noch immer nicht ganz begreifen.

Toba selbst blieb hingegen vollkommen ruhig, wenngleich er sich aus seiner Sicht eigentlich genau im Wespennest befand, denn er war genau genommen regelrecht umzingelt. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, noch etwas auf Kakerus Worte zu erwidern: "Sieh an! Obwohl du mittlerweile ein wenig... Sagen wir mal, 'beeinträchtig' bist, hast du mich wieder erkannt. Wie lange leben wir denn schon im Dunkeln?"

"Ey, halt bloß deine blöde Klappe! Solche Kommentare kannst du dir echt in die Haare schmieren!", keifte Kimie nun aufgebracht und versuchte, sich von Toba loszureißen. Dass sie sich mit gerade in einigen Metern Höhe mitten in der Luft befand, interessierte sie momentan eher wenig. Stattdessen drohte sie ihm jetzt sogar noch: "Jetzt nimm endlich deine dreckigen Flossen von mir, sonst breche ich dir Finger!"

Als Toba aber noch immer keine Anstalten machte, Kimies Aufforderung nachzukommen, sondern sie stattdessen nur frech ansah, holte sie mit ihrer rechten Hand aus, um ihm eine zu scheuern. Doch bevor sie dieses Vorhaben überhaupt ansatzweise in die Tat umsetzen konnte, schoss Toba plötzlich mitsamt dem Mädchen nach oben, dass sich Kimie doch reflexartig an ihn klammerte. Jedoch ließ sie ihn sofort wieder los, nachdem er kurz darauf wieder ruhig in der Luft schwebte. Allerdings galt Tobas Aufmerksamkeit nicht mehr seiner unfreiwilligen Begleitung, sondern dem Fremden, der nun mit gezogenem Schwert auf der Schlossmauer stand und zuvor einen Angriff mit seiner Waffe auf ihn gestartet hatte, der Toba zum Ausweichen gezwungen hatte.

"Angriffe von hinten sind nicht sonderlich fair, mein Freund!", sagte er nun an den Unbekannten gewandt. Kimies Blick folgte dem von Toba, doch sie erkannte den neu hinzugekommenen Kämpfer sofort.

"Sesshoumaru!"

Toba hatte sofort aufgehorcht. Zeitgleich erschien jedoch wieder dieses selbstsichere Lächeln auf seinem Gesicht und er wandte sich erneut an Sesshoumaru: "Ach! Du bist also der ältere Sohn des großen Inu no Taishou. Ich habe mich schon immer gefragt, was du wohl für ein Typ bist. Schließlich hatten wir beide noch nicht das Vergnügen."

"Es ist mir auch vollkommen egal, wer du bist!", entgegnete Sesshoumaru aber nur eiskalt. "Lass lieber das Mädchen wieder los, wenn dir an deiner erbärmlichen Existenz nur irgendetwas liegen mag!"

Doch Toba ließ sich keinesfalls einschüchtern. Eher im Gegenteil, er schien seinen Gegenüber gar noch provozieren zu wollen. "Oh! Das Schätzchen hier gehört wohl dir, was?", fragte er mit herausforderndem Blick und deutete mit einem Nicken auf Kimie, die aber weiterhin wenig kooperativ Toba gegenüber war.

"Schätzchen?! Du spinnst wohl! Ich bin nicht dein Schätzchen!", protestierte sie heftig und mittlerweile schien es ihr auch schon gänzlich egal gewesen zu sein, wie sie wieder von ihm wegkam, Hauptsache, sie kam bald überhaupt mal wieder von ihm weg. Von daher versuchte sie es weiterhin mit heftigem Zappeln und wütenden Beschimpfungen: "Jetzt lass mich gefälligst wieder los, du arroganter Mistkerl! Bist du vielleicht schwerhörig oder einfach nur blöd?! Du sollst mich losla...!" Doch weiter kam Kimie nicht mehr, denn ehe sie sich versah, hatte ihr Toba schon das Wort im Ansatz abgeschnitten, indem er ihr einfach auf total dreiste Art und Weise einen Kuss auf den Mund gedrückt hatte. Erschrocken hatte Kimie sofort die Augen weit aufgerissen. Es waren vielleicht gerade mal zwei Sekunden gewesen, bis sich Toba wieder von ihr löste, aber trotzdem befand sich Kimie im ersten Moment scheinbar noch wie in einer Art Schockzustand.

"Du bist zwar etwas zickig und obendrein ein Mensch, aber irgendwie macht dich das auch interessant, muss ich zugeben. Wie wär's? Wiederholen wir das vielleicht gleich noch mal?", fragte Toba sogleich frech und jetzt war Kimie wieder voll da gewesen. Wutentbrannt beschimpfte sie ihn erneut: "Sag mal, du hast doch wohl echt ein Ei am Wandern!? Wenn du das noch einmal wagen solltest, beiß ich dir in die Zunge! Mir scheint, deine Mutter hat dich mit dem Klammerbeutel gepudert!? Jetzt lass mich endlich los, du verfluchter Dreckstyp!"

Jetzt zog Toba aber doch etwas skeptisch eine Augenbraue hoch.

"Sag mal, aus welchem Winkel des Landes stammen diese volkstümlichen Redensarten?", fragte er das Mädchen nach einem Moment, doch Kimie war keinesfalls gewillt, ihm auch nur ansatzweise irgendeine Erklärung für ihre Ausdrucksweise abzuliefern, sondern legte stattdessen nur noch einen drauf: "Ey, du kannst mich mal!"

Doch dummerweise schien Toba diesen Satz sehr genau verstanden zu haben.

"Ist dies wirklich dein Wunsch?", fragte er Kimie mit prüfendem Blick, dass sie zu keiner Gegenantwort fähig gewesen war, sondern sich stattdessen wünschte, sich sofort an Ort und Stelle in Luft aufzulösen.

"Weia... Der geht ja vielleicht ran. Der ist ja schlimmer als Miroku...", murmelte Shippou völlig entgeistert in sich hinein, während er und die anderen das Geschehen vom Erdboden aus beobachtet hatten. Allerdings stieß die Aussage des kleinen Kitsune bei Miroku auf eher wenig Befürwortung.

"Hey! Vergleiche mich nicht mit diesem Schwerenöter!", verteidigte sich der Mönch sofort. Doch viel aufgebrachter als er schien hingegen jemand anders gewesen zu sein. Nachdem seine erste Drohung Toba scheinbar eher kalt gelassen hatte, deutete Sesshoumaru nun mit Toukijins Klinge genau auf seinen Gegner und sprach ihn mit durchdringender und erboster Stimme an: "Hör zu! Du lässt sofort das Mädchen wieder frei, dann lasse ich mich vielleicht noch dazu hinreißen, dein Ende kurz gestalten! Zudem ist mir dein Anblick eindeutig zu wider!"

Obwohl Sesshoumaru von außen hin noch einen durchaus gefassten Eindruck machte, wollte wohl keiner momentan so wirklich wissen, was er gerade dachte. Denn allein schon sein Blick hätte einem das Blut in den Adern gefrieren lassen können und wenn Blicke töten könnten, wäre Toba wahrscheinlich sofort wie eine abgeschossen Taube vom Himmel gefallen. Aber der Kerl hatte die Ruhe und das Selbstbewusstsein scheinbar mit Löffeln gefressen. Denn anstatt Kimie nun wieder freizulassen, schien er Sesshoumaru nur noch weiter zu verhöhnen, wie es am Tonfall seiner Stimme auffiel, als er entgegnete: "Oho! Das ist wohl jemand etwas schlecht gelaunt, wie mir scheint. Sind wir wohlmöglich ein wenig eifersüchtig? Und was willst du tun, wenn ich deiner überaus netten Aufforderung nicht nachkomme?"

"Als ob ich das nicht schon ohnehin vor und eben bereits angedeutet hätte, würde ich dich unter diesen Umständen töten!", entgegnete Sesshoumaru kühl. Toba gab nun vor, als würde er ziemlich angestrengt nachdenken. "Hmm... Also, wenn ich deiner 'Bitte' nachkomme, bringst du mich um. Und wenn ich es nicht tue, bringst du mich ebenfalls um. Nicht gerade eine reizende Auswahl, wenn du mich fragst."

Ein Knurren drang aus Sesshoumarus Kehle. So langsam aber sicher verlor er die Geduld mit diesem unverschämten Kerl.

"Ich frage dich aber nicht. Und jetzt lass sie los!", befahl er nunmehr derart durchdringend, dass dem einen oder anderen ein leichter Schauer über den Rücken lief. Toba jedoch ging mit Kimie nunmehr so um, als wäre sie ein Gepäckstück, als er sich nun unter seinen rechten Arm klemmte.

"Hey! Ich bin doch kein Stück Schlachtvieh!", protestierte sie noch, doch scheinbar schenkte Toba ihr keinerlei Aufmerksamkeit mehr. Sein Blick ruhte nur auf Sesshoumaru.

"Du willst also dieses Mädchen", sagte Toba an seinen Gegenüber gerichtet, ehe dieser hinterhältige Ausdruck in seinen Augen noch stärker zu werden schien.

"Na gut! Sie gehört dir!"

Und mit diesen Worten drehte er sich einmal um die eigene Achse, als ob er ordentlich Schwung holen wollte, ehe er Kimie abrupt losließ, die entsetzt aufschrie: "Uaah! Hilfe!!"

Toba schleuderte sie Sesshoumaru, der noch auf der Schlossmauer stand, regelrecht entgegen, genauer gesagt, genau auf die nach vorne gerichtete Klinge seines Schwertes zu. Sesshoumaru hatte keine andere Wahl, als Toukijin sofort loszulassen, wollte er Kimie nicht eventuell damit verletzen. Kaum hatte er das getan, prallte sie auch schon mit voller Wucht gegen seinen Körper, doch konnte Sesshoumaru sie trotzdem noch sicher auffangen. Dennoch war der etwas heftige Aufprall für Kimie im ersten Moment noch etwas zu viel gewesen. Dementsprechend benommen war sie zunächst.

"Auaa... Mein Kopf...", murmelte sie gequält in sich hinein. Aber Zeit zum Erholen blieb ihr nicht, denn kaum, dass Sesshoumaru sein Schwert hatte fallen lassen und Kimie aufgefangen hatte, hatte Toba schon seinerseits einen Angriff auf die beiden gestartet. Er hatte sofort, nachdem er Kimie Sesshoumaru entgegengeschleudert hatte, damit begonnen, sich auf eine Attacke vorzubereiten und griff die beiden nun mit einer Art Wasserpeitsche an. Sesshoumaru wich dem Angriff jedoch noch rechtzeitig aus. Er sprang zusammen mit Kimie von der Schlossmauer und landete anschließend sicher auf dem Innenhof.

"Nettes Ausweichmanöver, aber auf die Dauer bringt euch das auch nichts!", sagte Toba belustigt.

"Halt dein Maul!", entgegnete Inu Yasha daraufhin äußerst wütend, während er mit der Klinge von Tessaiga auf den Feind deutete. "An deiner Stelle würde ich nicht so große Töne spucken! Du bist schließlich allein. Aber wir sind aber als Gruppe hier!"

Doch für diese Bemerkung hatte Toba nur ein spöttisches Lächeln übrig. "Glaub mir, mein kleines Hündchen, eure Überzahl ist nicht wirklich ein Problem für mich. Wenn ich mit euch fertig bin, wird von euch nicht mehr allzu viel übrig sein."

"Ach ja? Das werden wir ja gleich sehen!", meinte Inu Yasha und sprang nun genau auf Toba zu. "Hier! Koste mal davon! Tessaiga!!"

Mit emporgehobener Schwertklinge wollte Inu Yasha dem Youkai mit einem Streich den gar ausmachen, doch wich Toba dem Schlag scheinbar mühelos aus und platzierte sich nun genau hinter den Hanyou.

"Wie jetzt? Das war dein ach so toller Angriff?", fragte Toba herablassend. Gerade, als Inu Yasha sich umdrehte, sah er, wie Toba seinerseits zu einem Gegenangriff ausholte, doch konnte der Hanyou nicht mehr rechtzeitig reagieren, um diesem noch auszuweichen. So kassierte er von seinem Gegner einen heftigen Tritt in die Magengegend, der ihn zugleich noch mit voller Wucht zurückwarf, so dass er mit dem Rücken genau auf die Treppen vor dem Eingang des Schlosses fiel. Erschrocken hatte sich Kagome sofort entsprechend zu dem Hanyou umgedreht.

"Inu Yasha! Bist du verletzt?", fragte sie besorgt, lief auf ihn zu und kniete sich zu ihm auf die Treppenstufen. Inu Yasha konnte aber zunächst nur einen etwas gequälten Laut von sich zu geben, während er sich wieder aufsetzte.

"Scheiße...!", fluchte er schließlich leise in sich hinein.

Unterdessen hatte Toba, kaum dass Kagome den Namen des Hanyou ausgesprochen hatte, prüfend eine Augenbraue hochgezogen.

"Ach! Interessant, du bist also dieser Inu Yasha", sagte er. "Ich hatte mich schon gewundert. Du bist ein Hanyou, nicht wahr?"

Mit einem wütenden Knurren schaute Inu Yasha daraufhin wieder zu Toba hoch.

"Was geht dich das überhaupt an? Und woher kennst du mich eigentlich?!", fragte er. Allmählich hatte es Inu Yasha wirklich satt. Jeder schien ihn irgendwie zu kennen. Bei den Inu-Youkai war das vielleicht nicht allzu verwunderlich gewesen, aber dass sogar Toba ihn zu kennen schien, das konnte sich der Hanyou beim besten Willen nicht erklären. Doch Tobas simple Antwort auf die zuvor gestellte Frage war nur: "Ich habe meine Quellen. Aber auch so fällt es mir nicht sonderlich schwer, den Menschen in dir zu riechen. Der Geruch ist schließlich unverkennbar."

Und wieder knurrte Inu Yasha wütend angesichts dieser selbstgefälligen Antwort.

Aber wie Toba Inu Yasha eben überwältigt hatte, hatte schon was von einem geübten Kampfsportler gehabt, wie Kagome fand und mit dieser Meinung stand sie sicherlich nicht allein da. Demnach beherrschte Toba nicht nur Wasser-Magie und auch den Umgang mit dem Schwert, wie das Katana an seinem Gürtel es vermuten ließ, sondern war ebenso im waffenlosen Nahkampf kein zu unterschätzender Gegner gewesen.

>Er ist zwar allein, aber trotzdem scheint er sich praktisch problemlos behaupten zu können.<, dachte Kagome, während ihr Blick auf Toba ruhte. >Irgendwie muss man ihm doch aber Einhalt gebieten können! Allerdings können wir auch nicht vollkommen unorganisiert alle auf einmal auf ihn losgehen. Das würde vermutlich nur ein heilloses Chaos verursachen.<

Doch Kagome selbst konnte zum gegebenen Zeitpunkt keinen Gegenangriff starten, da sie ihre Pfeile und ihren Bogen in ihrem Zimmer gelassen hatte.

Über alldem ließ Toba unterdessen seinen selbstgefälligen Blick schweifen. Er ließ sich weder durch die Anzahl seiner Widersache in irgendeiner Form beeindrucken, noch von der Tatsache, dass er ihnen eigentlich ganz allein gegenüberstand. Eher im Gegenteil, er schien sich über jeden einzelnen der Anwesenden insgeheim lustig zu machen.

"Schluss! Mir reicht 's jetzt!", rief Sango plötzlich aus und erhob ihren Bumerang. "Ich sehe nicht mehr länger tatenlos zu!"

Und damit schleuderte sie ihren Bumerang genau auf Toba zu. Als dieser die Waffe auf sich zufliegen sah, versuchte er jedoch nicht etwa, auszuweichen, sondern hob nur die linke Hand waagerecht in die Höhe und baute um sich herum eine Art Schutzwall aus Wasser auf. Sangos Bumerang prallte an diesem ab und fiel zu Boden. Und kaum, dass er den Angriff abgewehrt hatte, griff Toba seinerseits gezielt die Dämonenjägerin an. "Eigentlich liegt es mir fern, Frauen anzugreifen, aber ich denke, ich mache heute mal eine Ausnahme."

Aus Tobas Wasserwand schoss nun ein kräftiger Wasserstrahl heraus und steuerte genau auf Sango zu.

"Sango! Pass auf!", rief Miroku sofort aus und stellte sich ohne zu zögern vor Sango. Und diese Aktion kam keine Sekunde zu spät, denn schon hatte das Wasser sein Ziel erreicht, nur wurde nicht Sango, sondern eben Miroku von dem gegnerischen Schlag getroffen. Von der gewaltigen Kraft des Wassers wurden jedoch beide regelrecht zurückgeschleudert und landeten mehrere Meter entfernt recht unsanft auf den Boden. Erschrocken war Kagome den beiden mit ihrem Blick gefolgt. "Sango-chan! Miroku-sama!"

Sango war im ersten Moment zwar noch etwas benommen gewesen, doch rappelte sie sich recht schnell wieder auf. Miroku hingegen, der direkt neben ihr lag, hatte es scheinbar schlimmer erwischt.

"Miroku!" Sango drehte den Mönch vorsichtig auf den Rücken. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und er hielt beide Arme über den Bauch.

"Miroku! Miroku, ist alles in Ordnung?", fragte Sango sichtlich besorgt. Mühsam öffnete Miroku daraufhin seine Augen. Der Wasserstoß hatte sich angefühlt, wie ein übernatürlich und für menschliche Verhältnisse unsagbar kräftiger Faustschlag in den Magen und so konnte der Mönch auch nur leise und unter großer Anstrengung antworten: "Es... ist zwar nur Wasser, aber trotzdem... Es hat eine ungeheure Kraft. Aber mach dir keine Sorgen, Sango... Das... wird schon wieder."

"Ruhig! Sprich nicht zu viel, Miroku!", mahnte Sango ihn sofort.

Sich das Geschehen so ansehend, entwich Toba nun ein leises Lachen.

"Wie herzzerreißend!", meinte er belustigt. "Wenn das mal kein selbstloses Opfer war. Das rührt mich ja fast schon zu Tränen."

"Sei endlich still!", schrie Kagome den Youkai nunmehr aufgebracht an und trat auf ihn zu. Während Toba von oben auf das Mädchen herabsah, sprach dieses unverzüglich weiter: "Was bildest du dir eigentlich ein, wer du bist?! Du tauchst hier auf und greifst uns an und dann erlaubst du dir auch noch, solche Sprüche abzulassen! Du bist so ein verdammter Mistkerl! Du widerst mich echt an!"

"Kagome! Bist du bescheuert?! Was soll das werden?!", fragte Inu Yasha das Mädchen sofort entrüstet. Er war sich im Moment nicht sicher, ob Kagome überhaupt wusste, dass sie gerade dabei war, sich ihr eigenes Grab zu schaufeln. Doch zunächst blieb Toba erstaunlich ruhig.

"Weißt du, Kleine, du bist ja eigentlich ganz süß, aber meckernde Weiber sind mir doch ein wenig zu anstrengend", meinte er schließlich nur und sammelte nun Wasser in seiner rechten Hand. "Von daher bringe ich dich besser mal zum Schweigen!"

Und mit diesen Worten startete er einen Angriff auf Kagome, die erschrocken einen Schritt zurückwich. Inu Yasha war sogleich aufgesprungen, um ihr zur Hilfe zu eilen, doch ahnte er, dass er sie nicht mehr rechtzeitig erreichen würde. Schon das Schlimmste vermutend, kam jedoch jemand anders Kagome im letzten Moment zur Hilfe. Denn Tobas magischer Wasserstrahl wurde abrupt zerstört und das versprengte Wasser verteilte sich nun wie bei einem kurzzeitigen leichten Regen über das Gelände. Kagome hatte die Augen reflexartig zusammengekniffen, doch als sie diese nun wieder öffnete, sah sie genau vor sich einen Pfeil im Boden stecken.

"Aber... Subaru-san...?", vermutete sie sofort.

Zugegeben doch überrascht von dieser Einmischung lenkte Toba seinen Blick nun auf das Dach des Schlosses, wo er auch gleich denjenigen entdeckte, der ihn bei seinem Vorhaben gestört hatte. Und wie Kagome es schon vermutet hatte, war es Subaru gewesen.

"Sieh an! Da will wohl noch jemand mitspielen, wie mir scheint", sagte Toba mit leicht hochgezogener Augenbraue. Doch obwohl eben genau Subarus rechtzeitiger Einsatz Kagome noch gerettet hatte, wirkte Inu Yasha im Nachhinein irgendwie missmutig, als er nun zu dem Youkai hoch schaute. Doch mindestens ebenso sehr beschäftigte es den Hanyou, wie man am besten gegen diesen Toba vorgehen konnte. Zumal war er wohl zumindest einigen der Inu-Youkai bekannt, demnach hatten sie zweifellos schon mal mit ihm zu tun gehabt. Aber in welchem Zusammenhang mochte das gewesen sein? Und wer oder was genau war Toba eigentlich?
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Ein dichter Wolkenschleier legte sich um die Spitzen der Berge im nördlichen Gebirge. Umringt von den in die Höhe strebenden Gebilden befand ich ein dunkles Schloss, dessen großer Hauptturm wie ein weiterer Berg in den Himmel emporzuragen schien. Um den Hauptturm kreisten hin und wieder einige drachenähnlichen Dämonen, wobei die Schläge ihrer mächtigen Schwingen in diesem bergigen Gebiet des Öfteren fast schon wie ein stetig aufeinander folgendes Grollen widerhallte. Doch die Gewohnheit war verantwortlich dafür, dass sich keiner hier daran störte. Es gab so ziemlich keinen Berg in unmittelbarer Nähe des Schlosses, an dem sich nicht mindestens vier oder fünf dieser Dämonen aufhielten. Manchmal stritten sie auch mit lautem Fauchen um die Plätze auf den Bergspitzen. Doch wagte keiner von ihnen, Takeshi von seinem momentanen Standort zu verjagen. Der Youkai saß auf einem Vorsprung von einem der Berge, in unmittelbarer Nähe der Bergspitze und beobachtete hin und wieder den einen oder anderen vorüber fliegenden Dämon.

"Takeshi-sama."

Als er seinen Namen hörte, drehte sich Takeshi entsprechend um und erblickte in etwa zwei Metern Entfernung neben sich einen seiner Kameraden, der mit Hilfe seiner Flügel mühelos in der Luft schwebte. Es sah aus, als würde er auf einem unsichtbaren Untergrund stehen.

"Renhou. Was ist los?", fragte Takeshi, wobei es aber auch ein wenig gleichgültig klang. Zwar entging Renhou das nicht, doch woran das lag, konnte er sich im Moment auch nicht erklären. Aber fragen wollte er Takeshi nicht danach, sondern antwortete ihm stattdessen auf seine Frage: "Es ist eigentlich nichts. Aber ich sehe Euch an, dass Ihr Euch über irgendetwas sehr viele Gedanken macht. Eurem Bruder ist dies übrigens auch nicht entgangen und ehrlich gesagt, hat er mich zu Euch geschickt."

"So? Warum kommt er denn nicht selbst?", fragte Takeshi zurück, woraufhin sein Gegenüber mit einem etwas eigenartigen Unterton entgegnete: "Weil er sich gerade wieder mit 'ihm' unterhält."

Sofort hatte Takeshi aufgehorcht. Er wusste gleich, wen Renhou mit "ihm" gemeint hatte. Unwillkürlich entwich dem Jüngeren ein leises Seufzen.

"Fühlt Ihr Euch nicht gut?", fragte Renhou daraufhin, doch Takeshi winkte ab.

"Nein. es ist alles in Ordnung", entgegnete er monoton und stand von seinem Sitzplatz auf. Sein Blick schweifte in die Ferne, doch außer von Wolken- und Nebelschleiern bedeckten Bergspitzen war momentan nicht zu sehen gewesen.

"Mir scheint, ziemlich bald dürfte es losgehen", meinte Renhou plötzlich, woraufhin Takeshi sich zu ihm umwandte.

"Was meinst du damit?", fragte er den Älteren.

Renhou legte nun seine linke Hand behutsam an einen Felsen, ehe er mit ruhiger Stimme antwortete: "Noch ist es eher schwach, aber ich spüre es ganz genau. Die Erde ist unruhig. Sogar bis hier oben ins Gebirge kann ich das spüren."

Takeshi musste sich eingestehen, auch er hatte ein merkwürdiges Gefühl. Ihm war so, als läge eine merkwürdige Anspannung in der Luft und das schon seit längerer Zeit.

"Und was sagen die anderen?", fragte Takeshi seinen Kameraden nach einem Moment, der antwortete: "Sie denken ähnlich darüber, allerdings weiß ich nicht, wie das bei Toba und Rokou der Fall ist."

"Inwiefern?"

"Nun, Toba ist seit gestern verschwunden und Rokou ebenso. Bisher konnte mir auch noch niemand sagen, wohin sie eventuell gegangen sind."

Takeshi wirkte nun doch ein wenig irritiert. Zwar waren Toba und Rokou zwar schon immer ein wenig eigenwillig gewesen, aber einfach sang- und klanglos zu verschwinden, passte doch wieder nicht so ganz zu ihnen. Zumindest Akuma musste wissen, wo sich die beiden gerade aufhielten. Takeshi entschloss sich daher, seinen Bruder ganz einfach direkt nach dem Aufenthaltsort der beiden zu fragen. Und so verließ er schließlich seinen Aufenthaltsort und flog in die Richtung des Schlosses. Renhou folgte dem Jüngeren noch eine Weile mit seinem Blick, blieb aber selbst dort, wo er war. Ihm war nicht entgangen, dass sich Takeshi in der letzten Zeit scheinbar sehr viele Gedanken um etwas machte und irgendwie ahnte Renhou auch, worüber er nachdachte. Da war Takeshi aber nicht der einzige gewesen, sollte Renhou mit seiner Vermutung richtig liegen. Eigentlich hatte das alles zu dem Zeitpunkt angefangen, seit dieser unbekannte Kerl hier aufgetaucht war. Woher er kam, wusste keiner und auch er selbst hatte sich nicht dazu geäußert. Doch allein schon sein Auftreten war Renhou gleich irgendwie merkwürdig vorgekommen. Er war in Begleitung von einer jungen Frau, einem kleinen Mädchen und eines menschlichen Jungen gewesen, als er bei Akuma und seinen Leuten vorgesprochen hatte. Über seinem Körper trug er ein weißes Pavianfell, dazu eine entsprechende Maske und hatte sich selbst mit dem Namen "Naraku" vorgestellt.

Eigentlich lag es Akuma fern, mit Fremdem zu kooperieren, doch hatte dieser Naraku ihm ein durchaus verlockendes Angebot gemacht. So bot er ihm etwa mehrere Splitter des so sehr begehrten Shikon no Tama an. Im Gegenzug sollte Akuma zusammen mit seinen Leuten lediglich dafür sorgen, dass Narakus alte Widersache ihm nicht mehr in die Quere kommen würden. Akuma war zwar nach einiger Überlegung auf diesen Handel eingegangen, doch Renhou war nach wie vor sehr skeptisch, was Narakus Vertrauensseligkeit anbelangte. Zudem war dieser Kerl lediglich ein Hanyou, das hatte so ziemlich jeder hier recht schnell bemerkt. Man hatte den Menschen in ihm durchaus wahrnehmen können, doch war er anders als die anderen Halbdämonen. Es gab etwas, was ihn von diesen unterschied, aber was genau das war, vermochte Renhou noch nicht zu sagen. Naraku war beim besten Willen ihm nicht ganz geheuer und so würde Renhou auch weiterhin ein wachsames und prüfendes Auge auf ihn haben.

Eine alte Rechnung

Noch immer hielt Toba die Anwesenden im Schloss auf Trab. Mittlerweile waren neben Karan unter anderem auch ihre Geschwister Touran, Shunran und Shuuran zu dem Geschehen dazu gestoßen. Doch Toba schien keiner von ihnen schon mal gesehen zu haben, ebenso wie umgekehrt. Dass sein letzter, auf Kagome gestarteter Angriff von Subarus Eingreifen gestört worden war, beunruhigte Toba aber auch nicht weiter. Überhaupt schien es in seinem Kampfverhalten so was wie eine Strategie überhaupt nicht zu geben. Aber anscheinend hatte er die auch gar nicht nötig, denn auch so war er wohl ein durchaus ernstzunehmender Gegner gewesen.

In der Zwischenzeit hatte sich Kimie wieder in soweit von ihrem unfreiwilligen, durch Toba verursachten Freiflug erholt, dass sie das jüngste Geschehen hatte mitverfolgen können, allerdings trug Sesshoumaru sie noch immer auf den Armen. Nun ließ er sie jedoch wieder runter.

"Und?", fragte sie ihn schließlich. "Hast du irgendeine zündende Idee, die uns weiterhelfen könnte?"

Doch anstatt eventuell auf die Frage zu antworten, ruhte Sesshoumarus Blick zunächst nur wortlos auf Toba. Was im Moment in seinem Kopf vorging, konnte Kimie nicht erahnen, doch wirkte er nicht gerade wohlgesinnt gegenüber dem fremden Youkai.

Plötzlich machte Sesshoumaru Anstalten, auf Toba zuzugehen, woraufhin Kimie ihren Blick abrupt zu Toukijin lenkte, welches noch an der Schlossmauer im Boden steckte, nachdem Sesshoumaru es fallen gelassen hatte, um Kimie sicher aufzufangen. Sofort versuchte das Mädchen, den Youkai zurückzuhalten: "Warte, Sesshoumaru! Willst du etwa ohne Toukijin gegen ihn kämpfen?"

Doch noch während sie dabei war, den Satz zu ende zu sprechen, verspürte Kimie auf einmal einen leichten Ruck an ihrer Hüfte und nahm zugleich ein Geräusch wahr, das klang, als würde ein Schwert aus der Scheide gezogen werden. Und kaum, dass sie entsprechend an sich heruntergeschaut hatte, schaute sie genau in Raidons leere Schwertscheide. Reflexartig hob sie ihren Blick sogleich wieder und sah, wie Sesshoumaru ihr Schwert nun in der Hand hielt, was er sich ungefragt einfach mal von ihr ausgeliehen hatte, und ohne groß herumzufackeln, griff er Toba damit auch schon an und zwar mit einem Raigeki.

Von dem hellen Licht auf Sesshoumaru aufmerksam geworden, hatte sich Toba sogleich entsprechend umgewandt, sah aber nur noch den grellen Blitz auf sich zusteuern. Die Umherstehenden mussten unwillkürlich ihre Blicke abwenden, so hell war das Licht gewesen, und es schien auch eine ganze Weile nicht mehr verschwinden zu wollen. Nachdem es aber letztendlich doch wieder verschwunden war, hoben alle ihre Blicke wieder. Allerdings schien Toba nunmehr wie vom Erdboden verschluckt gewesen zu sein.

"Er... ist verschwunden?", fragte sich Kagome verwundert, während Kimie noch immer völlig gebannt zu Sesshoumaru starrte. Das Raigeki, was er eben mit Raidon eingesetzt hat, war bestimmt zehn Mal so heftig gewesen wie das, das Kimie bisher eingesetzt hatte. Ihre Angriffe mit dem Schwert schienen neben dem von Sesshoumaru nunmehr nur noch ein Fall für Klosterschwestern gewesen zu sein.

"Irgendwie komme ich mir gerade ein wenig überflüssig vor... Das ging ja eben ziemlich schnell", murmelte sie schließlich in sich hinein, als sie kurz darauf völlig überraschend die Stimme von Rin fragen hörte: "Was ist denn los? Warum ist es hier draußen so laut?"

Als Kimie sich entsprechend umgedreht hatte, sah sie das kleine Mädchen auf der Veranda vor ihrem Zimmer stehen und neugierig auf den Innenhof hinunterschauen. Der Lärm musste sie zuvor aufgeweckt haben.

"Es ist alles wieder in Ordnung, Rin!", rief Kimie ihr nach einem Moment zu. "Wir hatten nur ungebetenen Besuch. Aber das hat sich jetzt wohl auch wieder erledigt."

"Was hast du denn auch erwartet?", fragte nunmehr die ziemlich belehrend klingende Stimme von Jaken, der zuvor ebenfalls dazugekommen war und nun mit triumphierendem Blick und geschulterten Kopfstab an dem Mädchen vorbei schritt. "Sesshoumaru-sama kann eben mit jeder Waffe hervorragend umgehen und dir hat er endlich mal gezeigt, wie man das Schwert, das er dir einst überließ, richtig einsetzt!"

Entnervt verdrehte Kimie die Augen. "Blas dich nicht so auf, Jaken! Du tust ja gerade so, als hättest du diesen Toba erledigt. Und wenn du deine Nase weiterhin so hoch trägst, regnet's da am Ende womöglich noch rein."

Sofort sah Jaken wieder rot. "Unverschämtes Weib!", schimpfte er sofort wieder los. "Du hast es gerade nötig, so daherzureden! Dabei hast du Sesshoumaru-sama gerade noch direkt vor seinen Augen schamlos hintergangen!"

"Wie bitte?" Kimie verstand im ersten Moment gar nicht, was Jaken damit gemeint hatte, doch dann wurde es ihr schlagartig klar. Er hatte sie auf Tobas Kuss angesprochen. Der Krötendämon musste diese Situation zuvor irgendwie mitbekommen und mit angesehen haben. "Argh! Halt doch die Klappe, Jaken!", keifte Kimie sofort ziemlich aufgebracht. "Du stellst das Ganze ja so hin, als hätte ich darum gebettelt, dass der Kerl mich küsst! Nur zu deiner Information: Er hat das von sich aus ge...!"

"Aaah!"

Kimie brach abrupt ab, denn Rins erschrockener Aufschrei hatte sie und auch die anderen schlagartig aufgeschreckt. Und als alle Anwesenden ihre Blicke auf die Veranda zu dem kleinen Mädchen hinaufrichteten, fanden sie dieses in der Gewalt von Toba wieder, der zunächst nur als eine, scheinbar aus Wasser bestehende Gestalt zu sehen gewesen war, ehe das Wasser kurz darauf verschwand und den Youkai nun wieder in seiner eigentlichen Gestalt preisgab.

"Na, na, wer wird sich denn hier streiten wollen?", fragte er herablassend an Kimie und Jaken gerichtet, während er Rin mit einem Arm festhielt. Das kleine Mädchen versuchte, sich aus dem Griff zu befreien, war aber natürlich zu schwach gewesen. "Helft mir bitte, Sesshoumaru-sama!", flehte Rin hilflos, doch wie sollte Sesshoumaru jetzt eingreifen, ohne sie dabei in Gefahr zu bringen? Nichts desto trotz spannte Subaru, der sich in der Zwischenzeit zu den anderen auf den Schlosshof gesellt hatte, nun einen neuen Pfeil auf seinen Bogen und zielte mit diesem genau auf Toba, dem diese Aktion nicht entgangen war.

"Das würde ich an deiner Stelle lassen", mahnte er den Inu-Youkai mit einem niederträchtigen Lächeln und platzierte die Krallen seiner freien rechten Hand unmittelbar vor Rins Gesicht. "Oder soll ich der Kleinen hier etwa unnötig wehtun?"

Die Krallen von Toba direkt vor sich sehend, verharrte Rin mit einem Mal wie unter Schock. Sofort hatte Subaru in seiner Bewegung inne gehalten und senkte seine Waffe sogleich wieder.

"So ein elender Feigling!", sagte Sango wütend, während ihr Blick auf Toba ruhte. "Ein Kind als Schutzschild zu missbrauchen. Auf so was kann wohl wirklich nur jemand wie der kommen!"

"Aber wo ist der denn auf einmal wieder hergekommen?", fragte Inu Yasha nun und war in der Hinsicht wohl nicht minder irritiert gewesen als die anderen. Denn sie alle waren schließlich davon ausgegangen, Sesshoumaru hätte Toba zuvor erledigt.

Toba selbst schien die Ruhe selbst zu sein. "Nun, das ist eine meine überaus nützlichen Fähigkeiten", antwortete er schließlich auf die Frage von Inu Yasha. "Ich habe es mir erlaubt, dem Angriff von Sesshoumaru zu... Sagen wir mal, zu entwischen. Auf meine Art und Weise versteht sich."

"Gib gefälligst nicht so an!", rief nunmehr Miyuki, die sich ebenfalls zuvor zusammen mit Ashitaka und Tôya zu den anderen gesellt hatte, dem Youkai erbost zu. "Egal, was du drauf hast, früher oder später bist du ohnehin fällig! Denn hier kommst du auf jeden Fall nicht mehr weg! Denn der Bannkreis, den Ashitaka um das Schloss herum errichtet hat, verhindert jegliches Eindringen von Außen oder Entkommen von Innen, es sei denn, man gehört zum Clan der Inu-Youkai. Doch es liegt wohl außer Frage, dass du keiner von uns bist!"

Doch auch für das Dämonenmädchen hatte Toba nur einen reichlich herablassenden Blick übrig. "Eine wirklich überaus nette Ansprache, Süße, aber das ist doch alles nur heiße Luft", meinte er. "Oder fragt ihr euch etwa gar nicht, wie ich es dann überhaupt geschafft habe, eurem Schloss so nahe zu kommen? Wenn wirklich jeglichen Eindringen von Außen verhindert wird, wie bin ich dann bitte hier hergekommen?"

Aber auf diese Frage hatte im Moment ehrlich gesagt keiner plausible Antwort parat gehabt. Toba registrierte das sichtlich amüsiert. "Ihr Narren habt meine Anwesenheit die ganze Zeit über nicht bemerkt. Habe ich Recht?", fragte er prüfend und schien seine momentane Überlegenheit wirklich in vollen Zügen auskosten zu wollen. "Aber woher solltet ihr auch wissen, dass ich schon seit eurem gestrigen Kampf hier war? Wasser erregt eben keine sonderlich große Aufmerksamkeit, sofern es sich dort befindet, wo man es ohnehin erwartet. Ach, übrigens: Einen netten Teich habt ihr da hinten im Garten."

Für einen kurzen Augenblick herrschte verdutztes Schweigen, doch dann wagte Inu Yasha genau das auszusprechen, was auf diesen Hinweis hin wohl nicht nur ihm im Kopf herumgegeistert war: "Nee, oder? Der hat sich doch nicht etwa im Teich versteckt!?"

Doch Tobas selbstsicheres Lächeln zeigte allen, dass der Hanyou mit seiner Vermutung Recht gehabt hatte.

"Das heißt also, er kann sich wirklich selbst in Wasser verwandeln und so seinen Körper diesem anpassen und so ist es praktisch unmöglich, ihn aufzuspüren", erkannte Miroku, der von Tobas Angriff noch immer etwas angeschlagen gewesen war. Nach wie vor war Sango bei ihm.

Tobas Blick richtete sich nun auf den Mönch. "Das hast du richtig erkannt, Houshi! Ich habe mich schon gefragt, wann ihr dahinter kommen würdet."

"Mann! Deine selbstgefällige Art kotzt mich echt an!", knurrte Inu Yasha wütend und deutete mit Tessaigas Klinge auf den feindlichen Youkai. "Aber egal! Früher oder später kriegen wir dich dran und dann werden dir auch deine Wasserspielchen nicht mehr weiterhelfen! Verlass dich drauf!"

"Willst du mir etwa drohen, Hanyou?", fragte Toba herausfordernd. "Nur zu! Greif mich ruhig an, wenn du dich traust. Und sofern du natürlich keine Hemmungen davor hast, der Kleinen hier Schaden zuzufügen."

Damit präsentierte er Inu Yasha und den anderen Anwesenden erneut die kleine Rin, als wollte er sie zur Schau stellen. Dem kleinen Mädchen standen die Angst und die Panik förmlich ins Gesicht geschrieben. Und bei näherer Betrachtung erkannte Kimie gleich, dass Sesshoumaru ihr sicherlich ohne zu zögern geholfen hätte, doch konnte er im Moment keinen Angriff starten. Denn die Gefahr, dass Rin dabei entweder durch Toba oder durch den rettenden Angriff verletzt werden würde, war zu groß gewesen.

"Die Kleine da erwähnte doch eben einen Bannkreis, nicht wahr?", fragte Toba plötzlich in die Runde und deutete mit einem Nicken auf Miyuki. "Wer auch immer dieser Ashitaka sein mag, er möge doch bitte hervortreten und diesen Bannkreis auflösen. Durch Wände gehen, ob nun unsichtbare oder nicht, kann ich bei aller Liebe schließlich auch wieder nicht. Und ihr wollt doch nicht, dass mir bei der Kleinen hier eventuell doch noch die Hand ausrutschen könnte, oder?"

Und schon wieder bedrohte er Rin mit seinen Krallen. Sich das alles mit ansehend, ballte Kagome wütend die Hand zur Faust. "Du bist so ein mieser Feigling!"

Ungeachtet von Kagomes Worten ließ Toba abwartend seinen Blick schweifen. Es vergingen zwar ein paar Sekunden, doch dann trat schließlich Ashitaka hervor und gab sich zu erkennen: "Ich bin es gewesen, der den Bannkreis errichtet hat. Ich bin Ashitaka."

Toba registrierte das äußerst wohlwollend. "Sieh an! Schön, dass du dich so schnell gemeldet hast. Also, wärst du nun so freundlich und würdest den Bannkreis auflösen?"

Wortlos, aber mit einem, für ihn doch sehr ungewöhnlich finsteren Blick, hob Ashitaka nun seine rechte Hand, woraufhin sich der Bannkreis an einer Stelle soweit auflöste, dass letztendlich ein ausreichend großes Loch entstanden war. Mit einem Schlag seiner Schwingen erhob sich Toba nunmehr in die Lüfte und steuerte auf eben dieses Loch zu.

"Vielen herzlichen Dank auch", sagte er noch hämisch an Ashitaka gerichtet. "Dann verabschiede ich mich erstmal wieder von euch. Aber keine Sorge, wir werden uns schon sehr bald wieder begegnen. Und das hier gebe ich euch nunmehr mit Freuden zurück."

Und mit diesen Worten ließ er Rin einfach aus der Höhe fallen. Erschrocken schrie das kleine Mädchen auf, doch wurde es kurz darauf sicher von Sesshoumaru noch in der Luft aufgefangen, der anschließend leichtfüßig wieder auf dem Boden landete.

"Vielen Dank, Sesshoumaru-sama!", sagte Rin erleichtert an den Youkai gewandt, doch hielt sie sich noch einen Moment an ihm fest. Der Schrecken saß ihr noch etwas in den Gliedern und auch Sesshoumaru schien kein Problem damit zu haben, das kleine Mädchen noch einen Augenblick auf seinem Arm zu halten. Innerlich war auch er wohl erleichtert darüber gewesen, dass ihr nichts zugestoßen war.

Unterdessen hatte Inu Yasha als einer der ersten mitbekommen, dass sich Toba nicht mehr unter ihnen befand. "Argh! Er ist echt abgehauen, dieser verdammte Feigling! Dieser Mistkerl!"

"Sollen wir ihn verfolgen?", fragte Tôya sogleich an Sesshoumaru gerichtet, doch dieser antwortete nur im kühlen Ton: "Nein, lasst ihn gehen."

Sesshoumaru sah keinen Sinn darin, Toba hinterher zu jagen. Seine Flugfähigkeit würde ihm bei einer Verfolgungsjagd nur Vorteile verschaffen und zudem würde er früher oder später wohl ohnehin wieder hier auftauchen. Zwar schien insbesondere Inu Yasha über die Anweisung seines Halbbruders nicht ganz glücklich gewesen zu sein, aber was sollte er schon groß tun? Toba war weg und auch nicht mehr zu sehen gewesen. Er konnte überall hin verschwunden sein. Und so steckte der Hanyou unverrichteter Dinge sein Schwert wieder ein. Doch hinsichtlich Toba kam ihm sogleich wieder etwas in den Sinn und so wandte er sich nun an Kakeru: "Hey, Kakeru! Du nanntest diesen Kerl vorhin 'Toba'. Das heißt ja wohl, dass du ihn kennst und er scheint dich ja auch zu kennen. Also, wer ist der Typ?"

Kakeru, der inzwischen oberhalb der Treppe vor den Eingangstüren des Schlosses stand, wirkte auf diese Frage hin mit einem Mal sehr ernst. Alle Blicke waren im Moment auf ihn gerichtet.

"Ich hatte schon seit dem Kampf gestern dieses eigenartige Gefühl", begann er schließlich zu sprechen. "Ich hatte zwar gehofft, ich würde mich irren, aber dem ist nicht so. Das ganze ist eine längere Geschichte und sie liegt auch schon eine ganze Weile zurück. Sie fand noch vor Eurer Geburt statt, Sesshoumaru-sama."

Bei dem letzten Satz hatte Sesshoumaru sofort aufgehorcht. Etwas in der Art hatte Kakeru ihm schon in der Nacht zuvor erzählt. Nach einem Augenblick richtete Kakeru das Wort wieder an alle Anwesenden: "Der Youkai eben, Toba, er gehört einem Youkai-Clan an, mit dem unser Clan schon einmal zu tun hatte. Er ist ein..."

Doch er musste abrupt abbrechen, als Inu Yasha plötzlich völlig unvorhergesehen mit seiner Hand auf seine eigene Wange einschlug.

"Was ist los, Inu Yasha?", fragte Kagome sichtlich verdutzt, als sie und auch die anderen kurz darauf diese gequälte Stimme hörten: "Mir ist so schwindelig..."

Und ein Blick auf Inu Yashas Handfläche bestätigte den Verdacht des Mädchens sofort. "Myouga-jii-chan!? Wo kommst du denn auf einmal her?"

Der noch reichlich geplättete Flohgeist rappelte sich nur wieder auf und begrüßte die Umherstehenden und natürlich insbesondere Inu Yasha: "Es ist zwar schon ein Weilchen her, aber ich bin trotzdem erfreut, Euch und auch Eure Freunde wieder zu sehen, Inu Yasha-sama." Dann ließ er ein wenig den Blick schweifen. "Es ist wirklich schon lange her, dass ich das letzte Mal hier war, oh ja."

Während sich Myouga so umsah, fiel ihm dabei schließlich auch Kimie ins Auge. Im ersten Moment schien er sichtlich überrascht gewesen zu sein. "Oh! Wenn das nicht Kimie ist! Du bist also wieder zurückgekommen. Es freut mich, auch dich wieder zu sehen. Du erlaubst doch?"

Und damit sprang der Flohgeist auch schon direkt auf Kimies Wange und wollte sich sogleich etwas Blut von ihr holen, doch da hatte sie ihn schon mit einem gezielten Schlag ein zweites Mal geplättet. Als Kimie daraufhin wieder auf ihre Handfläche schaute, lag einen ziemlich angeschlagener Myouga auf dieser.

"Auch schön, dich wieder zu sehen, Myouga, aber was machst du überhaupt hier?", fragte sie ihn nun, woraufhin er wieder auf die Beine kam und betont antwortete: "Was für eine Frage! Ich habe doch immerhin einen Großteil meines Lebens hier verbracht."

"Aber seit du das letzte Mal hier warst, ist viel Zeit vergangen, Myouga-jii", warf Tôya nunmehr ein und schien über das Auftauchen des Flohgeistes nicht minder verblüfft gewesen zu sein, als auch die anderen anwesenden Inu-Youkai. Denn seit Inu no Taishous Tod war Myouga nicht wieder im Schloss gewesen. Umso größer schien im Nachhinein aber die Wiedersehensfreude bei dem Flohgeist gewesen zu sein. "Dennoch bin ich überaus erfreut, Euch und auch die anderen wieder zu sehen, Tôya-sama."

Myouga ließ es sich nicht nehmen, auch die anderen anwesenden Inu-Youkai nach all der Zeit ausgiebig zu begrüßen, wobei ihm die Tatsache, dass sogar die Panther-Dämonen hier gewesen waren im ersten Moment doch sehr erstaunte.

"Jetzt aber mal raus mit der Sprache, Myouga-jijii!", unterbrach Inu Yasha die Begrüßung nach dem Wiedersehen sehr rasch wieder. "Ich glaube nämlich nicht, dass du zum Plaudern und Erinnerungsaustausch hergekommen bist."

"Das ist in der Tat richtig, Inu Yasha-sama", bestätigte der Flohgeist den Hanyou sogleich. "Ich muss euch allen nämlich etwas sehr wichtiges mitteilen. Und nachdem ich zudem erfahren habe, dass Ihr und eure Freunde ebenfalls hier seid, habe ich mich noch mehr beeilt, hier herzukommen. Ich kam hier an, gerade als dieser Toba sich zu erkennen gegeben hat und nachdem Ashitaka-sama seinen Bannkreis eben kurz geöffnet hat, habe ich die Gelegenheit sogleich genutzt und bin zu euch gesprungen."

Inu Yasha zog skeptisch eine Augenbraue hoch. "Und natürlich hast du sicherlich erstmal abgewartet, bis dieser Toba wieder weg war, oder?"

Doch auf diese Frage hin tippte Myouga zunächst nur etwas verunsichert die Finger seiner oberen beiden Arme aneinander. "Nun ja... Was soll ich darauf antworten? Ich hätte euch im Kampf gegen ihn doch eh nicht helfen können, oder?"

"Hm! Wer hätte das gedacht?", hörte man plötzlich eine Stimme mit einem leicht amüsierten Unterton fragen, als kurz darauf Seshiru hinter dem Hauptgebäude des Schlosses um die Ecke gebogen kam. Ob er schon die ganze Zeit da gewesen war und das vorangegangene Geschehen sozusagen als stiller Beobachter mitverfolgt hatte, wusste aber niemand so genau. "Dass ausgerechnet Toba hier auftauchen würde... Schon irgendwie überraschend. Aber ich hatte ihn eigentlich etwas anders in Erinnerung. Nicht so... stark."

"Was erzählst du da wieder für ein Zeug?", fragte Tôya sogleich äußerst schroff und obwohl Myouga durch die Anwesenheit von Seshiru erneut recht überrascht wirkte, warf er auf Tôyas Frage hin sofort ein: "Also, ich denke, dass kann ich euch allen wohl so ziemlich mitunter am besten erklären."
 

Toba hatte die zeitweilige Aufregung um Rin genutzt und sich durch das Loch im Bannkreis schleunigst seinen Weg nach draußen verschafft. Nachdem er das Schloss ein wenig hinter sich gelassen hatte und sichergehen konnte, dass er nicht verfolgt worden war, landete er erstmal auf dem Ast eines Baumes und schaute noch einmal zu dem Schloss zurück. Ein zufriedenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. "Das war doch für den Anfang schon mal recht amüsant. Ich muss ehrlich zugeben, diese neu gewonnenen Fähigkeiten sagen mir sehr zu."

"Du hast auch erstaunlich schnell gelernt, sie wirkungsvoll einzusetzen, Toba."

Als Toba durch diese plötzliche Ansprache registriert hatte, dass er nicht allein gewesen war, schaute er sich kurz um und entdeckte kurz darauf auch schon denjenigen, der ihn eben angesprochen hatte. Er erkannte ihn sofort, denn sie beide gehörten dem selben Youkai-Stamm an.

"Du bist es, Rokou! Hast du deinen Auftrag etwa schon erledigt?", fragte Toba neugierig.

Rokou, der sich praktisch nur einen Baum weiter einen Sitzplatz ausgesucht hatte, antwortete wie selbstverständlich: "Sicher! Und ich hatte durchaus meinen Spaß. Aber anstatt gleich zum Schloss zurückzufliegen, wollte ich mal nachsehen, was du so treibst. Und wie sah 's bei dir nun so aus?"

Doch bevor Toba eventuell auf diese Frage antworten konnte, hatte Rokous Gesicht mit einem Mal einen etwas merkwürdigen und skeptischen Ausdruck angenommen, während er seinen Gegenüber so ansah. Toba zog prüfend eine Augenbraue hoch und fragte ebenso: "Was ist? Was guckst du so?"

Daraufhin rümpfte Rokou kurz die Nase, ehe er ohne Scheu antwortete: "Du stinkst nach Mensch! Genauer gesagt, nach einem Menschenweib und auch nach einem Kind."

Jetzt fiel es Toba wie Schuppen von den Augen, doch winkte er nur mit einem amüsierten Lächeln ab. "Ach, das meinst du. Das war nur ein kleines Spiel und das Kind brauchte ich, um mir einen Weg aus dem Bannkreis, der das Schloss umgab, zu verschaffen."

Ein etwas entnervtes Seufzen war nun von Rokous Seite zu hören gewesen. "Also echt! Was du mit dem Kind gemacht hast, kann mir ja eigentlich egal sein, ebenso wie alles andere, aber du bist wirklich unmöglich!", tadelte er Toba. "Ich dachte, du hättest mindestens soviel Achtung vor dir selbst, dass du wenigstens um Menschenweiber einen Bogen machen würdest, du Schwerenöter. So was ist doch nun wirklich nichts für einen wahren Youkai. Und überhaupt, leg dich endlich mal fest! Deine Frauengeschichten übersteigen ja mittlerweile jegliche Vorstellungskraft und mich nerven sie ehrlich gesagt so langsam..."

"Jetzt komm mal wieder runter!", entgegnete Toba mit einem Schulterzucken. "So eine großartige Sache war das schließlich nicht. Aber du könntest das ruhig auch mal versuchen."

Doch da biss er bei Rokou scheinbar auf Granit. "Nee, danke!", meinte dieser nur sofort. "Für so was habe ich nun wirklich keinen Bedarf! Weiber sind mir zu anstrengend und außerdem haben die an allem immer etwas auszusetzen und rumzumeckern."

"Ach! Dabei kann weibliche Gesellschaft auch so unterhaltsam sein. Du weißt ja gar nicht, was dir alles entgeht."

Auf diese Entgegnung von Toba hatte Rokou aber auch nur wieder einen eher desinteressierten Blick übrig. "Was ich nicht kenne, kann ich auch nicht vermissen", meinte er unbeeindruckt und stand auf. "Kehren wir besser zum Schloss zurück und erstatten Akuma-sama Bericht. Er wartet sicher schon auf uns."

"Wie du meinst."

Damit breiteten die beiden Dämonen ihre Schwingen aus und erhoben sich in die Lüfte, um auch gleich den Weg nach Norden einzuschlagen.
 

Kurz nachdem Myouga aufgetaucht war, hatte sich die Aufregung über Tobas Auftauchen auch wieder etwas gelegt. Zusammen mit der Gruppe um Inu Yasha und Sesshoumaru, sowie Ashitaka, Tôya, Miyuki, Subaru, Kakeru und Seshiru befand sich der kleine Flohgeist nun in einem der Räumlichkeiten des Schlosses, wo sich die Truppe in einem Kreis um Inu Yasha, auf dessen Schulter Myouga schon die ganze Zeit saß, geschart hatte. Lediglich Sesshoumaru stand etwas abseits mit dem Rücken an der Wand gelehnt und auch Subaru und Seshiru hatten sich etwas von den anderen abgesondert, hörten dem Gespräch aber dennoch ganz genau zu. Allerdings standen sie natürlich nicht zusammen.

"Dann lass mal hören, Myouga-jijii. Was kannst du uns so über diesen Toba erzählen?", fragte Inu Yasha den kleinen Flohgeist schließlich.

Myouga räusperte sich einmal, ehe er zu erzählen begann: "Also, um das ganze etwas verständlicher zu machen, muss ich etwas weiter ausholen. Dieser Toba gehört einem, in der Vergangenheit sehr gefürchteten Youkai-Stamm an, den Ryû-Youkai (Ryû/Ryuu = Drache). Sie können die Gestalt von Drachen annehmen und andere Drachen oder drachenähnliche Dämonen, die keine menschenähnliche Gestalt annehmen, nach Belieben kontrollieren. Und die Dämonen, die das Schloss schon gestern angegriffen haben, gehörten dazu. Allerdings hat man seit gut 1000 Jahren nichts mehr von den Ryû-Youkai gehört und selbst ich dachte noch bis vor kurzem, dieser Clan hätte sich längst wieder aus dem Staub gemacht. Aber stattdessen haben sie sich in den Bergen im Norden eingenistet."

"Wie? Seit 1000 Jahren?", fragte Shippou verblüfft nach. "Was ist denn damals passiert?"

"Das ist in der Tat eine alte Geschichte", antwortete Myouga ernst und verschränkte seine vier Arme vor der Brust. "Kakeru-sama hat es ja vorhin schon kurz angedeutet. Damals griffen die Ryû-Youkai die westlichen Länder an, um sie unter ihre Kontrolle zu bringen. Es war daher unvermeidlich, dass sie somit auch auf den Clan des verehrten Vaters von Inu Yasha-sama und Sesshoumaru-sama treffen würden. Und so kam es, wie es kommen musste: Die beiden Clans begegneten sich und es entbrannte ein gefährlicher und erbarmungsloser Kampf. Auf beiden Seiten gab es zahlreiche Verluste, doch letztendlich besiegte Oyakata-sama den damaligen Anführer der Ryû-Youkai, somit war der Erfolg auf unserer Seite und der Sieg in unseren Händen."

Myouga hatte diese Geschichte voller Begeisterung erzählt. Es war unübersehbar gewesen, dass er nach wie vor sehr große Stücke auf seinen ehemaligen Herrn hielt. Jedoch wirkte Inu Yasha eher wenig angetan von alldem. Er stützte nur müde die Hand auf dem Kopf ab und murmelte: "Mein Alter hat ja oft ziemlich viel Stress gehabt, wie mir scheint..."

Sofort war Myouga aufgesprungen und hüpfte protestierend auf der Schulter des Hanyou herum. "Seid gefälligst so gehässig, Inu Yasha-sama! Dafür ist jetzt nun wirklich keine Zeit!"

"Ja, ja, komm wieder runter...", entgegnete Inu Yasha nur im selben Tonfall wie schon zuvor.

Unterdessen hatte Kagome nachdenklich den Blick etwas gesenkt. "Hmm... Irgendwie scheinen viele Dämonen, auf die wir treffen oder die wir bisher schon getroffen haben, in einem alten Konflikt mit eurem Clan zu stehen", sagte sie.

Myouga wandte sich daraufhin dem Mädchen zu: "Na ja, was soll ich dazu sagen? Es ist schließlich nichts Ungewöhnliches daran, wenn Dämonen untereinander um die eigene Machterweiterung und so was kämpfen. Viele streben nun mal nach mehr Macht und größerer Stärke, und die Größe eines Gebiets, über das ein Youkai herrscht, spielt dabei keine unbedeutende Rolle. Bedenkt, dass Oyakata-sama der Herr der gesamten westlichen Region war, von daher waren diese Ländereien selbstverständlich immer wieder Ziel anderer Youkai-Stämme."

Für einen kurzen Augenblick herrschte Schweigen im Raum, als ob die Anwesenden das, was Myouga ihnen eben erzählt hatte, noch mal gedanklich abspielten. Mit einem mal mischte sich jedoch Seshiru ein, der etwas abseits von den anderen stand: "Hm! Wer hätte das gedacht? Akuma ist also tatsächlich wieder aufgetaucht."

Sofort hatten alle aufgehorcht und sich zu dem Youkai umgewandt.

"Hä? Wer ist denn bitte dieser Akuma?", fragte Shippou neugierig, woraufhin Myouga ihm und den anderen erklärte, dass es sich dabei um den jetzigen Anführer der Ryû-Youkai handelte.

Seshirus Bemerkung brachte Ashitaka nunmehr jedoch dazu, eine Frage an seinen Kameraden zu richten: "Sag mal, Seshiru, du warst an dem Kampf vor 1000 Jahren doch auch bestimmt beteiligt, oder?"

Seshiru nickte einmal, ehe er mit einem etwas heimtückischen Lächeln, wobei er die anderen jedoch nicht anschaute, antwortete: "Sicher. Und eines könnt ihr mir glauben. Akuma allein ist bestimmt nicht eurer größtes Problem. Ich hörte vor einiger Zeit nämlich etwas über die fünf Elementardrachen, auch Hüter genannt. Tja, man bekommt eben so einiges mit, wenn man als Verbannter durch die Gegend zieht."

"Wie bitte? Hüter? Und dann auch noch gleich fünf?!", rief Shippou entsetzt aus und griff sich an den Kopf. Die Aussicht, auf noch mehr starke Gegner zu treffen, sagte dem kleinen Kitsune überhaupt nicht zu.

Hingegen wirkte Inu Yasha wie üblich wenig beeindruckt. "Wie spannend...", sagte er nur monoton. "Und wer sind die bitte?"

Und wieder war es Myouga, der dem Hanyou die Antwort auf seine Frage gab: "Nun, das sind die fünf Ryû-Youkai, die mitunter die stärksten Krieger ihres Clans sind, Akuma mal ausgenommen. Einer allein verfügt schon über eine sehr große Kraft, aber alle fünf zusammen können eine heillose Katastrophe anrichten. Jeder dieser Youkai verfügt nämlich über die Kraft, über ein Element zu gebieten. Und diese Elemente sind Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser."

Bei der Erwähnung der fünf Elemente wurde Kagome abrupt hellhörig. "Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Das hat doch was mit der chinesischen Philosophie von Yin und Yang zu tun, oder?", fragte sie den Flohgeist, der sogleich nickte, woraufhin Miroku einwarf: "Und ich nehme mal, dass dieser Toba einer dieser fünf Youkai ist. Ist es nicht so, Myouga-sama?"

"Ja, das ist richtig. Und er gebietet wie kein anderer über das Wasser. Das wäre übrigens auch das Thema gewesen, was ich als Nächstes angesteuert hätte."

Das erklärte natürlich so einiges, zeitgleich machte sich kurzzeitig aber auch nachdenkliches Schweigen breit, welches aber auch recht schnell wieder von Inu Yasha gebrochen wurde.

"Jetzt macht euch mal nicht ins Hemd!", forderte er die anderen auf. "Wenn diese Typen wirklich solche großen Nummern sein sollen, dann verratet mir doch mal, warum haben die denn damals den Kampf verloren und mussten sich verkriechen?"

"Nehmt das bloß nicht auf die leichte Schulter, Inu Yasha-sama!", mischte sich Myouga wieder ein. "Immerhin hatten die Ryû-Youkai gut 1000 Jahre Zeit, sich auf den erneuten Kampf vorzubereiten. Sie werden die Zeit wohl kaum dazu genutzt haben, nur herumzusitzen. Und außerdem verfügten die fünf Hüter - oder auch Wächter - damals noch gar nicht über die Kraft, die sie heute haben. Jetzt sind sie sehr gefährliche Gegner!"

Kaum hatte Myouga seinen Satz beendet, erhob Kimie jedoch abwehrend die Hände. "Moment mal, das kapier' ich jetzt nicht. Das ging mir gerade etwas zu schnell. Was soll das bedeuten, sie verfügten damals noch nicht über die Kraft, die sie heute haben?", fragte das Mädchen noch mal genauer nach.

Myouga setzte sich daraufhin wieder auf Inu Yashas Schulter hin und verschränkte erneut mit einem ernsten Gesichtsausdruck die Arme vor der Brust, ehe er ihr und den anderen zu erzählen begann: "Hört zu! Es ist so: Eine alte Legende erzählte davon, dass irgendwann fünf Mitglieder des Clans der Ryû-Youkai dazu ausgewählt werden, jeweils die Kraft eines der fünf Elemente ihr eigen zu nennen, um somit zu den fünf Wächtern ihres Clans zu werden. Wann jedoch dieser Zeitpunkt kommen würde, war nicht klar. Aber es scheint, als wäre diese Legende wirklich wahr, und jetzt sind die fünf Hüter tatsächlich erwacht. Es ist jetzt sicher nur noch eine Frage der Zeit, bis der ganze Clan hier im Schloss aufkreuzen wird."

Nachdem Myouga geendet hatte, wandte Sango ihren Blick zu dem kleinen Flohgeist um. "Aber warum haben sie die westlichen Länder schon vor 1000 Jahren angegriffen, wenn sie damals noch nicht so stark gewesen sind?", fragte sie und wahrscheinlich ging ihr diese Frage nicht als einzige durch den Kopf.

Aber eine wirklich einleuchtende Antwort darauf schien selbst Myouga nicht einfallen zu wollen. Stattdessen meinte er nur: "Keine Ahnung. Wahrscheinlich schlechte Planung, mangelndes Vorausdenken oder Selbstüberschätzung oder so was. Aber es ist schon irgendwie eigenartig, dass die Ryû-Youkai nach ihrer doch sehr heftigen Niederlage nicht einfach wieder zurück nach China gegangen sind."

"Wie? Diese Typen sind chinesische Youkai?", fragte Inu Yasha verdutzt.

Myouga nickte erneut. "Genau. Bevor er die westlichen Länder angriff, hatte der Anführer der Ryû-Youkai zusammen mit seinem Sohn Akuma und dem Clan die bergigen Regionen Chinas bewohnt. Irgendwann kamen sie jedoch hierher und forderten die Herrschaft über dieses Land."

"Aha, China also...", murmelte Kimie leise in sich hinein. "Daher dann wohl auch der Kleidungsstil von diesem Toba. Aber wenn diese Youkai eigentlich aus China kommen, dann verstehe ich da etwas nicht so ganz... Der Name Akuma ist doch japanisch und bedeutet wörtlich übersetzt Teufel."

"Der Name scheint zu ihm zu passen, wenn ich da an seine Dämonen denke...", meinte Shippou beunruhigt, während er sich nicht nur an Toba, sondern auch die geflügelten drachenähnlichen Dämonen vom Vortag zurückerinnerte. "Und dieser Kerl ist bestimmt noch viel schlimmer. Mir gruselt's richtig, wenn ich nur an ihn denke, obwohl ich ihn noch nie zuvor gesehen habe."

Doch Kimies zuvor eingeworfener Einwand brachte unter anderem auch Kagome zum Nachdenken. Schließlich schaltete sich Myouga wieder ein: "Nun, diese Namenssache diente wohl lediglich der Anpassung und da sich die Ryû-Youkai in den letzten 1000 Jahren hier ja sozusagen eingenistet haben, ist es nicht verwunderlich, wenn mehrere von ihnen dementsprechend ihre Namen ein wenig geändert haben oder schon von vornherein japanische Namen tragen. Vielleicht hat das sogar mit dazu beigetragen, dass ihre fortdauernde Anwesenheit so lange unbemerkt oder unbeachtet geblieben ist. Allerdings sollten wir uns alle wohl mehr Gedanken um eine andere Sache machen. Denn Akuma ist natürlich nicht der Einzige seines Stammes, wie ich ja bereits erwähnte. Und mit einem der fünf Hüter habt ihr ja schon Bekanntschaft gemacht. Lange wird es sicher nicht mehr dauern, dann begegnet ihr auch den anderen."

Diese Aussicht löste erneut einen Moment der Stille aus. Die einzigen Anwesenden im Raum, die schon mal mit den Ryû-Youkai zu tun gehabt hatten, waren Kakeru und Seshiru gewesen. Sogar Sesshoumaru war ihnen zuvor noch nicht begegnet und so mancher der anderen hatte wohl auch noch keine wirkliche Vorstellung davon, was eventuell noch auf sie zukommen könnte.

"Mal eine Frage, Myouga: Du scheinst ja einiges über diese Fledermaus-Abklatsche zu wissen, aber wo warst du eigentlich damals, als es hier so richtig rund ging?", fragte Inu Yasha plötzlich den kleinen Flohgeist, der sogleich wie selbstverständlich antwortete: "Ich habe natürlich auf das Schloss aufgepasst! Was sonst? Einer musste doch hier die Stellung halten, oder?"

Doch Inu Yasha hatte für diese Antwort nur ein müdes Seufzen übrig: "Ja, verstehe, schon klar... Du alter Spinner bist schon damals ständig abgehauen, wenn's brenzlig wurde. Du kannst es ruhig zugeben."

Doch diesmal wandte sich Myouga nur mit seinem besten Unschuldsblick ab und schaute stattdessen kommentarlos in die Luft. In diesem Moment fiel Sango noch etwas ein, was sie den Flohgeist sogleich fragte: "Aber sagt mal, Myouga-jii, woher habt Ihr denn eigentlich gewusst, dass die Ryû-Youkai hier wieder aufgetaucht sind?"

"Das habe ich praktisch aus zuverlässigster Quelle", antwortete Myouga der Dämonenjägerin und begann sogleich zu erzählen: "Das war so: Gestern, als die Sonne noch nicht aufgegangen war, ist folgendes passiert..."
 

*~Rückblick~*
 

Es war praktisch noch mitten in der Nacht gewesen, als Myouga und Toutousai friedlich und nichts ahnend ein wenig in der Höhle des Schmieds geschlafen hatten, als von draußen mit einem Mal dieser dröhnende Lärm zu hören gewesen war. Die beiden waren sofort hellwach gewesen und ein Blick nach draußen eröffnete ihnen schnell den Grund für den Krach.

"Was ist denn da draußen los?! Das Feuer spielt ja vollkommen verrückt!", erkannte Myouga irritiert, als aus dem Lavafeld vor Toutousais Höhle mehrere Feuerfontänen aus dem Boden schossen. So was war bisher noch nie vorgekommen. Sofort waren die beiden nach draußen geeilt, doch zuerst konnten sie die Ursache für dieses eigenartige Phänomen nicht erkennen. Sie mussten vielmehr darauf achten, nicht eventuell selbst noch gegrillt zu werden.

"Hm! Ich wusste doch, dass ich euch hier finden werde, Toutousai-jijii und Myouga-jijii."

Kaum, dass Toutousai und Myouga diese Stimme gehört hatten, hatten sie sich umgedreht und entdeckten zu ihrer eigenen Überraschung jemanden auf dem Schädel des Dämons, der Toutousais Höhle darstellte, sitzen. Es war ein junger Mann mit roten Haaren, der chinesische Kleidung trug und um seinen Kopf hatte er ein weißes Stoffband gebunden, das hinten mit einem Knoten versehen war. Was jedoch zu allererst ins Auge fiel, war sein Paar schwarzer Schwingen, die er auf seinem Rücken trug. Sein hinterhältiger Gesichtsausdruck traf genau auf den von Toutousai und Myouga, die ihren unerwarteten Besucher aber offensichtlich zu kennen schienen.

"A-Aber du bist doch...! Du bist doch... Rokou! Rokou vom Stamm der Ryû-Youkai!", sprach Toutousai es schließlich aus, konnte es selbst aber irgendwie nicht so recht glauben, ebenso wie Myouga. Doch Rokou lächelte nur hinterhältig.

"Richtig erkannt! Anscheinend vergisst man mein Gesicht doch nicht so schnell."

"Sag uns, bist du etwa für das Chaos hier verantwortlich?", fragte Myouga den Youkai äußerst prüfend, der daraufhin einmal mit dem Finger schnippte.

"Und schon wieder richtig! Tja, seit den letzten 1000 Jahren hat sich einiges verändert. Ich bin kein gewöhnlicher Ryû-Youkai mehr, sondern gehöre jetzt zu den fünf Hütern und kontrolliere das Feuer. Ich dachte zwar immer, es sei nur so eine dumme Legende, aber in jeder Legende steckt wohl wirklich ein Körnchen Wahrheit." Und wie zur Demonstration ließ Rokou in seiner rechten Hand nun eine Flamme erscheinen, ehe er weiter sprach: "Jetzt ist die Zeit gekommen, den Kampf von damals wieder aufzunehmen. Bedauerlich ist nur, dass der große Inu no Taishou diesmal nicht mit dabei sein wird, ebenso wenig wie unser ehemaliger Herr. Doch wozu hat man schließlich Söhne?"

Toutousai hatte sofort aufgehorcht. "Söhne? Moment mal! Soll das etwa heißen, dass Akuma die Führung eures Clans übernommen hat und nun den Kampf von damals wieder aufnehmen will?"

"Genau", antwortete Rokou und stand von seinem Sitzplatz auf. "Damals haben wir uns in die Berge im Norden zurückgezogen, doch schon bald werden wir erneut die westlichen Länder angreifen und uns endlich für die Niederlage von damals rächen! Und diesmal wird der Kampf anders verlaufen, das sei euch hiermit schon mal versprochen."

Toutousai und Myouga schienen genau zu ahnen, dass sie gegen den Youkai vor sich keine Chance hatten. Aber weglaufen konnten sie auch nicht, er würde sie garantiert sofort einholen. Aber merkwürdigerweise schien es Rokou gar nicht darauf abgesehen zu haben, die beiden anzugreifen oder gar zu töten. Das kam ihnen doch irgendwie seltsam vor.

"Warum erzählst du uns das alles?", fragte Myouga den Ryû-Youkai daher nach einem Moment. "Es dürfte dir doch wohl klar sein, dass wir diese Informationen gegen euch verwenden werden!"

Doch für diese Aussage hatte Rokou nur ein hämisches Lachen übrig. "Hältst du mich etwa für blöd, Myouga-jijii? Warum glaubst du, bin ich hier? Na los! Warne doch deine Inu-Youkai, wenn dir danach ist! Genau das wollen wir ja schließlich. Tu dir also keinen Zwang an, kleiner Floh. Wir freuen uns schon auf den Augenblick, an dem unsere Clans erneut aufeinander treffen werden." Und kaum, dass er das gesagt hatte, hatte sich Rokou mit Hilfe seiner Schwingen in die Lüfte erhoben und war mit einem letzten Gruß in Form weiterer Feuerfontänen genauso schnell wieder verschwunden, wie er zuvor aufgetaucht war. Zurück blieben ein ziemlich verdutzt dreinschauender Toutousai und ein ebenso wirkender Myouga.

"Oje... Das riecht aber gewaltig nach Ärger", meinte Toutousai schließlich mit einem Seufzen und nachdem sich das Feuerfeld vor seiner Höhle wieder beruhigt hatte. "Ich denke, da können wir uns schon sehr bald auf einiges gefasst machen…"
 

*~Rückblick Ende~*
 

"Rokou hieß also der Typ, der bei euch aufgekreuzt ist?", fragte Inu Yasha noch mal bei Myouga nach, nachdem dieser seinen Bericht zu ende gebracht hatte.

Der Flohgeist nickte und antwortete: "Ja, genau. Er gebietet über das Feuer und sein Charakter ist der ähnlich unausstehliche wie der von Toba. Aber wen wundert's? Die beiden sind ja auch Brüder, genauer gesagt Zwillingsbrüder, obwohl sie sich nicht gerade ähnlich sehen. Doch sie sind ein perfektes Team und wenn sie im Kampf zusammenarbeiten, muss man auf der Hut sein!"

Kaum hatte Myouga verlauten lassen, dass Toba einen Zwillingsbruder hat, kam von Kimie ein entnervtes Stöhnen: "Na, ganz toll... Ein Zwillingsbruder! Als ob der Kerl allein nicht schon absolut ätzend wäre."

"Moment mal! Das waren bisher aber nur zwei der fünf Elemente", warf Kagome sogleich ein. "Was ist denn mit den anderen dreien? Hat dieser Rokou darüber noch irgendetwas erzählt, Myouga-jii-chan? Zum Beispiel, wer die anderen drei überhaupt sind?"

Doch auf diese Frage hin konnte Myouga nur verneinend den Kopf schütteln. "Nein, und ich habe ehrlich gesagt auch keine Ahnung, wer die anderen drei sein könnten."

"Argh! Das ist doch aber alles voll unfair!", rief Shippou plötzlich aus und raufte sich die Haare. "Nach allem, was wir uns hier eben anhören durften, sind diese Hüter totale Überflieger in Sachen Kampf. Kann man denen nicht irgendwie Einhalt gebieten oder irgendwie dagegenhalten?"

Das klang jetzt zwar so, als hielte Shippou die Inu-Youkai für zu schwach, um gegen die Ryû-Youkai bestehen zu können, doch eigentlich war er dabei wohl eher von sich selbst ausgegangen.

"Na ja, zumindest diesem Rokou könnte man ja eventuell mit einem Feuerlöscher zu Leibe rücken", meinte Kagome trocken, obwohl sie diesen Vorschlag nicht wirklich ernst gemeint hatte. "Aber ich würde gerne wissen, was die anderen Hüter noch so drauf haben. Diesen Toba haben wir ja schon selbst kennen gelernt."

"Ja, und Kimie hat ihn noch viel näher kennen gelernt", meinte Inu Yasha und schielte dabei aus dem Seitenwinkel zu Kagomes Cousine rüber. Diese bemerkte den Blick des Hanyou sofort und schaute entsprechend ein wenig betreten zurück.

"Hey, jetzt schau mich gefälligst nicht so an, Inu Yasha! Der Typ hat das schließlich von sich aus gemacht!", rechtfertigte sich Kimie, wobei sie anschließend aber doch etwas peinlich berührt den Blick abwandte. Ihr war die ganze Geschichte irgendwie unangenehm, zumal es auch noch genügend "Augenzeugen" gegeben hatte.

Glücklicherweise lenkte Kagome aber das Gespräch schon recht bald wieder auf das ursprüngliche Thema zurück und fragte Myouga: "Aber sag mal, Myouga-jii-chan, warum ist Toutousai-ojii-san nicht mit dir mit hier hergekommen? Wäre es für ihn denn nicht auch sicherer, wenn er hier bei uns wäre, anstatt allein zu sein?"

Der kleine Flohgeist kratzte sich daraufhin etwas verunsichert am Kopf. "Nun, ich habe ihm diesen Vorschlag zwar unterbreitet, aber Toutousai hat abgelehnt."

"Aber warum denn?"

"Tja, also..."
 

*~Rückblick~*
 

"Bist du bekloppt, Myouga?! Ich setze mich doch nicht ins Wespennest und riskiere es, von Sesshoumaru einen Kopf kürzer gemacht zu werden! Ein paar Jahre will ich schon gern noch leben, so alt bin ich schließlich auch noch nicht!"
 

*~Rückblick Ende~*
 

"Das hat er gesagt", endete Myouga letztendlich mit einem Seufzen und eine merkwürdige Stille legte sich mit einem Mal über den Raum, in der einem die Sekunden praktisch wie Minuten vorkamen.

"Tja, du verbreitest eben bis über die Grenzen hinaus Angst und Schrecken. Ist der Ruf erst ruiniert und so weiter...", meinte Kimie schließlich an Sesshoumaru gewandt, den diese Bemerkung aber spürbar unbeeindruckt ließ. Mal ganz abgesehen davon, dass ihm die Meinung anderer ohnehin so ziemlich egal war, wäre ein ruinierter Ruf für ihn höchstens so was, wenn man behaupten würde, er wäre die Sanftmut in Person gewesen. Doch stattdessen machte sich Sesshoumaru vielmehr Gedanken um die Ryû-Youkai. Von seinem Vater hatte er schon mal von ihnen gehört und jetzt waren sie nach 1000 Jahren also wieder aufgetaucht. Myouga hatte wohl Recht, ein Kampf war wohl unvermeidlich gewesen.

Plötzlich machte Sesshoumaru Anstalten, den Raum zu verlassen, denn er schritt in Richtung Tür. Rin war ihm sofort mit ihrem Blick gefolgt.

"Was ist los, Sesshoumaru-sama?", fragte sie neugierig, woraufhin der Youkai an der Tür noch einen Moment stehen blieb, nachdem er diese geöffnet hatte.

"Wenn diese Ryû-Youkai unbedingt kämpfen wollen...", begann er, ohne sich noch einmal zu den anderen umzudrehen. "...dann sollen sie ruhig herkommen, wenn sie sich auch wirklich trauen!"

Und mit diesen Worten schritt er nun aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich wieder.

"Wir sollten wachsam sein", meinte Subaru nach einem Moment ernst. "Nun gut, wir wissen zwar jetzt, dass es nicht an Ashitaka-samas Bannkreis gelegen hat, dass Toba hier eindringen konnte, und sicherlich bietet er uns auch ausreichenden Schutz. Aber irgendwann werden wir uns dem offenen Kampf stellen müssen."

"Klugscheißer! Das wissen wir selbst!", entgegnete Inu Yasha sofort ein wenig gereizt, woraufhin Kagome ihm einen tadelnden Blick zuwarf.

"Also ehrlich, Inu Yasha! Musst du immer gleich so schroff sein?"

Inu Yashas Ohren zuckten sofort. "Was hast du denn jetzt wieder für ein Problem, Kagome? Glaubst du nicht, dass sich der Typ auch selbst verteidigen kann?"

"Das habe ich nicht behauptet, aber ich wäre dir dankbar, wenn du auch mal etwas freundlicher sein könntest!"

Der Blick des Hanyou hatte nunmehr etwas spöttisches an sich. "Ach, wirklich? Und was hätte ich davon?"

Kagome seufzte entnervt auf. Für sie schien es sonnenklar gewesen zu sein, dass Inu Yasha es ihr immer noch übel nahm, dass sie und Subaru sich mittlerweile recht gut verstanden, aber seine offensichtliche Eifersucht war nun wirklich völlig unbegründet gewesen, wie sie fand. Doch wenn sich der Hanyou mal auf etwas versteift hatte, ließ er nun mal keine Argumente mehr gelten, da konnte man mit allem möglichen bei ihm ankommen.

Das kleine Wortgefecht zwischen Kagome und Inu Yasha nebenbei in den Ohren gehabt, hatte Kimie hingegen die ganze Zeit den Blick auf die Tür gerichtet, aus welcher Sesshoumaru zuvor das Zimmer verlassen hatte. Ihr war es so vorgekommen, als beschäftigte ihn das, was Myouga erzählt hatte, sehr. Aber wen wunderte das? Schließlich stand ein vor 1000 Jahren begonnener Kampf offenbar kurz davor in Kürze wieder neu aufgenommen zu werden. Und mal abgesehen davon, dass Sesshoumaru praktisch das fortführen musste, mit dem sein Vater sich einst hatte auseinandersetzen müssen, waren die Gegner diesmal stärker als sie es damals gewesen waren.
 

Die Neuigkeiten, die Myouga zu berichten gehabt hatte, verbreiteten sich in den nächsten zwei Stunden praktisch im ganzen Schloss. Die Inu-Youkai, die an dem Kampf vor 1000 Jahren bereits mitgewirkt hatten, konnten sich noch gut an die Ryû-Youkai erinnern und natürlich auch an Toba und Rokou. Die Tatsache, dass die Ryû-Youkai an Stärke gewonnen hatten, verwunderte dabei niemanden so wirklich. Auch die Krieger in den eigenen Reihen waren schließlich nicht auf ihrem Niveau von damals stehen geblieben und so mancher schien förmlich auf eine baldige Konfrontation mit dem Feind zu brennen. Andere hingegen sahen dem bevorstehenden Kampf eher unschlüssig und skeptisch entgegen. Zwar war es durchaus beruhigend gewesen, erfahren zu haben, dass es nicht an Ashitakas Bannkreis gelegen hatte, dass Toba sich Zugang zum Schloss hatte verschaffen können, aber auch, wenn das Schloss weitgehend geschützt war, machte sich insbesondere Kagome im Nachhinein so ihre Gedanken. Als sie sich zusammen mit Kimie und ihren Freunden in Inu Yashas Zimmer befand, wobei Kagome bei geöffneter Schiebetür auf der Veranda stand, entging den anderen nicht, dass das Mädchen sehr nachdenklich wirkte.

"Was ist mit dir, Kagome-chan?", fragte Sango ihre Freundin schließlich. "Du wirkst schon eine ganze Weile so, als würdest du dir um irgendetwas Sorgen machen."

Kagome, die den Rücken zu den anderen gewandt hatte, senkte daraufhin ein wenig den Blick und drehte sich um. "Nun ja... Ich mache mir Sorgen ehrlich gesagt ein wenig um Kaede-obaa-chan und das Dorf", antwortete sie. "Hoffentlich sind diese Dämonen nicht auch noch in ihrer Nähe aufgetaucht..."

"Ach, was! Glaube ich nicht. Mach dir deswegen mal keinen Kopf, Kagome", meinte Inu Yasha aber nur mit hinter dem Kopf verschränkten Armen, während er nahe der Schiebetür mit dem Rücken an der Wand lehnte.

"Aber sollten wir nicht vielleicht mal nachsehen? Ich meine, nur so zur Sicherheit", hakte Kagome sogleich bei dem Hanyou nach, der sie nur mit einem müden Blick ansah. "Und dann?", fragte er monoton, woraufhin sie eine Augenbraue leicht hochzog und erwiderte: "Wie 'und dann'? Danach kommen wir natürlich wieder hierher ins Schloss."

"Wie bitte?!" Inu Yasha glaubte zuerst, sich gründlich verhört zu haben. Abrupt schien jeglicher Anschein von Müdigkeit von ihm gewichen zu sein, stattdessen machte er sogleich seinem Unmut ordentlich Luft: "Wir sollen extra wegen deinem komischen Gefühl den ganzen Weg wieder zurückgehen, nur um anschließend wieder hierher zurückzukommen?! Das ist doch wirklich absolut beschränkt! Schlag dir das bloß aus dem Kopf! Ich mache da nämlich garantiert nicht mit!"

Kagome war entrüstet. Dass Inu Yasha mal wieder so gleichgültig daherkam, konnte sie einfach nicht verstehen. "Wie kannst du so was nur sagen, Inu Yasha?", fragte sie den Hanyou verzweifelt. "Ich mache mir doch nur Sorgen um Kaede-obaa-chan und das Dorf! Und was ist mit dir? Dir ist es wahrscheinlich vollkommen egal, was aus ihnen werden könnte, nicht wahr...? Wie kannst du nur so herzlos sein...?!"

Kagome wandte sich von Inu Yasha ab und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Zuerst schaute Inu Yasha nur etwas ratlos drein, doch als er Kagome plötzlich leise schluchzen hörte, sträubten sich ihm regelrecht die Nackenhaare. "Wie?! A-Aber w-was ist denn das...? D-Du weinst doch jetzt nicht etwa, Kagome...?", fragte der Hanyou äußerst verunsichert. Doch als das Mädchen ihm daraufhin keine Antwort gab, sondern ihr Schluchzen stattdessen nur lauter wurde, versuchte Inu Yasha noch zu retten, was zu retten war. Er sprang von seinem Sitzplatz auf und trat vorsichtig an Kagomes Seite. "Kagome, nicht doch! Hör bitte wieder auf, zu weinen! Sei nicht traurig meinetwegen...", bat er das Mädchen eindringlich.

Plötzlich drehte sich Kagome blitzartig zu ihm um und fuhr ihn aufgebracht an: "Wer sagt denn, dass ich wegen dir traurig wäre?! Ich weine, weil du mich abgrundtief enttäuscht hast, du Egoist! Aber das passt mal wieder zu dir! Du bist und bleibst eben ein Vollidiot!"

Und damit kehrte sie ihm mit gesenktem Blick auch schon wieder den Rücken zu und ballte verkrampft die Hände zu Fäusten.

"Kagome... das hast du falsch verstanden! So habe ich das doch gar nicht..." Inu Yasha geriet mehr und mehr in Erklärungsnot, zumal sich momentan auch genügend Publikum - in Gestalt seiner Freunde - in der Nähe befand, das das Geschehen mitverfolgte. Während er sich kurz so umsah und dabei auch die ziemlich tadelnden und vorwurfsvollen Blicke der anderen registrierte, räusperte sich der Hanyou schließlich einmal. "Ähem! Also... wenn es dir wirklich so wichtig ist, Kagome, dann... dann können wir ja mal kurz im Dorf vorbeischauen", meinte er nunmehr kleinlaut.

Abrupt verstummte Kagomes Schluchzen. Stattdessen drehte sie sich langsam zu Inu Yasha um. "Meinst du das ehrlich?", fragte sie ihn leise, woraufhin er einmal nickte.

"Ja, natürlich!"

Und kaum, dass er das gesagt hatte, strahlte Kagome wieder über das ganze Gesicht. "Das freut mich! Danke, Inu Yasha!", rief sie erfreut aus und lief an ihm vorbei zu den anderen. Dabei schien sie ihnen irgendetwas zuzuflüstern und ihrem kecken Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte es was mit gerade eben zu tun gehabt.

Inu Yashas Miene nahm daraufhin einen etwas trockenen Ausdruck an. "Warum nur habe ich plötzlich das blöde Gefühl, dass ich gerade gehörig verladen wurde...?", murmelte er in sich hinein, nachdem Kagome sein Zimmer verlassen hatte. Und während er sich darüber noch so seine Gedanken machte, war Kimie ihrer Cousine in deren Zimmer gefolgt. Dort erfuhr sie auch sogleich die wahren Hintergründe von Inu Yashas Entscheidungswechsel.

"Das heißt also, du hast Inu Yasha hinter's Licht geführt?", fragte Kimie mehr als verdutzt, doch Kagome lächelte nur amüsiert, wobei sie auch etwas freches an sich hatte.

"Ich habe nur ein bisschen getrickst", antwortete sie, während sie schon mal ein paar wichtige Dinge in ihrem Rucksack verstaute. "Er kann es nämlich nicht ertragen, ein Mädchen weinen zu sehen."

Kimie zog prüfend eine Augenbraue hoch. "Seit wann bist du denn so eine Trickserin? Muss ich mir etwa Sorgen um dich machen, Cousinchen?", fragte sie, wenngleich es aber auch ein wenig amüsierte klang.

Kagome musste daraufhin doch ein wenig lachen. "Und was ist mit dir, Kimie?", fragte sie ihre Cousine schließlich. "Kommst du auch mit?"

Darüber hatte Kimie im Moment ehrlich gesagt gar nicht nachgedacht. Aber eigentlich interessierte es sie auch, ob es bei Kaede und in dem Dorf inzwischen eventuell etwas Neues gab. Nach kurzer Überlegung antwortete das Mädchen daher: "Hmm... Na gut, aber wenn das so ist, werde ich wohl noch Sesshoumaru wegen dieser Sache Bescheid sagen müssen. Das mache ich am besten jetzt gleich."

Kagome nickte zustimmend und dann hatte Kimie das Zimmer auch schon verlassen. Während des Weges zu Sesshoumarus Zimmer, legte sie sich gedanklich schon mal ihre Sätze zurecht, aber eigentlich machte sie sich mehr Gedanken darum, wie der Youkai auf ihre Neuigkeiten reagieren würde.

>Er kann es mir ja wohl schlecht verbieten. Schließlich bin ich nicht sein Haustier!<, dachte Kimie, als sie sich schließlich auch schon genau vor Sesshoumarus Zimmer wieder fand. Ohne eventuell groß zu zögern, klopfte sie auch sogleich an die Tür und fragte: "Sesshoumaru? Bist du da? Ich bin's!"

Kimie stand vielleicht gerade mal drei Sekunden so vor der Tür, da wurde diese auch schon von Sesshoumaru geöffnet.

"Ah! Gut, dass du da bist! Ich müsste nämlich mal kurz mit dir reden", sagte Kimie auch sofort, ohne groß herumzufackeln.

"Worum geht es?", fragte Sesshoumaru prüfend nach, woraufhin sie gleich zum Punkt kam: "Also, um es kurz zu fassen: Kagome macht sich Sorgen um das Dorf am Knochenfresserbrunnen und um Kaede-obaa-chan. Deswegen will sie mit Inu Yasha dort kurz vorbeischauen und ich wollte mit ihnen mitgehen. Wir wollten danach auch wieder hierher zurückkommen."

Durchaus gespannt auf seine Antwort schaute Kimie zu Sesshoumaru hoch. Aus seinem Blick konnte sie nicht erahnen, was er wegen dieser Sache eventuell gerade dachte, doch seine Antwort auf ihr Anliegen folgte recht schnell: "Wenn du gehen willst, dann kannst du das tun. Allerdings stelle ich in der Hinsicht noch eine Bedingung."

Dass er so ohne weiteres zugestimmt hatte, hatte Kimie im ersten Moment doch etwas erstaunt, Sie hatte erwartet, dass er ihr eventuell noch die eine oder andere Frage stellen würde, doch stattdessen kam er noch im selben Anlauf mit einer Bedingung an. Kimie warf Sesshoumaru daraufhin einen etwas skeptischen Blick zu. "Was soll das für eine Bedingung sein? Dass ich die Gelegenheit nicht nutze und mit einem anderen durchbrenne?", fragte sie ihn, schob aber gleich folgenden Satz hinterher, als sie sein doch etwas verblüfft dreinschauendes Gesicht bemerkt hatte: "Das war nur ein Joke, ein Witz! Also, was ist nun diese Bedingung?"
 

"Wie? Sesshoumaru-sama geht schon wieder weg? Er ist doch gerade erst hierher zurückgekommen."

Miyuki war doch ein wenig irritiert, als sie die neuesten Neuigkeiten von Ashitaka erfahren hatte, während sie sich zusammen mit ihm in seinem Zimmer aufhielt. Hin und wieder schaute sie mal bei ihm vorbei, wobei sie insgeheim wohl einfach nur seine Nähe suchte, auch, wenn sie es sich noch immer nicht so ganz eingestehen wollte. Ob Ashitaka die Gründe für Miyukis Besuche kannte, war unklar. Er verhielt sich ihr gegenüber nämlich wie immer und entgegnete auch jetzt auf ihre Frage üblich locker: "Er geht ja nur für ein paar Tage weg. Kagome-chan und Kimie-chan wollen nämlich kurz bei sich zu Hause vorbeischauen und er begleitet sie, ebenso wie Inu Yasha."

"Hmm..." Miyuki senkte ein wenig den Blick. Sie wirkte nachdenklich, doch woran das lag, konnte sich Ashitaka im Moment nicht erklären, während er sie so beobachtete.

"Was ist mit dir, Miyuki-chan?", fragte er das Dämonenmädchen schließlich, das sofort wieder den Blick gehoben hatte und mit einem etwas verlegenen Lächeln den Kopf schüttelte.

"Wie? Ach, gar nichts! Wirklich nicht!"

Aber Ashitaka wirkte skeptisch. "Dein Gesicht ist etwas rot", bemerkte er nach einem Moment und kam auf Miyuki zu. "Wirst du vielleicht krank?"

Kaum hatte er ihr probeweise die Hand auf die Stirn gelegt, machte Miyuki reflexartig einen Schritt nach hinten und hob abwehrend die Hände. "Es... es geht mir gut, wirklich", versuchte sie Ashitaka zu erklären, aber ihr momentanes Verhalten machte ihn nur noch skeptischer.

"Seit wann bist du denn so schüchtern?", fragte er sie schließlich. "Normalerweise bist du doch eher eine kleine Kratzbürste."

Doch kaum hatte er das gesagt, schien Miyuki wieder zu ihrer alten Form zurückgefunden zu haben. Sofort protestierte sie: "Das stimmt doch gar nicht! Was erzählst du denn da wieder?!"

"Ha! Genau das habe ich gemeint!", meinte Ashitaka sofort spürbar amüsiert und schnippte einmal mit dem Finger.

Miyuki jedoch wirkte alles andere als amüsiert oder gar belustigt. "Mann! Du bist echt fies, Ashitaka! Mal bist du so nett und dann wieder so ein Idiot!", meinte sie sauer, wirkte von Ashitakas nun folgender Bemerkung aber doch ein wenig aus der Bahn geworfen: "Habe ich mich eben verhört? Du findest mich nett? Das ist das erste Mal, dass ich so was von dir gehört habe, Miyuki-chan."

"Eh...?" Abrupt verstummte Miyuki. Da hatte sie nun vollkommen unüberlegt und mehr wie aus einem Reflex heraus etwas gesagt, was sie ansonsten wohl eher nicht zu Ashitaka gesagt hätte. Und auf die Schnelle fiel ihr auch nichts ein, was sie auf seine Worte hätte erwidern können.

"Also, ich... ich geh jetzt besser wieder", meinte sie daher nach einem Moment nur hastig und wollte sogleich eiligst an ihm vorbei und zur Zimmertür nach draußen gehen, doch als ob ihr die ganze Situation nicht schon unangenehm genug gewesen wäre, stolperte sie nun auch noch über ihre eigenen Füße und drohte zu fallen.

"Hey! Vorsicht!", rief Ashitaka noch, doch da war Miyuki schon frontal gegen ihn geknallt und warf ihn mit sich zu Boden.

"Autsch... Entschuldige, das wollte ich nicht", murmelte Miyuki nach dem Fall, ehe sie im selben Moment mitbekam, dass sie gerade mehr oder weniger auf Ashitaka drauf saß. "Oh!"

Sofort lief ihr Gesicht knallrot an, doch es schien, als wäre sie unfähig gewesen, sich zu bewegen. Ashitaka schaute im Moment wohl nicht weniger verblüfft drein als das Dämonenmädchen, doch der Gipfel des ganzen folgte erst noch und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als plötzlich die Schiebetür des Zimmer geöffnet wurde und ein unbekümmerter Miroku in Begleitung von Sango in das Zimmer hineinrief: "Hey, Ashitaka! Wir wollten... Hm?"

Der Mönch verstummte sofort wieder, als er Ashitaka und Miyuki so auf dem Boden liegen, bzw. sitzen sah. Auch Sango, die kurz nach ihm in das Zimmer hineinspähte, wirkte nicht minder überrascht.

"Mir scheint, wir kommen gerade etwas ungelegen", meinte sie, woraufhin Miroku schon Anstalten machte, im Rückwärtsgang wieder den Abgang zu machen.

"Also, ich finde ja den blanken, harten Holzfußboden für so was zwar etwas ungeeignet, aber macht einfach weiter, ihr zwei. Wir wollten bestimmt nicht stören", sagte er noch lächelnd an Ashitaka und Miyuki gewandt, als Miyuki daraufhin doch endlich wieder auf die Beine kam und sofort vehement widersprach: "Hey! Wartet! Das versteht ihr falsch! Es ist doch alles ganz anders!"

Miroku war schon dabei gewesen, die Tür wieder zu schließen, öffnete sie jedoch wieder, nachdem er Miyukis heftige Einwände vernommen hatte. Als er und Sango nun wieder in das Zimmer schauten, war auch Ashitaka inzwischen wieder auf die Beine gekommen. Wegen der vorangegangenen Situation selbst noch ein wenig peinlich berührt, wandte er sich nun an die beiden Besucher: "Also... Was gibt es denn?"

"Wir wollten euch nur Bescheid sagen, dass Sesshoumaru, Inu Yasha, Kagome und Kimie gleich aufbrechen werden und wir dachten, ihr würdet euch eventuell auch noch von ihnen verabschieden wollen", antwortete Sango ihm, wenngleich sie sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen konnte. Und auch jetzt musste sie beim Anblick von Miyuki und Ashitaka, die scheinbar beide recht verlegen zu sein schienen, leicht lächeln.

"Nun gut... Dann gehen wir wohl nach draußen, würde sagen", schlug Ashitaka kurz darauf vor und winkte Miyuki zu sich, damit sie alle zusammen auf den Innenhof gehen konnten. Miyuki schlüpfte daraufhin wortlos an Sango und Miroku vorbei und verließ noch vor Ashitaka das Zimmer, der ihr kurz darauf folgte und die Tür hinter sich schloss. Und während das Dämonenmädchen schon mal vorging, musste sich Ashitaka erstmal noch den Schielblicken von Sango und Miroku aussetzen.

"Starrt mich nicht so an, ihr zwei! Da war überhaupt nichts!", versuchte Ashitaka zu erklären und schien für seine Verhältnisse sogar ungewöhnlich verunsichert zu sein. Nicht zuletzt war dies wohl ebenfalls ein Grund dafür, weshalb Sango und Miroku auch noch während des Weges nach draußen diese amüsierten Blicke draufhatten.
 

Kurze Zeit später fanden sich Miroku, Sango, Ashitaka und Miyuki auf dem Innenhof ein, wo die Vorbereitungen von Kagome und Inu Yasha zum bevorstehenden Aufbruch fast abgeschlossen waren.

"Kommt bitte bald wieder zurück, Freunde!", bat Shippou Kagome und Inu Yasha eindringlich. Der kleine Kitsune würde zusammen mit Sango und Miroku im Schloss bleiben und auf die Rückkehr seiner Freunde warten. Kagome nahm Shippou noch einmal auf den Arm.

"So schnell wie möglich, Shippou-chan", entgegnete sie auf seine Aussage und wandte sich auch noch mal an Sango: "Und danke, Sango-chan, dass wir uns Kirara ausleihen dürfen."

Sango nickte. "Das ist doch selbstverständlich, Kagome-chan." Dann richtete sie das Wort an ihre Dämonkatze: "Kirara, pass gut auf sie auf."

Kirara, die sich bereits in ihrer verwandelten Form befand, nickte mit einem leisen Schnurren. So gesehen waren Kagome und Inu Yasha schon mal bereit gewesen, doch mussten sie noch auf Kimie warten, die in diesem Moment mit ihrem Rucksack beladen aus den Schloss kam. Begleitet wurde sie dabei von Sesshoumaru.

"Sesshoumaru, hältst du es wirklich für eine gute Idee, gerade jetzt wegzugehen?", fragte sie den Youkai, kaum dass sie die Treppe vor dem Eingang hinuntergegangen waren. "Ich meine, was ist, wenn in der Zwischenzeit etwas passiert?"

"Das ist kein Problem, Kimie-chan", meinte Ashitaka nunmehr beruhigend, als Kimie gerade auf gleicher Höhe mit ihm gewesen war und er ihre Worte daher ganz genau hatte hören können. "Wir werden auch mal ein paar Tage ohne euch auskommen können. Was wären wir denn für Youkai, wenn wir uns wegen so einer Kleinigkeit gleich alle möglichen Sorgen machen würden?"

Kimie war sogleich stehen geblieben, als Ashitaka sie angesprochen hatte. "Und das ist auch wirklich in Ordnung?"

"Klar! Mach dir keine Sorgen. Außerdem werden auch die anderen Mitglieder unseres Clans sicherlich bald wieder hier sein."

Während sich Kimie noch kurz mit Ashitaka unterhielt, war Sesshoumaru schon weitergegangen und hatte Jaken die Zügel von Ah-Un abgenommen. Auch Rin war dabei gewesen.

"Werdet Ihr lange weg sein, Sesshoumaru-sama?", fragte sie den Youkai verunsichert.

Dieser wandte seinen Blick zu ihr um und antwortete ihr: "In ein paar Tagen werden wir wieder hier sein. Bis dahin wirst du hier im Schloss bleiben, Rin. Verstanden?"

Rin nickte einverstanden und lächelte. "In Ordnung, Sesshoumaru-sama. Ich rühre mich nicht von der Stelle."

Das war aber natürlich nicht alles gewesen, denn zusätzlich bekam Jaken von Sesshoumaru noch den Auftrag, sich um das kleine Mädchen zu kümmern und auf sie aufzupassen. Wie üblich nahm Jaken die Anweisung entgegen, auch wenn er innerlich schon angefressen darüber war, dass sein Herr ihn einfach hier im Schloss ließ und stattdessen die Gegenwart dieses Menschenweibes bevorzugte. Aber was sollte der Krötendämon dagegen schon sagen oder tun?

Unterdessen verabschiedete sich Kimie noch schnell von den anderen und auch von Inuki, der ebenfalls im Schloss bleiben würde. Dann lief sie zu Ah-Un und stieg hinter Sesshoumaru auf den Rücken des zweiköpfigen Drachen. Kagome und Inu Yasha waren ihrerseits ebenfalls bereits startklar gewesen. Und so erhoben sich Kirara und Ah-Un schließlich in die Lüfte. Damit sie auch alle ohne Probleme das Schloss verlassen konnten, öffnete Ashitaka den Bannkreis, der das Schloss umgab, an einer Stelle und genau dort schlüpften Kirara und Ah-Un auch schließlich hinaus.

"Jetzt sind sie weg", sagte Shippou nach einem Moment mit einem leichten Unterton von Traurigkeit in der Stimme, während er Kirara und Ah-Un noch nachblickte, wie sie nach und nach in der Ferne verschwanden, und Ashitaka den Bannkreis nun wieder schloss.

"Na, wenn das mal keine Fehlentscheidung war", durchbrach plötzlich die Stimme von Seshiru den kurzen Moment der Stille. "Ich meine, wir befinden uns praktisch mitten im Kampf und Sesshoumaru-sama geht einfach fort. Ist das das Verhalten eines verantwortungsbewussten Anführers?"

Dieses verstohlene Lächeln, mit welchem Seshiru seine Aussage untermalen hatte, war irgendwie unheimlich gewesen. Sicherlich wäre auf seine Worte hin sogleich eine Gegenbemerkung von Tôya gefallen, doch dieser war bei der Verabschiedung nicht mit dabei und folglich gerade nicht anwesend gewesen. Doch Seshiru wartete scheinbar gar nicht erst auf eine eventuelle Reaktion der anderen, sondern machte stattdessen sogleich wieder kehrt und ging.

Shippou schaute ihm prüfend hinterher. "So ein unangenehmer Kerl!", meinte er, nachdem Seshiru wieder verschwunden war, und sprach damit wohl auch den anderen Anwesenden aus der Seele.

"Seshiru war schon immer etwas schwierig", drang nun die ruhige Stimme von Kakeru zu den Anwesenden vor. Der Inu-Youkai schritt soeben die Eingangstreppe hinunter. "Es ist nichts ungewöhnliches dabei, wenn er so auftritt. Allerdings befürchte ich, dass er in diesen unruhigen Zeiten damit einige Probleme heraufbeschwören könnte."

"Das sehe ich auch so", stimmte Myouga, der auf Kakerus Schulter saß, der Aussage zu. "Aber hoffen wir mal, dass die anderen ihm kein Gehör schenken werden."

Das war im Moment wohl auch das einzige gewesen, was man tun konnte. Und nachdem er sich das so angehört hatte, betete wohl nicht nur Shippou dafür, dass Inu Yasha und die anderen schnell wieder zurückkommen würden.
 

"Was meinst du, Inu Yasha? Wie lange werden wir für den Weg brauchen?", fragte Kagome den Hanyou, der zusammen mit Kagome auf Kirara ritt. Er saß vor ihr, während sie sich an ihm festhielt.

Auf Kagomes Frage antwortete Inu Yasha nach kurzer Überlegung: "Nun, ich schätze, dass wir morgen Mittag im Dorf ankommen werden, sofern uns unterwegs nicht irgendetwas oder jemand dazwischenkommt."

Und nicht nur Kagome und Inu Yasha unterhielten sich ein wenig während des Fluges. Auch Kimie suchte nach einer Weile das Gespräch mit Sesshoumaru. "Deine Leute werden es sicherlich nicht sonderlich begrüßen, dass du gerade jetzt weggegangen bist", meinte sie vorsichtig und schaute über seine linke Schulter, um eventuell einen Blick auf sein Gesicht erhaschen zu können. Doch zunächst zeigte Sesshoumaru keinerlei Reaktion. Auch sein Blick hatte etwas merkwürdig ernstes an sich gehabt, obwohl das bei ihm eigentlich nicht sonderlich ungewöhnlich gewesen war.

>Was hat er denn?<, fragte sich Kimie. >Ist er vielleicht sauer? Aber warum? Schließlich habe ich ihn doch nicht dazu gezwungen, mitzukommen. Oder liegt das etwa an diesen Toba? Sesshoumaru ist doch nicht etwa eifersüchtig? Nein, glaube ich nicht. Warum sollte er auch? Schließlich war das keine große Sache. Sicherlich denkt er mehr über diese Geschichte mit den Ryû-Youkai nach.<

Schließlich seufzte sie einmal schwer auf.

"Stimmt etwas nicht?", fragte Sesshoumaru sie daraufhin, woraufhin Kimie ihm einen etwas nichts sagenden Blick zuwarf.

"Eigentlich nicht, aber ich habe dich eben etwas gefragt, falls du das mitbekommen haben solltest."

"Das habe ich. Aber über diese Sache mache ich mir Gedanken, wenn wir wieder zurück sind", antwortete er ihr nun doch noch.

Kimie schwieg zunächst und senkte nachdenklich ein wenig den Blick. "Hm... Wenn du meinst."

>Ich hoffe, du weißt, was du tust...<, schob sie gedanklich noch hinterher. In gewisser Weise hatte sie ein etwas schlechtes Gewissen. Es wäre ihr wirklich mehr als unangenehm gewesen, wenn Sesshoumaru wegen ihr Ärger mit den anderen Inu-Youkai bekommen würde. Hoffentlich würde während seiner Abwesenheit im Schloss nichts unvorhergesehenes passieren.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

In der Zwischenzeit waren Toba und Rokou wieder in die nördlichen Gebirge zurückgekehrt und hatten Akuma Bericht erstattet. Dieser war sichtlich zufrieden über die überbrachten Neuigkeiten.

"Gut. Demnach ist also erstmal alles soweit in die Wege geleitet. Das dürfte interessant werden", meinte er mit einem hinterhältigen Lächeln. Mit ihm im Raum befanden sich neben Toba und Rokou auch noch Takeshi, Renhou und zwei weitere Ryû-Youkai, die sich aber mehr im Hintergrund hielten und dem Geschehen kommentarlos beiwohnten. Anders als Akuma schien dessen jüngerer Bruder Takeshi der Entwicklung der Ereignisse eher etwas skeptisch gegenüberzustehen. Zumindest empfand dies Renhou so, als er mal einen kurzen Blick auf ihn erhaschte. Das verwunderte den Älteren jedoch nicht, schließlich war Takeshi an dem Kampf damals nicht beteiligt gewesen, aber auch Renhou selbst war in mancherlei Hinsicht ein wenig unschlüssig, was er von alldem halten sollte. Nicht zuletzt war Naraku daran Schuld gewesen.

Und als ob er mit Renhous Gedankengang praktisch das Kommando dazu erhalten hatte, erschien Naraku mit einem Mal an der Eingangstür des Zimmers. Sofort waren alle Blicke auf ihn gerichtet. Wie so oft trug Naraku seine Pavianverkleidung, in der er sich auch den Ryû-Youkai gegenüber meistens zeigte. Nur ab und zu sahen sie den Hanyou auch ohne seine Maske oder gar nur mit seinem dunklen Kimono bekleidet. Wie es für ihn üblich war, richtete Naraku mit ruhiger Stimme schließlich das Wort an die Anwesenden: "Ich entschuldige mich für die Störung, aber ich habe eben zufällig mit angehört, worüber hier gerade gesprochen wurde. Dürfte ich mir eine Bemerkung erlauben, Akuma?"

Der Angesprochene drehte sich daraufhin zu Naraku um. "Was gibt es denn, Naraku?", fragte er prüfend, woraufhin der Hanyou antwortete: "Ich habe soeben erfahren, dass Sesshoumaru zusammen mit seinem Halbbruder Inu Yasha und den beiden Menschenmädchen Kagome und Kimie für eine Weile das Schloss verlassen hat. Ich dachte mir, das könnte dich vielleicht interessieren."

Akuma und seinen Leuten war schnell klar, woher Naraku diese Information wohl hatte, denn nur allzu offensichtlich stand Kanna direkt neben ihm, ihren Spiegel vor ihrem Körper haltend und mit ihrem ausdruckslosen Blick schweigend in den Raum starrend. Die von Naraku überbrachten Neuigkeiten schienen den Ryû-Youkai aber gerade recht zu kommen.

"Ha! Das ist doch perfekt!", meinte Rokou. "Dann können wir währenddessen mal ein wenig bei denen aufräumen. Ohne ihren Anführer sind diese Hunde doch keine ernstzunehmenden Gegner. Das wird ein Kinderspiel!"

"Nein!", widersprach Akuma jedoch sofort betont. "Nein, wenn das wirklich der Wahrheit entspricht, dann warten wir auf ihre Rückkehr. Sesshoumaru soll ruhig dabei sein, wenn wir seine Leute in kleine Streifen schneiden Und außerdem rate ich euch, die anderen Inu-Youkai nicht so leichtfertig zu unterschätzen. Das gilt insbesondere für dich, Rokou."

Aus Rokous Blick war zwar zu schließen gewesen, dass er mit Akumas Strategie nicht ganz einverstanden gewesen war, doch akzeptierte er die Anweisung seines Herrn. Dieser ergriff nach einem Moment aber gleich wieder das Wort: "Allerdings wüsste ich da etwas anderes, das wir machen könnten."

Und während Akuma seinen Leuten näher erklärte, was er sich überlegt hatte, wohnte Naraku dem ganzen schweigend bei. Keinem fiel in diesem Moment wohl das fadenscheinige Lächeln auf seinem Gesicht auf, welches er auch sehr gut unter seiner Maske verbergen konnte. Nachdem er jedoch bemerkte, dass Akuma geendet hatte, ergriff Naraku noch einmal das Wort: "Wenn du dieses Vorhaben aber in die Tat umsetzen willst, solltest du das hier verwenden, Akuma."

Damit hielt Naraku einen Splitter des Shikon no Tama hoch, den er den Ryû-Youkai präsentierte. Im ersten Moment wirkte Akuma etwas überrascht, hatte die Abmachung mit Naraku eigentlich beinhaltet, dass die Ryû-Youkai erst dann Juwelensplitter erhalten würden, wenn sie damit begonnen hätten, Narakus Feinde nach und nach zu erledigen. Aber eigentlich konnte es Akuma im Nachhinein auch egal sein, wann er und sein Clan an die Splitter herankommen würden. Sie würden ihnen zumindest im bevorstehenden Kampf gegen die Inu-Youkai einen entscheidenden Vorteil liefern. Also ging Akuma auf Naraku zu und nahm den Juwelensplitter von ihm entgegen.

"Na gut, Naraku", sagte er. "Dann sollte ich wohl auch so langsam dafür sorgen, dass du in Zukunft ein paar Probleme weniger hast, nicht wahr?"

"Nur keine Hektik", entgegnete Naraku ruhig, aber auch mit einem geheimnisvollen Unterton in der Stimme. "Ich kann warten, Akuma. Solange das gewünschte Ergebnis auch eintritt."

"Mach dir darum mal keine Sorgen. Das wird es schon noch", meinte Akuma mit einem hinterhältigen Lächeln, während er sich den Juwelensplitter in seiner Hand ganz genau ansah.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Nachdem sie während der Nacht eine Ruhepause eingelegt und gleich beim nächsten Morgengrauen ihren Weg fortgesetzt hatten, war die kleine Gruppe um Inu Yasha und Sesshoumaru schließlich gegen Mittag im Dorf am Knochenfresserbrunnen angekommen. Dadurch, dass die Reise mit Ah-Un und Kirara schneller von statten gegangen war, als auf Hachis Rücken während des Weges zu den westlichen Ländern, hatte der Rückweg ins Dorf nicht so viel Zeit in Anspruch genommen. Kaede begrüßte das überraschende Auftauchen von Kagome und den anderen durchaus erfreut, besonders, nachdem sie den Grund für den unerwarteten Besuch erfahren hatte.

"Das ist wirklich nett von euch, extra zurückzukommen, um euch nach unserem Befinden zu erkundigen", sagte die alte Priesterin mit einem warmen Lächeln an Kagome gewandt, die noch einmal nachfragte: "Und hier ist auch wirklich alles in Ordnung, Kaede-obaa-chan?"

"Ja, mach dir keine Sorgen, Kagome. Es gab hier keine besonderen Vorkommnisse. Alles ist friedlich."

Erleichtert seufzte Kagome auf. "Gut. Da bin ich aber froh."

Etwas weniger erleichtert war hingegen Inu Yasha gewesen, der am Eingang von Kaedes Hütte stand. "Siehst du?", fragte er Kagome besserwisserisch. "Das hätte ich dir auch gleich sagen können, dass hier nichts los ist. Und nur um das herauszufinden, sind wir extra den weiten Weg hier hergekommen..."

"Na und?", entgegnete das Mädchen. "Es ist doch nichts weiter dabei, wenn man sich Sorgen macht. Und überhaupt! Wenn es hier so was wie ein Telefon gäbe, wäre das nicht nötig gewesen."

Doch mit diesem Begriff konnte Inu Yasha nun wirklich nichts anfangen. "Hä? Was für ein Ding?", fragte er nur, doch Kagome winkte nur ab und meinte: "Vergiss es. Ist nicht so wichtig."

In diesem Moment wandte sich Kaede noch mal an Kagome: "Und was habt ihr jetzt vor? Geht ihr gleich wieder in die westlichen Länder zurück?"

"Ja, gleich. Aber erst erledigen Kimie und ich noch etwas", antwortete das Mädchen mit einem Zwinkern, ergriff ihre Cousine, die die ganze Zeit neben ihr gestanden hatte, bei der Hand und verließ mit einem letzten Gruß an Kaede nun wieder die Hütte. Doch ging Kagome nicht etwa zurück zu Ah-Un und Kirara, die etwas abseits der Hütte warteten, sondern stattdessen in eine gänzlich andere Richtung.

Kaum waren Kagome und Kimie an ihm vorbeigerauscht, war Inu Yasha den beiden Mädchen mit seinem Blick gefolgt. "Hey! Wo geht ihr denn jetzt wieder hin, Kagome?", rief er ihnen sofort hinterher, woraufhin sich Kagome noch einmal zu dem Hanyou umdrehte.

"Zum Brunnen natürlich!", antwortete sie wie selbstverständlich. "Das ist doch schließlich die perfekte Gelegenheit, auch mal wieder bei mir zu Hause vorbeizuschauen."

Sie hatte den Satz kaum beendet, da standen Inu Yashas Ohren schon senkrecht in die Höhe. "Wie bitte?! Ich glaub 's ja nicht! Das war so aber nicht abgesprochen, Kagome!", protestierte er aufgebracht. Auf keinen Fall hatte er Lust darauf gehabt, seine Zeit weiter zu vertrödeln. Na gut, die Rückkehr in die westlichen Länder reizte ihn zwar auch nicht gerade, aber dass Kagome ihn mal wieder so dermaßen vorführte, ging dem Hanyou wirklich gegen den Strich.

Doch Kagome entgegnete auf Inu Yashas Proteste nur: "Hättest du dir das nicht auch denken können? Außerdem will ich noch neues Verbandsmaterial und Medikamente holen. Komm, Kimie!"

Und damit zog sie ihre etwas verdutzt dreinschauende Cousine weiter hinter sich her, während im Hintergrund noch Inu Yashas aufgebrachte Rufe zu hören waren: "Hey! Kommt auf der Stelle wieder zurück! Das ist unfair von euch!"

Daraufhin blieb Kimie doch einmal kurz stehen, wodurch auch Kagome anhielt. Dann drehte Kimie sich um und rief zurück: "Warum kommen du und Sesshoumaru denn nicht einfach mit, Inu Yasha?"

Für einen Augenblick verstummten Inu Yashas Rufe. Es schien, als überlegte er, doch bevor er eventuell etwas auf Kimies Angebot erwidern konnte, war Sesshoumaru schon an ihm vorbeigegangen und ging gemächlich in die Richtung des Knochenfresserbrunnens. Und da er seinem Halbbruder ja in nichts nachstehen wollte, trottete auch Inu Yasha ihm schließlich hinterher.

Nachdem sie mitbekommen hatten, wie Inu Yasha und Sesshoumaru ihnen nun folgten, waren Kagome und Kimie schon mal weitergegangen. Sehr bald hatten sie den Brunnen auch erreicht, doch bevor sie in diesen hineinsprangen, fragte Kimie ihre Cousine noch: "Kagome, findest du das wirklich in Ordnung? Ich meine, wenn wir jetzt einfach noch mal schnell einen Abstecher in unsere Zeit machen? Die anderen warten doch schließlich auf uns."

"Wir bleiben doch nicht lange", meinte Kagome mit einem Lächeln. "Du wirst schon sehen, in null Komma nix sind wir wieder auf dem Rückweg zum Schloss. Und Kirara und Ah-Un werden in der Zwischenzeit im Dorf auf uns warten."

"Hm... Na gut, wenn du meinst."

Und nachdem das geklärt worden war, sprangen die beiden Mädchen nacheinander in den Brunnen.

Auf der anderen Seite angekommen, warteten Kagome und Kimie noch auf ihre beiden Begleiter, die sich auch schon sehr bald zu ihnen gesellten. So verließ die kleine Gruppe den Schrein und machte sich auf den Weg zum Haus der Familie Higurashi.

"Mama! Opa! Souta! Wir sind wieder da!", rief Kagome sogleich, nachdem sie die Eingangstür des Hauses geöffnet hatte, aber es antwortete ihr niemand, was sie zunächst doch etwas irritierte.

"Vielleicht sind sie ja einkaufen gegangen oder so", vermutete Kimie nach einem Moment, während sie zusammen mit den anderen das Haus betrat.

Allerdings schien Inu Yasha etwas an ihrer zuvor geäußerten Vermutung auszusetzen zu haben: "Nein, sie sind hier. Ich höre Stimmen und zwar von da hinten." Er deutete den Gang entlang und spielte auf das Wohnzimmer an. In diesem Moment entdeckte Kimie die Koffer, die im Eingangsbereich standen.

"Nanu? Wo kommen die denn her?"

"Also, uns gehören die nicht", sagte Kagome verdutzt. Sie vermutete allerdings, dass eventuell irgendwelche Nachbarn verreisen wollten und die Familie Higurashi kurz besucht hatten, um sie um einen kleinen Gefallen zu bitten, wie etwa, das Blumengießen während der Abwesenheit zu übernehmen, oder so was in der Art. Von daher machte sie sich auch recht schnell keine sonderlich großen Gedanken mehr darum, bat aber Inu Yasha und Sesshoumaru vorsichtshalber, dass sie sich erstmal etwas im Hintergrund aufhalten sollten. Dann ging Kagome zusammen mit Kimie voran, während Inu Yasha und Sesshoumaru den beiden in einem gewissen Abstand folgten. An der Wohnzimmertür angekommen, war Kagome die erste, die die Tür öffnete und mit einer Begrüßung an ihre Familie den Raum betrat, dicht gefolgt von Kimie. Inu Yasha wollte trotz Kagomes vorangegangener Ermahnung doch einen kurzen Blick in das Zimmer erhaschen, als ihm die Schiebetür jedoch völlig unvorhergesehen direkt vor der Nase wieder zugeknallt wurde. Der Hanyou war dabei frontal gegen die Tür geknallt.

"Argh! Was soll das denn wieder?! Spinnen die?!", beschwerte er sich und hielt sich die Nase.

Anders als der Inu Yasha, konzentrierte sich Sesshoumaru jedoch nun darauf zu erfahren, was in dem Zimmer vor sich ging, dass die Tür so abrupt wieder zugeschmissen worden war. Also schwieg er und lauschte aufmerksam.
 

Kimie stand nur wie angewurzelt auf der Stelle, die Schiebetür hinter sich krampfhaft zuhaltend, den Blick dabei starr nach vorne gerichtet. Sie konnte nicht glauben, was oder besser gesagt WEN sie da im Wohnzimmer zusammen mit Kagomes Mutter, dem Großvater und Souta auf dem Boden am Tisch sitzen sah. Auch Kagome wirkte wir vom Donner gerührt.

"Ah! Ihr zwei seid ja schon wieder zurück! Dabei sind wir doch auch erst angekommen. Kimie, mein Kind, wie geht es dir?", fragte einer der beiden Besucher, ein Mann - schätzungsweise Ende Dreißig bis Anfang Vierzig - das Mädchen ganz direkt und mit einem freundlichen Lächeln. Neben ihm saß eine Frau, etwa so alt wie er, und auch sie begrüßte Kimie und Kagome erfreut.

Die beiden Mädchen starrten aber noch immer recht fassungslos drein, bis Kimie schließlich, wenn auch ziemlich stockend, das Wort ergriff: "Mama... Papa... A... Aber was... was macht ihr denn hier...?!"

Besuch von den Eltern

"Mama... Papa... A... Aber was... was macht ihr denn hier...?!"

Kimie war kreidebleich. Niemals hätte sie mit einem Besuch ihrer Eltern gerechnet und das ausgerechnet jetzt! Sicher wäre sie unter anderen Umständen sehr erfreut gewesen, aber ihre Eltern hätten sich momentan wirklich keinen schlechteren Zeitpunkt aussuchen können, um hier in Tokio aufzukreuzen.

Dies empfand wohl auch Kagome so, deren Begeisterung über den überraschenden Besuch sich im Moment auch eher in Grenzen hielt, obwohl sie sich ein schwaches Lächeln abmühte. "Tante Akie, Onkel Kimata... Na, so eine Überraschung. Also, mit euch hätten wir nun wirklich nicht gerechnet..."

>Ein Albtraum! Nein! Das hier ist eindeutig schlimmer als ein Albtraum!<, schoss es Kimie dabei noch durch den Kopf, dennoch rang sie sich dazu durch, nun ebenfalls etwas zu ihren Eltern zu sagen, wenn auch eher stockend: "Hehe... Das ist in der Tat sehr... überraschend. Was... macht ihr denn hier?"

"Na, was ist denn das für eine Begrüßung?", fragte ihr Vater sogleich gespielt beleidigt. "Wir wollten nur mal sehen, wie's dir so geht und haben uns extra ein paar Tage frei genommen, um dich zu besuchen und auch mal die Familie wieder zu sehen. Aber scheinbar hättest du deinen Freund nur gerne etwas besser auf uns vorbereiten wollen, was?"

"WIE BITTE?! Meinen Freund?!" Kimie verstand die Welt nicht mehr. Hatten ihre Eltern etwa durch Kagomes Familie bereits von allem erfahren? Aber warum waren sie dann so locker und stellten keine irritierten Fragen?

Die Antwort darauf schien prompt zu folgen, als Kimies Vater mit einem schelmischen Lächeln weiter sprach: "Tu doch nicht so, Kimie! Deine Mutter und ich haben uns schon lange gedacht, dass du hier in Tokio jemanden im letzten Jahr kennen gelernt haben musst. So gut gelaunt, wie du immer durch das Haus getrabt bist und wie du noch dazu so energisch darauf bestanden hast, wieder nach Tokio zurückzugehen. Und Souta war so nett, uns mitzuteilen, dass du und unsere Kagome mit euren Freunden unterwegs seid. Allerdings hätten wir nicht gedacht, dass ihr zwei schon so schnell wieder zurückkommen würdet."

"Du hättest uns ruhig etwas sagen können, Kimie", fügte Kimies Mutter, Akie, lächelnd hinzu. "Schließlich bist du schon 18. Da ist es doch normal, wenn ein Mädchen einen Freund hat. Du hättest es doch nicht vor uns geheim halten müssen."

>Oh doch! Und das war bisher wohl auch ganz gut so...<, dachte Kimie hingegen und schaute etwas hilflos zu Kagome rüber, die aber nicht minder ratlos zu sein schien, als ihre Cousine.

"Hach! Aber ich war auch so, als ich in deinem Alter war", sprach Akie schließlich ein wenig verträumt weiter. "Zu der Zeit habe ich deinen Vater kennen gelernt, aber er kam nicht von hier. Also bin ich ihm irgendwann in seine Stadt gefolgt, ehe wir schließlich gemeinsam hierher nach Tokio zurückgekommen sind. Gut drei Jahre später haben wir geheiratet und kurz darauf kamst du auf die Welt."

"Mama..." Kimie war das alles wirklich mehr als peinlich, zumal vor der Tür noch immer Inu Yasha und Sesshoumaru standen und sicherlich alles ganz genau mit anhören konnten, sofern sie sich nicht schon irgendwie wieder aus dem Staub gemacht hatten. Das Mädchen betete aber dafür, dass die beiden auf jeden Fall vor der Tür bleiben und nicht auch noch ins Zimmer kommen würden, weshalb sie weiterhin den Griff der Tür fest umklammerte und die Tür zuhielt.

Unterdessen spekulierte ihre Mutter ein wenig darüber, wer der ominöse Freund ihrer Tochter gewesen sein könnte: "Was mag das wohl nur für ein junger Mann sein? Ich habe mir ja immer vorgestellt, unsere Tochter später mal an der Seite eines angehenden Staranwaltes oder eines erfolgreichen Arztes zu sehen."

"Na ja..." Kimie mühte sich ein schwaches Lächeln ab. Jeder Angeklagte hätte sich sicherlich ohne große Umschweife schon freiwillig von der Polizei lebenslänglich in den Hochsicherheitstrakt einbuchten lassen, wäre Sesshoumaru als Anwalt tätig gewesen, und als Arzt wäre er wohl als der, der Amputationen ohne Narkose innerhalb des Bruchteils einer Sekunde vornehmen kann, berühmt oder doch wohl eher berüchtigt geworden.

"Also, wann lernen wir deinen Freund nun kennen?", fragte Kimata schließlich neugierig und riss seine Tochter somit wieder aus ihren abschweifenden Gedanken. "Wir müssen ja schließlich wissen, was das für einer ist, der unserer Tochter so den Kopf verdreht hat."

"Papa, bitte!" Kimie war die ganze Situation wirklich mehr als unangenehm gewesen, aber was sollte sie tun? Ihr fiel im Moment partout nichts ein. Die Unsicherheit ihrer Tochter entging Kimies Eltern natürlich nicht. Sie schoben es allerdings darauf, dass sie wohl wegen dieser Sache lediglich etwas verlegen war, schließlich hatte Kimie zuvor noch nie einen Freund gehabt.

"Verrate uns doch bitte zumindest seinen Namen", bat Kimies Vater nach einem Moment, aber allein schon das bereitete Kimie scheinbar allergrößte Probleme.

Mühsam brachte sie nur ein paar Worte heraus, ohne dabei eigentlich zum Punkt zu kommen: "Er heißt... Äh... Also... Tja, wie soll ich sagen...? Er heißt... Ähm..."

"Warum druckst du so rum?", fragte ihre Mutter nun doch ein wenig irritiert. "Willst du uns etwa erzählen, du wüsstest seinen Namen nicht oder hättest ihn schon wieder vergessen?"

"Nein! Quatsch!", entgegnete Kimie sofort, wurde aber abrupt wieder ruhiger. Irgendetwas musste sie schließlich sagen, also brachte sie schließlich recht leise und mit abgewandten Blick hervor: "Er heißt Sesshoumaru..."

Die Augen ihrer Eltern hatten daraufhin einen recht überraschten Ausdruck angenommen. "Sesshoumaru?", wiederholten sie, wie aus einem Mund, ehe sie sich gegenseitig etwas skeptisch ansahen.

"Das ist ein... recht ungewöhnlicher Name, finde ich", meinte Kimies Vater. "Oder ist das eventuell nur sein Künstlername? Ist er etwa im Showbusiness?"

Unter anderen Umständen hätte Kimie bei dieser Frage wohl angefangen, lauthals zu lachen, doch jetzt konnte sie nur einmal den Kopf schütteln. "Nein, und er ist eigentlich auch weit davon entfernt... Und er... ist auch sonst ein wenig anders, als ihr vielleicht denken mögt."

"Wie meinst du das? Ist er älter als du?", fragte ihre Mutter, woraufhin das Mädchen einmal nickte.

"Ja, in der Tat..."

Abrupt hatte Akie äußerst prüfend eine Augenbraue hochgezogen. "Deine Tonlage gefällt mir nicht, Kimie. Wie alt ist er denn genau? Doch nicht so viel älter als du, oder?"

Unschlüssig kratzte sich Kimie daraufhin leicht an der Wange. "Nun ja... Das kommt wohl auf den Blickwinkel an. Er sieht zumindest wesentlich jünger aus, als sein Alter es wohl glauben lässt."

"Sag mir jetzt bitte nicht, dass er schon in den 30ern ist!"

"Nein... eigentlich nicht... Es ist nur, dass..."

"Also, wie alt ist er denn nun? So Mitte 20?"

"Nein, nicht wirklich. Zumindest nicht von einem normalen Gesichtspunkt aus gesehen..."

"Was erzählst du denn da, Kimie? Willst du etwa behaupten, du wüsstest nicht, wie alt er ist?"

"Na, doch! Jedenfalls so ungefähr..."

"So ungefähr?" So langsam wurde es Kimies Mutter eindeutig zu bunt. Ihre Tochter druckste nur herum und gab nicht einmal eine klare und deutliche Antwort von sich. So war sie noch nie gewesen. "Kimie, jetzt hör doch endlich auf, so um den heißen Brei herumzureden und..."

Doch abrupt verstummte Akie wieder, was Kimie selbst nun doch ein wenig verwirrte. Da bemerkte sie die mit einem Mal recht perplexen Blicke ihrer Eltern, die auf ihr ruhten, und fragte vorsichtig: "Was... ist denn?"

Und kaum, dass sie das gefragt hatte, war ihre Mutter schon voller Aufregung aufgesprungen. "Kimie! Um Himmels Willen! Warum trägst du hier in der Öffentlichkeit so gut sichtbar dein Schwert mit dir herum?! Willst du etwa, dass die Leute am Ende noch die Polizei auf dich hetzen?"

Sofort hatte Kimie an sich runtergeschaut und erkannte nunmehr, dass sie tatsächlich noch immer ihr Schwert am Gürtel trug. Kagome war in der Hinsicht cleverer gewesen, sie hatte ihren Bogen und ihre Pfeile nämlich bei Kaede gelassen, um sie später wieder mitzunehmen. Aber woher hätte Kimie auch ahnen sollen, dass so was passieren und sie völlig überraschend ihren Eltern gegenüberstehen würde?

"Äh... Ich kann das erklären! Glaube ich...", versuchte Kimie ihre Mutter wieder zu beruhigen und hob beschwichtigend die Hände, doch gestaltete sich das ganze etwas schwierig, als Akie wieder das Wort ergriff: "Na, darauf bin ich jetzt aber wirklich mal gespannt! Und wo wir schon mal dabei wären: Wo ist Inuki überhaupt? Ich dachte, du hättest ihn hier gelassen, aber bisher habe ich ihn noch nicht gesehen."

"Inuki?! Äh... Der ist... ähm..." Und schon wieder befand sich Kimie in akuter Erklärungsnot. Die Fragen ihrer Mutter prasselten inzwischen wie eine nicht enden wollende Lawine auf sie herab. Am liebsten hätte sie sich sofort an Ort und Stelle unsichtbar gemacht und sich in irgendeinem Loch oder unter einem Stein verkrochen.

"Akie, vielleicht solltest du dich erst mal wieder setzen und dir zunächst noch einen Tee zu Gemüte führen, mein Kind", warf Kagomes Großvater mit einem Mal beschwichtigend ein, als versuchte er, seiner Enkelin ein wenig aus der Patsche zu helfen, doch Akie entgegnete nur: "Vielleicht später, Vater. Erstmal will ich, dass diese Sache hier geklärt wird!" Und damit wandte sie sich wieder Kimie zu. "Kimie, ich werde das blöde Gefühl nicht los, dass du deinem Vater und mir eine ganze Menge verschwiegen hast", meinte Akie mit einem derart durchdringenden Blick, dass Kimie nur allzu gern im Rückwärtsgang das Zimmer verlassen hätte. Doch stattdessen versuchte sie zu erklären: "Nicht doch! Nicht verschwiegen, so würde ich das nicht nennen. Nur... eben nicht erwähnt... Hehe..."

>Und zwar nicht zu knapp...<, schob sie gedanklich noch hinterher.

Gerade schien es so, als wollte ihre Mutter etwas darauf erwidern, als jedoch auf einmal die Schiebetür von draußen aufgerissen wurde, dass Kimie dabei regelrecht mitgerissen wurde und beinahe hingefallen wäre. Doch konnte sie sich noch auf den Beinen halten und starrte nun mindestens genauso erschrocken wie Kagome auf einen sehr angefressen wirkenden Inu Yasha, der nun das Zimmer betrat und sich sogleich an die Mädchen wandte: "Was sollte das denn eben?! Warum habt ihr uns ausgesperrt und was macht ihr überhaupt so lange?"

"Inu Yasha..." Kagome senkte den Blick und hatte deutliche Mühe, ihre Frustration zu unterdrücken, hatte sie den Hanyou doch zuvor noch gebeten, sich zusammen mit Sesshoumaru im Hintergrund zu halten. Und kaum, dass Inu Yasha das Zimmer betreten hatte, ließ es sich auch dessen älterer Halbbruder nicht nehmen, die kleine Runde mit seiner Anwesenheit zu beehren. Die Blicke von Kagomes Familie wanderten daraufhin langsam zurück zu Kimies Eltern, die die beiden Neuankömmlinge sehr ausgiebig beäugten. Besonders Inu Yashas und Sesshoumarus Kleidungsstil schien sie in der Hinsicht recht zu überraschen, ebenso wie ihre gesamte Erscheinung.

"Oh! Noch mehr Besucher, heute scheint hier ja einiges los zu sein", meinte Kimies Vater schließlich, ehe er das Wort direkt an Inu Yasha und Sesshoumaru richtete: "Entschuldigung, aber sind die werten Herren vielleicht Cosplayer oder gar echte Schauspieler? Ihr Kleidungsstil wirkt nämlich irgendwie wie aus einem mittelalterlichen, japanischen Film. Oder kommen Sie eventuell gerade von einem Kostümfest?"

Jetzt wurde es heikel. Inu Yasha und Sesshoumaru selbst antworteten nicht auf diese Fragen, zumal sie mit vielen Begriffen, wie etwa "Cosplayer" oder "Schauspieler" überhaupt nichts anfangen konnten. Kagome und Kimie warfen sich derart hilflose Blicke zu, dass sie beide schon nah an der Grenze zur Verzweiflung standen. Besonders Kimie graute es davor, als sie sich vorstellte, wie um alles in der Welt sie ihren Eltern denn bitte erklären sollte, dass Sesshoumaru, der ja sozusagen ihr ach so geheimnisvoller Freund gewesen war, eigentlich ein über 900 Jahre alter Youkai ist, der zudem im japanischen Mittelalter von vor 500 Jahren lebte. Doch noch schienen ihre Eltern überhaupt nicht Erwägung gezogen haben, dass sich der geheimnisvolle Freund ihrer Tochter nun eigentlich mitten unter ihnen befand. Stattdessen galt insbesondere Akies Aufmerksamkeit momentan eher einer anderen Sache, und zwar etwas, was Inu Yasha betraf. Vorsichtig näherte sie sich ihm und schaute ihn sich ganz genau an, was ihm aber schon nach ein paar Sekunden sehr unangenehm wurde.

"Was gibt's denn da zu gucken?", fragte er, woraufhin Akie fast wie automatisch ihre Hände hob und kurz darauf den Hanyou an dessen Ohren gepackt hatte.

"Sind diese Ohren etwa echt?", fragte sie völlig verdutzt und Inu Yasha sträubten sich bereits die Nackenhaare. Anscheinend waren alle Weiber in Kagomes Familie gleich, alle mussten sie bisher an ihm herumziehen.

"Hey! Hör auf, an mir herumzuzerren!", schimpfte er daher sogleich genervt und riss sich wieder von der Frau los. Akie war gerade mehr von Inu Yashas ruppigem Verhalten verblüfft gewesen, als viel mehr von seinen Ohren, von dessen Echtheit sie aber wohl nicht wirklich überzeugt war. Sie hielt seinen gesamten Aufzug lediglich für eine ziemlich gute Verkleidung und dachte genauso auch über Sesshoumaru.

Nichts desto trotz schien Kimie so langsam einzusehen, dass sie mit dem Rücken zur Wand stand. Scheinbar rückte der Moment, den sie nur allzu gern noch lange hinausgezögert hätte, nun ganz nahe an sie heran. Schließlich atmete sie einmal tief durch und machte einen Schritt nach vorne, wobei sie ihre Eltern ansprach: "Mama, Papa. Bitte regt euch nicht auf und bleibt ganz ruhig, in Ordnung? Ich will versuchen, euch alles in Ruhe zu erklären."

"Aber Kimie..." Kagome war sich nicht sicher, ob das eine so gute Idee gewesen war. Sie ahnte, dass Kimie wohl gleich sämtliche Karten auf den Tisch legen würde. Andererseits konnte keiner der "Eingeweihten" sich innerhalb der nächsten Sekunden eine gute Notlüge einfallen lassen. So blieb wohl wirklich nur noch dieser Weg.

Kimie hatte nur wenige Sekunden pausiert, aber ihr kamen sie wie eine halbe Ewigkeit vor. Und während sie in die teils gespannt und teils fragend dreinschauenden Gesichter ihrer Eltern sah, rang sie sich schließlich dazu durch, ihnen die beiden dazugekommenen Besucher nun vorzustellen: "Also, die beiden hier... Das sind Inu Yasha und Sesshoumaru." Sie deutete mit dem Finger auf die Besagten, während ihre Eltern besonders bei der Erwähnung des letzten Namens sofort die Augenbrauen hochzogen.

"Sesshoumaru?", fragte Akie noch mal nach, ehe es ihr abrupt wieder einfiel. "Moment mal! Dann ist ER das also? Das ist also dein Freund?"

Peinlich berührt senkte Kimie den Blick. "Ja.", antwortete sie kaum hörbar. Das Wort "Gefährtin" wollte sie in diesem Zusammenhang besser noch nicht in den Mund nehmen, zunächst musste sie ja noch eine andere Sache loswerden. Noch einmal atmete sie tief durch, ehe sie recht zögerlich weiter sprach: "Und Sesshoumaru ist... Nun ja, er ist... Er ist ein You..."

Aber dieses eine Wort wollte ihr partout nicht über die Lippen kommen. Doch schien das im Moment sowieso eher zweitrangig gewesen zu sein, denn während Kimie noch versucht hatte, ihren Satz wenigstens halbwegs flüssig auszusprechen, war ihr Vater von seinem Sitzplatz aufgestanden und hatte sich Sesshoumaru genau gegenübergestellt.

"Papa, was...?" Kimie wich erneut jegliche Farbe aus dem Gesicht, malte sie sich schon sonst was aus, doch entgegen ihrer Erwartungen hielt ihr Vater dem Youkai freundlich lächelnd die Hand hin und sagte: "So, so… Sie sind also dieser Jemand, der meiner Tochter so den Kopf verdreht zu haben scheint. Ich bin Kimies Vater. Es freut mich, Sie kennen zu lernen."

Doch Sesshoumaru schaute nur stumm und mit seinem üblich kühlen Blick auf die Hand seines Gegenübers. Sofort hatte sich Kimie eingeschaltet und zog ihren Vater wieder von ihm weg. "Ähm, Paps? Sesshoumaru gibt anderen Leuten eigentlich nicht die Hand... Frag deswegen bitte nicht weiter, es ist eben so."

Zwar wirkte Kimata zuerst etwas verdutzt, doch als er seinen Blick daraufhin wieder auf Sesshoumaru gelenkt hatte, fielen ihm neben dessen auffälligen Kleidungsstil nun auch noch Tenseiga und Toukijin auf. Fasziniert legte er sich eine Hand ans Kinn. "Diese Schwerter... Sind die etwa echt? Das ist wirklich interessant."

"Was?! Was denn für Schwerter?", rief Akie hingegen sofort völlig perplex aus und glaubte zuerst, sie habe sich verhört.

"Also... Vielleicht solltet ihr euch beide einfach mal besser wieder hinsetzen, okay?", schlug Kimie ihren Eltern sogleich vor, woraufhin diese sich auch wirklich wieder auf ihre Plätze begaben. Allerdings war Kimie doch sehr erstaunt darüber gewesen, dass zumindest ihr Vater sich vom Anblick von Sesshoumarus Schwertern nicht hatte aus der Ruhe bringen lassen. Aber das konnte ja noch kommen...

Und so versuchte Kimie weiterhin, ihren Eltern die Wahrheit über Sesshoumaru zu erzählen, doch immer, wenn sie zu einem Satz ansetzte, brach sie genau bei dem entscheidenden Begriff ab und fing wieder von vorne an. Nach dem mittlerweile fünften Anlauf, schlug sie sich völlig fertig die Hände an den Kopf. "Argh, ich kann das nicht! Kagome! Erledige du das bitte..."

Und so trollte sich Kimie hinter Kagome in eine Ecke und überließ einfach mal ihrer Cousine das Feld. Kagome war zuerst zwar recht überrumpelt gewesen, doch nachdem sie sich kurz gesammelt hatte, deckte sie nun die Tatsachen auf: "Also, Onkel Kimata und Tante Akie. Um es kurz zu fassen: Sesshoumaru ist ein Youkai und Inu Yasha hier ist ein Hanyou. Er ist Sesshoumarus jüngerer Halbbruder und beide leben eigentlich in der Sengoku-Ära, sprich rund 500 Jahre zurück in der Vergangenheit. Der alte Brunnen in unserem Schrein ermöglicht es Kimie und mir jedoch zwischen dieser Zeit und der Gegenwart hin- und herzureisen. Und Inu Yasha und Sesshoumaru können eben diesen Brunnen auch benutzen, um hier herzukommen, wie ihr seht. Und dass Inuki nicht hier ist, hat den einfachen Grund, dass er sich zur Zeit noch in der Sengoku-Ära aufhält und eigentlich ist er auch kein gewöhnlicher Hund, sondern ebenfalls ein Youkai. Wie er allerdings damals hierher in die Gegenwart gekommen ist, wissen selbst wir nicht."

Nachdem sie schließlich geendet hatte, atmete Kagome einmal tief durch. "So! Das ist also in groben Zügen die Lage. Konntet ihr mir folgen?"

Jetzt hatte sich auch Kimie wieder umgedreht, um die Reaktion ihrer Eltern mitverfolgen zu können. Doch diese schienen mit diesem Schwall von merkwürdigen Informationen zuerst überhaupt nichts anfangen zu können. Sie schauten ihre Nichte nur reichlich entgeistert an, ehe ihre Blicke abwechselnd zwischen Sesshoumaru und Inu Yasha hin- und herwanderten. Es verging noch ein kurzer Augenblick, dann brach Akie in lautes Lachen aus: "Ahahaha! Das war echt gut, Kagome! Ein Youkai und ein Hanyou! Sengoku-Ära und Zeitreisen... Einen Moment lang habe ich das doch wirklich beinahe geglaubt. Seid doch ehrlich, Leute! Das hier ist doch sicher so was wie die 'Versteckte Kamera', oder?"

Doch Akie wartete erst gar nicht die Antwort ab, sondern stand nur wieder auf, ging auf Inu Yasha zu und zupfte erneut an einem seiner Ohren. "Und ihr wollt mir dann vielleicht noch erzählen, diese Ohren seien tatsächlich echt, was?", fragte sie noch immer höchst amüsiert, wobei sie einmal jedoch etwas zu fest an Inu Yasha Ohr zog, dass dieser sogleich ausrief: "Autsch! Nicht so fest ziehen! Aufhören!!"

Wieder schüttelte der Hanyou die Hand der Frau von sich ab und trat zudem gleich einige Schritte von ihr zurück. Jedoch zuckten seine Ohren noch etwas und plötzlich schien Akie klar zu werden, dass all das keinesfalls Bestandteil einer Fernsehshow war. Jetzt wanderte ihr Blick einmal durch den ganzen Raum. Ausgenommen von ihrem Mann, der seinerseits recht irritiert wirkte und nicht zu wissen schien, was er jetzt machen sollte, sah Akie den anderen Familienmitgliedern an, dass Kagome wohl doch keine Märchen erzählt hatte.

"Das... ist also wirklich kein Scherz...?", fragte Akie nichts desto trotz vorsichtshalber noch mal nach. Kimie trat nun wieder hervor und antwortete mit einem leichten Seufzen: "Nein, Mama... Das ist es nicht."

Daraufhin schweifte Akies Blick noch einmal zu Inu Yasha dessen Ohren noch immer etwas zuckten. Als ob sie aber noch einmal ganz sicher gehen wollte, näherte sie sich dem Hanyou erneut, nur um nachzusehen, ob er an den Seiten seines Kopfes wirklich keine menschlichen Ohren besaß. Und als sie seine Haare entsprechend hochgehoben hatte, lief der Frau abrupt ein leichter Schauer über den Rücken. Denn natürlich besaß Inu Yasha zusätzlich zu seinen Hundeohren nicht auch noch ein Paar Menschenohren. Wie in Trance ließ Akie wieder von dem Hanyou ab und trat langsam, beinahe schon in Zeitlupentempo, einige Schritte zurück.

"Ent… Entschuldigt mich bitte...", bat sie die anderen nun kaum hörbar, ehe sie nur einen Sekundenbruchteil später umkippte und ohnmächtig auf dem Boden liegen blieb.

Souta war sofort erschrocken aufgesprungen. "Ach, du Schreck! Tante Akie!"

Auch Kimies Vater war zuerst nicht minder erschrocken gewesen und versuchte, seine Frau wieder aufzuwecken. "Liebling! Wach wieder auf! Komm schon, jetzt übertreib doch nicht so maßlos! Akie!"

Doch es half alles nichts. Kimies Mutter würde so schnell wohl nicht wieder aufwachen. Ratlose Stille machte nunmehr sich im Raum breit.

"Na ja... Für den Anfang lief 's doch aber eigentlich gar nicht so schlecht, oder?", fragte Kagome ihre Cousine schließlich mit einem verlegenen Lächeln, doch eine mündliche Reaktion seitens Kimie blieb aus.

"Ach herrje... Das waren wohl wirklich ein paar Neuigkeiten zu viel auf einmal", meinte Kagomes Mutter nun, während sie vom Tisch aufstand und sich auf den Weg in die Küche machen wollte, sich zuvor aber noch mal lächelnd zu den anderen umdrehte und fragte: "Wie sieht's aus? Möchte jemand zur Entspannung vielleicht noch eine Tasse Tee?"

"Aber Mama..." Souta war immer wieder verblüfft, wenn er seine Mutter in so ziemlich jeder erdenklichen Situation so gelassen erlebte. Sie konnte wohl wirklich nichts aus der Fassung bringen, ganz anders hingegen war es wiederum bei Kimies Mutter. Die beiden waren wirklich das, was man als "ungleiche Schwestern" bezeichnen konnte.
 

Nach ungefähr einer halben Stunde saßen alle beim Tee trinken am Tisch im Wohnzimmer zusammen, wobei Sesshoumaru sich jedoch wie üblich etwas abgesondert hatte und stattdessen mit dem Rücken an der Wand lehnte. Akie war in der Zwischenzeit auch wieder zu sich gekommen, doch so richtig verarbeitet hatte sie die ganzen verrückten Informationen noch immer nicht so ganz. Als wäre sie noch immer etwas geistesabwesend nahm sie einen Schluck aus ihrer Teetasse und murmelte schließlich ihre ersten Worte seit ihrer Ohnmacht: "Meine Tochter... meine Tochter ist doch tatsächlich... mit einem Freak zusammen..."

"Mama! Sesshoumaru ist kein Freak, er ist ein Youkai!", warf Kimie sofort ein und schielte kurz aus dem Seitenwinkel zu Sesshoumaru rüber, der sich an der Äußerung ihrer Mutter jedoch nicht zu stören schien. Jedenfalls zeigte er keinerlei Reaktion, was aber auch damit zusammengehangen haben mochte, dass er mit dem Wort "Freak" eh nichts hatte anfangen können.

Über Sesshoumarus Ruhe doch sehr erleichtert gewesen, wurde Kimie jedoch abrupt wieder auf ihre Mutter aufmerksam, die sich in diesen paar Sekunden scheinbar wieder etwas mehr erholt zu haben schien, was zumindest ihre nunmehr strengere Stimme vermuten ließ: "Aber wenn das jetzt alles wirklich so stimmt, wie Kagome uns das erzählt hat, dann hast du deinen Vater und mich ja über ein Jahr lang angelogen, Kimie!"

"Nein! Ich habe nicht gelogen!", entgegnete Kimie sofort, wurde aber sogleich wieder etwas kleinlaut und tippte mit leicht gesenktem Blick die Zeigefinger aneinander. "Ich habe nur... ein bisschen was verschwiegen und hier und da mal ein wenig geflunkert."

Was hätte sie auch sonst machen sollen? Ihren Eltern von vornherein die Wahrheit sagen? Wohl eher nicht! Als ob sie ihr überhaupt geglaubt hätten...

Dennoch schien ihre Mutter nunmehr wieder ganz da gewesen zu sein, denn sie wohl bereits genug gehört. Entschlossen stellte Akie ihre Teetasse auf den Tisch und sprach erneut ihre Tochter an: "Schluss jetzt! Ich billige das keinesfalls, Kimie! Das muss sofort aufhören, ebenso wie deine verrückten Trips ins Mittelalter! Sengoku-Ära... Wenn ich nur daran denke, wird mir schon ganz anders! Ich und dein Vater können ja wohl froh sein, dass du noch all deine Körpergliedmaßen besitzt, nachdem, was wir uns hier eben alles anhören durften! Das klingt alles, wie aus einem schlechten Fantasy-Film entsprungen."

Ihre aufgebrachte Mutter direkt vor sich sehend, hob Kimie sofort beschwichtigend die Hände. "Mama, jetzt beruhige dich doch bitte wieder! So schlimm ist es doch gar nicht..."

"Papperlapapp!", winkte Akie jedoch gleich wieder ab. "Ich dulde nicht, dass du dich einer derartigen Gefahr aussetzt, geschweige denn mit einem..." Sie deutete mit einer etwas wild herumfuchtelnden Handbewegung zu Sesshoumaru und schien nach dem passenden Begriff zu suchen, ehe sie letztendlich fortfuhr: "Mit einem... was auch immer dieser Typ noch mal ist, Umgang zu haben!"

"Sesshoumaru ist kein irgendetwas, sondern er ist ein Youkai!", sagte Kimie nunmehr doch ein wenig entnervt und schien mittlerweile auch wieder etwas selbstbewusster geworden zu sein. "Und ich war eigentlich der Meinung, dass auch ich bei alldem ein Wörtchen mitzureden hätte, wenn's darum geht, mit wem ich Umgang habe."

"Und wenn man bedenkt, dass er sie anfangs sogar um die Ecke bringen wollte, verstehen sie sich mittlerweile doch ganz gut", hatte Inu Yasha - ein wenig ermüdet von dieser Mutter-Tochter-Diskussion - sogleich hinzuzufügen, doch hätte er da wohl besser geschwiegen. Denn auf Akies total ungläubigen Gesichtsausdruck folgte kurz darauf ein Ausbruch aller erster Güte: "WIE BITTE?! Dieser Kerl wollte allen Ernstes meine Tochter töten?!"

Da schien Inu Yasha wieder hellwach gewesen zu sein und er erkannte schnell die fatale Nebenwirkung seiner Worte. Kagome hatte jedoch nur ein erschöpftes Seufzen übrig. "Echt super, Inu Yasha! Das war genau das, was uns hier noch gefehlt hat..."

Und während sich Inu Yasha kleinlaut bei Kagome entschuldigte, war Akie inzwischen längst aufgesprungen. "Das reicht! Dieser Mann ist doch völlig verrückt und noch dazu gemeingefährlich! Ich rufe die Polizei!"

Damit wollte sie auch sofort in den Flur hinausgehen, um sich das Telefon zu greifen, doch wurde sie noch an der Tür eiligst von Kimie zurückgehalten: "Nein! Lass das lieber sein, Mama! Wenn du den Polizisten einen Gefallen tun möchtest und willst, dass sie den morgigen Tag noch miterleben dürfen, dann lass bitte besser die Finger von dem Telefon und setz dich wieder hin, in Ordnung?"

Zwar wollte Akie zuerst protestieren, doch war sie im Moment viel zu aufgeregt gewesen, um auf die Schnelle eine passende Antwort parat gehabt zu haben. Allerdings bedurfte es dazu nur eines weiteren flüchtigen Blickes zu Sesshoumaru und schon war die Frau wieder oben auf. "Und so was hast du deinem Vater und mir die ganze Zeit verschwiegen?", fragte sie Kimie verständnislos. "Dass du dich im Mittelalter herumtreibst und Gott weiß was mit Gott weiß wem zu tun? Ich glaube, ich spinne!? Was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen, junges Fräulein?"

"Ich bin nicht schwanger!", kam es sofort wie aus der Pistole von Kimie zurück. Kurzzeitig herrschte daraufhin eine Totenstille im Raum. Verunsichert blinzelte Kimie einmal von links nach rechts. "Was denn?", fragte sie achselzuckend. "Es stimmt doch! Und außerdem hättet ihr mir doch eh nicht geglaubt, wenn ich euch die Wahrheit erzählt hätte, oder?" Mit dem letzten Satz hatte sie sich wieder direkt an ihre Eltern gewandt.

Und obwohl Kimie damit wohl gar nicht so Unrecht gehabt hatte, schien sich ihre Mutter davon nicht gerade überzeugen zu lassen. "Das ist doch jetzt vollkommen egal! Du als meine Tochter bleibst keinesfalls bei diesem Irren! Am Ende können dein Vater und ich dich wohl wirklich noch unter die Erde bringen!" Dann wandte sie sich vollkommen entrüstet an ihren Mann: "Kimata! Jetzt sag doch auch mal was dazu!"

Kimies Vater, der bisher nur stumm der Situation beigewohnt hatte, erwiderte nicht sofort etwas auf die Aufforderung seiner Frau. Stattdessen ließ er zunächst einmal den Blick durch den Raum und von einem Anwesenden zum anderen schweifen, ehe sein Augenmerk etwas länger an Sesshoumaru hängen blieb. Kimie ahnte schon das Schlimmste, als ihr Vater letztendlich zum Sprechen ansetzte, doch was er jetzt sagte, haute sie regelrecht aus den Socken: "Also, auf mich macht der werte Herr eigentlich einen sehr guten Eindruck."

Wieder machte sich diese eigenartige Stille im Raum breit. Die Blicke der anderen reichten von überrascht zu vollkommen verwirrt und besonders Kimie war sich im ersten Moment nicht sicher gewesen, ob ihr Vater nur so locker tat oder ob er es wirklich ernst meinte. Doch als Kimata daraufhin kurz zu seiner Tochter rüberschaute, zwinkerte er ihr aufmunternd zu und da war Kimie alles klar gewesen. Dementsprechend erleichtert war sie auch. "Danke, Papa! Bin ich froh, dass zumindest du mich verstehst."

Doch ganz anders als ihr Mann sah nach wie vor Akie diese Sache. "Moment mal, Kimata! Hast du die ganze Zeit über etwa nicht zugehört?! Dieser Mann da ist ein..."

"Ein Youkai. Ich weiß, Liebling", entgegnete Kimata ruhig und zuckte mit den Schultern. "Aber was soll's? Wenn Kimie ihn mag und umgekehrt das selbe gilt, weshalb lassen wir es dann nicht einfach so? Es wäre doch schließlich die erste große Liebe unserer Tochter."

"Papa, SO sehr musst du dich auch wieder nicht für mich einsetzen...", meinte Kimie nunmehr trocken und schaute reichlich verlegen zu Boden. Dass derartige Aussagen ausgerechnet in Sesshoumarus Gegenwart fielen, war ihr wiederum doch nicht so ganz recht gewesen.

Ungeachtet dessen war Akie jetzt aber wiederum dabei, ihren Mann ins Gebet zu nehmen: "Aber woher willst du denn wissen, wie dieser Kerl tickt, Kimata? Vielleicht hat er ja irgendwelche Hintergedanken. Immerhin wollte er Kimie umbringen! Und was kann er ihr denn schon bieten? Du hast es doch gehört, er lebt schließlich im Mittelalter. Was hat er also vorzuweisen?"

Dies schien nun doch das Stichwort für Sesshoumaru gewesen zu sein. Dieses ganze vorangegangene Gerede über eventuelle vergangene Tötungsabsichten seinerseits hatten ihn ja noch eher kalt gelassen, doch wenn diese Frau nun behaupten wollte, er wäre mittellos oder dergleichen, war bei ihm Feierabend gewesen. Schließlich war er kein gewöhnlicher und dahergelaufener drittklassiger Dämon, der irgendwo in einer Berghöhle hauste, sondern der Herr der westlichen Länder! Zudem gehörte sein Dämonengeschlecht zu den stärksten der Sengoku-Ära. Die Behauptung, er hätte nichts vorzuweisen, war daher absolut respektlos und inakzeptabel gewesen. Sesshoumaru besah sich die Frau nun etwas genauer. Man sah durchaus die Ähnlichkeit zwischen Kimie und ihrer Mutter, außerdem hatten beide anscheinend das gleiche vorlaute Mundwerk. Kimies Vater hingegen wirkte da schon weitaus ruhiger und er schien im Gegensatz zu seiner Frau die ganze Sache von einer recht lockeren Seite aus zu betrachten.

Nach der Ansprache ihrer Mutter war es nun Kimie, die erneut das Wort an diese richtete, wobei sie zudem äußerst belehrend klang: "Dann erzähle ich jetzt mal etwas, Mama: Sesshoumaru besitzt riesengroßes Schloss, inklusive Garten. Außerdem ist er der Herr der westlichen Länder. Er ist stark, kann hervorragend kämpfen und er kann auf seine ganz eigene Art und Weise auch richtig nett sein. Von ihm habe ich zum Beispiel auch mein neues Schwert bekommen. Und gut aussehen tut er auch noch! Man will gar nicht vermuten, dass er bereits über 900 Jahre alt sein soll. Außerdem gibt es noch viele andere Vorzüge, die er hat. Du siehst also, Mama, er ist kein dahergelaufener Vagabund, wie du ihn wohl gerne darstellen möchtest."

Kimie hatte es selbst auch reichlich sauer aufgestoßen, dass ihre Mutter so über Sesshoumaru hergezogen hatte. Da musste man doch einfach mal etwas sagen! Allerdings schien sie bei ihren Ausführungen wohl etwas dick aufgetragen zu haben, zumindest schien Inu Yasha das so zu sehen. "Urks! Das ist ja grässlich...", meinte er sofort. "Kann diese Schleimerei endlich mal ein Ende haben? Du bist doch nicht Jaken!"

"Hey! Vergleiche mich nicht noch einmal mit diesem grünen Gnom!", entgegnete Kimie auf der Stelle. "Und außerdem war das ist keine Schleimerei! Ich versuche lediglich, Sesshoumaru meinen Eltern schmackhaft zu machen. Im übertragenden Sinne wohl bemerkt."

Und während Kimie und Inu Yasha nun ihre eigene kleine Diskussion führten, wandte sich Kimata wieder an Akie: "Schatz, da hat unsere Kleine allerdings Recht. Ich meine, schau dir den Herrn an. Welcher Mensch kann von sich schon behaupten, er sehe mit 900 Jahren noch so blutjung aus?"

Zwar sah man Akie ganz deutlich an, dass sie unbedingt etwas darauf erwidern wollte, doch schienen ihr gerade nicht die richtigen Worte einfallen zu wollen. Und diese Gelegenheit nutzte Kimies Vater sogleich, um seinerseits das Wort an Sesshoumaru zu richten: "Sie besitzen also ein Schloss, wenn ich meine Tochter eben richtig verstanden habe? Das klingt doch recht passabel und es wäre bestimmt auch ein wunderbarer Platz, um Kinder großzuziehen."

Genau in diesem Moment verschluckte sich Kimie prompt an ihrem Tee, den sie sich nach der kleinen Unterredung mit Inu Yasha zur Beruhigung zu Gemüte führen wollte, und musste krampfhaft den drohenden Hustenanfall unterdrücken. Sie schaffte es gerade noch, den Schluck Tee runterzuschlucken, ehe der Husten sie doch noch überkam. Kagome versuchte sogleich, ihrer Cousine mit kräftigem Klopfen auf den Rücken zu helfen. Sesshoumaru hingegen hatte bei Kimatas Äußerung wie üblich nicht mal mit der Wimper gezuckt.

"Papa... Das... das ist jetzt echt nicht das passende Thema für eine Konversation", meinte Kimie schließlich, noch immer etwas schwer atmend und auch spürbar peinlich berührt. "Außerdem... ist es für meinen Geschmack noch etwas zu früh, um sich um so was Gedanken zu machen."

"Ja, der Meinung bin ich aber auch!", warf Akie ein, ehe sie sich wieder an ihren Mann wandte: "Kimata! Kimie ist doch nicht mal volljährig! (Bem.: In Japan gilt man erst mit 20 als volljährig.) Da schon an Kinder zu denken und womöglich noch an Heirat ist doch absolut... Moment mal!" Sie hatte abrupt gestoppt und den Blick zu ihrer Tochter umgewandt. "Kimie! Sag mir die Wahrheit! Du hast doch nicht etwa schon...?!"

Doch bevor ihre Mutter es überhaupt aussprechen konnte, war Kimie ihr schon dazwischengefahren, da sie schon genau wusste, worauf diese hinauswollte: "Mama, bitte! Das wird jetzt langsam wirklich mehr als peinlich! Aber zu deiner Beruhigung: Es ist NICHTS passiert!"

Nur allzu gerne hätte Kimie jetzt das Zimmer verlassen. Eine solche Diskussion lediglich mit ihren Eltern zu führen, das hätte sie ja noch hingenommen, aber im Beisein der anderen Familienmitglieder und noch dazu von Inu Yasha und Sesshoumaru... das war ihr dann doch irgendwann zu viel des Guten. Aber zumindest einer in der Runde schien das ganze Thema nach wie vor von einer etwas eher lockeren Seite zu betrachten und zwar Kimies Vater, der jetzt erneut das Wort an seine Frau richtete: "Akie, nun reg dich doch nicht mehr so auf. Kimie ist doch schließlich keine zwölf mehr und der werte Herr ebenso wenig."

Ungläubig starrte Akie ihren Mann an. "Kimata, das kannst du doch nicht wirklich so meinen?! Ich habe so langsam das Gefühl, du nimmst das alles nicht ernst!"

"Oh Gott... Das ist ja echt schlimmer und peinlicher als jede Talkshow..." Kimie stützte den Kopf auf ihre Hände, dass sie den Blick genau auf die Tischplatte gerichtet hatte, während sie weiter in sich hineinmurmelte: "Warum nur sind Eltern vom Umtausch ausgeschlossen...?"

Und während Kagome ihrer Cousine aufbauend die Schulter tätschelte, ging der muntere Dialog zwischen Kimies Eltern weiter.

"Akie... Kimie ist kein kleines Kind mehr", sprach Kimata weiter, ehe er mit einem Nicken in Sesshoumarus Richtung deutete. "Außerdem sollten wir uns doch wenigstens die Mühe machen, den werten Herrn dort etwas näher kennen zu lernen, oder meinst du nicht?"

Kimies Mutter warf daraufhin einen recht unschlüssigen Blick auf Sesshoumaru, der keinen der anderen im Moment ansah, sondern nur nach wie vor schweigend auf dem Boden an der Wand saß und die Augen geschlossen hatte. Allerdings war er inzwischen keinesfalls eingeschlafen, sondern lauschte dem Gespräch weiterhin äußerst aufmerksam.

Nachdem sie sich ihn einen Moment lang angesehen hatte, schüttelte Akie jedoch energisch den Kopf. "Nein! Das ist zu viel für mich! Ich kann das alles immer noch nicht glauben! Hast du eigentlich auch nur ansatzweise eine Ahnung davon, was unsere Tochter im Mittelalter treibt, Kimata? Wir sprechen hier schließlich von der Sengoku-Ära, wenn wir Kagomes Aussage Glauben schenken, und diese Zeit ist nicht gerade bekannt dafür, dass sie ruhig und friedlich ablief. Wie kannst du da also so gelassen bleiben, während Kimie Schwert schwingend durch die Weltgeschichte zieht und sich mit irgendwelchen dahergelaufenen Rüpeln prügelt, ganz zu schweigen von den ganzen Monstern, die da noch dazu ihr Unwesen treiben?!"

"Jetzt beruhige dich doch bitte endlich wieder, Akie."

"Mich beruhigen? Ich soll mich beruhigen?! Kimata, schau uns doch mal an! Wir stehen alle an der Schwelle zur Höllenglut und alles nur, weil unsere Tochter unbedingt so eine Lara Croft-Nummer im Mittelalter abziehen muss!"

"Jetzt übertreib doch bitte nicht so, Tante Akie...", meinte Kagome nunmehr mit einem besänftigenden Lächeln, während Kimie schon längst aufgehört hatte, sich aktiv an dieser Unterhaltung zu beteiligen. Sie saß nur mit gesenktem Blick auf ihrem Platz und wäre vor Scham wohl am liebsten im Boden versunken.

Ganz anders war da Sesshoumaru gewesen, der plötzlich von seinem Sitzplatz aufstand und in gewohnt kühlem Ton sagte: "Wenn diese Unterhaltung dann bald mal ihr Ende gefunden hat, sollten wir uns auch wieder auf den Rückweg machen. Ich kann es mir nicht leisten, unnötig Zeit zu verschwenden." Er schaute zu Kimie, die auf seine Aussage hin zu ihm hochsah.

Doch bevor sie dazu eventuell etwas hätte sagen, können, stand Akie auch schon wieder auf dem Plan und richtete das Wort diesmal ohne Scheu ganz direkt an Sesshoumaru: "Das kommt ja gar nicht in die Tüte! Damit eins klar ist: Meine Tochter wird mit Ihnen nirgendwo mehr hingehen! Nur über meine tote Leiche!"

Als Sesshoumaru die Frau daraufhin mit diesem etwas unheilvollen Blick ansah, sprang Kimie eiligst auf. "Hey, Mama, führe ihn bitte nicht in Versuchung! Und du, Sesshoumaru, nimm das, was sie eben gesagt hat, um Himmels Willen bitte nicht wörtlich!"

Zwar war sich Kimie nicht sicher gewesen, ob Sesshoumaru ihrer Mutter wirklich an den Kragen gegangen wäre, obwohl sie schon irgendwie bezweifelte, dass er ihr wirklich etwas schlimmes angetan hätte, aber das beste war es wohl, alle beide in ihre Schranken zu weisen, bevor wirklich noch jemand dazu verleitet werden könnte, etwas dummes zu machen.

Akie starrte völlig entgeistert abwechselnd von Kimie zu Sesshoumaru. Der Gedanke, dass ihre Tochter etwas mit diesem Youkai hatte, ließ der Frau die Nackenhaare senkrecht hochgehen. "Nein! Das ist zu viel! Das halten meine Nerven nicht..." Doch beenden konnte Akie den Satz nicht mehr, denn abrupt wurde ihr wieder so anders, ehe sie vor ihren Augen nur noch schwarz sah. Ihren erneuten eigenen Aufprall auf den Boden bekam sie schon gar nicht mehr mit.

"Ach je... Bitte nicht schon wieder." Kimata fuhr sich einmal mit der Hand durch die Haare, während er aufstand und auf seine bewusstlose Frau zuging.

Kagomes Großvater seufzte auf. "Ach! Das arme Kind war schon immer etwas anfällig für so was", meinte er ein wenig betroffen. "Schon als sie in Kagomes und Kimies Alter war, hat sie sich wegen so manchen Dingen schnell aufgeregt, aber diesmal hat sie sich eindeutig selbst übertroffen."

"Opa..." Kagome warf ihrem Großvater einen etwas ermüdeten Blick zu. Unterdessen kümmerte sich ihr Onkel zusammen mit ihrer Mutter darum, es Akie während ihrer Ohnmacht ein wenig bequemer zu machen und legten ihr ein Kissen unter den Kopf. Kimie hingegen wusste im Moment nicht so ganz, was sie jetzt eigentlich machen sollte. Also zog sie es vor, sich zunächst ein wenig auf ihr Zimmer zurückzuziehen. Nachdem sie kommentarlos das Wohnzimmer verlassen hatte, schlurfte sie mehr als das sie ging die Treppe zum ersten Stock des Hauses hinauf, bis sie schließlich an der Tür zu ihrem Zimmer stand. Kaum hatte sie dieses betreten, ließ sich Kimie gleich auf ihren Schreibtischstuhl nieder und legte seufzend den Kopf auf den Tisch. Zwar hatte sie sich schon gedacht, dass besonders ihre Mutter in so einer Situation wohl einen Koller bekommen würde, aber recht überrascht war sie hingegen noch immer von der Reaktion ihres Vaters gewesen. Dieser hatte so ziemlich alle Informationen ja recht cool und gelassen aufgenommen, als hätte man ihm eine ganz gewöhnliche Story aus dem normalen täglichen Leben erzählt. Allerdings hätte er sich so manchen seiner Kommentare ruhig sparen können.

"Oh mein Gott! Das war ja eben alles so was von peinlich...", seufzte Kimie schließlich auf, als sie bemerkte, wie jemand ihr Zimmer betrat. Sie wandte den Blick entsprechend um und entdeckte nun Sesshoumaru, der an der Tür stand.

"Bist du hier fertig?", fragte der Youkai sogleich und mit vor der Brust verschränkten Armen. "Ich sagte es ja eben bereits, ich lege keinen Wert darauf, weiter meine Zeit zu verschwenden."

Etwas entrüstet richtete Kimie ihren Oberkörper nun wieder auf. "Sag mal, du hast ja auch Vorstellungen... Du hast doch das Theater eben selbst mitbekommen. So wie die Sache jetzt steht, kann zumindest ich so schnell nicht wieder ins Mittelalter zurück. Du kennst meine Mutter nicht, Sesshoumaru. Wenn sie mal was gefunden hat, was ihr nicht ganz in den Kram passt, dann... Na ja... Jedenfalls kann ich hier nicht weg, solange ich mit ihr nicht wieder ins Reine gekommen bin. Ich muss das vorher unbedingt noch mit ihr klären."

An Sesshoumarus Gesichtsausdruck konnte Kimie ganz klar sehen, dass er nicht gerade begeistert wirkte, also schlug sie ihm nach kurzer Überlegung vor: "Wenn du schon aber vorher zurückgehen willst, kannst du das ruhig machen. Ich komme dann zusammen mit Inu Yasha und Kagome nach."

>Sofern ich es bis dahin überhaupt bis zur Haustür geschafft haben sollte...<, schob sie noch gedanklich hinterher, denn garantiert würde ihre Mutter ihr eine fürchterliche Szene machen, würde Kimie ihr mitteilen, dass sie auf jeden Fall wieder zusammen mit den anderen ins Mittelalter zurückgehen wollte. Aber Sesshoumaru hatte schon irgendwie Recht gehabt, wenn er zur Eile drängte, denn man konnte schließlich nicht wissen, was in der Zwischenzeit in den westlichen Ländern passierte. Deswegen hatte Kimie ihm ja auch vorgeschlagen, dass er sich frühzeitig allein auf den Rückweg machen konnte. Wie Sesshoumaru jedoch zu ihrem Vorschlag stand, konnte sie nicht erahnen, zumal er sich auch nicht weiter dazu äußern konnte, da es nun an der Zimmertür klopfte. Kimie hatte sogleich aufgeschaut. "Ja?"

"Wir sind's!", ertönte nun von draußen die Stimme von Kagome. "Können wir reinkommen, Kimie?"

"Ja, klar!"

Als sich daraufhin die Tür öffnete betrat Kagome zusammen mit Inu Yasha das Zimmer ihrer Cousine. Auf einer Nachfrage von Kimie hin, erklärte ihr Kagome, dass sich Akie noch immer in ihrem komatösen Zustand befand und dass es wohl noch nicht absehbar, wann sie wieder aufwachen würde. So was hatte sich Kimie aber schon gedacht und sofort fiel ihr Kopf zurück auf den Schreibtisch. "Das ist ja wirklich ganz toll! Zeig mir deine Eltern und ich sag dir, wer du bist. Ich wünschte, ich wäre tot...", murmelte sie in die Tischplatte hinein.

"Aber Onkel Kimata war doch erstaunlich locker", meinte Kagome, als ob sie ihre Cousine etwas aufzubauen versuchte.

Diese drehte den Kopf nun so, dass sie die anderen ansehen konnte. "Mag ja sein, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass meine Mutter jetzt vollkommen neben der Spur ist..."

"Hmm... Und was willst du jetzt machen?"

Kimie zuckte einmal mit den Schultern. "Was soll ich schon groß machen? Abwarten und Tee trinken. Vielleicht geschieht ja ein Wunder und meine Mutter kriegt sich wieder ein. Aber das dürfte aber eine schwere Geburt werden..."

"Hä? Was denn für eine Geburt? Ich dachte, du wärst nicht schwanger", sagte Inu Yasha, wobei er auch einen leichten Schielblick in Sesshoumarus Richtung warf, und sofort war Kimie aufgesprungen.

"Argh! Das bin ich ja auch nicht!", entgegnete sie betont. "Das war doch nur so eine Redewendung! Können wir jetzt vielleicht das Thema wechseln? Diese Unterhaltung macht mich irgendwie so... Ach, ich weiß auch nicht..."

"Warum bist du denn überhaupt so aus der Fassung?", fragte Inu Yasha weiter, während sich Kimie wieder auf ihren Stuhl fallen ließ. "Ich meine, so schlimm kann das ganze doch nicht sein. Deine Mutter wird sich schon wieder einkriegen."

"Das denkst du, Inu Yasha...", meinte Kimie trocken und stützte ihren Kopf auf ihre rechte Hand ab. "Immerhin sprechen wir hier von meiner Mutter; von der Frau, die mitunter dafür verantwortlich ist, dass ich überhaupt lebe. Und wenn ich keine gute Lösung für dieses Problem finde, die auch sie annehmen kann, dann wird sie es auch sein, die mir mein Leben womöglich wieder wegnimmt."

Zwar war dies eine durchaus übertriebene und eigentlich eher sarkastisch gemeinte Äußerung gewesen, trotzdem hatte Inu Yasha zuerst etwas verblüfft eine Augenbraue hochgezogen, doch meinte er nach einem Moment mit einem Achselzucken: "Kein Problem. Dann kann Sesshoumaru ja einspringen. Soviel wird er ja wohl für dich übrig haben."

Sesshoumaru ersparte sich einen entsprechenden Kommentar zu der Äußerung seines Halbbruders und von Kimie kam nur ein erschöpftes Seufzen zurück. So wie sie vermutete, würde wohl noch so einiges auf sie zukommen.
 

Die Stunden schienen nur so dahin zu schleichen. Zu Kimies Erstaunen hatte Sesshoumaru die ganze Zeit bei ihr in ihrem Zimmer verbracht und auch kein Wort mehr über eine eventuelle vorzeitige Rückkehr ins Mittelalter verloren. Wollte er also ebenfalls abwarten, bis sie das Problem mit ihren Eltern und insbesondere mit ihrer Mutter gelöst hatte? Zwar war Kimie darüber doch etwas erstaunt gewesen, aber irgendwie fand sie das auch richtig nett von ihm, sofern ihre Vermutung überhaupt der Wahrheit entsprach. Ihn aber genauer danach fragen, das tat sie dann aber doch nicht, und überhaupt redeten die beiden während der Zeit, die sie in Kimies Zimmer verbrachten eher weniger miteinander. Kimie war im Moment ohnehin nicht wirklich für eine Unterhaltung offen gewesen, zu sehr machte sie sich noch ihre Gedanken wegen ihrer Eltern. Bis zum Abend hatte sie sich deswegen nicht mehr aus ihrem Zimmer getraut und sie war auch ganz froh darüber gewesen, dass ihre Eltern sie in der Zwischenzeit auch nicht aufgesucht hatten. Doch als Kagomes Mutter sie schließlich zum Abendessen ins Wohnzimmer hinunter bat, musste sich wohl oder übel auch Kimie einen Ruck geben. Allerdings schlurfte sie mehr die Treppen hinunter, als dass sie diese hinunterging. Es kam ihr vor, als wäre sie auf dem Weg zu ihrer eigenen Exekution und auch beim Essen selbst war die Stimmung recht unterkühlt. Dabei herrschte die Kühle eher weniger zwischen Kimie und ihren Eltern, sondern vielmehr zwischen ihrer Mutter und Sesshoumaru, der das Mädchen begleitet hatte. Schon die ganze Zeit über warf Akie dem Youkai diese stechenden Blicke zu, die er hin und wieder erwiderte, während er mit dem Rücken etwas abseits der anderen an der Wand lehnte, doch wenn Sesshoumaru mal den Blick von der Frau abwandte, hatte er stets diesen abfälligen Gesichtsausdruck. Dabei wandte er den Blick nicht etwa von ihr ab, weil er ihrem eventuell nicht standhalten konnte, sondern weil es ihn schlichtweg nervte, diese Frau die ganze Zeit über ebenfalls anzustarren, wie sie es bei ihm tat.

Kimies Augen wanderten abwechselnd von ihrer Mutter zu Sesshoumaru, während Inu Yasha, Kagome und der Rest der Familie versuchten, irgendwie das Abendessen hinter sich zu bringen.

"Mama, soll ich dir vielleicht den eingelegten Rettich rüberreichen?", fragte Kimie ihre Mutter schließlich, nachdem sie sich die giftigen Blickkontakte zwischen ihr und Sesshoumaru eine Weile lang angetan hatte. Doch Akie reagierte nicht mal mit einem Wimpernzucken auf die Frage ihrer Tochter. Diese räusperte sich daraufhin und versuchte es erneut: "Möchtest du eventuell noch etwas von dem Rührei?"

Doch schon wieder kam keinerlei Reaktion. So langsam wurde es Kimie aber auch zu blöd, sich das alles mit anzusehen, und so sagte sie schließlich mit streng erhobener Stimme, während sie frustriert ihre Essstäbchen auf den Tisch knallte: "Hach! Ich fass es einfach nicht, Mama! Hörst du mir überhaupt noch irgendwie zu? Im Übrigen hängt es mir momentan echt zum Hals raus, wie du und Sesshoumaru euch schon die ganze Zeit über gegenseitig anfunkelt! Echt mal! Wenn Blicke töten könnten, wärt ihr beide bestimmt schon mindestens tausend Tode gestorben!"

Auf diese genervte Ansage hin hatte Akie nun doch endlich den Blick zu ihrer Tochter umgewandt, die inzwischen einen kräftigen Schluck von ihrer Miso-Suppe genommen hatte und die leere Schüssel kurz darauf wieder vor sich auf den Tisch stellte. Anschließend räumte Kimie ihr Besteck und leeres Geschirr zusammen und brachte alles in die Küche. Als sie kurze Zeit später wieder ins Wohnzimmer zurückkam, steuerte sie sogleich die Tür an. "Ich bin dann mal weg."

"Wo gehst du denn hin, Kimie?", fragte Kagome ihre Cousine, die ohne sich umzudrehen antwortete: "Ins Bad! Ich brauche mal etwas Ruhe und Abstand von allem."

"Aber ich habe mal gehört, dass es ist nicht sonderlich gesund ist, gleich nach dem Essen in die Badewanne zu steigen", meinte Souta daraufhin, doch Kimie fauchte nur entnervt: "Glaub's mir oder nicht, aber das ist mir im Moment echt vollkommen schnuppe!" Und damit riss sie die Tür auf, ging beim Schließen von dieser jedoch wieder etwas behutsamer vor, als sie nun das Zimmer verließ.

"Was hat sie denn?", fragte sich Souta noch etwas perplex, nachdem Kimie verschwunden war und auch ihre Schritte nicht mehr im Flur zu hören gewesen waren. Ein wenig unschlüssig steckte sich der Junge nun noch eine kleine Portion Reis in den Mund. Kauend sprach er weiter: "Ihre Stimmung schwankt ja auch schön. Aber bei dir ist das ja auch manchmal der Fall, Nee-chan."

Als sie Soutas Blick und dessen Bemerkung wahrgenommen hatte, zuckte unwillkürlich Kagomes linke Augenbraue leicht. "Das habe ich jetzt mal ganz diskret überhört", meinte sie nur trocken und nahm einen Schluck von ihrer Suppe. Inu Yasha, der neben ihr saß, konnte es sich auf Soutas Aussage hin nicht verkneifen, nun ebenfalls seine Meinung zum besten zu geben: "Aber der Kleine hat durchaus Recht, Kagome."

Sofort hatte Kagome den Hanyou von der Seite einen mahnenden Blick zugeworfen, ehe sie ihre Suppenschüssel wieder auf den Tisch abstellte und kurz darauf mit streng erhobener Stimme befahl: "Osuwari!"

Sofort fand sich Inu Yasha mit dem Gesicht auf dem Fußboden wieder. Insbesondere Kimies Eltern hatten auf diese Aktion hin doch sehr irritierte Blicke aufgesetzt, wobei sich Kimata auch leicht am Kopf kratzte. "Also, das Männer ihren Frauen zu Füssen liegen können, habe ich zwar schon gehört, aber das hier..."

Von Inu Yasha kam aber nur ein unverständlich gemurmelter Satz zurück, während er noch immer mit dem Gesicht auf dem Boden lag.
 

Im Badezimmer ärgerte sich Kimie im Nachhinein über sich selbst. Sie hatte Souta nicht so anfahren wollen, aber es war in dem Moment einfach so mit ihr durchgegangen. Vielleicht würde wirklich ein Bad ihr dabei helfen, wieder etwas ruhiger zu werden. Wie lange sie letztendlich in der Badewanne verbracht hatte, wusste Kimie im Nachhinein auch nicht mehr so genau, aber eine Stunde war es bestimmt gewesen, ehe sie sich schließlich dazu entschied, wieder aus dem Wasser zu steigen. Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, legte sie sich erstmal einen Bademantel an, bevor sie ihre Haare trocken föhnte. Als sie sich danach jedoch neue Sachen anziehen wollte, fiel ihr ein, dass sie sich ja keine vorsorglich zurechtgelegt hatte. Entnervt von ihrer eigenen Vergesslichkeit seufzte Kimie auf: "Hach... Das ist ja mal wieder typisch, dass ich vergesse, neue Klamotten mit ins Bad zu nehmen..."

So blieb ihr also nichts anderes übrig, als im Bademantel zu ihrem Zimmer zu gehen und sich dort umzuziehen. Eigentlich war das auch kein sonderlich großes Problem gewesen, schließlich hatte sie das bei sich zu Hause auch fast immer so gemacht. Allerdings hoffte sie, dass sie in ihrem momentanen Outfit nicht eventuell durch einen dummen Zufall Inu Yasha oder gar Sesshoumaru über den Weg laufen würde. Doch als Kimie die Tür des Badezimmers geöffnet hatte, fand sie im Flur niemanden vor. Also trabte sie zu ihrem Zimmer und steuerte dort sogleich den Kleiderschrank an, wo sie sich recht schnell ein paar Klamotten herausgesucht hatte. Gerade, als sie sich jedoch ihres Bademantels entledigen wollte, zuckte sie erschrocken zusammen, als sie hinter sich jemanden sagen hörte: "Bevor du das tust, sollte ich dir wohl besser sagen, dass du nicht allein bist."

"Eh...?" Im ersten Moment stand Kimie nur wie versteinert da. Nur mit Mühe drehte sie sich schließlich doch noch um, und staunte nicht schlecht, als sie Sesshoumaru wie selbstverständlich auf ihrem Bett sitzen sah. Zuerst wollte sie ihn fragen, was er in ihrem Zimmer verloren hatte, doch da bemerkte sie, dass ihr der Bademantel schon von den Schultern gerutscht war und sie gerade noch so verhindern konnte, dass er noch mehr preisgab. Hastig zog sie ihn wieder hoch, während sie spürte, wie ihre Wangen leicht erröteten. >Ach, du Schreck! Stünde ich noch unter der Dusche, wäre das bestimmt die schrecklichste Duschszene seit 'Psycho' geworden...<

Nachdem die erste Überraschung jedoch wieder von Kimie gewichen war, fragte sie Sesshoumaru etwas patzig: "Sag mal, hättest du dich nicht schon vorher bemerkbar machen können?"

"Hättest du dich nur einmal umgesehen, hättest du mich auch von selbst bemerkt", entgegnete er aber nur üblich seriös und in gewohnt kühlem Ton. Kimie musste ein entrüstetes Seufzen unterdrücken, denn eigentlich hatte Sesshoumaru so gesehen ja Recht gehabt. Trotzdem wollte sie das so nicht auf sich sitzen lassen.

"Super Ratschlag!", meinte sie daher trocken. "Das hier ist schließlich immer noch mein Zimmer. Muss ich mich hier also wirklich erstmal umsehen, bevor ich es ohne Bedenken betreten kann?"

Doch diesmal schwieg Sesshoumaru. Hätte Kimie es nicht besser gewusst, hätte sie glatt gedacht, er würde sich insgeheim ein wenig über sie lustig machen.

"Und was hast du jetzt vor?", fragte Sesshoumaru sie plötzlich, doch Kimie verstand zuerst nicht so ganz. "Was meinst du damit?"

"Ich spreche von deinen Eltern."

"Ach, das." Kimie kratzte sich leicht am Kopf. "Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung... Ich bin irgendwie völlig durcheinander. Wobei... Eigentlich nehme ich meiner Mutter ihr Verhalten nicht übel. Sie macht sich eben einfach nur Sorgen um mich und in der Hinsicht kann ich sie auch verstehen."

Dass Akie sich Sorgen um sie machte, wunderte Kimie in der Tat nicht, denn sie selbst wäre wohl auch nicht gerade vor lauter Begeisterung in die Luft gesprungen, wäre sie an der Stelle ihrer Mutter gewesen und hätte diese ganzen Erzählungen über die Sengoku-Ära zu hören bekommen. Aber irgendwie hatte Kimie zugleich das Gefühl, als würde es ihrer Mutter womöglich mehr um Sesshoumaru gehen. Und dass Kimie ihrer Mutter einen Youkai praktisch als Schwiegersohn in spe präsentiert hatte, dürfte noch für so manches Problem sorgen, aber da mussten halt alle Beteiligten irgendwie durch, wobei der eine es wahrscheinlich lockerer sah als der andere. Zumindest machte Sesshoumaru auf Kimie nicht unbedingt den Eindruck, als würde er sich irgendwelche großen Sorgen machen. Doch sein Blick schien momentan dafür recht aufmerksam an irgendetwas zu haften, jedenfalls schien er sie schon eine gewisse Zeit anzusehen.

"Stimmt etwas nicht?", fragte Kimie den Youkai schließlich, woraufhin er den Blick doch wieder leicht von ihr abwandte, ehe er knapp antwortete: "Auf der linken Seite rutscht was runter."

"Auf der linken...?", wiederholte sie zunächst etwas verdutzt, ehe sie reflexartig auf ihre linke Schulter schaute, von der in der Zwischenzeit tatsächlich wieder ihr Bademantel runtergerutscht war. In ihrer Eile hatte sie sich zuvor nicht darum gekümmert, dass er wieder richtig saß. Zwar war er nicht sonderlich weit von ihrer Schulter geglitten, doch war es Kimie doch ein wenig peinlich gewesen. Gerade, als sie sich den Bademantel wieder entsprechend hochziehen wollte, öffnete sich jedoch vollkommen unvorhergesehen die Tür ihres Zimmers und Akie trat herein.

"Kimie, ich würde gerne mal wegen vorhin noch mal mit dir spre..."

Aber Akie hatte sofort mitten im Satz inne gehalten, als sie ihre Tochter zusammen mit Sesshoumaru im Zimmer vorfand. Und zu allem Überfluss stand Kimie auch noch nur mit einem knielangen Bademantel bekleidet vor ihm. Dieser Anblick gab Akie den Rest.

"Kimie! Um Himmels Willen! Was macht dieser Kerl auf deinem Bett und warum stehst du auch noch halbnackt vor ihm?! Zieh dir auf der Stelle etwas an, aber geh dafür ins Badezimmer! Und Sie da denken besser nicht mal im Traum daran, meine Tochter anzustarren!"

Mit dem letzten Satz hatte sie sich mal wieder an Sesshoumaru gewandt, der wie üblich recht unbeeindruckt wirkte, aber Kimie war sich nun ganz sicher gewesen, dass sie irgendwie verflucht gewesen sein musste. Anders konnte sie sich diese absurde Anhäufung von unglücklichen Zufällen und Missgeschicken nun wirklich nicht mehr erklären.
 

Nachdem Kimata seine Frau wieder etwas hatte beruhigen können - wobei der Begriff "besänftigen" wohl doch etwas zutreffender war - hatte es Kimie auch hinbekommen, sich im Badezimmer umzuziehen. Allerdings hatte sie sich gleich ihren Pyjama angezogen, zumal sie ohnehin schlafen gehen wollte, da sie doch sehr müde gewesen war. Lediglich Kagome und Inu Yasha hatte sie noch eine gute Nacht gewünscht, nachdem sie sich noch bei Souta wegen ihres Ausrasters beim Essen entschuldigt hatte, ehe sie sich wieder in ihr Zimmer zurückgezogen hatte, denn hätte ihre Mutter spitz gekriegt, dass Sesshoumaru die Nacht über bei ihr blieb, wäre das Geschrei sicherlich wieder groß gewesen. So konnte Kimie zumindest für diesen Abend und für die Nacht eine weitere Konfrontation vermeiden. Nachdem sie sich unter ihre Bettdecke verkrochen hatte, war sie auch recht schnell eingeschlafen. Unterdessen hatte sich Sesshoumaru mit dem Rücken an den Kleiderschrank gesetzt. Bis er schließlich mitbekam, wie nach ungefähr einer Stunde auch im Rest des Hauses Ruhe eingekehrt war, hatte er stets die Tür im Blick gehabt. Doch ein erneuter unerwünschter Besuch blieb diesmal aus und so konnte auch Sesshoumaru schließlich ein wenig für die Nacht ruhen. Er selbst empfand das Getue von Kimies Mutter zwar mehr als albern, aber würde Kimie tatsächlich nicht eher wieder von hier weggehen, ehe sie wieder alles einigermaßen geklärt hatte. Die Frage war halt nur gewesen, ob Sesshoumaru selbst es sich überhaupt leisten konnte, womöglich noch ein paar Tage hier praktisch festzusitzen, oder ob er doch auf Kimies Vorschlag eingehen und eher zurückkehren würde. Schließlich entschied er für sich selbst, dass er noch einen Tag warten wollte. Sollte sich bis dahin noch immer keine Lösung für dieses Problem gefunden haben, würde er am kommenden Abend vorzeitig allein wieder ins Mittelalter zurückkehren.
 

Am nächsten Morgen war Kimie schon ziemlich früh wach gewesen. Ein Blick auf die Uhr hatte ihr verraten, dass es gerade mal halb sechs gewesen war und der einzige, der neben Sesshoumaru ebenfalls schon auf den Beinen gewesen war, war der Großvater, der bereits den Hof des Tempels mit einem Besen fegte. Die anderen schienen hingegen alle noch zu geschlafen zu haben.

Da Kimie nicht das Gefühl gehabt hatte, als hätte sie eventuell noch eine oder zwei Stunden schlafen können, war sie aufgestanden und nachdem sie sich im Badezimmer fertig gemacht hatte, nach unten in die Küche gegangen. Gesellschaft bekam sie dabei von Sesshoumaru, wenngleich dieser die ganze Zeit über eher etwas abseits stand und das Mädchen bei dessen Tun stillschweigend beobachtete. Zunächst fütterte Kimie jedoch den Kater Buyo, ehe sie sich an ihr eigentliches Vorhaben machte und erstmal Tee aufsetzte. Während sie damit beschäftigt war, ließ Sesshoumaru wortlos seinen Blick durch die Küche schweifen. Es gab hier zahlreiche merkwürdige Geräte, die ihm mehr als eigenartig erschienen und von denen er sich auch nie so wirklich vorstellen konnte, wozu sie eigentlich gut waren. Irgendwann galt Sesshoumarus Aufmerksamkeit dem Herd. Dies blieb nicht unbemerkt von Kimie.

"Hey! Sei lieber vorsichtig damit!", mahnte sie ihn sofort. "Fass das besser nicht an, sonst könntest du eventuell Feuer noch fangen. Und egal, was du tust, halte dich fern von den Steckdosen! Das sind diese zwei nebeneinander liegenden Löcher in der Wand." Sie deutete auf eine der besagten Steckdosen, während sie anschließend weiter darauf wartete, dass das Wasser für den Tee im Wasserkocher fertig wurde.

Auf Kimies Warnung hin hatte Sesshoumaru tatsächlich die Finger von dem Herd gelassen, obwohl er eigentlich doch recht unbeeindruckt schien. Warum jedoch diese simplen Löcher in der Wand für ihn gefährlich sein sollten, war ihm mehr als rätselhaft. Was sollte daran schon so gefährlich gewesen sein? Doch Sesshoumaru machte sich nicht die Mühe, hinsichtlich dessen eventuell bei Kimie nachzufragen oder die Sache selbst unter die Lupe zu nehmen. Schließlich war er kein neugieriges Kind, das sich alles, was ihm fremd gewesen war, ganz genau ansehen oder ständig hinterfragen musste.

Nach einer Weile war das Wasser für den Tee fertig und Kimie bereitete alles noch so weit vor, dass sie letztendlich für sich und auch für Sesshoumaru eine Tasse fertig hatte. Sie setzte sich an den Tisch, der in der Küche stand, und schob die zweite Tasse zu dem Platz, der ihrem gegenüberlag.

"Wenn du magst, setz dich", sagte Kimie an Sesshoumaru gerichtet und nahm schon mal einen Schluck aus ihrer Tasse. Zwar nahm Sesshoumaru ihr Angebot nicht sofort an, setzte sich dann aber doch noch auf den ihm angebotenen Platz. Die beiden hatten sich so noch gar nicht lange gegenübergesessen, da betrat schließlich eine weitere Person die Küche, wobei sie zunächst mit einem amüsierten Lächeln an der Tür stehen blieb.

"Wie hübsch! Das erinnert mich irgendwie an die Zeit, als deine Mutter und ich gerade in unsere erste gemeinsame Wohnung gezogen waren."

Kimie hatte sich sofort umgedreht und war doch recht überrascht gewesen. "Papa! Warum bist du schon so früh wach?"

"Die selbe Frage könnte ich meiner kleinen Tochter auch stellen, oder?"

"Was heißt hier 'klein'? Ich bin immerhin schon 18, Paps!", protestierte Kimie mit einem etwas trockenen Blick, was ihren Vater, der nun die Küche betrat, doch ein wenig zum Schmunzeln brachte.

"Das mag ja sein, aber für mich bist du trotzdem immer noch mein kleines Mädchen", meinte er und wuschelte seiner Tochter einmal durch die Haare. Dann richtete er das Wort an Sesshoumaru: "Einen angenehmen Morgen wünsche ich Ihnen."

Doch Sesshoumaru blieb wie gewohnt stumm. Kimata nahm es ihm aber nicht krumm, sondern nahm stattdessen das Angebot seiner Tochter an, sich ebenfalls an den Tisch zu setzen, während sie ihm auch eine Tasse Tee reichte. Diese nahm er dankend entgegen und trank erstmal einen Schluck. Anschließend setzte er die Tasse wieder auf den Tisch ab und kam nun auf seine Frau zu sprechen: "Übrigens, Kimie. Nimm das, was gestern alles passiert ist, deiner Mutter bitte nicht so krumm. Du kennst sie ja, sie neigt ab und zu nun mal dazu, ein wenig überzureagieren. Sie wird schon irgendwann Verständnis für dich aufbringen."

Doch Kimie zog nur äußerst skeptisch eine Augenbraue hoch. "Ja, klar wird sie das irgendwann und dann werde ich in die Notaufnahme eingeliefert...", meinte sie sarkastisch, woraufhin ihr Vater sich ein kurzes Lachen doch nicht verkneifen konnte.

"Na, gefährlicher als die Dämonen im Mittelalter wird sie doch wohl nicht werden", meinte er, während er noch einen Schluck Tee trank und dann erneut das Wort an Sesshoumaru richtete: "Und was ist mit Ihnen? Wie haben Sie und meine Tochter sich eigentlich kennen gelernt? Das ist ja nun die Sache, die mich mitunter am meisten interessieren würde."

Zuerst bedachte Sesshoumaru den Mann lediglich mit einem kühlen Blick, was doch sehr prüfend von Kimie mitverfolgt wurde. Doch der Youkai blieb zu ihrer Überraschung erstaunlich gelassen, wenngleich er auf die Frage von Kimata in gewohntem Ton antwortete: "Das war reiner Zufall. Und eigentlich hatte ich anfangs vorgehabt, sie zu töten."

Kimie entwich bei Sesshoumarus Antwort sofort wieder ein ermüdetes Seufzen. "Sesshoumaru, das Thema hat Inu Yasha doch gestern bereits angeschnitten, und SO offen und ehrlich musst du auf solche Fragen auch wieder nicht antworten..."

"Nun... Er redet jedenfalls nicht um den heißen Brei herum", meinte ihr Vater, wenngleich er bei Sesshoumarus Antwort doch die Luft scharf eingezogen hatte. "Nicht, dass ich das gutheißen möchte, was sie anfangs mit meiner Tochter vorhatten, aber jetzt scheint die Situation ja wieder eine andere zu sein. Dürfte ich eventuell erfahren, wie es dazu kam?"

"Keine Ahnung. Es hat sich irgendwie so ergeben", antwortete Kimie an Sesshoumarus Stelle mit einem Achselzucken. "Wenn du möchtest, erzähle ich dir das irgendwann mal in Ruhe, Paps, aber löchere Sesshoumaru jetzt bitte nicht weiter mit solchen Fragen, okay?"

"Wie du meinst, mein Kind", entgegnete Kimata einverstanden und trank nun seinen Tee aus. Anschließend stand er wieder auf und ging in Richtung Tür. "Dann lasse ich euch beide mal wieder allein und gehe stattdessen nach deiner Mutter schauen. Bis später!"

Nachdem ihr Vater wieder aus der Küche verschwunden war, haftete Kimies Blick noch einen Moment lang an der Tür. Sich wieder die Reaktion ihrer Mutter ins Gedächtnis rufend, konnte sie es irgendwie gar nicht verstehen, wie ihre Eltern überhaupt zueinander gefunden hatten, so unterschiedlich wie sie waren. Aber Kimie und Sesshoumaru glichen sich so gesehen nun auch nicht gerade, und das nicht nur wegen ihrer unterschiedlichen Abstammung. Und schließlich gab es für solche Fälle auch den bekannten Spruch "Gegensätze ziehen sich an" und der fand hier wohl eindeutig seine entsprechende Anwendung.
 

Ungefähr zwei Stunden später waren auch alle anderen im Haus wieder auf den Beinen gewesen, wobei Kimie aber schon vor dem Frühstück darauf geachtet hatte, dass sich Sesshoumaru und ihre Mutter nicht über den Weg liefen. Mal abgesehen davon hatte er eh kein Interesse daran gehabt, sich am Frühstück zu beteiligen und so hatte Kimie den Youkai einfach mal wieder in ihrem Zimmer untergestellt. Und wenngleich Akie zum Thema "Sesshoumaru" beim Essen diesmal schwieg, sah Kimie ihrer Mutter an, dass das alles noch immer sehr an ihr nagte. Ohne dieses Problem zumindest teilweise aus der Welt geschafft zu haben, konnte Kimie jedenfalls nicht wieder mit den anderen zurück in die Sengoku-Ära. Sie hatte ihren Eltern bereits über ein Jahr lang etwas vorgemacht, diesmal musste der Tisch erstmal wieder richtig rein gemacht werden. Stellte sich nur die Frage, wie sie das anstellen sollte, ohne dass ihre Mutter wieder einen Koller bekommen würde? Welche Mutter ließ schließlich gerne ihr Kind durch das kriegerische Mittelalter ziehen und gegen einen Haufen Dämonen kämpfen? Na gut, Kagomes Mutter sah die ganze Sache mittlerweile wohl wesentlich lockerer, wenngleich es außer Frage gestanden hatte, dass auch sie und selbstverständlich auch der Rest der Familie sich natürlich Sorgen Kagome machte, wenn diese mal wieder mit Inu Yasha und den anderen loszog. Aber sie alle vertrauten ihr und bauten darauf, dass schon alles gut gehen würde. Kimie stellte sich daher die Frage, warum das bei ihrer Mutter nicht genauso sein konnte? Schließlich sah ihr Vater die ganze Sache auch nicht so eng.

Auch im weiteren Verlauf der nächsten Stunden fand Kimie auf ihre Fragen keine wirkliche Antwort. Sie war ihrer Mutter nach Möglichkeit aus dem Weg gegangen und hatte die Zeit entweder bei Kagome und Inu Yasha oder auch in ihrem eigenen Zimmer bei Sesshoumaru verbracht. Dieser schien aber irgendwann keine große Lust mehr gehabt zu haben, sich nur die ganze Zeit im Zimmer des Mädchens aufzuhalten, aber was hätte er schon groß tun sollen? Sonderlich scharf darauf, sich in Gesellschaft dieser anderen Menschen aufzuhalten, verspürte er nicht gerade und allein wieder in seine Zeit zurückkehren wollte er wenn, dann erst am Abend. So gesehen hatte nicht nur Kimie mit dem einen oder anderen Gedankengang zu tun gehabt. Jeder hatte eben sein kleines Päckchen zu tragen.

Irgendwann zeigte der kleine Wecker auf Kimies Nachttisch zwei Uhr nachmittags an. Sesshoumaru saß zu diesem Zeitpunkt wieder allein in ihrem Zimmer auf dem Bett, während die anderen bereits seit einer Stunde beim Mittagessen waren. Kaum fünf Minuten später öffnete sich nun jedoch die Zimmertür und Kimie kam herein.

"Hallo. Ich hoffe, du hast dich nicht zu sehr gelangweilt", meinte sie an Sesshoumaru gerichtet, wenngleich sie allerdings schon sehr stark vermutete, dass er sich durchaus langweilte. Irgendwie war es Kimie schon unangenehm gewesen, dass er praktisch nur so teilnahmslos herumsitzen konnte, doch was hätte sie ihm schon für eine Beschäftigungsmöglichkeit anbieten können, die keinem anderen eventuell geschadet hätte? Und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, musste sie ihm jetzt auch noch etwas gestehen: "Übrigens, ich gehe gleich mit Kagome zusammen für heute Abend ein wenig was im Supermarkt einkaufen. Tut mir ja Leid für dich, aber du bleibst inzwischen wohl am besten hier und gehst auch nach Möglichkeit bitte nicht vor die Haustür. Tu mir außerdem bitte den Gefallen und fass hier nichts an. Ich will nicht, dass du dir am Ende noch etwas tust. Wie vorhin schon erwähnt, es gibt hier nämlich Dinge, die könnten selbst dir gefährlich werden. Und halte dich außerdem von meiner Mutter fern. Obwohl... Am besten ist es wohl, wenn du weiterhin gar nicht erst das Zimmer verlässt. Und wenn du dich langweilst, dann hau dich einfach 'ne Runde auf 's Ohr oder spiel Sudoku oder so was. Mach auf jeden Fall irgendetwas Friedliches."

Sesshoumaru hatte Kimie wortlos zugehört und sie aussprechen lassen, obwohl er bei so mancher Äußerung schon skeptisch die Augenbraue gehoben hatte. "Was soll diese Predigt?", fragte er das Mädchen schließlich prüfend.

Kimie fuhr sich einmal mit einem leichten Seufzen mit einer Hand durch die Haare, ehe sie bittend die Handflächen aneinanderlegte. "Ich weiß ja, du lässt dir eigentlich von niemandem etwas sagen, Sesshoumaru, aber bitte bleib hier und... stell bitte ja nichts blödes an. Okay?"

Er sollte nichts "blödes" anstellen? Sesshoumaru dachte zuerst, er habe sich verhört. Kimie sprach mit ihm, wie mit einem kleinen Kind. Zumindest kam ihm das so vor. Nichts desto trotz war Kimie kurz nach ihrer Ansprach auch schon wieder an der Tür gewesen.

"Also, ich bin dann mal weg. Bis nachher! Und wie gesagt, bleib bitte friedlich", sagte sie noch an Sesshoumaru gerichtet, ehe sie das Zimmer nun wieder verließ. Sesshoumaru hatte den Blick noch einen Moment lang auf die geschlossene Tür gerichtet und ließ sich noch mal Kimies Äußerung durch den Kopf gehen.

"Lächerlich!", sagte er schließlich kühl.

Zwar hatte sie ihm gesagt, er sollte nichts anfassen, aber was sollte hier schon gefährlich für ihn sein? In dieser Zeit gab es nicht mal irgendwelche Dämonen. Also sah sich Sesshoumaru ein wenig in dem Zimmer um und öffnete dabei auch die Schreibtischschubladen. Darin war aber außer irgendwelchem Kleinkram nichts gewesen, was sein Interesse geweckt hätte. Von daher ließ er auch recht schnell wieder von dem Schreibtisch ab und nahm sich stattdessen den Kleiderschrank vor. Die Sachen, die darin waren, waren scheinbar typisch für diese Epoche. Auf Sesshoumaru machten sie nichts desto trotz noch immer einen ungewohnten und befremdlichen Eindruck. Sehr schnell verlor deswegen auch der Kleiderschrank seinen Reiz wieder und was anderes gab's hier auch nicht mehr wirklich, was er sich hätte anschauen können. Also ging Sesshoumaru unverrichteter Dinge zum Fenster. Als er durch dieses einen Blick auf den Hof des Tempelgeländes erhaschen konnte, sah er, wie Kagome und Kimie gerade die steinerne Treppe am Torbogen hinuntergehen wollten, und zwar im Beisein von Inu Yasha. Bei dieser Tatsache zog Sesshoumaru sofort äußerst skeptisch eine Augenbraue hoch. Inu Yasha begleitete die Mädchen, aber er selbst sollte hier bleiben und warten? Das erschien ihm dann doch einfach nur noch unsinnig und wohl auch irgendwie unverschämt. Dennoch wirkte Sesshoumaru zunächst ein wenig unentschieden. Aber nachdem Kimie, Kagome und Inu Yasha bereits einen Augenblick lang aus seiner Sicht verschwunden waren, schien für ihn klar gewesen zu sein, was er tun würde. Und so öffnete Sesshoumaru schließlich das Fenster von Kimies Zimmer.
 

Dass er auf der Straße von allen Leuten angestarrt wurde, kümmerte Sesshoumaru reichlich wenig. Dabei musste er aber für sich selbst zugeben, dass er auf so was bei seinem ersten Ausflug in die Neuzeit überhaupt nicht geachtet hatte (siehe "Abenteuer im Mittelalter", Kapitel 28). Doch jetzt, wo er nur für sich auf den Straßen unterwegs war, störten ihn die Blicke dieser Menschen nach einer Weile doch. Wenn er gewollt hätte, hätte er sie zwar alle schnell und unkompliziert aus den Weg räumen können, doch sicherlich hätte das ein riesiges Aufsehen erregt und wenn Kimie das spitz bekommen hätte, hätte sie ihm sicherlich eine furchtbare Szene gemacht. In diesem Moment ertappte sich Sesshoumaru dabei, wie er doch tatsächlich darüber nachdachte, wie Kimie auf eine eventuelle Eskapade von ihm reagieren könnte. Früher hätte er dafür nicht mal einen müden Augenaufschlag übrig gehabt.

So zog Sesshoumaru also weiter, ohne seine Hand gegen einen der umherstehenden Leute zu erheben. Als er schließlich jedoch in eine etwas weniger belebte Seitenstraße einbog, dabei immer einem ganz bestimmten Geruch folgend, hörte er plötzlich einen ängstlichen Schrei, wie von einem kleinen Kind. Wie von selbst schlug er sogleich die Richtung ein, aus der der Schrei gekommen war, doch wurde sein Weg mit einem Mal von mehreren dieser eigenartigen Gefährte auf vier Rädern versperrt. Blaue Lichter drehten sich auf diesen Fahrgelegenheiten, die die Menschen in dieser Zeit als "Autos" bezeichneten, während etwas weiter hinten eine Gruppe von Leuten, alle gleich angezogen, zudem mit diesen merkwürdigen blauen Kopfbedeckungen bekleidet und seltsame kleine, schwarze Gegenstände in den Händen haltend, sich auf einen einzelnen Mann zu konzentrieren schien. Und dieser Mann, dessen Kopf komplett mit einer schwarzen Maske umhüllt gewesen war, dass nur seine Augen sichtbar gewesen waren, hielt ein kleines Mädchen auf seinem Arm, während er ihr mit der freien Hand etwas an den Kopf hielt.

"So, ihr verdammten Bullen!", rief der maskierte Mann den versammelten Polizisten zu. "Jetzt macht mal, dass ihr ganz schnell von hier wegkommt, sonst puste ich dem kleinen Gör hier das Hirn aus dem Schädel! Habt ihr kapiert?!"

Als er dem Kind die geladene Pistole gegen den Kopf drückte, begann das Kind ängstlich zu weinen. Die Polizisten waren sichtlich verunsichert und wussten scheinbar nicht, was sie jetzt machen sollten. Eigentlich waren sie wegen der Meldung über einen Banküberfall hier hergekommen, doch jetzt hatte der besagte Bankräuber eine Geisel und bedrohte diese mit einer Waffe. Zwar hatten die Polizisten die Straße schon mal so weit es ging abgesperrt und hatten ebenfalls Waffen bei sich und konnten zu ihrem eigenen Schutz Deckung hinter ihren Dienstwagen suchen, doch was sollten sie wegen dem kleinen Mädchen unternehmen? Allerdings herrschte sogleich noch größere Aufruhr, als die Beamten einen ihrer Kollegen im Hintergrund plötzlich rufen hörten: "Hey! Sie da! Zurück hinter die Absperrung!"

Und kaum, dass die übrigen Polizisten sich umgedreht hatten, schritt völlig unbeeindruckt Sesshoumaru zwischen ihnen hindurch und geradewegs auf den Bankräuber zu, ungeachtet der mahnenden Rufe der Beamten. Ungefähr zwei Meter vor dem maskierten Mann blieb der Youkai schließlich stehen.

"Was soll das? Was bist denn du für ein Vogel?", fragte der Bankräuber ziemlich ruppig und zielte sogleich mit seiner Pistole auf Sesshoumaru. "Hey! Mach lieber, dass du hier schleunigst wieder wegkommst, du Schnösel, sonst bist du der erste, der dran glauben muss!"

Doch Sesshoumaru zuckte nicht mal mit der Wimper und dass ihn die Drohung scheinbar vollkommen kalt ließ, erzürnte den Bankräuber nur noch mehr. "Hörst du schlecht?! Ich sagte, du sollst dich verziehen!"

Als Sesshoumaru aber noch immer nicht reagierte, wollte er schon abdrücken, doch bevor er überhaupt nur ansatzweise daran denken konnte, war der Youkai mit einem Mal direkt vor dem maskierten Mann und hatte dessen Pistole mit der linken Hand ergriffen. Sogleich setzte Sesshoumaru seine Giftkralle ein und damit war die Pistole kaum zwei Sekunden später schrottreif. Erschrocken ließ der Bankräuber seine nunmehr angeschmolzene Waffe fallen. "Aber das...?!" Weiter kam er jedoch nicht mehr, denn schon folgte ein kräftiger Faustschlag und der Mann flog mit voller Wucht durch die Glastür der Bank, die er zuvor noch überfallen hatte, und segelte noch durch den gesamten Raum bis er schließlich von einer Betonwand gestoppt wurde und reichlich mitgenommen zu Boden ging. Das kleine Mädchen hatte Sesshoumaru zuvor von ihm losgerissen und hielt es nun auf einem Arm fest. Staunend hatte es die Aktion des Youkai mitverfolgt, ebenso wie die völlig verdutzten Polizeibeamten.

"Sag mal, hast du das eben auch gesehen?", fragte einer schließlich einen seiner Kollegen, der mit einem schwachen Nicken antwortete: "Ich... denke ja. Oder?"

Ein Raunen machte die Runde. Doch ungeachtet der Polizisten setzte Sesshoumaru das kleine Mädchen nun wieder auf dem Boden ab und wollte sich anschließend sogleich daran machen, seinen Weg wieder fortzusetzen.

"Hey, Sie! Warten Sie mal!", rief einer der Polizisten ihm sofort hinterher, als seine und die Aufmerksamkeit seiner Kollegen plötzlich auf eine Frau gelenkt wurde, die nun aus der Bank kam und sofort direkt auf das kleine Mädchen zulief.

"Mama!", rief die Kleine sofort überglücklich und wurde von ihrer ebenso glücklichen Mutter erleichtert in die Arme geschlossen.

"Mein Kind! Ist dir auch nichts passiert?"

Über das ganze Gesicht strahlend schüttelte das Mädchen den Kopf. "Nein, der tolle Mann hat mir ja geholfen!"

Doch als die Kleine auf Sesshoumaru deuten wollte, war dieser schon längst verschwunden. Auch, die umherstehenden Polizisten hatten nicht mitbekommen, wohin er so plötzlich verschwunden war. Allerdings hatten sie auch keine Zeit, sich weiter darum zu kümmern, sondern mussten noch den festzunehmenden Bankräuber vom Boden aufkratzen, bevor dieser eventuell wieder zu sich gekommen und abgehauen wäre. Doch bei näherem Hinsehen war allen Beamten schnell klar gewesen, dass dieser Mann ihnen wohl doch nicht so schnell davonlaufen würde.

Sesshoumaru hatte den Rest des Geschehens unterdessen vom Dach eines der Nachbargebäude aus beobachtet, bis die Polizeibeamten den noch bewusstlosen Bankräuber wieder aus der Bank beförderten und sich erstmal darüber zu berieten schienen, ob sie für diesen sicherheitshalber noch einen Arzt hinzuziehen sollten, bevor sie ihn mit auf 's Revier nehmen würden. Sesshoumaru hatte sich gleich nach seiner Aktion mit einem gekonnten Sprung unbemerkt der Leute auf dieses Dach begeben und hatte von dort aus unter anderem auch mitverfolgt, wie das kleine Mädchen von seiner Mutter erleichtert in die Arme geschlossen worden war. Scheinbar kamen diese Menschen mit dem Rest auch allein klar, ihn selbst hielt hier somit nichts mehr. Und so machte sich Sesshoumaru auch sogleich wieder auf den Weg. Allerdings bemerkte er, kaum, dass er auf das nächste Dach gesprungen war, dass er irgendwie die Spur verloren hatte. Dies war bei genauerer Betrachtung jedoch nicht weiter verwunderlich gewesen, zumal es hier unzählige verschiedene Gerüche gab, die sich alle überlagerten und es so sogar einem Youkai wie Sesshoumaru erschwerten, einen bestimmten Geruch verfolgen zu können. Schließlich entschied sich Sesshoumaru dazu, einfach mal seinem Gefühl zu folgen, irgendwann würde er die Spur schon wieder finden. Und so schlug er einfach irgendeine Richtung ein, wobei er sich weiter über die Dächer der Gebäude fortbewegte. Und tatsächlich hatte er den von ihm gesuchten Geruch schon bald wieder gefunden. Der Geruch war zwar aufgrund der anderen Gerüche nur schwach, doch wusste Sesshoumaru doch sehr genau, dass er auf dem richtigen Weg gewesen war. Er folgte der Spur bis er schließlich an einer Straße ankam, in der ein reges Kommen und Gehen herrschte. Zahlreiche Läden befanden sich hier und in einem von ihnen waren garantiert Kimie und die anderen gewesen. Unbemerkt von den anderen Leuten sprang Sesshoumaru nun von dem Dach des Gebäudes, auf dem er gerade stand, in eine kleine Seitenstraße, ehe er sich wieder unter die Leute mischte.
 

"Was brauchen wir denn noch so, Kagome?", fragte Kimie ihre Cousine während sie gemeinsam mit Inu Yasha durch den Supermarkt gingen.

Kagome schaute auf ihren Einkaufszettel. "Also, wir brauchen noch Fisch und verschiedene Sorten von Gemüse. Gehen wir zuerst in die Fischabteilung, die ist näher."

"Kagome?", fragte plötzlich Inu Yasha das schwarzhaarige Mädchen, das sich allein schon anhand des bittenden Tonfalls seiner Stimme denken konnte, was er wollte.

"Die Fertignudeln holen wir, wenn wir mit dem anderen Besorgungen fertig sind. In Ordnung, Inu Yasha?", schlug sie dem Hanyou vor, der sofort einverstanden nickte. Kimie konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. Wenn es um seine heiß geliebten Fertignudeln ging, konnte selbst Inu Yasha einen Blick aufsetzen, wie ein junger Hund. Eigentlich war es ja nicht vorgesehen gewesen, dass er die Mädchen begleiten würde, doch er hatte praktisch darauf gepocht, mitzugehen. Und schließlich hatte sich Kagome dazu überreden lassen, ihn mitzunehmen.

Nachdem die weitere Vorgehensweise beim Einkaufen geklärt worden war, wollte sich die kleine Gruppe auch sogleich auf den Weg in die Fischabteilung machen, wie Kagome es zuvor vorgeschlagen hatte, doch plötzlich hielt Kimie in ihrer Bewegung inne und wandte irritiert den Blick zur Seite. Ihr war, als hätte sie gerade etwas aus dem Seitenwinkel gesehen. Doch jetzt war da nichts mehr gewesen.

"Hm? Komisch, ich hätte schwören können, dass..."

"Was ist denn los, Kimie? Trödel doch nicht so rum!", hörte sie kurz darauf Inu Yasha nach ihr rufen und drehte sich wieder um.

"Äh... Ja!", rief sie zurück und wollte sogleich hinter Inu Yasha und Kagome her. >Das habe ich mir wohl doch nur eingebildet<, dachte Kimie, während sie auf die beiden zutrabte, doch als mit einem Mal bremste sie erneut ab und eilte einige Schritte zurück, um hinter ein Regal zu schauen, an dem sie zuvor vorbeigekommen war. "Was zum Teufel...?!"

Aber da war schon wieder nichts. Kimie verstand die Welt nicht mehr. Ihr kam es langsam so vor, als hätte sie Halluzinationen. "Ich träum' doch nicht etwa, oder?", fragte sie sich leise, als schließlich Kagome und Inu Yasha wieder bei ihr waren.

"Was machst du denn da?", fragte Inu Yasha das Mädchen. "Wieso brauchst du plötzlich so lange?"

Mit einem etwas verunsicherten Kratzen am Kopf, wandte sich Kimie zu dem Hanyou und ihrer Cousine um. "Es ist eigentlich nichts. Ich dachte nur, ich hätte das was geseh..."

"AAAH!! Hilfe! Überfall!"

Dieser plötzlich Ausruf hatte alle drei sofort aufhorchen und insbesondere Kagome und Kimie etwas erschrocken hochfahren lassen.

"Was war das? Was ist da los?", fragte sich Kagome irritiert, während Kimie genau in diesem Moment dieser Gedanke kam, dass sie sich vorhin eventuell doch nicht geirrt haben könnte. "Irgendwie hab ich ein echt beschissenes Gefühl...", murmelte sie in sich hinein, ehe sie sich an Kagome und Inu Yasha wandte: "Leute, wartet hier bitte einen Augenblick, okay? Ich bin gleich wieder da!"

"Was? Aber Kimie…!", doch weiter kam Kagome gar nicht mehr, denn Kimie war schon von jetzt auch gleich verschwunden. Und während sie ihre Cousine und Inu Yasha einfach mal so stehen ließ und zum Ort des Geschehens eilte, hatte ein anderer Mensch in unmittelbarer Nähe in der Zwischenzeit ein ganz anderes Problem.

"Lassen Sie mich wieder los! Bitte...", bettelte ein junger Mann, während er nicht gerade komfortabel am Kragen seines T-Shirts festgehalten und von seinem Gegenüber äußerst kühl begutachtet wurde.

"Ich suche nach einem Mädchen", sagte Sesshoumaru gänzlich unbeeindruckt von der Bitte seines Opfers und die umherstehenden Schaulustigen vollkommen ignorierend. Eigentlich hätte er sich niemals dazu herabgelassen, auch nur ein Wort an einen dieser Menschen zu richten, aber diese Fülle an Gerüchen nervte ihn mittlerweile nur noch und so hatte er sich eben dazu entschlossen, sich einfach eines eventuellen anderen Hilfsmittels zu bedienen, um Kimie und die anderen zu finden.

Der Mann, den Sesshoumaru noch am Kragen festhielt, schaute nun jedoch etwas irritiert drein. Auch schien er Sesshoumarus Satz etwas falsch verstanden zu haben, ehe er nun vorsichtig zur Antwort gab: "Tja... Sorry, Kollege, aber ich bin jedenfalls ein Typ... Hast du's vielleicht schon mal mit 'ner Kontaktanzeige versucht?"

Zwar war Sesshoumaru der genaue Inhalt der Aussage dieses Menschen nicht ganz klar gewesen, aber irgendwie schien er das Gefühl gehabt zu haben, dass etwas Spöttisches darin gelegen hatte. Allein das war für den Youkai eigentlich Grund genug, diesen mickrigen Wurm an Ort und Stelle zurechtzuweisen, ungeachtet der anderen umherstehenden Leute. Doch bevor Sesshoumaru überhaupt so richtig daran denken konnte, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, wurde er auch schon daran gehindert.

"Sesshoumaru!? Um Himmels Willen, was machst du denn da?! Lass den armen Mann wieder los!", hallte nunmehr die völlig erschrockene Stimme von Kimie durch die Halle, während das Mädchen sogleich auf den Youkai zugestürmt war und ihn und sein Opfer voneinander getrennt hatte. Danach schob Kimie Sesshoumaru erstmal etwas von der Menschenmeute weg.

"Was sollte denn dieser Zirkus? Was machst du hier überhaupt?", fragte sie ihn entrüstet, winkte jedoch sofort wieder ab und meinte: "Ach, erklär mir das nachher! Komm lieber erst mal mit!" Schleunigst ergriff sie ihn an der rechten Hand und zog ihn vom Ort des Geschehens weg, wobei sie sich aber noch mal schnell an die verdutzten Leute und besonders an den zuvor in die Mangel genommenen Mann wandte: "Ich bitte vielmals um Entschuldigung! Das mit eben war sicherlich nichts Persönliches. Hehe... Tschüssi!"

Und während die Leute den beiden noch immer recht perplex hinterher schauten, hatte sich Kimie zusammen mit Sesshoumaru eiligst vom Acker gemacht. Dabei schlug Kimie vor lauter Hetzerei nicht einmal mehr den Weg zu Kagome und Inu Yasha ein, sondern zerrte Sesshoumaru in eine schier gänzlich unbelebte Ecke des Supermarktes.

Nachdem sie sich kurz vergewissert hatte, dass auch niemand sonst in unmittelbarer Nähe gewesen war, sprach sie ihn wieder an: "Sag mal, was sollte das denn eben? Bist du etwa scharf auf Ärger, oder was? Warum hast du überhaupt das Haus verlassen? Ich habe dir doch gesagt, du sollst da bleiben!"

Sesshoumaru zog zuerst nur etwas skeptisch eine Augenbraue hoch. Dieses Mädchen redete mit ihm schon beinahe so, als wäre sie seine Mutter. Aber schließlich brauchte er keine Anweisungen von anderen entgegenzunehmen, geschweige denn, ihnen folge zu leisten. Und so fragte Sesshoumaru stattdessen nur gewohnt kühl zurück: "Dann erkläre mir doch, warum Inu Yasha euch begleitet hat."

"Was soll das denn jetzt wieder? Er hat nun mal darauf bestanden. Außerdem war er schon ein paar Mal hier. Jedenfalls öfter als du, darf ich ja wohl annehmen", entgegnete Kimie noch immer etwas entrüstet, zugleich wurde ihr aber auch anhand von Sesshoumarus Frage schlagartig klar, dass er mitbekommen haben musste, dass Inu Yasha sie und Kagome begleitet hatte. So gesehen konnte sie es bei genauerer Betrachtung schon irgendwie verstehen, wenn der Youkai deswegen etwas angefressen war, obwohl ihr zugleich der schräge Gedanke in den Sinn kam, dass sich Sesshoumaru hinsichtlich des Vorzuges, den Inu Yasha betreffend der Ausflüge in das moderne Tokio genoss, etwas zurückgesetzt fühlen könnte. So gesehen hatte er in ihren Augen im Moment ein wenig etwas von einem trotzigen Kind, das auf keinen Fall seinem Bruder nachstehen wollte. Nichts desto trotz fuhr sich Kimie nach einer kurzen Sprechpause einmal mit einem Seufzen mit der Hand durch die Haare. "Na ja, was soll's? Jetzt bist du eben auch hier, daran können wir nichts mehr ändern. Dann bleib von jetzt an aber bitte in unserer Nähe und mach keinen Unsinn, ja?", bat sie Sesshoumaru, der für ihre Bitte jedoch nur einen recht gelangweilten Blick übrig gehabt hatte. Dieser entging Kimie zwar nicht, doch wollte sie jetzt keinen potenziellen Streit anfangen, sondern stattdessen wieder zurück zu Kagome und Inu Yasha gehen. Doch das musste sie gar nicht mehr, denn die beiden hatten sie und Sesshoumaru vorher ausfindig gemacht. Gerade kamen sie hinter einem Regal zum Vorschein.

"Kimie! Wir haben dich schon gesucht. Was ist denn eigentlich passiert?", fragte Kagome ihre Cousine sofort noch von weitem, als ihr schlagartig Sesshoumaru ins Auge fiel. Sie wirkte recht überrascht und auch Inu Yasha hatte seinen Halbbruder sofort entdeckt.

"Hey! Was hat dich denn hierher verschlagen, Sesshoumaru?", fragte der Hanyou äußerst prüfend, wenngleich der nachfolgende Satz auch etwas spöttisch klang: "Hast du dich vielleicht verlaufen oder was?"

"So was würde eher zu dir passen", entgegnete Sesshoumaru kühl und mit einem recht desinteressierten Blick auf den Jüngeren, der sofort ein leises Knurren von sich gab.

"Hey! Bitte bleibt friedlich, ihr beiden!", bat Kimie Inu Yasha und Sesshoumaru sofort. Sie wollte jetzt nur noch eines: so schnell wie möglich den Einkauf hinter sich bringen. Und auch Kagome schien das durchaus zu begrüßen.
 

Wie sie schließlich ohne weitere größere Komplikationen aus dem Supermarkt und aus der Innenstadt herausgekommen waren, war Kagome und Kimie in Nachhinein selbst ein riesengroßes Rätsel gewesen, während sie nach dem erledigten Einkauf nun die steinernen Stufen zum Tempel der Familie Higurashi hinaufstiegen, dicht gefolgt von Inu Yasha und Sesshoumaru. Die beiden hatten sich die ganze Zeit über immer wieder giftige Blicke und den einen oder anderen herablassenden Kommentar an die Köpfe geworfen, aber ein Schlagabtausch war glücklicherweise ausgeblieben. Kimie hatte sehr an ihren Trip vor einem Jahr zurückdenken müssen, als sie zusammen mit Inu Yasha und Sesshoumaru ebenfalls mal zum Einkaufen in der Stadt gewesen war. Damals hatte Kagome über die entsprechenden Erzählungen ihrer Cousine noch herzhaft gelacht, doch diesmal war sie selbst mit dabei gewesen und konnte gut nachempfinden, was für einen Spießrutenlauf Kimie damals hatte überstehen müssen. Doch jetzt waren beide Mädchen einfach nur froh und glücklich darüber gewesen, wieder zu Hause gewesen zu sein.

Nachdem Kagome die Haustür geöffnet hatte und die kleine Gruppe gerade eingetreten war und auf sich aufmerksam gemacht hatte, kam auch schon Souta vom Wohnzimmer aus auf den Flur gelaufen und winkte die Angekommenen ungeduldig zu sich. "Ihr kommt gerade rechtzeitig. Kommt schnell her und schaut euch das an! Da läuft was total Irres im Fernsehen!"

Und schon war der Junge wieder im Wohnzimmer verschwunden. Insbesondere Kagome und Kimie hatten sich kurz ein wenig verwirrt angesehen, eilten dann aber ebenfalls zum Wohnzimmer. Inu Yasha und Sesshoumaru folgten den Mädchen in eher gemächlichem Schritt.

Gerade, als Kagome und Kimie das Wohnzimmer betreten hatten, fanden sie die gesamte restliche Familie dort vor, die sich im Fernsehen gerade die Nachrichten ansah. Der Nachrichtensprecher war gerade dabei gewesen, die aktuellsten Ereignisse zu verkünden: "Wir kommen gleich zu Anfang zu einer etwas ungewöhnlichen Meldung: Gegen zwei Uhr heute Nachmittag überfiel ein noch unbekannter Mann eine der Banken im Stadtzentrum Tokios, er wurde jedoch noch vor der Filiale von der Polizei gestellt. Um den Beamten zu entkommen, nahm er ein kleines Mädchen, das sich zum selben Zeitpunkt zusammen mit seiner Mutter in der Bank befunden hatte, als Geisel und drohte damit, es zu erschießen, sollte man ihn an seiner Flucht zu hindern versuchen. Als die Situation immer brenzliger wurde, tauchte plötzlich und wie aus dem Nichts ein Mann in einem weißen Kimono und einer Rüstung auf der Bildfläche auf. Scheinbar problemlos überwältigte er den Bankräuber und befreite das kleine Mädchen, das ohne Verletzungen davonkam."

"Hm? Ein Mann in einem weißen Kimono und einer Rüstung?", fragte sich Kimie etwas verwirrt, fiel aber wohl nicht als einzige gänzlich aus allen Wolken, als es nun noch dicker kam, als der Nachrichtensprecher kurz darauf mit seiner Ansage fortfuhr: "Damit wir uns von der ganzen Situation ein noch besseres Bild machen können, sehen Sie nun einen kleinen Videoausschnitt über den Vorfall, welcher von einem gegenüberliegenden Bürogebäude aus von einem Beobachter gemacht und uns kurz zuvor zur Verfügung gestellt worden war."

Und tatsächlich konnte man auf dem entsprechenden Videoband zweifelsfrei Sesshoumaru erkennen, wie er dem Bankräuber den entscheidenden Schlag verpasst und das kleine Mädchen gerettet hatte. Inzwischen waren auch der Youkai selbst und Inu Yasha am Wohnzimmer angelangt und bekamen diese Aufnahmen ebenfalls zu sehen. Der Videoausschnitt war zwar nur kurz gewesen, hatte aber bei weitem ausgereicht, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

"Sieh mal einer an!", sagte Kimata schließlich als Erster. "Der Freund unserer Tochter ist ein Held! Was sagst du dazu, Akie?"

Doch Kimies Mutter schien zu keiner Stellungnahme fähig gewesen zu sein. Entweder war sie noch viel zu überrascht gewesen oder eben total entsetzt. Souta hingegen schien Sesshoumaru Aktion richtig cool gefunden zu haben, jedenfalls sprach sein begeisterter Blick dafür. Kimie war im ersten Moment jedoch etwas unschlüssig.

"Du hast dir ja wirklich sehr große Mühe gegeben, um nicht aufzufallen...", meinte sie schließlich trocken an Sesshoumaru gewandt. "Hast du nicht mal ansatzweise daran gedacht, was die Leute über dich denken könnten, wenn du so einfach durch die Straßen spazierst und nebenbei auch noch Leute verprügelst?"

Sesshoumaru wandte desinteressiert den Blick ab. "Als ob mir die Meinung von irgendwelchen Menschen wichtig wäre", entgegnete er, wobei es ihm wohl auch herzlich egal gewesen zu sein schien, dass nun alle mitbekommen hatten, was er sich zuvor geleistet hatte.

Auf seine Aussage erwiderte Kimie sogleich: "Darum geht es doch gar nicht! Du kannst echt vom Glück sagen, dass keiner auf die Idee gekommen ist, dir auch noch die Polizei auf den Hals zu hetzen! Allein schon wegen der Tatsache, dass du so völlig cool und wie selbstverständlich mit Tenseiga und Toukijin im Gürtel herumspaziert bist..."

Doch diesmal schwieg Sesshoumaru vollkommen zu dem Thema. Anderseits hatten so gesehen auch die Polizisten Glück gehabt und ebenso der Bankräuber, der so gesehen noch mit einem blauen Auge davongekommen war, obwohl Sesshoumaru in so unsanft aus dem Verkehr gezogen hatte. Kimies Blick wanderte nun zurück zum Fernseher, in welchem gerade das kleine Mädchen zu sehen gewesen war, das Sesshoumaru gerettet hatte. Bei genauerer Betrachtung fand Kimie, dass die Kleine in einem gewissen Sinne Ähnlichkeit mit Rin gehabt hatte. Zwar hatte das Mädchen im Fernsehen kürzere Haare, aber ansonsten sah sie ihr doch sehr ähnlich, auch wegen dem kleinen Zopf an der rechten Seite ihres Kopfes. Vielleicht war das ja der Grund dafür gewesen, weshalb Sesshoumaru ihr geholfen hatte. Aber was auch immer der ausschlaggebende Grund gewesen sein mag, Kimie musste zugeben, sie fand Sesshoumarus Aktion im Nachhinein doch irgendwie cool, zumal er sogar den Bankräuber am Leben gelassen und ihn nicht kurzerhand vor aller Augen einfach mal ins Jenseits befördert hatte. Und er hatte es sogar ins Fernsehen geschafft, wodurch er den Leuten in der Neuzeit wohl noch ein Weilchen im Gedächtnis bleiben würde.

"Glauben Sie aber bloß nicht, dass Sie jetzt besser dastehen!", warf Akie mit einem Mal äußerst streng an Sesshoumaru gerichtet ein. "Ich halte Sie nach wie vor für einen schlechten Umgang für meine Tochter. Daran ändert auch Ihre Aktion nichts!"

"Mama! Jetzt hör doch endlich damit auf!" Kimie war nun doch sichtlich empört gewesen. Aber ihre Mutter war in solchen Dingen nun mal sehr schwer zu überzeugen. Die Aufmerksamkeit aller wurde von Akies Kommentar nun wieder zurück auf den Fernseher gelenkt, denn offenbar gab es noch eine weitere Aufsehen erregende Meldung.

"Wir kommen nun zu einer Eilmeldung, die uns eben erst erreicht hat", sagte der Nachrichtensprecher nun und fuhr sogleich fort: "In verschiedenen Stadtteilen Tokios, darunter auch in Ikebukuro und in der Nähe des Flughafens Haneda, sind aus noch ungeklärter Ursache seit dem frühen Nachmittag heftige Feuer ausgebrochen. Dieses mysteriöse Geschehen wurde von 25 Stellen aus 7 verschiedenen Bezirken der Stadt gemeldet und zur Zeit brennt es noch an 12 Orten. Bisher ist noch völlig unersichtlich, was diese Brände verursacht haben könnte. Polizei und Feuerwehr stehen vor einem Rätsel. Ob und inwiefern Menschen bei diesen Vorfällen zu Schaden gekommen sind, steht zur Stunde noch nicht fest. Wir halten Sie auf dem Laufenden und melden uns wieder, sobald es genauere Erkenntnisse gibt. Sie sehen nun die ersten Bilder von einigen der Brände."

Als daraufhin verschiedene Kameraaufnahmen von einigen der betreffenden Unglücksorte im Fernsehen zu sehen gewesen waren, zuckte Kagome nach einigen Sekunden plötzlich leicht in sich zusammen. Inu Yashas Aufmerksamkeit war sofort auf das Mädchen gerichtet. "Was hast du, Kagome?"

"Ich... ich habe eben einen Juwelensplitter gespürt...", antwortete das Mädchen nach kurzem Zögern und deutete auf den Fernseher. "Gerade, während der Übertragung dieser Bilder habe ich es einmal ganz deutlich gespürt, obwohl es nur sehr schwach war."

Der Blick von Inu Yasha hatte daraufhin einen recht irritierten Ausdruck angenommen und auch Kimie wirkte verunsichert.

"Aber wie soll das denn gehen?", fragte sie ihre Cousine. "Hier gibt es doch keine Juwelensplitter, wir sind doch schließlich in der Neuzeit."

Kagome nickte zwar einmal, meinte dann aber: "Ja schon. Allerdings gab es doch schon mal einen Fall, in dem auch hier mal ein Juwelensplitter aufgetaucht ist. Das war jedoch eine einmalige Sache und ist zudem schon recht lange her."

In diesem Moment fiel es Kimie wieder ein und sie erinnerte sich nun an die Geschichte mit der alten Noh-Maske, von der ihr Kagome mal erzählt hatte. Dieser Vorfall hatte sich noch so ziemlich am Anfang der Suche nach den Splittern des Shikon no Tama ereignet und seither waren keine Juwelensplitter mehr in der Neuzeit aufgetaucht. Doch jetzt schien eben genau so was wieder zu passieren. Die Frage war halt nur gewesen, wer oder was diesmal dahinter steckte? In einem schienen sich alle aber einig gewesen zu sein: Es konnte zumindest nichts Gutes bedeuten.

Ein hinterhältiger Plan

Die ungewöhnlichen Ereignisse in der Stadt waren an diesem Abend das Hauptgesprächsthema zwischen Kagome, Kimie, Inu Yasha und Sesshoumaru, wobei Letzterer dem Ganzen jedoch eher schweigend beiwohnte. Die Vier hatten sich in Kimies Zimmer versammelt und rätselten schon seit ihrer Rückkehr aus der Stadt über die geheimnisvollen Brände.

"Vielleicht steckt ja wirklich ein Youkai hinter dieser Sache", vermutete Kimie. "Die Frage ist halt nur, wie er hier hergekommen ist."

"Ich vermute mal, da wird ihm der Juwelensplitter geholfen haben, wenn er nicht schon von selbst durch den Brunnen kommen konnte", meinte Inu Yasha ernst.

Kagome legte sich nachdenklich eine Hand ans Kinn. "Nun, den Erzählungen über den Brunnen zufolge verschwindet der Leichnam einen Youkai, wenn er dort hineingeworfen wird. Das würde zumindest erklären, weshalb du, Inu Yasha, und auch Sesshoumaru in der Lage seid, durch den Brunnen in unsere Zeit zu gelangen."

"Aber gilt das wirklich für alle Youkai?", fragte Kimie skeptisch. "Ich meine, waren außer den beiden denn auch schon andere Youkai oder Hanyou hier?"

Auf diese Frage hin überlegte Kagome einen Moment, ehe sie antwortete: "Nun, ganz zu Anfang trafen Inu Yasha und ich auf eine gewisse Yura. Das war kurz nachdem das Shikon no Tama zerbrochen war. Yura war selbst zwar nicht hier, aber sie konnte die Haare von Toten dazu verwenden, andere wie Marionetten zu kontrollieren, und eben diese Haare gelangten ebenfalls durch den Brunnen bis hierher. Tja, und ansonsten... Nein, ich glaube das war so ziemlich das einzige Mal, das so was passiert ist. Und diese Noh-Maske, die ja auch einen Juwelensplitter besaß, befand sich schon seit längerer Zeit in unserem Familienbesitz."

"Ach! Das ist doch alles jetzt vollkommen egal!", warf Inu Yasha plötzlich ein. "Wichtig ist nur, dass es hier zumindest einen Juwelensplitter zu geben scheint und diesen werden wir uns auch holen! Also, Kagome, kannst du irgendetwas spüren und uns sagen, wo sich der Splitter jetzt gerade befindet?"

Doch anstatt dem Hanyou darauf eine Antwort zu geben, schaute Kagome ihn nur mit einem finsteren Blick an. Er fing schon wieder damit an, sie lediglich wie einen Juwelen-Detektor zu behandeln. Ungeachtet der nun folgenden kleinen Auseinandersetzung zwischen den beiden, war es für Sesshoumaru eigentlich so langsam an der Zeit, wieder in die westlichen Länder zurückzukehren. Doch konnte er zum gegebenen Zeitpunkt wirklich einfach so wieder gehen? Na gut, was sein Halbbruder und Kagome machen würden war ihm herzlich egal gewesen, aber es war immerhin nicht auszuschließen gewesen, dass die merkwürdigen Zwischenfälle in der Stadt und die Tatsache, dass sich hier irgendwo wohl zumindest ein Juwelensplitter befand, in irgendeiner Form auch eine Gefahr für Kimie darstellen würden. Und schließlich hatte Sesshoumaru mit dem Entschluss, sie als seine Gefährtin auszuwählen, zugleich auch die Verantwortung übernommen, sie zu beschützen. Da spielte es auch keine sonderliche Rolle, dass sie ihm angeboten hatte, dass er schon mal vor ihr und den anderen in die westlichen Länder zurückkehren würde.

Während sich Sesshoumaru darum noch so seine Gedanken machte, spürte er mit einem Mal etwas. Etwas, was gänzlich untypisch für diese Welt hier gewesen war und das konnte nur Ärger bedeuten.

Dass der Youkai plötzlich sehr finster dreinschaute und den Blick zum Fenster gewandt hatte, entging den anderen und auch Kimie nicht. "Was ist los, Sesshoumaru?", fragte sie ihn daher neugierig, woraufhin er ernst antwortete: "Ich spüre die Gegenwart einer dämonischen Aura. Er ist hier."

Und kaum, dass er das gesagt hatte, begann Kimies Schwert, dass an der Wand lehnte, mit einem Mal zu pulsieren, wie es schon öfters vorgekommen war. Nicht nur sie bekam das diesmal mit, sondern auch die anderen, da das Pulsieren begleitet wurde durch ein immer wiederkehrendes dumpfes Geräusch.

Durch die Fenster drang nun ein rötlicher Schimmer in das Zimmer. Kagome schaute sofort hinaus und starrte anschließend nur wie gelähmt auf den Hof. "Feuer! Auf dem Hof brennt es!"

Und tatsächlich schien es auf dem Hof direkt vor dem Haus zu brennen. Allerdings konzentrierte sich das Feuer lediglich auf einer Stelle und breitete sich nicht etwa auf dem restlichen Gelände oder auf die Gebäude aus. Trotzdem waren die nach oben schlagenden Flammen sehr groß gewesen. Kagome lief sogleich aus Kimies Zimmer und rief durch das gesamte Haus: "Auf dem Hof ist Feuer! Mama! Opa! Souta!"

"Nee-chan, was ist denn los?", fragte Souta völlig verdutzt, als er gerade aus seinem Zimmer kam und seine vollkommen aufgeregte Schwester sah. Diese erklärte ihrem kleinen Bruder noch mal in aller Kürze die Lage. Souta wirkte daraufhin nicht minder erschrocken als Kagome.

"Geh auf keinen Fall nach draußen, Souta! Bleib auf jeden Fall im Haus!", mahnte Kagome den Jungen eindringlich. Sie ahnte bereits und war sich darin auch sehr sicher, dass das da draußen kein gewöhnliches Feuer gewesen war, auch durch Sesshoumarus zuvor gemachte Äußerung. Und sie selbst spürte ebenfalls, dass eine bösartige Aura in der Nähe war.
 

Während Kagome weiter durch das Haus lief, um auch den anderen Familienmitgliedern Bescheid zu geben, waren Inu Yasha und Sesshoumaru in der Zwischenzeit schon längst durch das Fenster in Kimies Zimmer hinausgestiegen und standen auf dem Hof nun dem Feuer gegenüber. Beiden war klar, hier hatte ein Youkai seine Finger im Spiel gehabt und er befand sich genau vor ihnen, inmitten dieses Feuers.

"Hey, du Feigling! Versteck dich nicht länger und komm endlich raus!", knurrte Inu Yasha und zog Tessaiga aus der Schwertscheide.

Zuerst passierte gar nichts, aber dann ertönte eine amüsiert klingende Stimme: "Na, da ist ja jemand sehr ungeduldig. Hast du es mit dem Sterben etwa so eilig?"

"Von wegen! Der Einzige, der hier draufgehen wird, bist du!" Damit erhob Inu Yasha sein Schwert, nur um es gleich wieder kraftvoll niedersausen zu lassen. "Kaze no Kizu!"

Die Windwunde bahnte sich ihren Weg zu dem Feuer, aus welchem jedoch sogleich eine gegnerische Attacke in Form eines Feuerstrahls erschien. Beide Angriffe prallten aufeinander und neutralisierten sich gegenseitig.

"Mist! So ein Dreck!", fluchte Inu Yasha wütend. In diesem Moment begann das Feuer Gestalt anzunehmen. Es erstreckte sich in den Himmel und nahm allmählich die Konturen einer Person an, bis letztendlich der Gegner genau zu erkennen gewesen war. Ein junger Mann mit roten Haaren und einem Paar schwarzer drachenähnlicher Flügel schwebte nun über dem Hof, den Blick herablassend auf seine beiden Widersacher ruhend. In seiner rechten Hand hielt er ein Naginata.

"Ist das der Youkai, der für die Brände in der Stadt verantwortlich ist?", fragte sich Kagome, die inzwischen zusammen mit Kimie und auch dem Rest der Familie an der Tür des Hauses stand und das Kampfgeschehen beobachtete. Während sie sich den fremden Youkai so ansah, spürte Kagome ganz deutlich die Aura, die ihn umgab, und die sehr an die Hitze von Feuer oder Lava erinnerte; sie war sehr stark und heftig.

"Der Typ hat einen ähnlichen Geruch an sich wie dieser Toba", meinte Inu Yasha nach einem Moment.

Für Sesshoumaru, der dies natürlich auch längst mitbekommen hatte, konnte das nur eins bedeuten, was er dem fremden Youkai auch sogleich sagte: "Du bist bestimmt Rokou, Tobas Zwillingsbruder. Ist doch so, nicht wahr?"

Sogleich erschien ein hinterlistiges Lächeln auf Rokous Gesicht. "Richtig erkannt! Ihr scheint demnach schon von mir gehört zu haben und meinen werten Bruder habt ihr ja bereits kennen gelernt. Und von euch beiden ist mir auch schon eine Menge zu Ohren gekommen, ihr Söhne des großen Hundedämons."

Die Art wie Rokou redete, gefiel Inu Yasha überhaupt nicht. Er hatte irgendwie so was arrogantes und herablassendes an sich gehabt. Doch galt die Aufmerksamkeit des Hanyou sofort Kagome, als diese ihm mit einem Mal zurief: "Ich kann einen Juwelensplitter sehen, Inu Yasha! Er trägt einen Juwelensplitter bei sich!"

"Wo genau, Kagome?", fragte Inu Yasha sogleich zurück, woraufhin das Mädchen ihm antwortete: "In seinem Gürtel! Er trägt ihn im Stoff seines Gürtels! Auf der linken Seite!"

Nun wusste Inu Yasha ganz genau Bescheid. Er würde sich also speziell darauf konzentrieren, Rokou so anzugreifen, dass er ihm dessen Juwelensplitter entreißen konnte.

Hingegen war Rokous Augenmerk nun speziell auf Kagome gerichtet. "Du kannst den Splitter also sehen, Weib. Ja, von dir habe ich auch schon gehört. Du sollst angeblich die Wiedergeburt einer Miko sein. Jener Miko, die einst das Shikon no Tama hütete. Hm! Aber eigentlich ist das auch vollkommen egal." Mit diesen Worten erhob er langsam seine linke Hand, so dass er letztendlich mit dem Zeigefinger direkt auf das Haus deutete. "Der Abend ist etwas kühl, findet ihr nicht auch? Ich werde dafür sorgen, dass euch allen gleich etwas wärmer wird." Kaum hatte er das gesagt, schoss direkt aus seinem Zeigefinger ein Feuerstrahl heraus und steuerte direkt auf das Haus zu.

"Nein! So nicht!", rief Inu Yasha und stellte sich dem Angriff entgegen. Ohne zu zögern erhob er erneut Tessaigas Klinge und schlug diese dem feindlichen Angriff direkt entgegen. "Nimm das! Bakuryuuha!"

Inu Yashas Angriff blockte Rokous Attacke ab und bewirkte, dass diese direkt auf ihn zurückgeworfen wurde. Doch Rokou entzog sich der tödlichen Gefahr, getroffen zu werden, indem er seine Flugfähigkeit nutzte, um den Angriff auszuweichen. Das Bakuryuuha verfehlte ihn zwar, hinterließ aber dennoch einen bleibenden Eindruck, zumindest bei Kagomes und Kimies Familie.

"Boah! Das war supercool, Inu Yasha-no-niichan!", rief Souta begeistert aus.

"Tja... Aber wenn das so weitergeht, weiß bald die ganze Stadt, was hier los ist…", meinte Kimie trocken. Beim besten Willen konnte sie sich nicht vorstellen, dass dieser Kampf lange unbemerkt bleiben würde und dann würde es sicher nicht mehr lange dauern, bis hier ein ganzes Aufgebot an Sondereinsatzkräften oder gar das Militär auf dem Tempelgelände stehen würden, geschweige denn von einem ganze Haufen sensationshungriger Reporter. In diesem Moment spürte Kimie erneut, wie Raidon an ihrer Hüfte zu pulsieren begann. Verdutzt zog sie das Schwert aus der Schwertscheide und kaum eine Sekunde später ging von der Klinge ein Licht aus, das sich rasch über dem gesamten Tempelgelände erstreckte und dieses letztendlich wie eine schützende Kuppel einschloss.

"Ein Bannkreis!", bemerkte Kagome erstaunt und sah sich um. "Eigenartig... Das Tempelgelände scheint jetzt irgendwie von der Außenwelt abgeschnitten zu sein, ich kann die anderen Gebäude der Stadt gar nicht mehr sehen."

Durch den Bannkreis sah der Tempel der Familie Higurashi für diejenigen, die sich außerhalb aufhielten, wie immer aus. Der Tempel hatte nicht Auffälliges an sich und auch der Bannkreis selbst blieb von den anderen Menschen ungesehen. So erregte der Kampf auch kein Aufsehen.

"Ein netter Trick, wirklich", meinte Rokou amüsiert, als er sich den Bannkreis einmal etwas genauer angesehen hatte. "Bildet euch aber bloß nicht ein, dass euch das in irgendeiner Form helfen würde."

"Halt dein Maul!", knurrte Inu Yasha ihn wütend an. "Mal sehen, ob du auch dann noch so große Reden schwingst, wenn ich dich in kleine Stücke gehackt habe!"

Doch trotz dieser Drohung blieb Rokou gänzlich unbeeindruckt. "Meine Güte, du bist ja sehr von dir überzeugt, dafür dass du nur ein kleines Hündchen bist."

"Wie bitte?!"

"Du hast mich schon richtig verstanden, du Töle!", sagte Rokou, diesmal aber mit der deutlich spürbaren Absicht, zu provozieren. "Du und dein Halbbruder, ihr seid doch alle beide nur zwei Schoßtiere, die sich von Menschenmädchen um den kleinen Finger wickeln lassen! Erbärmlicher geht's wirklich nicht mehr, aber euer Vater war ja auch so ein Trottel. Und wir haben ja wohl alle mitbekommen, was aus ihm geworden ist. Aber das ist wirklich ein passendes Ende für so einen Narren. Und euch wird es genauso ergehen!"

"Schweig still!", knurrte Sesshoumaru plötzlich und in seiner Stimme lag deutliche Wut, während er nun seinerseits Rokou mit Toukijin attackierte. Sesshoumaru sprang nach oben und als er mit Rokou auf gleicher Augenhöhe war, schlug er zu. Doch der Ryû-Youkai wehrte die Schwertklinge mit der Klinge seines Naginatas ab.

"Na, holla! Da ist ja jemand mies drauf", meinte er spöttisch. "Kommen da etwa wieder die altbekannten Gefühle für den erhabenen Vater zum Vorschein? Wie rührend!"

Wieder war ein Knurren seitens Sesshoumaru zu hören gewesen und er stieß Rokou mit einem kräftigen Schlag seines Schwertes von sich fort. Während Sesshoumaru daraufhin wieder auf dem Boden landete, blieb Rokou schwebend in der Luft. Was er als nächstes vorhaben könnte, war vollkommen unklar gewesen. Möglich war auch, dass er eventuell eine neue Attacke auf Kagome, Kimie und die Familie planen könnte. Denn das Haus war natürlich nach wie vor seinen Angriffen schutzlos ausgesetzt und immer konnten Inu Yasha und Sesshoumaru ihn auch wieder nicht aufhalten. In der Hinsicht musste etwas anderes her und nach kurzer Überlegung kam Kimie eine Idee. Also trat sie aus dem Haus und stieß die Klinge ihres Schwertes so vor dem Haus in den Boden, dass es senkrecht in der Erde stecken blieb. Dann versuchte sie irgendwie, einen weiteren Bannkreis zu spannen, der das Haus schützen würde. Und tatsächlich gelang es ihr mit der Hilfe des Schwertes tatsächlich einen solchen Bannkreis nach einem Moment zu errichten. Wie eine weitere Kuppel umschloss er das Haus und machte es für feindliche Attacken unangreifbar, dennoch konnten alle den Kampf von Inu Yasha und Sesshoumaru gegen Rokou weiterhin sehen und mitverfolgen. Vorsichtig ließ Kimie den Griff ihres Schwertes nun wieder los, doch die Barriere blieb weiterhin bestehen.

"So! Das müsste erst mal reichen", meinte sie. "So können sich Sesshoumaru und Inu Yasha zumindest ungestört auf Rokou und den Kampf konzentrieren und müssen sich zeitgleich nicht auch noch um uns kümmern."

"Das war eine gute Idee, Kimie", meinte Kagome zustimmend. Auch unter den anderen Familienmitgliedern machte sich nun wieder etwas Ruhe breit, wobei aber Kimies Mutter wie schon zuvor das Geschehen entsetzt mit ansah. Im Moment war sie zudem gar nicht in der Lage gewesen, irgendetwas zu sagen. Nicht genug, dass sie schon Bekanntschaft mit Inu Yasha und Sesshoumaru machen durfte, jetzt war auch noch dieser Geflügelte hier aufgetaucht und hatte die beiden in einen Kampf praktisch direkt vor der Haustür verwickelt! Und so was erlebte ihre Tochter allen Ernstes häufiger? Für Akie war dies kaum vorstellbar gewesen.

Unterdessen beobachteten insbesondere Kagome und Kimie das Kampfgeschehen weiterhin äußerst aufmerksam. "Glaubst du, Inu Yasha und Sesshoumaru kommen klar?", fragte Kimie ihre Cousine nach einem Moment. Doch noch bevor die Jüngere ihr darauf eventuell eine Antwort hätte geben können, wurden sie Zeugen eines schier unglaublichen Zwischenfalls.

"Verschwinde endlich, du Idiot! Den Typen mach ICH platt!", beschimpfte Inu Yasha seinen älteren Halbbruder plötzlich, als dieser Rokou gerade wieder hatte angreifen wollen, und drängte ihn zur Seite.

Sesshoumarus Augen blitzten vor Wut regelrecht auf. "Du naseweiser Abschaum! Was willst du schon gegen ihn ausrichten können?! Deine beiden Angriffe sind doch schließlich alle daneben gegangen!"

Um sich Inu Yasha vom Hals zu schaffen, schlug Sesshoumaru einmal mit Toukijin nach ihm, doch der Jüngere wich dem Schlag mit einem Sprung aus. Aber damit war diese Sache nicht etwa erledigt gewesen, sondern jetzt kreuzten die beiden Brüder ihre Klingen erneut. Rokou schien nunmehr vollends zu einer Nebensache geworden zu sein, doch nutzte er die Gelegenheit nicht etwa, um sie für einen Angriff zu nutzen, sondern beobachtete das aus seiner Sicht äußerst amüsante Schauspiel aufmerksam und da war er nicht der Einzige gewesen.

"Sag mal, Kagome... Das passiert doch jetzt nicht wirklich, oder?", fragte Kimie ungläubig und deutete mit dem Finger auf die streitenden Brüder.

Kagome entwich ein ermüdetes Seufzen. "Doch, ich fürchte ja...", antwortete sie ihrer Cousine, trat aber kurz darauf einen Schritt nach vorne und rief den beiden aufgebracht zu: "Hey, ihr bekloppten Vollidioten! Streiten könnt ihr euch noch später! Kümmert euch gefälligst zuerst um diesen Typen!"

"Keh! Wenn Sesshoumaru mich diesen Kerl fertig machen lassen würde, müssten wir uns erst gar nicht streiten!", entgegnete Inu Yasha dem Mädchen, als gerade eine kurze Schlagabtausch-Pause zwischen ihm und Sesshoumaru herrschte. Doch Kagome rief zurück: "Das ist doch aber kein Argument! Kämpft gefälligst gemeinsam gegen ihn und wenn ihr das schon nicht hinbekommt, dann geht gefälligst nicht auch noch aufeinander los!"

"Argh! Halt endlich die Klappe, Kagome, und halt dich da raus!"

"Wie bitte?! Was hast du eben gesagt?" Wütend lief Kagome nun aus dem Bannkreis hinaus und lief die paar Meter zu Inu Yasha, wo sie sich ihm gegenüberstellte. "Würdest du das bitte noch einmal wiederholen? Was hast du eben zu mir gesagt, Inu Yasha?"

Als er das Mädchen mit einem Mal direkt vor sich stehen sah, starrte der Hanyou es völlig entgeistert an. Doch dann brüllte er los: "Sag mal, du bist wohl vollkommen bescheuert!? Du kannst doch nicht so einfach aus dem Bannkreis raus rennen!"

"Na, du hast es gerade nötig, mir irgendwelche Vorwürfe zu machen, du Idiot! Und mal ganz abgesehen davon bin ich bestimmt nicht bescheuert, klar?!"

Während er sich das Ganze so ansah, überkam Rokou so langsam das Gefühl, als wäre er inzwischen völlig uninteressant für seine Gegner geworden. "Meine Güte! Was für ein jämmerlicher Anblick", meinte er schließlich und ließ ein leichtes Gähnen verlauten. "Ich bin nicht hier, um mir eure dummen Streitereien anzuhören. Deshalb entledige ich mich dieses Problems jetzt ganz einfach, indem ich euch beide gleichzeitig zur Hölle schicken werde!"

In diesem Moment brachen Inu Yasha und Kagome ihren zänkischen Dialog abrupt ab, denn Rokou hatte bereits mit der Vorbereitung seines Angriffs begonnen. Er erhob sein Naginata, um dessen Klinge sich nun eine Feuerspirale bildete.

"Sayonara, ihr Trottel!", rief Rokou aus und schwang seine Waffe genau in Inu Yashas und Kagomes Richtung.

"Kagome! In Deckung!" Ohne zu zögern hatte sich Inu Yasha sofort schützend über Kagome geworfen und sie auf den Boden gedrückt, ehe die beiden nur Sekundenbruchteile später von der Feuerspirale erreicht und in deren Flammen eingeschlossen wurden.

"Oh nein! Kagome! Inu Yasha!" Entsetzt starrte Kimie auf das Szenario, ebenso wie der Rest der Familie. Wie sollten die beiden aus dieser Flammenhölle wieder lebend herauskommen? Das war doch praktisch unmöglich. Von daher traute sich keiner so wirklich, überhaupt noch hinzusehen, als das Feuer nach einem Moment wieder kleiner wurde, bis es letztendlich erloschen war.

Aber zum Erstaunen aller, waren Inu Yasha und Kagome noch da gewesen und das allem Anschein nach vollkommen unversehrt. Souta verstand die Welt nicht mehr. "Aber... wie haben sie das geschafft?" Und diese Frage stellte er sich nicht als Einziger.

Unterdessen hatte sich Inu Yasha wieder etwas erhoben und schaute besorgt zu Kagome runter. "Kagome? Kagome, ist bei dir alles in Ordnung?"

Zögerlich öffnete Kagome ihre Augen, doch als sie bemerkte, dass ihr und Inu Yasha scheinbar wirklich nichts passiert war, setzte sich wieder auf. Auf eine erneute Nachfrage des Hanyou antwortete sie nun: "Ja, es geht mir gut, Inu Yasha. Aber wieso sind wir...?" Da fiel es dem Mädchen mit einem Mal wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Es musste an Inu Yashas Umhang gelegen haben. Er hatte sie beide vor Rokous Flammen beschützt... und Inu Yasha hatte Kagome beschützt.

"Inu Yasha... Vielen Dank!", sagte Kagome nach einem Moment und lächelte den Hanyou dankbar an. Dieser schloss das Mädchen daraufhin völlig überraschend in seine Arme.

"Du Dummkopf!", sagte er. "Immer musst du dich in Schwierigkeiten bringen und ich darf dich dann am Ende wieder retten." Gerade, als Kagome etwas darauf erwidern wollte, sprach Inu Yasha jedoch weiter, wenngleich so, dass nur sie es hören konnte: "Aber es ist egal, denn ich werde dich immer beschützen, Kagome. Ganz gleich, was passiert."

Kagome hatte mit kurzzeitig angehaltenem Atem zugehört. Inu Yasha sprach nicht allzu häufig so mit ihr, so war es für sie immer wieder ein ganz merkwürdiges Gefühl, wenn er das tat. Aber es war ein schönes Gefühl. Glücklich und erleichtert lehnte sie ihren Kopf an seine Brust. "Danke."

Gerne hätte Kagome, und vermutlich auch Inu Yasha, diesen Moment noch etwas länger ausgekostet, doch leider blieb den beiden das verwehrt, denn Kimie hatte inzwischen ebenfalls den Schutz von Raidons Bannkreis verlassen und war zu den beiden geeilt. Sie tippte ihrer Cousine auf die Schulter, während diese noch zusammen mit dem Hanyou auf dem Boden saß und in seinen Armen lag. "Hey! Ich störe eure traute Zweisamkeit ja wirklich nur äußerst ungern, aber wir sind hier noch nicht ganz fertig, Leute", bemerkte Kimie, woraufhin sich Inu Yasha und Kagome wieder voneinander lösten. Etwas verlegen standen die beiden nun wieder auf.
 

>Ich kenne nur ein Material, dass in der Lage ist, dem Feuer zu trotzen, und das ist das Fell der Feuerratte!<, schoss es Rokou sofort durch den Kopf, nachdem er zu seinem eigenen Erstaunen mitbekommen hatte, dass Inu Yasha und Kagome unverletzt geblieben waren. Eigentlich hätte sein Angriff von den beiden nicht mal mehr Asche übrig lassen dürfen. Aber weiter darüber nachdenken konnte er nicht, denn plötzlich bemerkte er, wie Sesshoumaru nun wieder einen Angriff auf ihn gestartet hatte. Der Inu-Youkai bekam Rokous linkes Handgelenk nun mit seiner Lichtpeitsche zu fassen.

"Nice catch, Sesshoumaru! Jetzt haben wir ihn!", rief Kimie, die die Aktion mitbekommen hatte, aus und schnippte begeistert mit dem Finger. Doch hatte sie sich scheinbar zu früh gefreut, denn Rokou umschloss die Lichtpeitsche nur unbeeindruckt mit seiner Hand und setzte eine Feuerattacke ein. Sofort fraßen sich die Flammen ihren Weg an ihr entlang und direkt zu Sesshoumaru, der seine Lichtpeitsche aber noch rechtzeitig von seiner Hand löste, bevor das Feuer ihn erreicht hatte. Dann richtete sich Rokous Aufmerksamkeit auf Kimie.

"Mir scheint, du hast dich etwas zu früh gefreut, Kleine", meinte er. "Wie sieht's aus? Wollen wir beide jetzt vielleicht ein wenig zusammen spielen?" Und bevor sie seine Worte eigentlich so richtig vernommen hatte, hatte Rokou schon den ersten Angriff auf Kimie gestartet. Blitzschnell war er auf sie zugeflogen und erhob seine Waffe. Als der Ryû-Youkai gleich darauf das erste Mal mit seinem Naginata zuschlug, konnte Kimie zwar noch ausweichen, doch fiel sie bei diesem Manöver zu Boden und Rokou war schon dabei gewesen, zu einem weiteren Schlag auszuholen. "Jetzt bist du fällig, du Weib!"

Den Ryû-Youkai erneut mit seiner Waffe zum Schlag ausholen sehend, kauerte sich Kimie reflexartig auf den Boden und kniff die Augen zu. Kurz darauf hörte sie ein Geräusch, das klang, als würde Metall oder dergleichen aufeinander treffen. Sie öffnete ihre Augen wieder und als sie sich umwandte, sah sie, dass Sesshoumaru direkt vor ihr stand und Rokous Naginata mit Toukijin abgeblockt hatte. Anschließend schlug er den feindlichen Youkai wieder zurück, der sich mit seinen Schwingen wieder in die Lüfte erhob.

"Menschen zu beschützen, dazu sollte ein wahrer Youkai seine Stärke bei weitem nicht vergeuden und schon gar nicht für ein Weib", meinte Rokou herablassend.

Sesshoumaru erhob daraufhin sein Schwert in Rokous Richtung. "Ich habe genug von dir gehört. Souryuuha!" Von Toukijin löste sich nun eine blaue Energiewelle, die genau auf Rokou zusteuerte. Der Ryû-Youkai konterte dem Angriff, indem er einfach selbst einen Feuerangriff als Gegenattacke einsetzte. Wie schon zuvor bei Inu Yashas Windwunde neutralisierten sich beide Attacken gegenseitig und lösten sich letztendlich wieder auf. Ungeachtet dessen wandte sich Sesshoumaru nun zu Kimie um. "Bist du verletzt?", fragte er sie, doch sie schüttelte einmal den Kopf.

"Nein. Aber ich habe mich ganz schön erschrocken."

Noch immer lag Kimie auf dem Boden, der Schrecken saß ihr noch zu sehr in den Gliedern, als dass sie gleich von selbst wieder hätte aufstehen können. Sesshoumaru kniete sich neben sie und hob mit seiner freien linken Hand ihren Oberkörper an, so dass sie sich zumindest erstmal wieder aufsetzen konnte, ehe er ihr anschließend wieder auf die Beine half.

"Ein Youkai der ein Menschenweib beschützt, so was ist wirklich eine Beleidigung für jeden anderen Youkai", sagte Rokou spöttisch. "So was passt doch eigentlich mehr zu solchen Halbblütern wie dem da." Er deutete auf Inu Yasha, der jedoch nur gelassen sein Schwert schulterte.

"Keh! Du kannst wohl nur Sprüche klopfen. Deine Angriffe waren bisher ja schließlich nicht gerade das Gelbe vom Ei, wenn ich mir das so ansehe", meinte er nicht weniger spöttisch als Rokou schon zuvor. "Und du sollst wirklich zu diesen komischen Hütern gehören? Sind die anderen denn auch solche Nieten wie du?"

Zunächst bedachte Rokou den Hanyou auf diese Bemerkung hin lediglich mit einem äußerst herablassenden Blick, ehe er ebenso entgegnete: "Hm! Du idiotischer Hanyou, glaubst du wirklich, ich hätte schon mein ganzes Pulver verschossen? Das war lediglich ein Test. Ich lege es eigentlich gar nicht darauf an, euch zu erledigen. Zumindest jetzt noch nicht. Darin lag auch überhaupt nicht mein Auftrag. Ich sollte euch lediglich ein wenig Feuer unterm Hintern machen, wenn ihr versteht."

Doch auf Inu Yasha wirkte diese Aussage wenig glaubhaft. "Was faselst du da wieder für ein dummes Zeug? Du willst doch nur nicht zugeben, dass du eine totale Nullnummer bist, sonst nichts!"

Rokou zuckte nur einmal mit den Achseln. "Du kannst es sehen wie du willst, Hanyou. Das ist mir vollkommen egal." Ein hinterhältiges Lächeln umspielte seine Lippen, ehe er letztendlich noch hinzufügte: "Wir werden uns schon sehr bald wieder sehen. Ich freue mich schon darauf."

Und plötzlich und völlig unvorhergesehen, verschwand Rokou in einer roten Flamme, die sich schnurstracks ihren Weg zum Schrein, in welchem der Knochenfresserbrunnen stand, bahnte.

"Hey! Abhauen gilt nicht, du Feigling!", rief Inu Yasha dem Ryû-Youkai aufgebracht nach, der inzwischen durch die schon geöffnete Schiebetür des Schreins geschlüpft war. Zwar hatte Inu Yasha sofort die Verfolgung aufgenommen, doch als er ebenfalls an dem Brunnen angekommen war, war von Rokou schon längst nichts mehr zu sehen gewesen. Kurze Zeit später kam Kagome noch hinzu. Sowohl ihr, als auch Inu Yasha war zweifelsfrei klar gewesen, dass Rokou durch den Brunnen wieder in die Sengoku-Ära gelangt sein musste. Doch so einfach wollte Inu Yasha es dem Ryû-Youkai auch wieder nicht machen. "So leicht kommt der mir nicht davon! Folgen wir ihm!"

"Das kannst du dir sparen", kam es nun aber kühl von Sesshoumaru, was Inu Yasha in seinem Vorhaben inne halten ließ.

"Wie bitte?"

"Glaubst du wirklich, du könntest ihn einholen?", fragte Sesshoumaru, der zusammen mit Kimie etwas von dem Schrein entfernt stand, seinen Halbbruder herablassend. "Ehe du auf der anderen Seite des Brunnens wieder herauskommen würdest, wäre er sicherlich schon längst über alle Berge. Oder bildest du dir etwa ein, er wartet jetzt auf dich?"

Ein missmutiges Knurren war nun seitens Inu Yasha zu hören gewesen. So sehr es ihm auch missfiel, Sesshoumaru hatte mit seiner Aussage wohl Recht gehabt. Also blieb Inu Yasha nichts anderes übrig, als es zunächst dabei zu belassen. Mürrisch steckte er Tessaiga wieder zurück in die Schwertscheide, während Kimie nun zu ihrem Schwert zurückging, dass noch vor dem Haus im Boden steckte. Nachdem sie den Bannkreis, der das Haus schützte, betreten und Raidon wieder aus dem Boden herausgezogen hatte, verschwanden zeitgleich beide Bannkreise, die es zuvor errichtet hatte, allmählich wieder. Jetzt konnte man auch wieder die Stadt und den Nachthimmel sehen.

Erleichtert atmete Kagome auf. "Bin ich froh! Es ist vorbei. Zumindest erstmal..."

Auch die restliche Familie schien froh und glücklich über diesen glimpflichen Ausgang der Geschichte gewesen zu sein, doch damit war die Sache noch nicht erledigt gewesen. Zumindest nicht für Kimie, die nun die Stimme ihrer Mutter vernahm: "Kimie, komm doch bitte mal mit. Dein Vater und ich würden uns gerne mal mit dir unterhalten. Allein."

Akie winkte ihre Tochter mit einer Handbewegung zu sich, während sie schon mal vorausging, dicht gefolgt von ihrem Mann, der Kimie zuvor einen etwas hilflosen Blick zugeworfen und ebenso einmal mit den Schultern gezuckt hatte. Kimie ahnte, dass jetzt wohl so was wie eine Standpauke kommen würde, aber da musste sie wohl durch. Also trottete sie widerstandslos hinter ihren Eltern her und folgte ihnen ins Wohnzimmer. Nachdem Kimie als Letzte das Zimmer betreten und die Tür hinter sich geschlossen hatte, wies ihre Mutter sie an, sich zu setzen. Akie und Kimata saßen ihrer Tochter auf der anderen Seite des Tisches auf dem Boden gegenüber und irgendwie kam sich Kimie so vor, als stünde sie jetzt vor einer Art Jury. Allerdings sagten Kimata und Akie zunächst nichts, was das Mädchen dazu veranlasste, die ersten paar Sekunden etwas planlos in die Luft zu gucken, bis ihre Mutter plötzlich das Wort ergriff und ihre Tochter äußerst ernst fragte: "Sei bitte ehrlich, Kimie. Solche Sachen wie gerade eben... passieren die auf der anderen Seite des Brunnens häufiger?"

"Ähm... Also..." Im ersten Moment war sich Kimie nicht ganz sicher, was genau sie darauf antworten sollte. "Na ja, das gerade war schon ein wenig heftiger. Für gewöhnlich ist es aber gar nicht so schlimm", versuchte sie letztendlich ihre Mutter zu beschwichtigen, konnte ihr und ihrem Vater aber nicht verschweigen, dass solche Auseinandersetzungen mit feindlichen Dämonen in naher Zukunft wohl häufiger passieren könnten.

Akie schaute ihren Mann daraufhin einmal kurz an, dann wandte sie sich wieder an ihre Tochter: "Kimie, dein Vater und ich haben uns wegen dieser Sache bereits gestern ein wenig unterhalten und obwohl er die Sache etwas anders zu sehen scheint als ich möchte ich dennoch, dass du wieder zu uns nach Hause kommst. Das beinhaltet natürlich auch, dass du mit deinen Ausflügen in diese Sengoku-Ära aufhören wirst."

"Was?" Zuerst war Kimie nicht zu weiteren Worten fähig gewesen, zu groß war der anfängliche Schock gewesen, da sie mit so was jetzt gar nicht gerechnet hatte. Aber nach einem Augenblick hatte sie sich wieder gefangen. "Moment mal! Du sagst das so, als wäre schon alles entschieden!? Zählt meine Meinung denn überhaupt nicht?"

"Wir wollen dir keinesfalls irgendwelche Vorschriften machen", meinte Akie ruhig, aber bestimmt. "Wir machen uns lediglich Sorgen um dich. Deshalb sei bitte vernünftig. Hör auf mit diesen gefährlichen Abenteuern und komm wieder nach Hause. Vergiss diese Sengoku-Ära. Vergiss diese absurden Abenteuer und dergleichen und beende vor allem diese merkwürdige Beziehung zu diesem Youkai. Das würde mit euch ohnehin nicht gut gehen, dazu seid ihr einfach zu verschieden."

Jetzt blieb Kimie stumm. In ihrem Kopf hallten die Sätze ihrer Mutter wie in einer Endlosschleife immer wieder erneut wider. Schließlich senkte das Mädchen den Blick in Richtung Tischplatte. "Ich soll nicht mehr zurückgehen?", sagte sie leise und mehr wie zu sich selbst. "Ich soll Tokio wieder verlassen...?"

Ihre Eltern warteten noch einen Moment auf eine andere Reaktion seitens ihrer Tochter. Als diese jedoch ausblieb, versuchte Akie, sie erneut anzusprechen: "Kimie..."

"Nein! Das kann ich nicht!", rief Kimie jedoch plötzlich aus und unterbrach ihre Mutter damit noch am Anfang ihres Satzes. "Das kann und werde ich nicht tun, Mama! Es tut mir Leid, aber ich werde nicht mit dir und Papa wieder zurückgehen! Das hat auf keinen Fall etwas mit euch zu tun, aber ich will hier bleiben und ich will auch wieder zurück in die Sengoku-Ära!"

"Aber Kimie, jetzt sei doch bitte vernünftig! Das ist doch..."

"Ich BIN vernünftig, Mama! Unvernünftig von mir wäre es, wenn ich jetzt wirklich alles hinschmeißen und so tun würde, als wäre all das, was ich jetzt und auch bereits vor einem Jahr erlebt habe, niemals geschehen und wenn ich versuchen würde, diejenigen, die ich in der anderen Epoche kennen und schätzen gelernt habe, zu vergessen! Dass kann ich aber nicht und ich will es auch gar nicht!"

Akie war so langsam mit ihrem Latein am Ende. Von ihrem Mann bekam sie zudem auch nicht gerade hilfreiche Unterstützung, denn Kimata wohnte der ganzen Situation lediglich schweigend und praktisch als stiller Beobachter bei. So blieb Akie nichts anderes übrig, als von sich heraus wieder zu versuchen, ihre Tochter umzustimmen: "Kimie, sei doch nicht so maßlos verantwortungslos dir gegenüber! Dir könnte dort sonst was zustoßen!"

"Was soll jetzt das mit der Verantwortung, Mama?", fragte Kimie und es klang schon beinahe vorwurfsvoll. "Wenn du unter 'Verantwortung' verstehst, dass ich all das hier aufgeben soll, dann lege ich auf so was wie Verantwortung keinen Wert! Ich will nicht alles aufgeben, was ich neu kennen gelernt habe, geschweige denn diejenigen, die ich als Freunde neu gewonnen habe und die Erfahrungen, die wir gemeinsam machen durften! Dazu bedeutet es mir zu viel! Noch einmal werde ich nicht wieder fortgehen und schon gar nicht freiwillig!"

Und mit diesen Worten sprang Kimie auf und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Dabei ignorierte sie auch die nachfolgenden Rufe ihrer Mutter.

Kagome hatte unterdessen zusammen mit ihrer Familie, Inu Yasha und Sesshoumaru im Flur gestanden und abgewartet, während Kimie im Wohnzimmer mit ihren Eltern gesprochen hatte. Als sie nach einer Weile jedoch Kimies deutlich erboste und laute Stimme vernommen hatte, ahnte Kagome schon, dass etwas gehörig schief zu laufen schien. Kurze Zeit später hatte sich auch schon die Tür des Wohnzimmers geöffnet und ohne die anderen auch nur eines Blickes zu würdigen rauschte Kimie nun unter lauten Flüchen den Gang entlang und ging anschließend die Treppe hoch, um in ihr Zimmer zu gehen.

"Oje... Das hat wohl wirklich ziemlichen Ärger gegeben", vermutete Kagome betroffen. Zuerst überlegte sie, ob sie Kimie in deren Zimmer folgen sollte, doch ließ sie es lieber sein. Vielleicht wollte ihre Cousine jetzt erstmal etwas allein sein. Zwar überlegte Kagome, ob sie ihren Onkel und ihre Tante mal fragen sollte, was genau eigentlich passiert war, doch wurde sie dabei von ihrer Mutter zurückgehalten. Sie war der Ansicht, es wäre das beste, alle Beteiligten erstmal etwas in Ruhe zu lassen und Kagome stimmte dem zu.
 

"Mist! So ein verdammter Dreck!", fluchte Kimie aufgebracht weiter, kaum dass sie ihr Zimmer erreicht und mit einem lauten Knall die Tür hinter sich zugeschlagen hatte. So wütend war sie bisher scheinbar wohl noch nie gewesen. Aber worauf genau war sie eigentlich wütend gewesen? Auf ihre Mutter oder auf sich selbst? Oder doch eher auf die gesamte Situation? Kimie musste sich eingestehen, dass sie es selbst nicht so genau wusste. Irgendwie schien ihr im Moment einfach nur alles über den Kopf zu wachsen. Mit einem Seufzen setzte sie sich auf ihr Bett, stützte die Ellenbogen auf die Knie und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr nun doch vereinzelt ein paar Tränen in die Augen stiegen und das machte sie eigentlich nur noch wütender. Denn sie wollte doch überhaupt nicht weinen! Als ob das außerdem irgendetwas geändert hätte.

Während ihr so viele Gedanken auf einmal im Kopf herumspukten, bekam Kimie plötzlich mit, wie jemand die Tür zu ihrem Zimmer öffnete und hereinkam. Ohne jedoch überhaupt hingesehen zu haben, um wen es sich dabei gehandelt hatte, brüllte sie schon los: "Raus! Ich will niemanden sehen!" Während sie das gesagt hatte, hatte sie sich auch entsprechend zur Tür umgedreht. Doch verstummte Kimie sofort wieder, als sie erkannte, wer nun in ihrem Zimmer stand. "Sesshoumaru..." Hastig wischte sich Kimie die Tränen aus dem Gesicht, drehte sich aber gleich wieder von dem Youkai weg, damit er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Auch sagte sie nichts mehr weiter. Nichts desto trotz kam Sesshoumaru näher und setzte sich wortlos neben sie auf ihr Bett. Eine Zeit lang saßen beide nur so nebeneinander.

"Du... musst nicht extra deswegen noch länger hier bleiben", meinte Kimie schließlich und ihre Stimme klang wieder gefasster. "Wenn du zurückgehen willst, dann ist das in Ordnung."

Als Sesshoumaru ihr darauf jedoch nichts antwortete, drehte sie sich wieder zu ihm um. Was sie dann sah, irritierte sie einem gewissen Sinne etwas. Denn Sesshoumaru schaute sie mit einem Blick an, den sie so noch nicht bei ihm gesehen hatte. Sie konnte ihn zwar nicht genau definieren, aber es war jedenfalls nicht der gewohnt kühle gewesen. Eigentlich war Sesshoumarus momentaner Gesichtsausdruck sogar recht untypisch für ihn gewesen. Da gab es nichts Abweisendes oder Unnahbares mehr, er war eben einfach vollkommen anders als sonst.

"Mann! Was ist denn plötzlich los mit dir?!", keifte Kimie mit einem Mal völlig unvorhergesehen los. "Wo bleiben deine bissigen Kommentare und deine herablassenden Äußerungen? Und was soll dieser komische Blick überhaupt? Behandle mich bloß nicht wie ein rohes Ei, nur weil ich gerade etwas Stress mit meinen Eltern habe! So was hat schließlich jeder mal!" Doch kaum hatte sie das gesagt, spürte Kimie wieder diese Wut im Bauch. Aus welchem Grund hatte sie Sesshoumaru gerade so blöd angemacht? Sie musste sich eingestehen, dass sie es selbst nicht wusste. Sie konnte momentan einfach keinen klaren Gedanken mehr fassen.

"Entschuldige... Ich wollte nicht schreien", sagte Kimie nach einem Augenblick leise. Sesshoumaru sagte auch jetzt noch nichts, sondern schaute sie nur weiterhin an. Er hatte sich zwar vorgenommen, vorzeitig wieder zurückzugehen, doch so, wie es momentan um Kimie stand, konnte er noch nicht zurück. Andererseits durfte er auch nicht unnötig noch mehr Zeit verlieren. Keiner konnte schließlich vorhersagen, wann der Kampf beginnen und die Ryû-Youkai die westlichen Länder mit ihrem ganzen Aufgebot angreifen würden. Zudem würde sich Sesshoumaru nicht unbedingt des Vertrauens seiner Leute sicher sein können, wenn er im entscheidenden Moment nicht da wäre. Zwar war er in der Vergangenheit immer mehr ein Einzelkämpfer gewesen, doch diesmal brauchte auch er zweifellos die Hilfe und die Unterstützung seines Clans, ebenso wie dieser einen Anführer in diesem Kampf brauchte. Und als der älteste Sohn von Inu no Taishou lag es nun an Sesshoumaru, seine Leute in den Kampf zu führen.

"Bis zum Morgen", sagte Sesshoumaru plötzlich, was Kimie abrupt wieder aufhorchen ließ.

"Was?"

"Ich warte noch bis Anbruch des Morgens, dann werde ich zurückgehen", erklärte er ihr. Kimie schwieg zunächst, doch schien Sesshoumarus Blick ihr nun die Frage zu stellen, ob sie ihn doch begleiten wollte. Sie war sich aber nicht ganz sicher, was sie in diesem Zusammenhang nun am besten tun sollte. Weiter hier bleiben und versuchen, mit ihrer Mutter wieder ins Reine zu kommen? Oder sollte sie Sesshoumaru wirklich besser begleiten?

Zuerst war sie noch unschlüssig gewesen, doch nach einem Moment der Überlegung meinte sie entschlossen: "Dann werde ich dich mit dir mitgehen."
 

"Ich begreife das alles einfach nicht. Was ist da nur falsch gelaufen?", fragte sich Akie kopfschüttelnd, während sie zusammen mit ihrem Mann noch immer im Wohnzimmer saß. "Kimie war doch sonst nicht so. Aber jetzt schreit sie uns an und benimmt sich wie eine Rebellin."

"Nun, so was passiert eben schnell, wenn man wütend wird", meinte Kimata ruhig. "Und ehrlich gesagt, ich kann sie verstehen."

"Was soll das denn wieder heißen?"

"Ach, komm schon, Akie! Kommt dir das nicht alles doch sehr bekannt vor?" Kimata schaute seine Frau einen Moment lang abwartend an, doch als diese nicht reagierte, sprach er weiter: "Erzähl mir nicht, dass du das wirklich vergessen hast! Deine Mutter hat sich damals doch auch mächtig darüber aufgeregt, als du einfach so mir nichts, dir nichts von hier abgehauen und mir gefolgt bist. Du bist in einer Nacht- und Nebelaktion einfach so verschwunden und hast ihr und auch deinem Vater keinen Ton davon gesagt."

Scheinbar nun doch etwas peinlich berührt senkte Akie daraufhin leicht den Blick. Natürlich konnte sie sich noch sehr gut an diese Situation aus ihrer Jugend zurückerinnern. Damals, als sie genauso alt wie Kimie gewesen war und gerade die Schule beendet hatte, war sie Kimata in seine Stadt gefolgt, nachdem sie ihn in den Sommerferien kennen gelernt hatte, als er nach einem gerade abgebrochenen Studium zu Besuch in Tokio gewesen war, um mal etwas Abstand von allem zu bekommen. Damals hatte Kimata auch noch keine Ahnung gehabt, was er als Nächstes tun wollte und welches Ziel er verfolgen sollte, und genau das war es gewesen, was insbesondere der Mutter von Akie und ihrer Schwester sehr sauer aufgestoßen war. Ein Mann, der keinerlei Perspektive und nichts vorzuweisen hatte, das konnte ihrer Meinung nach ja nur schief gehen. Nichts desto trotz hatte Akie gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Mutter den Kontakt zu Kimata nicht abgebrochen und nachdem er in seine Heimatstadt zurückgekehrt war, war sie ihm kurze Zeit später heimlich gefolgt. Es hatte ihn zwar eine Menge Überredungskunst abverlangt, aber letztendlich hatte er Akie nach einigen Tagen doch dazu überreden können, wieder nach Hause zu gehen. Anhand eines Zettels, den ihre Tochter hinterlassen hatte, hatten ihre Eltern zwar gewusst, wo sie sich aufgehalten hatte, doch darauf folgende Versuche von zumindest telefonischer Kontaktaufnahme wurden von Akies Seite stets abgeblockt. Sie hatte mit niemandem sprechen wollen und schon gar nicht mit ihrer Mutter. Trotzdem schien die Erleichterung über das Wiedersehen doch sehr groß gewesen zu sein und nachdem Akie ihrer Familie alles genauer erzählt hatte, gab letztendlich auch ihre Mutter nach und gab ihr und Kimata ihren Segen, nachdem sie eingesehen hatte, dass er doch kein so schlechter Umgang für ihre Tochter gewesen war, wie sie es zunächst angenommen hatte. Doch konnte man Akies damalige Lage wirklich mit der von ihrer Tochter Kimie vergleichen? Schließlich bestand zwischen den beiden ein wesentlicher Unterschied, den Akie ihrem Mann auch sofort versuchte, klarzumachen: "Du hast ja Recht, aber bei uns war das was anderes. Oder bist du etwa ein Youkai, der in der Sengoku-Ära lebt und mich anfangs sogar noch eigenhändig um die Ecke bringen wollte?"

Kimata verstand zwar, worauf seine Frau hinaus wollte, konnte sich aber dennoch ein leichtes Seufzen nicht verkneifen. "Ach, Akie... Mir ist ja klar, worauf du hinaus willst, aber unserer Kleinen scheint es doch trotz allem sehr gut zu gehen. Hast du dir das denn nicht immer für sie gewünscht? Dass es ihr gut geht?"

"Doch, natürlich! Aber... doch nicht, dass sie sich ständig einer derartigen Gefahr aussetzt."

"Aber sie ist doch nicht allein. Sie hat da doch auch Freunde und Kagome ist schließlich auch noch da. Und natürlich Sesshoumaru."

"Ja, und genau das macht mir am meisten Angst..." Akie konnte sich trotz allem noch immer nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass ihre Tochter im Mittelalter rumkurvte und das auch noch in der Gesellschaft eines Youkai, der sie zunächst sogar hatte umbringen wollen. Unruhig tippte sie mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand auf dem Wohnzimmertisch herum, bis Kimata ihre Hand nahm.

"Akie, kann es ein, dass du schlichtweg einfach nicht so wirklich loslassen kannst oder willst?", fragte er sie prüfend, aber mir ruhiger Stimme. "Schließlich warst du anfangs schon dagegen, dass Kimie allein wieder hierher nach Tokio zurückgeht und das obwohl sie bei deiner Schwester wohnen würde, wie es ja jetzt auch der Fall ist."

Akie hatte Kimata zunächst nur stumm angesehen, doch senkte sie nach einem Moment spürbar nachdenklich den Blick. "Hmm... Vielleicht...", murmelte sie leise in sich hinein.

"Na, komm! Gib dir einen Ruck!", meinte Kimata schließlich mit einem aufmunternden Lächeln. "Na gut, dass unsere Tochter sich gerade einen Youkai verliebt, kam wohl wirklich sehr unvorhergesehen und überraschend, zumal man damit auch nicht wirklich rechnen konnte, aber ändern können wir daran auch nichts mehr. Und eigentlich ist dieser Sesshoumaru doch ein ganz passabler Typ. Außerdem kann er Kimie sehr gut beschützen, wie wir es ja selbst beobachten konnten, und so perspektivlos und ohne Plan wie ich damals ist er wohl auch nicht." Die letzte Bemerkung war begleitet gewesen von einem Funken Selbstironie. Zwar antwortete Akie nicht darauf und sah auch nicht wieder auf, doch Kimata sah ihr deutlich an, dass sie über seine Worte sehr genau nachzudenken schien. "Weißt du was? Schlaf ein wenig darüber und morgen sehen wir weiter, in Ordnung?", schlug er ihr letztendlich vor und Akie stimmte dem mit einem Nicken zu. Was anderes konnte sie im Moment wohl eh nicht tun.
 

Die Nacht war eher kurz gewesen und eigentlich hatte keiner so wirklich geschlafen. Auch Kimie gehörte mit zu denen, die die ganze Nacht über wach gewesen waren, obwohl sie versucht hatte, ein wenig zu schlafen. Als sich die ersten Sonnenstrahlen ankündigten, war sie aber auch schon wieder auf den Beinen gewesen und machte sich nun daran, ihren Rucksack für die Rückreise ins Mittelalter zu packen. Beobachtet wurde sie dabei nicht nur von Sesshoumaru, sondern auch von Kagome und Inu Yasha, die in der vergangenen Nacht ebenfalls kein Auge zugemacht hatten.

"Kimie, bist du dir sicher, dass du das tun willst?", fragte Kagome etwas verunsichert, nachdem sie von ihrer Cousine von deren Vorhaben erfahren hatte. "Willst du nicht vielleicht doch noch mal mit Tante Akie sprechen?"

"Was bringt das denn? Es läuft doch eh wieder auf das selbe hinaus", meinte Kimie aber nur und klang dabei immer noch etwas missmutig. "Außerdem wird sie im Moment sowieso noch schlafen. Ich schreib ihr einen Zettel, das wird wohl ausreichen."

Und während Kimie für dieses Vorhaben nun an ihren Schreibtisch ging, ein Blatt Papier nahm und eine kleine Nachricht an ihre Eltern, aber speziell an ihre Mutter verfasste, fragte Kagome an Inu Yasha gewandt: "Tja, dann gehen wir wohl alle am besten wieder zurück, oder?"

"Von mir aus. An mir soll es nicht scheitern", antwortete der Hanyou mit einem Achselzucken. Kagome nahm dies zur Kenntnis und meinte daher, dass sie nun ebenfalls schnell ihre Sachen zusammenpacken wollte und eilte in ihr Zimmer. Inu Yasha folgte dem Mädchen mit gemächlichen Schritten. Nachdem die beiden das Zimmer verlassen hatten, war kurze Zeit später auch Kimie mit dem Schreiben ihrer Nachricht fertig. Darin hatte sie kurz und knapp geschrieben, was sie vorgehabt hatte und dass sie sich auch keinesfalls davon abbringen lassen wollte. Dennoch sollten sich ihre Eltern keine Sorgen um sie machen. Zuletzt hatte sie noch einen Gruß unter die Zeilen gesetzt und beließ es dabei.

"Bist du fertig?", hörte Kimie Sesshoumaru nun fragen. Sie drehte sich zu ihm um und nickte. "Ja, wir können gehen."
 

"Das kommt aber sehr plötzlich. Wollt ihr wirklich schon wieder gehen?" Kagomes Mutter war doch recht überrascht gewesen, dass ihre Tochter und die anderen schon so früh am Morgen wieder aufbrechen wollten.

Doch Kagome antwortete: "Ja, besser wäre es. Schließlich haben wir auch versprochen, nicht allzu lange wegzubleiben und wir sind sowieso schon etwas spät dran."

Ihre Mutter nickte einverstanden und bat ihre Tochter noch, gut auf sich aufzupassen. Gleiches riet sie natürlich auch Kimie, fragte diese aber noch: "Aber was ist mit deinen Eltern, Kimie? Hast du noch mal mit ihnen gesprochen, insbesondere mit deiner Mutter?"

Aber Kimie schüttelte den Kopf. "Nein, weil ich der Meinung bin, dass das nichts bringt. Aber was soll's? Dann gehe ich eben ohne den Segen meiner Mutter wieder zurück. Verbieten lasse ich mir das jedenfalls nicht!"

"Du bist ja wirklich ziemlich rebellisch geworden. Lernt man das in der Sengoku-Ära?"

Kaum, dass sie diese Stimme gehört hatte, hatte Kimie sofort aufgehorcht und schaute nun auf die Treppe, die zum ersten Stock des Hauses hinaufführte. Dort entdeckte sie ihren Vater und auch ihre Mutter, die sich zuvor an ihre Tochter gewandt hatte.

"Paps! Mama..." Kimie war sich nicht ganz sicher, was ihre Eltern und insbesondere ihre Mutter von ihr wollen könnten. Außerdem hatte sie auch gar nicht damit gerechnet, ihnen jetzt noch einmal über den Weg zu laufen, deswegen hatte sie ja schließlich auch den Zettel geschrieben. Und eigentlich hatte sie ein eher unangenehmes Gefühl gehabt, als Akie nun zusammen mit Kimata die Treppe hinunter kam und das Wort erneut an ihre Tochter richtete: "Bevor du etwas sagst, lass mich bitte zuerst. Sag mir... Bist du dir wirklich sicher, dass du das tun willst, Kimie?"

Kimie antwortete zwar nicht sofort, doch nickte sie nach einem Augenblick. "Ja, das bin ich. Und wie schon gesagt, ich lasse mich davon auch nicht abbringen."

"Also gut", meinte Akie nach einer kleinen Pause leise, ehe sie sich kurz darauf mit einem ernsten Blick Sesshoumaru zuwandte. Zuerst schaute sie ihn nur an, ehe sie ihn aber schließlich auch ansprach: "Mein Herr. Egal, ob Youkai oder sonst was, sollte ich in Erfahrung bringen, dass sie meine Tochter unglücklich machen, werde ich Sie dafür zur Verantwortung ziehen, klar?"

"Hm?" Insbesondere Kimie wusste zuerst nicht so ganz, was sie von dieser Äußerung halten sollte, als ihre Mutter auch schon weiter sprach: "Kimie ist das einzige Kind von meinem Mann und mir. Wir wollen nur das Beste für sie und ihr Wohl geht und über alles. Lassen Sie es sich also nicht auch nur im Traum einfallen, sie schlecht zu behandeln!" Akie pausierte einen Augenblick und atmete einmal tief durch, ehe sie mit nunmehr ruhigerer Stimme fortfuhr: "Aber ich habe ja andererseits schon sehen dürfen, dass Sie sie gut beschützen können und nach einer eingehenden Unterhaltung mit meinem Mann bin ich zu der Ansicht gekommen, dass es wohl in Ordnung ist. Ich vertraue Ihnen daher meine Tochter an."

"Bitte?!" Kimie fiel fast aus allen Wolken, nachdem sie das gehört hatte, und besonders Kagome schien mitunter am meisten überrascht gewesen zu sein. Hatte Akie das wirklich ernst gemeint oder war das nur ein ziemlich übler Scherz von ihr gewesen? Ganz anders war da Sesshoumarus Reaktion gewesen. Er hatte der Frau nur kommentarlos zugehört und gab selbst jetzt nur den Satz "Dann dürfte das damit geklärt sein." von sich, ehe er allen anderen den Rücken zukehrte und auch schon als Erster das Haus verließ, um in die Richtung des Schreins zu gehen, in welchem sich der Knochenfresserbrunnen befand.

"Mama, was...?" Kimie war noch immer völlig überrascht gewesen und ihr total perplexer Gesichtsausdruck brachte ihre Mutter nun doch leicht zum schmunzeln.

"Na ja, irgendwann muss man halt loslassen können, nicht wahr? Sieht so aus, als wäre es bei dir nun soweit", meinte sie an ihre Tochter gewandt. "Pass aber bitte gut auf dich auf, mein Kind, und sei vorsichtig."

Jetzt waren auch Kimies letzte Zweifel beseitigt gewesen, besonders als sie noch sah, wie ihr Vater ihr mit einem Lächeln zunickte. Überglücklich fiel sie ihrer Mutter um den Hals. "Ja, das werde ich bestimmt sein. Ich danke dir, Mama!"

"Schon gut. Aber für den Fall, dass wir nicht mehr hier sein sollten, wenn du wieder zurückkommst, ruf deinen Vater und mich bitte mal an, damit wir wissen, dass alles in Ordnung ist, ja?", bat Akie ihre Tochter noch, die einverstanden nickte.

"Sicher! Das mache ich garantiert."

Sich das Ganze so ansehend, erschien nun ein zufriedenes Lächeln auf Kimatas Gesicht, allerdings gab es eine Sache, die auch ihn zugegebenermaßen schon eine Weile beschäftigt hatte. Von daher fragte er seine Tochter nun: "Aber sag mal, Kimie, eine Sache wollte ich dich schon die ganze Zeit noch fragen, allerdings hat sich dafür bisher nicht so wirklich eine Gelegenheit ergeben. Was ist eigentlich mit deinen Haaren passiert? Die waren doch ursprünglich mal viel länger."

"Was?! Meine Haare?" Sofort hatte Kimies Gesicht wieder diesen erschrockenen Ausdruck angenommen. Als nun auch noch ihre Mutter auf dieses Thema zu sprechen kam, kam Kimie erneut ein wenig ins Schwitzen. Kagome und Inu Yasha blickten auch nicht gerade begeistert von dieser Frage drein, doch winkte Kimie schließlich mit einem Lächeln ab und meinte: "Ach, ich war nur letztens beim Friseur, das ist alles. Hehe..."

>Sorry, Mama, aber diesmal musste ich noch einmal flunkern...<, schob sie gedanklich noch hinterher. Da ihre Mutter ihr gerade mal ihren Segen mit auf den Weg gegeben hatte, wollte sich Kimie diesen nicht schon wieder verscherzen, indem sie ihr einfach mal auftischte, dass ihr eigentlich unfreiwilliger neuer Haarschnitt ebenfalls von einem ihrer Mittelalter-Abenteuer stammte. Und tatsächlich schienen ihre Eltern ihrer Tochter deren kleine Notlüge auch wirklich abzukaufen. Somit war endlich alles geregelt gewesen und die kleine Gruppe konnte sich nun wieder auf den Weg machen. Die Familie begleitete sie noch in den Schrein, in welchem Sesshoumaru bereits seit einiger Zeit abwartend neben dem Brunnen gestanden hatte. Kimie entschuldigte sich bei ihm noch hastig aber mehr wie nebenbei für die Wartezeit, ehe sie sich noch einmal von ihren Eltern und dem Rest der Familie verabschiedete, ebenso wie Kagome, bevor sie zusammen mit Inu Yasha und Sesshoumaru nacheinander in den Brunnen sprangen und verschwanden. Kimata schaute anschließend sogar noch in den Schacht des Brunnens hinein, doch unten auf dem Boden war keine Seele zu sehen gewesen.

"Sie sind wirklich weg", bemerkte er erstaunt. "Das so ein alter Brunnen so ein Geheimnis bergen kann, ist wirklich faszinierend."

"Hach! Ich hoffe nur, unsere Tochter übertreibt es nicht. Irgendwie ist das alles für mich noch kaum zu glauben...", meinte Akie mit einem leichten Seufzen, obwohl es ihr nun doch etwas besser zu gehen schien.

Ihre Schwester legte ihr lächelnd eine Hand auf die Schulter. "Mach dir keine Sorgen. Es wird sicher alles gut gehen", meinte sie und fragte anschließend die versammelte Mannschaft: "Nun, wie sieht's aus? Gehen wir zurück ins Haus? Ich mache uns allen einen Tee."

"Sehr schön! Das ist eine gute Idee", stimmte der Großvater dem Vorschlag zu und gemeinsam verließ die Familie nun den Schrein, wobei Kimata als Letzter die Tür hinter sich schloss.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Ein ungewöhnlich starker Wind wehte an diesem Tag im nördlichen Gebirge. Gedankenversunken stand Kagura von einem der zahlreichen Felsvorsprünge, während sich hinter ihr das Schloss der Ryû-Youkai in den Himmel erstreckte. Hin und wieder spürte sie durch zusätzlich stark aufkommende Winde, wie regelmäßig eines dieser drachenähnlichen Geschöpfe hoch über ihren Kopf hinweg flog. Doch an deren Gegenwart hatte sich die Dämonin bereits gewöhnt. Es ist schon eine Weile her, dass Naraku Zuflucht bei Akuma und dessen Clan gesucht und dem Anführer der Ryû-Youkai den Vorschlag einer Zweckgemeinschaft unterbreitet hat. Kagura selbst war das alles so ziemlich egal gewesen, sie beschäftigte nach wie vor nur die Frage, wie sie endlich von Naraku loskommen konnte.

"Na? Hängen wir unseren Gedanken nach, meine Hübsche?", hörte Kagura plötzlich eine männliche Stimmer hinter ihrem Rücken fragen. Als sie sich umdrehte und nach oben sah, entdeckte sie auf einem etwas höher gelegenen Felsen den Ryû-Youkai Toba, der sie genauestens beäugte. "Ich hoffe doch, ich habe Euch nicht erschreckt. Euer Name ist Kagura, nicht wahr?", fragte er mit einem geheimnisvollen Lächeln, doch Kagura hatte den Blick gleich wieder von ihm abgewandt, ohne ihm irgendeine Antwort zu gegeben zu haben. Toba schien das jedoch recht locker zu nehmen. "Ihr zeigt mir die kalte Schulter... Was soll's? Das soll mir recht sein. Ich mag Frauen, die sich nicht so leicht durchschauen lassen." Mit diesen Worten sprang er von seinem momentanen Standort und schwebte mit der Hilfe seiner Schwingen zu Kagura hinunter.

Kaum war er neben ihr gelandet, fragte sie ihn patzig: "Was willst du? Hast du etwa nichts besseres zu tun, als mich zu belästigen?"

"Belästigen... Das ist ja so ein hässliches Wort", meinte Toba gespielt betroffen, hatte aber gleich wieder seinen schmeichelnden Ton drauf: "Ich wollte mich lediglich ein wenig mit Euch unterhalten. Ihr seid nämlich sehr hübsch. So was findet man nicht allzu häufig."

Doch Kagura wirkte wenig angetan von diesen Worten, geschweige denn überzeugt. "Red' keinen Unsinn! Und deine Schmeicheleien ziehen bei mir nicht, damit das klar ist!"

Jetzt zog Toba doch etwas skeptisch eine Augenbraue hoch. Dass ihm eine Frau so dermaßen abwies hatte er bisher noch nicht erlebt. "Hui! Ihr seid wirklich eine von der etwas schwierigen Sorte", meinte er, doch gleichzeitig schien in der Tat genau darin der gewisse Reiz für ihn zu liegen. Für einen eventuellen erneuten Anlauf bei Kagura blieb Toba allerdings nicht mehr die entsprechende Gelegenheit, denn eine weitere Person gesellte sich nun zu den beiden.

"Na, Toba? Kein Glück heute? Hast du inzwischen verlernt, wie man eine Frau rumkriegt? Dein Charme scheint etwas von seiner ehemaligen Wirkung verloren zu haben", meinte Rokou mit einem amüsierten Grinsen, als er mit einem Mal kopfüber in der Luft schwebend direkt vor den beiden aufgetaucht war.

Während Kagura bei Rokous Auftauchen doch schon wieder den Blick abgewendet hatte, hatte Toba für seinen Bruder nur ein müdes Seufzen übrig. "Rokou... Deine Witze waren auch schon mal besser. Wann bist du eigentlich wieder zurückgekommen? Ich sehe dich jetzt zum ersten Mal."

"Ich bin auch praktisch erst seit eben wieder hier", antwortete Rokou, ehe er sich so in der Luft zurechtdrehte, dass er nicht länger kopfüber vor Kagura und Toba herumschwebte. "Ich habe aber bereits mit Akuma-sama gesprochen und eigentlich wollte ich dir auch nur Bescheid sagen, dass er soeben erfahren hat, dass Sesshoumaru und sein kleines Gefolge inzwischen ebenfalls wieder hier sind. Sie sind gerade auf den Rückweg in die westlichen Länder. Du weißt, was das heißt."

In der Tat wusste Toba gleich ganz genau, was Sache war. "Das heißt, wir brechen jetzt wohl auch auf." Ehe er sich jedoch zusammen mit Rokou auf den Weg machte, wandte er sich noch mal an Kagura: "Ihr habt es gehört. Ich muss Euch jetzt leider wieder verlassen. Ich hoffe doch aber, wir sprechen uns bald mal wieder. Einen schönen Tag noch, Kagura-dono."

Und mit einer leichten, aber durchaus respektvollen Verbeugung verabschiedete sich Toba nun wieder von der Dämonin. Als die beiden Ryû-Youkai dann auch sogleich in Richtung ihres Schlosses davonflogen, folgte Kagura ihnen noch einen Moment mit ihrem Blick. Ihr war schon seit ihres ersten Tages hier nicht entgangen, dass Toba sie häufig beobachtet hatte, doch hatte er sie heute zum ersten Mal direkt angesprochen. Und obwohl es ihr nicht so recht zusagte, musste Kagura sich eingestehen, dass der Ryû-Youkai eine durchaus ansehnliche Erscheinung gewesen war. Doch eigentlich interessierte sie sich für so was eher weniger. Ihr ging es im Moment nur darum, wie sie sich endlich von Naraku lossagen konnte. Zu lange schon hatte er über ihr Leben gebietet. Damit sollte endlich Schluss sein!
 

"Sag mal, Toba, was bezweckst du eigentlich mit dieser Kagura?", fragte Rokou seinen Bruder, kaum dass die beiden auf dem Weg zum Schloss gewesen waren.

Toba setzte auf diese Frage hin jedoch nur seine beste Unschuldsmiene auf. "Was genau meinst du damit, Rokou?"

"Ach! Jetzt tu doch nicht so!" Rokou machte eine kleine Zwischenlandung auf einem Felsen. Kaum, dass Toba es ihm gleichgetan hatte, sprach der Jüngere schon weiter: "Hast du dich jetzt endlich mal festgelegt oder ist das auch nur wieder so eine 'abenteuerliche Nummer' oder wie auch immer du das gerne mal bezeichnest?"

Im ersten Moment hatte Toba nur etwas verblüfft eine Augenbraue hochgezogen, doch setzte er kurz darauf einen schon regelrecht verführerischen Blick auf. "Na so was! Höre ich da etwa Unterton von Eifersucht, Bruderherz?", fragte er und legte Rokou einen Arm um die Schulter, während er mit der anderen Hand leicht das Kinn des Jüngeren anhob und dessen Gesicht zu sich drehte. Rokou starrte seinen Bruder zuerst nur völlig entgeistert an und wirkte wie erstarrt. Doch als die Nasenspitzen der beiden gerade mal nur noch gut drei Zentimeter voneinander entfernt waren, sprang der Rothaarige mit einem Satz nach hinten.

"Hey, grabsch mich gefälligst nicht an! Nimm ja deine Griffel von mir weg!", schimpfte er durchaus peinlich berührt, wie die leichte Röte in seinem Gesicht es eindeutig belegte. "Und lass gefälligst diese blöden Witze! Du weißt genau, was ich gemeint habe!"

Noch immer lief Rokou ein kalter Schauer über den Rücken. Zwar war ihm durchaus bekannt gewesen, dass Toba gelegentlich zu solchen Späßen neigte, aber wirklich daran gewöhnt hatte er sich noch immer nicht und das würde er wohl auch nie. Toba hingegen nahm die ganze Sache durchaus humorvoll. "Meine Güte, jetzt komm mal wieder runter!", lachte er amüsiert von der Reaktion seines Bruders, der ihm jedoch nur einen finsteren Blick zuwarf.

"Wage es ja nicht, eine solche Nummer in der Gegenwart der anderen abzuziehen", mahnte er Toba. "Ich bin nämlich nicht unbedingt wild auf dummes Gequatsche."

"Such dir eine Freundin, dann hast du dieses Problem nicht", schlug der Ältere scherzhaft vor, obwohl er genau wusste, dass Rokou bisher keinerlei Interesse an Frauen gezeigt hatte und dass sich das zumindest in naher Zukunft wohl auch nicht ändern würde. Dementsprechend hatte Rokou für die Aussage seines Bruder auch nur ein genervtes "Pah!" übrig, ehe er schließlich als erster wieder den Weg zum Schloss fortsetzte. Kaum, dass Rokou weitergeflogen war, folgte ihm Toba sogleich, noch immer mit diesem amüsierten Gesichtsausdruck. Einen Moment lang schwiegen beide, dann fragte Toba seinen Bruder jedoch: "Sag mal, kurz zu etwas anderem: Gehe ich recht in der Annahme, dass Akuma-sama von diesem Naraku weiß, dass Sesshoumaru wieder hier ist?"

"Ja, in der Tat", antwortete Rokou, wirkte dabei jedoch auch irgendwie nachdenklich. "Aber komisch finde ich das schon irgendwie. Woher weiß dieser Naraku eigentlich immer so genau Bescheid, was los ist?"

"Nun, soweit ich das mitbekommen habe, fungieren diese Giftinsekten, die gelegentlich bei ihm rumschwirren, ähnlich wie Augen. Was sie sehen, wird auch in dem Spiegel von dieser Kanna gezeigt. Zumindest habe ich mal mitbekommen, wie sich Takeshi-sama und Renhou darüber unterhalten haben."

Auf diese Antwort hin hatte Rokou durchaus überrascht dreingeschaut, doch schien er gleichzeitig auch ein wenig skeptisch zu sein. "Ein merkwürdiger Typ, dieser Naraku... Ich kann mir nicht helfen, aber er ist mir nicht ganz geheuer."

"Hm..." Toba verstand, was Rokou damit gemeint hatte. Er selbst wurde aus Naraku auch nicht so wirklich schlau. Ständig legte er dieses selbstsichere Auftreten an den Tag und sprach immerzu mit einer derart ungewöhnlichen Ruhe und Selbstbeherrschung, dass es schon beinahe unheimlich war. Aber er besaß die meisten Stücke des Shikon no Tama und diese hatten unter anderem wohl auch für so ziemlich jeden Youkai ihren spürbaren Reiz. Kein Wunder also, dass Akuma auf den Handel, den Naraku ihm angeboten hatte, eingegangen war. Fragte sich nur, wohin die ganze Sache letztendlich führen würde?

Letztendlich erreichten Toba und Rokou das Schloss, und als sie über den Hof flogen, entdeckten sie dort auch schon fünf der drachenähnlichen Dämonen leicht dösend nebeneinander auf dem Boden liegen und noch einen weiteren der fünf Hüter. Die Dämonendrachen hoben gleich ihre Köpfe, als sie bemerkten, wie Toba und Rokou nun zur Landung ansetzten. Auch der dritte Hüter drehte sich sogleich entsprechend zu den beiden um.

"Na, endlich trudelt ihr zwei auch mal hier ein. Was hat euch denn aufgehalten?", fragte er sie äußerst kühl und mit vor der Brust verschränkten Armen.

Mit dem Daumen der rechten Hand deutete Rokou hinter sich auf seinen Bruder und antwortete auf die Frage seines Kameraden: "Seine Frauengeschichten. Was sonst? Er hat versucht, diese Kagura anzubaggern."

In diesem Moment legte Toba von hinten seine Arme um Rokou und meinte grinsend: "Aber meinen Bruder mag ich immer noch am liebsten!"

"Hey! Ich sagte dir doch, dass du das lassen sollst!", schimpfte Rokou sofort äußerst aufgebracht und drückte den Älteren wieder von sich weg. Während Toba dies jedoch äußerst humorvoll nahm, ließ der dritte Ryû-Youkai nur ein missmutiges Knurren verlauten, während er sich von seinen Kameraden abwandte. "Meine Güte... Ihr zwei seid wirklich unmöglich. Macht gefälligst woanders rum, aber nicht vor meinen Augen!"

"Wer macht denn hier rum? Halt du lieber mal den Rand, Jin!", konterte Rokou auf der Stelle. "Außerdem hast du uns überhaupt nichts zu sagen, schließlich bist ja nicht du die Nummer Eins unter den Hütern und schon gar nicht unser Clan-Oberhaupt."

Sofort war Jins Blick wieder auf Rokou gerichtet. "Sprich nur weiter, dann werden wir gleich nur noch vier anstatt fünf Hüter sein", mahnte er den Jüngeren, der sich jedoch nicht gerade einschüchtern ließ.

"Keh! Du kannst doch nur Sprüche klopfen, deswegen hast du auch gegen Ren verloren, als es darum ging, wer die fünf Hüter anführen soll."

Kaum, dass dieser Satz gefallen war, blitzten Jins Augen bedrohlich auf. "Dann wollen wir doch mal sehen, ob du mich auch besiegen kannst, Rokou", meinte er äußerst herausfordernd und Rokou selbst schien einer kleinen Rauferei auch nicht gerade abgeneigt gewesen zu sein. Allerdings wurde den beiden schnell ein Strich durch die Rechnung gemacht.

"Jin! Rokou! Hört auf damit!", ertönte plötzlich die ernste Stimme von Renhou, der nun zu der Gruppe hinzu stieß. "Beruhigt euch wieder und vergeudet eure Kräfte nicht mit sinnlosen Kämpfen. Im Moment haben wir zudem noch einen Auftrag zu erfüllen."

"Das wissen wir selbst!", knurrte Jin ihm entgegen. "Erzähl' uns keine Dinge, die uns ohnehin schon bekannt sind."

"Dann benehmt euch auch entsprechend, damit ich nicht das Gegenteil denken muss", entgegnete Renhou ruhig, aber bestimmt.

Die Blicke von Toba und Rokou wechselten in diesem Moment ein paar Mal von Renhou zu Jin und wieder zurück. In der Luft lag eine derartige Spannung, dass man es kaum wagte, sich irgendwie zu bewegen. Die beiden hatten untereinander schon immer ein derartiges Konkurrenzverhalten an den Tag gelegt, doch es schien sich noch mehr zugespitzt zu haben, seit die Hüter ihre Kräfte erhalten hatten und Renhou nach einem Kampf gegen Jin als deren Anführer hervorgegangen war. Daran hatte Jin noch immer zu knabbern. Er war stets ein schlechter Verlierer gewesen und hatte in einer Niederlage immer eine große Erniedrigung gesehen. Es lag klar auf der Hand, dass er Renhou bei Gelegenheit irgendwann zu einem Revanche-Kampf herausfordern wollte und auch Renhou selbst schien das schon längst mit einkalkuliert zu haben. Dennoch zeigte er Jin gegenüber stets ein ruhiges, dabei aber immer selbstbewusstes Auftreten. Und egal, wie sehr Jin seinen Konkurrenten auch manchmal zu provozieren versuchen schien, so ließ sich Renhou bisher noch nie darauf ein und blieb beherrscht.

"Wie sieht's aus, Renhou? Brechen wir jetzt gleich auf?", fragte Toba schließlich, auch um die angespannte Atmosphäre wieder etwas aufzulockern.

"Noch nicht", antwortete ihm sein Kamerad. "Akuma-sama möchte uns noch einige letzte Anweisungen erteilen. Außerdem müssen wir noch auf Takeshi-sama warten."

Also wartete die kleine Gruppe noch einen Augenblick. Es dauerte auch nicht lange bis Akuma zusammen mit Takeshi zu ihnen kam. Bei den Hütern angekommen, schaute sich Akuma kurz um. "Gut, dass ihr bereits hier versammelt seid. Ihr werdet mitbekommen haben, dass Sesshoumaru inzwischen wieder auf dem Rückweg in die westlichen Länder ist. Es bleibt alles wie besprochen." Dann wandte er sich Renhou zu. "Renhou, du hast die Verantwortung für diese Aktion. Es wird niemand verschont, verstanden?"

"Ja, Akuma-sama", antwortete Renhou und neigte leicht den Kopf wie zur Verbeugung nach vorne, wobei man im Hintergrund noch ein leises missmutiges Knurren von Jin vernehmen konnte.

Ungeachtet dessen sah sich Takeshi nun einmal um und bemerkte, dass nur vier Hüter versammelt waren. Es fehlte der Fünfte.

"Akuma? Was ist mit Yu?", fragte Takeshi seinen Bruder daher, der ihm antwortete: "Er wird hier bleiben und mich auf dem Laufenden halten." Mit diesen Worten machte Akuma kehrt, sprach im Weggehen seine Leute aber noch mal an: "Macht euch jetzt auf den Weg. Und Takeshi? Ich verlass' mich insbesondere auf dich."

Takeshi antwortete nur mit einem stummen Nicken. Er folgte Akuma noch einen Moment lang mit seinem Blick, der einen Hauch von Unsicherheit und Skepsis barg. Dennoch zögerte er nicht mehr länger und stieg auf den Rücken von einen der fünf Flugdrachen. Renhou und Jin hatten dies bereits zuvor getan und mit kräftigen Schlägen ihrer gewaltigen Schwingen erhoben sich die ersten drei der dämonischen Drachen in die Lüfte, nachdem sie sich mit ihren starken Hinterbeinen vom Boden abgestoßen hatten. Toba und Rokou wollten sich sogleich daran machen, ihren Kameraden zu folgen, doch urplötzlich hielt Toba seinen Bruder zurück, bevor dieser überhaupt den Rücken seines Flugdrachens hatte besteigen können: "Hey, Rokou!"

"Ja? Was ist?"

"Bist du dir sicher, dass du mitkommen solltest? Schließlich warst du ein paar Tage fort und bist eben erst zurückgekommen. Solltest du dich nicht zunächst etwas ausruhen?"

"Hm?" Rokou hatte zunächst reichlich überrascht eine Augenbraue hochgezogen, doch winkte er sogleich mit einer lockeren Handbewegung ab: "Hey, jetzt mach dir mal keinen Kopf, Toba! Das war doch gerade mal so was wie ein kleiner Spaziergang. Außerdem..." Er sprang mit einem Satz auf den Rücken seines Flugdrachens. "...muss ich diesmal ja nicht selbst fliegen. Und für das, was wir vorhaben, braucht sich wohl keiner von uns sonderlich anzustrengen."

Toba ließ sich das, was der Jüngere gesagt hatte noch mal kurz durch den Kopf gehen. "Hm! Auch wieder wahr", meinte er schließlich und beließ es dabei. Rokou jedoch war im Nachhinein nicht sonderlich überrascht gewesen, dass Toba ihn solche Fragen gestellt hatte. Denn obwohl die beiden Zwillingsbrüder waren, hatte sich Toba schon immer in einem gewissen Sinne für Rokou verantwortlich gefühlt, weil dieser später geboren war. Rokou empfand dies zwar des Öfteren eigentlich als recht albern, aber es störte ihn nicht. Er hatte schon immer eine sehr gute Bindung zu seinem Bruder gehabt. Streit hat es zwischen den beiden praktisch noch nie so wirklich gegeben, sah man von der einen oder anderen kleineren Meinungsverschiedenheit oder Kabbelei ab. Und zweifellos würde einer für den anderen auch notfalls ohne zu zögern mit dem Leben einstehen.

Nachdem auch Toba letztendlich auf den Rücken seines Flugdrachens gestiegen war, folgten er und Rokou ihren Kameraden.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Kirara und Ah-Un flogen in einem zügigen, dabei aber durchaus angenehmen Tempo über die Landschaft, die unter ihnen vorbeizog und gekennzeichnet war von Wäldern, Wiesen und Flüssen, hinweg. Doch nachdem sie schon gut fünf Stunden unterwegs gewesen waren, ohne zwischendurch eine Pause eingelegt zu haben, machte sich zumindest bei Kagome und Kimie so langsam spürbare Müdigkeit breit, zumal sie die Nacht zuvor auch gar nicht geschlafen hatten. Dies war jedoch nicht der einzige Grund dafür gewesen, weshalb Kimie nun auch noch ein leichtes Seufzen entwich, dass Inu Yasha sofort aufhorchen ließ.

"Was soll das Geseufze, Kimie?", fragte er sie. "Sei doch lieber froh. Immerhin scheinst du ja mit deiner Mutter alles geregelt zu haben und sie hat dich sogar ohne großes Theater wieder hierher zurückkommen lassen."

Kimie warf dem Hanyou einen ermüdeten Blick zu. "Ja, schon. Aber trotzdem... Diese zwei Tage waren einfach nur anstrengend! Da prügel‘ ich mich doch lieber mit einem Haufen Dämonen herum, als dass ich so was noch mal mitmachen würde."

"Das dürfte sich wohl einrichten lassen, wenn wir erstmal wieder im Schloss sind.", meinte Inu Yasha scherzhaft, lag damit aber sowohl im eigenen Wissen, als auch im Wissen der anderen durchaus richtig. Lange würde es sicherlich nicht mehr dauern, bis es erneut zum Kampf kommen würde und diese Aussicht schien Kimie nun noch mehr hinunterzuziehen. Wenngleich sie sich nun stets mit dem Einverständnis ihrer Eltern hier im Mittelalter aufhalten konnte, so wünschte sie sich eher ein wenig Ruhe und Frieden. Da ging es ihr wohl ähnlich wie Kagome, die dem Krieg und dem Kampf auch nicht sonderlich viel abgewinnen konnte. Kimie wurde jedoch abrupt wieder aus ihren Gedanken herausgerissen, als Sesshoumaru plötzlich Ah-Un zügelte, so dass der Drache in der Luft verharrte. Fragend blickte Kimie Sesshoumaru über die Schulter. "Was ist los?"

Sesshoumaru wandte seinen Blick nach links. "Der Geruch von Menschenblut. Es ist hier ganz in der Nähe."

Erschrocken hatte Kimie sofort aufgehorcht und auch Kagome wurde hellhörig, als Inu Yasha nun die Aussage seines Halbbruder bestätigte: "Stimmt, ich rieche es auch. Und das stammt nicht nur von ein paar wenigen Menschen."

Ohne zu zögern ließ der Hanyou Kirara nun in die Richtung fliegen, aus der der Geruch des Blutes kam. Ah-Un folgte der Dämonenkatze und gerade mal nach zwei Minuten Flug entdeckte Kagome etwas in einiger Entfernung. "Seht mal dort! Da hinten ist ein Dorf. Aber... es ist vollkommen zerstört!"

"Das sehen wir uns mal etwas genauer an", meinte Inu Yasha und ließ Kirara zum Landeanflug ansetzen. Sie und Ah-Un landeten mitten in dem Dorf, aber kaum, dass alle von den Rücken ihrer Reittiere gestiegen waren, verharrten sie wieder in ihren Bewegungen. Der Anblick, der sich der kleinen Gruppe bot, war furchtbar. Wo man auch hinsah, überall lagen tote Menschen und Tiere herum, blutüberströmt und manchmal sogar regelrecht zerrissen. Zudem gab es kein Gebäude mehr, dass heil gewesen war. Das ganze Dorf war regelrecht ausgelöscht worden. Besonders für Kagome und Kimie war dieses Szenario nur schwer zu ertragen.

"Das ist ja schrecklich! Wer hat das nur getan?", fragte sich Kagome entsetzt. Zwar hatte sie schon so manches Schlachtfeld und tote Menschen gesehen, seit sie mit Inu Yasha und den anderen im Mittelalter umhereiste, dennoch konnte sie sich an solche Anblicke nicht wirklich gewöhnen. Kimie traute sich hingegen nicht mal wirklich, sich ein wenig umzusehen. Nur mit viel Überwindung riskierte sie mal den einen oder anderen flüchtigen Blick. Zusätzlich zu dem schauerlichen Anblick kam noch der Geruch von Rauch und Verbranntem. Hier und da loderten noch vereinzelt kleine Feuer und sogar Kagome und Kimie konnten in der Luft den Geruch von verbranntem Fleisch wahrnehmen. In diesem Dorf musste wirklich etwas Grauenvolles passiert sein.

"Sie sind alle regelrecht niedergemetzelt worden. Von denen lebt keiner mehr", bemerkte Inu Yasha ernst, nachdem er sich ein wenig umgesehen hatte. "Wir können hier nichts mehr tun. Das Beste wird sein, wir reisen schnell weiter."

"Aber wir können die Leute doch nicht einfach so hier liegen lassen!", entgegnete Kagome sofort und wirkte sehr betroffen. "Sollten wir sie nicht zumindest begraben?"

Inu Yasha schwieg. Es wäre schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass er sich darum gekümmert hätte, Leute zu beerdigen, aber sogar er schien diesen Ort lieber möglichst schnell wieder verlassen zu wollen. Andererseits hatte Kagome mit ihrem Einwand irgendwie Recht gehabt. Die Toten hatten ein Recht darauf, angemessen begraben zu werden und nicht so unangetastet den herumfliegenden Krähen praktisch auf einem Silbertablett serviert zu werden.

"In Ordnung", meinte der Hanyou schließlich. "Dann begraben wir die Leute eben noch, bevor wir weiterziehen."

"Danke, Inu Yasha", sagte Kagome mit einem dankbaren Lächeln. Kimie hingegen warf nun einen Blick auf Sesshoumaru. Wenn Inu Yasha und Kagome sich um die Toten kümmern wollten, wollte sie ihnen selbstverständlich dabei helfen. Aber wie stand Sesshoumaru dem gegenüber?

"Und was ist mit dir?", fragte sie ihn daher nach einem Moment. "Machst du mit oder ziehst du es vor, schon mal vorzugehen?"

Sesshoumaru antwortete nicht sofort auf die Frage. Stattdessen drehte er sich zunächst nur um und ging einige Schritte, ehe er zu sprechen begann: "Wenn ihr unbedingt hier bleiben wollt, dann tut das. Ich halte mich da raus, aber haltet euch nicht zu lange hier auf." Damit entfernte er sich etwas von den anderen und ließ sich schließlich etwas abseits der zahlreichen Opfer auf einem Felsen nieder.

"Hm! Du könntest ruhig etwas mehr Mitgefühl zeigen...", meinte Kimie trocken, murmelte es aber mehr in sich hinein, als dass sie es direkt zu Sesshoumaru gesagt hatte.

"Na gut. Dann fangen wir mal an", meinte Inu Yasha hingegen schließlich ungeachtet von Sesshoumarus Bemerkung und schlug vor, die Toten erstmal entsprechend zu sammeln, damit anschließend über das Anliegen der Gräber nachgedacht werden konnte. Damit Kagome und Kimie sich damit eventuell nicht zu sehr abplagen mussten, wollte er sich um diejenigen kümmern, die besonders übel zugerichtet waren. Also durchkämmten Inu Yasha, Kagome und Kimie nun das Dorf, wobei Kirara und Ah-Un den beiden Mädchen halfen und die Toten zum Sammelpunkt tragen würden.

"Schrecklich! Wer auch immer hierfür verantwortlich ist, er hat vor niemandem Halt gemacht", bemerkte Kagome betroffen, als sie und Kimie gerade einige Tote zum Sammelpunkt gebracht hatten und sie nun in mehreren Reihen auf den Boden legten.

"Das ist merkwürdig", murmelte Inu Yasha plötzlich nachdenklich in sich hinein.

Kagome, die in diesem Moment praktisch neben ihm gestanden hatte, horchte auf. "Was meinst du damit, Inu Yasha?"

"Ich rede von den Toten", antwortete der Hanyou ernst. "Es ist eigenartig, aber es erscheint mir nicht so, als wäre dieses Dorf gezielt angegriffen worden. Es wirkt mehr so, als wären die Menschen hier einfach so aus einer Laune heraus getötet worden."

Erschrocken über diese Vermutung ließ Kagome langsam ihren Blick über die Toten schweifen. "Wie grausam! So was kann man doch nicht tun..."

Kagome konnte nicht begreifen, wie jemand nur aus einer Laune heraus einfach so Menschen töten konnte und das wollte sie auch gar nicht. Inu Yasha konnte das Empfinden des Mädchen zwar verstehen, äußerte sich aber nicht weiter dazu. Was hätte er auch schon sagen sollen? Das so was nun mal passierte und man nichts daran ändern konnte? So was wollte Kagome im Moment sicherlich nicht gerade hören, also ließ er es bleiben, auch um sie nicht unnötig aufzuregen.
 

Letztendlich waren alle Toten gefunden worden und nun mussten noch die Gräber entsprechend ausgehoben werden. Normalerweise hatten das Inu Yasha und Miroku das stets gemacht, aber Miroku war diesmal ja nicht da gewesen und Inu Yasha allein konnte die ganze Arbeit auch wieder nicht machen. Glücklicherweise gab es ja noch Kirara und diese hatte keinerlei Probleme damit, mit ihren Pranken schnell und zuverlässig entsprechende Löcher zu graben. Kagome schaffte unterdessen mit Ah-Uns Hilfe die überschüssige Erde fort, während Kimie schon mal damit begonnen hatte, die Toten in dünne Matten aus Stroh, die eigentlich als Schlafunterlagen gedient hatten, und größere Stofflaken einzuwickeln. Besonders schwer fiel ihr das beim Anblick der Kinder, die hier ihr Leben gelassen hatten. Als sie soeben einen toten Jungen in eine der Strohmatten gewickelt hatte, zitterten ihre Hände jedoch mit einem Mal so sehr, dass sie diese nicht mehr zubinden konnte.

Unwillkürlich kniff Kimie dabei die Augen zu. Sie öffnete sie erst dann wieder, als sie die Hand von jemanden auf ihren spürte und wandte sich entsprechend um. "Sesshoumaru..."

Wortlos nahm Sesshoumaru dem Mädchen das Band, mit welchem sie die Strohmatte zubinden wollte, aus den Händen.

"Hilf den anderen", sagte er schließlich mit ruhiger Stimme. Kimie war im ersten Moment zwar etwas überrascht und auch überrumpelt gewesen, doch nickte sie schließlich einverstanden und stand vom Boden auf, um zu Inu Yasha und Kagome zu gehen.

"Danke", sagte sie noch leise im Weggehen und trotz allem mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Doch wurde ihr Blick sogleich wieder betrübter, als sie im Vorbeigehen an den ganzen Toten auf diese hinunterschaute. Sie hätte sich zwar wegdrehen können, doch irgendwie wollte ihr das nicht gelingen. Aber anscheinend war dies im Endeffekt wohl ganz gut gewesen, denn plötzlich entdeckte Kimie etwas, was sie zunächst zwar mächtig erschreckt hatte, doch dann rief sie den anderen laut zu: "Hey, Leute! Kommt mal ganz schnell her! Hier lebt doch noch jemand!"

Inu Yasha, Kagome und auch Sesshoumaru hatten sofort aufgehorcht. Keiner von ihnen konnte glauben, dass es unter den ganzen Toten wirklich noch einen Überlebenden gab. Doch als sie sogleich zu Kimie hinzu gestoßen waren, erkannten sie, dass es tatsächlich stimmte. In der allgemeinen Überzeugung, dass keiner überlebt hatte, musste dieser eine noch lebende Mensch schlichtweg übersehen worden sein, so banal das auch geklungen haben mochte. Kimie hatte ihn auch nur bemerkt, weil er sich einmal leicht bewegt und dabei einen leisen seufzenden Laut von sich gegeben hatte. Bei dem Überlebenden handelte es sich um einen Jungen, wie alle sofort unschwer erkannten. Kagome kniete sich neben ihre Cousine zu ihm auf den Boden und hob vorsichtig seinen Oberkörper etwas an. Auffällig war gewesen, dass der Junge allgemein recht dunkle Kleidung trug, wobei sich der rote Kragen seines Oberteils sich dabei stark abhob. Zudem trug er ein blaues Stirnband und passend dazu trug er ein gleichfarbiges Stoffband wie einen Gürtel um die Hüften, der an der rechten Seite mit einem Knoten zusammengebunden war. Bewaffnet war er jedoch nicht. Zumindest war auf den ersten Blick nichts dergleichen zu erkenne gewesen. Seine Kleidung war stellenweise zerrissen, allerdings hatte er keine schwerwiegenden Verletzungen, sondern lediglich ein paar Prellungen und Kratzer.

"Er hat eine ungewöhnliche Haarfarbe... Wie alt mag er wohl sein? Vielleicht 15?", fragte sich Kagome, während sie dem Jungen einige Strähnen seiner rotbraunen Haare aus dem Gesicht strich. Denn älter sah er wirklich nicht aus.

Doch die Tatsache, dass sie ihn gerade im Arm hielt, schien Inu Yasha nicht sonderlich zuzusagen. "Hey, Kagome! Sag mal, was soll eigentlich diese Vertrautheit mit diesem Typen?", fragte er das Mädchen sofort, das aufgebracht entgegnete: "Jetzt fang bloß nicht so an, Inu Yasha! Der arme Kerl braucht schließlich Hilfe."

"Woher wollt ihr denn wissen, ob ihr ihm vertrauen könnt?", warf Sesshoumaru plötzlich mit kühler Stimme ein. "Wer garantiert euch denn, dass er kein Feind ist?"

"Dann schau ihn dir doch einfach mal an, Sesshoumaru!", meinte Kimie nunmehr. "Sieht so für dich ein gefährlicher Typ aus? Er ist ja nicht mal in irgendeiner Form bewaffnet. Und außerdem ist er doch nur ein Mensch." Und dies schien in der Tat zu stimmen. Zumindest konnten weder Sesshoumaru noch Inu Yasha den Geruch oder die Aura eines Youkai an dem Jungen wahrnehmen. So schien einer Versorgung für ihn letztendlich doch nichts im Wege zu stehen und wenngleich Inu Yasha noch immer etwas missmutig dreinschaute und Sesshoumaru sich des weiteren aus dieser Sache heraushielt, machten sich Kagome und Kimie nun daran, sich um den Jungen zu kümmern.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

In seinem Schloss hatte Akuma längst registriert, dass seine ausgesandten Leute inzwischen auf dem Rückweg zum Schloss waren. Nur waren sie jedoch lediglich zu viert. Einer von ihnen fehlte.

"Und, Yu? Wie sieht es aus?", fragte Akuma den fünften der Hüter, der konzentriert die Augen geschlossen und die Hände so aneinandergelegt hatte, dass beide Zeigefinger sich berührten.

Nach einem kurzen Moment öffnete Yu seine Augen, deren eisblaue Farbe eine schon beinahe hypnotische Wirkung hatte und auch etwas Unheimliches an sich hatte. "Sie haben Takeshi-sama gefunden und kümmern sich jetzt um ihn.", antwortete Yu seinem Herrn mit ruhiger Stimme. Akuma schien sichtlich zufrieden über diese Auskunft zu sein. "Der Köder ist somit ausgelegt. Jetzt liegt es an dir, Takeshi. Erledige deinen Auftrag anständig, mein kleiner Bruder."

"Und du glaubst, er schafft das?", hörte man daraufhin Naraku, der sich zusammen mit Akuma und Yu im selben Raum befand, prüfend fragen.

Doch Akuma ließ sich von der Frage des Halbdämons nicht beirren. "Keine Sorge. Ich kann mich hundertprozentig auf ihn verlassen." Ein selbstsicheres und zugleich hinterlistiges Lächeln erschien auf dem Gesicht des Ryû-Youkai. "Hm! Diese einfältigen Narren haben noch nicht einmal ansatzweise bemerkt, dass Takeshi eigentlich ein Youkai ist. Sein Täuschungszauber ist wirklich eine nützliche Fähigkeit. Obwohl Takeshi ein vollwertiger Youkai ist, kann er problemlos seine dämonischen Merkmale verbergen und jedem anderen Glauben machen, er wäre bloß ein gewöhnlicher Sterblicher. Und auch seine angeblichen Verletzungen und sein angegriffener Zustand... Das alles ist ebenfalls bloß ein Trugbild, nicht weiter als eine Illusion. Eine täuschend echte Illusion. Das ist auch der Grund, weshalb ich Takeshi für diesen Auftrag ausgewählt habe. Sicherlich werden sie ihn mit ins Schloss der Inu-Youkai nehmen. Und wenn er erstmal dort ist..."

Akuma freute sich innerlich schon auf das, was in naher Zukunft kommen würde. Nicht mehr lange und der Kampf zwischen den Ryû-Youkai und den Inu-Youkai würde erneut beginnen. Und diesmal sollte er anders verlaufen und vor allem anders enden, als vor 1000 Jahren.

Der Feind in den eigenen Reihen

"So! Das müsste das letzte Grab gewesen sein."

Endlich war Inu Yasha mit dem begraben der Toten fertig geworden und steckte den Spaten in die Erde. Diese Sache hatte er doch lieber allein zu Ende gebracht, da er Kagome und Kimie so was nicht zumuten wollte und obwohl es zugegebenermaßen ein wenig gedauert hat, war nun alles soweit erledigt gewesen. Aber der Anblick, der sich ihm bot, war wirklich nicht schön gewesen. Wen würde der Blick auf zahlreiche Gräber auch schon erfreuen? Doch ändern konnte Inu Yasha an den Tatsachen und an dem, was geschehen war, immerhin auch wieder nichts. Nachdem er den anderen Bescheid gesagt hatte, dass er fertig gewesen war, verteilte Kagome zusammen mit Kimie zum Schluss noch ein paar zuvor gepflückte Blumen auf den verschiedenen Gräbern.

Nach einer Weile seufzte Kagome traurig auf: "Und schon wieder gab es weitere Opfer in diesen kriegerischen Zeiten... Was wird wohl noch alles passieren und wo soll das alles hinführen?" Dabei dachte sie insbesondere an den bevorstehenden Kampf. Würde es auch hier wieder Opfer geben? Die Wahrscheinlichkeit bestand natürlich und es musste immer damit gerechnet werden, dass eventuell jemand im Kampf schwer verletzt oder gar sterben könnte. Als sie sich das noch mal so durch den Kopf hatte gehen lassen, überkam Kagome plötzlich diese Angst. Die Angst davor, dass vielleicht sogar einer von ihren Freunden in so eine Lage kommen könnte.

"Kagome? Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte Kimie ihre Cousine schließlich vorsichtig und riss die Jüngere somit wieder aus ihren trüben Gedanken.

Kagome mühte sich ein leichtes Lächeln ab und nickte. "Ja, Kimie. Es ist alles okay. Ich habe nur gerade an etwas gedacht, aber es ist schon gut."

"Hm... Na gut, wenn du meinst."

Kagome und Kimie wollten schlussendlich noch ein stilles Gebet sprechen, ehe sie sich wieder von den Gräbern entfernten. Schweigend standen sie nebeneinander, die Augen geschlossen und die Handflächen aneinandergelegt.

"Hoffentlich passiert unseren Freunden nichts", sagte Kagome schließlich mit bedrückter Stimme. Kimie musste zugeben, so was in der Art hatte sie auch schon gedacht. Nichts desto trotz legte sie Kagome beruhigend eine Hand auf die Schulter. "Keine Sorge, Kagome. Solange wir alle aufeinander aufpassen und uns gegenseitig unterstützen, geht sicher alles gut." Zumindest hoffte Kimie das und ihre Worte schienen Kagome in der Tat wieder etwas aufzuheitern. Mit einem leichten Lächeln nickte die Jüngere. "Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Na gut, sollen wir wieder zu Inu Yasha und Sesshoumaru zurückgehen?"

"Ja. Gute Idee."
 

Mittlerweile hatte sich der Sonnenuntergang bereits angekündigt. Für heute noch weiterzureisen hätte keinen Sinn gehabt und so hatte die Gruppe entschieden, die Nacht über in diesem Dorf zu verbringen, wenn auch mehr am Rande der zerstörten Häuser. Kagome hatte auch bereits von dem Feuerholz, das Inu Yasha kurz zuvor gesammelt hatte, ein Lagerfeuer angezündet und bereitete nun etwas zu Essen vor. Kirara saß neben ihr, während Ah-Un in der Nähe der Bäume des nahe gelegenen Waldes ein wenig graste. Auch Sesshoumaru hielt sich momentan noch etwas abseits der anderen auf. Nur ab und zu schaute er aus dem Seitenwinkel zu ihnen rüber und fasste dabei insbesondere Kimie ins Auge, die sich schon eine geraume Zeit um den bewusstlosen Jungen kümmerte, den sie zuvor inmitten der Toten gefunden hatte. Er war allerdings noch immer ohne Bewusstsein gewesen und es war auch nicht abzusehen gewesen, wann er wieder aufwachen würde. Er lag auf einer Decke, die Kagome ihm zur Verfügung gestellt hatte, eine zweite von Kimie hielt ihn zusätzlich warm.

"Ich will gar nicht wissen, wie viel er von diesem grausamen Schauspiel mitbekommen hat", meinte Kagome nach einer Weile, während ihr Blick auf dem Jungen ruhte.

Kimie nickte zustimmend. "Ja. Und so gesehen hat er wohl ziemliches Glück gehabt. Stellt sich nur die Frage, wie wir ihm die ganze Sache möglichst schonend erklären sollen."

Kagome senkte nachdenklich den Blick. In diesem Moment bekam sie mit, wie sich der Junge ein wenig rührte und sich auf die Seite drehte. "Oh! Ich glaube, er kommt wieder zu sich."

Gespannt ruhten die Blicke von Kagome und Kimie auf den Jungen, der sich wieder auf den Rücken drehte und endlich seine Augen öffnete. Zuerst blinzelte er nur ein paar Mal, ehe er als aller erstes in das neugierige Gesicht von Kimie, die sich über ihn gebeugt hatte, schaute. Aufmunternd lächelte sie ihn an. "Hey! Du hast dir mit dem Aufwachen ja ganz schön Zeit gelassen. Wir haben uns schon Sorgen gemacht. Wie geht es dir? Hast du vielleicht irgendwelche Schmerzen oder so was?"

Der Junge schüttelte nur den Kopf, ehe er sich schließlich langsam aufsetzte und sich einmal umsah. "Wer seid ihr?", fragte er die beiden Mädchen vor sich. Kimie machte sich sogleich daran, ihn aufzuklären: "Oh! Entschuldige bitte, wir haben uns dir ja noch gar nicht vorgestellt. Also, das hier ist meine Cousine Kagome Higurashi. Der junge Mann da etwas weiter hinten in Rot ist Inu Yasha und der fröhliche Zeitgenosse, der da drüben an dem Baum lehnt, das ist Sesshoumaru." Als Kimie mit einem schelmischen Grinsen zu dem besagten Baum deutete, musste sich der Junge umdrehen, um Sesshoumaru zu sehen. Doch dieser würdigte ihn und auch die anderen momentan keines Blickes.

Der Junge drehte sich wieder um. "Und wer bist du?", fragte er nun Kimie, die antwortete: "Mein Name ist Kimie Yamada." Im nächsten Moment wurde sie wieder etwas ernster und fragte den Jungen vorsichtig: "Sag mal, kannst du dich noch daran erinnern, was hier passiert ist?"

"Erstmal sollte er uns vielleicht noch seinen Namen verraten", mischte sich Inu Yasha ein, wenngleich es etwas schroff klang. "Ich für meinen Teil würde nämlich schon gerne wissen, mit wem ich es hier eigentlich zu tun habe."

"Inu Yasha! Jetzt lass ihn doch in Ruhe!", warf Kagome etwas empört ein. Dass Inu Yasha mal wieder so dermaßen unsensibel daherkommen musste, begriff sie beim besten Willen nicht.

Doch der Junge wirkte nicht so, als fühlte er sich bedrängt oder dergleichen. "Schon in Ordnung. Mein Name ist Takeshi."

In der Zwischenzeit hatte Kimie etwas Wasser in einen Becher gegossen, welchen sie nun Takeshi reichte. "Hier. Trink erstmal etwas. Das wird dir gut tun. Möchtest du vielleicht auch etwas essen?"

"Nein, vielen Dank", antwortete er und trank erstmal einen Schluck.

"Uhm... Ich möchte ja nicht aufdringlich erscheinen, aber möchtest du uns eventuell erzählen, was hier passiert ist oder lieber nicht?", fragte Kagome Takeshi nach einem Moment etwas zögerlich.

Dieser antwortete zwar nicht sofort, doch klang er beim Sprechen erstaunlich ruhig und gefasst, vermutlich durch einen leichten Schock, wie sich Kagome und auch Kimie dachten: "Viel habe ich nicht mitbekommen. Aber ich weiß, dass Youkai hier gewesen sind."

Stumm warfen sich Kagome und Kimie gegenseitig ihre Blick zu. So was in der Art hatten sie fast schon vermutet, ebenso wie Inu Yasha und Sesshoumaru. Zwar war keinerlei Geruch von Youkai mehr in der Luft wahrzunehmen gewesen, doch die Art und Weise, wie das Dorf zerstört und die Menschen getötet worden waren, sprach Bände. Ihre Gedankengänge wurden aber je unterbrochen, als Takeshi plötzlich Anstalten machte, aufzustehen.

"Warte! Was hast du vor?", fragte Kimie sofort und war reflexartig aufgesprungen.

"Es geht mir wieder besser. Ich möchte euch nicht noch länger zur Last fallen", antwortete Takeshi, aber mit dieser Antwort schien sich neben Kimie auch Kagome nicht sonderlich anfreunden zu können.

"Aber du bist doch noch gar nicht in der Verfassung, dich irgendwohin allein auf den Weg zu machen. Wo willst du überhaupt hingehen?"

"Ich überlasse es dem Zufall, wohin es mich verschlägt", meinte Takeshi teilnahmslos, fing sich für diese Antwort aber nur eine sarkastische Bemerkung von Inu Yasha ein: "In diesen Zeiten dürftest du aber mit so einer Einstellung und noch dazu ganz allein auch schon bald bei einem Youkai auf dem Mittagstisch landen."

Kimie zögerte zwar noch einen Moment, wandte sich dann aber an Sesshoumaru: "Sag mal, Sesshoumaru, könnte Takeshi uns nicht erstmal begleiten?" Als der Youkai daraufhin zunächst aber nur üblich kühl dreinschaute, legte Kimie mit einem bittenden Lächeln ihre Handflächen zusammen. "Bitte! Nur solange, bis es ihm wieder besser geht und er weiß, wo er hingehen soll. Hm? Einverstanden? Schließlich können wir ihn doch nach dieser Geschichte nicht einfach so wieder sich selbst überlassen."

Nicht nur Kimie hatte im Moment diesen bittenden Blick drauf, auch Kagome schaute ähnlich drein wie ihre Cousine, während Inu Yasha dem ganzen eher gleichgültig gegenüberzustehen schien. Nach einem Augenblick wandte Sesshoumaru seinerseits den Blick wieder ab.

"Macht, was ihr wollt." Das war alles, was er zu dem Thema zu sagen gehabt hatte.

Kimie zog aus diesem Satz ihre eigene Schlussfolgerung: "Das heißt wohl 'ja'."

"Nun gut. Da das ja nun geklärt zu sein scheint, schlage ich vor, du legst dich erstmal wieder hin und erholst dich noch ein wenig", meinte Kagome nun an Takeshi gerichtet, der diesmal keinen Widerspruch einlegte und sich stattdessen nur mit einem knappen "Danke." tatsächlich wieder hinlegte. Es dauerte keine fünf Minuten, da war er scheinbar auch schon wieder eingeschlafen.

"Das wird ihm gut tun. Lassen wir ihn am besten bis morgen durchschlafen", meinte Kagome. Unterdessen richtete Kimie ihr Augenmerk erneut auf Sesshoumaru, der nach wie vor unter diesem Baum saß. Sie zögerte zwar noch einen Augenblick lang, doch dann stand sie auf und ging auf ihn zu.

"Was ist mit dir? Misstraust du ihm etwa immer noch?", fragte Kimie den Youkai im Bezug auf Takeshi, da Sesshoumarus Blick nicht gerade wohlwollend wirkte. Sicherlich war er innerlich strikt dagegen gewesen, dass dieser Fremde die Gruppe begleitete, aus welchen Gründen auch immer.

Mit einem Seufzen hockte sich Kimie direkt vor Sesshoumaru auf den Boden. "Jetzt guck doch nicht so finster! Für einen Menschen ist es nun mal milde ausgedrückt eine echt blöde Sache, wenn er auf einen Schlag ganz allein ist. Das..."

"Schon gut! Du musst mir das nicht noch näher erklären", fiel ihr Sesshoumaru mit üblich kühler Stimme ins Wort, doch zugleich war da noch dieser leichte Unterton von Ärger gewesen.

Kimie zog skeptisch eine Augenbraue hoch. "Hey, wenn du aus irgendeinem Grund schlechte Laune hast, dann sag mir wenigstens warum! Es tut mir ja wirklich sehr Leid, dass wir mit der Rückreise nur stockend vorankommen, aber dafür kann schließlich keiner von uns etwas."

"Hättet ihr Menschen nicht so einen übertriebenen Fürsorgedrang, dann hätten wir das Schloss gar nicht erst verlassen müssen", konterte Sesshoumaru mit diesem typisch überlegenen Blick auf Kimie gerichtet.

Doch das Mädchen schaute auf diese Bemerkung hin lediglich ebenso zurück, als sie erwiderte: "Übertriebener Fürsorgedrang? Ach! Und warum bist DU dann mit uns mitgekommen? Schließlich hat dich keiner dazu gezwungen."

"Lass es lieber sein, Kimie!", mischte sich Inu Yasha, der mittlerweile dazugekommen war, plötzlich ein. "Dieser Idiot sucht die Schuld schließlich immer nur bei anderen. Es ist also reine Zeitverschwendung, wenn du versucht, dich vernünftig mit ihm zu unterhalten."

Gerade wollte Kimie ihrerseits etwas darauf erwidern, als ihr Sesshoumaru jedoch zuvorkam: "Du legst es wohl wirklich darauf an, von mir noch auseinander genommen zu werden, Inu Yasha, oder sehe ich das falsch?"

Inu Yasha, wenig beeindruckt von dieser Andeutung, stemmte selbstbewusst die Hände in die Hüften. "In der Tat! Denn wenn hier jemand auseinander genommen wird, dann bist das du, und zwar von mir!"

"Hm! Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du eine Chance gegen mich hättest."

"Keh! Und das sagt ausgerechnet der Blödmann, der schon oft genug gegen mich verloren hat!"

Bevor Sesshoumaru darauf wieder etwas erwidern konnte, war es Kimie, die sich plötzlich einmischte: "Meine Güte! Jetzt hört doch endlich mal auf damit! Seid ihr diese Zänkereien nicht so langsam mal leid? Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt!"

Abrupt war es still. Kimie war darüber schon ziemlich überrascht gewesen. Hatte sie die beiden streitsüchtigen Brüder etwa wirklich gestoppt? Als sie die beiden jedoch ansah, trafen sie ihrerseits nur etwas verdutzte Blicke, wobei man Inu Yasha dessen Irritation ganz deutlich ansah.

"Was habt ihr? Warum schaut ihr auf einmal so komisch?", fragte Kimie etwas verunsichert, woraufhin Inu Yasha zögerlich fragte: "Ähm... Kurze Frage: Sagtest du eben 'der Hund in der Pfanne'?"

"Ach! Das ist doch nur so eine Phrase, Leute. Nehmt das doch nicht so ernst", winkte Kimie sofort in aller Eile ab. Es war wirklich immer wieder eine Party, wenn ein neuzeitlicher Spruch in die Runde geworfen wurde, der dann von Zeit zu Zeit mal wieder für allgemeine Verwirrung sorgte. Was genau Inu Yasha und Sesshoumaru diesmal durch den Kopf gegangen sein mag, darüber machte sich Kimie im Nachhinein aber keine Gedanken mehr. Stattdessen wollte sie das ganze Thema jetzt erstmal abhaken und gesellte sich zu diesem Zweck wieder zu Kagome ans Lagerfeuer. Allerdings konnte sie im Hintergrund vernehmen, wie Inu Yasha und Sesshoumaru ihre kleine Diskussion gleich wieder aufnahmen. Zum Glück blieb es lediglich bei Worten.

"Uff! Irgendwann werde ich noch bekloppt, wenn das so weitergeht...", seufzte Kimie auf, als sie wieder neben Kagome stand. Mit einem kurzen Blick zurück zu den beiden Halbbrüdern, fragte sie die Jüngere: "Sag mal, können wir die beiden unbeaufsichtigt lassen?"

Auch Kagome schaute nun zu Inu Yasha und Sesshoumaru und nickte nach einem Moment. "Ich denke ja."

"Gut, weil ich mich jetzt nämlich aufs Ohr hauen werde. Ich bin so müde, ich könnte im Stehen einschlafen. Also, gute Nacht, Kagome."

"In Ordnung. Schlaf gut."

Damit packte Kimie ihren Schlafsack aus ihrem Rucksack und nachdem sie alles soweit vorbereitet hatte, machte sie es sich in diesem bequem. Kagome tat es ihr kurz darauf gleich. Zuvor hatte sie aber noch mal nach Takeshi geschaut, doch der schien tief zu schlafen, was angesichts der noch andauernden Diskussion zwischen Inu Yasha und Sesshoumaru schon irgendwie verwunderlich war. Irgendwann fand das Streitgespräch zwischen den beiden aber auch endlich wieder ein Ende und es kehrte die gut bekannte nächtliche Ruhe ein. Jeder ruhte sich nun entsprechend aus, während das Lagerfeuer mit dem Voranschreiten der Zeit nach und nach immer kleiner wurde. Schließlich war es verloschen, nur die Glut glühte noch ein wenig in der Asche. Niemand der Anwesenden bemerkte zu diesem Zeitpunkt, wie Takeshi seine Augen nun kurz öffnete, als wollte er einen Blick auf die schlafenden Gemüter werfen. Und ebenso wenig bekamen sie mit, wie seine Augen im Dunkeln der Nacht kurz in einem unheimlichen Rot aufglühten, ehe er sie rasch wieder schloss.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Eine trügerische Stille lag in der Luft und über dem Boden hing noch ein letzter Hauch des morgendlichen Nebels. Geisterhaft schwebten mehrere Seelenfänger lautlos über der Gegend, als suchten sie nach irgendetwas. Einer von ihnen flog schließlich zu der jungen Miko zurück, die den Geschöpfen mit ruhigen Schritten folgte. Sie erhob ihre rechte Hand und ließ ihren Seelenfänger mit seinen sechs insektenartigen Beinen auf dieser landen. Und obwohl keiner von beiden etwas sagte, schienen sie dennoch miteinander zu reden.

"Verstehe. Narakus Aura hält sich also noch immer im Verborgenen. Sucht trotzdem weiter", sagte Kikyou schließlich, ehe sie ihren Seelenfänger wieder davonfliegen ließ, der sich daraufhin wieder zu seinen Gefährten gesellte.

Aufmerksam sah Kikyou sich um. Sie spürte es ganz deutlich; hier irgendwo in der Nähe ist vor kurzem etwas geschehen. Und als sie schließlich sah, wie ihre Seelenfänger etwas weiter entfernt immer wieder ihre Kreise über einem bestimmten Punkt zogen, sah sie sich sogleich in ihrer Ahnung bestätigt, als sie den entsprechenden Ort ebenfalls kurz darauf erreicht hatte. Vor der Miko lag ein völlig zerstörtes Dorf, auf dessen zerfallenen Gebäuden sich vereinzelt ein paar Krähen niedergelassen hatten. Irgendetwas von gewaltiger zerstörerischer Kraft musste hier gewütet haben. Aber Kikyou entdeckte zunächst keine Opfer. Langsam ließ sie ihren Blick über das zerstörte Dorf schweifen und entdeckte dabei schließlich in einiger Entfernung auch zahlreiche Gräber. Mit ruhigen Schritten ging Kikyou auf diese zu, dicht gefolgt von ihren Seelenfängern. Auf den Gräbern lagen noch relativ frische Blumen verteilt. Lange lagen sie jedenfalls noch nicht dort, soviel stand fest. Doch eigentlich gab es nichts, was Kikyou länger an diesen Ort hielt, also zog sie kurz darauf auch schon wieder weiter. Wie ein Geist verschwand die untote Miko schließlich zusammen mit ihren Seelenfängern zwischen den Bäumen des nahe gelegenen Waldes und ließ das zerstörte Dorf, das wohl schon sehr bald in Vergessenheit geraten dürfte, hinter sich.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Ah-Un und Kirara hatten schon vor einiger Zeit die Grenze zu den westlichen Ländern überflogen. Es würde nicht mehr lange dauern, dann wäre sie alle endlich wieder im Schloss.

"Wenn wir angekommen sind, stellen wir dir unsere Freunde vor, Takeshi-kun. Du wirst sie sicher mögen.", sagte Kagome mit einem freundlichen Lächeln an den Jungen gewandt, der hinter ihr auf Kiraras Rücken saß. Als Kagome sich danach wieder umdrehte, versuchte sie, Ausschau nach dem Schloss zu halten. Allerdings konnte auch in weiter Ferne nichts erkennen. Da fiel ihr wieder ein, dass Ashitakas Bannkreis sicherlich noch aktiv war und das Schloss vor den Augen all jener, die von außerhalb kamen und nicht zu den Inu-Youkai gehörten, verbarg. Dennoch mussten sie alle schon sehr nahe am Schloss sein, denn nur einen kleinen Augenblick später entdeckte Kagome bei einem Blick nach unten einen alten Bekannten und rief erfreut: "Hey! Schaut mal! Da unten ist Ashitaka-kun."

Und tatsächlich stand Ashitaka inmitten einiger Bäume, aber dennoch gut sichtbar, genau unterhalb der Zurückkehrenden. Diese ließen Ah-Un und Kirara sogleich in Richtung Erdboden fliegen und direkt vor dem Inu-Youkai landen. Kagome war die erste, die ihn begrüßte: "Hallo, Ashitaka-kun!"

"Hallo, Kagome-chan!", grüßte Ashitaka das Mädchen zurück. "Schön, dass ihr alle wieder zurück seid. Kakeru hatte schon so eine Ahnung, darum dachte ich mir, ich komme euch ein Stückchen entgegen."

Kaum, dass die ersten Begrüßungen untereinander ausgetauscht worden waren, richtete sich Ashitakas Aufmerksamkeit auf Takeshi, der etwas abseits von den anderen stand.

"Und wer ist das?", fragte der Inu-Youkai überrascht, woraufhin Kagome Takeshi zu sich winkte.

"Das ist Takeshi-kun", stellte sie Ashitaka den fremden Jungen vor. "Sein Dorf ist komplett zerstört worden und er ist der Einzige, der überlebt hat. Deswegen haben wir ihn erstmal mitgenommen. Hoffentlich war das okay?"

Ashitaka warf daraufhin einen Blick zu Sesshoumaru, der jedoch schwieg.

"Nun, wenn Sesshoumaru keine Einwände hat, dann wird es wohl in Ordnung sein", meinte der Jüngere.

Jetzt ergriff Sesshoumaru aber doch noch das Wort: "Und, Ashitaka? Gab es irgendwelche besonderen Vorkommnisse?"

Ashitaka schüttelte verneinend den Kopf. "Nein, es war alles ruhig. Und mittlerweile sind auch die anderen wieder ins Schloss zurückgekehrt. Die Letzten sind vor gut zwei Stunden hier angekommen."

Kaum hatte Ashitaka das jedoch gesagt, war ein etwas missmutiger Laut seitens Inu Yasha zu hören gewesen. Kagome schaute ihn fragend an. "Was ist los, Inu Yasha?"

"Nichts", murrte der Hanyou knapp und verschränkte die Arme vor der Brust, während sich die Gruppe so langsam in Bewegung setzte und sich auf den Weg zum Schloss machte. Laut Ashitaka befand sich dieses nur gut hundert Meter vom momentanen Standort der Gruppe entfernt.

Am Ziel angekommen, öffnete Ashitaka den Bannkreis so weit, dass alle durch diesen hindurchgehen konnten. Danach schloss er ihn auch gleich wieder und jetzt konnten bis auf Ashitaka und Sesshoumaru auch die anderen die Treppe sehen, die hinauf zum Schloss führte.

"Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich bin ehrlich gesagt erleichtert", meinte Kimie, spürbar froh, dass dieser doch etwas eigenartige Ausflug endlich zu ende gewesen war.

Aber ihre Erleichterung wich sehr schnell wieder der Irritation, denn aus der Richtung des Schlosses, genauer gesagt vom großen Hof her, hörte man mit einem Mal lautes Gerede.

"Was ist da los? Warum ist es plötzlich so laut?", fragte sich Kagome nicht minder verwirrt, als ihre Freunde. Lediglich Sesshoumaru behielt wie üblich seine ruhige Fassade.

"Das klingt, als gäbe es da oben Ärger", sagte Ashitaka und Inu Yasha seufzte sogleich entnervt auf: "Na, herrlich! Was für ein Empfang..."
 

Und während die kleine Gruppe noch auf den Weg gewesen war, war auf dem großen Hof des Schlosses bereits ein wildes Wortgefecht unter den Inu-Youkai entbrannt.

"Ich sage, wir gehen selbst zu denen hin und verarbeiten sie allesamt zu kleinen Sushi-Häppchen!", meinte einer von ihnen kämpferisch und ein anderer fügte stimmte dem zu: "Genau! Zeigen wir diesen Schuppenviechern, wer hier den Ton angibt! Ehrlich gesagt, brenne ich schon seid damals darauf, denen mal wieder eine ordentliche Abreibung zu verpassen, nachdem sie einfach so feige die Flucht ergriffen haben."

Ein Großteil der Youkai befürwortete dies, doch es gab auch einige, die der ganzen Sache eher kritisch gegenüberstanden. So warf nun ein anderer ein: "Langsam! Wir sollten nichts überstürzen, schließlich sind die Ryû-Youkai keine Gegner, die man unterschätzen sollte."

"Hey! Was soll das heißen?", fragte der Youkai, der zuvor gesprochen hatte, als ihn ein weiterer seiner Kameraden ebenfalls ansprach: "Ich finde, er hat ganz Recht. Zumal waren diese Typen schon damals in der Überzahl."

Ein Knurren drang aus der Kehle des anderen. "Was denn, was denn?! Und du schimpfst dich allen Ernstes einen Inu-Youkai? Du bist nichts weiter als ein jämmerlicher Feigling!"

"Nein! Das ist stimmt nicht! Das ist überhaupt nicht wahr! Aber schließlich sprechen wir hier von den Ryû-Youkai. Oder hast du etwa vergessen, dass viele von uns damals im Kampf mit dem Leben bezahlt haben?", widersprach sein Gegenüber sofort und nun schaukelte sich das Ganze wirklich richtig hoch, als der andere Youkai daraufhin entgegnete: "Nennst du das etwa ein rechtfertigendes Argument, du Memme? Das ist schließlich schon 1000 Jahre her!"

"Also, wenn du mich fragst, dann seid ihr, die ihr euch unbedingt so Hals über Kopf in den Kampf stürzen wollt, nicht tapfer, sondern einfach nur unglaublich dumm!"

"Wie habe ich denn das wieder zu verstehen? Es kann ja schließlich nicht jeder so ein ängstliches Hündchen wie du sein, das bei jeder Kleinigkeit gleich den Schwanz einkneift!"

"Zumindest überschätze ich mich nicht so maßlos, wie manch anderer hier!"

"Ja, weil du sowieso viel zu schwach bist! Du würdest den Ryû-Youkai doch keine drei Sekunden standhalten!"

"Jetzt hört doch mal auf, ihr zwei! So kommen wir doch nicht weiter!", versuchte schließlich Tôya die Situation wieder etwas unter Kontrolle zu bringen, doch der Erfolg fiel eher dürftig aus. Es schien sogar vielmehr so zu sein, als drohte der Streit letztendlich doch noch zu eskalieren. Erst als sich Sesshoumaru, der inzwischen zusammen mit den anderen den Hof betreten hatte, einmischte, schien sich das Blatt wieder zu wenden.

"Schluss jetzt!", befahl Sesshoumaru mit kühler Stimme und sicherte sich sogleich jegliche Aufmerksamkeit von seinen Leuten, die sofort allesamt verstummt waren. Sesshoumaru wartete einen kurzen Augenblick, dann wandte er sich an die beiden Streitenden: "Wenn ihr unbedingt gegeneinander kämpfen wollt, dann könnt ihr das von mir aus tun, aber dann sucht euch dafür gefälligst einen anderen Platz und belästigt mich nicht mit euren kindischen Meinungsverschiedenheiten! Im Übrigen kann ich keine Leute gebrauchen, die mir im Kampf mehr im Weg herumstehen werden, als dass sie eine gute Unterstützung wären, weil sie sich lieber ihren lächerlichen Streitereien widmen."

Die Streitenden gingen auf diese Ansprache hin endlich wieder auseinander. Darüber war nicht nur Tôya sehr erleichtert, der sich schon sonst was ausgemalt hatte. Für Ashitaka war dies aber scheinbar nur der ideale Augenblick, um seinen Freund gleich ein wenig zu necken: "Hey, Tôya! Was war los? Hast du die Kontrolle verloren?"

"Wirklich witzig, Ashitaka... Ich kann mich nicht daran erinnern, hier den Posten des Aufsehers übernommen zu haben", entgegnete Tôya trocken. Seine Aufmerksamkeit galt danach aber sogleich Takeshi. Auf seine Nachfrage hin, erklärte ihm Ashitaka daraufhin wie es dazu kam, dass der Junge die Gruppe um Sesshoumaru begleitet hatte. Tôya war zwar überrascht, aber er nahm es hin. Aber nicht nur Takeshi erregte eine gewisse Aufmerksamkeit, insbesondere Kimie, die schon die ganze Zeit dicht hinter Sesshoumaru stand, lenkte so manchen Blick der Inu-Youkai auf sich. Das Gerücht, dass ihr Herr eine menschliche Gefährtin an seiner Seite hätte, hatte sich unter allen zwar schon herumgesprochen, dennoch schien die Überraschung über die Bewahrheitung dieses Gerüchts doch sehr groß gewesen zu sein. Sesshoumarus Gesichtsausdruck war jedoch klar zu entnehmen gewesen, dass er keine Fragen, geschweige denn irgendwelche eventuelle Kritik duldete. Und es war ebenso klar, dass Kimie für die anderen Inu-Youkai in jeglicher Form tabu gewesen war, sei es nun für potenzielle wörtliche Anfeindungen oder dergleichen. Ob gleiches auch für die anderen Menschen, die sich unter anderem zur Zeit mit im Schloss aufhielten, galt, vermochten die meisten zwar nicht zu sagen, aber das beste war es unter diesen Umständen wohl, von jedem die Finger zu lassen. Was allen jedoch sofort klar zu sein schien, war die Tatsache, dass es sich bei Inu Yasha zweifellos um jenen Hanyou handelte, der der jüngere Sohn von Inu no Taishou gewesen war. Inu Yasha konnte auch recht schnell das erste Getuschel mit anhören, in denen es ganz klar um ihn ging. Missmutig knurrte er leise in sich hinein, was etwas besorgt von Kagome beobachtet wurde. Doch glücklicherweise löste sich die Ansammlung auf Sesshoumarus Anweisung hin auch schon recht bald wieder auf, nur einige wenige verblieben noch auf dem Hof. Kagome nutzte dies, um Ausschau nach Subaru zu halten. Gerne hätte sie ihn begrüßt, doch er war nirgendwo zu sehen gewesen. Sie vermutete daher, dass er sich mal wieder für sich selbst zurückgezogen hatte, aber sie würde ihn ohnehin sicherlich recht bald wieder über den Weg laufen.

Kurz darauf öffneten sich die Türen des Haupteingangs des Schlosses und heraus kam eine fröhlich lachende Rin, dich gefolgt von Inuki und Jaken. Auch Sango, Miroku und Shippou waren dabei gewesen, um nun ihre zurückgekehrten Freunde zu begrüßen.

"Sesshoumaru-sama! Da seid Ihr ja endlich wieder! Ich habe Euch vermisst", rief Rin und lief freudig aus Sesshoumaru zu, während Inuki das gleiche bei Kimie tat. Sie kniete sich auf den Boden, um ihren Hund sogleich gebührend zu empfangen und schloss ihn in die Arme.

"Hallo, Inuki! Na? Bist du auch schön brav gewesen?"

"Ja, das war er! Wir haben viel zusammen gespielt", antwortete Rin und wie zur Bestätigung bellte Inuki einmal, während er noch ein paar Mal seinen Kopf an Kimies Wange rieb.

Jaken ging bei der Begrüßung von Sesshoumaru mal wieder besonders theatralisch vor, indem er sich fast bis zum Anschlag vor ihm verbeugte. "Edler Herr! Wie schön, Euch wieder zu sehen. Es freut mich, dass Ihr heil und gesund zurückgekehrt seid. Eh!? Was aber nicht heißen soll, dass ich es in Erwägung gezogen habe, Euch könnte eventuell etwas zugestoßen sein, oder dergleichen! Das würde ich niemals auch nur im Traum vermuten, Sesshoumaru-sama!"

"Ach, halt die Klappe, Jaken, sonst machst du dir am Ende noch einen Knoten in die Zunge!", sagte Kimie leicht angenervt von dem Gequatsche des Krötendämons, der wohl nur allzu gern etwas auf diese freche Bemerkung entgegnet hätte, doch hielt er sich diesmal besser zurück, da ihm Sesshoumaru ohnehin schon so einen mahnenden Blick zuwarf.

Währenddessen standen Inu Yasha, Kagome und Kimie mit ihren Freunden zusammen und tauschten erste Begrüßungen und Informationen aus. Kagome stellte den anderen bei dieser Gelegenheit natürlich auch Takeshi vor, der auf die Gruppe sofort einen sehr sympathischen Eindruck machte.
 

Zunächst schien alles soweit geregelt gewesen zu sein. Mit einem Nicken wies Sesshoumaru Rin und auch Kimie an, dass sie ihm folgen sollten. Rin kam der wortlosen Aufforderung auch sogleich nach, wohingegen Kimie im ersten Moment noch etwas überrascht zögerte, dem Youkai dann aber ebenfalls folgte. Inuki und Jaken schlossen sich dem kleinen Trupp an. Sesshoumaru kannte seine Leute gut genug um zu wissen, dass einige unter ihnen die Tatsache, dass er sogar Menschen den Aufenthalt im Schloss gestattete, äußerst sauer aufstoßen dürfte. Und aus diesem Grund würde er Rin und Kimie auch nach Möglichkeit von den anderen Inu-Youkai fernhalten. Blieb nur die Frage, wie es hinsichtlich Inu Yasha und dessen Gruppe weitergehen sollte, ebenso wie mit den Panther-Dämonen. Zwar würde es keiner der Inu-Youkai wagen, im Schloss ein Massaker oder dergleichen anzurichten, aber dass es Probleme geben könnte, war nicht auszuschließen gewesen. In diesem Fall würde Sesshoumaru jedoch entsprechend eingreifen, wenngleich ihm sein Halbbruder und dessen Freunde so ziemlich egal gewesen waren. Doch Ärger in den eigenen Reihen konnte er momentan wirklich nicht gebrauchen und schon gar nicht hatte er irgendeine Verwendung für Kämpfer, die sich ihm widersetzten.

Nachdem Sesshoumaru zusammen mit Rin, Kimie, Inuki und Jaken im Schloss verschwunden war, wandte sich Kagome an Inu Yasha und ihre Freunde: "Wir gehen besser auch." Dann richtete sie das Wort an Takeshi: "Du kannst übrigens auch gerne mit uns kommen, wenn du möchtest. Dann können wir uns noch etwas besser kennen lernen."

Takeshi nickte einverstanden und folgte der Gruppe in das Schloss. Dabei schaute er aus dem Seitenwinkel zu den Inu-Youkai, die sich noch auf dem Hof befanden. Gegen diese Dämonen hatte sein Stamm also schon mal gekämpft. Zwar konnte er die Situation noch nicht so wirklich einschätzen, aber etwas in ihm sagte ihm, dass keine der beiden Seiten im Moment einen klaren Vorteil gegenüber der anderen hatte. Die Inu-Youkai wirkten nämlich alles andere als schwach und das konnten sie auch kaum sein, denn sonst hätten sie die Ryû-Youkai damals nicht besiegen können. Zwar konnte sich in den letzten 1000 Jahren einiges geändert habe, aber das würde sich sicherlich sehr bald zeigen.
 

Die Rückkehr von Sesshoumaru und den anderen war auch von den Panther-Dämonen beobachtet worden, wenn auch aus einiger Entfernung. Und genauer gesagt, war es eigentlich Karan, die das Geschehen die ganze Zeit über von der Veranda vor Tourans Zimmer aus genauestens beobachtet hatte. Die vier Geschwister hielten sich so ziemlich die ganze Zeit meist zusammen im selben Raum auf, von daher brauchte sich Karan nur umzudrehen und in das Zimmer hineinzurufen: "Hey, Nee-san! Falls es dich interessiert: Dein Typ ist wieder da."

Zwar trat Touran nach dieser Anrede zu ihrer jüngeren Schwester auf die Veranda hinaus, doch auf die gemachte Äußerung reagierte sie zunächst eher teilnahmslos. "Wie soll ich diese Bemerkung verstehen, Karan?", fragte sie nur prüfend zurück, doch Karan winkte sogleich ab.

"Ach, nun tu doch nicht so! Shunran hat uns aufgeklärt, du musst es also nicht länger verbergen. Du stehst auf Sesshoumaru und das schon seit einer Weile."

Und den nun folgenden völlig verdutzt dreinschauenden Blick von Touran ignorierend, richtete Karan ihr Augenmerk wieder auf das Geschehen auf dem Hof. Gerade löste sich auch der Rest der "Versammlung" auf und Sesshoumaru betrat zusammen mit Kimie, Rin, Jaken und Inuki das Schloss. Karan stützte den Kopf auf die Hand. "Tja, nur dürfte sich das Ganze für dich als etwas kompliziert gestalten, solange dieses Mädchen da bei ihm ist", meinte sie an Touran gewandt und hatte dabei auch einen leichten Unterton von Sarkasmus in der Stimme gehabt. Doch direkt danach fuhr sie fort: "Aber mach dir darum mal keine allzu großen Gedanken. Du weißt ja, Menschen halten sich nicht so lange. So ganz verloren hast du also noch nicht."

Aber darauf entgegnete Touran nichts mehr, sondern machte stattdessen nur wieder kehrt und ging in das Zimmer zurück, nur um dieses anschließend durch die Tür zu verlassen. Und sie sah alles andere als gut gelaunt aus. Karans fragenden Blick bemerkend, warf Shunran nun trocken ein: "Karan... Irgendwann wirst du noch einsam und allein enden. Du hast wirklich das Taktgefühl eines niederen Oni."

"Hä? Meine Güte, jetzt dramatisiere das alles doch nicht so maßlos!", entgegnete Karan etwas patzig. "Sesshoumaru ist doch nun wirklich nicht der einzige Youkai, der hier herumläuft und mal ganz abgesehen davon sollte Nee-san sowieso besser bei unseresgleichen bleiben."

"Tja, nur lässt sich so was eben nicht so einfach beeinflussen, so wie du das anscheinend gerne hättest", meinte Shunran, aber Karan wirkte wenig überzeugt. "Ach was! Andere Mütter haben schließlich auch hübsche Söhne. Nee-san wird das auch schon noch merken."

"Hach! Ich geb's auf...", seufzte Shunran mit leichtem Kopfschütteln auf.
 

Unterdessen war Sesshoumaru zusammen mit Kimie, Rin, Jaken und Inuki in seinem Zimmer angekommen. Warum er sie alle mit hierher genommen hatte, war insbesondere Kimie zwar noch ein ziemliches Rätsel, aber an Sesshoumarus Verhalten hatte es ja schließlich schon immer etwas gegeben, was auf den ersten Blick nicht ganz klar gewesen war. Von daher machte sich Kimie auch keine großen Gedanken darum, als Sesshoumaru allen außer ihr sagte, sie sollten erstmal ins Nebenzimmer gehen, was sie auch sogleich taten. Lediglich Inuki blieb neben der Tür sitzen. Nachdem Rin und Jaken im Nebenzimmer verschwunden war, wandte sich Sesshoumaru wieder Kimie zu: "Wenn es demnächst zum Kampf kommt, wirst du dich nicht einmischen."

"Hm? Woher kommt das jetzt?" Kimie war durchaus recht verdutzt. Auf so eine Anspielung war sie jetzt wirklich nicht vorbereitet gewesen. Sesshoumaru sprach aber auch sogleich weiter: "Du weißt nicht, was es bedeutet, wenn zwei Youkai-Stämme gegeneinander kämpfen. Der Angriff von neulich war nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Menschen haben in so einem Kampf nichts verloren und du auch nicht." Da war er wieder gewesen; dieser rechthaberische Unterton.

Kimie seufzte auf: "Oh, Mann! Wo soll denn das Gelaber hinführen? Machst du das aus Schikane?"

Ein prüfender Blick seitens Sesshoumaru traf nun das Mädchen, während er sich ihr langsam näherte. "Die Vorstellung, dich von einem Youkai aufschlitzen zu lassen, scheint dir offenbar zuzusagen, sonst würdest du mir nicht solche Fragen stellen."

Er hob seine rechte Hand und fuhr wie zur Demonstration mit der Kralle seines rechten Zeigefingers über Kimies linke Wange, ohne sie dabei aber zu verletzen. Es schien, als wollte er sie lediglich ein wenig ärgern und das gelang ihm auch.

"Lass diese komischen Andeutungen!", sagte Kimie sogleich hastig und schob seine Hand wieder beiseite. Für einen kurzen Augenblick war ihr sogar so was wie ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen. Zwar hatte sie niemals in Erwägung gezogen, dass Sesshoumaru ihr etwas tun würde, aber unheimlich war es einen Moment lang doch gewesen.

"Was sollte diese Bemerkung eben?", fragte Kimie kurz darauf prüfend. "War das vielleicht wieder eine deiner Phasen, wie neulich in meinem Zimmer? Jetzt weiß ich wirklich, warum du so lange dieses Single-Dasein geführt hast. Oder gab es da doch schon mal etwas? Vielleicht so vor... 500 Jahren?"

Diese Frage und allein schon dieser skeptische Blick, den sie ihm momentan zuwarf... Unwillkürlich war Kimie mit einem Mal so, als würde Sesshoumaru ein wenig lächeln, als hätte ihn ihre Frage amüsiert. Irritiert zog sie eine Augenbraue hoch. "Ähm... Du lächelst? Du... hast dir nicht zufällig irgendeinen komischen Virus eingefangen, während wir in der Neuzeit waren?"

Doch anstatt entsprechend auf ihre Frage zu antworten, entgegnete Sesshoumaru: "Ich erinnere mich gerade an etwas, was du mir mal gesagt hast. Du meintest zu mir, ich werde für dich wohl immer ein Rätsel zu bleiben. Aber du scheinst mir auch nicht ganz leicht einzuschätzen zu sein. Wobei ich bei dir mehr den Eindruck habe, es hängt mit menschlicher Naivität und einem ebensolchen Dickkopf zusammen."

"Hey! Die Sache mit dem Dickkopf gebe ich an dieser Stelle gerne wieder zurück", erwiderte Kimie entschieden, wobei sie mit dem Finger auf den Youkai deutete. Als Sesshoumaru daraufhin jedoch ihre Hand ergriff, erschrak sie für einen Augenblick und sah ihn fragend an. Es war irgendwie immer wieder eigenartig. Ein Youkai wie Sesshoumaru, der eigentlich immer so kalt und abweisend auftrat, zeigte in anderen Situationen auch mal eine ganz andere Seite von sich. So wie jetzt, während er schon beinahe zärtlich Kimies Hand festhielt. Noch immer schaute sie ihn etwas verlegen an, als ein Klopfen an der Tür sie abrupt leicht hochschrecken ließ. Sesshoumaru wandte sich zu Tür um und gestattete dem Besucher, einzutreten.

"Ich hoffe, ich störe nicht, sondern wollte Euch lediglich begrüßen, Sesshoumaru-sama. Und natürlich auch Eure Gefährtin", sagte Kakeru mit ruhiger Stimme und einem leichten Lächeln, nachdem er das Zimmer betreten hatte. Doch er schien schon irgendwie zu ahnen, dass er gerade einen etwas ungünstigen Zeitpunkt für seinen Besuch gewählt hatte. Nachdem Sesshoumaru und auch Kimie den Gruß erwidert hatten, sprach Kakeru weiter: "Mir scheint, ich komme doch etwas ungelegen."

Und obwohl er es natürlich nicht sehen konnte, hatte Kakeru den Blick genau auf die Hände von Sesshoumaru und Kimie gerichtet. Denn nach wie vor wurde Kimies Hand von der von Sesshoumaru festgehalten.

"Hm! Dir entgeht wirklich nichts. Oder, Kakeru?", fragte Sesshoumaru und ließ Kimies Hand nun wieder los.

Kimie selbst fühlte sich nun doch irgendwie etwas fehl am Platz, also hielt sie es für das beste, erstmal wieder zu gehen. "Tja, ich geh dann erstmal wieder, in Ordnung? Also, man sieht sich! Komm, Inuki!"

Sogleich folgte Inuki seiner Herrin in Richtung Zimmertür, aus welcher die beiden kurz darauf verschwanden.

"Es tut mir wirklich Leid", entschuldigte sich Kakeru daraufhin noch mal ganz direkt bei Sesshoumaru, der es ihm jedoch nicht übel nahm. Nach einer kurzen Pause kam Kakeru jedoch noch mal auf Kimie zu sprechen: "Ein wirklich nettes Mädchen. Aber trotzdem eine ungewöhnlich Wahl, die Ihr da getroffen habt, Sesshoumaru-sama. Wenn ich mir die Frage erlauben dürfte: Wie genau steht Ihr ihr eigentlich gegenüber? Ist sie so was wie Eure Verlobte? Dahinter bin ich bisher noch nicht gekommen, egal wie sehr ich mir darüber auch meine Gedanken gemacht habe."

"Ich glaube auch nicht, dass es zu deinen Aufgaben gehört, dass du dir über so was deine Gedanken machst", entgegnete Sesshoumaru, was Kakeru doch ein wenig zum schmunzeln brachte.

"Natürlich nicht", erwiderte er. "Ich mache mir auch lediglich im Rahmen meiner privaten Beschäftigung Gedanken darüber. Aber eigentlich wollte ich auch auf etwas anderes zu sprechen kommen: Mir ist nämlich aufgefallen, dass Ihr vorhin mit einer weiteren Person hierher zurückgekehrt seid. Zumindest habe ich eine, mir bis dahin unbekannte Stimme vernommen, wenn auch nur ganz kurz. Es war die eines Jungen."

Sesshoumaru bestätigte Kakerus Beobachtung: "Ja, richtig. Er sagte, sein Name sei Takeshi. Wir sind ihm auf dem Rückweg hierher begegnet. Das Dorf, aus dem er stammt, ist zerstört worden."

Kaum hatte sein Herr diese Aussage gemacht, wirkte Kakeru mit einem Mal sehr nachdenklich. Das entging Sesshoumaru natürlich nicht, doch auf seine Nachfrage hin versicherte ihm Kakeru, dass alles in Ordnung sei. In seinem Inneren machte er sich aber durchaus noch so seine Gedanken. Denn irgendetwas an diesem Jungen kam Kakeru merkwürdig vor, aber er konnte keinerlei dämonische Kraft an ihm wahrnehmen. Zwar zog er es auch in Erwägung, dass er sich möglicherweise nur etwas einbildete, doch eine gewisse Unsicherheit blieb.

Und als wäre dies ein Vorbote für ein bevorstehendes unruhiges Ereignis gewesen, verdunkelte sich draußen mit einem Mal allmählich Himmel. Er war bedeckt von zahlreichen Gewitterwolken und kündigte einen aufziehenden Sturm an.
 

Währenddessen hatte Kagome in ihrem Zimmer ihren Freunden erzählt, wie genau es dazu gekommen war, dass Takeshi die Gruppe begleitet hatte. Auch Myouga hatte sich inzwischen zu ihnen dazugesellt.

Nachdem Kagome ihren Bericht zu ende gebracht hatte, wirkte insbesondere Sango sehr betroffen und sprach Takeshi ihr Beileid aus: "Es tut mir wirklich sehr Leid, was dir widerfahren ist. Ich kann mir gut vorstellen, wie das ist, plötzlich alles zu verlieren, was einem wichtig ist. Die Menschen zu verlieren, die man liebt..." Traurig senkte die Dämonenjägerin den Blick. Erneut kamen die Erinnerung an das Schicksal ihres Dorfes in den Sinn, ebenso wie der sinnlose Tod ihrer Kameraden, ihres Vaters und ihres jüngeren Bruders, der nach wie vor von Naraku wie eine Marionette benutzt wurde und nur dank der Kraft des Juwelensplitters in seinem Rücken noch lebte. Miroku, der Sangos Bedrücktheit natürlich genau wahrnahm, legte der Dämonenjägerin sanft eine Hand auf die Schulter. Als Sango daraufhin in sein Gesicht sah, rang sie sich doch zu einem leichtes Lächeln durch. Es stimmte, sie war schon lange nicht mehr gänzlich allein gewesen. Sie hatte das Glück gehabt, relativ schnell neue Freunde gefunden gehabt zu haben, die sie immer unterstützten und denen sie bedingungslos vertrauen konnte.

Takeshi bedankte sich für die Anteilnahme, die ihm entgegengebracht wurde, obwohl er eigentlich nicht so recht wusste, was er damit anfangen sollte. Irgendwie kam ihm das alles eher lächerlich vor. Er saß hier inmitten dieser Leute und spielte die Rolle eines armen Jungen, der urplötzlich ganz allein dastand. Doch das gehörte nun mal zu seinem Auftrag mit dazu, also musste er bis auf weiteres dabei bleiben. Im Moment hatte er aber zuerst genug von alldem.

"Entschuldigt bitte, aber wenn es euch nichts ausmacht, würde ich erstmal wieder gehen und etwas allein sein", meinte Takeshi daher an Kagome und die anderen gewandt, die ihn natürlich nicht aufhalten wollten. Sie vermuteten, dass er einfach etwas Zeit für sich brauchte, sagten ihm aber noch, dass er jederzeit zu ihnen kommen könnte, wenn er das wollte. Takeshi nickte und verließ schließlich das Zimmer.

"Irgendwas ist komisch", warf Myouga plötzlich ein, kaum, dass Takeshi verschwunden war.

Inu Yasha schaute daraufhin auf seine Schulter, auf welcher der Flohgeist saß. "Komm schon, Myouga-jijii, drück dich bitte etwas klarer aus. Was genau meinst du damit?"

"Na ja... Ich weiß auch nicht so recht", druckste Myouga herum. "Aber ich habe ein merkwürdiges Gefühl."

"Etwa wegen Takeshi?", fragte Shippou neugierig, aber auch diesmal konnte sich der Flohgeist nicht klar und deutlich ausdrücken.

Schließlich warf Kagome ein: "Ach, was! Um Takeshi-kun brauchen wir uns nun wirklich keine Gedanken zu machen. Oder kam er euch etwa gefährlich vor?"

Da mussten alle zugeben, dass ganz eindeutig das Gegenteil der Fall gewesen war und so schob auch Myouga letztendlich sein komisches Gefühl beiseite, obwohl er noch nicht mal wusste, ob dies auch wirklich durch Takeshi begründet gewesen war.
 

Die Freunde ahnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal ansatzweise, wer Takeshi wirklich war. Zugute kam ihm in dem Zusammenhang, dass keiner hier im Schloss wissen konnte, wer er wirklich war, da er bei dem Kampf vor 1000 Jahren selbstverständlich nicht hatte mitwirken können. Takeshi hatte sie alle und sogar die Inu-Youkai somit bisher hervorragend in dem Glauben lassen können, er selbst wäre nur ein gewöhnlicher Sterblicher, der als Einziger einen Youkai-Angriff auf sein Dorf überlebt hatte. Dabei waren es Takeshi selbst und vier der fünf Hüter gewesen, die zuvor dieses Menschendorf angegriffen und alle getötet hatten. Menschen zu töten war keine große Sache gewesen. Schon öfters hatten die Ryû-Youkai derartiges getan, sei es nun aus Jagdgründen oder schlichtweg aus einer Laune heraus. Allerdings hatte Takeshi als so ziemlich einziges Mitglied seines Clans einem solchen Verhalten schon immer eher skeptisch und distanziert gegenübergestanden. Auch dieses Mal hatte er den Angriff auf das Dorf eher Renhou und den anderen überlassen und sich selbst mehr im Hintergrund gehalten. Und auch jetzt noch erschienen ihm die Methoden, wie sein Bruder Akuma an sein Ziel gelangen wollte, mehr als fragwürdig.

Mit einem leisen Seufzen lehnte sich Takeshi mit dem Rücken an die Wand des dunklen Ganges. Von draußen konnte er ganz genau den immer stärker werdenden Wind pfeifen hören, ebenso wie das Peitschen der Äste und das Rascheln der Blätter der Bäume. Auch, wenn er sich innerlich ein wenig dagegen sträubte, Takeshi hatte keine Wahl. Wenn er seine Loyalität seinem Bruder und seinem Clan gegenüber unter Beweis stellen wollte, musste er Akumas Auftrag erfüllen. Heute Nacht würde er damit beginnen.

"Hallo, Takeshi!"

Als Takeshi plötzlich seinen Namen hörte, schreckte er im ersten Moment hoch, doch beruhigte er sich recht schnell wieder, als er erkannte, wer ihn gerufen hatte. Etwas zögerlich grüßte er zurück: "Oh, hallo... Kimie-dono, richtig?"

"Genau! Du kannst aber auch einfach nur 'Kimie' und natürlich 'du' zu mir sagen", antwortete Kimie mit einem freundlichen Lächeln. Unterdessen war Inuki, der sie begleitete, etwas näher an Takeshi herangetreten und beschnupperte ihn neugierig. Takeshi versuchte, sein Misstrauen zu verbergen. Sollte dieser Hund etwa am Ende doch noch herausfinden, wer er wirklich war? Aber entgegen seiner Befürchtungen blieb Inuki ruhig und ließ recht schnell wieder von Takeshi ab.

"Was ist mit dir? Hast du etwa Angst vor Hunden?", fragte Kimie, der Takeshis Unsicherheit Inuki gegenüber nicht entgangen war. Schon bei sich zu Hause hatte sie immer wieder mal erlebt, dass fremde Menschen auf Inuki aufgrund seiner Größe etwas zurückhaltend reagiert hatten, von daher kannte sie die typischen Reaktionen und Takeshi hatte eben genau die gleichen gezeigt.

Auf ihre Frage hin hob Takeshi jedoch sofort verneinend die Hände. "Ach, nein! Das ist es nicht", versuchte er zu erklären. "Es ist nur... Ich muss mich hier wohl erst noch etwas zurechtfinden, zumal ich ja so gut wie keinen hier kenne und so."

Diese Erklärung erschien Kimie im Nachhinein dann doch durchaus plausibel. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, als sie zum ersten Mal in der Sengoku-Ära gelandet war, wo sie durch ein dummes Missgeschick von Kagome und den anderen getrennt worden und letztendlich bei Sesshoumaru gelandet war. Da hatte sie sich anfangs auch etwas verloren gefühlt. Aufmunternd lächelte sie Takeshi an.

"Ach, alle sind dir hier doch nicht mehr so fremd", meinte sie. "Ich meine, du hattest schließlich bereits die Gelegenheit einige etwas besser kennen zu lernen und ich persönlich hätte auch keinerlei Problem damit, dich als meinen Freund bezeichnen zu können."

Auf diese Eröffnung hin schaute Takeshi dann doch etwas perplex drein und sein Blick wurde noch irritierte, als Kimie plötzlich ihre rechte Hand hob und ihm den kleinen Finger hinhielt.

"Ähm... Was bedeutet das?", fragte er sie ratlos, woraufhin sie ihm erklärte: "Ein Versprechen. Wenn du magst, dann verspreche ich dir hiermit, deine Freundin zu sein. Und du versprichst mir im Gegenzug, dass ich dich als meinen Freund bezeichnen kann. Und? Um zuzustimmen musst du nur deinen kleinen Finger bei meinen einhaken."

Zwar wirkte Takeshi noch immer etwas irritiert, doch hob auch er nach einem Moment seine rechte Hand und hakte seinen kleinen Finger in den von Kimie ein.

"Super!", meinte sie zufrieden. "Damit hast du schon mal einen Freund gewonnen. Und ich wette, Kagome und die anderen wären sicherlich auch gerne deine Freunde."

Noch immer entgegnete Takeshi nichts. Er schien viel zu überrascht gewesen zu sein und eben genau diese Unsicherheit und Zurückhaltung schien es gewesen zu sein, die Kimie an ihm so sympathisch fand.

"So! Jetzt möchte ich dich aber auch nicht länger aufhalten", sagte sie schließlich. "Obwohl... Ich wollte gerade zu Kagome und den anderen. Möchtest du vielleicht mitkommen?"

Doch Takeshi schüttelte verneinend den Kopf und meinte leicht lächelnd: "Nicht nötig. Ich komme gerade von ihnen und wollte mich jetzt eigentlich noch etwas ausruhen."

"Ach so. Kann ich verstehen. Na gut, also bis dann, Takeshi!"

Und damit verabschiedete sich Kimie wieder von ihm und setzte ihren Weg zusammen mit Inuki fort. Takeshi folgte dem Mädchen noch eine Weile mit seinem Blick, bis es schließlich hinter der Biegung am Ende des Ganges verschwunden war. Nachdenklich schaute er nun auf seine rechte Hand. Dieses Mädchen hatte ihm doch tatsächlich die Freundschaft angeboten und er war auch noch darauf eingegangen. Doch eigentlich konnte er dies auch gut dazu verwenden, um sich ihr Vertrauen zu sichern. Das könnte ihm einen Vorteil einbringen. Aber wollte er das überhaupt? Takeshi konnte es sich nicht so recht erklären, aber irgendwie war ihm jetzt noch mehr Unwohl bei dieser ganzen Sache. Er begann sich ernsthaft zu fragen, was genau der Grund für Akumas Hass auf die Inu-Youkai gewesen war. Letztendlich verdrängte Takeshi seine Gedanken jedoch wieder und wollte sich stattdessen auf sein eigentliches Vorhaben konzentrieren.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Unterdessen hatten sich im Schloss der Ryû-Youkai die fünf Hüter zusammen mit Akuma in einem der zahlreichen Zimmer zusammengefunden.

"Und jetzt?", fragte Rokou mit einem Gähnen, während er mit dem Rücken zur Wand auf dem Boden saß und ein wenig den Eindruck machte wie bestellt und nicht abgeholt. "Das ist ja voll öde! Wie lange sollen wir denn noch warten? Wann geht's endlich los?"

"Sei nicht immer so ungeduldig, Rokou", ermahnte Akuma ihn. "Wir werden diesen Hunden schon noch einen Besuch abstatten. Im Übrigen hattest du doch bereits deinen Spaß mit ihnen gehabt."

"Das war doch gar nichts!", widersprach Rokou und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Ich durfte denen ja nicht mal ordentlich einheizen, sondern sie nur etwas auf Trab bringen."

"Hör endlich auf, dich zu beschweren! Das tust du schließlich ständig", mischte sich Jin nun ein, setzte kurz darauf aber ein niederträchtiges Lächeln auf. "Aber es sollte mich nicht wundern, wenn du bei deiner ungestümen Art irgendwann doch mal den Kürzeren ziehen solltest, Rokou. Vielleicht sollten wir dich ja mal allein zu den Inu-Youkai schicken. Wenn wir Glück haben, sind wir dich dann schnell und unkompliziert los."

"Wie bitte?!" Sofort war Rokou aufgesprungen, jederzeit dazu bereit, Jin eine kräftige Abreibung zu verpassen, doch wurde er von Toba zurückgehalten: "Hey, Rokou! Lass es, der Typ ist es nicht wert."

Zuerst schien Rokou sich noch gegen Tobas Einwand zu sträuben, doch beruhigte er sich doch schnell wieder. Für Jin war das aber nur die ideale Gelegenheit, erneut einen herablassenden Kommentar loszuwerden: "Brüderliche Bande sind doch wirklich was Schönes, nicht wahr? Aber kriegt ihr beide eigentlich auch mal etwas hin, ohne dass einer beim anderen immer das Händchen halten muss?"

"Jin, es reicht! Hör auf mit den Sticheleien!", mahnte Renhou seinen Kameraden letztendlich, da es auch ihm so langsam zu bunt wurde. Wenngleich Jin auf Renhous Anweisung hin ein missmutiges Knurren verlauten ließ, ersparte er sich diesmal einen weiteren Kommentar. Zudem war ja auch noch Akuma anwesend gewesen. Nichts desto trotz verließ Rokou nun spürbar angefressen das Zimmer, dich gefolgt von Toba, der letztendlich die Tür hinter sich schloss.

"Nun, ich hoffe, im Ernstfall nehmt ihr euch zusammen", meinte Akuma im Nachhinein an seine übrig gebliebenen Krieger gewandt, während er das vorangegangene Geschehen eher teilnahmslos beobachtet hatte. "Ich muss mich nämlich auf euch verlassen können. Unnötige Streitereien sind fehl am Platz, wenn es in den Kampf geht. Was ihr ansonsten unter euch auszumachen habt, ist mir wiederum egal, solange unser Vorhaben dadurch nicht beeinflusst wird." Und mit diesen Worten verließ nun auch Akuma das Zimmer. Zurück blieben Renhou, Jin und Yu. Letzterer hatte die ganze Zeit mit dem Rücken zu den anderen gestanden und den Blick zum Fenster hinaus gewandt.

Jetzt drehte Yu sich jedoch zu seinen beiden Kameraden um. "Im Westen sammeln sich dunkle Wolken", sagte er ruhig. "Ein unruhige Nacht kündigt sich an. Passend zu der Atmosphäre, die hier herrscht und die den bevorstehenden Kampf ankündigt."

"Oh, mein Gott!", stöhnte Jin entnervt auf und schlug sich eine Hand an den Kopf. "Was sollen diese dämlichen Floskeln, Yu? Hör auf, so einen Stuss zu labern! Das nervt!"

Doch Yu hatte für Jins Aussage nur ein amüsiertes Lächeln übrig. "Nicht doch, Jin. Es lag nicht in meiner Absicht, dich zu nerven. Im Übrigen stört dich doch vieles, nicht wahr?"

"Ach! Ihr seid doch alle nicht mehr ganz dicht!", knurrte Jin mürrisch und ging ebenfalls zur Tür, um das Zimmer zu verlassen. Dabei ging er beim Schließen der Tür auch nicht gerade zimperlich vor.

Nachdem Jin gegangen war, warf Renhou Yu einen etwas ermüdeten Blick zu. "Hattest du etwas bestimmtes damit bezweckt?"

"Nicht unbedingt", entgegnete Yu, als wäre er die Unschuld in Person. "Aber seine mürrische Art schlägt mir aufs Gemüt. Er trägt es dir wohl immer noch nach, dass du ihn lediglich auf Platz zwei der Hüter verdrängt hast. Sicherlich wartet er nur auf den passenden Moment, um dich erneut herauszufordern."

Renhou stand dieser Sache jedoch eher passiv gegenüber. "Das ist mir gleich. Er soll machen was er will, solange er mit seinem Verhalten unsere Vorhaben nicht beeinflusst."

"Na schön. Aber sag selbst, Renhou, wie siehst du die ganze Sache?"

"Wie soll ich diese Frage verstehen?"

Yu pausierte kurz und verschränkte nachdenklich die Arme vor der Brust. "Nun, nehmen wir zum Beispiel diesen Naraku. Was genau hat er eigentlich für ein Interesse daran, wenn wir für ihn die Inu-Youkai, sowie diesen Hanyou und dieses Menschenpack beseitigen?"

Auf diese Frage hin antwortete Renhou nicht sofort. Es schien, als müsste er selbst erstmal darüber nachdenken, doch schließlich entgegnete er: "Ich weiß nur soviel, dass dieser Naraku einen tiefen Groll gegen diesen Inu Yasha hegt und das gleiche scheint in gewisser Weise auch für den Anführer der Inu-Youkai, diesen Sesshoumaru zu gelten. Außerdem spielt das Shikon no Tama dabei wohl keine unwesentliche Rolle. Genaueres weiß ich aber auch nicht."

"Und? Was meinst du zu alldem?"

"Ich sage es dir ganz ehrlich, Yu: Ich traue diesem Naraku nicht über den Weg", antwortete Renhou diesmal äußerst ernst, ohne lange gezögert zu haben. "Irgendetwas an diesem Kerl ist mehr als faul. Und ich werde das ungute Gefühl nicht los, dass er uns noch eine Menge Probleme bereiten wird."

"Hmm..." Yu senkte nachdenklich den Blick. Bisher hatte er sich eher wenig um Naraku geschert, doch spürte er ganz deutlich, dass es mit diesem Hanyou in der Tat etwas merkwürdiges auf sich hatte.

"Renhou, wenn du damit einverstanden bist, werde ich ihn unter Beobachtung halten", schlug Yu letztendlich vor. Zuerst war Renhou hinsichtlich dieses Vorschlags zwar etwas skeptisch, doch Yus Fähigkeiten würden es ihm erlauben, Naraku so überwachen zu können, dass dieser davon gar nicht mitbekommen würde. Also stimmte Renhou zu. "In Ordnung, aber sei vorsichtig. Der Kerl macht zwar auf den ersten Blick nicht unbedingt den Eindruck, aber er ist gefährlich. Das spüre ich genau. Im Übrigen sollte diese Unterhaltung wohl besser unter uns bleiben."

Yu nickte einverstanden. "Ist gut. Wie du meinst."
 

Vor dem Schloss ließ Rokou unterdessen seiner aufgestauten Wut freien Lauf.

"Argh! Ich hasse diesen arroganten Bastard!", knurrte er wütend und musste seinen Frust erstmal ein wenig dadurch abbauen, indem er mit einer Feuerattacke einen nicht unbedingt kleinen Felsen in die Luft sprengte. Das gelöste Gestein rollte wie eine kleine Lawine den Abhang des Berges hinunter.

Am liebsten hätte Rokou gleich noch mal einen draufgegeben, aber Toba zügelte seinen Bruder wieder: "Immer mit der Ruhe, Rokou! Wenn du so weitermachst, begräbst du noch das Schloss unter einem Haufen Steine und außerdem kennst du Jin doch. Er war schließlich schon immer so ein streitsüchtiger Typ. Das sieht man ja besonders im Bezug auf Renhou immer wieder mal."

"Ist mir egal! Trotzdem hasse ich ihn!", konterte Rokou und verschränkte mürrisch die Arme vor der Brust.

"Ach, komm! Jetzt hab dich doch nicht so, Brüderchen!", meinte Toba aufmunternd und wuschelte seinem Bruder einmal kräftig durch die roten Haare. Dabei löste er jedoch unbeabsichtigt Rokous weißes Stoffband, welches er um seinen Kopf gebunden hatte. Es fiel auf Rokous Schultern und seine Haare hingen ihm nach dieser Aktion ziemlich wirr im Gesicht herum.

"Argh! Na, vielen Dank auch, Toba!", beschwerte sich Rokou und machte sich sogleich daran, seine Haare wieder zu bändigen. Toba hatte für sein kleines Missgeschick jedoch nur eine kleine Entschuldigung und ein amüsiertes Lächeln übrig, ehe er ein wenig seinen Blick schweifen ließ. Dabei entdeckte er schon recht bald etwas, was sofort seine volle Aufmerksamkeit genoss.

"Oh! Wen haben wir denn da?"

"Hm?" Rokou folgte dem Blick seines Bruder und erspähte sogleich etwas weiter entfernt auf einem Felsen Kagura. "Ach, die schon wieder", meinte er nur recht unbeeindruckt und warf einen prüfenden Blick auf Toba. "Willst du es etwa noch mal versuchen?"

"Nun, wer nicht wagt, der nicht gewinnt", meinte Toba mit einem Zwinkern. "Also, du entschuldigst mich doch sicherlich einen Augenblick, nicht wahr, Rokou? Bis nachher!" Und damit flog er auch schon auf direktem Weg zu Kagura.

Rokou schaute ihm noch einen Moment lang nach. "Du Schürzenjäger... Du wirst dich wohl nie ändern", seufzte er müde auf, ließ seinen Bruder jedoch ohne Widerworte ziehen. Das war schließlich bei weitem nicht das erste Mal gewesen, dass er so was erlebt hatte.

Und so konnte sich Toba ungestört auf den Weg zu Kagura machen. Kaum war er auf angemessene Hörweite an sie herangekommen, grüßte er sie auch sogleich: "Einen schönen guten Tag, Kagura-dono! Heute wieder mal allein? Ihr scheint es wohl vorzuziehen, mehr für Euch selbst zu sein, nicht wahr?"

Zwar hatte Kagura schon vor dieser Anrede mitbekommen, dass sich Toba ihr wieder mal genähert hatte, doch auch jetzt ließ sie sich nicht dazu herab, sich zu ihm umzudrehen oder gar mit ihm zu sprechen. Nach wie vor zeigte sie ihm nur die kalte Schulter. Aber Toba wäre wohl nicht Toba gewesen, hätte er sich davon abschrecken lassen.

"Ach, nun kommt schon!", versuchte er weiter ein Gespräch mit Kagura anzuzetteln. "So unsympathisch kann ich doch nun wirklich nicht sein, dass Ihr mich immer so eiskalt abblitzen lasst."

Und tatsächlich schien Kagura nun endlich zu reagieren, allerdings etwas anders, als vielleicht gedacht. "Dafür, dass du dich mir noch nicht einmal vorgestellt hast, nimmst du dir ganz schön viel heraus, findest du nicht?", fragte sie den Ryû-Youkai kühl. Natürlich kannte Kagura Tobas Namen schon längst, da sie ihn mal zufällig aufgeschnappt hatte, aber dass er sich ihr noch nicht direkt vorgestellt hatte, entsprach der Wahrheit. Diese Tatsache schien Toba selbst bisher jedoch entfallen zu sein.

"So? Habe ich mich Euch wirklich noch nicht vorgestellt?", fragte er verdutzt zurück und kratzte sich leicht am Kopf. "Na so was, das ist mir jetzt aber wirklich unangenehm. Aber dann hole ich das eben schnell nach. Also, mein Name ist Toba. Und? Wieder zufrieden gestellt?" Und da war es wieder gewesen; dieses amüsierte Lächeln. Aber Kagura hatte noch immer diesen kühlen Blick aufgesetzt. Fragend zog Toba eine Augenbraue hoch. "Was denn? Gibt es etwa noch etwas, was Euch stört?"

"In der Tat", antwortete Kagura und kehrte ihm wieder den Rücken zu. "Zum Beispiel die Tatsache, dass du mir ständig auflauerst und mich beobachtest."

"Oh! Ihr scheint da etwas falsch zu verstehen", versuchte Toba die Dämonin zu besänftigen und wagte es nun, sich mit gut zwei Metern Abstand an ihre Seite zu gesellen. "Ich tue das nicht, weil ich Euch belästigen will, oder dergleichen. Ich möchte Euch lediglich etwas genauer kennen lernen, Kagura-dono."

Prüfend wandte Kagura ihren Blick wieder zu dem Ryû-Youkai um. Sie wusste ehrlich gesagt nicht so ganz, was sie von seinem Verhalten halten sollte. Toba gab ihr schon irgendwie einige Rätsel auf und das nicht nur, wegen seiner Hartnäckigkeit, was ihr gegenüber anbelangte.

"Hast du denn nichts besseres zu tun?", fragte Kagura den Ryû-Youkai schließlich kühl.

Dieser verschränkte die Arme hinter dem Kopf und erwiderte: "Nicht wirklich. Zumindest hat Akuma-sama mir und meinen Kameraden noch keine genauen Anweisungen erteilt."

"Hm!" Wieder wandte Kagura sich ab. Toba jedoch hatte sein Augenmerk weiterhin auf sie gerichtet. Seine Blicke konnte Kagura förmlich in ihrem Nacken spüren und das trieb sie irgendwann auf die Spitze.

"Es reicht!", mahnte sie ihn. "Starr mich gefälligst nicht so an! Mal abgesehen davon, dass so was nicht gerade höflich ist, stört es mich zudem sehr."

"Das bedaure ich sehr", entschuldigte sich Toba gelassen. "Ich kann Euch guten Gewissens versichern, dass ich Euch sicherlich nichts schlechtes will, Kagura-dono. Aber sei es drum, wenn es Euer Wunsch ist, dann lasse ich Euch erst mal wieder etwas allein."

Völlig unvorhergesehen für Kagura, nahm Toba auf einmal ihre rechte Hand und gab ihr auf diese einen leichten Kuss. Sie war so überrascht gewesen, dass sie nicht mal mehr etwas auf Tobas Abschiedsgruß erwidern konnte, den er ihr noch zurief, ehe er wieder davonflog. Sie folgte ihm nur stumm mit ihrem Blick, bis er aus ihrer Sicht verschwunden war. Irgendwie war das eigenartig gewesen. Noch nie hatte Kagura erlebt, dass sich ihr jemand auf so eine Art und Weise genähert hatte.

"Mir scheint, dieser Toba hat Gefallen an dir gefunden, Kagura."

Erschrocken fuhr Kagura leicht hoch, nachdem sie auf einmal diese Stimme vernommen hatte. Als sie sich umdrehte, entdeckte sie Naraku unweit von sich selbst auf einem der Felsvorsprünge stehen. Er beobachtete sie mit seinem typisch hinterhältigen Blick. Kagura versuchte, diesem standzuhalten und sich nichts anmerken zu lassen.

"Was, wenn es so wäre?", fragte sie nur kühl auf Narakus zuvor geäußerten Satz zurück.

Der Hanyou setzte ein scheinheiliges Lächeln auf. "Nichts. Es ist mir nur aufgefallen. Ich hoffe doch allerdings sehr für dich, dass du nicht mit dem Gedanken spielen wirst, seine Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen und mich ein weiteres Mal zu hintergehen."

Sogleich bemerkte Naraku Kaguras leicht erschrockenen Gesichtsausdruck. Die Dämonin wandte den Blick von ihm ab und entgegnete: "Nein, ich habe nichts dergleichen in Erwägung gezogen. Ich sagte es dir doch schon mal, Naraku, ich werde keine Alleingänge mehr machen."

"Hm! Nun gut, solange du deine eigenen Worte auch nichts vergisst", meinte Naraku und Kagura hatte ganz deutlich diesen niederträchtigen Unterton in seiner Stimme heraushören können. Dann wurde es jedoch mit einem Mal merkwürdig ruhig und als Kagura sich wieder umdrehte, erkannte sie, dass Naraku inzwischen wieder verschwunden war. Ein spürbares Gefühl von Erleichterung zog bei der Dämonin ein. Seit sie schon einmal versucht hatte, Naraku zu hintergehen, hatte sie ständig das Gefühl, er säße ihr mit seinen beobachtenden Blicken fast ständig im Nacken. Da war es regelrecht eine Erlösung für Kagura gewesen, wenn sie mal nicht unmittelbar in seiner Nähe gewesen war. Und da sich naraku meist im Schloss der Ryû-Youkai aufhielt, zog Kagura es stattdessen vor, möglichst viel Zeit außerhalb von diesem zu verbringen. Hier konnte sie wenigstens etwas für sich sein und musste nicht ständig Narakus Gegenwart ertragen. Doch seine Worte gaben ihr zu denken. Es stimmte, bisher hatte sie es wirklich nicht in Erwägung gezogen, eventuell Tobas Hilfe in Anspruch zu nehmen und diesen Gedanken verwarf sie nun auch sehr schnell wieder. Es wäre zu riskant gewesen, auf diese Weise erneut zu versuchen, sich Narakus Einfluss zu entziehen. Scheinbar konnte Kagura von daher wirklich nur abwarten. Vielleicht hatte sie ja Glück und Narakus Zeit würde ohnehin bald ihrem Ende entgegengehen. Fragte sich nur, wann das sein würde...
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Die Nacht hatte inzwischen schon seit geraumer Zeit Einzug gehalten und der Sturm, der sich Stunden zuvor bereits angekündigt hatte, tobte nunmehr mit voller Stärke. Man konnte ganz deutlich die Massen an Regentropen hören, die immer wieder von draußen gegen die geschlossenen Türen schlugen, ebenso wie das Peitschen der Äste der zahlreichen Bäume.

So langsam aber sicher wurde es Kimie zu bunt. Jedes Mal, wenn sie ein wenig im Halbschlaf gewesen war, schreckte sie ein erneutes Donnern wieder auf, wenn es nicht gerade mal das ununterbrochene Prasseln der Regentropfen war. Allmählich überwog der Frust gegenüber der Müdigkeit.

"Na, das ist ja vielleicht ein Wetter...", murmelte Kimie trocken in sich hinein, und auch Inuki schien das Einschlafen heute sichtlich schwer zu fallen. Mit jedem neuen Donner bewegten sich seine Ohren dementsprechend, wenngleich er ansonsten in typischer Schlafposition auf dem Boden neben Kimie lag. Nach einer Weile galt Inukis Aufmerksamkeit jedoch der Zimmertür und er erhob seinen Kopf.

"Was ist los, Inuki?", fragte Kimie sogleich und wandte ihren Blick ebenfalls zur Tür. Im kurz aufkommenden Licht eines Blitzes konnte sie ganz deutlich einen Schatten an dieser wahrnehmen. Langsam setzte sie sich auf. "Hallo? Ist da jemand an der Tür?"

Es dauerte noch ein paar Sekunden, doch dann öffnete sich die Schiebetür langsam und ein schüchterner Blick spähte in das Zimmer hinein.

"Rin! Was ist los?", fragte Kimie verdutzt über das Auftauchen des kleinen Mädchens, das den Blick leicht senkte.

"Das Gewitter...", murmelte Rin leise und Kimie war alles klar gewesen.

"Wie sieht's aus? Möchtest du heute Nacht hier bleiben?", fragte sie Rin mit einem Lächeln, die sofort wieder fröhlich war.

"Au ja!"

Erfreut lief das kleine Mädchen nun zu Kimie und schlüpfte zur ihr unter die Decke. Kimie kannte so ein Verhalten noch selbst von sich, als sie klein gewesen war. Da war sie bei Gewittern auch gerne immer wieder zu ihren Eltern ins Bett gekrochen. Dann war ihr das Einschlafen mit einem Mal wieder ganz leicht gefallen und so schien es auch Rin zu gehen, denn es dauerte keine fünf Minuten, da waren die Atemzüge des kleinen Mädchens schon ruhig und gleichmäßig. Sie war eingeschlafen. Auch Kimie versuchte nun wieder, ihrerseits etwas Schlaf zu finden, aber dabei ging es ihr nicht viel besser, als bei ihren vorangegangenen Versuchen.

"Ich krieg' hier noch 'ne Macke, wenn das so weitergeht...", seufzte sie irgendwann entnervt auf und warf einen Blick auf Rin. Doch diese schlief nach wie vor in aller Seelenruhe. Ein bisschen neidisch war Kimie zugegebenermaßen schon. "Na ja, zumindest schläft einer von uns..."

Ihr selbst und Inuki blieb wohl nichts anderes übrig, als weiterhin ihr Glück mit dem Einschlafen zu versuchen. Was sollten sie auch sonst tun?
 

Aber nicht nur Kimie und Inuki waren um diese Zeit noch wach gewesen. Auch Tôya schlief noch nicht, doch hing das weniger mit dem draußen tobenden Sturm zusammen, als vielmehr mit der Tatsache, dass er schlicht und einfach nicht müde gewesen war. Zudem machte er sich noch so seine Gedanken, was den bevorstehenden Kampf anbelangte. Lange würde es sicherlich nicht mehr dauern, dann würde erneut die alte Feindschaft zwischen den Inu-Youkai und den Ryû-Youkai wie schon vor 1000 Jahren in den westlichen Länder zu spüren sein. Wie würde der Kampf diesmal ausgehen? Vieles war jetzt schließlich anders: Inu no Taishou war nicht mehr da, ebenso wenig wie der ehemalige Anführer der Ryû-Youkai. Doch diese hatten dafür nunmehr die fünf Hüter in ihren Reihen. Inwiefern würde das den Ryû-Youkai wohl einen Vorteil bringen?

Irgendwann entwich Tôya ein leichtes Seufzen. Vielleicht machte er sich einfach zu viele Gedanken um diese Sache. Gerade wollte er sich nun doch noch zur Nachtruhe zurückziehen, als er jedoch ein Klopfen an der Tür vernahm. Tôya war zwar überrascht, ging aber dennoch zu dieser hin, um sie zu öffnen. Wen er allerdings vorfand, irritierte ihn dann doch sehr. "Du? Was führt dich denn hierher?"

Doch ohne ein Wort zu sagen, erhob der Besucher nur seine rechte Hand und berührte mit dessen Zeigefinger Tôyas Stirn. Bevor der Inu-Youkai überhaupt reagieren konnte, war es schon zu spät gewesen.
 

Auch Ashitaka konnte in dieser Nacht irgendwie keinen Schlaf finden. Ob dies nun am ständigen Donnern des Gewitters lag, wusste er selbst nicht so genau, aber so schlug er die Zeit eben damit tot, ein wenig seinen Gedanken nachzuhängen. Er saß in seinem Zimmer mit dem Rücken an die Wand gelehnt und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Ab und zu schweifte sein Blick in Richtung der Tür, die zur Veranda hinausführte. In unterschiedlichen Abständen wurde der Raum durch einen hellen Blitz ein wenig erleuchtet, stets gefolgt von einem dazugehörigen Donnern.

Ashitakas Aufmerksamkeit richtete sich schließlich jedoch auf die Eingangstür zu seinem Zimmer. Für ihn war unschwer zu erkennen gewesen, dass jemand davor stand, und genau dieser Jemand öffnete nun die Schiebetür und betrat das Zimmer. Danach schloss er die Tür hinter sich wieder.

"Tôya? Was machst du denn hier? Ist etwas passiert?" Ashitaka war wirklich mehr als überrascht gewesen. Nicht nur wegen Tôyas recht spätem Auftauchen in seinem Zimmer, sondern auch wegen der Tatsache, dass Tôya komplett ausgestattet mit seiner Rüstung und seinen Waffen vor dem Jüngeren stand. Und genau eine dieser Waffen, nämlich sein Naginata, zog Tôya nun hinter seinem Rücken hervor, während er sich allmählich dem Jüngeren näherte.

"Hm? Tôya?" Noch immer konnte sich Ashitaka keinen Reim auf das Verhalten seines Freundes machen, bis dieser plötzlich und völlig unvorhergesehen mit seiner Waffe zuschlagen wollte. Ashitaka hatte vor lauter Überraschung gerade noch so ausweichen können.

"Hey! Sag mal, Tôya, bist du verrückt geworden?! Was soll das werden?!" Doch anstatt auf diese Fragen zu antworten, griff Tôya Ashitaka sogleich erneut an. Ashitaka griff sich daraufhin seine Schwert, ließ es jedoch in der Scheide stecken und setzte diese wiederum lediglich zur Abwehr des gegnerischen Schlages ein. Ein Blick in Tôyas Augen reichte ihm, um festzustellen, dass sein Freund keinesfalls von sich heraus anzugreifen schien. Sein Blick war merkwürdig leer gewesen und gleichzeitig auch so ungewohnt kalt.

"Tôya! Komm wieder zu dir! Das bist nicht du! Hör auf damit!", versuchte Ashitaka daher auf ihn einzureden, blieb allerdings erfolglos. Tôya brach seinen Angriff nicht ab und schien auch sonst vollkommen taub für die Worte seines Freundes gewesen zu sein. Er ließ nur für einen Augenblick von Ashitaka ab, um seine Waffe angriffsbereit zu erheben. Ashitakas Blick war wie starr auf Tôyas Naginata gerichtet, das nur Sekundenbruchteile später erneut auf ihn herabsauste.

"Nein! Halt, Tôya!!"

Begleitet von einem von draußen zu hörenden lauten Donnern spürte Ashitaka kurz darauf, wie er einen Schlag abbekam und nachdem es für ein paar Sekunden so schien, als wäre die Zeit stehen geblieben, spürte er ganz deutlich, wie ihm warmes Blut die linke Wange hinunterlief. Lediglich ein Ausweichmanöver in letzter Sekunde hatte Schlimmeres verhindert. Doch scheinbar gänzlich unbeeindruckt von diesem Fehlschlag wandte sich Tôya sogleich wieder Ashitaka zu. Dieser wusste beim besten Willen nicht, was er jetzt tun sollte. Mit einem beinahe schon hilflosen Blick schaute er auf sein eigenes Schwert, welches er noch in der Hand hielt. Sollte er es wirklich ziehen und gegen Tôya kämpfen?

"Was soll ich nur tun...?", fragte sich Ashitaka verzweifelt, während er flehend zu Tôya zurückschaute. "Tôya... Bitte zwing mich nicht dazu. Zwing mich nicht dazu, gegen dich zu kämpfen!"
 

Von dem Zimmer, das ihm während seines Aufenthaltes zur Verfügung gestellt worden war, steuerte Takeshi das Geschehen unbemerkt von allen anderen. Obwohl er Gebrauch von seinen dämonischen Fähigkeiten machte, konnte er seine Aura weiterhin verbergen, so dass keiner auf die Idee kam, er hätte etwas mit Tôyas Verhalten zu tun gehabt.

>Wenn du schlau bist, dann wehrst du dich ohne Rücksicht auf Verluste. Ansonsten dürfte es böse für dich enden. Entweder du oder er<, dachte Takeshi, während er das weitere Geschehen, wie es eventuell weitergehen könnte, schon mal gedanklich durchdachte. Sollte sich Ashitaka dem Kampf mit Tôya stellen, hatte er durchaus die Chance, da noch mit heiler Haut herauszukommen, sofern er sich dazu durchringen würde, gegen seinen Freund zu kämpfen. Verteidigte er sich jedoch nicht, sah es schlecht aus für ihn. Die Entscheidung lag letztendlich bei Ashitaka. Doch würde er wirklich das Schwert gegen Tôya erheben können?

Konfrontation

Nachdem sie es nach einigen Mühen endlich geschafft hatte, ein wenig Schlaf zu finden, wurde Kimie auch schon wieder geweckt, diesmal jedoch von Inukis feuchter Nase, welche er immer wieder gegen ihre Wange stupste. Zuerst reagierte Kimie darauf nur mit mürrischem Gemurmel und versuchte ständig, sich irgendwie wegzudrehen, doch Inuki fand immer wieder einen neuen Weg, sie zu stören. Schließlich öffnete das Mädchen verschlafen die Augen.

"Was... Inuki? Was ist denn los...? Es ist doch noch mitten in der Nacht... und ich habe es eben erst geschafft, endlich einzuschlafen...", murmelte Kimie gähnend, als Inuki nun auch noch damit begann, an ihrer Decke zu kratzen. Dann lief er zur Schiebetür, die auf die Veranda hinausführte und kratzte auch an dieser. Kimie war nun doch etwas verwundert und raffte sich dazu auf, aufzustehen und nachzusehen, ob es draußen eventuell irgendetwas gab, was ihren Hund beunruhigte. Als sie die Tür einen Spalt weit geöffnet hatte, drang auch ein wenig Regen in das Zimmer. Aber Kimies Aufmerksamkeit galt schon kurz darauf vollends dem merkwürdigen Geschehen auf dem Hof. "Was zum Teufel...?!"

Kimie wollte ihren Augen nicht trauen. Auf dem Hof standen sich doch allen Ernstes Ashitaka und Tôya gegenüber... und sie schienen gegeneinander zu kämpfen! Wobei die Initiative zumeist von Tôya ausging, der Ashitaka immer wieder auf 's Neue angriff, während dieser stets nur auszuweichen schien.

"Was ist bloß los? Drehen die hier jetzt alle langsam vollkommen durch?!" Kimie schloss die Schiebetür wieder und schnappte sich ihre Klamotten. In aller Eile zog sie sich um, so dass sie kaum eine halbe Minute später wieder normal angezogen war.

"Inuki, bleib hier bei Rin!", wies Kimie ihren Hund noch an, ehe sie hastig ihr Zimmer verließ. Rin hatte von der ganzen Aufregung nichts mitbekommen. Sie schlief nach wie vor tief und fest. Inuki legte sich auf Kimies Anweisung hin an die Seite des kleinen Mädchens, während Kimie selbst sich auf den Weg in den obersten Stock machte. Im Dunkeln wäre sie dabei jedoch beim Stolpern über einer der Stufen fast der Länge nach auf die Treppen gefallen, hatte dies aber noch gerade so vermeiden können. So stand sie letztendlich genau vor Sesshoumarus Zimmer und machte sich diesmal nicht mal mehr die Mühe, überhaupt noch anzuklopfen. Stattdessen riss sie gleich die Tür auf und rief: "Sesshoumaru! Wir haben ein Problem! Ashitaka und Tôya sind..."

"Ich weiß. Ich habe es schon bemerkt", kam aus dem dunklen Zimmer bereits die Antwort, noch bevor Kimie hatte aussprechen können. Da bemerkte sie, dass Sesshoumaru bereits an der Tür zur Veranda stand und den Blick auf den Hof gerichtet hatte. Er beobachtete das Geschehen schon seit einiger Zeit.
 

"Tôya, hör bitte damit auf! Wach wieder auf!"

Immer wieder versuchte Ashitaka auf Tôya einzureden, während er immer wieder dessen Attacken auswich, doch es schien alles nichts zu nützen. Zuvor hatte es Ashitaka gerade mal so geschafft über die Veranda aus seinem doch eher beengten Zimmer zu kommen und den Kampf zumindest nach draußen zu verlagern, wo zumindest mehr Platz vorhanden war. Aber kämpfen wollte er immer noch nicht. Nach wie vor ließ Ashitaka sein Schwert in der Schwertscheide und versuchte stattdessen immer wieder Tôya mit Worten zu erreichen. Seine Stimme vermischte sich dabei mit den immer wiederkehrenden Donnern des tobenden Sturms. Und das Geschehen blieb auch von so manchem anderen Bewohner des Schlosses nicht lange unbemerkt.

"Manno... Was soll denn dieser Krach?", fragte nun ein ziemlich müde gähnender Inu Yasha, der soeben die Tür zur Veranda geöffnet hatte und blinzelnd hinausspähte. Und auch seine Freunde und so mancher der Inu-Youkai bekamen nun mit, was sich gerade zwischen Ashitaka und Tôya abspielte, doch so richtig begriffen schien das noch keiner wirklich zu haben. Mürrisch rief Inu Yasha den beiden zu: "Hey! Ihr zwei übertönt ja sogar das Unwetter. Wenn ihr Zoff habt, dann regelt das doch gefälligst leise!"

"Irgendetwas stimmt nicht mit Tôya!", rief Ashitaka den anderen zu und weiter kam er auch gar nicht mehr, da er einem erneuten Schlag von Tôyas Naginata ausweichen musste. Und da begriff so ziemlich jeder, dass an dieser Sache etwas gehörig faul war.

"Nii-sama! Was ist denn plötzlich in dich gefahren?! Hör doch bitte auf!", rief Miyuki ihrem Bruder zu, nachdem sie über die Veranda vor ihrem Zimmer, welches sich im ersten Stock befand, auf den Hof gesprungen war. Sie wollte sich einmischen, aber Ashitaka hielt sie sofort zurück: "Nicht, Miyuki-chan! Bleib weg!"

Reflexartig blieb Miyuki daher wie angewurzelt auf der Stelle stehen. Sie wusste beim besten Willen nicht, was sie jetzt machen sollte und da war sie nicht die Einzige gewesen.

"Was ist denn mit Tôya los? Warum greift er Ashitaka an?", fragte sich Shippou verängstigt und blickte fragend zu Kagome hoch, doch diese konnte dem kleinen Kitsune darauf keine Antwort geben.

"Hey, du Idiot! Lass den Scheiß!", rief Inu Yasha schließlich, als Tôya gerade Anstalten machte, erneut auf Ashitaka loszugehen. Doch der Hanyou hatte ihn kaum erreicht, da drehte sich Tôya entsprechend zu ihm um und schlug mit seiner Waffe nunmehr nach Inu Yasha. Dieser Attacke hatte er noch ausweichen können, aber da wollte Tôya ihn schon erneut angreifen.

Inu Yasha hatte Tessaiga gezogen, um den folgenden Angriff abzublocken. Nachdem er das erfolgreich geschafft hatte, wollte er zum Gegenschlag ausholen, doch da drang die aufgeregte Stimme von Kagome an sein Ohr: "Nein, Inu Yasha! Du darfst nicht gegen ihn kämpfen!"

Abrupt hielt Inu Yasha in seiner Bewegung inne und brach den Gegenangriff ab. Er wusste ja selbst, dass er eigentlich nicht gegen Tôya kämpfen sollte, aber irgendwie musste er sich schließlich auch wieder verteidigen. Dem nächsten Schlag seines Gegners wich der Hanyou nunmehr aber nur mit einem Sprung aus.

"Scheiße! So ein verdammter Mist!", fluchte Inu Yasha, der mit seinem Latein allmählich auch am Ende gewesen war. Wie sollte man Tôya denn sonst aufhalten? Die Antwort auf diese Frage stellte sich nicht ein. Es schien, als wären sie alle vollkommen machtlos gewesen.

Unterdessen hatte sich Tôya wieder Ashitaka zugewandt. Erneut erhob er seine Waffe, dessen Klinge durch einen vom Himmel herabsausenden Blitz kurz aufblitzte.

Ashitaka versuchte noch immer, seinen Freund aufzuhalten. "Tôya! Bitte hör auf!!"

"Aufhören! Hör bitte auf, Nii-sama!!", flehte auch Miyuki ihren Bruder an, aber es schien alles sinnlos gewesen zu sein. Tôya war gerade dabei, seine Waffe wiederholt auf Ashitaka niedersausen zu lassen.

"Tôya!", hallte mit einem Mal die Stimme Subarus über das Geschehen hinweg, gefolgt von einem zischenden Geräusch. Kurz darauf schlug ein Pfeil Tôya seine Waffe aus der Hand, so dass diese einige Meter entfernt mit der Klinge im Boden stecken blieb. Von seinem Zimmer aus dem ersten Stock aus hatte Subaru den rettenden Pfeil abgeschossen, sprang nunmehr aber über das Geländer der Veranda auf den Hof.

"Tôya! Komm wieder zu dir!", rief er seinem Kameraden zu, doch dieser reagierte auch in diesem Fall genauso wie schon zuvor; es schien, als wäre er taub für alles gewesen. Zudem schien der Verlust seines Naginatas Tôya kein bisschen zu beeinflussen. Stattdessen zog er nun sein Schwert, welches er an der linken Seite seines Körpers trug und wandte sich wieder Ashitaka zu. Dieser trat einen Schritt zurück. In diesem Moment öffneten sich die Eingangstüren des Schlosses und Sesshoumaru betrat zusammen mit Kimie die Bildfläche. Einen kurzen Moment lang war es, als stünde das Geschehen still.

"Sesshoumaru! Tu doch bitte etwas!", bat Kimie den Youkai eindringlich. "Halte Tôya auf, bevor er Ashitaka etwas antut!"

Zwar hatte Kimie selbst überhaupt keine Ahnung gehabt, wie man Tôyas Tun hätte Einhalt gebieten können, aber irgendetwas mussten sie doch schließlich tun können. Aber zu Kimies eigener Verwunderung wirkte Sesshoumaru irgendwie unschlüssig. Sicher, hätte es sich bei Tôya um irgendeinen Feind gehalten, hätte es klar auf der Hand gelegen, dass Sesshoumaru ihn ohne großes Zögern gleich angegriffen hätte, aber wie verhielt es sich bei einem seiner eigenen Leute? Zumal handelte Tôya ganz offensichtlich nicht aus freien Stücken, was die ganze Situation nur noch komplizierter machte. Und Tôya war nunmehr wiederum dabei gewesen, Ashitaka anzugreifen.

"Tôya, hör doch bitte endlich damit auf!", flehte Ashitaka erneut, aber es brachte wieder nichts. Vor den Augen der anderen griff Tôya seinen Freund erneut an und wieder wich Ashitaka dem Angriff lediglich aus, anstatt sich zu wehren. Diesmal jedoch fiel er bei diesem Manöver nach hinten zu Boden und war einem weiteren Angriff praktisch ausgeliefert. Ashitaka hatte kaum aufgesehen, da sah er schon, wie Tôya zum erneuten Schlag ausholte.

Miyukis entsetzter Schrei durchdrang die Nacht: "Nein! Aufhöreeeen!!"

Zeitgleich zerriss ein greller Blitz, gefolgt von einem lauten Donnern die Luft.

Ashitaka hatte die Augen zugekniffen, doch der erwartete entscheidende Schlag mit aus, stattdessen hatte er nur ein merkwürdiges Geräusch links neben seinem Gesicht vernommen. Als er seine Augen daraufhin langsam wieder öffnete, steckte die Klinge von Tôyas Schwert keine drei Zentimeter neben Ashitakas Gesicht im Boden.

"Tôya...?" Ashitakas Blick wanderte zu Tôya hoch, der über dem Jüngeren kniete und den Griff dabei immer noch fest um sein Schwert geschlossen hielt. Aber etwas war eigenartig gewesen.

"Ashitaka... Hau ab!", hörte Ashitaka seinen Freund mit einem Mal sagen, wenn auch nur sehr leise, als kämen ihm diese Worte nur mühsam über die Lippen. Tôyas Hände zitterten, als versuchte er mit aller Kraft, die Klinge seines Schwertes im Boden zu halten, damit er es nicht erneut erheben konnte.

"Tôya..." Ashitaka wusste jetzt mit Gewissheit, dass das wahre Wesen seines Freundes nicht komplett verschwunden war. Es war noch da, aber es schien sehr schwach zu sein. Und Tôya schien das selbst in seinem Inneren zu ahnen.

"Du sollst verschwinden! Los!!", wies er Ashitaka daher nochmals energisch an, ehe er sein Schwert doch wieder aus dem Boden zog und sich aufrichtete. Diese Gelegenheit nutzte Ashitaka, um mit einem Satz davon zu springen, aber es schien nicht so gewesen zu sein, dass Tôya ihn erneut hatte angreifen wollen. Vielmehr wirkte es so, als kämpfte er in seinem Inneren gegen einen unsichtbaren Gegner, der ihn zu leiten versuchte. Er ließ seine Waffe fallen, aber als würde ein anderer ihn steuern, wollte er sie sogleich wieder aufheben, sträubte sich aber ganz offensichtlich mit aller Kraft dagegen.
 

>Er wehrt sich. Hm...<

Dass sich Tôya letztendlich doch gegen die Magie des Ryû-Youkai zu wehren versuchte, erstaunte Takeshi in einem gewissen Sinne. Wie es aussah, musste er etwas mehr darin investieren, dass er den Inu-Youkai weiterhin unter Kontrolle halten konnte. Also verstärkte er seine Magie nun, um sich wieder die Oberhand über Tôya zu sichern.
 

"Tôya..." Ashitaka machte einen Schritt auf seinen Freund zu, als dessen Augen plötzlich rot aufglühten und ihn erfassten. Zeitgleich hatte Tôya sein Schwert wieder an sich genommen. Es würde also wieder von vorne losgehen.

Hastig wandte sich Kimie erneut an Sesshoumaru: "Sesshoumaru! Bitte tu...!"

Doch sie brach mitten im Satz ab. In diesem Moment bekam sie nämlich mit, wie sich der Blick von Sesshoumaru mit dem von Subaru kreuzte. Kimie konnte es sich nicht erklären, aber ihr war so, als ob Sesshoumaru ihm praktisch durch den bloßen Augenkontakt einen Befehl erteilte; den Befehl, Tôya aufzuhalten, koste es, was es wolle. Und ihre Vermutung schien sich zu bestätigen, als Subaru nun einen Pfeil aus seinem Köcher entnahm, den er sogleich auf Tôya richtete. Auch die anderen schienen diese Geste gleich ganz genau deuten zu können.

Entsetzt ergriff Kimie Sesshoumaru am Arm. "Sesshoumaru! Das kannst du doch nicht wirklich zulassen wollen!? Du kannst Tôya doch nicht einfach töten lassen!?"

Aber all ihren Einwänden zum trotz ergriff Sesshoumaru nun seinerseits das Wort: "Es gibt nur die Wahl zwischen Ashitaka oder Tôya. Welchem von beiden würdest du unter den gegebenen Umständen den Vorzug gewähren?"

"Aber... Das kann doch nicht die Lösung sein!" Kimie war entsetzt. Sie glaubte, sie habe sich verhört, aber das hatte sie nicht. Sesshoumaru hatte seine Entscheidung getroffen, doch ausgerechnet Subaru, der seine Anweisung ausführen sollte, wirkte unschlüssig. Das fiel insbesondere Kagome auf, denn Subaru hielt Pfeil und Bogen nicht mit der gewohnten Ruhe und Konzentration, sondern schien von starken Zweifeln geplagt zu sein. Ob er wirklich auf Tôya schießen würde?

In diesem Moment holte Tôya zum erneuten Angriff auf Ashitaka aus. Miyuki konnte nicht länger hinsehen und drehte sich vom Geschehen weg. Doch weder hörte sie, wie Tôya sein Schwert schwang, noch wie Subaru seinen Pfeil abschoss. Stattdessen ertönte nur der helle Klang zweier aufeinander treffender Klingen. Sofort hatte Miyuki wieder hingesehen und wurde wie die anderen Augenzeuge, wie Subaru sich schützend vor Ashitaka gestellt hatte und mit seinem Schwert Tôyas Schwert abgeblockt hatte. Pfeil und Bogen hatte er zuvor aus der Hand gelegt. Entgegen Sesshoumarus Anweisung wollte er versuchen, Tôya auf einem anderen Weg zu stoppen.

"Verdammt noch mal! Jetzt komm endlich wieder zur Vernunft, du Idiot!", brüllte Subaru seinen Kameraden an und stieß ihn von sich fort. Jetzt waren es Tôya und Subaru, die wie auf Leben und Tod gegeneinander kämpften. Aber auch Subaru versuchte dabei stets, Tôya nicht zu verletzen, sondern konzentrierte sich mehr auf die Abwehr seiner Attacken. Doch auf die Dauer war das keine Lösung. Tôya schien nicht mehr aufzuhalten gewesen zu sein.

Kimie konnte sich dass ganze bald nicht mehr länger mit ansehen.

"Das ist doch kompletter Wahnsinn! Hört doch bitte auf zu kämpfen!", rief sie flehend und mit aller Kraft. Da hielten sowohl Tôya, als auch Subaru mit einem Mal in ihren Kampfhandlungen inne. Etwas verdutzt trat Subaru einen Schritt zurück, denn Tôya wirkte plötzlich wie benommen. Kurz darauf glitt ihm sein Schwert aus der Hand, ehe er scheinbar das Bewusstsein verlor und nach vorne fiel. Bevor er jedoch auf dem Boden aufkam, hatte Subaru ihn noch auffangen können.

"Ist es... vorbei?", fragte Sango verunsichert, während Ashitaka und Miyuki nun zu Subaru und Tôya eilten. Letzterer kam allmählich wieder zu Bewusstsein.

"Nii-sama?" Miyuki blickte ihren Bruder fragend an, der, nachdem er seine Augen wieder geöffnet hatte, erst einmal um sich schaute, ehe er etwas sagen konnte: "Was... Was ist passiert? Was habe ich getan?"

Und als ob er ahnte, dass er beinahe etwas schlimmes getan hätte, schaue Tôya nun Ashitaka an. Dessen Verletzung an der linken Wange entging dem Älteren natürlich nicht, doch bevor er etwas dazu sagen konnte, schüttelte Ashitaka mit einem Lächeln den Kopf. "Keine Sorge. Es ist alles wieder in Ordnung, Tôya."
 

Ein einziges Schnippen mit dem Finger hatte gereicht und Takeshis Zauber war gebrochen und Tôya somit wieder frei. Von draußen konnte er im Nachhinein ganz genau die Stimmen der anderen hören, die noch darüber rätselten, was mit Tôya los gewesen war. Natürlich hätte Takeshi ihn auch noch so lange weiterkämpfen lassen können, bis die Situation wirklich bis zum Äußersten gegangen wäre, doch er hatte die Aktion beendet, ehe es so weit kommen konnte. Aber warum? Es überkam ihn letztendlich irgendwie, als er Kimies entsetzte Stimme vernommen hatte. Doch diesen Gedanken schob er rasch wieder zur Seite.

>Fürs Erste sollte das genug gewesen sein...<

Und allmählich wurde auch der Sturm schwächer. Mittlerweile war er nicht mehr, als ein leichter Regenschauer.
 

Aber auch, wenn Tôya nun wieder bei Sinnen gewesen war, was beinahe passiert wäre, war für Kimie immer noch zu viel gewesen. Aufgebracht wandte sie sich erneut an Sesshoumaru: "Sesshoumaru! Wie konntest du es einfach so in Erwägung ziehen, einen deiner eigenen Leute töten zu lassen! Tôya konnte ja wohl schließlich nichts für seine Attacken gegen Ashitaka!"

Aber Sesshoumaru blieb nach außen hin gewohnt kühl. "In diesem Augenblick hieß es entweder Tôya oder Ashitaka. Und da Ashitaka derjenige gewesen war, der noch klar bei Verstand war, ist es folglich nur logisch gewesen, dass nicht er aufgehalten werden musste."

"Schon klar, aber..."

"Es ist in Ordnung. Bitte lasst es gut sein", warf Tôya letztendlich ein. Er konnte sich teilweise dunkel an das erinnern, was er beinahe getan hätte und das genügte ihm. Er nahm es Sesshoumaru deswegen nicht übel, dass dieser Subaru den Befehl erteilt hatte, ihn zu töten. Aber vielmehr als das, schien Tôya etwas anderes zu bedrücken. Wortlos ging er schließlich an den anderen vorbei in Richtung Eingangstüren.

"Tôya..." Ashitaka wollte seinem Freund noch etwas sagen, doch was genau, wusste er auch nicht so recht. Tôya drehte sich seinerseits noch einmal zu Ashitaka um.

"Es tut mir Leid..." Das war alles, was er noch sagen konnte, ehe er an Sesshoumaru und Kimie vorbei in das Schloss hineinging.

"Nii-sama..." Bedrückt schaute Miyuki ihrem Bruder nach. Ashitaka legte ihr behutsam eine Hand auf die Schulter. Anscheinend brauchte Tôya im Moment einfach etwas Zeit für sich und diese sollte er nach Möglichkeit auch bekommen.

Kurz nach Tôya kehrte auch Sesshoumaru wieder in das Schloss zurück, während die anderen noch draußen blieben. Lediglich Kimie eilte sogleich hinter dem Youkai her.

"Hey! Sesshoumaru! Warte doch mal!", rief sie ihm auf den Gängen immer wieder zu, aber erst, als sie ihn schließlich am rechten Ärmel seines Kimonos ergriff, blieb er endlich stehen und hörte sie an, ohne dass sie weiter so hinter ihn herhasten musste. "Erklär mir das! Warum bist du bereit einfach so deine eigenen Leute zu opfern? Das ist doch unmenschlich! Du hättest doch auch..."

"Unmenschlich?", wiederholte Sesshoumaru äußerst prüfend. "Du scheinst zu vergessen, dass ich kein Mensch bin."

Zuerst kam sich Kimie aufgrund dieser doch schon offensichtlichen Tatsache zwar ein wenig wie für blöd verkauft vor, doch ungeachtet dessen versuchte sie wieder, auf Sesshoumaru einzureden: "Aber... trotzdem kannst du doch nicht einfach...!"

"Misch dich nicht in Dinge ein, von denen du nichts verstehst! Also sei still!", erwiderte Sesshoumaru diesmal etwas scharf, was Kimie anfangs doch ein wenig aus der Bahn warf. Kurz darauf überwog bei ihr jedoch der Ärger.

"Moment mal! So geht das aber nicht! Ich lasse mir doch nicht den Mund verbieten!"

Aber auch diesmal blieb der Youkai stur. "Hör auf und belästige mich nicht länger mit dieser Geschichte, sonst..."

"Sonst was?", fragte Kimie schnippisch. "Lässt du mich dann auch von jemanden aus dem Weg räumen oder lässt du dich doch noch dazu herab, das diesmal selbst in die Hand zu nehmen?!"

Aber kaum hatte sie das ausgesprochen, realisierte Kimie, was sie da eigentlich gesagt hatte und schon wünschte sie sich, sie könnte es wieder zurücknehmen. Aber in diesem Moment war es einfach so über sie gekommen. Was sollte sie jetzt tun? Vielleicht sich einfach ganz rasch entschuldigen? Zögerlich wagte sie ihren Blick zu heben, um in Sesshoumarus Gesicht zu schauen. Es hatte den selben Ausdruck wie so oft, doch irgendwie war Kimie so, als habe sie ihn mit dem, was sie gesagt hatte, sehr vor den Kopf gestoßen. Sie wollte etwas sagen, aber da hatte er ihr schon den Rücken zugewandt.

"Geh wieder auf dein Zimmer." Das war alles, was Sesshoumaru noch zu ihr sagte, ehe er weiterging. Kimie blieb mitten auf dem Gang stehen und dort stand sie auch noch nach fünf Minuten.

"Oh, verdammt...!", fluchte sie schließlich leise.
 

Den Rest der Nacht verbrachte jeder irgendwie ziemlich unruhig. Keiner, der das Geschehen um Tôya mitverfolgt hatte, hatte danach noch Schlaf gefunden. Auch als der Morgen angebrochen war, war bei vielen diese Geschichte noch das Hauptgesprächsthema Nummer 1.

"Oh, Mann! Jetzt ticken die hier alle wirklich vollkommen aus", fand Karan, die zusammen mit ihren Geschwistern das Geschehen der vergangenen Nacht ebenfalls beobachtet hatte. "Ich meine, dass diese Hunde sowieso ein wenig schräg drauf sind, wussten wir ja schon, aber das war doch wirklich die Spitze des Berges."

"Aber es heißt doch, dass dieser Tôya nicht von sich heraus gehandelt hat", warf Shuuran ein, und Shunran fügte hinzu: "Stimmt. Und um ehrlich zu sein glaube ich das auch. Ich meine, der Typ wusste ja eigentlich gar nicht mehr, wen er eigentlich angegriffen hat. Es schien ihm völlig egal gewesen zu sein."

Karan zog eine Augenbraue hoch. "Nun gut, aber wenn das der Fall ist, warum ist er bitte so ausgetickt?"

Nachdenkliches Schweigen machte sich breit. Auch Touran, die sich bisher nicht dazu geäußert hatte, schien sehr intensiv zu grübeln.

"Irgendetwas stimmt hier nicht", sagte sie schließlich ernst. "Es liegt etwas in der Luft. Ich habe das ungute Gefühl, dass schon sehr bald etwas geschehen wird."

Neugierig wurde die Panther-Dämonin von ihren Geschwistern beäugt.

"Und was genau denkst du?", fragte Shuuran, doch Touran schüttelte daraufhin nur den Kopf.

"Ich weiß es selbst nicht so genau. Aber es ist wie eine Vorahnung."

Die Blicke der drei anderen Panther-Dämonin kreuzten sich untereinander. Wenn das, was Touran sagte, wirklich stimmte, durfte es schon sehr bald noch mehr Probleme geben.
 

"Irgendwie steige ich hier überhaupt nicht mehr durch..."

Nachdenklich schritt Kimie, die schon eine Weile mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hatte, zusammen mit Inuki durch die Schlossgänge. Ihr kreisten so viele verschiedene Dinge durch den Kopf, aber hauptsächlich war sie beim Geschehen der vergangenen Nacht; bei Tôyas eigenartigem Verhalten, aber insbesondere bei ihrem Streit mit Sesshoumaru. Irgendwie war die Situation festgefahren. Einerseits hatte Kimie immer wieder mal das Gefühl gehabt, dass Sesshoumaru durchaus dazu in der Lage war, auch mal nett und zuvorkommend zu sein, wenn auch auf seine eigene Art und Weise. Aber heute Nacht war er doch tatsächlich dazu bereit gewesen, Tôya töten zu lassen. Zugegeben, Ashitaka war in Gefahr, aber hätte sich Sesshoumaru nicht auch etwas anderes einfallen lassen können? Glücklicherweise hatte Tôya ja letztendlich von sich heraus mit seinen Angriffen aufgehört, aber was ihn überhaupt erst dazu verleitet hatte, dass war allen noch ein totales Rätsel gewesen. Und Tôya selbst konnte sich nach Ashitakas Aussage kaum noch an das erinnern, was er beinahe getan hätte. Und an das, was zuvor passiert war, hatte er keinerlei Erinnerung mehr gehabt. Sprich, alle standen total auf dem Schlauch.

Aber Kimie machte sich momentan weitaus mehr Gedanken um ihren Zoff mit Sesshoumaru. Irgendetwas musste sie deswegen unternehmen.

>Ich muss das auf jeden Fall irgendwie wieder geradebiegen. Nur wie? Ich würde es ihm ja nicht mal verübeln, wenn er mir überhaupt nicht zuhören will. Würde mir wohl nicht anders gehen...<

Während sie weiter so darüber nachgrübelte, ging Kimie weiter mit gemächlichen Schritten durch die Gänge des Schlosses. Inuki schaute dabei immer wieder mal zu seiner Herrin hoch, die völlig abwesend wirkte. Von daher bekam sie auch gar nicht mit, wie ihr und ihrem Hund auf dem Gang jemand entgegenkam. Erst, als Inuki deswegen stehen blieb, war Kimie wieder in der Gegenwart angekommen. Ein Blick nach vorne ließ aber sogleich einen dicken Kloß in ihrem Hals heranwachsen. Denn es war ausgerechnet Sesshoumaru, in Begleitung von Rin und Jaken, der ihr und Inuki entgegenkam. Als sie Kimie entdeckte, lief Rin gleich fröhlich auf sie zu.

"Hallo, Kimie-san! Ich freue mich, dich zu sehen. heute morgen warst du ja schon weg, als ich aufgewacht bin und beim Frühstück habe ich dich auch nicht gesehen."

"Tut mir Leid, Rin, aber ich hatte irgendwie keinen Hunger", entschuldigte sich Kimie mit einem etwas abgemühten Lächeln bei dem kleinen Mädchen. Rin hatte vom Geschehen der vergangenen Nacht auch im Nachhinein nichts mitgekriegt, und auch Kimies Streit mit Sesshoumaru war spurlos an ihr vorübergegangen. Von daher war das kleine Mädchen auch mehr als verwirrt, als Sesshoumaru schließlich ohne ein Wort gesagt zu haben einfach so an Kimie vorbeiging. Aber auch Kimie selbst hatte keinen Ton von sich gegeben, sondern hatte nur stumm zu Boden geschaut. Jaken war zwar nicht minder verwirrt als Rin, scherte sich im Gegensatz zu ihr aber weniger um den Grund für das Verhalten seines Herrn und dieses Menschenmädchens. Er trottet weiter gehorsam hinter Sesshoumaru her, während Rin noch einen Moment bei Kimie blieb und fragend zu ihr hoch schaute.

"Was ist los? Ist etwas passiert?"

Doch Kimie schüttelte nur den Kopf und erwiderte: "Schon gut, Rin. Lass Sesshoumaru lieber nicht warten und geh wieder zu ihm." Und mit diesen Worten ging sie auch schon wieder weiter, dicht gefolgt von Inuki.

Rin stand noch einen Moment etwas ratlos auf der Stelle, bis Kimie und Inuki hinter der nächsten Biegung verschwunden waren und sie danach Sesshoumarus Stimme vernahm: "Rin! Trödel nicht so."

"Ja, Sesshoumaru-sama!" Sofort eilte das kleine Mädchen zu dem Youkai und heftete sich wieder an seine Fersen. Doch eine Frage, die ihr auf der Zunge brannte, konnte sie sich beim besten Willen nicht länger verkneifen: "Sesshoumaru-sama? Was ist passiert? Seid Ihr böse auf Kimie-san oder ist sie vielleicht böse auf Euch?"

Aber Sesshoumaru antwortete nicht auf diese Fragen. Stattdessen ließ sich aber Jaken mal wieder zu einem Kommentar hinreißen: "Mich sollte es ja nicht wundern, wenn dieses vorlaute Weib mal wieder übers Ziel hinausgeschossen ist und Sesshoumaru-sama aus irgendeinem Grund verärgert haben sollte. Ich war ja schon immer der Meinung, dass ein solcher Umgang für eine Person wie ihn nichts ist. Sesshoumaru-sama hat eben was viel Besseres verdient, als... Autsch!"

Da wurde Jaken jedoch schon sehr unsanft in seiner Rede unterbrochen, denn Sesshoumaru hatte ihn mit einer deftigen Kopfnuss zum Schweigen gebracht. Jetzt lag Jaken reichlich mitgenommen mitten auf dem Gang, während Sesshoumaru selbst sich nicht im geringsten darum scherte und unbeirrt weiterging.

>Ich habe wohl wieder meine Klappe zu weit aufgerissen...<, dachte Jaken, an dessen Seite nunmehr Rin stand und fragend zu ihm runterschaute.

"Alles in Ordnung, Jaken-sama?"
 

Unterdessen stand Kimie mit dem Gesicht zur Wand und den Kopf leicht an dieser angelehnt in jenem Gang, in welchen sie zuvor mit Inuki zusammen eingebogen war. Sie war sich nicht ganz sicher, ob es nur Einbildung gewesen war, aber sie hatte das ungute Gefühl gehabt, dass Sesshoumaru ihr das, was sie zu ihm gesagt hatte, wirklich extrem übel nahm und sie konnte es ihm noch nicht mal verdenken. Ein bedrücktes Seufzen entwich ihr: "Ach, Mann! Es ist doch wirklich einfach nur blöd..."

"Was ist einfach nur blöd?"

Erschrocken fuhr Kimie hoch und wandte den Blick zur Seite. Sie staunte nicht schlecht, als sie keine vier Meter von sich entfernt Kakeru entdeckte. Inuki begrüßte den Youkai gleich erfreut, während Kimie noch etwas unschlüssig in dem wirkte, was sie jetzt am besten machen sollte. Kakeru hatte ihre letzte Aussage ja schließlich mitbekommen. Was dachte er sich jetzt also eventuell?

Der Youkai nahm es dem Mädchen jedoch ab, als erste etwas zu sagen: "Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen, aber Ihr macht einen etwas bedrückten Eindruck. Wollt Ihr vielleicht darüber sprechen?"

Noch immer wirkte Kimie unschlüssig. Aber eigentlich würde sie ja schon gerne mit jemanden über ihre Problem sprechen und mit Kakeru konnte man nun mal sehr gut über so was reden. Also sagte sie zu und ließ sich von ihm zusammen mit Inuki wie schon einmal zu seinen Gemächern führen. Dort angekommen lief es anfangs ähnlich ab, wie schon einmal: er stellte ihr eine Tasse Tee zur Verfügung und setzte sich ihr anschließend an dem kleinen Tisch auf dem Boden gegenüber.

"Also, was ist vorgefallen?", fragte Kakeru schließlich, woraufhin Kimie zuerst nur deprimiert aufseufzte.

"Hach... Eine ganz blöde Geschichte. Ich habe mich gestern Nacht ganz schön heftig mit Sesshoumaru gestritten und dabei auch Sachen gesagt, die ich so besser nicht gesagt hätte..."

"So? Was genau habt Ihr denn zu ihm gesagt?"

"Nun ja... Genau genommen war das war so..."

Und damit erzählte Kimie Kakeru was in der vergangenen Nacht nach der Geschichte mit Tôya passiert war. Denn was zuvor abgelaufen war, musste sie ihm natürlich nicht mehr erzählen, schließlich hatte auch Kakeru mitbekommen, was geschehen war. Und je mehr Kimie stattdessen von ihrem Streit mit Sesshoumaru erzählte, umso bedrückter klang nach und nach ihre Stimme. Nachdem sie geendet hatte, wirkte sogar Kakeru ein wenig überfordert.

"Oh! Das ist in der Tat etwas verzwickt", meinte er. "Aber das erklärt einiges. Ich habe mich nämlich schon gefragt, warum Sesshoumaru-sama heute noch kälter wirkt als es sonst für gewöhnlich der Fall gewesen war. Sogar mir war in seiner Gegenwart diesmal ein wenig unbehaglich, und das will schon was heißen."

"Aber ich habe es doch nicht so gemeint! Es ist mir eben so rausgerutscht. So bin ich nun mal. Leider...", versuchte Kimie sich wie unter einem Verhör zu rechtfertigen, wäre aber zeitgleich am liebsten im Erdboden versunken. Was hinterließ sie mit solchen Eskapaden denn bitte für einen Eindruck? In ihrer Fantasie bildete sie sich schon ein, dass, wenn sie so weitermachte, sie sicherlich noch zum Gespött in der ganzen westlichen Region werden würde. Und wer würde dann zusätzlich womöglich noch in Mitleidenschaft gezogen werden? Natürlich Sesshoumaru.

Einem depressionsbedingten Zusammenbruch nahe legte Kimie ihren Oberkörper auf den kleinen Tisch und versteckte ihr Gesicht in ihren Armen.

"Ich bin eben doch eine blöde Kuh...", murmelte sie in die Tischplatte hinein. "Und als ob das nicht schon genug wäre, versinke ich jetzt auch noch in Selbstmitleid..."

"Nicht doch! Macht Euch doch nicht so fertig", versuchte Kakeru das Mädchen wieder etwas aufzubauen, wenn auch eher mit mäßigem Erfolg. Dann fragte er jedoch weiter: "Aber hat Sesshoumaru-sama denn nichts auf Eure Aussage erwidert?"

Kimie richtete ihren Oberkörper wieder etwas auf und schüttelte den Kopf. "Nein. Nur, dass ich wieder auf mein Zimmer gehen sollte." Und schon lag sie wieder auf dem Tisch.

Für einen Moment herrschte Schweigen im Raum, als müssten sowohl Kakeru, als auch Kimie überlegen, wie es jetzt weitergehen sollte.

Schließlich war es Kakeru, der zuerst wieder das Wort ergriff: "Nun, ich denke, Sesshoumaru-sama weiß bestimmt, dass Ihr es eigentlich nicht so gemeint habt. Ihr ward eben aufgeregt und verärgert, da passiert so was eben manchmal."

Kimie schaute wieder auf, doch ihr Blick zeugte nicht gerade von großer Zuversicht. "Ja, aber eigenartigerweise hatte ich schon immer so ein Talent dafür, stets von einem Schlamassel in den nächsten zu schlittern..."

"Hm..." Kakeru schien etwas sagen zu wollen, aber irgendwie machte er den Eindruck, als überlegte er noch. Dann sprach er jedoch aus, was ihm durch den Kopf ging: "Ich bitte um Nachsicht, aber mag das eventuell daran liegen, dass Ihr meist zuerst sprecht und erst im Nachhinein darüber nachdenkt?"

"Ja, muss wohl so sein...", antwortete Kimie bedrückt und nahm einen Schluck Tee aus ihrer Tasse. Gedankenverloren schaute sie anschließend auf den Tee, auf dessen Oberfläche sie ihr Spiegelbild sehen konnte. Erneut entwich ihr ein Seufzen.

"Ihr solltet Euch wieder mit ihm versöhnen", schlug Kakeru mit einem Mal vor. Kimie fand den Vorschlag zwar gut, zumal sie das ohnehin vorgehabt hatte, aber wie sollte sie das anstellen?

"Leichter gesagt als getan...", meinte sie daher nur. "Er ist sicherlich noch immer stinksauer."

"Aber wenn Euch etwas an ihm liegt, solltet Ihr zu ihm gehen."

Abrupt war Kimie wieder obenauf. "Natürlich liegt mir etwas an ihm! Sogar sehr viel! Schließlich..."

"...seid Ihr seine Gefährtin", beendete Kakeru den Satz, wobei Kimie ihn eigentlich nicht so hatte enden lassen wollen. Vielmehr wollte sie sagen, dass sie Sesshoumaru schließlich liebte, dennoch ließ sie Kakeru weiter sprechen: "Und es scheint ja wohl so zu sein, als ob Sesshoumaru-sama trotz allem durchaus Interesse daran hat, Euch auch in Zukunft an seiner Seite haben zu wollen. Das beinhaltet natürlich auch, dass euer beider Bindung irgendwann gefestigt werden und er sich auch irgendwann Nachkommen von Euch wünschen wird. Von daher..." Kakeru hielt in seiner Aussage inne, als er nach dem letzten Satz einen erneuten seufzenden Laut von Kimie vernommen hatte, der diesmal jedoch von einem merkwürdigen Unterton begleitet worden war.

"Was habt Ihr? Habe ich etwas Falsches gesagt?" Kakeru sah Kimie fragend an, die ein wenig fertig aussah.

"Ich denke nur nach...", antwortete sie. "Mir ist so, als wäre ich erst gestern in die erste Klasse eingeschult worden und jetzt sitze hier, rede über Beziehungsprobleme und höre mir zudem etwas über potenzielle eigene Kinder an... Meine Mutter hatte ja während ihrer neun Monate immer fürchterliche Stimmungsschwankungen, jedenfalls meinte das mein Vater mal zu mir. Und sie hat später immer zu mir gesagt: 'Keine Sorge, wenn's bei dir mal so weit sein sollte, mein Kind. Du verlierst deine Figur nicht, sie könnte eventuell nur völlig außer Form geraten. Aber du bist ja noch jung, also mach dir um so was mal noch keine Gedanken. Außerdem musst du ja erst noch deinen passenden Deckel finden, bevor du an so was denkst und...' Hm?" Jetzt war es Kimie, die ihren Satz abrupt abbrach und nunmehr in Kakerus recht verdutztes und zugleich fragendes Gesicht blickte. Es machte ein wenig den Eindruck, als habe er ihr gegen Ende nicht mehr ganz folgen können.

"Ich denke... an dieser Stelle höre ich besser mal auf." Etwas peinlich berührt senkte Kimie den Blick. Sie war auf einmal so sehr in ihren Text vertieft gewesen, dass sie gar nicht mehr so wirklich mitbekommen hatte, worüber genau sie sich eigentlich ausließ. Aber eben genau dieses Thema ließ in ihr nunmehr eine Frage aufkommen, die sie jetzt unbedingt loswerden musste, also wandte sie sich nach einem Moment etwas verschüchtert an Kakeru: "Uhm... Kakeru-sama?"

"Nur 'Kakeru', bitte", erwiderte der Youkai mit einem Lächeln. "Das reicht völlig aus."

"Ähm... okay." Kimie atmete einmal tief durch, dann sprach sie weiter: "Also... kann ich Euch mal was fragen? Ich meine bezüglich des Themas, was wir eben schon angeschnitten haben." Als Kakeru bejahend nickte, fragte sie, wenngleich mit einem etwas verstohlenen Blick: "Sesshoumaru... Er hat doch keine unehelichen Kinder, oder?"

Stille...

Zuerst passierte gar nichts und keiner sagte auch etwas, bis Kakeru sich scheinbar nicht mehr beherrschen konnte und doch leise anfing zu lachen. Kimie fiel aus allen Wolken.

"Was denn? Warum lacht Ihr?"

"Entschuldigt bitte. Es tut mir wirklich Leid", entschuldigte sich Kakeru, noch immer mit einem amüsierten Lächeln auf den Lippen. "Ich versuche nur gerade, mir Euer Gesicht vorzustellen. Zudem höre ich so eine Frage bezüglich Sesshoumaru-sama zum ersten Mal."

Kimie saß nun doch etwas bedröppelt auf ihrem Platz. >Tja... Zumindest scheine ich ja mal einen einigermaßen lohnenswerten Gag gelandet zu haben...<, dachte sie trocken, während Kakeru sich mittlerweile doch wieder so weit gefangen hatte, dass er auf ihre Frage antworten konnte: "Aber seid unbesorgt. In dieser Hinsicht war Sesshoumaru-sama schon immer sehr darauf bedacht, dass er nichts Falsches tat."

"Aha..."

Es entstand erneut eine kurze Pause, bis Kakeru seinerseits nun eine weitere Frage an Kimie richtete: "Wenn ich mir jetzt wieder eine Frage erlauben dürfte: Was genau mögt Ihr eigentlich an Sesshoumaru-sama?"

"Hm? Was ich an ihm mag?", wiederholte Kimie etwas verdutzt, ehe sie sich nachdenklich den linken Zeigefinger ans Kinn legte. "Tja... Also, ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wo ich ihn zum ersten Mal gesehen habe. Seine Erscheinung hat mich sehr beeindruckt. Außerdem ist er ja auch sehr mutig und stark. Gut, okay, hier und da ist er auch mal etwas schroff gewesen und hat diese großkotzige Arroganz an den Tag gelegt, aber sei's drum. Er kann auf seine Art und Weise auch sehr nett sein. Und außerdem hat er mich schon öfters gerettet. Ohne ihn würde ich den Radieschen bestimmt schon längst von unten beim Wachsen zusehen. Hmm... Aber eigentlich kann ich nicht wirklich genau auf die Frage antworten..."

"Für mich war es aber genau genug", erwiderte Kakeru zufrieden. Mit einem aufmunternden Lächeln wandte er sich schließlich noch mal an Kimie: "Wisst Ihr, eigentlich dürfte es Euch nicht schwer fallen, das Gespräch mit Sesshoumaru-sama zu suchen. Wenn Ihr erstmal über etwas reden könnt, dann scheinen die Worte praktisch wie von selbst zu kommen. Wenn Ihr den richtigen Zeitpunkt für gekommen seht, such ihn auf und sprecht noch mal mit ihm. Ich bin mir sicher, er wird Euch zuhören und Euch auch verzeihen."

"Hmm..." Kimie senkte nachdenklich den Blick. Vermutlich hatte Kakeru Recht gehabt. Und wenn sie einfach nur weiter rumgrübeln, aber nicht zur Tat schreiten würde, konnte ja auch nichts dabei herauskommen. Sie war es schließlich, die hier Mist gebaut hatte, also musste sie dafür auch geradestehen und den ersten Schritt tun. Und das am besten so schnell wie möglich.
 

Allerdings wusste Kimie noch nicht, wie sie wohl am besten auf Sesshoumaru zugehen sollte.

"Ich will mich ja auf jeden Fall bei ihm entschuldigen. Aber... wie soll ich das machen?" Grübelnd hatte sie sich nach ihrer Unterhaltung mit Kakeru in ihr Zimmer zurückgezogen. Jetzt lag sie bestimmt schon etwa eine halbe Stunde nur so auf dem Boden herum und starrte an die Decke, neben ihr saß Inuki und schaute fragend auf seine Herrin herab. Diese drehte ihren Kopf schließlich zu dem Hund. "Hey, Inuki! Was meinst du? Soll ich einfach zu ihm hingehen und sagen, was ich denke? Oder käme das wieder zu aufdringlich rüber?"

Inuki legte seinerseits den Kopf etwas schief, als wollte er sagen: "Das musst du schon selbst entscheiden. Je nachdem, was du für richtig hältst."

Als hätte sie ihn genau verstanden, seufzte Kimie leise auf. "Oje... Das kommt eben davon, wenn man seine Klappe zu weit aufreißt..."

Ein Klopfen an ihrer Zimmertür ließ Kimie mit einem Mal aufhorchen und sie setzte sich auf. "Ja, bitte?"

Als sich die Schiebetür nun öffnete, schaute eine etwas verschüchterte Rin in das Zimmer und fragte: "Entschuldigung, Kimie-san. Störe ich?"

"Nein, gar nicht. Was ist denn los, Rin?" Kimie war schon etwas überrascht über Rins Auftauchen, ahnte aber in einem gewissen Sinne, was sie wohl hier hergeführt hatte. Und ihr Verdacht schien sich zu bestätigen, als Rin nun in das Zimmer kam und sich zu ihr auf den Boden setzte. "Ich denke schon eine Weile darüber nach. Kann ich dich etwas fragen?"

"Sicher. Was ist denn los?"

"Sesshoumaru-sama und du... Ihr habt heute noch gar nicht miteinander gesprochen und ihr benehmt euch auch so komisch. Sesshoumaru-sama scheint auch schon die ganze Zeit sehr viel über etwas nachzudenken. Ist wirklich alles in Ordnung?"

Genau das hatte Kimie vermutet. Es wäre wohl auch sinnlos gewesen, es zu leugnen, also gestand sie dem kleinen Mädchen nach einem Augenblick: "Nun ja... Um ehrlich zu sein, wir haben uns gestritten."

"Oh!" Rin sah man an, dass sie nach dieser Eröffnung verunsichert wirkte. "Aber... warum habt ihr euch denn gestritten?"

"Na ja, eigentlich war es ja meine Schuld", sprach Kimie weiter. "Ich habe ein paar blöde Sachen zu ihm gesagt und dann... Tja, das ist eigentlich auch schon der Stein des Anstoßes gewesen. Seitdem haben wir nicht mehr miteinander gesprochen."

"Aber warum habt ihr euch überhaupt gestritten?", hakte Rin noch mal nach, da das aus ihrer Sicht eigentlich noch nicht wirklich eine Antwort auf ihre Frage gewesen war. Kimie fuhr sich einmal mit der Hand durch die Haare. Sie konnte jetzt wohl schlecht auf das genaue Geschehen der vergangenen Nacht zu sprechen kommen, das hätte Rin wohl nur noch mehr verunsichert.

"Ach, das war so eine etwas komplizierte Geschichte", versuchte sie daher zu erklären. "Ich war mit seinem Verhalten nicht ganz einverstanden. Dann gab ein Wort das andere und so kam am Ende alles zusammen."

Da war es schon wieder gewesen: dieses Gefühl der Niedergeschlagenheit. Bedrückt stützte Kimie den Kopf auf die Hand ab.

"Entschuldige dich doch einfach bei Sesshoumaru-sama", schlug Rin mit einem Mal vor. "Dann wird sicherlich wieder alles gut."

"Hm... Wenn das so einfach wäre...", erwiderte Kimie genauso, wie sie zuvor schon mit Kakeru darüber gesprochen hatte. Aber als sie sich das alles noch mal im Zusammenhang durch den Kopf gehen ließ, schien in ihr doch plötzlich dieser feste Entschluss zu erwachen. Dass erst noch der Zuspruch von Rin nötig gewesen war, bis sich Kimie jetzt doch endlich dazu aufraffen konnte, hatte schon irgendwie was merkwürdiges an sich gehabt, zumal sie zuvor ja schon lang und breit mit Kakeru über ihr Problem gesprochen hatte, aber jetzt, wo alles zusammenkam, war Kimie wieder Feuer und Flamme. Entschlossen stand sie auf. "Ach, was! Du hast Recht, Rin! Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Ich geh einfach zu ihm und basta!"

Und noch während sie das gesagt hatte, war Kimie in Richtung Tür marschiert, aus welcher sie auch kurz darauf verschwand. Zurück blieb Rin zusammen mit Inuki. Rin war im Nachhinein doch ein wenig verwirrt. Es konnte doch nicht wirklich so schwer sein, sich bei jemanden zu entschuldigen. Fragend wandte sie sich Inuki zu: "Erwachsene benehmen sich oft seltsam. Oder, Inuki?"

Und als ob er das kleine Mädchen darin bestätigen wollte, stupste Inuki Rin sanft mit der Nase an.
 

Unterdessen befand sich Sakura schon seit geraumer Zeit zusammen mit Ashitaka in seinem Zimmer. Es gab momentan nur ein Gesprächsthema, was sie beschäftigte.

"Dass so was passiert, hatte ich nicht erwartet. Zumindest nicht auf diese Art und Weise", sagte Sakura nachdenklich, woraufhin Ashitaka erwiderte: "Mutter, es ist doch nur ein Kratzer. Ansonsten geht's mir auch nicht schlechter als sonst."

"Sei lieber vorsichtig, sonst könnte es dir irgendwann wirklich schlecht gehen."

Sakura kam einfach nicht von der nächtlichen Geschichte mit Tôya los. Nach außen hin machte sie zwar den Eindruck, als nehme sie das alles im Nachhinein recht locker, aber Ashitaka sah seiner Mutter ganz genau an, dass es sie doch sehr mitgenommen war. Die Schnittverletzung auf seiner linken Wange hatte Ashitaka gleich nach dieser Geschichte mit einem größeren Pflaster, das er von Kagome bekommen hatte, überklebt. Mittlerweile war von der Wunde vermutlich kaum noch etwas zu sehen gewesen. Also nahm Ashitaka das Pflaster nun ab und fuhr einmal mit dem Finger über die verletzte Stelle. Ganz verschwunden war die Wunde zwar nicht, aber ein Pflaster brauchte er schon mal nicht mehr.

"Und es geht dir ansonsten wirklich gut?", fragte Sakura ihren Sohn, der mit einem Lächeln nickte.

"Ja, es ist alles in Ordnung. Wenn ich ehrlich sein soll, mache ich mir ja mehr Gedanken wegen Tôya. Wir haben heute nur ganz kurz miteinander gesprochen. Mir scheint, diese Sache nimmt ihn noch immer sehr mit." Ashitakas Stimme hatte nach und nach einen ernsten Unterton angenommen. Sakura konnte gut nachvollziehen, weshalb sich ihr Sohn wegen Tôya solche Gedanken machte. Er war für Ashitaka schon immer nicht einfach nur ein Freund gewesen. Er war sein bester Freund und eigentlich schon immer fast schon so was wie ein älterer Bruder gewesen. Auch Sakura nahm es Tôya nicht übel, was er beinahe getan hätte. Auch ihr war vollkommen klar, dass Tôya niemals von sich heraus Ashitaka oder sonst jemandem, der ihm nahe stand, etwas antun würde.

Mitten in das Gespräch von Mutter und Sohn klopfte es mit einem Mal an Ashitakas Zimmertür.

"Ja, bitte?" Kaum, dass Ashitaka dem Besucher die Erlaubnis zum Betreten des Zimmers gegeben hatte, öffnete sich langsam die Schiebetür. Es war Tôya, in Begleitung von Miyuki. Als er jedoch Sakura in dem Zimmer erblickte, blieb Tôya noch an der Tür stehen, kaum dass er überhaupt einen halben Schritt getan hatte.

"Oh! Entschuldigt. Ich hatte nicht erwartet, dass Ihr hier seid, Sakura-sama." Tôya verbeugte sich leicht, während sich Ashitaka nun selbst an seine Mutter wandte: "Mutter, würde es dir etwas ausmachen, uns kurz allein zu lassen?"

Sakura lächelte leicht. "In Ordnung. Dann gehe ich erstmal wieder in mein Gemach zurück."

Ashitaka bedankte sich noch bei seiner Mutter, ehe diese langsam auf die Tür zuschritt. Tôya und Miyuki machten ihr entsprechend Platz, damit sie an ihnen vorbeigehen konnte. Allerdings blieb Sakura direkt vor Tôya noch einmal stehen. Er traute sich kaum, ihr in die Augen zu schauen. "Sakura-sama. Ich..."

Doch Sakura legte Tôya sanft eine Hand auf die Schulter und erwiderte ruhig: "Schon gut, Tôya. Du brauchst nichts zu sagen." Und mit diesen Worten verließ sie letztendlich das Zimmer und ließ die drei Zurückgebliebenen allein. Tôya und Miyuki betraten nun Ashitakas Zimmer, wobei Miyuki die Tür hinter sich wieder schloss.

Zunächst sagte jedoch keiner der drei etwas, bis sich Tôya endlich dazu durchrang und seinen Blick hob: "Ashitaka... Ich..." Aber als er noch die blasse Spur der Wunde an Ashitakas linker Wange entdeckte, schaute er sofort wieder Richtung Boden. Es dauerte wieder einen Moment, ehe Tôya wieder etwas sagen konnte: "Es tut mir sehr Leid. Was ich da beinahe getan hätte... Ich habe das wirklich nicht gewollt."

"Tôya, das war jetzt bestimmt das zehnte Mal, dass du dich bei mir entschuldigt hast", erwiderte Ashitaka, als habe ihm Tôya eine völlig öde Neuigkeit zum wiederholten Mal erzählt. "Lass es einfach gut sein. Ich weiß ja, dass es nicht deine Schuld war."

"Trotzdem fühle ich mich wegen dieser Sache einfach nur schäbig", entgegnete Tôya reumütig, hob aber wenigstens wieder seinen Blick. "Und ich habe dich sogar verletzt..."

"Ach das! Das ist doch nur ein Kratzer. Man sieht doch kaum noch etwas davon", winkte Ashitaka gelassen ab und kam auf Tôya zu. Aber als er ihm so gegenüberstand, wirkte Tôya auf 's Neue sehr verunsichert. Ashitaka entwich ein müdes Seufzen, ehe er sich seitlich neben seinen Freund platzierte und ihm einen kraftvollen Klaps auf den Rücken gab, so dass Tôya, völlig unvorbereitet auf diese Aktion, drei Schritte nach vorne taumelte.

"Ashitaka, was...?"

"Damit du mal wieder auf andere Gedanken kommst!", unterbrach Ashitaka Tôya, noch bevor dieser wirklich etwas hatte sagen können und schlug mit einem aufmunternden Zwinkern sogleich noch vor: "Und wenn's dir danach wieder besser geht, dann machen wir das einfach so: Ich habe für später mal etwas gut bei dir gut, in Ordnung?"

Zuerst wirkte Tôya zwar etwas irritiert, nickte letztendlich aber mit einem erleichterten Lächeln. "Gut, wie du meinst. Danke."

"Kein Thema!"

Und nicht nur Tôya und Ashitaka konnten alle Bedenken endlich ablegen, auch Miyuki war mehr als erleichtert darüber gewesen, dass diese Sache doch noch so glimpflich ausgegangen war. Die Freude dauerte jedoch nicht lange an, denn mit einem Mal vernahmen die drei etwas.

"Da draußen tut sich etwas", meinte Tôya ernst, und als Ashitaka daraufhin die Schiebetür zur Veranda öffnete, bestätigte er Tôya in dessen Aussage.

"Ja, und mir scheint, das könnte heftig werden. Mit der Ruhe ist es hier momentan wirklich nicht weit her."
 

Wenngleich sie anfangs noch voller Optimismus gewesen war, jetzt stand Kimie doch wieder etwas unschlüssig vor Sesshoumarus Tür. Gedanklich legte sie sich schon verschiedene Entschuldigungsmöglichkeiten zurecht, aber keine erschien ihr im Moment wirklich als gut. Doch irgendwann wurde ihr dieses Nachdenken auch zu blöd und so klopfte sie einfach an die Tür. Auf eine Antwort wartete Kimie zunächst jedoch vergebens, also klopfte sie noch mal. Wieder kam nichts zurück.

"Hm? Ist er vielleicht gar nicht da?" Zögerlich öffnete Kimie schließlich von sich heraus die Schiebetür und spähte in das Zimmer. Sesshoumaru war da gewesen, allerdings stand er mit dem Rücken zu ihr an der teils geöffneten Tür, die zur Veranda hinausführte.

>Mist! Ich wusste doch, das er noch stinksauer ist...<, dachte Kimie, aber einen Rückzieher konnte und wollte sie jetzt nicht mehr machen. Also betrat sie das Zimmer und schloss hinter sich wieder die Tür. Dann räusperte sie sich einmal: "Ähem! Sesshoumaru? Störe ich gerade?"

Da er ihr darauf nicht antwortete, sie aber auch nicht wieder vor die Tür setzte, rang sich Kimie letztendlich dazu durch, endlich ihre Entschuldigung loszuwerden: "Sesshoumaru... Ich... Oje, wie fang ich am besten an? ... Die Sache von letzter Nacht... Das habe ich so nicht gemeint. Ehrlich nicht! Es war blöd von mir, dass ich das gesagt habe und ich wollte mich dafür entschuldigen. Es tut mir wirklich Leid und... Sesshoumaru?"

Da sie den Blick während sie sprach leicht gesenkt hatte, musste Kimie nun wieder etwas hoch schauen, um Sesshoumarus Reaktion wahrnehmen zu können. Aber er tat gar nichts. Er sagte nichts und rührte sich auch nicht, auch nicht auf erneute Ansprechversuche seitens Kimie. Etwas frustriert darüber stemmte sie nun entschieden die Hände in die Hüften. "Hey, Sesshoumaru! Hast du mir überhaupt zugehört? Ich krieche hier vor dir praktisch zu Kreuze und suche wie blöd nach den richtigen Worten und du... Hm?"

Kimie verstummte abrupt wieder, als Sesshoumaru ihr mit einem Handzeichen zu verstehen gegeben hatte, dass sie ruhig sein sollte. Allerdings schien er das nicht getan zu haben, damit er sich ihr Gerede nicht anhören musste, sondern aus einem anderen Grund.

"Was ist denn los?", fragte Kimie, diesmal jedoch leise, und trat näher an ihn heran. Als sie bei ihm angekommen war, erhaschte auch sie einen Blick nach draußen und was sie dort am Himmel sah, verschlug ihr fast die Sprache. "A... Aber was zum...?!"

"Sie sind hier. Es ist also soweit", sagte Sesshoumaru ernst, während auch sein Blick noch immer auf den Himmel gerichtet war.
 

"Das sind schon wieder diese Viecher! Die geben wohl auch nicht so leicht auf."

Inu Yasha, der inzwischen mit seinen Freunden, sowie den Panther-Dämonen und den Inu-Youkai auf dem Hof stand, zog kampfbereit sein Schwert Tessaiga. Diese Flugdrachen waren wieder aufgetaucht, doch diesmal waren es nicht nur sie, die das Schloss belagerten. Unter ihnen befanden sich jetzt auch Youkai, die mit drachenähnlichen Schwingen ausgestattet waren und auch zwei alte Bekannte waren unter ihnen, die Inu Yasha als aller erstes ins Auge fielen. Praktisch in vorderster Fronst entdeckte er Toba und Rokou auf den Rücken von zwei dieser Flugdrachen.

"Das sind diese beiden Mistkerle! Anscheinend haben sie sich diesmal nicht getraut, allein hier aufzukreuzen."

"Aber warten die auf etwas Bestimmtes oder warum rühren die sich nicht vom Fleck?", fragte Shippou, der sich dicht bei Kagome aufhielt, recht verdutzt. Denn in der Tat machte keiner der feindlichen Dämonen Anstalten, eventuell einen Angriff zu starten. Sie schauten einfach nur so von oben auf das Schloss herab.

Miroku hatte für ihr Verhalten jedoch die Lösung parat: "Sie können uns wegen Ashitakas Bannkreis nicht sehen. Aber sie wissen wohl ganz genau, dass sich genau hier das Schloss befindet. Anscheinend warten sie darauf, dass wir unsere Deckung aufgeben, denn im Moment können sie uns eh nicht angreifen."

Sango - komplett ausgerüstet mit Kampfanzug und Bumerang - ließ ernst ihren Blick schweifen. "Das sind ja nicht gerade wenige. Und sie machen auch nicht gerade einen schwachen Eindruck. Sieht so aus, als würden sich die Probleme häufen."

In diesem Moment öffneten sich die Eingangstüren des Schlosses und Sesshoumaru betrat die Bildfläche. Sofort waren sämtliche Blicke auf ihn gerichtet. Das erste Wort richtete er sogleich an Ashitaka: "Ashitaka. Verändere den Bannkreis so, dass sie uns ebenfalls sehen können. Aber halte ihn weiter aufrecht."

"Ist gut." Der junge Youkai konzentrierte sich auf seinen Bannkreis. Man konnte praktisch spüren, wie sich seine Energie allmählich veränderte. Für diejenigen, die sich im Schloss aufhielten, sah die Situation im Nachhinein zwar nicht groß anders aus, aber jetzt waren sie alle für ihre Feinde ebenfalls gut sichtbar gewesen. Kaum hatte Ashitaka der Anweisung von Sesshoumaru Folge geleistet, flog eines der geflügelten Ungetüme näher an das Schloss heran. Auf seinem Rücken saß einer der Ryû-Youkai. Vermutlich war er ihr Anführer, denn insbesondere sein Auftauchen schien unter vielen der Inu-Youkai nun die eine oder andere Erinnerung zu wecken. Wie schon seine Gefolgsleute, so trug auch dieser Youkai Kleidung im chinesischen Stil. Sie war allgemein sehr dunkel, hauptsächlich schwarz, passend zu seinen langen schwarzen Haaren, die er mit einem roten Band nach hinten zusammengebunden hatte und auf der rechten Seite seines Gesichts war eine einzelne grüne Linienzeichnung zu erkennen gewesen. Und praktisch jeder spürte es genau; seine Aura und die seiner Gefolgsleute glich der der drachenähnlichen Dämonen.

Kaum hatte er sein Reittier wieder gezügelt, richtete der Ryû-Youkai das Wort an die Anwesenden unter sich: "Sieh an, sieh an! Der Clan der Inu-Youkai und dazu noch die Panther-Dämonengeschwister in ein und demselben Lager. Und ein paar unbedeutende Menschen noch dazu. Wie nett von euch, dass ihr euch zu erkennen gebt, sonst wäre es wohl auch zu langweilig geworden."

Er ließ seinen Blick langsam über den Hof schweifen und blieb letztendlich bei Inu Yasha stehen. "Lass mich raten: du bist sicherlich der, den man Inu Yasha nennt."

Sofort entwich dem Hanyou ein Knurren. "Du Bastard! Woher kennst du meinen Namen? Wer bist du überhaupt?!"

"Mein Name ist Akuma", stellte sich der Ryû-Youkai nun vor. "Und was meine Kenntnis über deinen Namen angeht, ich habe hinsichtlich dessen aus zuverlässiger Quelle eine gute Beschreibung von dir erhalten. Und diese beinhaltete außerdem, dass du nur ein Hanyou bist. Soviel also schon mal zu deiner Bemerkung, ICH wäre hier der Bastard."

Wieder knurrte Inu Yasha, diesmal jedoch spürbar wütender. Die Erwähnung von Akumas Namen hatte unterdessen gemischte Gefühle bei den Anwesenden ausgelöst.

"Das ist also dieser Akuma?" Kagome besah sich den Ryû-Youkai ganz genau. Auch, wenn sie es nicht gerne zugab, er machte ihr Angst. Sie spürte ganz genau, dass von ihm etwas Grausames ausging.

Und nicht nur Kagome schien das zu ahnen. Auch, Myouga, der auf Inu Yashas Schulter saß, hüpfte nunmehr ganz aufgeregt auf dieser auf und ab. "Inu Yasha-sama, seid bloß vorsichtig! Dieser Kerl ist äußerst gefährlich!"

Akuma entdeckte nun den kleinen Flohgeist und ließ es sich nicht nehmen, ihn von oben herab anzusprechen: "Ach! Myouga-jijii… Es ist schon eine Weile her, seid wir uns das letzte Mal begegnet sind."

"Wenn's nach mir gegangen wäre, dann hätten wir uns auch nicht wieder über den Weg laufen müssen...", entgegnete Myouga kleinlaut und versteckte sich erstmal inmitten von Inu Yashas Haaren, ehe er es jedoch vorzog, sich anderweitig zu verziehen. Also hüpfte er zu Kagome und nahm auf ihrer Schulter Platz.

Unterdessen hatte sich Akumas Aufmerksamkeit auf Sesshoumaru gerichtet. "Und da haben wir also auch den älteren Sohn des großen Inu-Youkai. Sesshoumaru, nicht wahr?"

Als sich die Blicke der beiden Youkai-Lords trafen, konnte man förmlich die zum Zerreißen angespannte Atmosphäre in der Luft wahrnehmen. Aber keiner von beiden erweckte den Eindruck von Unsicherheit oder dergleichen. Sesshoumaru legte seine gewohnt ausgeglichene und kühle Haltung an den Tag, während Akuma diese gewisse Hinterhältigkeit auszuzeichnen schien.

Akumas Interesse galt schon sehr bald aber auch dem menschlichen Anteil, der sich auf dem Hof befand. "Hm! Gleich drei sterbliche Menschen. Das ist wirklich interessant."

"Eigentlich sind es ja fünf", warf Toba nun aus dem Hintergrund ein. "In dem Schloss müssen sich irgendwo noch ein Mädchen und ein Kind aufhalten."

"Ach!" Auf Akumas Gesicht erschien ein niederträchtiges Lächeln, als er das Wort an die Inu-Youkai richtete: "Viele andere würden sich deswegen schämen, aber eure Sippe hat sich ja schon mal zu den Menschen hingezogen gefühlt. Von daher passt dieser Umgang nur allzu gut zu euch."
 

Kimie, die während der ganzen Zeit in Sesshoumarus Zimmer geblieben war, weil er es so angeordnet hatte, entwich bei Akumas letzterer Äußerung ein erschöpftes Seufzen.

>Könnten wir diese ewige Menschen sind ja so erbärmlich-Nummer wenigstens einmal weglassen...? Das geht mir so langsam nämlich wirklich tierisch auf den Zeiger!<

Zudem kam sie sich zugegebenermaßen schon ein bisschen blöd dabei vor, wie sie hier in dem Zimmer hocken blieb, während Kagome und ihre Freunde praktisch mitten im Geschehen standen. Aber was sollte sie machen? Kimie hatte Sesshoumaru zuvor noch hoch und heilig versprechen müssen, sich diesmal wirklich nicht einzumischen. Und sie wollte ihn nicht eventuell noch wütender machen, als er vermutlich ohnehin noch gewesen war. Also blieb sie weiterhin in seinem Zimmer und beließ es dabei, durch einen kleinen Türspalt das Geschehen zu beobachten.
 

"Der Umgang mit Menschen schadet jedem Youkai mehr, als dass er ihm etwas nutzen würde", sprach Akuma indes herablassend weiter, wobei er das Wort jetzt aber mehr an Sesshoumaru und auch Inu Yasha richtete: "Euer Vater ist dafür ja das beste Beispiel. Wie kann man sich nur für eine Menschenfrau und ihren Halbblutssohn opfern? So ein elender Narr!"

Der Unmut, den diese Aussage unter den Inu-Youkai verursachte, war kaum zu übersehen gewesen, doch Akuma ließ das eher kalt. Stattdessen zuckte er nur einmal mit den Schultern.

"Aber was soll's! Es kann mir ja nur recht sein, dass er sich sein eigenes Grab geschaufelt hat. Ich hatte schließlich noch nie viel für Hunde übrig. Ganz zu schweigen von solch wertlosen Promenadenmischungen wie du eine bist, du dreckiger Hanyou!"

Sein Augenmerk war erneut direkt auf Inu Yasha gerichtet. Dieser allein war durch diese Beschimpfung schon mehr als am ausrasten, aber noch vielmehr schien Kagome empört darüber gewesen zu sein. Entschieden machte sie einen Schritt nach vorne und rief zu Akuma hoch: "Das ist ja wohl die Höhe! Wie kannst du es wagen, so was Abstoßendes zu ihm zu sagen, du Mistkerl?!"

Kaum hatte Kagome das Wort an ihn gerichtet, glühten Akumas Augen bedrohlich rot auf. "An deiner Stelle würde ich besser meine Zunge hüten, du Weibstück!"

Kagome machte reflexartig wieder einen Schritt zurück. Obwohl Ashitakas Bannkreis das Schloss nach wie vor schützte, stellte sich Inu Yasha nun zusätzlich direkt vor das Mädchen.

Dieser Anblick veranlasste Akuma zu einem herablassenden Lachen, ehe er die Inu-Youkai erneut ansprach: "Was für eine Schau! Und ihr schimpft euch allen Ernstes als Youkai? Das ich nicht lache! Seht euch doch nur mal an! Einst gehörte eurer Clan zu den mächtigsten dieses Landes. Und was ist jetzt? Ihr tut euch mit Menschen zusammen und vermischt sogar euer Blut mit dem ihrigen. Euer Clan ist längst nicht mehr das, was er einst war. Seit euer letzter Herr sich auf ein Menschenweib eingelassen hat ist euer Blut nichts weiter als kraftlos, jeglicher Stolz und alle Würde ist längst vergessen und gehört der Vergangenheit an. Ihr habt ausgedient, es wird Zeit, dass ein neuer Youkai-Clan an eure Stelle tritt und über diesen Teil des Landes herrscht!"

Akumas Flugdrache ließ ein ohrenbetäubendes Brüllen verlauten und schlug kraftvoll mit den Flügeln. Diese imposante und zugleich unheimliche Aura, die von den Feinden ausging, verursachte bei so manchem ein flaues Magengefühl. Auch Miyuki, die sich etwas hinter ihrem Bruder versteckt hielt, ging es da nicht anders.

"Nii-sama, was jetzt?", fragte sie Tôya verunsichert, der sie zu beruhigen versuchte, während sich Ashitaka nun seinerseits direkt an die Ryû-Youkai wandte: "Was denkt ihr euch eigentlich? Hat es euch denn nicht gereicht, schon vor 1000 Jahren die schuppige Haut über die Ohren gezogen bekommen zu haben, und trotzdem taucht ihr jetzt ungefragt wieder hier auf?"

"Pah! Als ob wir dafür von irgendjemanden die Erlaubnis bräuchten. Diese Ländereien hier gehören sowieso uns!", erwiderte nun wiederum Rokou betont.

"Guter Witz! Aber leider lacht keiner darüber", warf nun Karan vorlaut ein. "Seht lieber mal zu, dass ihr Land gewinnt und verschwindet ganz schnell wieder da hin, wo ihr hergekommen seid! Geht nach Hause zu euren Freunden, den Aasgeiern!"

Auf Karan war in diesem Moment so mancher perplexe Blick gerichtet. Dass sie so dick auftrug, erschien so manchem im Moment nicht gerade als sonderlich gute Idee. Aber sie selbst war den Ryû-Youkai zuvor ja noch gar nicht begegnet, sah man von Tobas Kurzbesuch ab. Vielleicht traute sie sich auch aus diesem Grund etwas mehr.

"Hm! Deine freche Zunge wird dir schon noch im Halse stecken bleiben, Kätzchen", meinte Akuma bedrohlich.

Inu Yasha schulterte daraufhin gelassen sein Schwert. "Keh! Große Klappe, nix dahinter! Zu blöd, dass ihr uns überhaupt nichts anhaben könnt. Ashitakas Bannkreis verhindert nämlich nach wie vor, dass sie ihr uns angreifen könnt."

Akumas Blick hatte nunmehr einen etwas undurchschaubaren Ausdruck angenommen. "Ach, ja! Ich hörte schon von diesem Bannkreis. Das ist in der Tat ein lästiges Hindernis. Aber es gibt auch eine sehr simple und einfache Methode, einen Bannkreis zu zerstören. Und zwar, indem man denjenigen tötet, der ihn errichtet hat!"

Genau in diesem Augenblick war seine Aufmerksamkeit voll und ganz auf Ashitaka gerichtet. Scheinbar hatte Akuma ganz genau mitbekommen, wer hier den Bannkreis kontrollierte. Außerdem wusste er schon von Toba, wer unter den Inu-Youkai die Fähigkeit besaß, derartige Schutzbarrieren zu errichten. Zwar verursachte Akumas letzte Bemerkung insbesondere bei Ashitaka ein etwas unbehagliches Gefühl, aber Angriffe seitens der Ryû-Youkai waren im Moment ohnehin nicht möglich. Das verklickerte nun auch Shippou dem Anführer der Feinde: "Wenn du Ashitaka töten willst, müsstest du ja erstmal den Bannkreis durchdringen, du Angeber!"

Doch Akuma behielt seine Selbstsicherheit. "Das muss ich gar nicht. Daran habe ich bereits gedacht."

Zuerst stieß diese Bemerkung lediglich auf reichlich Irritation, doch nur zwei Sekunden später hörte man ein Zischen, das die Luft zerriss, gefolgt von einem dumpfen Geräusch, als hätte etwas Scharfes etwas durchstoßen. Zeitgleich hörte man von Ashitaka einen schmerzenden Aufschrei, ehe er völlig überraschend zu Boden ging.

"Was...?!" Miyuki, die zusammen mit Tôya praktisch neben ihm gestanden hatte, entdeckte in Ashitakas Rücken ein Naginata, das seinen Körper von hinten mit der scharfen und spitzen Klinge durchstoßen hatte. Wie von Geisterhand löste sich die Waffe jedoch sogleich wieder von ihm und flog zurück in die Hand ihres Besitzers. Seine Identität ließ die anderen wie versteinert auf der Stelle verharren.

"T-Takeshi-kun?!" Kagome war entsetzt. Derjenige, der Ashitaka so hinterhältig angegriffen hatte, war wirklich Takeshi gewesen. Dieser stand oberhalb der Treppe vor den Eingangstüren des Schlosses und zeigte nicht im geringsten ein Gefühl von Reue oder dergleichen. Kagome wollte auf ihn zugehen. "Takeshi-kun... Aber warum...?"

"Vorsicht, Kagome! Geh auf keinen Fall näher an ihn heran!" Inu Yasha versperrte dem Mädchen mit einem Arm den Weg. Aus dem Seitenwinkel schaute er zeitgleich zu Ashitaka rüber. Zu seiner und auch zur Erleichterung der anderen war er nicht tot, aber schwer verletzt. Miyuki kniete neben ihm und versuchte, ihn mit reden bei Bewusstsein zu halten. Tôya wollte sich unterdessen Takeshi vornehmen.

"Ich weiß zwar nicht, welcher Teufel dich geritten hat, aber ungeachtet dessen war das dein letzter Fehler!" Mit gezogenem Naginata sprang Tôya auf Takeshi zu, der dem Schlag jedoch mit einem Satz auswich und über die Köpfe einiger Anwesender hinweg auf dem Hof landete. Die Verwirrung war jetzt nicht weniger geworden, denn kein normaler Mensch konnte auf so eine Art und Weise einem Angriff ausweichen.

"Mit dem Kerl stimmt doch etwas ganz gewaltig nicht", sagte Miroku ernst. "Offenbare dich und sag uns, wer oder was du wirklich bist!"

Doch Takeshi schwieg. Stattdessen antwortete Akuma auf die Aufforderung des Mönchs: "Es tut mir ja wirklich Leid für euch, aber Takeshi war von Anfang an euer Gegner. Denn mein kleiner Bruder ist genauso wie ich und meine Leute hier ein Ryû-Youkai."

"Bruder?! Ryû-Youkai...? Was soll das bedeuten? Wovon redest du?", fragte Kagome, doch diesmal gab Takeshi selbst die Antwort auf diese Frage. Denn vor den Augen der anderen umgab ihn mit einem mal eine dämonische Aura, die nach und nach immer stärker wurde. Man konnte eigentlich kaum mehr etwas erkennen, aber irgendetwas tat sich dort. Was genau passiert war, erkannten die anderen erst, nachdem die dämonische Energie allmählich wieder verschwunden war. Takeshis Augen waren nun nicht mehr dunkelbraun, sondern violett. In seinem rotbraunen Haar hatte sich eine Strähne im vorderen Bereich nunmehr gänzlich rot verfärbt und schlussendlich waren wie von Geisterhand ein Paar schwarzer ungefiederter Flügel auf seinem Rücken erschienen. Jetzt war es allen klar gewesen: der Feind hatte sich die ganze Zeit in den eigenen Reihen aufgehalten. Doch Kagome wollte das noch immer nicht so recht glauben. Ungläubig haftete ihr Blick auf Takeshi. "Diese Flügel... Das heißt... du gehörst wirklich zu denen und hast uns von Anfang an nur getäuscht?!"

"Aber wie hat er das verdammt noch mal geschafft?!", fragte sich Inu Yasha. "Wir hätten doch bemerken müssen, was er für einer ist! Ich habe aber keinerlei Geruch eines Youkai bei ihm wahrgenommen."

Und nicht nur die Anwesenden auf dem Hof waren wie überrumpelt, auch Kimie, die noch immer von Sesshoumarus Zimmer aus das Geschehen mitverfolgte, war wie vor den Kopf gestoßen.

"Ich glaube, ich spinne! Das kann doch nicht wahr sein!?"

Takeshi war tatsächlich ein Feind. Sesshoumaru hatte mit seinem Einwand, den er schon in diesem Dorf geäußert hatte, tatsächlich Recht gehabt. Es war alles nur ein Trick. Akuma hatte den Inu-Youkai praktisch ein trojanisches Pferd untergeschoben.

Kimie war einerseits erschüttert und auch enttäuscht, aber zeitgleich verspürte sie jetzt erst recht den Drang, ebenfalls da raus zu gehen und ordentlich mitzumischen. Das konnte man diesen Ryû-Youkai doch nicht durchgehen lassen! Aber sie hatte Sesshoumaru ja versprochen, sich diesmal raus zu halten. Und obwohl es ihr schwer fiel, blieb sie also weiterhin in seinem Zimmer. Von dort aus bekam sie nun mit, wie Akuma den anderen erklärte, warum sie nicht hinter Takeshis wahre Identität gekommen waren. Demnach besaß Takeshi die Fähigkeit, seine dämonische Gestalt und auch die dazugehörige Aura vortrefflich zu verbergen, womit er andere natürlich problemlos täuschen konnte. Diese Erkenntnis trieb Inu Yasha nun regelrecht zur Weißglut.

"Du miese kleine Ratte! Du wirst dir gleich wünschen, du hättest dich nicht dazu hinreißen lassen, uns so für dumm zu verkaufen!" Inu Yasha deutete mit Tessaigas Klinge direkt auf Takeshi, ehe er das Schwert erhob und es direkt in die Richtung des Feindes schwang. "So! Jetzt kriegst du dein Fett weg! Kaze no Kizu!!"

Die Windwunde bahnte sich ihren Weg und steuerte genau auf Takeshi zu. Dieser machte jedoch keinerlei Anstalten, eventuell einen Fluchtversuch zu starten. Stattdessen erhob er nur seine rechte Hand, so dass diese direkt vor seinem Gesicht war und murmelte einen magischen Spruch: "Omm korokoro san dari matougi sowaka..." (Der Spruch stammt aus dem 2. "Inu Yasha"-Kinofilm und wird dort von Kaguya ebenfalls dazu verwendet, um einen Angriff von Inu Yasha abzuwehren. Wer sich das beigelegte Booklet der DVD durchgelesen hat, wird den Ursprung und die Bedeutung dieser und anderer Formeln sicher kennen.)

Inu Yashas Angriff hatte Takeshi schon fast erreicht, da verlor er jedoch an Kraft und direkt bei dem Youkai angekommen, verschwand die Windwunde mit einem Mal völlig. Inu Yasha starrte ungläubig in Takeshis Richtung. "Was zum Teufel...?!"

"Er hat den Angriff einfach neutralisiert!?" Shippou hüpfte aufgeregt hin und her. Irgendwie geriet die ganze Lage so langsam völlig außer Kontrolle. Ashitaka war kampfunfähig, Takeshi hatte sich als ein Spion des Feindes herausgestellt und jetzt wurde auch noch Inu Yashas Windwunde einfach so wirkungslos gemacht. Es fehlte nur noch, dass jetzt auch noch der schützende Bannkreis sich verabschiedete und sie alle praktisch auf einem silbernen Tablett serviert werden würden.

Und genau diese Befürchtung des kleinen Kitsune wurde nunmehr scheinbar Wirklichkeit, als sich Akuma nun eben genau des Problems mit dem Bannkreis zuwandte. "Nun, da der Bannkreis geschwächt sein dürfte, erlauben wir uns den Zutritt, wenn ihr gestattet. Renhou? Wärst du vielleicht mal so freundlich?"

Aus den Reihen der Ryû-Youkai trat nun ein weiterer von ihnen in den Vordergrund und stieg von seinem Flugdrachen. Seine Kleidung erinnerte an einen langen violettfarbenen Mantel, der unter anderem mit einem Gürtel um den Hüften zusammengehalten wurde. Zudem trug er über der linken Schulter eine Art langen roten Schal oder Umhang. Auch dieser Ryû-Youkai hatte lange dunkle Haare, die er ebenfalls nach hinten zusammengebunden hatte. Nachdem er von seinem Flugdrachen abgestiegen war, entfaltete Renhou seine schwarzen Schwingen und zog sein Schwert, welches er auf der linken Seite seines Gürtels trug. Dann stürzte er sich praktisch im Sturzflug auf den Bannkreis, erhob seine Waffe, die eine starke Energie freisetzte, und schlug mit aller Kraft zu. Ähnlich, wie wenn Inu Yasha mit Tessaiga einen Bannkreis zerstört hatte, verschwand nun auch der Bannkreis, der das Schloss bisher umgeben hatte. Jetzt waren alle in allerhöchster Alarmbereitschaft gewesen.

"Jetzt kommen wir wohl wirklich nicht mehr um einen Kampf herum", sagte Sango und erhob kampfbereit ihren Bumerang, während Miroku schon mal vorsorglich die Gebetsperlen an seiner rechten Hand umschloss.

Inzwischen stieg nun auch Akuma vom Rücken seines Flugdrachens und schwebte mit der Hilfe seiner Schwingen auf den Hof, dich gefolgt von Renhou. Kaum waren die beiden nahe dem Erdboden gewesen, gab es allerdings schon die ersten Versuche seitens der Inu-Youkai, sich die drei Ryû-Youkai gleich mal vorzuknöpfen. Länger nur tatenlos herumstehen, das war so langsam selbst dem Hartgesottensten mittlerweile zu viel, doch die gestarteten Angriffe wurden schnell von Renhou wieder vereitelt. Er ließ eine Lanze in seiner rechten Hand erscheinen und stieß diese kraftvoll in den Boden hinein. Von der Spitze der Lanze aus zogen sich sogleich große Erdrisse über den Boden, begleitet von einem Erdbeben. Dieses war zwar nicht sonderlich stark gewesen, aber immer noch stark genug, um so manchen gehörig zum schwanken zu bringen. Shippou verlor sogar das Gleichgewicht und fiel jammernd zu Boden. Kurze Zeit später beruhigte sich die Erde zwar wieder, aber in diesem Moment wagte erstmal keiner mehr, einen weiteren unkoordinierten Angriff zu starten. Unterdessen landeten Akuma und Renhou nun auf dem Hof, Letzterer direkt neben Takeshi.

"Ein wirklich nettes Fleckchen", meinte Akuma. "Um ehrlich zu sein, ich hatte schon beinahe vergessen, wie es hier aussieht."

"Dann genieße den Anblick. Lange wirst dazu jedenfalls nicht die Chance haben", meinte Sesshoumaru kalt und zog Toukijin.

Akuma beobachtete dies äußerst genau, dabei sein hinterhältiges Lächeln stets beibehaltend. Aber anstatt nun seinerseits ebenfalls seine Waffe zu ziehen, hatte er für seinen Gegenüber nur Hohn und Spott übrig: "Wenn ich noch mal so darüber nachdenke... Es ist doch eigentlich wirklich ein Witz! Ich weiß, dass du zwar von Anfang an deine gewissen Zweifel an Takeshi hattest und dennoch hast du ihn unbehelligt seine Arbeit machen lassen."

"Seine Arbeit? Was soll das heißen?", fragte Kagome.

"Ganz einfach!", antwortete Akuma. "Mein kleiner Bruder war so freundlich, euch in meinem Auftrag ein wenig auf Trab zu bringen. Ihr erinnert euch doch noch an das Geschehen der vergangenen Nacht?"

"Was?! Das war auch Takeshi-kun?"
 

Diesmal war es insbesondere Tôya gewesen, den diese Neuigkeit regelrecht vor den Kopf stieß. Dass er wegen Takeshis Einfluss beinahe seinen besten Freund auf dem Gewissen gehabt hätte, verursachte in Tôya ein fast unerträgliches Gefühl von Übelkeit. Zugleich stieg aber auch seine Wut. Allerdings war das längst noch nicht alles gewesen, denn Akuma hatte noch mehr zu berichten gehabt: "Ach ja! Dieses kleine Menschendorf hat auch einen ganz nützlichen Zweck erfüllt. Mit seiner Hilfe war es ja schließlich praktisch ohne Probleme möglich, Takeshi bei euch einzuschleusen."

Sango horchte erschrocken auf. "Menschendorf? Moment mal! Dann seid ihr es gewesen, die dieses Dorf dem Erdboden gleichgemacht und alle getötet haben?!"

Akuma nickte, ohne eine Spur von Reue. "Das hast du gut erkannt, meine Liebe."

"Aber das ist doch... Wie widerlich! Dann war das also alles Absicht!?" Sango konnte sich nur mit Mühe zurückhalten, den Ryû-Youkai nicht völlig kopflos zu attackieren. Zwar hatte sie selbst das zerstörte Dorf und die Opfer nicht gesehen, doch waren ihre Erinnerungen an das Schicksal ihres eigenen Dorfes und ihrer Familie noch so frisch und gegenwärtig wie am ersten Tag. Und die Tatsache, dass auch in diesem Fall wieder nur zum Zwecke eines Planes eine solche Gräueltat verübt worden war, schürte den Zorn der Dämonenjägerin nur noch weiter.

"Mir reicht's! Ich habe genug gehört!", knurrte Inu Yasha nun und trat vor. "Du und dein widerliches Pack von Fledermausabklatschen, ihr werdet euch noch wünschen, ihr wärt in euren dämlichen Bergen geblieben. Wenn ich mit euch fertig bin, wird von euch nämlich nicht mehr allzu viel übrig bleiben!" Damit stürzte sich der Hanyou mit erhobenem Schwert genau auf Akuma, doch dieser wich dem Schlag mit Tessaiga mit einem Sprung aus.

"Du bist ja sehr von dir überzeugt für einen Hanyou. Vielleicht sollte ich dich mal wieder auf den Boden zurückholen!" Akuma schlug einmal mit seinen Schwingen und platzierte sich so direkt hinter Inu Yasha. Von hier hatte er die perfekte Angriffsfläche. Also schlug er die Klauen seiner linken Hand tief in Inu Yashas Rücken und drückte den Hanyou auf den Boden.

"Inu Yasha!!" Kagome holte eiligst einen Pfeil aus ihrem Köcher, um Inu Yasha zu helfen, aber da kam ihr schon Sesshoumaru zuvor, der mit Toukijin nach Akuma schlug. Der Ryû-Youkai zog mit seiner freien Hand noch rechtzeitig seinerseits sein Tachi und blockte den Angriff ab, ehe er wieder von Inu Yasha abließ. Dieser rappelte sich mühsam wieder auf.

"Scheiße! Wer hat dich denn um Hilfe gebeten?", beschimpfte Inu Yasha seinen Halbbruder, der für diese Beschwerde jedoch nicht unbedingt Gehör hatte.

"Bilde dir nicht ein, dass ich dir helfen wollte, Inu Yasha", meinte Sesshoumaru nur kalt. "Aber ich sehe es nun mal nicht gerne, wenn Fremde sich einbilden, sie könnten in meinem Schloss tun und lassen, was sie wollen." Mit dem letzten Satz hatte er sein Augenmerk wieder auf Akuma gerichtet, der etwa fünf Meter von ihm und Inu Yasha entfernt stand.

"Hm! Ein Kampf mit dir wäre sicherlich interessant, Sesshoumaru", meinte Akuma hinterhältig. "Schließlich hatten wir beide ja noch nicht das Vergnügen. Bisher habe ich ja schon einiges von dir gehört, das äußerst viel versprechend klingt. Das wird doch nicht nur Schall und Rauch gewesen sein, oder?"

"Finde es doch einfach selbst heraus!", forderte Sesshoumaru den Ryû-Youkai entschlossen auf. Dieser ließ sich das nicht zweimal sagen und startete sogleich einen Angriff auf seinen Gegner. Die Klingen beider Schwerter prallten laut klirrend aufeinander. Von beiden Waffen gingen gewaltige Energieströme aus, doch keiner der beiden Kontrahenten gab dem jeweils anderen nach. Mit seiner freien Hand schlug Sesshoumaru einmal nach Akuma, der dem Schlag zwar auswich, jetzt jedoch von Sesshoumaru wirksam zurückgestoßen werden konnte. Bevor dieser mit Toukijin erneut zuschlagen konnte, entzog sich Akuma diesem Angriff, indem er sich einfach mit einem kräftigen Flügelschlag in die Lüfte erhob.

"Du bist stark, das stimmt. Es ist schon lange her, dass ich einen ebenbürtigen Gegner hatte", meinte Akuma, während er auf Sesshoumaru herabsah. Dieser erwiderte jedoch nichts auf die Worte seines Gegenübers, sondern brachte sich stattdessen mit einem Sprung auf gleiche Höhe mit Akuma. Hier wurden wieder die Klingen gekreuzt.

"Übernimm dich aber nicht, mein Freund!", mahnte Akuma den Inu-Youkai mit einem hinterhältigen Lächeln. "Denn hier oben bin ich dir gegenüber klar im Vorteil, falls es dir nicht aufgefallen sein sollte!"

"Das Einzige, was mir an dir bisher aufgefallen ist, dass du erstaunlich gerne große Reden zu schwingen scheinst!", erwiderte Sesshoumaru unbeeindruckt und teilte mit Toukijin noch einen Schlag in Akumas Richtung aus, ehe er wieder auf dem Boden landete. Akuma, der den Angriff wiederum abgewehrt hatte, verblieb in der Luft. Er wusste, dass auch die Inu-Youkai durchaus dazu in der Lage waren zu fliegen, wenn auch auf eine gänzlich andere Art und Weise. Nichts desto trotz hatten die Ryû-Youkai die unangefochtenen Lufthoheit, von daher war es nun gehüpft wie gesprungen, ob Sesshoumaru ebenfalls für den Kampf gegen Akuma seine Fähigkeit zu fliegen einsetzen würde.

Akumas Aufmerksamkeit war nach wie vor auf Sesshoumaru gerichtet, doch im Hintergrund hatte er zugleich das Schloss im Blick. Da bekam er plötzlich mit, wie sich im obersten Zimmer die Tür zur Veranda ein wenig bewegte. Sie war nur einen Spalt weit offen, aber das genügte dem Youkai, um sich ausreichend genug zu informieren.

"Verstehe. Dachte ich's mir doch." Ein selbstsicheres Lächeln erschien auf Akumas Gesicht, ehe er einmal mit dem Finger schnippte. Keine Sekunde später rauschte einer seiner Gefolgsleute mit hoher Geschwindigkeit an ihm vorbei und genau auf jene, noch teils geschlossene Tür zu. Die anderen konnten gar nicht so schnell gucken, wie der Ryû-Youkai im Flug in das Zimmer geprescht war. Drinnen konnte man noch kurz lautes Poltern und einen Schrei hören, ehe er auch schon wieder zusammen mit seiner Beute wieder zum Vorschein kam; er hatte Kimie im Schlepptau, die sich bis dahin in Sesshoumarus Zimmer aufgehalten hatte.

"Argh! Verdammt noch mal! Lass mich los! Du sollst mich loslassen, du Mistkerl!", schimpfte Kimie aufgebracht, verstummte jedoch sogleich wieder, als sie die Krallen ihres Kidnappers an ihrem Hals spürte.

"Hab gefälligst nicht ein so großes Maul, sonst zerlege ich dich gleich hier und jetzt in deine Einzelteile!", drohte ihr der Youkai. Kimie war von ihm wie ein Gepäckstück unter den rechten Arm geklemmt worden und beim dazugehörigen Blick auf seine Klauen verging ihr wirklich alles.

"Hey, Jin! Vergiss deine guten Umgangsformen nicht. Mit Frauen geht man für gewöhnlich etwas vorsichtiger um", rief Toba seinem Kameraden zu, stieß bei diesem allerdings mehr auf taube Ohren. Allerdings sollte diese Bemerkung ohnehin mehr zur allgemeinen Belustigung beitragen, als wirklich dazu dienen, Jin den korrekten Umgang mit Kimie näher zu bringen.

"Akuma! In deinem eigenen Interesse: Lass das Mädchen wieder frei!", befahl Sesshoumaru dem Ryû-Youkai mit einem Mal bedrohlich. Dieser zeigte sich etwas verblüfft von der Reaktion seines Gegners, denn Sesshoumaru wirkte auf eine gewisse Art und Weise auch recht wütend.

"Ui! Sollte dir etwa was an ihr liegen, Sesshoumaru?", fragte er prüfend. "Interessant. Dann scheinen wir ja einen guten Fang gemacht zu haben."

"Soll das heißen, das hier ist diese komische Miko, die die Juwelensplitter sehen kann?", fragte Jin mit einem skeptischen Blick auf Kimie. "Eigenartige Kleidung trägt sie ja schon mal."

"Nein, die Miko ist die mit den schwarzen Haaren und dem Rock, die noch da unten herumsteht", korrigierte Rokou nun die Vermutung seines Kameraden und deutete auf Kagome, die neben Inu Yasha, der noch auf dem Boden kniete, hockte. Rokous Bemerkung trieb Jin im Nachhinein jedoch regelrecht auf die Palme.

"Du Volltrottel!", fuhr er ihn aufgebracht an. "Das hättest du auch gleich sagen können! Dann wären wir hier schon längst fertig!"

"Du hast mich ja nicht gefragt", entgegnete Rokou unschuldig und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Ein Knurren drang aus Jins Kehle, während Akuma ungeachtet dessen sein Augenmerk auf Kagome richtete.

"Ach, du bist das also. Diese geheimnisvolle Miko mit den Juwelensplittern und der Gabe, diese auch sehen zu können."

"Wenn ihr an Kagome ran wollt, müsst ihr zuerst noch an mir vorbei!", warf Inu Yasha sofort ein, noch bevor eventuell einer der Ryû-Youkai auch nur Anstalten machen konnte, sie sich eventuell auch noch zu krallen. Aber darauf schien es Akuma momentan auch gar nicht abgesehen zu haben. Vielmehr schien er sein Ziel anders verfolgen zu wollen. Er flog an Jins Seite, so dass Kimie sich nun praktisch mittig von den beiden befand.

"Tja, wie wäre es mit einem kleinen Tauschgeschäft?", fragte Akuma und nickte in Kagomes Richtung. "Die Miko inklusive ihrer Juwelensplitter gegen dieses Mädchen hier!"

"Bitte WAS?!" Kimie kam sich jetzt wirklich vor, wie in einem schlechten Film. Konnte es denn allen Ernstes noch schlimmer kommen?

Die Rache der Ryû-Youkai

Akumas Vorschlag, Kimie gegen Kagome einzutauschen, stieß bei keinem wirklich auf sonderlich viel Gegenliebe. Auch nicht bei Kimie, deren Situation im Moment wirklich nicht gerade die beste gewesen war.

"Der Vorschlag ist bescheuert! Das kannst du dir gleich wieder abschminken!", meinte sie betont an den Anführer der Ryû-Youkai gerichtet.

Aber da rief Kagome: "Einverstanden! Ich gebe euch die Juwelensplitter und ich komme auch mit euch mit, wenn ihr dafür Kimie wieder frei lasst!"

"Kagome! Bist du verrückt?!" Inu Yasha wollte seinen Ohren nicht trauen und auch seine Freunde wirkten nicht minder erschrocken über Kagomes Einverständnis hinsichtlich Akumas Angebot.

Das Mädchen wollte nichts desto trotz schon bereitwillig vortreten, da rief Kimie ihr von oben zu: "Tu das nicht, Kagome! Sonst wirst du es früher oder später bereuen! Diesen Typen kann man doch nicht vertrauen! Die wollen uns doch eh alle umbringen, ob nun jetzt oder später ist denen dabei vermutlich egal!"

Abrupt war Kagome wieder stehen geblieben. Mit ihrer Vermutung hatte Kimie vermutlich Recht gehabt und auch Kagome selbst hatte sich schon so was gedacht. Aber war das wirklich ein Grund, die Gefahr nicht wenigstens für den Moment zu bannen?

Während sie aber noch unschlüssig überlegte, wandte sich Kimie wieder Akuma zu: "Hör mal zu, du Idiot: Hier wird nicht wild rumgetauscht wie's einem gerade passt, kapiert?! Wir sind hier schließlich nicht auf deiner Tauschbörse! Und wenn ich nicht gerade keinerlei Boden unter meinen Füßen hätte, würde ich dir außerdem liebend gern einen so derartigen Tritt verpassen, dass du auch ohne deine Flügel glatt bis nach Bangkok segeln würdest! Los! Sag deinem Helfershelfer hier, er soll mich runterlassen, dann fechten wir die Sache aus!"

Akuma hatte, ebenso wie Jin, insbesondere auf die letzte Bemerkung hin äußerst skeptisch dreingeschaut. "Ist die nicht ganz richtig im Kopf oder wie soll ich diese merkwürdige Art zu sprechen verstehen?", fragte er sich etwas verwundert, woraufhin er aus dem Hintergrund Toba sagen hörte: "Wundert Euch nicht, Akuma-sama. Das habe ich mich bei meinem ersten Besuch hier auch schon gefragt."

"Ach!" Akuma schaute noch mal kurz auf Kimie herab, die ihm einen schmollenden Blick zuwarf, ehe er sich wieder an seine Gegner wandte: "Wie auch immer. Was ist jetzt? Mein Angebot steht noch."

"Das kannst du voll vergessen! Du kriegst Kagome niemals!", widersprach nun Inu Yasha entschlossen, als ihm jedoch auffiel, dass Sesshoumaru zu ihm und Kagome rüberschaute. Sein Gesicht hatte den typisch undurchschaubaren Ausdruck, doch für Inu Yasha war das allein schon ausreichend, um für sich seine eigenen Schlüsse daraus zu ziehen. Mit Tessaigas Klinge deutete der Hanyou sogleich auf seinen Halbbruder. "Hey! Ich warne dich, Sesshoumaru! Wenn du auch nur mit dem Gedanken spielst, Hand an Kagome zu legen, schlitze ich dich hier und jetzt auf!"

Sesshoumaru erwiderte nichts darauf, sondern behielt nur seine undurchschaubare Miene. Er hatte von vornherein nicht vorgehabt, auf Akumas Vorschlag einzugehen. Als ob sich Sesshoumaru wirklich von ihm erpressen lassen würde. Was würde das überhaupt für einen Eindruck hinterlassen? Wenn der Feind irgendwelche Forderungen stellte, hatte Sesshoumaru nicht klein beizugeben! Allerdings musste er sich unter diesen Umständen unweigerlich etwas anderes einfallen lassen, wollte er Kimie wieder befreien. Diese machte sich unterdessen ihre ganz eigenen Gedanken zum aktuellen Stand der Dinge: >Toll! Entweder ende ich als Schaschlik oder Kagome zieht am Ende doch noch den schwarzen Peter... Blöde Auswahl! Es muss doch noch einen anderen Weg geben!? Shit! Wenn ich wenigstens Raidon bei mir hätte, dann könnte ich mich vielleicht selbst wieder befreien. Aber das liegt ja noch in meinem Zimmer...<

Kimies Gedankengänge wurden je unterbrochen, als sie plötzlich einen starken Griff an ihrem Kinn wahrnahm. Akuma drehte nun ihr Gesicht ein paar Mal hin und her, um sie sich etwas genauer anzusehen. Skeptisch zog er eine Augenbraue hoch. "Hm! Ob du einen Tausch aber auch wirklich wert wärst? Du siehst auch nicht langweiliger aus, als die anderen Menschenweiber. Nur deine große Klappe ist etwas gewöhnungsbedürftig. Eine Frau, die zu viel redet, ist unattraktiv."

"Tja, sorry, wenn ich nicht ganz deinen Geschmack treffe, aber könntest du mich trotzdem wieder loslassen? Du tust mir nämlich weh!", erwiderte Kimie bockig und versuchte von sich heraus, sich von Akumas Griff zu lösen.

Letztendlich ließ er aber doch wieder von ihr ab, ehe er das Wort wieder an Sesshoumaru richtete: "Wie sieht es nun aus? Tauschen wir oder hältst du nichts von meinem Vorschlag?"

"Sag mal, hörst du schlecht, du Depp?! Hier will keiner tauschen! Dein Vorschlag ist sowieso total für die Tonne!", beschimpfte Kimie den Ryû-Youkai aufgebracht, noch bevor Sesshoumaru eventuell etwas hatte sagen können, und machte auch ihrerseits erneut deutlich, dass sie selbst keinen Wert darauf legte, an Kagomes Stelle wieder freigelassen zu werden.

Akuma zog prüfend eine Augenbraue hoch. "Also, du hast entweder großen Mut oder aber du bist eine sehr leichtsinnige Gefahrensucherin. Oder bist du einfach nur unglaublich dumm? Wenn sie die Miko herausrücken würden, wärst du schließlich wieder frei."

"Ist mir wurscht! Von mir aus könnt ihr mich auch vierteilen! Kagome bekommt ihr nie und auch nicht die Juwelensplitter!"

Akumas Blick hatte einen leicht amüsierten Ausdruck angenommen. "Na gut. Es ist deine Entscheidung, Schätzchen", meinte er schließlich mit einem gleichgültigen Schulterzucken und entfernte sich wieder etwas von ihr und Jin. Letzterer fragte seinen Anführer aber noch, wobei er mit einem Nicken auf Kimie deutete: "Und was ist nun mit der hier?"

"Das überlasse ich deinem Einfallsreichtum, Jin", antwortete Akuma, und Jin schien sich wegen Kimie auch schnell etwas zurechtgelegt zu haben. Nicht weit von den beiden befand sich nämlich einer der zahlreichen Flugdrachen. Und er machte einen recht hungrigen Eindruck.

"Nun denn!" Jin hob Kimie etwas an und lockerte seinen Griff um sie. "Hier! Eine kleine Zwischenmahlzeit!"

"WAS?! Aaah!! Nein!" Kimie sträubten sich beim Anblick des hungrigen Ungetüm regelrecht die Nackenhaare. Bevor Jin sie hatte von sich werfen können, hatte sie sich mit aller Kraft reflexartig an seinem Gürtel festgehalten, so dass es dem Ryû-Youkai nicht möglich gewesen war, das Mädchen wie geplant in den Rachen des Flugdrachen zu befördern. Und sie schien sich auch nicht so leicht wieder abschütteln lassen zu wollen.

"Hey! Lass los, du Klette!", befahl Jin, doch Kimie wollte da keinesfalls mitspielen.

"Das ist bloß mein Selbsterhaltungstrieb! Ich denke ja nicht mal im Traum daran, mich an so ein Viech verfüttern zu lassen!"

Allerdings war Kimie momentan auch noch nicht klar, was Jin jetzt wohl tun würde, um sie doch noch loszuwerden. Die Antwort darauf ließ allerdings nicht lange auf sich warten, zumindest ließ das Jins niederträchtiger Blick vermuten. "Gut, wenn du es nicht anders haben willst, dann bringen wir die Sache eben anders zu Ende!"

"Eh!?" Kimie starrte den Ryû-Youkai zunächst etwas unschlüssig an, als er nun seine linke Hand erhob. Zuerst passierte gar nichts, aber dann wurden seine Krallen an seiner Hand mit einem Mal viel länger, dass sie letztendlich wirklich Furcht erregend aussahen. Furcht erregend gefährlich und verdammt scharf! Kimie brauchte nicht lange, um für sich zu herauszufinden, was nun kommen würde.

>Nicht doch! Ein kleines Wunder wäre jetzt nicht schlecht!<, dachte sie im einen Anflug von aufkommender Panik. Ihre Optionen sahen wie folgt aus: entweder, sie ließ Jins Gürtel los und würde dadurch Gefahr laufen, im nächsten Moment von einem dieser Flugdrachen verschluckt zu werden, oder aber, sie hielt sich weiter an Jin fest und ließe sich dadurch von ihm in kleine Streifen schneiden. Beide Möglichkeiten sagten ihr nun wirklich überhaupt nicht zu und so schickte sie eiligst ein Stoßgebet in den Himmel.
 

So wie die Sache im Moment aussah, konnte Sesshoumaru nicht eingreifen. Würde er Jin mit Toukijin attackieren, bestand die Gefahr, dass auch Kimie bei diesem Manöver verletzte werden würde. Würde Sesshoumaru aber nichts tun, würde Jin das Mädchen im nächsten Moment unweigerlich töten. Er hatte keine andere Wahl, Sesshoumaru musste wenigstens einen Versuch starten, andernfalls wäre Kimie sicherlich dem Tode geweiht. Doch gerade, als er sich einmischen wollte, spürte er eine fremde Energie. Sie kam aus dem Schloss, direkt aus Kimies Zimmer. Als Sesshoumaru sich kurz entsprechend umdrehte, sah er gerade noch, wie etwas durch die geschlossene Tür des Zimmers mit hoher Geschwindigkeit herausgeschossen kam. Kein Zweifel: Es war Kimies Schwert gewesen! Es flog mit der Klinge voran genau auf das Mädchen zu, dass dieses es im Flug am Griff erwischen konnte, als es bei ihr angekommen war.

"Was zum...?!" Jin hatte das fliegende Etwas gerade erst überhaupt als ein Schwert identifizieren können, da hatte Kimie ihr Augenmerk schon auf den Ryû-Youkai gerichtet.

"Ha! So ein Stoßgebet bringt's also doch hin und wieder mal! So! Jetzt bin ich dran, mit austeilen!"

Ohne zögern schlug sie zu und traf Jin mit der Spitze von Raidons Klinge im Gesicht, genauer gesagt an der rechten Wange, wo das Schwert einen tiefen blutigen Schnitt hinterließ. Ruckartig war Jin nach dieser Attacke mit einem kräftigen Flügelschlag weiter nach oben geflogen, wodurch Kimie den Halt an seinem Gürtel verloren hatte und fiel. Unter sich sah sie schon einen dieser Flugdrachen bereitstehen, doch dieser bekam nicht mal mehr die Gelegenheit dazu, sein Maul zu öffnen, denn eine leuchtend blaue Energiewelle pulverisierte ihn auf der Stelle. Anschließend wurde Kimie von Sesshoumaru im Fall aufgefangen und beide landeten sicher wieder auf dem Boden.

"Bist du verletzt?", fragte Sesshoumaru das Mädchen sofort, das mit einem erleichterten Seufzen den Kopf schüttelte.

"Nein. Aber ich habe mich ganz schön erschrocken... Danke."

Zögerlich wagte Kimie einen Blick zum Himmel zu riskieren. Sie hatte Jin scheinbar recht gut getroffen, wenngleich sie ihn eigentlich gerne vollends ausgeschaltet hätte. Aber im Moment war sie trotzdem einfach nur erleichtert gewesen. Jin hingegen kochte regelrecht vor Wut. Sein hasserfüllter Blick traf das Mädchen, während er sich das Blut von der Wange zu wischen versuchte. "Du dreckiges, kleines Luder... Das wirst du noch bitter bereuen, das schwöre ich dir!"

Ganz anders als Jin schien Rokou hingegen diesen kleinen Zwischenfall nach allen Regeln der Kunst zu genießen. "Ach, du meine Güte! Hey, Jin! Seit wann lässt du dich denn so dermaßen von einer Frau vorführen und noch dazu von einem einfachen Menschen?", lachte er höhnisch und stachelte Jins Zorn damit immer weiter auf.

"Wenn du nicht die Klappe hältst, Rokou, nehme ich mir dich zuerst vor!", drohte Jin, doch Rokou ließ sich davon überhaupt nicht beeindrucken. Stattdessen erwiderte er nur frech: "Versuch 's doch! Ich bin schon sehr gespannt darauf."

"Du...!" Gerade als Jin auf Rokou losgehen wollte, stellte sich Renhou jedoch vor ihm.

"Schluss jetzt! Hört auf, und zwar alle beide!", befahl er mit strengem Ton, aber Jin hob nur drohend die Faust.

"Verschwinde, Renhou! Dieser Kerl will ja schließlich ganz offensichtlich, dass ich ihm die Eingeweide aus dem Leib reiße, also misch dich gefälligst nicht ein!"

Doch Renhou wich auch weiterhin nicht von der Stelle.

Jin ließ ein wütendes Knurren verlauten: "Renhou! Geh mir endlich aus dem Weg oder willst du vor Rokou dran glauben?!"
 

"Die spinnen doch wohl total! Jetzt machen die sich schon gegenseitig fertig", meinte Shippou, der genau wie alle anderen etwas unschlüssig die kleine Auseinandersetzung in den Reihen der Ryû-Youkai beobachtete.

Soeben wollte Renhou etwas auf die letzte Aussage von Jin erwidern, als er jedoch etwas bemerkte. Sofort stieß er seinen Kameraden fort und brachte sich anschließend selbst eiligst in Sicherheit, denn ein mit dämonischer Energie ausgestatteter Pfeil war zuvor direkt auf die beiden zugeflogen. So verfehlte der Pfeil jedoch sein ursprüngliches Ziel und traf stattdessen einen der zahlreichen Flugdrachen, der sofort tödlich getroffen zu Boden stürzte. Sofort suchten die Ryû-Youkai nach dem Übeltäter und entdeckten ihn sogleich auf dem Dach des Schlosses, von welchem Subaru nun hinunter sprang. Akuma musterte den jungen Inu-Youkai einmal gründlich. "Hm! Du bist neu, dich kenne ich noch nicht."

"Das mag daran liegen, dass wir damals noch nicht das Vergnügen hatten", antwortete Subaru gleichgültig, wurde kurz danach aber auf seinen Bruder aufmerksam, der nun hinter dem Schloss zum Vorschein kam. Es schien, als habe Seshiru das ganze Geschehen bis eben von dort aus heimlich mitverfolgt.

"Sag mal, Brüderchen, wolltest du nicht eigentlich diese zwei Flattermänner treffen? Stattdessen holst du eine zu groß geratene Echse vom Himmel. Deine Treffsicherheit war auch schon mal besser, kann ich mich erinnern", meinte er zu Subaru mit einem Unterton von Hohn in der Stimme.

Während Subaru zu dieser Bemerkung aber schwieg, schien Akumas Überraschung über Seshirus Auftauchen schon etwas größer gewesen zu sein. "Huch? Wenn das mal nicht Seshiru ist. Ich dachte, man hätte dich hier schon vor langer Zeit rausgeschmissen, zumindest hörte ich von einer derartigen Geschichte. Wie kommt es dann, dass du wieder hier bist?"

"Eine Übergangslösung, wenn dir das als Antwort reichen sollte, Akuma", antwortete Seshiru mit einem geheimnisvollen Lächeln im Gesicht.

Akuma konterte diesem mit einem abwertenden Blick. "Verstehe. Euer Clan ist mittlerweile also nicht nur so tief gesunken, dass er schon auf die Hilfe von Menschen und Halbdämonen zurückgreifen muss. Sogar verstoßene Verräter werden in einem Akt der Verzweiflung einfach mal wieder in den eigenen Kreis aufgenommen, wenn es zu brenzlig wird. Was für eine Farce! Das ist so langsam wirklich nur noch zum Lachen!"

"Boah! So langsam gehen mir dieser arrogante Kerl und sein blödes Gequatsche wirklich nur noch gegen den Strich!", knurrte Inu Yasha erbost und hätte Akuma mit Tessaiga nur zu gern eins über die Rübe gezogen. Das wäre für den Hanyou wahrlich ein Genuss gewesen. Währenddessen schien Akuma schon den nächsten Schritt geplant zu haben.

"Das wird langsam langweilig. Eigentlich sollten doch alle ein wenig Spaß haben, nicht wahr?", meinte er und richtete das Wort an den Anführer der fünf Hüter: "Renhou! Du und deine vier Kampfgefährten, ihr könnt euch ja schon mal jeweils eure Gegner herauspicken, aber auch ihr anderen könnt euch jetzt gerne ein wenig austoben. Wenn mehrere gleichzeitig kämpfen, bringt das etwas mehr Schwung ins Geschehen. Takeshi, du kannst natürlich auch gerne mitspielen." Akuma schaute neben sich zu seinem Bruder, der jedoch kein Interesse daran zu haben schien, sich an diesem Kampf zu beteiligen.

"Nicht nötig. Ich werde zuschauen", meinte der Jüngere nur tonlos.

Unterdessen schweifte Rokous Blick prüfend über den Hof und er schien sich seine Wunschgegner schon ausgesucht zu haben. Sein Augenmerk war nun genau auf Touran und die Panther-Dämonen gerichtet. Mit einem hinterhältigen Lächeln meinte er: "Das wäre doch etwas! Ich steh' nämlich auf Katzen. Denen kann man immer so herrlich das Fell über die Ohren ziehen!"

"Ach, ja?! Versuch's doch, du Angeber!", fauchte Karan den Ryû-Youkai kämpferisch an. Dieser ließ sich nicht zweimal bitten und flog nun direkt auf die Panther-Dämonen zu. Karan fackelte nicht lange herum und schickte Rokou mehrere ihrer Feuerbälle entgegen. Doch anstatt dem Angriff eventuell auszuweichen, stoppte Rokou lediglich und ließ es ohne Gegenwehr zu, dass Karans Attacke ihn voll erwischte. Sie wähnte sich schon in siegessicherer Gewissheit. "Ha! Große Klappe, nichts dahinter! Das war's wohl!"

Aber etwas war eigenartig gewesen. Keiner der Ryû-Youkai schien sich in irgendeiner Form beunruhigen zu lassen, obwohl Rokou die volle Attacke abbekommen hatte. Irgendetwas war da faul und das wurde allen ganz schnell klar, als Rokou inmitten von Karans Feuer wieder auftaucht, nur schien er es nunmehr selbst zu kontrollieren.

"Wirklich ein netter Versuch, Kätzchen!", meinte der Ryû-Youkai spöttisch, während er um sich herum eine Art Feuerspirale erzeugte. Ehe jemand so richtig reagieren konnte, schlug Rokou seinerseits zurück und beantwortete Karans Angriff mit einem kraftvollen Feuerstrahl, der die Luft sofort um ein Vielfaches erhitzte. Die Panther-Dämonin und ihre Geschwister sprangen zwar noch rechtzeitig zur Seite, aber insbesondere Karan schien jetzt irgendwie bedient gewesen zu sein.

"Meine Güte! Das war kein Feuerstrahl, das war eine Feuerwalze!", keuchte sie erschrocken von diesem heftigen Gegenangriff, der weitaus stärker gewesen war, als jede ihrer eigenen Feuerattacken.

Rokou schaute belustigt auf sie herab. "Was ist denn los? Ist das etwa schon zu viel für dich gewesen, Mieze?"

"Nenn mich nicht 'Mieze'!", fauchte Karan aufgebracht und mit drohend emporgehobener Faust, aber Rokou hatte dafür nur ein müdes Gähnen übrig.

Da flog Toba an seine Seite und fragte: "Hey, Rokou! Wie wäre es jetzt mit einer kleinen Kombi-Attacke?"

"Aber immer doch! Ich beginne, wenn du erlaubst", antwortete Rokou einverstanden und schien sich nun für einen weiteren Angriff vorzubereiten.

Shunran beobachtete das mit großer Verunsicherung. "Was... was haben die jetzt vor?!"

Die Antwort darauf folgte prompt, als Rokou einen weiteren Feuerstrahl Richtung Erde schicken wollte. Da trat mit einem Mal Inu Yasha in den Vordergrund. Es schien, als wollte er Rokous Angriff mit einem Bakuryuuha entgegentreten.

"So einfach mache ich euch das nicht! Kommt nur her!", knurrte der Hanyou herausfordernd, als Rokou seinen Angriff startete. Darauf hatte Inu Yasha nur gewartet. "Ha! Das war's! jetzt seid ihr beide erledigt! Bakuryuu...!!"

Aber bevor er Tessaiga entsprechend gegen Rokous Angriff schwingen konnte, hatte sich schon Toba eingeschaltet und seinerseits einen kraftvollen Wasserstrahl genau in die Richtung der Attacke seines Bruder geschickt. Tobas Wasserstrahl traf genau mit Rokous Feuerstrahl zusammen. Das Feuer erlosch sofort unter lauten Zischen und nur Sekunden später war alles voller Wasserdampf. Man sah kaum mehr noch die Hand vor Augen.

"So ein Dreck! Ich seh' nichts mehr!" Inu Yasha hatte seinen Angriff abbrechen müssen und war wieder zurückgetreten. Hastig sah er sich um. Wo war Kagome? Da entdeckte er sie etwas weiter inmitten des Wasserdampfes und lief wieder zu ihr zurück.

"Kagome! Bleib auf jeden Fall dicht bei mir!", wies Inu Yasha das Mädchen sofort an. Unter keinen Umständen durfte er sie jetzt aus den Augen verlieren, also ergriff er mit der linken Hand ihre rechte, während er mit seiner anderen Hand weiterhin Tessaiga festhielt. Als Kagome Inu Yashas Hand um ihre spürte, schlug kurzzeitig ihr Herz etwas schneller, aber das war im Moment nicht der richtige Zeitpunkt, um sich von irgendwelchen Gefühlen überrennen zu lassen, also hielt sie ebenso wie die anderen angestrengt Ausschau nach den feinden, sofern das in diesem undurchsichtigen Wasserdampf überhaupt möglich gewesen war.

Auch Kimie blieb nach Möglichkeit in Sesshoumarus Nähe.

"Was sollen wir machen?", fragte sie ihn unsicher. "Man sieht kaum mehr die Hand vor Augen und außerdem..."

"Still!", sagte Sesshoumaru plötzlich, ehe er Kimie völlig unvorhergesehen am Arm ergriff und sie zur Seite zog. Und das keine Sekunde zu spät, denn wie aus dem Nichts war mit einem Mal Akuma genau bei den beiden aufgetaucht. Kimie sah nichts genaueres, aber sie hörte das klirrende Aufeinanderprallen zweier Schwerter. Langsam lichtete sich der Wasserdampf wieder und gab nach und nach den Blick frei auf das Geschehen. Sesshoumaru und Akuma hatten erneut die Klingen gekreuzt und wieder schien keiner nachgeben zu wollen. Und als die Verkeilung letztendlich doch wieder gelöst wurde, ging das derartig heftig zu, dass beide, Sesshoumaru und Akuma, vom jeweils anderen etwas abbekamen. Sesshoumaru erwischte Akuma mit Toukijin auf der Höhe der Brust und hinterließ im Stoff einen langen Schnitt, während Akuma seinen Gegner genau an dessen Rüstung trag und der obere Teil von dieser regelrecht zerbrach. Körperliche Verletzungen waren hingegen bei beiden nicht zu verzeichnen gewesen. Währenddessen war der Wasserdampf letztendlich wieder gänzlich verschwunden.

"Hm! Nicht schlecht, das war ziemlich knapp. Beinahe hättest du mich gehabt", meinte Akuma mit einem hinterhältigen Lächeln an Sesshoumaru gerichtet. Dieser verzog wie so oft keine Miene, wohingegen Kimie spürbar nervös zu sein schien. Ruckartig drehte sie sich um, als sie plötzlich dieses bedrohliche Fauchen wahrnahm. Da kam schon wieder einer dieser Flugdrachen direkt auf sie zu. Den musste sie unbedingt ausschalten, also erhob sie ihr Schwert und schwang es genau in die Richtung des herannahenden Ungetüms. Ein Blitz löste sich aus Raidons Klinge, steuerte genau auf den Flugdrachen zu und traf ihn frontal. Getroffen fiel er zu Boden. Akuma, der die Szene beobachtet hatte, schulterte gelassen sein Schwert.

"Na, aber hallo! Brauchst du die Kleine etwa, damit sie dir den Rücken deckt, Sesshoumaru?", fragte er herablassend und ganz klar mit der Absicht, zu provozieren.

Aber Sesshoumaru blieb ruhig und entgegnete nur: "Ich habe keinen Schutz von anderen nötig! Den habe ich nie gebraucht."

"Hm!" Akuma behielt seinen selbstsicheren Gesichtsausdruck bei. Auch, wenn sie gerade nicht ihre Klingen kreuzten, die kämpferische Atmosphäre zwischen ihm und Sesshoumaru war noch immer ganz deutlich zu spüren gewesen.

Unterdessen hatten die anderen ihrerseits genug mit den anderen Feinden zu tun. Tôya hatte alle Mühe, seine Schwester und den verletzten Ashitaka vor den gegnerischen Angriffen zu schützen und schlug dabei mehrere Feinde nieder. Unterstützung erhielt er dabei insbesondere von Subaru, der sowohl Gebrauch von seinem Schwert, als auch von Pfeil und Bogen machte. Auch die menschlichen Kämpfer blieben nicht untätig.

"Hiraikotsu!" Sango schleuderte ihren Bumerang nun genau in die Richtung von Jin, doch dieser konnte ausweichen und flog nunmehr mit ausgefahrenen Krallen direkt auf die Dämonenjägerin zu. Zwar stellte sich schon Kirara schützend vor ihre Herrin, aber auch Miroku blieb nicht untätig. Entschlossen trat er vor und entfernte die Gebetsperlen von seiner rechten Hand. "Jetzt bin ich an der Reihe! Kazaana!!"

Als Jin den starken Sog spürte, stoppte er sofort seinen Angriff.

"Aus dem Weg! Kommt dem Mönch nicht näher!", rief Renhou seinen Kameraden zu, von denen sich jeder sogleich wieder vom Erdboden entfernte und in den Himmel empor flog. Auch Jin konnte sich so des Soges von Mirokus Kazaana gerade noch entziehen.

"Verdammter Dreck!", fluchte der Ryû-Youkai voller Wut, als überraschenderweise Yu an seiner Seite auftauchte und er hielt etwas kleines in der Hand.

"Verlier nicht die Geduld, Jin. Dieser Mönch wird uns gleich keine Schwierigkeiten mehr machen", meinte Yu und schnippte das kleine Etwas gelassen direkt in den Sog von Mirokus Kazaana.

Dem Mönch war dieser neu hinzugekommene Ryû-Youkai gleich aufgefallen. Er sah etwas anders aus als die andern, denn er trug als Einziger ein langes, grünes Gewand, dass an den Ärmeln und am Kragen mit goldenen Stickereien verziert war. Er hatte langes braunes Haar, das er offen trug, und an seiner Stirn hing an einem dünnen Lederband so was wie ein Schmuckstein. Besonders auffallend war aber dieser beinahe schon hypnotische Blick seiner eisblauen Augen. Als eben dieser Ryû-Youkai mit dem Finger etwas genau in Mirokus Richtung zu schnippen schien, wurde der Mönch skeptisch.

"Was ist das? Ein Pflanzensamen?", vermutete Miroku, als das kleine Etwas nahe genug an ihn herangekommen war. Kaum, dass er ihn erreicht hatte, sprossen aus dem Samen plötzlich viele tentakelähnliche Gewächse, die sich rasch um die Hand des Mönchs legten und sie verschlossen. Miroku konnte sich nicht dagegen wehren. Unweigerlich veranlassten diese Gewächse ihn dazu, seine rechte Hand zur Faust zu ballen. Somit war sein Kazaana verschlossen gewesen und egal, wie sehr sich der Mönch auch von dieser lästigen Fessel zu befreien versuchte, es brachte alles nichts. Und als er mit seiner freien linken Hand die Fesseln lösen wollte, war es, als würde er von einem stechenden Energiestoß getroffen werden. Ruckartig zog Miroku seine freie Hand wieder zurück. "Was ist das für ein Zauber?! Ich kann meine Hand nicht mehr befreien!"

>Er hat Miroku-samas Kazaana unbrauchbar gemacht!?< Kagome schaute ungläubig zu Yu hinauf. Wie dieser Youkai es geschafft hatte, Miroku derart außer Gefecht zu setzen, wusste sie zwar nicht, aber sie musste nun ihrerseits irgendetwas tun, anstatt länger tatenlos herumzustehen. Also holte Kagome nun einen Pfeil aus ihrem Köcher, mit dem sie versuchen wollte, Yu auszuschalten. Doch als sie den Pfeil abschoss, flog dieser zwar genau auf sein Ziel zu, aber scheinbar mühelos gelang es Yu, der Kagomes Aktion längst bemerkt hatte, ihn lediglich mit Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand aufzufangen. Anschließend verschwand der Pfeil einfach so.

"Nein! Der Pfeil ist in seiner Hand geschmolzen!?" Kagome stand wie überrumpelt auf der Stelle. In diesem Moment tauchten aus den hinteren Reihen der Feinde mehrere dieser Flugdrachen auf, um nun ihrerseits ebenfalls einen Angriff zu starten. Kagome wich erschrocken einen Schritt zurück. "Sie kommen her!"

"Schieß noch mal!", drang plötzlich die Stimme von Subaru an ihr Ohr.

Hastig wandte sich Kagome zu ihm um. "Was?!"

"Schieß schon!", rief der Inu-Youkai dem Mädchen erneut zu, das daraufhin erneut einen Pfeil auf ihren Bogen spannte, kurz die herannahenden Dämonen anvisierte und anschließend schoss. Was genau das bringen sollte, wusste Kagome anfangs nicht, denn ihr Pfeil allein würde niemals ausreichend Kraft haben, um all diese Dämonen zu erledigen. Doch kaum, dass sie ihren Pfeil abgeschossen hatte, flog ein zweiter genau wie ihrer auf die Feinde zu. Er war in ein bläuliches Licht gehüllt. Kagome wusste gleich, es war einer von Subarus Pfeilen. Die Energie von ihrem Pfeil verband sich mit dem von Subaru. Mit dieser doppelten Kraft gelang es, mehrere dieser Dämonen auf einen Streich zu erledigen. Die Wirkung war beinahe schon mit Inu Yashas Windwunde vergleichbar gewesen. Die übrigen Dämonen stoppten sogleich ihren Angriff und wichen wieder zurück.

"K-Kagome..." Inu Yasha starrte wie geplättet auf die junge Miko, die ebenfalls nicht weniger perplex dastand. Shippou hingegen hüpfte sofort euphorisch auf Kagome zu. "Das war super, Kagome! Spitze!"

Etwas verlegen kratzte sich Kagome an der Wange. "Na ja, aber ohne Subaru-san wäre das nicht möglich gewesen."

"Trotzdem warst du klasse!", bekräftigte Shippou.

Die Tatsache, dass Kagome jedoch so gut mit Subaru zusammengearbeitet hatte, schien Inu Yasha im Nachhinein ziemlich sauer aufzustoßen. Zugegeben, auch er war beeindruckt von ihrer Leistung gewesen, aber unter welchen Umständen die überhaupt erst zustande gekommen war, gefiel ihm ganz und gar nicht. Als ob er sich selbst beweisen müsste, trat der Hanyou nun in den Vordergrund.

"Hey, ihr komischen Fliegertypen!", rief er zu den Ryû-Youkai hoch. "An eurer Stelle würde ich mich jetzt warm anziehen, denn jetzt seid ihr an der Reihe!"

"Hm! Du spuckst ja ziemlich große Töne, Hanyou!", meinte Toba herablassend. "Dabei war es doch eigentlich dein kleines Schätzchen dort, das eben so schwungvoll zurückgeschlagen hat. Man erntet nicht die Lorbeeren anderer." Er deutete mit dem Finger auf Kagome, doch Inu Yasha knurrte nur.

"Halt dein Maul! Ich fand dich schon von Anfang an zum Kotzen und der Rest deiner Sippschaft ist auch nicht besser!"

"Wie fürchterlich ordinär!", fand Toba kopfschüttelnd. "Du sprichst wie eine Straßentöle, aber was soll man von einem Hanyou auch anderes erwarten?"

Während Inu Yasha nach dieser Ansage regelrecht überzukochen drohte, wandte sich Akuma wieder Sesshoumaru zu, dem er noch gegenüberstand: "Ehrlich, du und dein Bruder, ihr seid euch in so mancher Hinsicht ja nicht gerade ähnlich. Das Einzige, was ihr wohl wirklich gemeinsam habt, ist zum einen euer Vater und zum anderen diese gewisse Schwäche für Menschen."

Und ehe Sesshoumaru eventuell etwas darauf hätte erwidern können, erhob sich Akuma mit einem Flügelschlag zu seinen Gefolgsleuten in den Himmel. "Ich finde, für heute haben wir genug geplaudert."

"Hey! Weglaufen gilt nicht!", rief Inu Yasha ihm sofort hinterher, doch Akuma meinte nur: "Wer hat denn hier was von weglaufen gesagt? Aber es wäre doch nur halb so spannend, wenn wir heute schon alle unsere Differenzen klären würden, oder? Freut euch lieber, denn so bleibt euch noch etwas mehr Zeit, euch am leben zu erfreuen. Viel wird euch davon eh nicht mehr bleiben. Man sieht sich!" Und mit diesen Worten pfiff Akuma seine Leute und die Flugdrachen zurück, nahm auf dem Rücken seines Reittieres Platz und lenkte es von dem Schloss fort. Einige zogen sich eher widerwillig zurück, aber was Akuma sagte, war bei ihnen Gesetz, also folgten ihm seine Leute ohne Widerworte.
 

"Argh! Die hauen echt ab, diese verdammten Feiglinge!", knurrte Inu Yasha ungläubig und voller Wut. Man hätte glatt denken können, er würde jeden Augenblick kollabieren. Unterdessen wandte sich einer von den Inu-Youkai an seinen Herrn: "Sesshoumaru-sama! Sollen wir sie verfolgen?"

"Das bringt nichts", meinte Sesshoumaru und steckte Toukijin wieder ein. "Sie zu verfolgen, hätte keinen Sinn. Aber vielleicht verstecken sich hier in der Nähe noch ein paar ihrer Späher. Schwärmt aus und sucht nach verdächtigen Dämonen. Wenn ihr welche findet, räumt sie aus dem Weg!"

Sogleich machten sich mehrere Inu-Youkai auf den Weg, um der Anweisung ihres Herrn nachzukommen. Unterdessen entspannte sich die Situation auf dem Schlossgelände wieder etwas und auch das pflanzengleiche Gewächs, welches Mirokus Hand bis eben noch unter festem Verschluss gehalten hatte, ließ sich nun wieder problemlos entfernen.

"Miroku, was ist mit deiner Hand?", fragte Sango den Mönch sofort besorgt, der jedoch beruhigend abwinkte.

"Es ist alles in Ordnung, Sango. Dieses eigenartige Gewächs hat meine Hand lediglich verschlossen gehalten, aber mehr auch nicht."

Erleichtert über diesen doch sehr glimpflichen Ausgang ließ sich Shippou auf den Boden nieder. "Uff! Das war ja stellenweise ganz schön heftig. Zum Glück sind diese Typen jetzt erstmal wieder weg..."

"Aber die kommen... garantiert wieder", hörten die anderen plötzlich Ashitaka, der nun versuchte, sich trotz seiner Verletzung wieder aufzurichten, mit schwacher Stimme sagen.

Miyuki redete sofort energisch auf ihn ein: "Ashitaka, beweg dich besser nicht! Deine Wunde..."

"Schon gut... Es ist nicht so schlimm, wie es vielleicht aussieht", erwiderte Ashitaka. Aber kaum, dass er wieder auf den Beinen stand, lief er schon Gefahr wieder umzufallen. Doch Tôya fing ihn noch rechtzeitig auf.

"Rede nicht so einen Unsinn und mach nicht so einen auf schmerzlos!", meinte der Ältere schon beinahe streng, doch Ashitaka hatte ihn wohl gar nicht mehr gehört, denn er hatte das Bewusstsein verloren.

Besorgt sah Miyuki ihren Bruder an. "Ist es schlimm? Wie schwer ist er denn verletzt, Nii-sama?"

"So genau kann ich das auch nicht sagen, Miyuki. Das beste wird sein, wir bringen ihn zu Kakeru-sama", sagte Tôya und legte sich einen Arm von Ashitaka so um die Schulter, dass er ihn gut tragen konnte. Anschließend brachte er ihn in das Schloss.

"Hoffentlich steht nicht so schlimm um Ashitaka-kun", hoffte Kagome, ebenso wie ihre Freunde.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Die Ryû-Youkai hatten das Schloss ihrer Feinde inzwischen schon weit hinter sich gelassen und waren auf dem Rückweg in die nördlichen Gebirge.

"Du hast ja ganz schön groß dahergeredet, Akuma", meinte Takeshi plötzlich woraufhin Akuma seinen Flugdrachen etwas zügelte. Takeshi tat es ihm gleich und fuhr anschließend fort: "Ich meine, du hast es Sesshoumarus Clan zum Vorwurf gemacht, dass sie sich mit Menschen und Halbdämonen abgegeben. Aber was ist mit uns? Dieser Naraku ist schließlich auch nur ein Hanyou."

"Das ist etwas anderes", erwiderte Akuma unbeeindruckt und ließ seinen Drachen gleich wieder im normalen Tempo weiterfliegen. "Ich sympathisiere nicht mit Naraku, es handelt sich bei unserer Zusammenarbeit lediglich um eine Zweckgemeinschaft. Wir tun ihm einen Gefallen und er tut uns einen Gefallen. Das ist alles und hat nichts mit dem zu tun, was diese Hunde veranstalten."

Takeshi, der weiterhin an der Seite seines Bruder war, wandte den Blick von ihm ab. "Hm... Wenn du meinst."

Da die beiden ganz vorne an der Spitze flogen, bekamen die anderen nichts von der Unterhaltung der beiden Brüder mit. Auch nicht, als Akuma sich äußerst prüfend an Takeshi wandte: "Sag mal, Takeshi, du bist doch eigentlich sehr geschickt im Umgang mit deinem Naginata. Warum hast du diesen Ashitaka dann jedoch nicht richtig getroffen? Schließlich hat er deine Attacke überlebt. Für gewöhnlich waren derartige Angriffe von deiner Seite immer hundertprozentig zuverlässig. War das vielleicht Absicht?"

Takeshi antwortete nicht sofort auf die Frage. Es war nicht klar, ob ihn Akumas Frage verunsichert hatte oder dergleichen. Eine genaue Antwort gab er ihm aber auch im Nachhinein nicht, sondern fragte nur ruhig zurück: "Würdest du mir einen Verrat zutrauen, Akuma?"

Und diesmal war es Akuma, der zunächst schwieg. Schließlich richtete er seinen Blick jedoch wieder nach vorne und entgegnete knapp: "Vergiss, dass ich gefragt habe."

Damit setzten die Ryû-Youkai ihren Weg fort.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

"Und, Kakeru-sama? Wie geht es Ashitaka-kun?", fragte Kagome den Inu-Youkai, kaum dass dieser aus Ashitakas Zimmer gekommen war. Während sich Kakeru um Ashitaka gekümmert hatte, hatte Kagome zusammen mit Kimie und ihren Freunden, sowie mit Sesshoumaru, Miyuki und Tôya die ganze Zeit vor dem Zimmer gewartet. Kakerus Neuigkeiten hinsichtlich Ashitakas Zustand waren zwar nicht die besten, aber doch beruhigend.

"Es hat ihn zwar schon schwer erwischt, aber er kommt schon wieder auf die Beine", antwortete Kakeru der Frage des Mädchens mit ruhiger Stimme. "Im Moment schläft er. Sakura-dono bleibt erstmal bei ihm. Gönnen wir ihm die nötige Zeit, sich zu erholen."

Besorgt senkte Miyuki den Blick. Eigentlich hätte sie selbst auch gerne nach Ashitaka gesehen, aber sie hatte irgendwie das Gefühl, im Moment wäre das unangebracht gewesen, also sagte sie nichts dazu.

Tôya legte seiner Schwester beruhigend eine Hand auf die Schulter, als Kakeru nach einem Augenblick ungewohnt ernst wieder das Wort ergriff: "Eigentlich hätten wir uns denken können, dass mit Ausnahme von Akuma die fünf besten Krieger aus dem Stamm der Ryû-Youkai auch die fünf Hüter sind. Das wird kein leichter Kampf, soviel steht fest."

"Aber dieser Typ, der Mirokus Kazaana blockiert hat, erschien mir körperlich nicht sonderlich stark zu sein", warf Shippou ein.

Kakeru nickte zwar, meinte jedoch auch: "Das mag stimmen, aber dafür war Yus Magie schon immer sehr tückisch und effektiv. Und jetzt ist sie sogar noch stärker."

Nachdenkliches Schweigen machte sich breit, bis Inu Yasha sich äußerst tadelnd an Myouga wandte, der mal wieder auf der Schulter des hanyou Platz genommen hatte: "Hey, Myouga-jijii, du alter Trottel! Du hast doch mal erzählt, dieser Kampf gegen die Ryû-Youkai sei schon 1000 Jahre her, oder? Dann verrate mir doch eins: Warum hat keiner hier, der schon damals an diesem Kampf beteiligt gewesen war, diesen Takeshi wieder erkannt?"

"Seid nicht so abfällig, Inu Yasha-sama! Das hat einen ganz einfachen Grund!", verteidigte sich der Flohgeist sofort. "Das liegt ganz einfach daran, dass Akumas Bruder viel zu jung ist. Demnach war er an dem Kampf vor 1000 Jahren auch nicht dabei. Wie hätte ihn dann jemand erkennen sollen?"

Zugegeben, diese Antwort war logisch. Wen man schlicht und einfach noch nie gesehen hat und auch nicht kannte, den konnte man folglich auch nicht wieder erkennen. Allerdings gab es nunmehr eine Sache, die Sango auf die nächste Fragen brachte, die sie sogleich an Myouga richtete: "Moment mal! Da gibt es etwas, was mich stört: Wenn dieser Takeshi an dem Kampf vor 1000 Jahren überhaupt nicht beteiligt war, aber Akumas jüngerer Bruder ist... Wie soll denn das gehen? Soll das etwa heißen, dass Inu Yashas Vater den alten Anführer der Ryû-Youkai damals nicht getötet hat?"

In der Tat, diese Frage beschäftigte wohl so ziemlich jeden, der darüber nicht aufgeklärt war.

Myouga aber schüttelte nur betroffen den Kopf. "Nein. Der Kerl floh, bevor unser Oyakata-sama ihn töten konnte, und hat sich seither wohl in den nördlichen Bergen versteckt gehalten. Trotz allem scheint er vor kurzem jedoch aus einem anderen Grund das Zeitliche gesegnet zu haben und jetzt hat sein älterer Sohn Akuma die Führung des Clans übernommen."

"Ach! Ist ja sehr interessant!", warf Inu Yasha sarkastisch ein. "Und dürfte ich vielleicht mal erfahren, warum du das nicht gleich gesagt hast, Myouga-jijii?!"

"Wozu denn? Der Kerl ist doch mittlerweile eh nicht mehr und woher hätte ich denn wissen sollen, dass er noch einen zweiten Sohn hat?", versuchte sich der Flohgeist wiederum gegen seinen Herrn zu verteidigen.

Inu Yasha gab seinerseits nur ein missmutiges Grummeln von sich.

"Wir sollten insbesondere jetzt auf jeden Fall auf der Hut sein", meinte Miroku ernst. "Das Schloss wird schließlich nicht mehr von einem Bannkreis geschützt und solange Ashitaka nicht wieder gesund ist, wird sich daran wohl auch nichts ändern. Es sei denn, Kakeru-sama würde an seiner Stelle..."

"Es ist überflüssig, sich darum irgendwelche Gedanken zu machen!", unterbrach Sesshoumaru den Mönch mit einem Mal kühl. "Wir verstecken uns nicht länger. Wenn Akuma oder einer seiner Leute wieder hier auftauchen, wird gleich gekämpft."

"Na, du bist ja sehr selbstsicher...", murmelte Kimie in sich hinein, als sie und die anderen daraufhin ein leises Seufzen seitens Myouga vernahmen.

"Hach! Wenn unser Oyakata-sama noch hier wäre... Was hätte er wohl getan?"

Erneut machte nachdenkliches Schweigen die Runde.

Plötzlich brach Myouga jedoch für alle vollkommen unvorhersehbar lauthals in Tränen aus. "Waaaah! Das ist ja so grausam und so ungerecht! Oyakata-sama... Warum nur musste es so mit Euch enden...? Und das auch noch so früh?"

Der Stoff von Inu Yashas rotem Kimono wurde an der Stelle auf der Schulter, auf welcher Myouga saß, von dessen Tränen nach und nach immer dunkler. Er heulte praktisch einen ganzen See zusammen. Inu Yasha war dies zwar äußerst unangenehm gewesen, doch konnte er den Flohgeist momentan wohl kaum einfach so von seiner Schulter schlagen.

"Jetzt beruhige dich doch bitte wieder, Myouga", versuchte Kakeru beruhigend auf den kleinen Kerl einzureden. "Wenn du jetzt weinst, bringt ihn das auch nicht wieder zurück."

"Ja, Ihr habt ja Recht, Kakeru-sama, aber trotzdem...", schniefte Myouga bedrückt.

Kimie hielt dem kleinen Flohgeist schließlich ein Taschentusch hin. "Hier, bitte."

Myouga nahm sich einen Zipfel davon und schnäuzte einmal kraftvoll hinein. "Vielen Dank..."

"Schon gut, Myouga", meinte Kimie, als Inu Yasha mit einem Mal völlig überraschend zu fluchen begann: "Oh nein! So ein elender Dreck!"

Sofort hafteten alle Blick auf dem Hanyou.

"Hm? Was ist denn los, Inu Yasha?", fragte Shippou und schaute neugierig zu Inu Yasha hoch, der aufgebracht antwortete: "Ich wollte diesen Akuma eigentlich nach Naraku fragen! Ob dieser Dreckstyp auch seine Finger mit im Spiel hat, aber ich habe während des Kampfes und wegen diesem nervigen Gerede von dieser Lederhaut gar nicht mehr daran gedacht!"

Inu Yasha konnte es selbst gar nicht fassen, dass er allen Ernstes vergessen hatte, auf Naraku zu sprechen zu kommen und hätte sich dafür am liebsten selbst eigenhändig in den Boden gerammt. Aber eigentlich hatte auch keiner der anderen im Augenblick des Kampfes auch nur eine Sekunde einen einzigen Gedanken an Naraku verschwendet. Es bestand nach wie vor die Möglichkeit, dass dieser intrigante Hanyou ebenfalls seine Finger mit im Spiel gehabt hatte, aber die Gewissheit fehlte nach wie vor.

"Zumindest können wir uns einer Sache schon mal sicher sein: Die Ryû-Youkai haben es ganz offensichtlich auf die Splitter des Shikon no Tama abgesehen", meinte Miroku schließlich nachdenklich und äußerst ernst. "Zusätzlich zu dem 1000 Jahre alten Konflikt mit den Inu-Youkai geht also auch wieder zu einem bestimmten Teil um den altbekannten Kampf um die Splitter. Egal, wie man es auch dreht und wendet, es scheint letztendlich immer das selbe dabei herauszukommen: Immer wenn es um das Shikon no Tama geht, verlieren zahlreiche unschuldige Menschen ihr Leben und vielen anderen Beteiligten widerfährt nur Leid."

Der Mönch hatte dabei auch von dem Dorf gesprochen, das erst vor kurzem von den Ryû-Youkai als Bestandteil ihres Plans überfallen worden war. Insbesondere bei Kagome und ihren Freunden machte sich nunmehr bedrücktes Schweigen breit. Fürs Erste konnte man aber erst mal nichts weiter tun. Also zog sich schließlich zunächst jeder wieder ein wenig zurück, um sich auszuruhen, und Tôya unterstützte unterdessen seine Kameraden beim Überwachen des Waldes in näherer Umgebung des Schlosses. Und auch Kimie hatte noch etwas zu erledigen: Sie musste ja noch nach Rin und Inuki sehen, die sich die ganze Zeit und vermutlich noch immer in ihrem Zimmer aufhielten.
 

Die ersten Stunden nach dem Kampf verliefen hier und da unterschiedlich. Während nach wie vor einige der Inu-Youkai die Gegend nach eventuellen Spähern ihrer Feinde erkundeten, ruhten sich Inu Yasha, Kagome und ihre Freunde ein wenig aus. Inu Yasha ärgerte sich dabei aber immer noch darüber, dass er Akuma nicht nach Naraku ausgequetscht hatte. Denn wenn Naraku überhaupt nichts mit dieser ganzen Sache zu tun gehabt hatte, hätte sich der Hanyou gleich wieder verabschiedet. Was sollte er schließlich noch hier, wenn es nicht mal in irgendeiner Form um seinen Erzfeind ging? Die Kämpfe von Sesshoumaru konnte ihm schließlich vollkommen schnuppe sein, obwohl Kagome und die anderen das etwas anders zu sehen schienen.

Kimie hatte unterdessen Rin etwas beruhigen müssen, die von dem Kampf nur am Rande etwas mitbekommen hatte. Doch hatte sich das kleine Mädchen schon sehr erschrocken, als Kimies Schwert mit einem Mal wie von Geisterhand aus dem Zimmer durch die geschlossen Zimmertür zur Veranda hinaus geflogen war. Und der Gedanke, dass eine ganze Gruppe feindlicher Youkai aufgetaucht war, ängstigte Rin zusätzlich. Wäre Inuki nicht die ganze Zeit über bei ihr gewesen und hätte ihr dadurch ein gewisses Gefühl der Sicherheit gegeben, wäre sie vermutlich noch in Panik verfallen. Nachdem sie jedoch von Kimie gehört hatte, dass niemand ernsthaft verletzt worden war und dass es insbesondere den Freunden und Sesshoumaru gut ging, war Rin wieder erleichtert und froh gewesen.

Ashitaka, den es so gesehen bei dieser ersten richtigen Konfrontation mit den Ryû-Youkai am heftigsten erwischt hatte, hatte indessen erstmal etwas Schlaf gebraucht, um sich ein wenig zu erholen. Mittlerweile war er aber wieder wach und hatte somit auch längst seine Mutter entdeckt, die die ganze Zeit neben ihm gesessen hatte. Der Blick, den sie ihrem Sohn momentan zuwarf, war allerdings eher zweideutig gewesen.

"Mutter, schau mich bitte nicht so tadelnd an...", bat Ashitaka seine Mutter schließlich schon beinahe mit leidender Stimme, woraufhin sie betont erwiderte: "Mir scheint, du missverstehst mich, mein Sohn. Ich schaue nicht tadelnd, ich schaue besorgt."

"Trotzdem habe ich ja eher den Eindruck, als wolltest du mich am liebsten übers Knie legen..."

"Du weißt, dass ich so was mit dir nie gemacht habe. Obwohl ich ja jetzt behaupten könnte, dass ich dazu allen Grund hätte, aber das wäre dumm. Ich bin schließlich nicht auf den Kopf gefallen, Ashitaka. Ich weiß, dass man in kämpferischen Auseinandersetzungen immer verletzt werden kann, wie es dir heute wieder passiert ist."

Der immer besorgter klingende Unterton in ihrer Stimme war auch für Ashitaka nicht leicht mit anzuhören gewesen. Er wollte seiner Mutter natürlich keine Sorgen bereiten, aber wie sie es eben schon selbst gesagt hatte, es ließ sich unter den gegebenen Umständen eben nun mal nicht vermeiden, dass so was passierte.

"Tut mir Leid", entschuldigte sich Ashitaka nach einem Moment. "Ich wünschte, ich könnte dir versprechen, dass so was nicht mehr passiert, aber..."

"Ich weiß. Schon gut", meinte Sakura, noch bevor ihr Sohn seinen Satz hatte beenden können. Eigentlich würde sie ihn gerne bitten, sich in Zukunft nicht mehr an den Kämpfen des Clans zu beteiligen, aber sie wusste selbst, dass das nicht möglich war. Zum einen würde sich Ashitaka niemals einfach so in eine Ecke hocken und abwarten und zum anderen war es nun mal ganz natürlich, dass sich jeder kampffähige Krieger an den Auseinandersetzungen mit den Feinden beteiligte. So blieb Sakura nur zu hoffen, dass ihrem Sohn in naher Zukunft nicht wirklich etwas Schlimmes zustoßen würde. Ihn nach ihrem Gefährten auch noch zu verlieren, das wäre für sie sicherlich kaum zu ertragen gewesen, wenn überhaupt.

Die Aufmerksamkeit von Ashitaka und Sakura war jedoch sehr bald auf die Zimmertür gerichtet, an welcher es nun von draußen klopfte. Nachdem Sakura den Besucher hereingebeten hatte, öffnete Miyuki die Schiebetür. Die Anwesenheit von Ashitakas Mutter schien sie jedoch zu irritieren. "Oh! Entschuldigt bitte, Sakura-sama. Ich wollte nicht stören."

Sakura lächelte das Dämonenmädchen freundlich an. "Das tust du nicht, Miyuki. Im Gegenteil. Schön, dass du vorbeischaust."

"Ja, ich... wollte mal schauen, wie's Ashitaka geht", sagte Miyuki etwas schüchtern, woraufhin Sakura aufstand und auf sie zukam.

"Dann lass ich euch beide besser erstmal allein", meinte sie und verließ das Zimmer.

Nachdem Sakura die Schiebetür hinter sich wieder geschlossen hatte, ging Miyuki auf Ashitaka zu und setzte sich dort neben ihn, wo zuvor schon seine Mutter gesessen hatte.

"Und?", fragte das Dämonenmädchen. "Wie geht es dir inzwischen?"

"Ach, wie soll's mir schon gehen? Man lebt", antwortete Ashitaka scherzhaft, aber Miyuki war im Moment eher weniger offen für so was.

"Lass die Witze, Ashitaka!", erwiderte sie leicht gereizt. "Das hätte wirklich böse ins Auge gehen können! Übrigens... Nii-sama macht sich auch Sorgen um dich, aber er konnte nicht mit mir herkommen, weil er mit ein paar anderen gerade in der Nähe des Schlosses den Wald überwacht, für den Fall, dass sich dort noch Späher von den Ryû-Youkai aufhalten sollten."

"Ich weiß. Sesshoumaru hat das zuvor angeordnet, das habe ich vorhin noch mitbekommen."

Ashitaka wollte sich aufsetzen, aber dieser Versuch ließ Miyuki erschrocken hochfahren.

"Ashitaka! Du solltest jetzt noch nicht aufstehen. Du musst dich noch ausruhen."

Der Anblick seines verbundenen Oberkörpers ließ sie nichts Gutes erahnen, aber Ashitaka winkte gelassen ab. "Ach, was! Mach dir mal keine Sorgen um mich, Miyuki-chan. Das war schließlich nicht das erste Mal, dass mir so was passiert ist und es geht mir wirklich wieder wesentlich besser."

"Erzähl doch nicht! Es ist keine drei Stunden her, seit du verletzt worden bist. Leg dich wieder hin!", widersprach Miyuki vehement und drückte Ashitaka mehr reflexartig wieder zurück auf den Boden. Allerdings war sie dabei unbewusst etwas grob vorgegangen, als sie so mit der Hand gegen seine Brust und damit auch auf seine Wunde drückte, wie sich im Nachhinein herausstellte.

"Aua! Das tut weh!", beschwerte sich Ashitaka sofort als er wieder auf dem Boden lag und Miyukis Hand noch immer recht kräftig auf seine Wunde drückte, woraufhin das Dämonenmädchen hastig wieder von ihm abließ.

"Oje! Bitte verzeih mir! Das wollte ich wirklich nicht!", entschuldigte sich Miyuki sofort voller Reue. Betreten saß sie nunmehr neben ihm, den Blick auf den Boden gerichtet "Entschuldige bitte, Ashitaka. Das war wirklich keine Absicht. Ist die Wunde jetzt wieder aufgegangen?" Besorgt schaute sie Ashitaka an, der jedoch den Kopf schüttelte.

"Nein, ich glaube nicht…"

Trotzdem schaute Miyuki immer noch reichlich betreten zu Boden. Die Klinge von Takeshis Naginata hatte schließlich Ashitakas Oberkörper regelrecht durchbohrt. Es würde bestimmt ein paar Tage dauern, ehe er wieder vollkommen gesund sein würde. Für einen Menschen wäre ein solcher Angriff sicherlich im Tod geendet.

"Hey, Miyuki-chan!", sprach Ashitaka das Dämonenmädchen schließlich wieder an, was daraufhin den Blick wieder hob. Ashitaka schenkte ihr eine aufmunterndes Lächeln. "Jetzt guck doch nicht mehr so mitgenommen. Das steht dir nicht."

Und er schaffte es tatsächlich, Miyuki ein leichtes Lächeln zu entlocken. Ashitaka konnte schon immer scheinbar mühelos aus der unangenehmsten Situation etwas Positives herausziehen und war es auch nur ein lockerer Spruch.

Für einen Augenblick sagte keiner von beiden etwas, bis Miyuki schließlich wieder etwas verschüchtert das Wort ergriff:

"Du, Ashitaka? Da ist etwas, was ich... dir gerne sagen würde."

"So? Was denn?", fragte Ashitaka, doch Miyuki schien sich mit der Antwort etwas schwer zu tun. Leicht nervös knibbelte sie mit ihren Fingern herum, während sie wieder zu Boden schaute.

"Na ja.... Also, es geht darum, dass..." Miyuki war sich nicht sicher, ob das jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt für Sentimentalitäten gewesen war. Aber dieser Kampf hatte ihr gezeigt, wie schnell man eventuell sein Leben verlieren konnte. Würde sie also noch länger warten, bekäme sie unter Umständen vielleicht gar nicht mehr die Chance dazu, Ashitaka zu gestehen, was sie schon seit längerer Zeit für ihn fühlte. Vielleicht ahnte er es ja auch bereits, aber sicher war sie sich darin nicht. Aber egal, wie er letztendlich auch darauf reagieren würde, Miyuki wollte es ihm unbedingt sagen. Jetzt, wo sie sich dazu in der Lage fühlte und auch den nötigen Mut gefunden hatte. Also sprach sie schließlich weiter: "Ashitaka, ich... Ich habe... Ich habe mich..."

Aber noch immer suchte Miyuki irgendwie nach den richtigen Worten und rang innerlich mit sich selbst, als sie mit einem Mal diese ruhigen und gleichmäßigen Atemzüge vernahm. Das kam ihr doch sehr verdächtig vor und als sie wieder aufschaute, fand sie Ashitaka seelenruhig schlafend vor. Wie vor den Kopf gestoßen starrte sie ihn an.

>Er... er schläft? Das gibt's doch nicht!? Er schläft einfach so ein, während ich noch mit ihm spreche?! Ich fasse das nicht! So lange kann ich doch gar nicht meinen Mund gehalten haben, dass der Typ in der Zwischenzeit einfach so wegpennt!?<

Aber eigentlich konnte sie ihm deswegen doch nicht böse sein. Es war Miyuki schließlich völlig klar, dass Ashitaka sehr müde gewesen sein musste und dass er jetzt viel Ruhe brauchte.

>Was soll's... Dann ruh dich erstmal aus und erhole dich gut. Vielleicht ja beim nächsten Mal...<

Also ließ sie ihn schlafen, blieb allerdings weiterhin bei ihm.
 

Den restlichen Tag gab es keine weiteren besonderen Vorkommnisse mehr. Es schien, als hätten die Ryû-Youkai keine Späher oder Spione zurückgelassen und sie würden wohl auch so erstmal nicht wieder zurückkommen. So blieb allen also erstmal etwas Zeit, die weiteren Schritte zu überdenken. Trotzdem, dieser Tag war mal wieder einfach nur verrückt gewesen. Umso erleichterter war Kimie, als sie an diesem Abend endlich wieder auf ihrem Futon liegen konnte. Allmählich hatte sie auch das Gefühl, unter Schlafentzug zu leiden und so dauerte es nicht lange, bis sie sich auch schon ins Land der Träume verabschiedet hatte. Diesmal hätte sie wirklich erholsam schlafen können, hätte es da nicht jemanden gegeben, der sie mitten in der Nacht wieder aus dem Schlaf riss. Als Kimie noch in der Halbschlafphase mitbekam, wie jemand an ihrer Schulter rüttelte, zog sie die Decke über ihren Kopf und murrte: "Verschwinde! Lass mich in Frieden, wer immer du auch bist..."

Doch anstatt, dass der ungebetene Besucher wirklich wieder ging, hörte sie ihn nur sagen: "Steh auf und komm mit."

Als Kimie diese Stimme vernommen hatte, kam sie doch wieder unter ihrer Decke hervor. Zuerst nur mit ihrem Kopf, aber als sie sich umdrehte und trotz der Dunkelheit Sesshoumaru erkennen konnte, setzte sie sich mit einem Seufzen auf und rieb sich die Augen.

"Sesshoumaru... Was machst du denn hier mitten in der Nacht? Weißt du überhaupt, wie spät es ist?", fragte Kimie müde, während sie krampfhaft versuchte, ihre Augen offen zu halten und nicht im Sitzen gleich wieder einzuschlafen.

Davon zeigte sich Sesshoumaru jedoch nicht gerade beeinflusst, als er weiter sprach: "Ich habe etwas zu erledigen und ich will, dass du mich begleitest."

Sofort schien Kimie wacher geworden zu sein, als sie sich mit ungläubigen Blick zu ihm umwandte. "Bitte?! Etwa jetzt sofort? Sesshoumaru, es ist stockdunkel draußen. Ich bin doch keine Nachteule!"

"Du hast doch erst vor kurzem noch darauf bestanden, mich überall hin zu begleiten."

"Ja, weil du gesagt hast, ich solle nicht mehr von deiner Seite weichen!", erwiderte Kimie altklug, während Sesshoumaru inzwischen schon wieder aufgestanden und in Richtung Tür gegangen war.

"Also steh auf, zieh dich um und komm. Wenn du es für nötig erachtest, nimm ein paar deiner Sachen mit und auch dein Schwert. Ich warte draußen auf dich." Damit war er auch schon wieder aus dem Zimmer verschwunden.

Kimie saß noch immer etwas perplex auf dem Boden, aufmerksam beäugt von Inuki. Schließlich seufzte sie erschöpft auf: "Na, ganz toll! Das wird sicher einer dieser romantischen Spaziergänge im Mondschein..."

Nichts desto trotz raffte sich Kimie kurz darauf doch endlich auf und zog sich um. In ihren Rucksack musste sie nicht allzu viel einpacken, schließlich befand er sich praktisch noch im selben Zustand, wie bei ihrer Rückkehr ins Schloss. Sie nahm ihn einfach genauso mit und band letztendlich nur noch ihr Schwert an ihrem Gürtel fest.

"So, Inuki. Ich denke, du bleibst besser hier, in Ordnung?", sagte Kimie zu ihrem Hund, der einverstanden zu sein schien, denn er legte sich ohne eventuelle Proteste wieder auf den Boden. Kimie schulterte nun ihren Rucksack, verabschiedete sich von Inuki und verließ anschließend das Zimmer. Jedoch ließ sie die Tür einen Spalt weit offen, so dass ihr Hund gegebenenfalls jederzeit von sich heraus den Raum verlassen konnte, wenn er es wollte.

Möglichst leise ging sie am Ende des Ganges die Treppe hinunter und anschließend die weiteren Gänge entlang, bis sie letztendlich an den Eingangstüren des Schlosses angekommen war. Kaum war sie hinausgetreten, entdeckte sie auch schon Sesshoumaru, der Ah-Un fertig gesattelt an den Zügeln festhielt, unterhalb der Treppe auf dem Hof. Kimie ging die Treppe hinunter. "So, da bin ich. Und? Was steht an?"

Sesshoumaru stieg nun auf Ah-Uns Rücken und wies anschließend das Mädchen an, hinter ihm aufzusitzen. Kimie kam der Aufforderung zwar nach, wirkte aber immer noch recht skeptisch.

"Was wird das? Ein mitternächtlicher Ausritt?", fragte sie Sesshoumaru, nachdem sie hinter ihm auf Ah-Uns Rücken Platz genommen hatte.

Ohne sich zu ihr umzudrehen antwortete Sesshoumaru: "Ich muss mit jemandem über etwas reden. Er ist ein alter Bekannter meines Vaters."

"Hm... Und wer hält während deiner Abwesenheit hier die Stellung?"

"Ich habe Kakeru damit betraut, hier für Ordnung zu sorgen. Er weiß schon, was er zu tun hat, schließlich hat er das auch schon während meines längeren Fortbleibens getan."

Da diese ersten Fragen nun geklärt zu sein schienen, gab Sesshoumaru Ah-Un nun ein Kommando und schon stieg der Drache in den Himmel empor. Kimie wandte ihren Blick noch mal zum Schloss zurück, von dem sie sich nach und nach entfernten. Trotz der Dunkelheit der Nacht konnte man es auch nach längerer Zeit noch sehen, da abgesehen von der Vogelperspektive noch dazu die weißen Außenwände, die zusätzlich vom Mondlicht angestrahlt wurden, sich ganz deutlich von den zahlreichen Bäumen abhoben.

Irgendwann wandte Kimie ihren Blick wieder nach vorne um. Die erste Strecke des Weges wurde soweit schweigend zurückgelegt, bis Kimie diese Stille irgendwann nicht mehr ertrug und leise das Wort an Sesshoumaru richtete: "Uhm... Entschuldige bitte."

Der Youkai horchte auf. "Wofür?"

"Für das, was ich letzte Nacht zu dir gesagt habe", erklärte das Mädchen etwas verschüchtert und senkte leicht den Blick. "Es tut mir wirklich Leid."

Eigentlich passte dieses Thema im Moment nicht so wirklich zur Situation, aber da ihr erster Entschuldigungsversuch wegen des "Besuchs" der Ryû-Youkai gestört worden war, hatte Kimie irgendwie das Gefühl gehabt, sich noch mal bei Sesshoumaru für ihr Verhalten entschuldigen zu müssen. Etwas nervös wartete sie nun auf seine Reaktion.

"Schon gut", erwiderte er nach einem Moment knapp. "Was die Menschen und ihre Wankelmütigkeit betrifft, habe ich bei dir ja schließlich schon öfters sehen können."

>Wankelmütigkeit?<, überlegte Kimie, ersparte sich diesmal einen Kommentar dazu. Stattdessen interessierte sie etwas anderes weitaus mehr, also fragte sie nach einer kurzen Pause: "Aber eine Frage: Was wolltest du eigentlich wirklich zu mir sagen, als ich dir so über den Mund gefahren bin, nach dieser Sache mit Tôya?"

"Dass du dich raushalten sollst, sonst würde ich dich in deinem Zimmer einsperren", antwortete Sesshoumaru, als wäre es das Normalste von der Welt.

"Wie überaus reizend...", meinte Kimie trocken, war innerlich aber dennoch froh, dass Sesshoumaru ihr ihre Eskapade nicht mehr übel zu nehmen schien. Nachdenklich schaute sie schließlich zum Himmel hinauf und ließ dann ihren Blick über die Landschaft, die unter ihr vorüber zog, schweifen. Diese Stille sagte ihr eigentlich nicht so wirklich zu. Da war man nun mal so unter sich und dann sagte keiner etwas. Also beugte sich Kimie schließlich etwas weiter nach vorne, so dass sie seitlich an Sesshoumaru vorbeischauen konnte und fragte ihn auf einmal: "Sag mal, bist du eigentlich gerne mit mir zusammen? Ich meine, zusammen unterwegs und so was."

Sesshoumaru schaute leicht hinter sich zu dem Mädchen. "Worauf willst du hinaus?", fragte er prüfend, aber da schüttelte Kimie schon wieder den Kopf.

"Ach, schon gut! Vergiss es. War nur so ein Gedanke."

Warum sie ihn das überhaupt gefragt hatte, wusste Kimie im Nachhinein selbst nicht mehr so wirklich. Es war eben ein spontaner Gedanke von ihr gewesen, den sie nun aber wieder zur Seite schob. Stattdessen spürte sie nach einer Weile erneut diese gewisse Müdigkeit. Eigentlich wollte Kimie sich nur noch etwas ausruhen, aber schließlich versank sie doch wieder im Land der Träume. Die letzte Nacht hatte sie schließlich auch so gut wie gar nicht geschlafen, von daher hatte die Müdigkeit letztendlich ihren Tribut gefordert. Sesshoumaru nahm recht bald die ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge des Mädchens wahr. Kimie lehnte mit dem Kopf an seinem Rücken, wobei sein Fell ihr teilweise als Kissen diente. Er ließ sie jedoch ungestört schlafen, da es ohnehin noch dauern würde, bis sie ihr Ziel erreichen würden. Und so flog Ah-Un weiter durch die Nacht.
 

Ein Ruck riss Kimie mit einem Mal wieder aus ihrem Schlaf.

"Hm? Was ist denn los...?", fragte sie müde und rieb sich die Augen.

"Wir sind da", antwortete Sesshoumaru knapp auf ihre Frage. Ah-Un war kurz zuvor direkt vor einem Wald gelandet. Anscheinend musste der restliche Weg zu Fuß zurückgelegt werden, denn die Bäume standen so dicht beieinander, dass es für den Drachen unmöglich gewesen wäre, inmitten von ihnen zu landen. Kimie sah sich noch kurz um, dann stieg sie von Ah-Uns Rücken ab. Zu ihrem großen Erstaunen musste sie feststellen, dass der Tag inzwischen angebrochen war. Auf den Pflanzen lag aber noch der morgendliche Tau, also musste es noch relativ früh gewesen sein.

"Wo genau sind wir hier?", fragte Kimie, nachdem sie sich einmal umgesehen hatte.

Sesshoumaru jedoch deutete nur in den Wald hinein und sagte: "Folge mir. Und bleib in der Nähe, sonst verläufst du dich vermutlich nur."

Ohne Widerworte heftete sich Kimie also an die Fersen des Youkai und folgte ihm und Ah-Un in den Wald hinein. Sesshoumaru gab ihr schließlich die Zügel des Drachen in die Hand, so dass Kimie zusammen mit Ah-Un etwas hinter Sesshoumaru hergehen musste, da die Bäume es praktisch unmöglich machten, nebeneinander zu laufen. Sogar Ah-Un musste seinerseits etwas hinter Kimie hertrotten, also ließ sie ihm am langen Zügel hinter sich herlaufen, um es ihm und auch sich selbst etwas bequemer zu machen. Während Sesshoumaru aber scheinbar mühelos sich seinen Weg durch das Gestrüpp bahnte, musste Kimie immer auf ihre Füße schauen, sonst wäre sie sicherlich schon zehnmal über irgendeine verflixte Baumwurzel gestolpert.

Sie gingen eine ganze Weile durch diesen Wald, aber Sesshoumaru äußerte sich nicht einmal zum genauen Ziel, dass er ansteuerte. Kimie hatte ihre eigene Unkenntnis aufgrund mangelnder Aufklärung so langsam satt.

"Sag mal, was genau suchen wir hier eigentlich, Sesshoumaru?", fragte sie den Youkai schließlich und kämpfte gerade mit einer losen Wurzel, in die sie zuvor rein getreten war und die nun an ihrem linken Hosenbein fest hing. "Erzähl mir nicht, dass dieser Bekannte deines Vaters irgendwo hier in diesem Wald leben soll. Was genau ist das eigentlich für ein Typ?"

"Das wirst du schon sehr bald selbst sehen", antwortete Sesshoumaru. Kimie blieb wohl nichts anderes übrig, als sich erstmal mit dieser Antwort zufrieden zu geben. Also folgte sie ihm weiter durch diesen Wald. Wieder herrschte Schweigen; das im wahrsten Sinne des Wortes "Schweigen im Walde".

Kimie wollte schon erneut etwas sagen, da drang eine tiefe Stimme zu der kleinen Gruppe durch: "Ich habe mich schon gefragt, wann du mich wieder aufsuchen würdest, Sesshoumaru."

Wie angewurzelt war Kimie auf einmal stehen geblieben und schaute sich hastig um.

"Hm?! Wer hat da eben gesprochen?" Aber sie konnte nichts entdecken.

Und schon wieder sprach diese Stimme: "Es ist schon eine Weile her, dass du das letzte Mal hier gewesen bist."

So langsam wurde es Kimie zugegebenermaßen etwas unheimlich. Ihr war so, als spräche ein Geist aus dem Himmel. Doch sie bewegte sich erst wieder von der Stelle, als sie mitbekam, dass Sesshoumaru unbeirrt weitergegangen und nun gut zehn Meter Vorsprung gehabt hatte.

"Hey! Jetzt warte doch mal, Sesshoumaru!", rief Kimie ihm nach und hastete mit Ah-Un ihm Schlepptau hinter dem Youkai her, bis sie ihn endlich wieder eingeholt hatte. Sesshoumaru selbst war inzwischen stehen geblieben. Kimie lugte kurz hinter dem Rücken des Youkai vorbei, der abwartend vor einem großen, alten Baum stand. So ganz schlau wurde sie daraus aber nicht. Irritiert zupfte sie leicht am rechten Ärmel von Sesshoumarus Haori. "Ähm... Sesshoumaru? Warum stehen wir jetzt hier rum und schauen uns einen alten Baum an?"

"Das ist nicht einfach nur ein Baum", berichtigte Sesshoumaru das Mädchen. "Wenn du genauer hinsiehst, erkennst du das auch."

"Hm?" Kimie trat daraufhin etwas näher an den Baum heran, so dass ihr Gesicht nur noch gut 15 Zentimeter von diesem entfernt war. Aber egal, wie genau sie auch hinsah, sie konnte beim besten Willen nichts ungewöhnliches entdecken. schließlich legte sie eine Hand an den Baumstamm und drehte sich wieder zu Sesshoumaru um. "Sag mal, ist das vielleicht irgend so ein Dämonenwitz, der für Menschen etwas zu hoch ist, oder was genau soll das alles?"

Doch noch bevor Sesshoumaru eventuell etwas auf die Frage des Mädchens hatte erwidern können, bemerkte Kimie, wie sich die Baumrinde genau an der Stelle, auf der ihre Hand lag, mit einem Mal zu verändern schien. Hastig zog sie ihre Hand wieder zu sich zurück und starrte wie gebannt auf den Baumstamm, aus dem plötzlich so was wie ein Gesicht herauszuwachsen schien. Es sah aus, wie das Gesicht eines alten Mannes. Letztendlich öffneten sich sogar dessen Augen und der Blick traf genau mit dem von Kimie aufeinander. Im ersten Moment wirkte das Mädchen wie versteinert und rührte sich keinen Millimeter, bis der Baum zu sprechen begann: "Oh! Eine Menschenfrau. Das ist wirklich interessant."

Sofort sprang Kimie mit einem Aufschrei zurück: "Aaah!" Und suchte eiligst Schutz hinter Sesshoumaru. "W... Wer... oder was... ist d... das...?"

Sesshoumarus linke Augenbraue zuckte einen Augenblick kaum merklich, als wäre ihm Kimies übertriebene Reaktion ein wenig unangenehm gewesen. Da hatte sie schon so einiges gesehen und erlebt, seit sie das erste Mal in der Sengoku-Ära gelandet war und drehte trotzdem noch so ab. Nichts desto trotz antwortete Sesshoumaru gewohnt seriös auf ihre Frage: "Das ist Bokusenou. Ein 2000 Jahre alter Magnolienbaum. Der Bekannte meines Vaters, von dem ich dir erzählt habe."

"Ach ja...?" Kimie starrte noch immer ziemlich perplex auf den Baum. >An welchen Film ist das denn jetzt angelehnt? Der Herr der Ringe etwa?<

"Vor mir brauchst du keine Angst zu haben", sprach Bokusenou das Mädchen unterdessen plötzlich an, das daraufhin wieder hinter Sesshoumaru hervortrat.

"Wer sagt denn, dass ich Angst habe? Ich war nur... überrascht", versuchte sich Kimie zu erklären, da ihr ihre Reaktion im Nachhinein auch etwas peinlich gewesen war. Aber mehr konnte sie im Moment wohl auch nicht sagen. Was hätte sie auch sagen sollen? Zwar hatte sie schon mal davon gehört, dass man mit Pflanzen und dergleichen durchaus sprechen konnte, aber DAS war damit sicherlich nicht gemeint gewesen. Von daher überließ sie das Reden einfach mal den anderen und es dauerte auch nicht lange, bis Bokusenou das Wort an Sesshoumaru richtete: "Sesshoumaru, wer genau ist dieses Mädchen?"

"Ihr Name ist Kimie", stellte Sesshoumaru seine Begleitung vor. "Und sie ist meine Gefährtin."

"Oh! Wirklich?" Bokusenou wirkte etwas überrascht, in seinem Blick war aber gleichzeitig dieses etwas Verschmitzte enthalten gewesen. "Ich habe zwar schon ansatzweise etwas davon gehört... Es hieß, du hättest seit einiger Zeit eine menschliche Gefährtin an deiner Seite. Dass dieses Gerücht jedoch der Wahrheit entspricht, überrascht mich zugegebenermaßen doch, Sesshoumaru. Hast du doch schließlich immer wieder bekräftigt, deinem Vater in dieser Hinsicht keinesfalls nacheifern zu wollen. Allerdings, du kamst ja schon mal in Begleitung eines Menschenkindes zu mir. Damals habe ich mich dazu zwar nicht weiter geäußert, aber auch das empfand ich als sehr außergewöhnlich, zumindest für jemanden wie dich."

Sesshoumaru schwieg jedoch dazu. Kimie beobachtete das kurze Gespräch zwischen ihm und Bokusenou äußerst aufmerksam. Sie fand es schon sehr verblüffend, dass der alte Baum scheinbar so problemlos mit Sesshoumaru über derartige Themen reden konnte, war Sesshoumaru schließlich nicht gerade für seine Vorliebe bezüglich Gesprächsthemen, die seine Person in so einer Art und Weise betrafen, bekannt gewesen. Als Kimie bemerkte, dass Bokusenous Blick wieder auf sie gerichtet war, verbeugte sie sich leicht, wie zu einer nachträglichen Begrüßung. Ihre anfängliche Scheu verflog so langsam nach und nach.

Dann richtete der alte Baum das Wort wieder an Sesshoumaru: "Sesshoumaru, ich nehme jedoch nicht an, dass du hier hergekommen bist, nur um mir deine Gefährtin vorzustellen."

"Das ist richtig", bestätigte Sesshoumaru Bokusenous Vermutung und kam auch sogleich auf den eigentlich Grund seines Besuches zu sprechen: "Genau genommen bin ich hier, um etwas über Drachen zu erfahren."

"Drachen?"

"Genauer gesagt, spreche ich von den Ryû-Youkai", konkretisierte Sesshoumaru sein Anliegen. "Du hast doch bestimmt schon mal von ihnen gehört."

Bokusenou bestätigte die Vermutung des Youkai: "Die Ryû-Youkai. Ich weiß schon, dein Vater kämpfte bereits gegen sie. Machen sie dir etwa Probleme?"

"Sie haben meinen Clan angegriffen", antwortete Sesshoumaru. "Gestern standen wir uns im Kampf gegenüber. Ich bin hier, um mehr über sie in Erfahrung zu bringen."

"Nun, in der Tat weiß ich einiges über die Ryû-Youkai", sagte Bokusenou. "Und sie sind jetzt weitaus stärker, als es noch vor 1000 Jahren der Fall war. Sicherlich sind du und dein Clan auch schon auf die fünf Wächter gestoßen?"

Als Sesshoumaru das bejahte, wollte er zugleich mehr über die Hüter und ihre wahre Stärke erfahren.

Bokusenou zögerte auch nicht lange, ihm auf seine Fragen zu antworten: "Die Sache sieht so aus: Wie du wohl schon weißt, Sesshoumaru, gebietet jeder von ihnen über eines der fünf Elemente der chinesischen Philosophie von Yin und Yang; Erde, Feuer, Wasser, Holz und Metall. Eigentlich kann jeder Ryû-Youkai entweder nur kinetische oder Feuerangriffe vollziehen, aber die fünf Wächter, die in ihren Kreisen auch als 'Hüter' betitelt werden, nutzen eben zusätzlich auch die Kräfte, die sie von ihrem jeweiligen Element beziehen."

"Und was genau besitzen sie für Fähigkeiten?", hakte Sesshoumaru nach. "Über Toba und Rokou weiß ich schon genauer Bescheid. Was ist aber mit den anderen?"

"Nun, da hätten wir noch Yu, der über das Holz gebietet. Er mag zwar körperlich nicht so stark wie die meisten anderen seines Clans sein, aber er ist zweifellos derjenige, der wie kein anderer magische Kräfte nutzen kann. Und da sein Element das Holz ist, kontrolliert er zudem alle möglichen Arten von Pflanzen und kann sie ganz seinem Belieben manipulieren. Außerdem besitzt er sehr ausgeprägte telekinetische Fähigkeiten, mit denen es ihm möglich ist, Dinge mit seinen bloßen Gedanken zu bewegen. Der Nächste wäre Jin, der Hüter, der über das Metall gebietet. Bei ihm ist die Sache jedoch etwas schwierig, denn er setzt seine neuen Kräfte kaum ein, sondern bezieht sich auch jetzt noch stets auf seine gewohnten Fähigkeiten. Deshalb weiß ich über ihn leider nichts Genaueres. Allerdings nutzt er eine Gabe sehr häufig und das ist die Gabe, seine Schwingen wie übermächtige Schutzschilde gegen feindliche Angriffe zu nutzen. Eigentlich sind seine Schwingen nicht viel anders, wie die seiner Kameraden, aber Jin kann ihre Beschaffenheit ganz nach eigener Kontrolle verändern. Jeder Schlag mit einer Klinge oder einer anderen Waffe prallt dann scheinbar vollkommen wirkungslos an ihnen ab, als stießen sie auf extrem starkes Metall. Und zu guter Letzt wäre da noch Renhou. Er ist der Anführer der fünf Hüter und kann die Kraft der Erde nutzen. Sprich, er kann beispielsweise Erdbeben heraufbeschwören, die ganze Landschaften innerhalb kürzester Zeit vollkommen verändern können."

>Für Seismologen wäre Letzteres wahrscheinlich ein gefundenes Fressen... Aber mir ist jetzt einfach nur noch übel...< Kimie brummte so langsam der Kopf. So viele Infos auf einmal und das am frühen Morgen sprengten ihr beinahe den Schädel.

Aber Bokusenou war noch lange nicht fertig gewesen, doch seine nun folgende Information war bei alldem schon fast so was wie ein kleiner Lichtblick am Ende des Tunnels: "Eine entscheidende Schwachstelle hat jedoch jeder der fünf Hüter: Sobald sie ihre dämonische Form annehmen, ist keiner von ihnen mehr dazu in der Lage, seine speziellen Kräfte zu nutzen. Dann können sie nur noch auf die Fähigkeiten zurückgreifen, die sie ohnehin schon von Anfang an besessen haben."

"Na, das klingt doch schon mal ganz gut, oder?", meinte Kimie mit einem prüfenden Blick auf Sesshoumaru, der aber noch die eine oder andere Frage parat gehabt hatte. "Und weißt du genaueres über Akuma und seinen Bruder, diesem Takeshi?", fragte er Bokusenou weiter, der diesmal jedoch etwas nachdenklich wirkte.

"Akuma...", murmelte er. "Bei ihm kann man zweifellos behaupten, dass er der Stärkste seines Clans ist. Das muss er aber selbstverständlich auch sein, schließlich ist er der Nachfolger seines Vaters. Und Akuma ist auch der Einzige unter den Ryû-Youkai, der sowohl kinetische, als auch Feuerangriffe einsetzen kann. Zusätzlich beherrscht er noch die Windmagie. Und sein jüngerer Bruder besitzt die Gabe der Täuschungs- und Manipulationszauber. Er bedient sich für die Nutzung seiner Magie zahlreicher buddhistischer Formeln."

"Aber ist Takeshi vielleicht ein Hanyou, oder so was?", fragte Kimie plötzlich. "Ich meine, als wir ihn zum ersten Mal trafen, sah er doch wie ein ganz normaler Mensch aus. Und niemand konnte in irgendeiner Form eine dämonische Energie an ihm wahrnehmen."

"Nein, nein. Takeshi ist sicherlich genau wie sein Bruder ein vollwertiger Ryû-Youkai", beantwortete Bokusenou die Frage des Mädchens. "Wie ich es jedoch schon kurz erwähnt habe, beherrscht Takeshi hervorragend die Kunst des Täuschungszaubers. Er besitzt die Fähigkeit, sowohl seine dämonische Erscheinung als auch seine dazugehörige Aura zu verbergen und jeden in dem Glauben zu lassen, er sei nur ein gewöhnlicher, harmloser Mensch. Und mit seiner Manipulationsmagie kann er praktisch problemlos in das Bewusstsein anderer eindringen und ihr Handeln ganz nach seinem Belieben steuern."

"Ach..." Kimie ließ sich das ganze noch mal in aller Ruhe durch den Kopf gehen. Das erklärte natürlich so einiges, besonders natürlich, wie es überhaupt dazu gekommen war, dass Tôya Ashitaka angegriffen hatte. Takeshi musste Tôya zuvor aufgesucht und ihn unter seine Kontrolle gebracht haben und den Rest der Geschichte kannte ja jeder.
 

"Was Bokusenou so erzählt hat, macht mir irgendwie Sorgen", meinte Kimie, als sie zusammen mit Sesshoumaru wieder auf dem Rückweg zum Schloss war. "Ich meine, so wie es aussieht, sind Akuma und seine Leute wirklich sehr stark. Das wird sicherlich kein leichter Kampf."

"Wohl nicht, aber ich werde Akuma dennoch nicht den Sieg überlassen. Ich werde ihn auf jeden Fall töten."

"Hmm..." Kimie schwieg dazu. Was hätte sie auch sagen sollen? Sie gab es zwar nicht gerne zu, aber sie machte sich Sorgen. Hoffentlich würde alles gut gehen. Allerdings fiel ihr jetzt noch etwas ein, was sie doch sehr nachdenklich stimmte: "Sag mal, Sesshoumaru, ist es dir eigentlich auch aufgefallen? Seshiru, er hat sich überhaupt nicht in den Kampf eingemischt, obwohl er nachher dazugekommen ist. Aber getan hat er trotzdem nichts. Glaubst du, er führt etwas im Schilde?"

Kimie hatte hinsichtlich Subarus älterem Bruder schon die ganze Zeit so ein komisches Gefühl gehabt und war damit nicht die Einzige gewesen. Praktisch jeder im Schloss beäugte den abtrünnigen Inu-Youkai prüfend von der Seite.

"Seshiru kann man ohnehin nicht vertrauen", antwortete nun auch Sesshoumaru kühl. "Aus diesem Grund lasse ich ihn auch besonders gut überwachen und solange er sich im Schloss aufhält, ist das am leichtesten. Sollte er sich einen Fehler leisten, entledige ich mich augenblicklich seiner Anwesenheit."

Das war deutlich. Und Sesshoumaru würde in der Tat keinen Augenblick zögern, jeden aus dem Weg zu räumen, der ihn in diesem Kampf eventuell hintergehen würde.
 

Schließlich machten sie eine kleine Pause an einem Waldrand und Kimie wollte die Gelegenheit nutzen, um mal schnell einen Sprung in den kleinen Fluss zu wagen, der ganz in der Nähe war und welchen sie schon zuvor aus der Vogelperspektive entdeckt hatte. Allerdings wimmelte es nach Sesshoumarus Aussage in diesem Wald verschiedene Dämonen, also gab es so gesehen nur eine Lösung, sofern Kimie auf ihr Bad bestand.

"Und nicht schummeln!", mahnte Kimie den Youkai, während sie sich hinter einigen großen Felsen neben dem Fluss ihrer Kleider entledigte. Sesshoumaru stand unterdessen zusammen mit Ah-Un etwas abseits. Erst, als sie für den Sprung ins Wasser entsprechend gewappnet war, kam Kimie wieder zum Vorschein. "Bin fertig. Kannst wieder herschauen."

Sesshoumaru nahm diese Aussage zugegebenermaßen etwas überrascht auf, wagte es aber trotzdem, sich nun entsprechend zu dem Mädchen umzudrehen, nachdem sie ihn schon praktisch dazu aufgefordert hatte. Allerdings wich seine Überraschung jetzt nicht etwa, sondern sie wurde eher etwas größer. Kimie stand dem Youkai nämlich nunmehr in einem schwarzen Bikini gegenüber, zusätzlich hielt sie ein weißes Handtuch in der Hand. Als Kimie Sesshoumarus etwas ungewohnten Blick bemerkte, kratzte sich etwas verlegen am Kopf.

"Na ja, ich dachte mir, ich sorge für alle Fälle ein wenig vor. Man kann ja schließlich nie wissen, was hier so alles passiert, ne?", erklärte sie, aber Sesshoumaru hatte den Blick inzwischen wieder von ihr abgewandt.

"Hm? Was ist mit dir?", fragte sie etwas verdutzt, doch Sesshoumaru gab nur ein knappes "Nichts" zur Antwort, ohne sich dabei wieder zu ihr umgedreht zu haben. Kimie schaute zwar noch etwas fragend drein, zuckte dann jedoch einmal mit den Schultern und beließ es erstmal dabei.

Was Sesshoumaru anging, so hörte er nur, wie Kimie nun zum Wasser ging, doch noch immer bewegte sich sein Blick nicht. Als er sie zuvor so vor sich hatte stehen sehen, hatte er für einen Augenblick dieses eigenartige Gefühl in sich gespürt, weshalb er sich auch wieder von ihr abgewandt hatte. War er etwa nervös gewesen? So was war ihm zuvor eigentlich noch nie untergekommen. Zwar hatte Sesshoumaru Kimie schon mal in einer ähnlichen Situation so gesehen, allerdings hatte ihn das damals so ziemlich kalt gelassen (siehe "Abenteuer im Mittelalter", Kapitel 4). Als Sesshoumaru das Plätschern von Wasser vernahm, schaute er doch in Richtung des Flusses. Kimie war inzwischen bis zu den Hüften im Wasser gewesen.

"Lass dir nicht zu viel Zeit", meinte Sesshoumaru, woraufhin sie jedoch erwiderte: "Sorry, aber eine Frau hat nun mal ihre Prinzipien! Durch die ganze Aufregung in der letzten Zeit bin ich gar nicht mehr dazu gekommen, mich mal ordentlich zu waschen und meine Haare hatten das auch mal wieder nötig. So eine schlichte Katzenwäsche tut's eben auf Dauer nicht." Damit tauchte Kimie einmal in dem Wasser unter. Es war zwar etwas kalt, aber eigentlich doch ganz erträglich gewesen. Sie tauchte einige Meter, ehe sie wieder zum Vorschein kam und sich einmal mit den Händen durch die Haare fuhr. Da vernahm sie in den Büschen nahe des Flusses ein Rascheln. Fragend schaute sie zu Sesshoumaru rüber. "Was ist das? Sind das Tiere?"

"Nein. Nur ein paar niedere Dämonen", antwortete Sesshoumaru. "Sie schleichen schon die ganze Zeit hier herum."

Allerdings traute sich keines dieser Ungetüme näher heran, denn allein die bloße Anwesenheit von Sesshoumaru schien auszureichen, um sie auf Abstand zu halten. So hatte Kimie für eine ganze Weile ihre Ruhe und konnte sich ihrem Bad widmen, wobei Sesshoumaru immer ein wachsames Auge auf sie hatte.

Nach ungefähr 15 Minuten hatte Kimie scheinbar genug und kam wieder aus dem Wasser heraus.

"Das hat irgendwie ein bisschen was von Urlaub", meinte sie, als sie ihr Handtuch vom Boden aufhob. Als Sesshoumaru jedoch nichts auf ihr Gesagtes erwiderte, schaute sie kurz zu ihm rüber. Irgendwie blickte er noch immer recht merkwürdig drein, allerdings schien er sie dabei die ganze Zeit zu beobachten. Kimie sah ihn fragend an. "Bekümmert dich etwas? Warum guckst du so?"

Zuerst antwortete Sesshoumaru nicht auf die Fragen. Er schaute das Mädchen nur schweigend an, ehe er seinerseits schließlich zurückfragte: "Seit wann bist du denn so ohne Scheu?"

"Wie?" Kimie wirkte irritiert, ehe sie einmal an sich runterschaute. Vermutlich war ein Bikini für diese Zeit einfach zu merkwürdig gewesen, wobei sie eigentlich durch Kagome auf die Idee gebracht worden war, auch Badesachen mitzunehmen, wie die Jüngere es auch stets tat. Dabei hatte Kimie jedoch gar nicht daran gedacht, dass Badesachen in der Form in dieser Zeit wohl für einiges Aufsehen sorgen konnten. Aber in gewisser Weise schien sie im Nachhinein ja sogar ganz belustigt gewesen zu sein. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie glatt vermutet, sie hätte Sesshoumaru mit ihrer Bikini-Aktion auf gewisse Weise in Verlegenheit gebracht, wenngleich er nach wie vor sein übliches Pokerface aufgesetzt hatte. Und dieser Gedanke amüsierte sie doch zugegebenermaßen irgendwie. Lachend winkte sie ab. "Meinst du meine Sachen? Ach, das ist doch kein Problem! Dort, wo Kagome und ich herkommen, ist überhaupt nichts dabei, wenn man mal so herumläuft. Natürlich kann man sich nicht überall so zeigen, aber am Strand oder so sieht man die Leute nur in solchen Sachen. Wir nennen sie Badeanzüge oder Bikinis."

Wie Kimie es sich gedacht hatte: es lag anscheinend wirklich an ihrem aktuellen Outfit, dass Sesshoumaru sich momentan etwas seltsam benahm. Anscheinend hatte sie ihn diesmal leicht überfordert. Und in der Tat kam es Sesshoumaru mehr als eigenartig vor, dass man sich wirklich so unter fremde Leute trauen konnte. Nicht, dass Kimies Anblick ihn gestört hätte, eher im Gegenteil, aber trotzdem war dieser Gedanke für ihn sehr befremdlich. Allerdings besaß dieses merkwürdige Kleidungsstück an dem Mädchen auch eine gewisse Eleganz, wie er zugeben musste. Kimie selbst verzog sich unterdessen wieder hinter den Felsen, wo sie zuvor ihre Sachen zurückgelassen hatte. "So! Ich zieh' mich mal eben wieder schnell um, dann können wir weiter. Und nicht schummeln!", mahnte sie ihn erneut, obwohl das ja eigentlich überflüssig war, was sie auch selbst wusste. Schließlich hatte sie es hier nicht mit Miroku zu tun. Vielmehr wollte sie Sesshoumaru noch etwas aufziehen. Um ihn aber nicht allzu lange warten zu lassen, beeilte sich Kimie nun etwas mit dem Umziehen und dem Vertrauen ihrer Sachen in ihrem Rucksack. Schlussendlich bürstete sie sich noch einmal die Haare, damit diese besser trockneten.

Sesshoumaru wartete unterdessen kommentarlos auf Kimie, bis er sie schließlich sagen hörte: "Da bin ich wieder! Wir können gehen."

Als er sich daraufhin wieder zu ihr umdrehte, trug sie wieder ihre gewohnte Kleidung, allerdings hatte sie sich nun ein anderes T-Shirt angezogen, das sie wohl ersatzweise dabeigehabt hatte.

"Gut. Dann komm", forderte Sesshoumaru das Mädchen auf und ging schon mal vor. Irgendwie benahm er sich noch immer etwas eigenartig. Das schien sogar Ah-Un aufgefallen zu sein, denn er schaute seinem Herrn nicht minder verdutzt hinterher als Kimie. Letztere meinte schließlich: "Tja, es ist wohl doch egal, wo oder in welcher Zeit man sich auch befindet. Männer sind eben doch recht einfach gestrickt."

Ah-Un legte die Köpfe etwas schief und schaute etwas fragend drein, ließ sich anschließend aber bereitwillig von Kimie an den Zügeln führen, als sie Sesshoumaru schließlich folgte.
 

Der weitere Rückflug ging zunächst schweigend von statten. Kimie begnügte sich damit, die Umgebung etwas genauer in Augenschein zu nehmen. Im Moment flogen sie über einen weiteren Wald hinweg, doch standen die Bäume hier an verschiedenen Stellen nicht so dicht beieinander wie im Wald von Bokusenou.

"Hmm... Irgendwie hat das was", meinte Kimie nach einer Weile.

Sesshoumaru drehte sich leicht zu ihr um. "Hm?"

"Ich meine, dass wir zwei so ganz allein unterwegs sind", erklärte das Mädchen. "Gut, Rin und Jaken waren zwar auch mit dabei, aber das hier erinnert mich trotzdem irgendwie an die Zeit, als wir uns kennen lernten. Daran habe ich im vergangenen Jahr oft denken müssen und dabei ist mir auch aufgefallen, wie sehr sich mein Leben doch eigentlich verändert hat, obwohl ich nur verhältnismäßig kurz hier war. Bevor ich das allererste Mal hier hergekommen bin, sah mein Tag genauso aus, wie für Millionen Andere in meinem Alter auch: Morgens aufstehen, frühstücken, zur Schule gehen, Heim kommen, essen, Hausaufgaben machen, schlafen gehen und am nächsten Tag wiederholte sich das alles wieder. Zwischendurch noch ein wenig Freizeitbeschäftigung, aber das war's eigentlich im Großen und Ganzen. Damit will ich jetzt nicht sagen, dass ich mein Leben als langweilig empfunden habe. Im Gegenteil, es hat mir gefallen. Aber wenn man hier ist, weiß man eben nie, was einen eventuell noch erwartet. Zugegeben, hier ist es zwar viel gefährlicher als in meiner Epoche, aber es ist trotzdem auch irgendwie aufregend!"

Und am meisten freute sich Kimie darüber, dass sie in der Sengoku-Ära so viele neue Leute kennen gelernt hatte, denen sie sonst niemals begegnet wäre. Sie beneidete Kagome zugegebenermaßen irgendwie darum, dass diese schon viel früher in diese Zeit hatte kommen können und zudem im vergangenen Jahr keine Zwangspause hatte einlegen müssen. Am meisten hatte Kimie jedoch an ihre erste Begegnung mit Sesshoumaru denken müssen und daran, wie sie ihn anfangs eine Zeit lang begleitet hatte. Aber auch die nachfolgenden Ereignisse waren ihr immer wieder durch den Kopf gegangen. Schließlich sprach Kimie weiter: "Weißt du, während ich im letzten Jahr zu Hause war, habe ich mir immer wieder vorgestellt, wie es wäre, wenn ich dich wieder sehen würde. Obwohl, wenn ich ganz ehrlich sein soll, empfand ich dich anfangs ja als einen ziemlich groben und ungehobelten Angeber, der immer nur auf andere herabgesehen und sie eingeschüchtert hat, wenn ihm danach war. Und ich muss zugeben, ich hatte auch mal in gewisser Weise Angst vor dir." Ein kurze Pause entstand, dann sprach sie etwas verlegen weiter: "Aber nachdem du mich vor diesen Banditen gerettet hast... Ich weiß nicht. Ab da habe ich dich auch irgendwie mit anderen Augen gesehen. Na ja, und dann..." Dann hatte sie sich irgendwann in ihn verliebt. Und um nichts auf der Welt wollte sie wieder von ihm getrennt werden.

Sesshoumaru hatte Kimie die ganze Zeit über schweigend zugehört. Er konnte sich auch noch ganz genau daran erinnern, wie er sie zum ersten Mal getroffen hatte und wie sehr sie ihm in der ersten Zeit manchmal auf die Nerven gegangen war. Jetzt aber zu hören, dass er Kimie mit seinem Auftreten durchaus auch Angst eingejagt hatte, obwohl sie es damals nie so zu zeigen versucht hatte, amüsierte ihn im Nachhinein doch irgendwie. Doch trotz ihrer Differenzen hatte er sie mehrmals gerettet und für sie sogar ein neues Schwert anfertigen lassen. Und letztendlich hatte er sie zu seiner Gefährtin bestimmt. Hätte ihm das jemand so vorhergesagt, Sesshoumaru hätte diesen jemand sicherlich für komplett verrückt erklärt und es wohl regelrecht als Beleidigung empfunden, dass jemand wie er sich ausgerechnet eine Menschenfrau aussuchen würde. Aber jetzt...

Plötzlich horchte Sesshoumaru auf. Irgendetwas näherte sich und da war auch dieser verdächtige Geruch. Der Youkai zügelte Ah-Un, was wiederum Kimies Aufmerksamkeit erregte. "Was ist los? Warum halten wir?"

"Ah-Un! Runter!", befahl Sesshoumaru jedoch nur sofort, ohne auf die Fragen des Mädchen geantwortet zu haben. Als der Drache daraufhin plötzlich den Boden ansteuerte, hatte sich Kimie reflexartig an Sesshoumaru festgeklammert, um nicht eventuell zu fallen. Ah-Un flog direkt zwischen einige Bäume und kaum war er gelandet, wurde Kimie von Sesshoumaru gepackt, nur um eine Sekunde später in ein nahe gelegenes Gebüsch fallengelassen zu werden. Ihre Begeisterung über diese Behandlung hielt sich deutlich in Grenzen.

"Aua... Jetzt reicht's mir aber wirklich! Ich geh doch wieder nach Hause!", jammerte Kimie, doch ehe sie weiter sprechen konnte, hielt ihr Sesshoumaru den Mund zu.

"Ruhe! Sei still!", wies er sie an. Zuerst wollte Kimie wieder versuchen zu protestieren, doch hielt sie sogar in sämtlichen Bewegungen inne, als sie nun eigenartige dumpfe Geräusche vernahm, die sich anhörten, als würde etwas sehr Großes durch die Luft fliegen. Und als würde auch er in Deckung gehen, legte Ah-Un sich nun hin und senkte seine Köpfe. Zeitgleich begann Raidon schon wieder damit, so merkwürdig zu pulsieren, wie Kimie es ganz eindeutig wahrnehmen konnte. Was genau hatte es damit wieder auf sich gehabt? Schließlich war das schon mehrmals vorgekommen.

Diese dumpfen Geräusche wurden inzwischen immer lauter. Über den Wipfeln der Bäume konnte Kimie schließlich zwei große Schatten vorüber fliegen sehen. Zwar konnte sie nichts genaues erkennen, aber es war ganz klar gewesen, dass es sich dabei um zwei Youkai handelte.

"Zwei der Ryû-Youkai in ihrer wahren Form. Sie erkunden die Gegend", sagte Sesshoumaru und nahm die Hand wieder von Kimies Mund.

Unsicher fragte sie ihn flüsternd: "Aber was machen die hier? Wir sind doch gar nicht in der Nähe ihres Reviers, oder?"

"Nein, aber wir befinden uns nahe an den Grenzen zu den westlichen Ländern. Vermutlich hat Akuma sie als Grenzposten ausgesandt."

"Und was sollen wir jetzt machen?"

Sesshoumaru stand auf und verließ das Gebüsch. Dann drehte er sich noch mal zu Kimie um, die mit dem Kopf über das Gestrüpp hinweg zum ihm rüberschaute, und sagte: "Ich werde sie ablenken. Du bleibst zusammen mit Ah-Un hier und rührst dich nicht von der Stelle, bis ich dich holen komme. Und sag kein Wort!"

Und noch bevor Kimie etwas darauf hatte erwidern können, war Sesshoumaru den Drachen schon gefolgt. Wie bestellt und nicht abgeholt hockte sie nun zusammen mit Ah-Un mitten im Gebüsch. >Na, der hat aber auch Nerven...<
 

Nichts desto trotz war Kimie der Anweisung von Sesshoumaru nachgekommen und hatte zusammen mit Ah-Un die ganze Zeit in dem Gebüsch gewartet. Allerdings kam und kam Sesshoumaru auch nach einer ganzen Weile einfach nicht zurück.

>Jetzt liegen Ah-Un und ich hier bestimmt schon eine Stunde rum, wie alte abgelegte Fußmatten... Kommt er heute noch mal zurück?< Zuerst empfand Kimie es ja als etwas unverschämt, dass Sesshoumaru sie und Ah-Un so lange warten ließ, aber vielleicht gab es ja auch einen Grund dafür, weshalb er noch nicht zurückgekommen war.

>Ob ihm etwas passiert ist?<, fragte sich Kimie daher nach einem Moment, ehe sie sich erschrocken aufsetzte. "Oh nein! Was, wenn ihm nun wirklich etwas passiert ist!? Vielleicht sind ja noch mehr von diesen Viechern aufgetaucht und kommt deswegen nicht wieder zurück!? Vielleicht braucht er ja Hilfe oder so was!? Ah-Un, komm! Wir müssen Sesshoumaru suchen!"

Gerade, als Kimie aufstehen und sich auf den Weg machen wollte, hörte sie in einem Gebüsch direkt gegenüber ein verdächtiges Rascheln. Sofort hatte sie aufgehorcht. >Hm? Ob das Sesshoumaru ist?<

Zögerlich stand sie auf und wagte einen Blick zu riskieren. Tatsächlich stand ihr in gut vier Metern Entfernung nun eine Person gegenüber, allerdings war es nicht Sesshoumaru gewesen, sondern eine junge Frau in einem Miko-Gewand. Bei sich trug sie einen langen Bogen, sowie einen Köcher mit Pfeilen. Zusätzlich flogen um sie herum mehrere dieser eigenartigen weißen Geschöpfe, die Kimie schon vor einem Jahr mal gesehen hatte. Sie erinnerten irgendwie an Aale und besaßen weit vorne an ihrem Körper jeweils drei Paare insektenähnlicher Beine. Im ersten Moment war Kimie schon sehr irritiert gewesen, denn diese Frau kam ihr sehr bekannt vor und hatte zudem eine gewisse Ähnlichkeit mit Kagome.

>Aber... das ist doch...< Einen Moment musste Kimie noch überlegen, dann fiel ihr wieder der Name der Frau ein. >Das ist doch Kikyou!?<

Unschlüssig stand Kimie der Miko gegenüber. Was mochte Kikyou ausgerechnet in diese Gegend geführt haben?

Rokou gegen Inu Yasha

>Was macht Kikyou in dieser Gegend? Ob sie hier nach Naraku sucht?<

Zwar sagte zunächst keiner der beiden Anwesenden etwas, zumal Kimie auch nicht wusste, wie genau sie Kikyou überhaupt einschätzen sollte. Der kurze Eindruck, den sie im letzten Jahr von ihr gewinnen konnte, konnte schließlich nicht viel über sie sagen. Aber da Kikyou ihr nicht feindselig gegenüberzustehen schien, trat Kimie schließlich hinter den Büschen hervor, ebenso wie Ah-Un, den sie an den Zügeln führte. Die Miko musterte das Mädchen aus der Neuzeit genauestens, ebenso wie umgekehrt.

"Deinem Blick entnehme ich, dass du dich an mich zu erinnern scheinst", ergriff Kikyou nun als Erste das Wort.

Kimie nickte einmal. "Ja, das tue ich. Du bist Kikyou."

"Das ist richtig. Und dein Name dürfte Kimie sein."

Entgegen Kikyous ruhiger Art zu sprechen, fragte Kimie hingegen nun doch etwas irritiert: "Woher weißt du, wie ich heiße?"

"Als ich dich zum ersten Mal sah, rief dich Inu Yasha bei deinem Namen (siehe "Abenteuer im Mittelalter", Kapitel 11)", antwortete Kikyou üblich ruhig und dabei auch sehr seriös. Kimie erinnerte sich auch gleich wieder an die Situation, auf die die Miko eben kurz zu sprechen gekommen war.

Auf Kimie machte Kikyou einen sehr geheimnisvollen Eindruck, nicht zuletzt auch durch die vielen Seelenfänger, die sie immer wieder geisterhaft umkreisten. Sie konnte sie auch jetzt irgendwie nicht so richtig einschätzen.

"Sind Inu Yasha und die anderen nicht bei dir?", fragte Kikyou plötzlich weiter.

Kimie schreckte kurz aus ihren Gedanken hoch, schüttelte dann aber den Kopf. "Nein. Ich bin mit Inu Yashas älterem Bruder Sesshoumaru unterwegs."

"Und was führt euch in diese Gegend?"

"Eigentlich ein Zwangsstopp", erklärte Kimie. Es war fast schon so, als antwortete sie völlig automatisch auf diese Fragen. "Sesshoumaru hat ein paar feindliche Dämonen bemerkt und ist vorhin fort gegangen, um sie von hier wegzulocken. Bisher ist er aber nicht wieder zurückgekommen."

Kikyou erwiderte nichts darauf, aber es schien, als ahnte sie etwas, was Kimie nun doch irgendwie unangenehm war. Anstatt aber bei diesem Thema zu bleiben, kam die Miko nun wieder auf Inu Yasha zu sprechen: "Du weißt doch sicherlich, wo sich Inu Yasha und seine Freunde momentan aufhalten, nicht wahr?"

Doch diesmal zögerte Kimie mit der Antwort. Sie war sich nicht sicher, was sie jetzt sagen sollte. Aber selbst, wenn sie leugnen würde, sicherlich würde Kikyou das merken, also antwortete das Mädchen wahrheitsgemäß: "Sie befinden sich im Moment alle in Sesshoumarus Schloss in den westlichen Ländern."

Kikyou wirkte nun doch etwas überrascht, wenngleich sie es doch sehr gut hinter ihrer einerseits kühlen und andererseits ruhigen Miene verbarg. "Seltsam. Ich dachte eigentlich immer, Inu Yasha könne seinen Bruder nicht leiden, ebenso wie umgekehrt. Verbindet sie etwa ein gemeinsamer Feind? Vielleicht Naraku?"

"Ob Naraku etwas damit zu tun hat, wissen wir im Moment selbst noch nicht, aber Sesshoumarus Clan steht schon lange in einem alten Konflikt mit den Ryû-Youkai aus den nördlichen Gebirgen", antwortete Kimie, kam sich so langsam aber ein wenig so vor, als stünde sie vor einer Art Gericht. Warum Kikyou ihr überhaupt so viele Fragen stellte, vermochte sie im Moment ebenfalls nicht zu erahnen. Vielleicht erhoffte sich die Miko, so einen Hinweis auf Narakus momentanen Aufenthaltsort zu finden.

"Im nördlichen Gebirge also...", wiederholte Kikyou nach einem Augenblick der Stille nachdenklich. Es schien, als würde sie es wirklich in Erwägung ziehen, dass sich Naraku dort aufhalten könnte. Soeben wollte Kimie ihrerseits etwas sagen, da hatte sich Kikyous Blick plötzlich zur Seite umgewandt. Als Kimie es ihr gleich tat, entdeckte sie Sesshoumaru, der soeben auf die beiden jungen Frauen zukam.

"Inu Yashas älterer Bruder", erkannte Kikyou den Youkai gleich mit ruhiger Stimme, was Kimie ein weiteres Mal etwas irritierte.

"Hm? Kennt ihr euch etwa?"

"Wir sind uns schon mal begegnet", antwortete Sesshoumaru knapp, als er bei ihnen angekommen war. Den Geruch von Kikyou hatte er schon wahrgenommen, lange bevor er wieder zurückgekommen war. Dieser Geruch war unverkennbar gewesen. Denn an Kikyou, die als Untote schon so lange durch das Land zog, haftete nach wie vor der Geruch von Knochen und Graberde.

"Wir gehen", wies Sesshoumaru Kimie plötzlich vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen an und schritt schon an ihr vorbei. Kimie stand zunächst aber noch etwas unschlüssig auf der Stelle, ehe sie dem Youkai mit Ah-Un im Schlepptau folgte. Ein paar Mal drehte sie sich noch zu Kikyou um, die den beiden ihrerseits wortlos nachsah, bis sie aus ihrer Sicht verschwunden waren.

Zunächst sagte noch keiner der beiden etwas, ehe Kimie schließlich an Sesshoumarus Seite trat und ihn fragte: "Hey! Wo warst du denn eigentlich so lange bis eben? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht! Warum hast du so lange gebraucht?"

"Diese Dämonen hatten offensichtlich den dringenden Wunsch, mit mir zu kämpfen", antwortete Sesshoumaru ungerührt. "Ich habe ihnen diesen Wunsch erfüllt, aber ob sie glücklich darüber sind, können sie jetzt auch keinem mehr verraten. Ich lockte sie erst weit genug fort, deshalb hat es etwas gedauert, bis ich zurückkommen konnte."

"Aber... passiert ist dir nichts?", fragte Kimie verunsichert, beinahe schon vorsichtig, doch Sesshoumaru verzog keine Miene, als er erwiderte: "Ich bin nicht verletzt, falls du darauf hinaus willst. Es ist schon etwas mehr nötig, als zwei niedere Dämonen, um mir in irgendeiner Form Schaden zuzufügen."

War ja klar, dass er mal wieder einen auf obercool machte. Aber Kimie störte sich nicht daran, vielmehr war sie erleichtert darüber gewesen, dass ihre Sorgen unbegründet gewesen waren und es Sesshoumaru gut ging. Aber sie beschäftigte noch etwas anderes, also fragte sie nach einem Augenblick sogleich weiter: "Aber sag mal, woher kennst du eigentlich Kikyou?"

"Ich kenne sie nicht", antwortete Sesshoumaru monoton. "Wie gesagt, wir sind uns schon mal begegnet, aber mehr auch nicht."

"Hmm..."

Nachdem sie noch ein Stück des Weges zu Fuß zurückgelegt hatten, stiegen die beiden wieder auf Ah-Uns Rücken und der Drache erhob sich erneut in die Lüfte.
 

Kikyou hatte ihren Blick erst wieder abgewendet, nachdem Kimie und Sesshoumaru aus ihrer Sicht verschwunden waren. Das, was Kimie ihr erzählt hatte, war zwar keine Gewissheit aber dennoch eine Spur gewesen. Vielleicht würde die Miko nun endlich einen Hinweis auf Naraku finden. Also setzte Kikyou ihren Weg schließlich fort und steuerte in Begleitung ihrer Seelenfänger den langen Fußweg in die nördlichen Gebirge an.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Schon kurz nach der Rückkehr der Ryû-Youkai in deren Schloss hatte Naraku Akuma aufgesucht, um sich bei diesem nach dem Geschehen während der Konfrontation mit Sesshoumaru und seinem Clan zu erkundigen.

"Und, Akuma?", fragte Naraku geheimnisvoll. "Wie war dein erster Eindruck?"

Während der Hanyou wie so oft in sein Pavianfell gehüllt, jedoch ohne dabei die entsprechende Maske zu tragen, abwartend vor ihm stand, saß Akuma in gelassener Haltung auf dem Fenstersims von einem geöffneten Fenster seiner Privaträume und beobachtete ein wenig, was draußen vor sich ging, als er antwortete: "Nun, wenngleich ich persönlich den Inu-Youkai heute zum ersten Mal seit langer Zeit wieder begegnet bin, scheint mir dieser Sesshoumaru entschlossen zu sein, nicht einfach so klein beizugeben. Aber das soll mir recht sein, dann ist der Spaß größer." Akuma wandte sich zu Naraku um. "Was ist aber mit dir? Was hast du davon, wenn sich mein Clan mit dem von Sesshoumaru anlegt, Naraku?"

Auf Narakus Gesicht erschien ein leichtes Lächeln. "Wie schon gesagt: Es geht mir lediglich darum, dass du und deine Leute Sesshoumaru, Inu Yasha und die, die mit ihnen zu tun haben, beseitigen. Damit bin ich schon zufrieden."

"Und nur für so einen kleinen Gefallen würdest du uns sogar Splitter des Shikon no Tama überlassen?"

"Ich habe sie dir doch schließlich zugesagt."

In der Tat, so war die Abmachung gewesen. Als Gegenleistung dafür, dass Akuma und sein Clan gegen die Inu-Youkai und ihre Verbündeten kämpften und sie auch beseitigten, sollten sie einen Teil der so sehr umkämpften und begehrten Splitter des Shikon no Tama erhalten. Und eigentlich war es auch im eigenen Interesse der Ryû-Youkai, ihre Erzfeinde endlich aus dem Weg zu räumen, von daher konnte man nicht unbedingt davon sprechen, dass Naraku Akuma und seine Leute für seine Zwecke benutzte. Allerdings gab es eine Sache, die Akuma doch in einem gewissen Sinne interessierte, also fragte er seinen Gegenüber nach einem Moment weiter: "Eine Frage noch, Naraku: Wo steckt eigentlich dieser kleine Bengel, der ebenfalls bei dir war, als du das erste Mal hier aufgetaucht bist?"

"Du sprichst von Kohaku?", fragte Naraku zurück, obwohl die Antwort darauf ihm schon längst klar gewesen war.

Akuma nickte. "Ja, kann sein, dass er so heißt. Also, wo ist er? Ich habe ihn seither nicht mehr gesehen. Was hast du überhaupt mit einem Menschenjungen zu schaffen?"

"Er gehört zu meinen Untergebenen", erklärte Naraku ruhig. "Mach dir keine Sorgen, er wird keine Probleme machen. Ich habe ihn entsandt, ein paar Kleinigkeiten für mich zu erledigen."

Akuma nahm diese Antwort hin. Im Grunde konnte es ihm zwar egal gewesen sein, wer dieser Menschenjunge war, aber schlichtweg aus Prinzip hatte er doch genaueres wissen wollen. Aber jetzt schien diese Sache ja auch geklärt gewesen zu sein.

Plötzlich öffnete sich die Schiebetür des Raumes und einer von Akumas Gefolgsleuten trat ein. Er verneigte sich leicht vor seinem Herrn. "Akuma-sama. Verzeiht die Störung, aber es gibt Neuigkeiten. Allerdings keine guten, denn die zwei Kundschafter, die wir ausgeschickt haben, die Grenzen zu den westlichen Ländern zu beobachten, sind nicht wieder zurückgekehrt."

"Ach! Ist das so, ja?" Akuma wirkte erstaunlich ruhig. Es schien, als vermutete er schon, was mit seinen Leuten geschehen war, doch er sollte gleich die Gewissheit haben.

In diesem Moment kamen nämlich drei von Narakus Saimyousho durch das geöffnete Fenster von draußen in den Raum herein geflogen und sammelten sich um ihren Meister. Sie schienen ihm irgendetwas mitzuteilen. Schließlich wandte sich Naraku an Akuma: "Sieht so aus, als hätte Sesshoumaru deine Leute erledigt, Akuma."

"Hm!"

So was in der Art hatte sich Akuma schon gedacht, von daher war er auch nicht wirklich überrascht gewesen. Sonderlich betroffen schien er aber auch nicht zu sein, als er seinen Untergebenen anwies, nun wieder das Zimmer zu verlassen, was dieser auch sofort tat.

"Dieser Sesshoumaru...", sprach Akuma schließlich weiter. "Der wird mir langsam doch etwas lästig. Wenn das so weitergeht, verlieren wir immer mehr unserer Leute und unserer Drachen."

"Aber ihre Anzahl ist doch immer noch groß genug, dass auf einen Inu-Youkai drei von ihnen kommen", bemerkte Naraku, woraufhin Akuma nickte.

"Das mag ja alles sein, aber trotzdem stört es mich. Der Kerl nimmt sich für meinen Geschmack etwas zu viel heraus."

"Und was willst du nun tun?"

"Immer mit der Ruhe. Mir fällt schon was Passendes ein."

Und insgeheim schien Akuma schon einen Plan im Kopf zu haben.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Der weitere Rückweg verlief ohne besondere Vorkommnisse. Es war inzwischen früher Nachmittag und so langsam näherten sich Sesshoumaru und Kimie wieder dem Schloss. Dass die beiden fort gewesen waren, war sicherlich nicht unbemerkt geblieben und gedanklich bastelte sich Kimie schon alle möglichen potenziellen Fragen zusammen, die Kagome und die anderen ihr wohl stellen konnten. Vermutlich würde besonders Inu Yasha mal wieder ordentlich seinen Senf zu diesem Thema abliefern. Es gab aber auch etwas anderes, dass sie beschäftigte und worauf sie nicht zuletzt wegen der unerwarteten Begegnung mit diesen beiden Ryû-Youkai gekommen war.

"Sag mal, Sesshoumaru, woher wusste Bokusenou eigentlich so viel über die Ryû-Youkai?", fragte Kimie Sesshoumaru daher schließlich neugierig. "Ich meine, er wird ja wohl kaum zu ihnen hingegangen sein und selbst einen Blick auf die Lage geworfen haben."

"Bokusenou weiß über viele Dinge erstaunlich gut Bescheid", antwortete Sesshoumaru. "Woher genau er sein Wissen bezieht, weiß selbst ich nicht. Aber das kann mir auch egal sein, solange ich die nötigen Informationen bekomme, die ich auch brauche."

"Hm... Und woher kannte dein Vater ihn?"

"Die Schwertscheiden von Tessaiga und Tenseiga wurden aus Bokusenous Ästen angefertigt. Das ist einer der Gründe, weshalb er unserem Clan schon seit einer Weile bekannt ist."

"Die Schwertscheiden?", wiederholte Kimie wie zu sich selbst und mit nachdenklich gesenktem den Blick. Wenn das stimmte, besaßen die Schwertscheiden der beiden Schwerter sicherlich auch gewisse Kräfte. Bisher war Kimie etwas derartiges aber noch gar nicht aufgefallen. Vielleicht würde sie bei Gelegenheit Kagome oder gleich Inu Yasha danach fragen.
 

Der Flug ging noch eine Weile so von statten und endlich konnte man in der Ferne das Schloss erkennen, welchem sich Ah-Un rasch näherte. Keine fünf Minuten später machte sich der Drache auch schon zum Landeanflug auf den Hof bereit. Noch in der Luft konnte Kimie die Gruppe um Kagome und Inu Yasha vor dem Eingang auf der Treppe sitzen sehen. Auch Rin, Jaken und Inuki, sowie Kakeru waren bei ihnen und außerdem noch ein alter Bekannter, den Kimie sofort wieder erkannte. "Huch! Aber das ist doch...!"

Ah-Un war noch gar nicht auf dem Boden gelandet, da grüßte Kimie die Anwesenden schon fröhlich, ebenso wie den neu hinzugekommenen Besucher: "Hallo, Leute! Hey, Toutousai!"

Der alte Schmied richtete den Blick nach oben. Er hatte genauso wie die anderen Sesshoumaru und Kimie schon von weitem kommen sehen. Als Ah-Un schließlich gelandet war und Kimie auf ihn zukam, erwiderte Toutousai auf die Begrüßung: "Oh! Wenn das mal nicht Kagomes Cousine Kimie ist. Ich hörte schon, dass du seit einer Weile wieder hier bist."

Als sein Blick jedoch auf Sesshoumaru, der soeben von Ah-Uns Rücken abstieg, fiel, versuchte Toutousai sofort wieder, sich ein wenig hinter Inu Yasha zu verstecken. Allerdings schien Sesshoumaru kein Interesse daran zu haben, dem alten Mann nach dem Leben zu trachten.

Ganz anders als Toutousai reagierte wiederum Rin auf Sesshoumarus Rückkehr. Erfreut lief sie sogleich auf den Youkai zu. "Sesshoumaru-sama! Schön, dass Ihr zurück seid!"

Auch Jaken ließ es sich nicht nehmen, seinen Herrn sofort mit mehreren Verbeugungen zu begrüßen. Dieser schenkte Rin momentan jedoch weitaus mehr Beachtung, ehe er Jaken anwies, Ah-Un zu seinem Unterstand zurückzubringen und kurz darauf Kakeru zu sich bat.

Während Sesshoumaru mit ihm nun kurz etwas abseits von den anderen ein paar Worte wechselte, wandte sich Kimie, die Inuki, der sie zuvor ebenfalls freudig begrüßt hatte, streichelte, neugierig an Toutousai: "Hey! Sag mal, Toutousai, was genau führt dich überhaupt hierher? Myouga erwähnte uns gegenüber, du wolltest eigentlich gar nicht hier herkommen."

Toutousai kratzte sich leicht am Kopf. "Na ja, nachdem Myouga gegangen ist, um die Inu-Youkai zu warnen, bin ich erstmal noch allein in meiner Höhle geblieben. Allerdings..."

"Allerdings hast du Schiss bekommen, dass wieder eine dieser Lederhäute bei dir aufkreuzt und deshalb willst du jetzt ebenfalls Schutz im Schloss suchen, oder?", vermutete Inu Yasha sofort und mit einem prüfenden Blick auf den alten Schmied gerichtet.

Dieser schien nicht mal wirklich leugnen zu wollen, ihn schien vielmehr etwas anderes beschäftigt zu haben oder sogar noch immer zu beschäftigen. So entgegnete Toutousai auf Inu Yashas Aussage: "Wobei ich mich ja schon gefragt habe, wo ich momentan wohl gefährdeter wäre; bei mir zu Hause oder doch eher bei euch... Und ehrlich gesagt wollte ich auf dem Weg hierher schon öfters wieder umkehren..."

Toutousais Blick wanderte zu Sesshoumaru, der seine Unterredung mit Kakeru soeben beendet zu haben schien. Allerdings gab es jetzt noch einiges zu tun, also wies Sesshoumaru Kakeru an, einige Inu-Youkai darüber zu informieren, dass sie sich in einer Stunde im großen Versammlungsraum im Schloss einfinden sollten. Kakeru kam der Anweisung seines Herrn sogleich nach und ging zunächst zurück in das Schloss, um diejenigen Inu-Youkai, die sich in ihren Privaträumen aufhielten, über Sesshoumarus Anliegen in Kenntnis zu setzen. Kimie konnte sich schon denken, was Sesshoumaru mit seinen Leuten zu bereden hatte. Allerdings war sie sehr überrascht darüber, dass er ihr jetzt mit einer Handbewegung verdeutlichte, dass sie ihm ins Schloss folgen sollte. Ohne überhaupt so wirklich ein paar Worte mit Kagome und den anderen gewechselt zu haben, folgte Kimie ihm dennoch in das Schloss.

Kaum, dass Sesshoumaru die Türen hinter sich geschlossen hatte, wandte er sich an das Mädchen: "Ich überlasse es dir, ob du gleich bei der Unterredung mit meinen Leuten dabei sein möchtest."

Kimie zog verblüfft eine Augenbraue hoch. "Wie? Ich soll dabei sein?"

"Du kannst, musst es aber nicht", stellte Sesshoumaru klar. "Ich dachte mir allerdings, dass es gut für dich wäre, wenn du dich für die Zukunft an die ständige Anwesenheit meiner Leute gewöhnen würdest. Ob du heute damit beginnen möchtest, überlasse ich jedoch wie gesagt dir."

"Hmm..." Kimie überlegte. Sesshoumaru hatte schon Recht gehabt. Wenn sie in Zukunft bei ihm bleiben wollte, schloss das immerhin auch mit ein, dass sie sich irgendwann auch an seine Leute gewöhnen musste und umgekehrt musste wohl ähnliches gelten.

Zuerst wirkte sie zwar noch etwas unentschlossen und hatte zugegebenermaßen auch ein etwas mulmiges Gefühl bei dieser Sache, dann sagte Kimie jedoch trotzdem zu.
 

Später wünschte sie sich allerdings, sie hätte das mit ihrer Integration nicht so überstürzt. Kimie fühlte sich momentan nämlich wirklich nur wie auf dem Präsentierteller. Sesshoumaru hatte ihr zwar die freie Wahl gelassen, ob sie wirklich bei diesem Treffen dabei sein wollte, doch im Nachhinein entstand bei Kimie der Eindruck, es wäre besser gewesen, sie hätte mit so was wirklich noch gewartet. Aber jetzt saß sie zusammen mit Sesshoumaru in einem Raum im Beisein verschiedener anderer und zumeist ranghöherer Inu-Youkai und auch Touran, die als Sprecherin für sich und ihre Geschwister anwesend war. Es wurde beredet, wie das weitere Vorgehen auszusehen hatte und was sowohl für die Verteidigung des Schlosses zu tun gewesen war, als auch die Strategie für den weiteren Verlauf des Kampfes. Nur Kimie hörte dem ganzen eher wie nebenbei zu. Sie hatte genug mit ihren eigenen Gedanken zu tun.

>Was zum Teufel soll ich denn hier? Was habe ich mir nur dabei gedacht?! Ich habe das blöde Gefühl, alle starren mich die ganze Zeit an! Ich fühle mich echt wie ein kompletter Vollidiot...<

Eigentlich schaute sie andauernd mehr in Richtung Boden. Nur ab und zu huschte ihr Blick kurz nach vorne, doch dann schaute sie lediglich Sesshoumarus Rücken an. Inuki, der neben seiner Herrin saß, wirkte hingegen ganz entspannt. Doch die Nervosität von Kimie entging ihm deswegen nicht. Sanft stupste er sie daher manchmal leicht mit der Nase an, woraufhin Kimie ihm dann meist etwas den Kopf streichelte. Auch jetzt tat sie das gerade wieder, als sie Kakerus Stimme wieder auf das eigentliche Geschehen aufmerksam machte: "Wir hatten Glück. Es gab von unserer Seite her noch keine Verluste und Ashitaka-dono geht es inzwischen auch wieder besser. Aber das muss nichts heißen. Akuma und sein Clan werden in kommenden Begegnungen sicherlich nicht mehr so zurückhaltend sein. Die gestrige Konfrontation diente vermutlich nur dem Versuch, uns bereits im Vorfeld etwas einzuschüchtern. Und so wie ich die Sache sehe, müssen wir in Zukunft noch mehr aufpassen."

"Ja, und wohl nicht nur auf Angriffe von außerhalb", warf Seshiru ein und richtete seinen prüfenden Blick auf Tôya, während zugleich dieses heimtückische Lächeln seine Lippen umspielte. "Oder wie siehst du das, Tôya?"

Der Angesprochene, aber auch der Rest der Anwesenden wussten sofort, auf was Seshiru eben angespielt hatte. Tôya sah man den Missmut deutlich an. Er selbst machte sich innerlich ja immer noch in gewisser Weise Vorwürfe, dass er Ashitaka angegriffen hatte, obwohl dieser ihm schon längst verziehen hatte und Tôya bekanntlich keine Schuld an alldem traf.

Bevor Tôya aber etwas auf Seshirus Worte erwidern konnte, schaltete sich Subaru erbost ein: "Seshiru! Halte dich gefälligst zurück und mach nicht schon wieder nur Ärger!"

Doch Seshiru verschränkte nur desinteressiert die Arme vor der Brust. "Wieso? Es stimmt doch! Und du musstest schließlich auch selbst gegen ihn kämpfen, Subaru. Ich würde dir raten, das nicht aus den Augen zu verlieren, Brüderchen."

"Und dir würde ich raten, mal die Klappe zu halten! Oder du kriegst 'nen Maulkorb!"

Sofort war alle Aufmerksamkeit auf Kimie gerichtet, die diesen letzten Kommentar vom Stapel gelassen hatte, und sogar Sesshoumaru drehte sich zu ihr um. Es war eigentlich mehr wie eine Art Reflex gewesen, aber jetzt, wo sie alle anstarrten, senkte Kimie beschämt wieder den Blick.

"Entschuldigung. Ist mir so rausgerutscht...", entschuldigte sie sich leise.

Sesshoumaru war der Erste, der sich danach wieder dem Gespräch mit seinen Leuten widmete, wobei er zu allererst Seshiru ansprach: "Seshiru! Wenn ich von dir irgendetwas hören will, dann werde ich dich selbst darauf ansprechen. Ansonsten hast du zu schweigen! Dass du hier anwesend sein darfst, bedeutet nicht, dass du auch tun kannst, was du willst. Das sagte ich dir bereits bei unserem ersten Gespräch. Vergiss das nicht, in deinem eigenen Interesse!"

Zuerst antwortete Seshiru nicht darauf. Die Blicke die er und Sesshoumaru sich gerade zuwarfen, ließen aber auf jeden Fall nichts gutes erahnen. Da konnte man förmlich die gegenseitige Abneigung in ihren Augen sehen. Aber schließlich war es Seshiru, der zuerst seinen Blick wieder abwandte. "Wie Ihr wünscht, Sesshoumaru-sama."

Es hatte zwar teils etwas höhnisch geklungen, aber zumindest schwieg Seshiru jetzt wirklich. Also lenkte Sesshoumaru das Gespräch wieder auf das eigentliche Thema zurück. Ein wichtiger Bestandteil war dabei natürlich auch, die anderen insbesondere über die besonderen Fähigkeiten von Akuma, Takeshi und den fünf Hütern aufzuklären. Sesshoumaru griff dabei auf die Informationen zurück, die er von Bokusenou erhalten hatte. Besonders interessant war dabei die Tatsache, dass die Hüter ihre besonderen Kräfte so lange nicht einsetzen konnten, wie sie sich in ihrer wahren Form befanden. Im Falle einer Konfrontation wäre es von daher also offensichtlich das beste, Akumas beste Krieger auf irgendeine Weise in ihre wahre Form zu zwingen. Sesshoumaru stellte aber zugleich von vornherein klar, dass sich keiner auf eigene Faust Akuma entgegenstellen würde. Diesen wollte Sesshoumaru selbst im Kampf bezwingen.

Ein weiterer Punkt, den es zu besprechen galt, war das weitere Vorgehen hinsichtlich des Kampfes, insbesondere was die Verteidigung des Schlosses und der eigenen Ländereien anbelangte. Die Inu Youkai waren nicht so zahlreich wie die Ryû-Youkai, von daher musste man etwas strategischer an die Sache rangehen. Die Bewachung des Schlosses durfte nicht darunter leiden, dass zugleich auch die umliegenden Wälder in einem gewissen Maße überwacht werden mussten. Schließlich einigte man sich darauf, sich hauptsächlich auf die Verteidigung des Schlosses zu konzentrieren, aber trotzdem einige Inu-Youkai ausgesandt werden würden, die nähere Umgebung im Auge zu behalten. Zu entsprechenden Zeitpunkten würden dann einige der Youkai aus dem Schloss ihre Kameraden, die sich außerhalb von diesem befanden, ablösen. Mehr konnte man im Moment wohl auch nicht tun. Und endlich, nach einer schier endlosen Zeit, war dieser Kriegsrat auch wieder zu Ende gewesen. Länger hätte Kimie das auch nicht mehr mitmachen können und atmete innerlich erleichtert auf. Nach und nach verließen die anwesenden Inu-Youkai den Versammlungsraum nun wieder, bis schließlich nur noch Sesshoumaru selbst, sowie Kakeru, Touran und Kimie mit Inuki übrig gewesen waren. Aber auch Kakeru verabschiedete schon sehr bald, denn er wollte noch mal nach Ashitaka sehen. Auch Touran schien sich wieder so langsam auf den Weg machen zu wollen.

>Herrschaftszeiten! Einmal und nie wieder!<, dachte Kimie unterdessen, wobei ihr aber insbesondere ihr unaufgeforderter Einruf von vorhin noch immer recht peinlich gewesen war. Glücklicherweise schien Sesshoumaru ihr das jedoch nicht übel zu nehmen, sondern ließ das Mädchen erstmal wieder zu den anderen gehen. Vielleicht würde es ihr gut tun, wenn sie ein wenig Zeit mit ihnen verbringen würde. Also verließ Kimie zusammen mit Inuki nun ebenfalls das Zimmer. Zurück blieben schlussendlich noch Touran und Sesshoumaru.

"Du verblüffst mich wirklich immer wieder, Sesshoumaru", ergriff Touran plötzlich das Wort. "Dass du deine Gefährtin an dieser Versammlung hast teilnehmen lassen, hätte ich vorher nicht erwartet. Bisher hast du sie du es ja eigentlich noch nicht so deutlich gezeigt, dass sie zu dir gehört, wenn ich es mal so ausdrücke."

Sesshoumaru schaute aus dem Seitenwinkel zu der Panther-Dämonin rüber. "Was interessiert dich das, Touran?"

"Ich bin nur überrascht", entgegnete Touran. "Überrascht darüber, wie sehr du dich verändert hast. Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, da hättest du alles, was auch nur irgendwie was Menschliches an sich hat, auf der Stelle ausgelöscht. Stattdessen warst du aber offensichtlich schon seit längerer Zeit mit einem Menschenkind unterwegs und hast nun sogar eine Gefährtin menschlichen Ursprungs an deiner Seite. Ist das vielleicht dein väterliches Erbe?"

Sesshoumarus Blick hatte einen sehr prüfenden Ausdruck angenommen, als er sich nun zu Touran umwandte. "Wir haben bisher zwar nicht viel miteinander gesprochen, seit du mit deinen Geschwistern hergekommen bist, aber wenn wir beide unter uns sind, kommst du irgendwie immer auf das gleiche Thema zu sprechen. Gibt es dafür einen bestimmten Grund, Touran?"

In der Tat hatte Touran Sesshoumaru stets immer nur auf Kimie angesprochen, ob nun direkt oder indirekt. Dabei ging sie das alles eigentlich überhaupt nichts an und streng genommen hätte Sesshoumaru ihre Andeutungen auch einfach ignorieren können. Doch in einem gewissen Sinne interessierte es ihn schon, was genau die Panther-Dämonin eigentlich damit bezweckte. Diese ließ sich jetzt aber nicht mehr in die Karten schauen, sondern entgegnete nur: "Kommt darauf an, was du als bestimmten Grund verstehst, Sesshoumaru. Nimm es mir nicht übel, aber ich enthalte dir die Antwort auf deine Frage erstmal noch vor. So wie ich dich kenne, müsstest du früher oder später auch selbst darauf kommen können. Mach's gut!"

Und mit diesen Worten verließ nun auch Touran das Zimmer. Sesshoumaru war dieser Auftritt schon recht merkwürdig vorgekommen, wenngleich er es von außen her wie üblich nicht gezeigt hatte. Außerdem, warum sollte er sich die Mühe machen, die Antwort auf seine Frage selbst zu finden? So wichtig war ihm diese schließlich auch wieder nicht gewesen. Er würde dieses Thema von daher wohl auf sich beruhen lassen. Zumindest erstmal.
 

Auf dem Weg zu den anderen war Kimie zunächst gemeinsam mit Kakeru unterwegs gewesen. Hinsichtlich ihrer ersten Eindrücke versuchte er sie sogleich wieder etwas aufzubauen und sie damit zu trösten, dass sie sich schon noch daran gewöhnen würde. Vermutlich war das auch so, aber Kimie hoffte dennoch, dass sich so was in naher Zukunft erstmal nicht zu sehr häufen würde.

Als sie schließlich bei Ashitakas Zimmer angekommen waren und sich Kimie so gesehen wieder von Kakeru verabschieden wollte, um zu den anderen zu gehen, konnte sie sich diesen Weg jedoch ersparen, denn die versammelte Mannschaft um Kagome und Inu Yasha befand sich zusammen mit Ashitaka, Miyuki und auch Tôya, der kurz zuvor hergekommen war, in ein und demselben Raum. Sogar Toutousai war anwesend gewesen. Das konnte Kimie aber auch recht sein und nachdem sie sich bei Ashitaka nach dessen Befinden erkundigt hatte, gesellte sie sich mit Inuki zu den anderen.

"Und, Kimie?", fragte Kagome, die ebenso wie die anderen bereits im Vorfeld erfahren hatte, dass Kimie bei der Versammlung dabei gewesen war, neugierig. "Wie war's gerade eben?"

"Anstrengend...", seufzte Kimie müde. "Obwohl eigentlich nur geredet wurde."

"Und sonst?", fragte Shippou plötzlich, doch Kimie wurde aus dieser Frage nicht ganz schlau.

"Wie? Was meinst du damit, Shippou?", fragte sie von daher nur zurück, woraufhin sich Miroku einschaltete: "Ach, das muss dir doch nicht peinlich sein, Kimie! Du warst ja wohl dem Anschein nach die ganze Nacht mit Sesshoumaru unterwegs. Seid ihr euch denn näher gekommen?"

"Hä?!" Kimie starrte den Mönch nur mit großen Augen und einem leichten Hauch von Röte auf den Wangen an. Dass er sie aber auch so direkt danach fragen musste, war ja mal wieder typisch!

"Selbst... selbst wenn, das wäre ja dann wohl eine Sache, die nur mich und Sesshoumaru etwas angehen würde, oder?", versuchte Kimie sich wieder aus der Affäre zu ziehen, aber obwohl überhaupt nichts passiert war, bot eben genau diese Antwort genügend Zündstoff für weitschweifige Spekulationen.

"Du willst nicht darüber reden. Dann war da also wirklich etwas!", stellte Miroku für sich schon mal fest.

Und während sich Sango, Kagome und Shippou zu diesem Thema etwas zurückhielten, hatte Inu Yasha wieder seinen ganz eigene Kommentare auf Lager gehabt: "Au Mann! Was für ein Gedanke... Vielleicht sollten wir doch besser wieder das Thema wechseln."

"Jetzt hört doch mal auf! Was spinnt ihr euch denn da bitte wieder für einen Schrott zusammen?!", rief Kimie aufgebracht in die Runde. Dass so was in der Art auf sie zukommen könnte, hatte sie zwar geahnt, aber doch nicht so...

"Tja, und Sesshoumaru dürfte sich dazu wohl auch eher ausschweigen", vermutete Ashitaka, während er zusammen mit den anderen Inu-Youkai dem Gespräch der Gruppe bis dahin schweigend beigewohnt hatte. Jetzt kümmerte sich Kakeru aber erstmal um dessen Verletzung. Besonders Miyuki beobachtete Kakeru äußerst aufmerksam dabei, wie dieser nun den Verband um Ashitakas Oberkörper entfernte, um einen Blick auf die Wunde werfen zu können. Auf dem Rücken des jungen Inu-Youkai konnte man noch ganz deutlich die große Stichwunde von Takeshis Naginata erkennen, das mit der Spitze sogar durch die Brust wieder herausgetreten war. Die Wunde auf dem Rücken war aber weitaus größer gewesen, wohingegen die kleinere Verletzung im Bereich der Brust schon gut verheilt war.

"Dafür, dass die Attacke auf dich noch gar nicht so lange her ist, sieht deine Verletzung schon wesentlich besser aus, Ashitaka-kun", meinte Kagome dennoch optimistisch, während Ashitaka mit dem Bauch auf seinem Schlaflager lag und Kakeru gerade dabei war, eine Art Kräutermixtur für die Wunde vorzubereiten.

Auf das was ihre Cousine eben angedeutet hat, fügte Kimie nunmehr hinzu: "Das nennt man wohl den Youkai-Bonus, oder so. Schließlich hätte jeder Normalsterbliche nach so einer Attacke nicht mal mehr 'nen Pieps-Ton von sich gegeben."

"Tja, viel hat aber auch bei mir diesmal nicht gefehlt", meinte Ashitaka, wenngleich mit gewohnt guter Laune, aber durchaus in dem Bewusstsein, dass diesmal wirklich nicht viel gefehlt hatte. Hätte ihn Takeshi mit seinem Naginata nur etwas weiter neben der eigentlichen Wunde getroffen, hätte er Ashitakas Herz durchstoßen und dann wäre auch für ihn alles aus gewesen. Aber so gesehen hatte er eben noch mal Glück im Unglück gehabt.

Während Kakeru nun die vorbereitete Kräutertinktur auf Ashitakas Wunde verteilte, was sowohl von Miyuki als auch insbesondere von Kagome äußerst aufmerksam mitverfolgt wurde, wobei Letztere dem Inu-Youkai noch die eine oder andere Frage hinsichtlich der genauen Zusammensetzung dieser Medizin stellte, stellte sich Kimie insgeheim eine Frage, die ihr in der letzten Zeit schon ein paar Mal in den Sinn gekommen war, und ihre Frage konnte wiederum wohl nur Toutousai beantworten. Also wandte sie sich nun an den alten Waffenschmied: "Ach, Toutousai? Da gibt es übrigens etwas, was ich dich gerne mal fragen würde. Und zwar geht es um Raidon."

"Was ist denn? Stimmt etwas nicht damit?", fragte Toutousai sogleich, woraufhin Kimie ihm ihr Schwert aushändigte. Unschlüssig kratzte sich das Mädchen am Kopf. "Na ja... Ich weiß auch nicht so genau, aber es scheint irgendwie auf die Ryû-Yokai zu reagieren oder so, denn immer, wenn sie oder auch ihre Flugdrachen in der Nähe zu sein scheinen, pulsiert das Schwert. Zumindest ist das schon ein paar Mal in der Form vorgekommen und als die Ryû-Youkai gestern erst hier waren, flog es mir sogar praktisch von selbst von meinem Zimmer aus direkt in die Hand."

Nachdem Kimie Toutousai den genaueren Ablauf dieses Ereignisses während des Kampfes geschildert hatte, legte sich der Schmied nachdenklich eine Hand ans Kinn, während er Raidon weiterhin genauestens in Augenschein nahm. Das Schwert machte einen guten Eindruck. Es war gut gepflegt worden und die Klinge war immer noch scharf. Etwas Fehlerhaftes konnte Toutousai so gesehen nicht entdecken. Schließlich schien er aber doch eine Lösung für das merkwürdige Phänomen hinsichtlich Raidons Reaktionen auf die Ryû-Youkai zu haben: "Das mag eventuell mit den Drachenzähnen zusammenhängen, aus denen das Schwert gefertigt wurde. Wahrscheinlich reagiert es daher auf die dämonische Aura der Ryû-Youkai. Zugegeben, sie und auch diese Flugdrachen mögen keine echten Drachen sein, aber etwas Drachenhaftes steckt eben doch in ihnen. Das ist zumindest meine Theorie dazu."

Damit gab Toutousai Kimie ihr Schwert wieder zurück. Prüfend ließ sie ihren Blick einmal die Klinge hinauf- und wieder hinunter gleiten.

"Also eine Art Frühwarnsystem?", fragte sie schließlich, wenngleich mehr zu selbst, woraufhin Kagome, die das Gespräch ihrer Cousine mit dem alten Schmied gegen Ende hin mitverfolgt hatte, dennoch belustigt hinzufügte: "Na ja, vielleicht ist das in dieser Zeit ja wirklich so was wie die Geburt der modernen Alarmanlage."

Diesen Witz schienen allerdings nur Kimie und Kagome verstanden zu haben, die sich nun auch köstlich darüber zu amüsieren schienen, aber der Rest der Anwesenden schaute eher fragend und stellenweise auch verständnislos drein.
 

Die Gruppe verbrachte noch eine ganze Weile so zusammen. Man unterhielt sich über verschiedene Dinge und so erzählte Kimie auch Einzelheiten über das, was Bokusenou über die Ryû-Youkai zu berichten gehabt hatte. Inu Yasha und die anderen hörten da äußerst aufmerksam und auch interessiert zu, ebenso wie Ashitaka und Miyuki, die ja ebenfalls nicht bei der Versammlung mit dabei gewesen waren.

Nachdem Kimie geendet hatte, legte sich Sango nachdenklich eine Hand ans Kinn. "Das klingt wirklich so, als wären die Ryû-Youkai in der Tat harte Gegner. Mal abgesehen von Naraku scheinen sie mitunter zu den schwersten Gegnern zu gehören, mit denen wir es bisher zu tun gehabt haben."

"Keh! Aber keiner ist unbesiegbar!", warf Inu Yasha ein. "Ihr habt es doch gehört: Auch diese großkotzigen Flattertypen haben ihre Schwachstellen, also kann man sie auch besiegen. So einfach ist das!"

"Von wegen einfach!", entgegnete Shippou ernst. "Du hast es doch selbst erlebt, Inu Yasha! Akuma und seine Leute haben immerhin Sachen drauf, da sträubt sich einem glatt das Fell! Sogar Mirokus Kazaana haben die blockiert!"

Doch Inu Yasha ließ sich davon eher wenig beeindrucken. "Pah! Das allein bedeutet doch gar nichts! Diese Ryû-Youkai bestehen auch nur aus Fleisch und Blut und sie sind genauso verwundbar wie wir alle. Wir müssen eben einfach nur schneller sein als sie und sie in ihre Schranken weisen, bevor sie gleiches bei uns tun können."

"Na, du musst es ja wissen, du Großmaul...", meinte Shippou leise, trotzdem hatte Inu Yasha diese Bemerkung mitbekommen und verpasste dem kleinen Kitsune gleich eine deftige Kopfnuss.

"Auaaa!! Wie gemeeeeiiiin!", jammerte Shippou sofort, woraufhin sich Inu Yasha gleich einen bitterbösen Blick von Kagome einfing.

"Inu Yasha! Osuwari!"

Sogleich lag der Hanyou mit der Nase auf dem Boden. "Ungh... So eine Gemeinheit! Was habe ich denn jetzt schon wieder so Schlimmes gemacht...?"

"Tu nicht so! Das weißt du genau!", schimpfte Kagome, während sie Shippou auf den Arm genommen hatte, um ihn etwas zu trösten. Mürrisch grummelte Inu Yasha irgendetwas in sich hinein, was man akustisch jedoch nicht verstehen konnte. Shippou hingegen schien nunmehr wieder gut gelaunt zu sein, darauf ließ zumindest der triumphierende Blick schließen, den er dem Hanyou gerade zuwarf.

Nach diesem kleinen Zwischenfall überkam Kimie hingegen mit einem Mal das Bedürfnis, mal bei Sesshoumaru vorbeizuschauen. Einen Moment überlegte sie noch, doch dann stand sie auf und ging in Richtung Tür.

"Wohin gehst du, Kimie-chan?", fragte Sango das Mädchen, das antwortete: "Ach! Ich schau nur noch mal kurz bei Sesshoumaru vorbei. Also, bis nachher, Leute! Komm, Inuki!"

Sofort war der Hund seiner Herrin auf den Fersen gewesen und so verließ Kimie zusammen mit Inuki nun das Zimmer. Kaum waren die beiden weg gewesen, grübelte Miroku schon ernsthaft nach. "Hmm... Ich frage mich, ob da wirklich was gewesen sein könnte."

"Selbst wenn! Kimie-chan hat schon Recht, wenn sie sagt, dass uns das nichts angeht", warf Sango energisch ein.

Miroku warf ihr daraufhin einen geheimnisvollen Blick zu. Sango kam dieser zwar schon sehr suspekt vor, doch so richtig auf die Palme brachte sie erst folgende Frage des Mönchs: "Sango. Wir beide haben uns nun schon vor einer ganzen Weile unsere Gefühle gestanden. Nun denn, wäre es nicht allmählich an der Zeit, unsere Bindung zu festigen? Heute Nacht zum Beispiel könnten wir doch..."

Doch weiter kam er gar nicht mehr, denn Sango hatte ihm kräftig eins mit dem Bumerang übergezogen.

"Auf keinen Fall! So nicht! Das kannst du voll vergessen, du notgeiler Houshi!", keifte die Dämonenjägerin aufgebracht und spürbar peinlich berührt, dass Miroku vor allen anderen mit so was angekommen war. Während ein derartiges Schauspiel Inu Yasha, Kagome und Shippou schon relativ vertraut gewesen war, wohnten Ashitaka und seine Kameraden, ebenso wie Toutousai dem ganzen eher unschlüssig bei.

"Ist so etwas normal, wenn man mit jemanden zusammen ist? Oder ist das mehr eine menschliche Eigenschaft?", fragte sich Miyuki ungläubig, konnte es aber eigentlich genauso wenig wie die anderen glauben, dass das wirklich so gewesen sein könnte. Aber eventuell nachzufragen, das wagte im Moment keiner so wirklich.
 

Von dem nachfolgenden Geschehen nichts mehr mitbekommend, war Kimie unterdessen wieder im obersten Stockwerk des Schlosses angekommen und ging zusammen mit Inuki den Gang entlang. Mittlerweile kannte sie den Weg zu Sesshoumaru Zimmer praktisch im Schlaf. Jetzt musste er nur noch da sein. An ihrem Ziel angekommen, wollte Kimie auch gleich direkt zu Sesshoumarus Zimmertür gehen, als ihr jedoch auffiel, dass beim Zimmer direkt gegenüber die Tür einen Spalt weit offen stand. Zuerst war sie noch etwas gehemmt, dann siegte aber Kimies Neugier und sie wagte einen Blick in das Zimmer zu werfen. Durch den geöffneten Türspalt entdeckte sie überraschenderweise Sesshoumaru mitten in dem Zimmer auf dem Boden sitzen. Er hatte den Rücken zur ihr gewandt.

>Was macht er denn da? Meditieren?<, dachte sie mit einer Spur Sarkasmus, bemerkte dann aber doch, dass durchaus mehr hinter Sesshoumarus Aufenthalt in diesem Zimmer liegen musste. Sie konnte es sich nicht so recht erklären, aber irgendetwas war anders an ihm.

"Du musst da nicht stehen bleiben", sagte Sesshoumaru plötzlich, dass Kimie im ersten Moment leicht erschrocken hochgefahren war. Dann öffnete sie die Zimmertür jedoch etwas weiter.

"Entschuldigung. Ich wollte dich nicht stören oder so was", sagte sie ein wenig verlegen und betrat schließlich zusammen mit Inuki das Zimmer, nachdem Sesshoumaru sie nochmals darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sie nicht draußen stehen bleiben musste. Doch während er sie die beiden Male angesprochen hatte, hatte sich der Youkai nicht einmal zu dem Mädchen umgedreht. Ungeachtet dessen ließ Kimie nun ein wenig ihren Blick durch den Raum schweifen. Es gab links und rechts von diesem noch weitere Türen, die in weitere Räumlichkeiten führten. Viele der Zimmer im Schloss, die vorwiegend von den höher gestellten Inu-Youkai bewohnt wurden, wiesen diese Besonderheit auf. Aber etwas war merkwürdig. Kimie hatte ein komisches Gefühl, seit sie das Zimmer betreten hatte, und sogar Inuki schien etwas zu spüren. Denn er hatte schon zu Anfang diese leisen winselnden Laute von sich gegeben, wenngleich es nicht den Eindruck machte, als hätte er Angst. Vielmehr schien es so, als suchte er nach dem Grund für dieses eigenartige Gefühl.

"Was sind das für Räume?", fragte Kimie schließlich, während sie sich noch etwas umsah.

"Dies sind die Privaträume meine Vaters", antwortete Sesshoumaru ruhig. "Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass ich mich hier wieder aufhalte."

"Oh..." Kimie beobachtete Sesshoumaru schweigend. Die Art, wie er eben gesprochen hatte, hatte irgendwie etwas befremdliches an sich gehabt. Die so gewohnte Kühle in seiner Stimme war nicht vorhanden gewesen. Vielmehr wirkte er sehr nachdenklich, als beschäftigte ihn irgendetwas stark. Aber warum genau befand er sich überhaupt in den Privaträumen seines Vaters? Was bezweckte er damit? Fühlte er sich seinem Vater dadurch eventuell näher? Menschen hatten ja öfters irgendwelche Gegenstände einer verstorbenen Person, der sie sehr nahe standen, als Erinnerungsstücke bei sich und fühlten sich mit ihr dadurch wieder ein Stück mehr verbunden. Ob das im vorliegenden Fall ähnlich war?

>Irgendwie seltsam. Es ist ungewohnt, ihn so zu sehen<, dachte Kimie. Sesshoumaru schien in der Tat sehr nachdenklich gewesen zu sein. Bestimmt dachte er über die Ryû-Youkai und den Kampf nach. Ob er sich insgeheim vielleicht nach einem Ratschlag von seinem Vater sehnte, wenn er ihn fragen könnte? Offen zugeben würde Sesshoumaru das allerdings wohl kaum. Das ließ sein Stolz ganz bestimmt nicht zu. Nichts desto trotz wagte es Kimie nach einem Moment der Stille das Wort zu ergreifen: "Du hättest deinen Vater bestimmt gerne um Rat gefragt, oder?"

Doch auf diese Frage würde Sesshoumaru nicht antworten. Das war auch Kimie recht schnell klar.

"Sorry. Ich weiß ja, solche Themen fallen nicht unbedingt in deinen bevorzugten Bereich was Kommunikation anbelangt." Damit wollte Kimie es auch erstmal wieder auf sich beruhen lassen. Eigentlich hätte sie Sesshoumaru in dem Zusammenhang ja gerne noch zu seiner Mutter befragt, aber das ließ sie jetzt doch besser bleiben. Von Ashitaka hatte sie zwar schon mal gehört, dass Sesshoumarus Mutter noch am Leben wäre (siehe "Abenteuer im Mittelalter", Kapitel 31), aber umso mehr beschäftigte das Mädchen daher die Frage, warum sie dann nicht wie die anderen Inu-Youkai hier im Schloss lebte? Hatte das vielleicht was damit zu tun, dass Inu no Taishou in Inu Yashas Mutter Izayoi eine neue Liebe gefunden hatte, oder hatte das am Ende sogar gar nichts damit zu tun gehabt? Und wo mochte sie sich momentan überhaupt befinden? Kimie fragte sich zudem, wie sie vom Charakter her wohl so war und wie sie überhaupt aussah. Aber sie vermutete schon, dass es sich bei Sesshoumarus Mutter sicherlich um eine wunderschöne Frau handeln musste. Vielleicht würde Kimie versuchen, Sesshoumaru irgendwann mal auf dieses Thema anzusprechen, aber im Moment war das eher schlecht.

Was Sesshoumaru anbelangte, so dachte er in der Tat insbesondere über die Ryû-Youkai und den Kampf nach. Zuvor hatte er es zwar nicht gezeigt, aber als Myouga nach dem ersten Erscheinen von Akuma und seinem Clan plötzlich damit angefangen hatte, von Inu no Taishou zu sprechen, hatte auch Sesshoumaru insgeheim darüber nachgedacht, wie sein Vater wohl in dieser Situation gehandelt hätte. Aber fragen konnte er ihn ja danach nicht mehr...

Plötzlich spürte Sesshoumaru, wie sich eine Hand vorsichtig auf seine linke Schulter legte. Kimie befand sich nun direkt hinter ihm und hatte sich zu ihm auf den Boden gehockt.

"Dein Vater... Ich kann mir vorstellen, dass er dir in manchen Situationen doch sehr fehlt, nicht wahr?", fragte sie leise. Neben ihrer Hand auf seiner Schulter, spürte Sesshoumaru zudem, dass Kimie ihren Kopf leicht gegen seinen Rücken angelehnt hatte. Er antwortete wiederum nicht auf ihre Frage, aber auf eine Antwort hatte sie auch eigentlich nicht wirklich gewartet. Sesshoumaru schien es so, als hätte Kimie diese ohnehin schon für sich selbst gefunden. Aber spürte er wirklich so was wie Sehnsucht nach seinem Vater? Fehlte er ihm? In der Tat gab es da schon dieses Gefühl, aber war es auch wirklich das, was Kimie damit gemeint hatte?

Sesshoumaru legte schließlich seine rechte Hand auf Kimies Hand, die noch auf seiner Schulter ruhte. Kimie hatte sogleich aufgeschaut, aber nach wie vor war Sesshoumarus Blick nach vorne gerichtet. Früher hätte sie so was bestimmt nicht mal im Traum gedacht, aber sogar bei einem Typen wie Sesshoumaru, der immer so seriös und dabei sehr kühl und auch abweisend auftrat, schien die Fassade manchmal leicht zu bröckeln und dabei gewisse Seiten preiszugeben, die sonst niemand zu sehen bekommen würde. Zwar zeigte Sesshoumaru auch jetzt keine sonderliche Gefühlsregung, aber etwas war da doch gewesen. Es schien nun doch ganz klar gewesen zu sein: Jeder hatte eine Schwäche, wenn er sie auch gut verbarg, und niemand war perfekt. Auch ein Youkai nicht.

"Sag mir, fürchtest du dich?", fragte Sesshoumaru plötzlich an Kimie gerichtet, die überrascht aufhorchte. Was genau hatte er damit gemeint?

"Du meinst, wegen dem Kampf?", fragte sie daher zurück und als Sesshoumaru dies bejahte, antwortete sie nach kurzem Zögern: "Nun... Klar habe ich auf eine gewisse Weise Angst und bin auch verunsichert, aber das ist wohl normal. Doch eigentlich fühle ich mich hier sehr sicher."

Daraufhin drehte sich Sesshoumaru nun doch zu Kimie um. Sie schenkte ihm ein leichtes Lächeln, als wollte sie sagen: "Keine Sorge! Es wird schon alles gut gehen."

"So! Ich glaube, ich lass dich jetzt erstmal wieder etwas in Ruhe", meinte das Mädchen nach einem Moment und stand wieder auf.

Doch gerade, als Kimie zusammen mit Inuki zurück zur Tür gehen wollte, hörte sie Sesshoumaru fragen: "Woher kommt dein Gefühl der Sicherheit?"

Als Kimie sich auf diese Frage hin wieder zu ihm umgedreht hatte, traf ihr Blick mit dem von Sesshoumaru zusammen. Zuerst erschien sie etwas überrascht über diese Frage gewesen zu sein, doch dann meinte sie lächelnd: "Weil du da bist, Sesshoumaru. Und ich vertraue dir."

Letztendlich verließ sie zusammen mit Inuki nun wieder das Zimmer. Sesshoumaru beobachtete noch, wie Kimie die Schiebetür hinter sich schloss und hörte anschließend, wie sie sich allmählich wieder von dem Zimmer entfernte.

Vertrauen... War es unter anderem das gewesen, was den Menschen so oft den nötigen Beistand gab? Insgeheim stellte sich Sesshoumaru diese Frage schon seit einer gewissen Zeit. Ihm war nicht entgangen, dass auch unter Inu Yasha und seinen Freunden eben jener Begriff des Vertrauens eine zentrale Rolle spielte. Aber konnte er selbst auch etwas damit anfangen?
 

Aber nicht nur Sesshoumaru schien sich im Moment so seine Gedanken zu machen. Auch Inu Yasha hatte etwas, was ihn schon seit längerer Zeit beschäftigte. Genauer gesagt, seit er mit seinen Freunden hier im Schloss angekommen war. Dass der Hanyou sich mit seinen Gedanken ab und zu ganz woanders aufzuhalten schien, so auch jetzt, blieb schlussendlich auch Kagome nicht mehr verborgen.

Nachdem sie noch einen Moment mit den anderen verbracht hatten, waren die beiden schließlich auch gegangen und hatten sich in Inu Yashas Zimmer zusammengesetzt. Kaum waren sie jedoch hier unter sich gewesen, hatte Inu Yasha mit einem Mal diese nachdenkliche Miene aufgewiesen. Kagome beschloss nun, den Hanyou hinsichtlich seines Verhaltens nun einfach mal ganz direkt zu fragen: "Sag mal, was ist los mit dir, Inu Yasha? Du wirkst irgendwie so nachdenklich und das nicht nur heute. In der letzten Zeit hast du schon öfters mal so dreingeschaut."

"Wie?" Zuerst schien Inu Yasha zu dem Thema allerdings nicht wirklich was sagen zu wollen. In der Tat gab es zwar etwas, das ihn beschäftigte, aber erzählt hatte er es bisher keinem. Auch nicht Kagome. Nachdem diese aber ohne eventuell allzu aufdringlich zu erscheinen noch mal nachgefragt hatte, antwortete Inu Yasha schließlich, wenngleich anfangs etwas zögerlich: "Nun ja... Weißt du, das ist eigentlich so, Kagome: Ich kann es mir selbst nicht erklären, aber seit wir hier sind, habe ich Nacht für Nacht immer ein und den selben Traum. Und jedes Mal sehe ich mehr darin. Zuerst war alles nur irgendwie in Rot getaucht, doch nach und nach erkannte ich auch Flammen. Da war ein Feuer und letzte Nacht konnte ich darin auch eine Silhouette erkennen. Da war jemand."

"Was? Aber wer?", fragte Kagome interessiert und zugleich verblüfft von Inu Yashas eigenartigen Traum, doch der Hanyou konnte auf diese Frage nur den Kopf schütteln.

"Keine Ahnung. Gerade als ich dabei war, mehr zu erkennen, bin ich wieder aufgewacht. Aber irgendwie kommt mir das alles merkwürdig bekannt vor. Als wäre es eine verschwommene und schon lange zurückliegende Erinnerung..."

Nur konnte sich Inu Yasha an kein einschneidendes Ereignis seiner Vergangenheit erinnern, in dem Feuer eine zentrale Rolle gespielt hätte. Zwar hatte er schon ab und zu gegen Dämonen gekämpft, die unter anderem Feuerkräfte besaßen, aber damit hatte sein Traum sicherlich nichts zu tun gehabt. Davon war auch er überzeugt.

Ein Klopfen an der Tür erregte mit einem Mal die Aufmerksamkeit von Inu Yasha und Kagome. Letztere bat den Besucher herein.

"Hi! Störe ich?", fragte Kimie, nachdem sie die Schiebetür geöffnet hatte, doch sowohl ihre Cousine als auch Inu Yasha verneinten die Frage, woraufhin Kimie zusammen mit Inuki das Zimmer betrat.

"Wo kommt ihr denn jetzt her? Warst du wirklich bei Sesshoumaru, Kimie?", fragte Inu Yasha das Mädchen, dass sich zu den beiden auf den Boden setzte.

"Ja, wir waren bei ihm", antwortete Kimie auf die Frage. "Er wirkte aber sehr nachdenklich. Ich wollte ihn nicht eventuell stören, also bin ich nach einer Weile wieder gegangen."

"Keh! Er steckt wohl in einer Krise, weil er keinen Plan hat, was er wegen Akuma und seinem Haufen von Fledermausabklatschen unternehmen soll", vermutete Inu Yasha belustigt, bekam von Kagome aber sofort einen leichten Stoß mit dem Ellenbogen in die Seite.

"Inu Yasha! Jetzt benimm dich doch bitte mal und fang nicht schon wieder an, so rumzustänkern!"

"Ja, ja! Schon gut!", murrte der Hanyou gelangweilt, unterließ aber jede weitere eventuelle Bemerkung zu diesem Thema. Aber eine Frage brannte ihm doch noch auf der Zunge, also wandte er sich nach einem Augenblick wieder an Kimie: "Hey! Sag mal, was genau haben du und Sesshoumaru jetzt eigentlich wirklich getrieben, als ihr allein unterwegs gewesen seid?"

"Hm?" Was genau diese Frage jetzt eigentlich sollte, wusste Kimie zwar nicht, aber sie ahnte, worauf Inu Yasha eventuell hinaus wollte. Zumindest ließ sein prüfender Blick darauf schließen.

"Ach, da gab es eigentlich nichts Weltbewegendes", antwortete sie jedoch schließlich locker. "Das Aufregendste war ja noch, dass Sesshoumaru auf dem Rückweg auf einmal diese zwei Ryû-Youkai bemerkt hatte und wir deshalb einen Zwangsstopp einlegen mussten. Sesshoumaru lockte sie weg, während ich mit Ah-Un auf ihn gewartet habe. Richtig schräg wurde es aber eigentlich erst, als Kikyou auch noch so wie aus dem Nichts aufgetaucht ist. Ich war doch sehr überrascht, dass sie und Sesshoumaru sich zu kennen schienen und... Uah!"

Dieser überraschte Aufschrei war darin begründet gewesen, dass Inu Yasha urplötzlich auf das Mädchen zugesprungen war und es an den Schultern ergriffen hatte. Eindringlich sah er ihr in die Augen, während er sofort losfragte: "Was?! Du hast Kikyou getroffen? Und warum hast du das nicht schon vorhin gesagt, Kimie?!"

Abwehrend hob Kimie die Hände soweit ihr das möglich war. "Hey! Immer mit der Ruhe, Inu Yasha, okay? Ich habe eben nicht daran gedacht. Sorry!"

"Und was hat sie gesagt? Wo genau hast du sie getroffen?", hakte Inu Yasha hartnäckig nach, ohne eigentlich so wirklich auf die Erwiderung des Mädchens eingegangen zu sein.

Kimie zuckte unschlüssig mit den Schultern. "Wo genau das war, weiß ich auch nicht. Irgendwo an der Grenze zu den westlichen Ländern. Aber Kikyou fragte mich danach, wo du und die anderen momentan sind. Ich sagte, ihr wärt hier, aber sie schien sich trotzdem mehr für die nördlichen Gebirge zu interessieren."

"Und wieso das?"

"Ich habe ihr erzählt, dass Sesshoumaru und seine Leute gegen die Ryû-Youkai kämpfen und dass die nördlichen Gebirge ihr Zufluchtsort sind. Wir haben auch etwas über Naraku geredet. Vielleicht denkt sie, sie könnte ihn dort finden und... Hey! Inu Yasha, warte!"

Doch Inu Yasha hörte Kimie gar nicht mehr zu und hatte sie auch nicht zu Ende sprechen lassen, denn schon war er durch die offene Schiebetür zur Veranda aus dem Zimmer gerauscht und eilte Hals über Kopf vom Schlossgelände. Reichlich irritiert sah das Mädchen dem Hanyou nach.

"Was sollte denn die Nummer? Welche Tarantel hat den denn jetzt gestochen?"

"Er sucht jetzt ganz bestimmt nach Kikyou...", sagte Kagome plötzlich leise und mit einem Unterton von Trauer in der Stimme.

Kimie hatte sofort aufgehorcht. Da sie in der Vergangenheit gelegentlich von Kagome erzählt bekommen hatte, wie die Sache zwischen Inu Yasha und Kikyou genauer aussah, war Kimie im Nachhinein schnell klar, dass sie Inu Yasha mit ihrem Bericht wohl zu dieser übereilten Suchaktion verleitet hatte. Das schlechte Gewissen plagte sie, als sie Kagome jetzt so sah. "Tut mir Leid, Kagome. Ich..."

Doch Kagome schüttelte den Kopf. "Schon gut. Ich weiß ja, was mit den beiden ist. Es ist in Ordnung. Wirklich..."

Aber so ganz einverstanden war Kagome mit Inu Yashas Verhalten doch wieder nicht gewesen. Das sah man ihr an.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Es war bereits dunkel. Die Nacht hatte seit geraumer Zeit Einzug gehalten und dies war insbesondere für so manche niederen Dämonen der Zeitpunkt gewesen, sich aus ihren Verstecken hervorzutrauen und auf Beutezug zu gehen. Aber auch einige der Ryû-Youkai und so mancher der Flugdrachen nutzten die Nacht für nächtliche Raubzüge. Doch war diese Nacht nicht gerade behaglich gewesen, denn der Sturm, der erst letztens über die westlichen Länder hinweg gezogen war, schien nunmehr die nördlichen Gebirge heimzusuchen. Allerdings war er mittlerweile lediglich nicht mehr als ein etwas kräftigerer Regenschauer.

Reichlich desinteressiert schien jedoch Kagura von alldem gewesen zu sein. Wie so oft saß sie allein auf einem der hohen Felsen in der Nähe von Akumas Schloss und schaute Gedanken versunken in die Ferne. Sie legte weder Wert auf die Gesellschaft von Naraku noch auf die der Ryû-Youkai. Sogar der Regen konnte Kagura nicht von ihrem momentanen Aufenthaltsort vertreiben, denn nur hier schien sie sich im Augenblick irgendwie wohl zu fühlen; abseits von Naraku und dem ständigen Gerede von Akuma und seinen Leuten über diesen Kampf gegen die Inu-Youkai. Kagura ging das alles mittlerweile nur noch auf die Nerven. Sie kam sich jetzt nur noch mehr vor wie eine Gefangene, denn Naraku gestattete es ihr nicht, sich allzu weit von dem Schloss zu entfernen. Warum, das wusste sie nicht und er hatte es ihr auch nicht gesagt. Vermutlich sollte dadurch lediglich verhindert werden, dass es irgendwie zu Sesshoumaru, Inu Yasha oder einem der anderen vordringen könnte, dass Naraku in diesem Kampf zu einem gewissen Teil seine Finger mit im Spiel gehabt hatte. Er durfte nicht riskieren, von seinen Feinden eventuell entdeckt zu werden. Zwar hatte Naraku vereinzelt seine Saimyousho in die westlichen Länder entsandt, um das Schloss und das Tun der Inu-Youkai und Inu Yasha und seinen Freunden unter Beobachtung zu halten, aber so ein paar vereinzelte Insekten erregten eben nicht so viel potenzielles Aufsehen wie, wenn Kagura vielleicht auf ihrer Feder durch die Lüfte fliegen würde.

"Dieser elende Naraku!", fluchte Kagura schließlich leise, aber spürbar verbittert. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und ihr ganzer Körper erzitterte kurzzeitig unter ihrer unterdrückten Wut. Mittlerweile wusste sie sich keinen Rat mehr. Es schien, als wäre sie wirklich dazu verdammt gewesen, für immer nach Narakus Pfeife zu tanzen, und offenbar konnte und wollte ihr auch keiner aus ihrer Lage heraushelfen.

Plötzlich bemerkte Kagura jedoch, wie der Regen sie mit einem Mal nicht mehr erreichte. Als die junge Frau daraufhin ihren Blick hob, entdeckte sie einen alten Bekannten rechts neben sich stehen.

"Eine Frau sollte nicht allein herumsitzen und schon gar nicht im Regen", meinte Toba mit einem freundlichen Lächeln an Kagura gewandt. Er hatte seinen linken Flügel wie einen Regenschutz über sie ausgebreitet, so dass sie nunmehr vor dem Regen geschützt war. Kagura hatte Toba zuvor überhaupt nicht bemerkt und stellte sich daher die Frage, ob er sie eventuell schon eine Weile heimlich beobachtet hatte.

"Hm! Hast du mir etwa schon wieder aufgelauert?", fragte Kagura plötzlich schroff, doch Tobas Selbstsicherheit tat dies keinen Abbruch.

"So würde ich das nicht bezeichnen wollen", entgegnete er nur. "Ich finde Euch eben sehr interessant und würde Euch, wie schon mal erwähnt, deshalb gerne näher kennen lernen, Kagura-dono."

"Erzähl' nicht so einen Unsinn!", erwiderte Kagura nicht viel freundlicher als zuvor. "Ich hörte davon, dass du im Bezug auf Frauen nichts anbrennen lässt. Also tu nicht so, als könnte dich kein Wässerchen trüben!"

"Nun, ich gebe zu, ich hatte schon einige Bekanntschaften", gestand Toba. "Allerdings muss ich dazu sagen, dass Ihr mich besonders fasziniert, Kagura-dono. Und nicht nur wegen Eurer Schönheit. Schon als ich Euch das erste Mal sah, habt Ihr mich beeindruckt. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als Naraku vor den Toren unseres Schlosses stand. Ungeachtet von seiner Anwesenheit war mein Blick sofort auf Euch fixiert. Ihr habt dieses gewisse Etwas, wenn Ihr versteht. Etwas Kämpferisches und zugleich auch Anmutiges."

Kagura schien nun doch etwas verblüfft zu sein. So was hatte sie bisher niemanden über sie sagen hören. In gewisser Weise schien sie auch geschmeichelt zu sein, wenngleich sie es gut verbarg als sie entgegnete: "Eines muss man dir lassen, du redest nicht um den heißen Brei herum."

Kaguras Blick fiel nun mehr durch Zufall auf ihre rechte Hand, in welcher sie wie so oft ihren Fächer hielt. Mit einem Mal war ihr so, als spürte sie wieder den leichten Kuss, den Toba ihr zuletzt auf den Handrücken gegeben hatte. Sie ertappte sich dabei, wie sie mit ihren Gedanken abzuschweifen drohte und riss sich selbst sofort wieder in die Realität zurück. Stattdessen schaute sie nun zum bewölkten Himmel hinauf. Noch immer regnete es, aber Kagura wurde nach wie vor von Tobas Flügel geschützt. Er selbst stand völlig gelassen im Regen.

"Macht dir der Regen gar nichts aus?", fragte sie ihn schließlich, wenngleich es noch immer etwas kühl klang. Daraufhin umspielte ein leichtes Lächeln Tobas Lippen, ehe er seinen rechten Arm nach vorne ausstreckte, um welchen sich sofort das Wasser des in unmittelbarer Nähe fallenden Regens sammelte und ihn spiralförmig umkreiste.

"Das Wasser ist immerhin mein Element", antwortete der Ryû-Youkai nun auf Kaguras Frage. "Es wäre eine Beleidigung ihm gegenüber, würde ich versuchen, es zu meiden."

Kagura zog zunächst zwar etwas verunsichert eine Augenbraue hoch, doch konnte sie das von Toba Gesagte doch gut nachvollziehen. Ihr ging es schließlich ähnlich im Bezug auf den Wind, den sie als Windherrscherin kontrollierte.

Noch eine Weile blieben die beiden hier an ihrem momentanen Aufenthaltsort, bis sich der Himmel wieder zu lichten begann und auch der Regen allmählich nachließ. So schnell wie er zuvor gekommen war, war er jetzt auch schon wieder vorbei gewesen. Toba entfernte sich nun einige Schritte von Kagura und schlug ein paar Mal mit seinen Schwingen, um die restlichen Regentropfen von diesen abzuschütteln. Anschließend faltete er sie über seinen Schultern zusammen, dass sie ihn nunmehr wie einen Umhang einhüllten. Hatte Kagura bisher auf den Felsen gesessen, so stand sie jetzt wieder auf und richtete ihren Kimono etwas. Ihre Aufmerksamkeit war erst wieder so wirklich auf Toba gerichtet, als er sie plötzlich wieder ansprach: "Ich mag zwar neugierig erscheinen, aber sagt mir bitte, Kagura-dono, was Ihr Euch am sehnlichsten wünscht. Ich kann es praktisch in Euren Augen ablesen. Ihr sehnt Euch nach etwas."

"Wie?" Zuerst wirkte Kagura sogar etwas erschrocken darüber, dass Toba sie scheinbar auf gewisse Weise durchschaut hatte, aber im Nachhinein wirkte sie nachdenklich. Sie zögerte, ob sie sich ihm gegenüber wirklich dazu äußern sollte, aber irgendwie hatte sie das merkwürdige Gefühl, sie könnte sich ihm zumindest ein wenig anvertrauen.

Schließlich antwortete Kagura: "Es gibt nur eine Sache, nach der ich mich sehne." Sie öffnete ihren Fächer und deutete mit einer weitschweifige Handbewegung in die Ferne. "Und das ist die Freiheit. Frei zu sein wie der Wind, das ist mein einziger Wunsch."

Toba war mit seinem Blick Kaguras Deutung in die Ferne gefolgt. Jetzt, wo sich der Himmel wieder gelichtet hatte und vereinzelt das Licht des Mondes durch die Wolkendecke brach, wirkte sogar dieser unwirkliche Teil der Berge auf eine gewisse Weise angenehm.

"Für wahr, ein nachvollziehbarer Wunsch", meinte Toba nach einem Moment. "Doch was ist es, das Euch an der Freiheit hindert?"

Auf diese Frage antwortete Kagura diesmal jedoch nicht. Sie schaute nur stumm zur Seite, abgewandt von Toba.

"Ihr müsst mir darauf nicht antworten", bemerkte er, nachdem er etwas auf eine Reaktion ihrerseits gewartet, aber schnell erkannt hatte, dass er diese diesmal nicht bekommen würde. Überhaupt erachtete es Toba momentan als besser, Kagura erstmal wieder etwas für sich allein zu lassen. "Nun denn, wenn Ihr es gestattet, werde ich mich erstmal wieder zurückziehen. Es war mir eine Freude, mich mit Euch zu unterhalten, Kagura-dono. Ich hoffe doch sehr, es war nicht das letzte Mal. Bis dann!"

Toba entfaltete seine Flügel und erhob sich in die Lüfte. Doch er war kaum einige Meter weit gekommen, da hörte er Kagura ihm nachrufen: "Hey! Warte mal!"

Zwar hatte das mehr wie ein Befehl geklungen, aber nichts desto trotz verharrte Toba in der Luft und drehte sich noch mal zu der jungen Frau um. Diese sah ihn mit einem etwas undurchschaubaren Blick an, als sie noch ein knappes "Danke" an den Ryû-Youkai richtete, ehe sie sich wieder umdrehte. Toba nahm dies trotzdem mit einem positiven Eindruck zur Kenntnis, ehe er seinen Weg fortsetzte.

Wieder beim Schloss angekommen, entdeckte er als erstes seinen Zwillingsbruder Rokou abwartend auf der Schlossmauer sitzen. Dieser hatte den rechten Ellenbogen auf dem rechten, angewinkelten Knie abgestützt und leicht den Kopf gegen seine Hand gelehnt. Kaum war Toba bei ihm angekommen, fragte Rokou sogleich: "Sag mal, Bruderherz, du hängst dich ja diesmal ganz schön rein, wie mir scheint. Ist es dir diesmal etwa wirklich ernst?"

Rokou hatte ihn und Kagura also aus sicherer Entfernung beobachtet, wie Toba erkennen musste, aber dies störte ihn im Grunde gar nicht. Also antwortete er auch auf die gestellte Frage äußerst gelassen, ohne aber wirklich etwas preis zu geben: "Nun, mal sehen, was sich ergibt, Rokou."

Das war auch schon alles gewesen, was Toba dazu zu sagen hatte, ehe er an seinem Bruder vorbei weiter zum Schloss flog. Typisch! Toba würde wohl nichts genaueres mehr dazu sagen, also ersparte sich Rokou auch eventuelle weitere Nachfragen. Das förderte allerdings nur sein aktuelles Gefühl von extremer Langeweile. Ihm war der Sinn, nach etwas Abwechslung, aber was sollte er momentan schon groß machen können? Er selbst hätte sich ja gewünscht, dass bei der Konfrontation mit den Inu-Youkai etwas mehr herausgekommen wäre, als dieser kleine Schlagabtausch, aber Akuma wollte bei diesem ersten Treffen nach 1000 Jahren eben nur hauptsächlich die zahlenmäßige Überlegenheit der Ryû-Youkai demonstrieren. Irgendwann würde es sicherlich zum eigentlichen Kampf kommen, aber wann dieser Zeitpunkt eintreffen würde, stand noch buchstäblich in den Sternen.

Während Rokou noch so darüber nachdachte, bekam er mit, wie sich ihm jemand von hinten näherte. Als Rokou sich umdrehte und von seinem erhöhten Sitzplatz auf der Mauer nach unten sah, entdeckte er Kanna direkt unterhalb der Mauer stehen. Sie schaute mit ihrer üblich ausdruckslosen Miene zu dem Ryû-Youkai hoch.

"Hey, Kleine! Hast du dich verlaufen, oder was?", fragte Rokou mit einem leichten Unterton von Hohn in der Stimme, doch Kanna reagierte nicht darauf. Stattdessen drehte sie nur wortlos ihren Spiegel zu ihm. Zuerst war nichts darin zu erkennen gewesen, von daher war auch Rokou der Sinn von Kannas Handeln irgendwie nicht ganz klar gewesen, bis in dem Spiegel allmählich etwas zu sehen gewesen war. Rokou schaute genauer hin und erkannte schließlich Inu Yasha, der in einem Affenzahn durch die Wälder in den westlichen Ländern rauschte. Er schien nach etwas zu suchen.

"Ach! Der Hanyou scheint eine Vorliebe für nächtliche sportliche Aktivitäten zu haben", meinte Rokou spöttisch, zugleich kam ihm aber auch eine zündende Idee, wie er sich seine Langeweile etwas erträglicher machen könnte. "Tja, in Gesellschaft soll so was ja bekanntlich mehr Spaß machen."

Und ohne noch weiter groß zu zögern, verließ Rokou nun seinen Sitzplatz auf der Mauer und flog davon. Für Kanna gab es hier nun nichts mehr zu tun. Sie hatte ihren Auftrag erfüllt und kehrte von daher wieder ins Schloss zurück.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

"Es ist schon dunkel und Inu Yasha ist immer noch nicht zurück."

Kagome lief nervös vor Inu Yashas Zimmer auf der Veranda hin und her. Neben Kimie hatten sich nach einer Weile auch Sango, Miroku und Shippou zu den Mädchen gesellt und somit auch erfahren, warum Inu Yasha nicht da gewesen war. Die Meinungen über das Verhalten des Hanyou waren dabei mal wieder etwas auseinander gegangen. Während Shippou mal wieder sauer auf Inu Yasha war, weil er Kagome einfach so hatte links liegen lassen, hielten sich Sango und Miroku aus dieser Diskussion besser heraus. In gewisser Weise verstanden sie Inu Yasha natürlich, aber trotzdem war sein Verhalten Kagome gegenüber etwas unfair.

Mittlerweile war es bereits Nacht und es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass der Hanyou so bald wieder zurückkommen würde. Eigentlich würden sich die anderen unter solchen Umständen eher weniger Sorgen machen, da Inu Yasha auch sehr gut allein zurechtkam, aber irgendetwas schien Kagome zu spüren. Es war, als ahnte sie, dass Inu Yasha eventuell in Schwierigkeiten stecken könnte. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und verkündete vor versammelter Mannschaft: "Es reicht! Ich gehe ihn suchen!"

"Kagome-chan!" Sango war sofort aufgesprungen. "Aber wo willst du ihn denn suchen? Wir wissen doch gar nicht, in welche Richtung er gegangen ist."

"Ich weiß, Sango-chan, aber irgendetwas muss ich tun!", entgegnete Kagome und senkte den Blick. "Ich habe ein ungutes Gefühl... Vielleicht braucht Inu Yasha Hilfe."

Die Blicke der anderen kreuzten sich. Vielleicht hatte Kagome ja Recht. Und in diesen, der Gruppe gänzlich unbekannten Ländereien konnte man schließlich nicht wissen, was den Einzelnen eventuell erwartete.

"Wir begleiten Euch, Kagome-sama", stellte Miroku daher sogleich klar, als hätte er die Gedanken der anderen gelesen und genau gewusst, dass sie genau das selbe im Sinn hatten.

Kagome schaute ihre Freunde und auch Kimie an und lächelte dankbar. "Danke, Leute! Auf euch kann man sich wirklich verlassen."

"Schön. Dann lasst uns gehen", schlug Kimie vor und schwang sich über das Geländer der Veranda auf den Hof. "Ich gehe Ah-Un holen, okay? Kirara kann uns ja schlecht alle tragen."

Und schon lief Kimie über den Hof, während sich die anderen aufbruchbereit machten. Lediglich Shippou würde die Gruppe wohl aber nicht begleiten, denn er war schon vor einer ganzen Weile ins Reich der Träume eingetreten. Auch Inuki würde wohl im Schloss bleiben.

Gerade, als Kagome, Sango und Miroku auf den Hof hinaustraten, kam Kimie mit Ah-Un an den Zügeln wieder zurück. Sie und Kagome würden auf dem Drachen fliegen, während Sango und Miroku wie so häufig gemeinsam auf Kirara reiten würden. Kaum waren sie alle entsprechend aufgestiegen, flogen Kirara und Ah-Un auch schon los. Kagome und die anderen hatten zwar nicht wirklich eine Ahnung davon, wo genau sie nach Inu Yasha suchen sollten, aber irgendetwas mussten sie tun. Sie schlugen die Richtung ein, in welche Inu Yasha zuvor gelaufen war, als er das Schloss verlassen hatte.
 

Wie weit er sich inzwischen von dem Schloss entfernt hatte, vermochte Inu Yasha nicht zu sagen. Auch wusste er eigentlich gar nicht, wohin genau er überhaupt gehen sollte, lediglich die wage Vermutung, Kikyou könnte sich auf den Weg in den Norden gemacht haben, bestimmte seine Richtung.

Mittlerweile war Inu Yasha schon tief irgendwo mitten in den Wäldern der westlichen Länder. Um sich zu orientieren, blieb er schließlich stehen und sah sich um. Er hielt seine Nase in die Luft, konnte aber keinen bekannten Geruch herausfiltern. Zudem vereinfachte die längst hereingebrochene Nacht seine Suche nicht unbedingt. Eigentlich suchte er ja die Nadel im Heuhaufen, das schien Inu Yasha auch so langsam selbst zu erkennen.

"Das war wohl doch etwas zu voreilig. Kikyou ist bestimmt noch ganz weit weg. Und ich habe nicht mal einen genauen Plan, wie ich sie finden soll, geschweige denn irgendeine Spur."

Während er jedoch so darüber nachdachte, erschien in Inu Yashas Gedanken plötzlich ein Bild von Kagome. Irritiert schüttelte der Hanyou den Kopf. Urplötzlich bekam Inu Yasha ein schlechtes Gewissen, wie so häufig, wenn er mal wieder zwischen Kikyou und Kagome hin- und hergerissen war.

"Ach, so 'n Dreck!", knurrte er schließlich. Er wusste beim besten Willen nicht, was er jetzt tun sollte. Falls Kikyou wirklich auf dem Weg in die nördlichen Gebirge war, würde sie eventuell den Ryû-Youkai begegnen und dadurch unweigerlich in große Gefahr geraten. Aber andererseits konnten diese auch jederzeit wieder zum Schloss der Inu-Youkai zurückkehren und dann wäre Kagome wiederum diejenige, die in großer Gefahr schweben würde. Mal abgesehen davon traute Inu Yasha vielen der Gefolgsleute seines Bruders noch immer nicht über den Weg. Und sicherlich war Kagome auch nicht gerade begeistert davon, dass sich Inu Yasha mal wieder so Hals über Kopf auf die Suche nach Kikyou gemacht hatte, wenngleich sie es meist verbarg.

Der Hanyou war offensichtlich vollkommen überfordert und dementsprechend unschlüssig lief er momentan nur von links nach rechts, als ihm jedoch dieser verdächtige Geruch in die Nase stieg. Kaum hatte sich Inu Yasha umgedreht, sah er zwischen den Baumkronen einen Feuerstrahl direkt auf sich zukommen. Mit einem Satz wich er noch rechtzeitig aus, als danach von oben eine belustigte Stimme rief: "Hey, Hanyou! Heute mal ganz allein unterwegs?"

Kurz darauf entdeckte Inu Yasha den Ryû-Youkai Rokou auf einem der Bäume sitzen. Die Begeisterung des Hanyou über dieses rasche Wiedersehen hielt sich allerdings in Grenzen. "Du schon wieder? Meine Güte, dir muss ja ganz schön langweilig sein, wenn du so schnell wieder hier auftauchst. Hey! Wo sind denn deine Flugkollegen abgeblieben?"

"Ich bin allein hier, falls du darauf anspielen solltest", antwortete Rokou mit einem hinterhältigen Lächeln.

Inu Yasha konterte diesem nunmehr mit einem sehr kämpferischen Gesichtsausdruck, während er Tessaiga zog. "Keh! Du bist ja sehr mutig, dich allein hierher zu trauen. Ich nehme jedoch nicht an, dass du zum Plaudern hier bist."

"Schlaues Hündchen! Damit liegst du gar nicht mal so falsch", antwortete Rokou mit einer Spur Hohn in der Stimme, wovon sich Inu Yasha jedoch gar nicht beirren ließ.

Entschlossen erwiderte er: "Na dann! Komm nur her, wenn du dich traust, du schuppige Flugechse!"

Das ließ sich Rokou nicht zweimal sagen, also zückte er nun seinerseits sein Naginata und flog von seinem momentanen Sitzplatz geradewegs auf den Hanyou zu. Die Klingen der Waffen beider Kontrahenten trafen laut klirrend aufeinander, doch war Inu Yasha schon nach diesem ersten Schlagabtausch gezwungen, eiligst einen Satz nach hinten zu springen, denn aus Rokous Naginata schlugen sofort beim ersten Kontakt mit Tessaiga mehrere Flammen heraus.

"Scheiße!", fluchte Inu Yasha, dessen lange Haare beinahe Feuer gefangen hätten.

Rokou hingegen schien äußerst belustigt zu sein. "Ich hoffe, du magst es auch etwas heißer, Hanyou. Oder war dir das etwa schon zu viel?"

"Ach! Halt doch die Schnauze! Dir zeig ich's schon noch!", knurrte Inu Yasha wütend und sprang mit einem Satz wieder auf Rokou zu. "Nimm das! Tessaiga!!"

Wieder prallten die Waffen aufeinander und wieder war es das selbe Spiel: Aus Rokous Naginata schlugen Flammen, doch diesmal ließ sich Inu Yasha davon nicht vertreiben. Stattdessen nahm er seine ganze Kraft zusammen und stieß seinen Kontrahenten mit einem kräftigen Schlag seines Schwertes zurück. Bevor Inu Yasha aber eventuell noch einmal zuschlagen konnte, sprang Rokou mit einem Satz mehrere Meter nach hinten. "Hm! Gar nicht mal so schlecht, für eine Promenadenmischung wie dich!"

Ein Knurren drang aus Inu Yashas Kehle. Zu gerne hätte er diesem arroganten Ryû-Youkai den Kopf von den Schultern geschlagen, aber plötzlich fiel ihm etwas ein. Eine Sache, die ihn schon lange interessierte und so schien der Kampf für einen kurzen Augenblick unterbrochen zu sein, als Inu Yasha sich an Rokou wandte: "Hey, du! Eine Frage hätte ich aber doch noch an dich."

Rokou schien überrascht zu sein. Er wusste zwar nicht, was dieser Hanyou von ihm gewollt haben könnte, aber ihm würde wohl kein Zacken aus der Krone brechen, wenn er sich mal anhören würde, was Inu Yasha zu sagen gehabt hatte. Also erwiderte Rokou mit einem Schulterzucken. "Klingt ja spannend. Dann lass mal hören! Ich bin ganz Ohr. Du sollst ja schließlich nicht dumm sterben, wenn sich das vermeiden lässt."

Ungeachtet der letzten Bemerkung fragte Inu Yasha sogleich äußerst prüfend: "Du und dein Clan, macht ihr gemeinsame Sache mit einem Kerl, der Naraku heißt?"

"Naraku?" Rokou schien einen Moment zu überlegen, doch dann antwortete er, als könnte ihn kein Wässerchen trüben: "Nein, tut mir Leid. Nie gehört den Namen."

Aber Inu Yasha wirkte misstrauisch. "Es mag ja schlicht und einfach daran liegen, dass ich dich ohnehin nicht ausstehen kann, aber irgendetwas sagt mir, dass du lügst."

"Das ist dein Problem, Hanyou", erwiderte Rokou desinteressiert. Es stand natürlich außer Frage, dass er Naraku kannte, aber das brauchte dieser Hanyou ja nicht unbedingt zu wissen. Zwar hätte Rokou die Karten auch offen auf den Tisch legen können, aber ihm schien, als wäre es auch nicht unbedingt in Akumas Interesse gewesen, wenn Rokou das ausgeplaudert hätte. Also schwieg er und brachte das Geschehen nun wieder auf den eigentlichen Punkt zurück: "Und wo wir schon dabei sind: Wolltest du nicht eigentlich kämpfen, anstatt zu plaudern?"

Als Rokou wieder so kampfbereit vor ihm posierte, stieg Inu Yashas Wut erneut.

"Du regst mich echt auf! Ich habe genug von dir!", rief er seinem Widersacher entgegen, während er Tessaiga erhob. "Jetzt ist Schluss! Nimm das! Kaze no Kizu!!"

Mit voller Kraft schwang Inu Yasha sein Schwert und ließ die Klinge auf den Boden aufschlagen. Sofort bahnte sich die Windwunde ihren Weg Richtung Ziel. Doch anstatt dem Angriff eventuell auszuweichen, schlug Rokou seinerseits nur mit seiner eigenen Waffe zu und zwar direkt gegen die herannahende Windwunde. Die Attacke prallte ab und verstreute sich stattdessen nach links und rechts in den Wald hinein. Es gab mehrere laute Explosionen begleitet von einer Menge aufsteigendem Rauch, bis sich alles wieder einigermaßen beruhigt hatte und sich der Rauch wieder langsam lichtete. Standen zuvor noch zahlreiche Bäume im näheren Umfeld der beiden Kontrahenten, so hatten sie sich jetzt jedoch ein etwas größeres, freies Kampffeld geschaffen. Rokou schaute sich kurz um.

"Na, na! Was würde denn dein lieber Bruder dazu sagen, wenn er erfahren würde, dass du seine Ländereien in Schutt und Asche legst?", fragte er Inu Yasha herablassend, der sich davon aber nicht beirren ließ.

"Keh! Lenk nicht ab! Auf Sesshoumarus Meinung habe ich ohnehin schon immer gepfiffen!"

"Ein wirklich liebenswürdiges Bruderverhältnis, das ihr da habt", entgegnete Rokou trocken.

Inu Yasha ging dieses Gerede mittlerweile aber wirklich nur noch auf die Nerven. "Jetzt halt doch endlich mal die Klappe! Unsere Familienangelegenheiten haben dich ja wohl einen feuchten Dreck zu interessieren! Kämpfe lieber, du Feigling!" Und damit stürzte sich Inu Yasha entschlossen erneut auf seinen Kontrahenten.

"Hm! Wie du willst, Hanyou!", erwiderte Rokou auf die letzte Aufforderung seines Gegners, dessen Angriff der Ryû-Youkai jedoch sehr gelassen entgegensah. Während Inu Yasha mit kampfbereit erhobenem Schwert auf Rokou zustürmte, errichtete dieser um sich herum eine Art Feuerspirale. Und je weiter sich Inu Yasha näherte, umso stärker schien diese Feuerspirale zu werden. Als nur noch gut vier Meter die beiden Gegner trennten, schlug Rokou zu und konzentrierte das gesamte Feuer direkt auf Inu Yasha.

"Ah! Was zum...?!" Die Feuerattacke schoss nun genau auf den Hanyou zu, der seinen Angriff abrupt abgebrochen hatte. Aber ausweichen konnte er nicht mehr und so wurde Inu Yasha von der geballten Feuerkraft von Rokou erwischt. Dieser wartete nunmehr geduldig ab, ob sich der Hanyou irgendwie wieder aus dieser Lage befreien konnte. Tatsächlich schaffte es Inu Yasha nach einigen Sekunden endlich, sich mit einem Satz aus dieser Flammenhölle zu retten, aber er war nicht ohne Blessuren davongekommen. Inu Yasha hatte bei dieser letzten Aktion seines Gegners nämlich eine schwere Brandwunde an seinem rechten Arm einbüßen müssen. Sein Gewand aus dem Fell der Feuerratte hatte ihn zwar auf gewisse Weise geschützt und ihm auch das Leben gerettet, aber es schien, als wären Rokous Angriffe sogar für den Hanyou ab einem gewissen Grad zu viel gewesen. Bis zur Hälfte war der rechte Ärmel seines Kimonos regelrecht zerfetzt worden und um Tessaiga überhaupt noch irgendwie führen zu können, musste er es ab jetzt wohl oder übel lediglich mit der linken Hand versuchen.

"Dreck, verdammter!", fluchte Inu Yasha schwer atmend. Und nicht nur er hatte etwas abbekommen, sondern auch einige der Bäume hatten die Kraft von Rokous Feuer zu spüren bekommen. Jetzt brannte es sogar in unmittelbarer Umgebung der beiden. Der dadurch entstandene drastische Temperaturanstieg sorgte nicht unbedingt für besser Kampfbedingungen, doch Rokou schien das alles überhaupt nichts auszumachen.

"Wie überaus praktisch!", meinte er nur. "Du solltest dich auch freuen, Hanyou, denn so hast du schon mal die besten Voraussetzungen für eine Feuerbestattung. Schade nur, dass keiner von deinen Freunden hier ist, um der Verstreuung deiner Asche beizuwohnen und dir die letzte Ehre zu erweisen."

"Laber' doch keinen Müll!", erwiderte Inu Yasha. "Der Einzige, der hier sein Grab finden wird, bist ganz allein du!"

Doch Rokou hatte dafür nur Hohn und Spott übrig. "Hm! Na gut, ich will dir zumindest noch deine Wunschvorstellungen lassen. Was anderes hast du ja schließlich nicht mehr, worauf du dich stützen könntest. Ich will mal gnädig sein und dich nicht allzu lange leiden lassen, Hündchen."

Rokou erhob sein Naginata und ließ die Klinge einige Male über seinem Kopf kreisen. Um die Klinge bildete sich ein Feuerwirbel, der mit jeder Umdrehung stärker wurde, und genau diesen Feuerwirbel schickte Rokou nun genau in Inu Yashas Richtung, als er die Waffe kraftvoll auf den Boden aufschlagen ließ.

"Sprich dein letztes Gebet, Hanyou!"

Doch Inu Yasha hatte ganz andere Pläne und erhob kampfbereit Tessaiga, nur um es gleich wieder niedersausen zu lassen. "Ha! Genau darauf habe ich gewartet! Bakuryuuha!!"

Die Attacken beider Kontrahenten steuerten direkt aufeinander zu. Eigentlich sollte Rokous Angriff nun auf ihn selbst zurückgeworfen werden, doch war es Inu Yasha nicht gelungen, allein mit dem Einsatz seines linken Armes Tessaiga entsprechend zu führen und so erzielte sein Gegenangriff nicht das erhoffte Ergebnis. Es kam sogar noch schlimmer für den Hanyou, denn Rokous Feuerattacke schien einen Teil von Inu Yashas fehlgeschlagenem Bakuryuuha in sich aufzunehmen, nur um noch weitaus stärker weiterhin direkt auf ihn zuzusteuern.

"Was zum...?! So eine Scheiße! Ich hab's verbockt!" Und kaum, dass Inu Yasha das erkannt hatte, wurde er schon von der geballten Kraft des Angriffs erwischt. Es gab eine gewaltige Explosion und es sah nicht so aus, als würde der Hanyou da wieder lebend herauskommen. Dessen schien sich auch Rokou sehr sicher gewesen zu sein, der das Geschehen genauestens beobachtete.

"Wie tragisch! Ich hatte mir eigentlich mehr von dir versprochen. Aber ein Hanyou ist wohl doch kein ernstzunehmender Gegner. Da spielt es auch keine Rolle, wer dein Vater war, Inu Yasha."
 

"Was ist denn da hinten los?", fragte sich Sango, als sie in der Ferne diese merkwürdigen Rauchsäulen entdeckte. "Seht mal, der Rauch! Da hinten brennt es!"

Kaum hatten auch die anderen in die entsprechende Richtung geschaut, erregte eine gewaltige Explosion zusätzlich die Aufmerksamkeit der Gruppe.

"Da wird gekämpft!", erkannte Miroku erschrocken und in Kagome kam sofort dieser Verdacht hoch.

>Ist das etwa Inu Yasha?!<

Die Aufmerksamkeit des Mädchen richtete sich aber sogleich auf ihre Cousine, die plötzlich leicht zusammengezuckt war. "Was ist los, Kimie?"

"Raidon reagiert schon wieder!", erklärte Kimie rasch und zog das Schwert etwas aus der Scheide heraus. "Einer von den Ryû-Youkai oder dieser Flugdrachen muss hier in der Nähe sein!"

Die Vermutung lag nahe, dass genau dort, wo der Rauch in den nächtlichen Himmel emporstieg, die Übeltäter zu finden gewesen sein mussten. Sango drängte daher zur Eile: "Schnell! Beeilen wir uns!"

Kirara und Ah-Un flogen nunmehr mit erhöhtem Tempo auf den Ort des Geschehens zu. Kagome hielt diese innerliche Anspannung kaum noch aus und krallte ihre Finger krampfhaft in Kimies Jacke. >Inu Yasha!<

"Keine Sorge, Kagome!", versuchte Kimie ihre Cousine, deren Anspannung sie genau spürte, wieder zu beruhigen. "Egal, was da auch passiert ist, ich bin mir sicher, Inu Yasha geht es gut."

Ein zögerliches Nicken kam von Kagome zurück. Sie hoffte so sehr, dass Kimie Recht behielt.
 

Der Rauch von der Explosion des fehlgeschlagenen Bakuryuuha und Rokous Feuerwirbel legte sich schließlich wieder etwas. Rokou konnte nun auch in mehreren Metern Entfernung Inu Yasha auf dem Boden liegen sehen. Er hielt zwar noch immer sein Schwert mit der linken Hand fest umklammert, aber wirklich viel war mit ihm wohl nicht mehr anzufangen gewesen. Mit gemächlichen Schritten näherte sich Rokou seinem Gegner. Bei diesem angekommen, erkannte der Ryû-Youkai, dass Inu Yasha zu seinem Erstaunen aber noch am Leben war, obwohl er reichlich mitgenommen zu sein schien. Dem Anschein nach war er außerdem bewusstlos, aber das konnte Rokou auf den ersten Blick nicht erkennen, da Inu Yasha mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag. Wie zur Kontrolle stieß Rokou den Hanyou einmal mit dem Ende des Griffs seines Naginatas an, aber Inu Yasha rührte sich nicht.

"Schade. Ich dachte, es würde doch noch etwas von dir kommen", meinte der Ryû-Youkai gespielt betroffen. "Na gut. Aber anstatt dich hier so herumliegen zu lassen, beschere ich dir besser mal doch noch eine schöne Feuerbestattung. Ruhe in Frieden!"

Rokou trat ein paar Schritte zurück, um Inu Yasha den Rest zu geben. Aber er hatte sich noch gar nicht so wirklich vorbereitet, da hob der Hanyou plötzlich seinen Blick. "Sei dir da mal nicht so sicher, du Klugscheißer!"

"Aber was...?!" Rokou war so perplex, dass er im Moment regelrecht handlungsunfähig erschien. Dies nutzte Inu Yasha nunmehr für sich aus. Mit letzter Kraft erhob er sich und schwang Tessaiga in die Richtung des Ryû-Youkai.

"Ha! Jetzt kriegst du dein Fett weg! Kaze no Kizu!!"

Die Windwunde bahnte sich sofort ihren Weg Richtung Ziel. Dieser Angriff kam für Rokou völlig überraschend, hatte er schließlich schon gedacht, er hätte Inu Yasha so gut wie erledigt. Aber so konnte der Ryû-Youkai der Attacke des Hanyou nicht mehr rechtzeitig ausweichen und wurde von der gesamten Kraft der Windwunde getroffen. Eine lauter Knall hallte über den Kampfschauplatz hinweg und alles war hell erleuchtet von Inu Yashas Angriff.

Schließlich verschwand die Energie der Windwunde wieder und es kehrte wieder Ruhe ein. Der Feind schien besiegt zu sein, zumindest war von Rokou nichts mehr zu sehen gewesen. Nun doch spürbar erschöpft ließ sich Inu Yasha auf die Knie niedersinken, wobei er sich an Tessaiga abstützte.

"Endlich! Es scheint vorbei zu sein. Länger hätte ich das auch nicht mehr durchgehalten..." Schwer atmend blieb er zunächst nur so auf der Stelle sitzen. Ihm war klar, dass er es nur Tessaigas Schwertscheide zu verdanken hatte, dass er überhaupt noch lebte. Sie hatte ihn mal wieder gerettet.

"Tja... Wer hätte das gedacht?", sagte Inu Yasha schließlich weiter, wobei ein leichtes Grinsen auf seinem Gesicht erschien. "Ich bin ja eigentlich nicht der typische Stratege, aber diesmal hat sich das wohl doch gelohnt."

Die Idee, so zu tun als wäre er bewusstlos, war Inu Yasha völlig spontan gekommen. Eigentlich lag ihm so was ja fern, aber diesmal war ihm das als die beste Lösung erschienen und sie hatte sich in der Tat bewährt.

"Inu Yasha!", hörte der Hanyou plötzlich die wohlbekannte Stimme von Kagome ihn rufen. Als er sich umdrehte, sah er diese zusammen mit Kimie und den Freunden direkt auf sich zufliegen. Kurz darauf landeten Kirara und Ah-Un neben Inu Yasha, wobei Kagome noch bevor Ah-Un überhaupt so richtig den Boden berührt hatte von diesem abgesprungen und zu dem Hanyou geeilt war. "Inu Yasha! Was ist hier passiert? Du bist ja verletzt!"

"Keine Sorge, Kagome. Ich hatte nur eine kleine Auseinandersetzung mit diesem Rokou", erklärte Inu Yasha dem Mädchen, das insbesondere einen besorgten Blick auf seinen rechten Arm geworfen hatte. Aber wegen des Kampfes mit Rokou hatte Inu Yasha seinen Freunden nun wohl einiges zu berichten.
 

Im Schloss der Ryû-Youkai war Rokous Abwesenheit unterdessen nicht weiter unbemerkt geblieben.

"Und du hast auch keine Ahnung, wo Rokou stecken könnte, Toba?"

Auf diese Frage von Renhou schüttelte Toba den Kopf. "Nein. Als wir zuletzt miteinander sprachen, hat er keinerlei Andeutungen gemacht, dass er eventuell weggehen wollte und..."

Plötzlich brach Toba mitten im Satz ab. Er hatte etwas gespürt. Es war, als durchzuckte ihn innerlich so was wie ein Blitz.

"Hm? Was ist, Toba?" Renhou versuchte, mit seinem Kameraden zu sprechen, doch dieser schien ihm im Moment überhaupt nicht zuzuhören. Stattdessen ließ Toba die anderen plötzlich völlig unvorhergesehen stehen, preschte durch die geöffnete Tür zur Veranda aus dem Zimmer und flog davon.

"Hey! Toba, warte!", rief Renhou ihm nach, aber Toba reagierte nicht auf diese Rufe.

Renhou verstand den Sinn dieser Aktion im ersten Moment überhaupt nicht, bis Yu das Wort ergriff: "Es ist Rokou."

Jin, der dem Ganzen bisher eher gleichgültig beigewohnt hatte, zog jetzt doch fragend eine Augenbraue hoch. "Was meinst du damit, Yu?"

"Rokous Chi...", antwortete Yu ruhig. "Es ist fast erloschen."
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Zurück im Schloss der Inu-Youkai machte das Geschehen um den Kampf zwischen Inu Yasha und Rokou rasch die Runde. Denn die Rückkehr der kleinen Gruppe, die losgezogen war, um Inu Yasha zu suchen, war nicht unbemerkt geblieben. Besonders auch deswegen nicht, weil Sesshoumaru kurz zuvor Wind davon bekommen hatte, dass Kimie so plötzlich verschwunden war und so wollte er schon auch einen Großteil seiner Leute damit beauftragen, das Mädchen zu suchen und wieder zurückzubringen. Dazu kam es jedoch nicht mehr, weil Kimie und die anderen zu diesem Zeitpunkt schon von selbst wieder ins Schloss zurückgekehrt waren. Die Aufregung hinsichtlich des Verbleibs der "Verschollenen" hatte sich von daher schnell wieder gelegt, doch spätestens beim Anblick Inu Yashas, der durch den Kampf mit Rokou zahlreiche Wunden davongetragen hatte, hatten sich neue Fragen aufgetan. Auch im Nachhinein gab es insbesondere eine Frage, die viele beschäftigte.

"Soll das etwa heißen, dass Rokou nicht mehr lebt?", fragte Shippou teils neugierig und teils erstaunt, nachdem er von seinen Freunden alles erfahren hatte. Zusammen mit ihnen, aber auch im Beisein von Sesshoumaru und Kakeru, saß der kleine Kitsune in Inu Yashas Zimmer, in welchem der Hanyou gerade von Kagome versorgt wurde.

Miroku senkte auf Shippous Frage hin nachdenklich den Blick. "Wahrscheinlich nicht. Wenn er wirklich frontal von der Windwunde getroffen wurde, konnte er unmöglich heil wieder aus dieser Sache herauskommen."

"Aber seine Leiche habt ihr nicht gefunden, oder?", fragte Kakeru, was zwar verneint wurde, aber Inu Yasha hatte dafür seine ganz eigene Erklärung gehabt: "Keh! Vermutlich habe ich diesen Idioten vollkommen pulverisiert. Kein Wunder, wenn man dann nichts mehr findet."

Es schien, als ginge es dem Hanyou erstaunlicherweise schon wieder besser. Zumindest so gut, dass er wieder große Sprüche klopfen konnte, während Kagome weiterhin seine Wunden versorgte. Doch anscheinend hatte zumindest Sesshoumaru bereits genug gehört. Wortlos machte er nun kehrt und verließ den Raum. Als Kimie dies bemerkte, folgte sie ihm sofort.

"Sesshoumaru, warte!", rief sie ihm draußen auf dem Gang nach, woraufhin er stehen blieb. Bei ihm angekommen, fragte Kimie weiter: "Was ist los mit dir? Stimmt etwas nicht?"

"Es ist egal, was letztendlich aus Rokou geworden ist", antwortete Sesshoumaru ernst. "Allein schon durch die Tatsache, dass er gegen Inu Yasha unterlag..."

Er stoppte, ohne weiter zu sprechen. Kimie sah ihn fragend an. "Was ist damit?"

Sesshoumarus Blick richtete sich nun genau auf das Mädchen. "Was glaubst du, was das bedeutet?"

"Hm?" Zuerst war Kimie überhaupt nicht klar, was Sesshoumaru damit gemeint hatte, aber da fiel es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Die Ryû-Youkai würden sich vermutlich rächen. Allen voran wohl Toba, Rokous Zwillingsbruder. Ob Rokou nun tot war oder ob er noch lebte und schwer verletzt war, eine baldige erneute Konfrontation mit den Gegnern schien vorprogrammiert und diesmal würden die Ryû-Youkai wohl mit geballter Kraft zurückschlagen und keine eventuelle Rücksicht mehr nehmen.

"Und was ist eigentlich mit dir?", fragte Sesshoumaru plötzlich weiter und riss Kimie somit wieder aus ihren Gedanken.

"Was meinst du?", fragte sie zurück, woraufhin er antwortete: "Du hast das Schloss verlassen, ohne mir etwas davon zu sagen. Zum wiederholten Mal."

"Oh..." Kimie machte irgendwie einen ertappten Eindruck. Stimmt, sie hatte sich ohne Sesshoumarus Wissen vom Schloss entfernt und sogar Ah-Un "gekidnappt".

"Entschuldige, aber es musste wirklich schnell gehen!", versuchte sie schließlich zu erklären. "Kagome hat sich solche Sorgen um Inu Yasha gemacht, nachdem er so Hals über Kopf das Schloss verlassen hat und von selbst nicht zurückgekommen ist, und die anderen und ich wollten ihr nur beim Suchen helfen. Tut mir echt Leid, dass ich dir nichts gesagt habe. Das war wirklich keine Absicht."

Sesshoumaru hatte sich die Erklärungen des Mädchen aufmerksam angehört. Es ging ihm ja nicht eventuell darum, Kimie zu kontrollieren, aber nur wenn er wusste, wo sie sich befand, konnte er besser auf sie achten.

"Versuch, so was in Zukunft zu unterlassen", sagte Sesshoumaru schließlich. "Und sag mir Bescheid, wenn du irgendwo hingehst."

Kimie nickte einverstanden. "In Ordnung. Ist gut."

Danach schickte er sie erstmal wieder zurück in ihr Zimmer. Sie sollte sich etwas ausruhen, zudem würde bald der Morgen anbrechen. Und dann würde es immerhin vermutlich wieder genug zu erledigen geben.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Die Nacht hatte sich bereits ihrem Ende entgegengeneigt, als Toba und seine Kameraden von ihrer Suche nach Rokou wieder zu ihrem Schloss zurückgekehrt waren. Und sie hatten ihn tatsächlich gefunden.

"Es hat ihn sehr schwer erwischt", erklärte Yu gegenüber Takeshi die Lage. "Wir wissen noch nicht, ob er durchkommt. Toba kümmert sich um ihn. Aber mir scheint, wie haben unsere Gegner unterschätzt."

Während Jin sich zu diesem Thema ausschwieg, wirkte Takeshi sehr nachdenklich. Sein Bruder dürfte über diese Neuigkeit sicherlich nicht begeistert sein. Und als wäre dies sein Stichpunkt gewesen, näherte sich Akuma nun zusammen mit Renhou der kleinen Gruppe, die vor einem der Räumlichkeiten des Schlosses zusammenstand.

Bevor eventuell irgendjemand etwas sagen konnte, ergriff Akuma selbst das Wort: "Ich hörte es bereits von Renhou. Rokou hat sich eigenmächtig in den westlichen Ländern herumgetrieben und muss jetzt die Konsequenzen für sein Handeln tragen."

"Pah! Ich wusste ja schon immer, dass dieser Idiot mit seinen Eskapaden irgendwann noch auf die Schnauze fallen würde!", meinte Jin kaltschnäuzig, was sofort Renhou auf den Plan rief.

"Schweig, Jin! Das gehört jetzt wirklich nicht hierher!"

Mit einem missmutigen Grummeln beugte sich Jin Renhous Anweisung ohne noch etwas gesagt zu haben. Das aber auch nur, weil Akuma zudem anwesend gewesen war. Aber im Moment konnte keiner der anderen irgendetwas machen. Es lag nun allein in der Hand von Toba, ob sein Bruder überleben würde oder nicht.
 

Mit der Hilfe von Yus Gabe, die Lebensenergie eines jeden Ryû-Youkai ganz genau spüren und somit deren Aufenthaltsort jederzeit bestimmen zu können, hatten Toba und seine drei Kampfgefährten Rokou schließlich an den Grenzen zu den westlichen Ländern gefunden. Bis dahin hatte er sich scheinbar noch aus eigener Kraft schleppen können, aber dann hatten ihn auch noch seine letzten Kräfte verlassen und er war bewusstlos zusammengebrochen. Sein ganzer Körper war mit Wunden übersäht gewesen; Schnitte und andere offene und blutende Wunden. Besonders schwer hatte es jedoch seinen linken Flügel erwischt, denn dieser wies große Risse in der doch sehr empfindlichen Haut auf und machte ihn praktisch komplett untauglich für den Flug. Zu diesem Zeitpunkt war Rokou dem Tod weitaus näher gewesen als dem Leben und auch jetzt stand es nicht gerade gut um ihn. Umso größer war daher auch Tobas Wut auf den noch unbekannten Übeltäter, der seinen Bruder so übel zugerichtet hatte. Mit dem bewusstlosen Rokou auf dem Boden seines Zimmers sitzend, hielt Toba ihn behutsam fest, während Rokou mit dem Kopf an der Brust des Älteren lehnte. Beide waren von Tobas Chi umgeben, das in einem bläulichen Licht schimmerte. Um Rokous Überleben zu sichern, versorgte Toba ihn mit seiner eigenen Lebensenergie. Noch wusste er zwar nicht, wer genau für diese Tat verantwortlich war, aber nicht nur für Toba stand ganz klar fest, dass Sesshoumaru Clan seine Finger mit ihm Spiel gehabt haben musste.

>Rokou... Für das, was sie dir angetan habe, werden diese Hunde bluten! Sie sollen meine ganze Rache zu spüren kriegen!<

"Das war Inu Yasha", hörte Toba plötzlich die leise Stimme eines Mädchens sagen. Als er seinen Blick zur Seite umwandte, entdeckte er die komplett in weiß gekleidete Kanna. Wie sie so unbemerkt in das Zimmer hatte kommen können, wusste der Ryû-Youkai zwar nicht, aber ihm und auch den anderen war ohnehin schon von Anfang an aufgefallen, dass Kanna keine dämonische Aura oder sonst was besaß. Sie kam und ging stets vollkommen unbemerkt, wenn sie nicht gerade wie jetzt auch auf sich aufmerksam machte.

"Was willst du?", fragte Toba das Mädchen prüfend, das nun näher an ihn und Rokou herantrat. Ihr ausdrucksloser Blick ruhte einen Moment auf dem verletzten Youkai.

"Er steht an der Schwelle zum Tod", erkannte Kanna schließlich, wenngleich es wieder genauso tonlos klang wie alles, was sie sagte.

Toba richtete sein Augenmerk nun wieder auf seinen Bruder. "Er ist sehr schwach, deshalb übertrage ich ihm so viel wie möglich von meiner eigenen Lebensenergie. Aber sag mal, Kleine, du sagtest eben, Inu Yasha hätte das zu verantworten. Wie kommst du darauf?"

Tobas Stimme hatte zum Ende hin einen sehr eigenartigen Unterton angenommen, als wollte er Kanna indirekt warnen, ihn bloß nicht anzulügen oder dergleichen. Aber das hatte Kanna ohnehin nicht vorgehabt. Stattdessen antwortete sie: "Diese Verletzungen... Sie stammen ganz eindeutig von Inu Yashas Kaze no Kizu. Eine der Attacken, die er mit seinem Schwert Tessaiga einsetzen kann."

Dann drehte sie ihren Spiegel genau so zu Toba, dass er in diesen hineinsehen konnte. Es dauerte einen kurzen Augenblick, aber dann wurde ein Bild sichtbar und zu sehen war Inu Yasha mit seinen Freunden. Sie saßen zusammen auf der Veranda vor seinem Zimmer und er wirkte sehr selbstbewusst, als prahlte er gerade mit irgendetwas. Aber viel mehr Aufmerksamkeit erregte bei Toba insbesondere eine einzelne Wunde von Inu Yasha und zwar eine schwerere Brandverletzung an seinem rechten Arm. Dieser war nämlich noch nicht verbunden worden, das nahm Kagome gerade in die Hand, wie man es im Spiegel sehen konnte, und so war für Toba schnell klar gewesen, dass es wirklich Inu Yasha gewesen sein musste, der Rokou so zugerichtet hatte.

"Inu Yasha also...", wiederholte Toba den Namen des Hanyou wie zu sich selbst, klang dabei aber äußerst bedrohlich. Es entstand eine kurze Pause, dann sprach er entschlossen weiter: "Nun gut! Sobald ich Rokou außer Lebensgefahr weiß, werde ich diesen dreckigen Hanyou-Abschaum aufsuchen. Ich werde meinen Bruder rächen!" Tobas Augen glühten plötzlich blutrot auf. Man spürte praktisch seinen Zorn, der in der Luft lag, als er mit einem Knurren weiter sprach: "Und den Kopf von diesem verfluchten Inu Yasha werde ich anschließend seinen Freunden vor die Füße werfen!"

Für Kanna gab es hier nun nichts mehr zu tun, also zog sie sich nun wieder zurück und verschwand genauso geheimnisvoll, wie sie zuvor erschienen war. Es war ganz klar: Toba würde nicht eher ruhen, bis er Inu Yasha zur Verantwortung gezogen hatte. Das wusste auch Naraku, der sich irgendwo im Schloss der Ryû-Youkai in einem anderen Zimmer aufhielt. Ein niederträchtiges Lächeln umspielte seine Lippen, als Kanna wieder zu ihm zurückkehrte.

"Na, also! Toba hat angebissen", erkannte Naraku. Somit war also der nächste Schritt getan.

Tobas Vergeltung und Kagomes Leben

Die Geschichte mit Rokou hatte innerhalb der Reihen der Ryû-Youkai schnell die Runde gemacht. Dass einer der fünf Hüter im Kampf fast getötet worden wäre, sorgte nicht unbedingt für eine Steigerung der eigenen Kampfmoral, wenngleich diese eigentlich recht hoch gewesen war. Zwar hatte Akuma seinen Leuten gegenüber sogleich wieder ausdrücklich klar gemacht, dass er keine Zweifel oder dergleichen duldete, aber insbesondere unter den Elementardrachen selbst herrschte nunmehr eine gewisse Unruhe.

"Das hat ganz bestimmt irgendetwas mit diesen elenden Hunden zu tun. Ich spüre das förmlich in meinen Knochen!"

Akuma ging mit langsamen aber bestimmten Schritten im Beisein seines Bruders und der verbliebenen vier Hüter auf einem der Hinterhöfe des Schlosses auf und ab, während er das Geschehene noch einmal Revue passieren ließ.

Die Bemerkung seines Herrn verleitete Jin letztendlich zu einer ganz eigenen Schlussfolgerung: "Nun, es liegt wohl auf der Hand, dass die Inu-Youkai da ihre Finger mit im Spiel gehabt haben. Diese Köter haben wohl nicht den Mut, sich uns in einem großen Kampf entgegenzustellen und hoffen stattdessen, dass sie uns einer nach dem anderen hinterrücks ausrotten können."

"Das weißt du aber nicht mit Sicherheit, Jin", warf Takeshi daraufhin ein, doch Jin ließ sich nicht in seiner Ansicht beirren.

"Ich bin mir da aber sehr sicher, Takeshi-sama."

"Und wieso?"

"Das ist doch klar! Eben weil wir diese Inu-Youkai genauso gern ausrotten würden", antwortete der Hüter überzeugt. Takeshi jedoch teilte diese Ansicht überhaupt nicht.

"Aber das ist doch völlig verrückt!", widersprach er daher energisch. "Wir wissen doch noch gar nicht, ob es wirklich die Inu-Youkai waren, die Rokou so zugerichtet haben."

"Doch! Sie haben etwas damit zu tun", sagte Toba nun äußerst ernst. Als die fragenden Blicke der anderen ihn trafen, sprach er sofort weiter: "Ich weiß es aus zuverlässiger Quelle. Diese Kanna, eine von Narakus Untergebenen, zeigte mit in ihrem Spiegel diesen Hanyou-Halbbruder von Sesshoumaru. Er hatte mehrere Brandwunden. Diese stammen ganz eindeutig von Rokous Feuerattacken."

Einen Augenblick lang wurde es totenstill, man hätte eine Stecknadel fallen hören.

"Tja, das wäre dann ja wohl der Beweis", meinte Jin schließlich. "Oder wonach sieht das für Euch aus, Takeshi-sama?"

Zuerst antwortete Takeshi nicht auf diese Frage. Er schien sich unsicher darin zu sein, was er darauf erwidern sollte. Nach einem Augenblick sprach er aber weiter: "Gut, das mag ja alles stimmen, aber trotzdem... Wäre es denn nicht viel einfacher für uns alle, wenn wir diesen dummen Kampf endlich mal beenden und stattdessen Frieden schließen würden mit den Inu-Youkai? Diese Geschichte ist doch schließlich schon 1000 Jahre her. Was bringt uns das, alles wieder neu aufzurollen?"

"Ach, so ein Quatsch! Dieses dumme Friedensgerede macht einen nur krank!", widersprach Toba aufgebracht und in seiner Stimme lag der ungewöhnliche Klang von mühsam unterdrückter Aggression. Besonders durch die Tatsache, dass er bisher immer ein sehr beherrschtes und kontrolliertes Auftreten an den Tag gelegt hatte, sorgte das zeitweise für gewisse Irritation.

Trotzdem versuchte Takeshi erneut, seinen Standpunkt zu verdeutlichen: "Versteh mich bitte nicht falsch, Toba, aber ich sehe nun mal keinen Sinn darin, wegen Nebensächlichkeiten gleich einen ganzen Krieg anzuzetteln."

Toba horchte auf.

"Nebensächlichkeiten?", wiederholte er prüfend, beinahe schon vorwurfsvoll. "Dass Rokou fast gestorben wäre, ist also eine reine Nebensächlichkeit?"

"Nein! Das habe ich so nicht gemeint", versuchte Takeshi zu erklären. "Aber es scheint doch wohl so zu sein, dass dieser Inu Yasha von sich heraus gegen Rokou gekämpft hat. Er hat offensichtlich keine Befehle entgegengenommen oder sonst was. Das wiederum würde heißen, von den Inu-Youkai hat im Grunde keiner etwas mit dieser Sache zu tun. Und wenn sie wirklich nichts mit dieser Sache zu tun haben sollten, macht das alles doch überhaupt keinen Sinn! Es wird schlichtweg immer nur mehr Öl ins Feuer gegossen."

Takeshi schien insgeheim selbst zu ahnen, dass er auf dem besten Weg war, sich mit seinen Beiträgen gehörig ins Abseits zu manövrieren. Auch Akuma kam das Verhalten seines Bruder sehr merkwürdig vor, also stellte er sich ihm schließlich gegenüber und fragte ihn: "Bist du dir auch ganz sicher, dass du das alles nicht nur deshalb erzählst, um mich und auch die anderen von den Inu-Youkai abzulenken, Takeshi?"

"Warum sollte ich das tun?", fragte der Jüngere zurück, wenngleich mit einem leichten Unterton von Verunsicherung in der Stimme, als er so eindringlich von Akuma angeschaut wurde.

Letzterer antwortete auf die Frage: "Weil das sehr verdächtig nach deinem komischen Friedensgerede klingt. Verstehst du, was ich sagen will? Mal ganz abgesehen davon wäre ich an deiner Stelle lieber etwas ruhiger! Du warst damals schließlich nicht mit dabei, von daher kannst du Lage auch nicht wirklich beurteilen."

Zuerst schien Takeshi etwas darauf erwidern zu wollen, unterließ das aber letztendlich doch und schwieg. Stattdessen wandte er nur den Blick von Akuma ab und schaute stumm zur Seite.

"Wie auch immer, ist ja auch egal. Kommt jetzt!", befahl Akuma plötzlich und schritt demonstrativ voran, während seine Leute ihm nach und nach folgten.

Mit einem Seufzen schloss sich Takeshi der Gruppe schließlich als Schlusslicht an. Allerdings bemühte er sich nicht gerade darum, mit den anderen Schritt zu halten. Stattdessen machte er sich noch so seine Gedanken. Diese wurden allerdings plötzlich von Renhou unterbrochen, der sich wieder von der Gruppe um Akuma abgesondert hatte und zu Takeshi zurückgegangen war, den er nun fragte: "Ist alles in Ordnung, Takeshi-sama?"

Zuerst fuhr Takeshi leicht erschrocken hoch, hatte er schließlich nicht damit gerechnet, ausgerechnet jetzt wieder angesprochen zu werden. Nachdem der erste Schrecken jedoch wieder gewichen war, nickte er einmal. "Ja, schon in Ordnung, Renhou. Mach dir keine Sorgen. Es ist okay..."

Und mit diesen Worten ging Takeshi an Renhou vorbei. Renhou selbst blieb noch einen Augenblick an Ort und Stelle stehen. Während er Akumas jüngerem Bruder so hinterher sah, wurde ihm mal wieder wie so oft klar, wie verschieden die beiden Söhne seines ehemaligen Herrn doch gewesen waren. Akuma kam sehr nach seinem Vater. Er war stets entschlossen und hatte nie irgendwelche Konfrontationen gescheut. Zurückhaltung oder gar Mitgefühl waren für ihn regelrechte Fremdworte gewesen, was besonders in Kämpfen galt. Takeshi hingegen war eher zart besaitet und war auch im Gegensatz zu den anderen Ryû-Youkai schon immer ein eher sanfter Typ gewesen. Renhou wusste, Takeshi war eigentlich nicht für ein Leben geschaffen, das gezeichnet war von Kämpfen und sonstigen Auseinandersetzungen. Doch eben genau diese hatten praktisch schon immer sein Leben bestimmt. Zwar war er ein Nachkomme des alten Anführers der Ryû-Youkai gewesen, doch hatte er sich seinen Rang erst erkämpfen müssen, um dessen auch würdig zu sein. Sogar Akuma musste seine geerbte Führungsposition in mehreren Kämpfen gegen verschiedenen Rivalen verteidigen und es bestand immer wieder die Möglichkeit, dass ihn irgendwann erneut jemand herausfordern würde. Doch schon seit längerer Zeit hatte es keiner aus dem Clan mehr gewagt, ihn erneut zum Kampf zu fordern.

Während Renhou noch so darüber nachdachte, ertappte er sich schließlich selbst dabei, wie absurd er das alles eigentlich fand. Zwar hatte auch er zweifellos schon viele Kämpfe hinter sich gebracht, aber die Art und Weise, wie die Ryû-Youkai des Öfteren miteinander umgingen, glich häufiger eigentlich einem ständigen Kampf um einen höheren Rang und somit auch um größeres Ansehen. Auch Renhou hätte davon ein Lied singen können, trachtete Jin schließlich schon von Anfang an danach, ihm irgendwann die Führungsposition unter den Hütern abzujagen. Es war unter den Ryû-Youkai nichts ungewöhnliches dabei gewesen, wenn unterlegene Konkurrenten letztendlich eiskalt getötet wurden, doch wenngleich Renhou im Kampf selbst nie in irgendeiner Form zurückhaltend war, eigene Clan-Mitglieder ohne triftigen Grund zu töten, hatte ihm schon immer fern gelegen. Nur deshalb hatte er Jin damals nach siegreichem Kampf nicht den Todesstoß versetzt. Allerdings durfte sich Renhou dafür seither fast tagtäglich mit allen möglichen Anfeindungen von Seiten seines Rivalen herumschlagen. Doch mit diesen hatte er schon nach kurzer Zeit umzugehen gelernt. Aber Renhou war klar, dass Jin ihn in der Zukunft sicherlich noch mal zum Kampf herausfordern würde.

Takeshi war mittlerweile aus seiner Sicht verschwunden und so wollte sich auch Renhou nun etwas zurückziehen. Doch er hatte kaum einige Meter zurückgelegt, da kreuzte Yu überraschenderweise seinen Weg. Er schien auf Renhou gewartet zu haben und wirkte recht ernst, als er in ansprach: "Renhou! Ich müsste dich mal sprechen, wenn du gerade Zeit hast. Unter vier Augen."

Renhou war im ersten Moment zwar etwas verblüfft, nickte dann aber zustimmend. "Sicher. Was gibt es, Yu?"

"Kurz gesagt: Es geht um Naraku." Kaum hatte Yu Narakus Namen ausgesprochen, sah man Renhou die Neugier ins Gesicht geschrieben. Von daher hörte er auch sehr aufmerksam zu, als Yu weiter sprach: "Wie du es mir aufgetragen hast, habe ich ihn ein wenig beobachtet. Genaueres kann ich dir zwar noch nicht sagen, aber der Kerl scheint irgendetwas zu planen."

"Inwiefern?", fragte Renhou prüfend.

Yu berichtete ihm nun davon, dass er mitbekommen hatte, wie Kanna Rokou vor dessen überraschendem Verlassen des Schlosses aufgesucht hatte. Im Nachhinein ärgerte sich Yu selbst darüber, dass bei ihm nicht schon zu diesem Zeitpunkt die Alarmglocken geschrillt haben, aber er war sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher darin gewesen, ob Naraku etwas mit dieser ganzen Sache zu tun gehabt hatte.

Nachdem er sich das alles so angehört hatte, verschränkte Renhou nachdenklich die Arme vor der Brust. "Verstehe. Dann hat also diese Kanna es in indirekter Weise zu verantworten, dass Rokou sich diesem Inu Yasha allein entgegengestellt hat?"

"Es sieht jedenfalls danach aus", meinte Yu. "Und sie scheint auf Narakus Anweisung hin gehandelt zu haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie allein auf die Idee gekommen ist, zu Rokou zu gehen. Sie scheint überhaupt keinen eigenen Entscheidungswillen zu haben. Jedenfalls nicht wie andere. Und du hast es eben ja auch selbst von Toba gehört, dass sie ihn auch noch aufgesucht hat. Garantiert hat auch hier Naraku seine Finger mit im Spiel. Diese Kanna... Wie schon gesagt, sie wirkt auf mich keinesfalls so, als hätte sie ein sonderliches Eigeninteresse daran gehabt, so zu handeln."

"Aber was sollte Naraku für einen Grund gehabt haben, Rokou praktisch in so eine Falle zu locken, und etwas ähnliches nun auch noch mit Toba vorzuhaben scheint?", fragte sich Renhou. "Ich meine, schließlich will er doch von unserem Clan, dass wir für ihn Inu Yasha und dessen Begleiter, sowie die Inu-Youkai erledigen."

Yu schwieg einen Moment, ehe er es wagte, eine Vermutung zu äußern: "Nun, vielleicht geht es ihm lediglich um Toba."

Sichtlich verblüfft schaute Renhou nun auf. "Toba? Und warum ausgerechnet er?"

"Es könnte ja etwas mit dieser Kagura zu tun haben", meinte Yu. "Du kennst Toba doch. Er versucht schon seit einer Weile, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Andererseits scheint Naraku ihr kein sonderlich großes Vertrauen entgegenzubringen, und sie selbst kann ihn nicht unbedingt gut leiden, um es mal milde auszudrücken. Zu dieser Erkenntnis konnte ich recht schnell gelangen. Dem Anschein nach hat sie sogar schon einmal versucht, ihn zu hintergehen. Vielleicht sieht Naraku in Toba ja so was wie eine Bedrohung für sich selbst, weil er befürchtet, diese Kagura könnte ihn dazu benutzen, ihm selbst wiederum zu schaden. Der Verdacht eines potenziellen erneuten Versuchs eines Verrats ihrerseits, um es mal so auszudrücken."

Renhou ließ sich das eben Geäußerte noch mal durch den Kopf gehen. Wenn Yus Vermutung tatsächlich der Wahrheit entsprach, dann würde das in der Tat bedeuten, dass Narakus Interesse eigentlich darauf gerichtet war, Toba auszuschalten, weil er die mögliche Gefahr schon im Voraus zu bannen versuchte. Und um sicher zu gehen, dass möglichst alles so ablief, wie er es sich vermutlich gedacht haben könnte, dann hatte Rokou lediglich als Lockmittel gedient. Als das Lockmittel, das Toba dazu verleiten sollte, sich zu einer unüberlegten Handlung hinreißen zu lassen.

"Von uns hat wohl wirklich Toba momentan das größte Interesse daran, Sesshoumarus Halbbruder zu beseitigen", sagte Renhou schließlich. "Wie ich ihn kenne, wird er garantiert versuchen, sich an ihm zu rächen, doch damit würde er wohl genau das tun, was Naraku sich vermutlich auch so gedacht hat. Toba soll überstürzt einen Kampf provozieren und dabei den Kürzeren ziehen."

"So sieht es zumindest aus. Doch was sollen wir tun?"

Auf diese Frage von Yu antwortete Renhou nicht sofort. Als er schließlich doch wieder weiter sprach, wurde seine Stimme jedoch von einem leichten Unterton von Ärger begleitet: "Nun, Akuma-sama können wir davon wohl nichts erzählen. Schließlich haben wir keinerlei Beweise für unsere Vermutungen. Und Naraku würde vermutlich entweder alles abstreiten oder aber er dreht sich die ganze Sache so zurecht, dass sie am Ende völlig harmlos erscheint."

"Du glaubst also, Akuma-sama würde uns keinen Glauben schenken?"

"Ich bin mir nicht sicher, aber mir scheint, dass wir bei ihm momentan nicht wirklich viel erreichen würden. Ihm geht es im Augenblick nur darum, diesen Kampf gegen Sesshoumarus Clan weiter zu führen."

Jetzt war es Yu gewesen, der sich in nachdenkliches Schweigen hüllte, ehe er wieder das Wort ergriff: "Und was schlägst du vor?"

"Beobachte Naraku weiterhin", wies Renhou seinen Kameraden an. "Ich versuche unterdessen, mich um den Rest zu kümmern, so weit mir das möglich ist. Und behalte bitte auch das, was wir eben besprochen haben, erstmal noch für dich."

Yu nickte einverstanden. Anschließend trennten sich die Wege der beiden Ryû-Youkai vorerst wieder.
 

Unterdessen hatte sich Toba ebenfalls recht schnell von der Gruppe abgekapselt und für sich selbst etwas zurückgezogen. Das Schloss im Rücken stand er nun auf einem der zahlreichen Felsvorsprünge und schaute nachdenklich in die weite Ferne.

"Hey!"

Kaum, dass Toba diese Stimme gehört hatte, hatte er sich entsprechend umgedreht. Er war zugegebenermaßen ein bisschen erstaunt, als nunmehr Kagura einige Meter hinter ihm stand.

"Ich hörte da etwas von Kanna", sprach sie weiter. "Deinen Bruder hat es schwer erwischt?"

Zwar antwortete Toba nicht auf diese Frage, aber darauf hatte Kagura auch ehrlich gesagt gar nicht gewartet, da sie die Antwort ohnehin schon kannte. Stattdessen gesellte sie sich nach einem Moment an seine Seite. Beide schwiegen zunächst.

"Schon eigenartig", sagte Toba plötzlich, was Kagura aufhorchen ließ. "Bisher war ich es immer, der das Gespräch mit Euch gesucht hat, Kagura-dono. Und jetzt ist es genau umgekehrt. Aber warum seid ihr überhaupt hergekommen?"

Die junge Frau zuckte einmal mit den Schultern. "Glaub es mir oder nicht, aber das habe ich mich auch schon gefragt."

Daraufhin musste Toba doch etwas amüsiert lächeln. Auch jetzt legte Kagura in gewisser Weise eine abweisende Haltung an den Tag, wenngleich sie ihm gegenüber inzwischen doch etwas offener war. Zumindest war sie diesmal von sich heraus zu ihm gekommen und hatte nicht wieder versucht, ihn los zu werden. Allerdings war Toba momentan nicht wirklich nach einer anregenden Unterhaltung, doch darauf schien Kagura es auch gar nicht abgezielt zu haben. Und wie sie es schon selbst gesagt hatte, was genau sie eigentlich von ihm wollte, wusste sie zum gegebenen Zeitpunkt auch nicht wirklich. Sie hatte nur von Kanna von Rokous Kampf gegen Inu Yasha erfahren und das Rokou bei diesem den Kürzeren gezogen hatte. Sie konnte es sich nicht erklären, aber sie hatte irgendwie das Gefühl gehabt, Toba deswegen aufzusuchen, obwohl sie keine Vorstellung von dem gehabt hatte, was sie nun tun sollte. Nichts desto trotz fragte sie den Ryû-Youkai nach einem weiteren Augenblick der Stille: "Und? Was hast du jetzt wegen dieser Geschichte vor?"

Ob Toba ihr auf diese Frage im Nachhinein noch geantwortet hätte, konnte Kagura aber erstmal nicht in Erfahrung bringen, denn ihr und auch Toba fiel auf, dass Renhou inzwischen zu ihnen gestoßen war und sie aus einigen Metern Entfernung beobachtete.

"Ich würde gerne mit Toba reden", sagte Renhou schließlich und Kagura war gleich klar gewesen, dass er sie damit indirekt bat, ihn mit Toba allein zu lassen. Also wandte sie sich nach diesem doch relativ kurzen Treffen mit Toba nun wieder zum Gehen um.

"Nun gut. Vielleicht unterhalten wir uns später ja noch mal", meinte sie nur noch zum Schluss an ihn gerichtet. Toba stimmte dem mit einem Nicken zu.

Nachdem Kagura wieder gegangen war, richtete er das Wort an Renhou: "Was gibt es, Renhou?"

"Sag mir, du hast doch nichts Unüberlegtes vor, oder?", fragte der andere Ryû-Youkai seinerseits aber nur prüfend zurück. Doch auf diese Frage antwortete Toba nicht, sondern wandte nur den Blick wieder ab. Renhou wartete noch einen Augenblick, dann sprach er weiter: "Ich kann verstehen, dass du wegen der Sache mit Rokou sehr aufgeregt und vor allem wütend bist. Aber lass dich deswegen nicht zu einer übereilten Handlung verleiten, Toba. Damit würdest du weder dir noch einem anderen einen Gefallen tun."

Es schien, als wartete Renhou auf eine Reaktion seitens Toba, doch diese blieb aus. Stattdessen kreisten Tobas Gedanken momentan mehr darum, was Renhou gerade gesagt hatte. Dass Toba nichts Unüberlegtes tun sollte. Aber was sollte das heißen? Sollte er etwa darauf verzichten, denjenigen eventuell zur Verantwortung zu ziehen, der die Schuld daran trug, dass Rokou so schwere Verletzungen davongetragen hatte? Besonders gravierend war der Zustand seines linken Flügels. Dieser war so stark verletzt worden, dass Rokou womöglich nie wieder richtig fliegen konnte. Und das sollte Toba einfach so auf sich sitzen lassen?

"Dieser Inu Yasha...."

Tobas rechte Hand ballte sich wütend zur Faust. Für Renhou war das ein eindeutiges Alarmsignal gewesen, deshalb versuchte er erneut auf seinen Kameraden einzureden: "Toba, ich bitte dich noch mal: Tu bitte nichts Unüberlegtes!" Er kam auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Warte lieber noch etwas, bis wir genauere Anweisungen erhalten. In Ordnung?"

Toba schaute mit leicht gesenktem Blick aus dem Seitenwinkel zu Renhou. Es schien, als überlegte er noch, doch dann wandte er sich wieder ab und antwortete: "Ist gut. Ich habe verstanden."
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Während im Schloss der Ryû-Youkai die Stimmung eher finster war, war das im Schloss der Inu-Youkai etwas anders gewesen. Inzwischen war es früher Nachmittag und besonders Inu Yasha schien richtig gute Laune gehabt zu haben, während er zusammen mit seinen Freunden unter dem Pavillon am Gartenteich saß und voller Elan von seinem Kampf gegen Rokou berichtete. Und das bestimmt schon zum zehnten Mal.

"Und dann habe ich ihm mit Tessaiga 'ne volle Breitseite verpasst! Das hättet ihr sehen müssen, Leute! Das war der Hammer!"

"Prahle nicht so rum, Inu Yasha! Schließlich hast du auch einiges abbekommen", warf Shippou kopfschüttelnd ein, doch Inu Yashas Hochmut tat dies keinen Abbruch.

"Egal! Immerhin habe ich den Kampf ja wohl gewonnen, oder?", fragte der Hanyou mit einem triumphierenden Grinsen. "Tja! Da werden es sich die Youkai hier in Zukunft wohl zweimal überlegen, ehe sie darüber nachdenken sollten, mir blöd kommen zu wollen! Ha, ha!"

Ein einstimmiges Seufzen ging durch die Reihe der anderen.

"Oje... Ein weiterer gewonnener Kampf und er hält sich für unbesiegbar", sagte Miroku und Sango pflichtete ihm mit einem stummen Nicken bei. Unterdessen befand sich Inu Yasha noch immer voll und ganz in seinem Siegesrausch.

"Ha! Wenn diese Flattertypen das nächste Mal auftauchen, hau ich sie alle auf einmal platt!"

"Schön und gut, Inu Yasha, aber bis dahin solltest du dich besser noch etwas ausruhen. Schließlich sind deine Wunden noch nicht verheilt", unterbrach Kagome letztendlich die Tagträumereien des Hanyou wieder. "Apropos! Ich muss deine Verbände auswechseln. Los! Komm mit!"

Mit diesen Worten ergriff sie ihn bei der Hand und zog ihn von der Bank auf die Beine. Aber Inu Yasha sträubte sich zuerst noch etwas: "Ach, Kagome! Es geht mir doch schon wieder gut. Du musst mich nicht so bemuttern!"

"So? Ich dachte, du magst das", entgegnete sie und hakte sich in seinem linken Arm ein. "Und jetzt komm schon! Na los!"

Da war wohl jeder weitere Widerstand völlig zwecklos gewesen, also folgte Inu Yasha dem Mädchen ohne weitere Proteste.

"Vielleicht bilde ich mir das ja auch nur ein, aber das sieht doch für die zwei schon mal ganz gut aus, oder?", fragte Kimie, während sie ihrer Cousine und dem Hanyou so nachsah.

Shippou schaute zu dem Mädchen hoch und erwiderte: "Kann ja sein, aber Inu Yasha ist in dieser Hinsicht einfach zu blöd! Kagome tut mir Leid." Als der Kitsune Kimies doch sehr irritierten Blick bemerkte, nannte er das Kind beim Namen: "Ich spreche von Inu Yashas Verhältnis zu Kikyou! Kaum taucht sie auf oder es fällt ihr Name, rennt er ihr sofort Schwanz wedelnd hinterher und lässt Kagome einfach links liegen. Du hast es gestern doch selbst miterlebt, Kimie."

"Ach, ja! Stimmt."

Natürlich, die alte Geschichte mal wieder. Aber was sollte man schon dagegen machen?

"Kagome-sama ist wirklich sehr geduldig und großzügig, wenn man es genau nimmt", meinte Miroku nun. "Egal, wie oft Inu Yasha Kikyou-sama schon hinterhergelaufen ist, immer hat Kagome-sama ihm letztendlich verziehen und steht weiterhin zu ihm."

"Aber wie kann sie das nur ertragen?", fragte sich Sango nachdenklich. "Sie tut mir Leid. Schließlich musste sie das schon so oft durchmachen. Nur hat sie ihn diesmal so ziemlich zum ersten Mal nicht auf Kikyou angesprochen."

"Nun, vielleicht liegt das an Inu Yashas Kampf gegen Rokou", vermutete Miroku. "Sie war wohl einfach froh, dass es Inu Yasha gut ging, da war Kikyou-sama wahrscheinlich nur noch reine Nebensache. Unter anderen Umständen würden er und Kagome-sama momentan wohl kaum ein Wort miteinander wechseln."

"Trotzdem ist Inu Yasha ein Volltrottel!", fand Shippou und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust.

Während sie sich das Gespräch so mit anhörte, kam Kimie leicht ins Grübeln. Das klang für sie doch alles recht verzwickt. Nachdenklich lehnte sie sich etwas zurück, so dass ihr Rücken das Geländer des Pavillons berührte.

Irgendwann stand sie jedoch mit einem Mal von der Bank auf.

"Was ist los, Kimie?", fragte Shippou sofort neugierig, woraufhin Kimie lächelnd antwortete: "Ach, ich möchte nur ein wenig spazieren gehen. Also, bis nachher, Leute!"

Und mit diesen Worten verließ Kimie die anderen für 's Erste. Ihr Weg führte sie weiter durch den Garten bis sie schließlich an eine Stelle angekommen war, wo sie zuvor noch nicht gewesen war. Auch hier wirkte alles sehr gepflegt und die verschiedenen Pflanzen und Blumen standen in voller Pracht. Eine angenehme Ruhe lag in der Luft.

>Wenn man sich das alles so überlegt, will man gar nicht meinen, dass wir uns praktisch mitten in einem Krieg befinden...<

Kimie seufzte leise auf und schaute anschließend zum blauen Himmel hinauf. Ein wenig verträumt beobachtete das Mädchen die vereinzelten vorüber ziehenden Wolken, die hin und wieder die Sonne verdunkelten, diese jedoch stets nach wenigen Sekunden wieder freigaben. Diese Ruhe, die im Moment über dem Garten lag, wurde aber plötzlich unterbrochen.

"Hallo."

"Hm? Was?"

Sofort hatte sich Kimie schon beinahe schreckhaft umgedreht und als sie jetzt hinter sich sah, musste sie einen Schrei unterdrücken. Stattdessen sprang sie nur wie von der Tarantel gestochen einen Satz zurück, den Blick starr auf die Mauer gerichtet, die den Garten eingrenzte und auf welcher nunmehr eine ihr durchaus bekannte Person saß.

"Takeshi?! Was zum...? Was machst du denn hier? Wie bist du überhaupt bis hierher gekommen?" Kimie bemühte sich im Unterbewusstsein um eine möglichst leise Sprechweise. Sie konnte es sich nicht wirklich erklären, aber irgendwie wollte etwas in ihr nicht, dass jemand mitbekam, dass der Ryû-Youkai hier war.

Takeshi sprang unterdessen von der Mauer herunter.

"Meine Fähigkeiten gestatten es mir, dass ich meine dämonische Aura verbergen kann. Darum war es kein Problem für mich, bis hierher zu kommen", erklärte er.

Klar! Jetzt fiel es auch Kimie wieder ein, zumal Takeshi momentan lediglich wieder wie ein Mensch aussah. Deshalb hatte vermutlich auch Raidon diesmal nicht reagiert, wie es auch beim allerersten Treffen mit Takeshi der Fall gewesen war. Trotzdem erklärte das noch lange nicht, was genau er hier überhaupt verloren hatte. Außerdem war Kimie Takeshi gegenüber sowieso in einem gewissen Grad misstrauisch. Schließlich gehörte er zu den Feinden und hatte sie und die anderen außerdem allesamt getäuscht, weshalb sie erneut einige Schritte zurücktrat und dabei sogar die Hand an ihr Schwert legte. Bevor sie es aber eventuell ziehen konnte, hielt Takeshi sie zurück: "Das ist unnötig. Du brauchst dich nicht vor mir zu fürchten. Ich will dir bestimmt nichts antun."

"Hm! Du wirst wohl verstehen, dass ich trotzdem skeptisch bin. Schließlich hast du auch Ashitaka so hinterrücks angegriffen", erwiderte Kimie mit einem etwas vorwurfsvollen Unterton in der Stimme, ließ aber trotzdem wieder von ihrer Waffe ab. Den Sicherheitsabstand zwischen sich und Takeshi hielt sie jedoch weiterhin ein.

"Das war lediglich eine Anweisung meines Bruders", entgegnete Takeshi, als versuchte er indirekt, sich für seine Tat zu rechtfertigen. "Genauer gesagt, hätte ich diesen Ashitaka eigentlich töten sollen."

Kimie zog eine Augenbraue hoch. Das hatte ja gerade so geklungen, als hätte Takeshi ihr gegenüber gestanden, dass er absichtlich etwas danebengezielt hatte, um Ashitaka eben nicht den Todesstoß zu versetzen. Aber ob diese Vermutung auch der Wahrheit entsprach?

"Wie auch immer dein Befehl gelautet haben mag, das erklärt noch lange nicht, was du hier verloren hast!? Warum bist du also hergekommen?", fragte sie ihn nach einem Moment. "Du begibst dich in Teufels Küche, wenn du länger hier bleibst! Bitte geh wieder! Wenn Sesshoumaru oder einer der anderen dich und mich hier zusammen sehen, ist hier die Hölle los! Und wenn sie die Situation auch noch falsch verstehen, dann sind wir vermutlich alle beide so gut wie tot..."

"Ehrlich gesagt, das klingt ja fast schon so, als wären deine Freunde alle genauso verrückt wie mein Bruder und der Großteil meines Clans", entgegnete Takeshi.

Doch Kimie, deren letzte Aussage eigentlich auch einen sarkastischen Teil beinhaltet hatte, widersprach sofort: "Meine Freunde sind nicht verrückt! Zumal sind Sesshoumaru und die anderen Inu-Youkai es nicht gewesen, die diesen Kampf angefangen haben, ebenso wenig wie meine Freunde."

"Genauso wenig habe ich etwas mit den ganzen alten Streitigkeiten zu tun. So wie du."

Auf diese Aussage von Takeshi wusste Kimie im ersten Moment nichts Passendes zu erwidern. Zugegeben, er hatte Recht, aber was sollte das jetzt überhaupt?

Takeshi beobachtete Kimie einen Augenblick lang, ehe er wieder das Wort ergriff: "Es mag stimmen, mein Clan und der Clan der Inu-Youkai sind seit langer Zeit verfeindet. Aber wir beide haben mit dieser alten Feindschaft im Grunde doch gar nichts zu tun. Darum brauchen wir ihre Streitigkeiten doch nicht unter uns auch noch weiter auszutragen, oder wie siehst du das?"

"Wie meinst du das?", fragte Kimie irritiert. "Willst du mir damit etwa erzählen, wir könnten dennoch Freunde sein?"

"Du selbst hast mir doch die Freundschaft angeboten."

"Ha! Da war mir ja noch nicht klar, dass du als Spitzel für die Ryû-Youkai fungiert hast!" Kimie kam sich so langsam irgendwie etwas veralbert vor. Was genau wollte Takeshi eigentlich von ihr? Er redete ja gerade so, als wäre er selbst die totale Unschuld vom Lande, aber diese Nummer kaufte Kimie ihm nicht ab.

Nichts desto trotz trat Takeshi ihr gegenüber durchaus selbstbewusst auf. Er schien sich keinerlei Gedanken darum zu machen, dass er sich momentan mitten in feindlichem Gebiet befand. Kimie schaute sich prüfend um. Scheinbar hatte noch keiner bemerkt, dass der junge Ryû-Youkai hier war.

"Takeshi, bitte geh endlich wieder!", bat sie ihn von daher eindringlich. "Ich will nicht, dass dich jemand sieht, und verpetzen will ich dich auch nicht unbedingt, obwohl ich weiß Gott allen Grund dazu hätte!"

Takeshi schien Kimie Nervosität jedoch nicht unbedingt zu teilen.

"Etwas mehr Freundlichkeit hatte ich mir eigentlich schon erhofft", meinte er nur, ehe er mit leicht gesenktem Blick weiter sprach: "Zumal ich ja eigentlich nur wegen dir hierher gekommen bin."

Kimie horchte sofort auf. "Was?"

"Du hast richtig gehört. Ich wollte dich gerne wieder sehen", antwortete Takeshi ruhig.

"Eh..." Das Mädchen war total baff. Zuerst wusste sie gar nicht, was sie davon halten sollte, geschweige denn, was sie dazu sagen konnte. Wenngleich ihr von Takeshi in der Tat keine Gefahr zu drohen schien, fühlte sich Kimie jetzt dennoch auf eine andere Art und Weise in die Enge getrieben. Was sollte sie jetzt machen?

"Takeshi, das wird mir jetzt ehrlich gesagt wirklich etwas zu bunt!", sagte sie schließlich. "Aber mal ganz abgesehen davon bitte ich dich noch mal, wieder zu gehen, bevor dich wirklich noch einer hier erwischt!"

Zuerst wirkte Takeshi noch unschlüssig, doch um sich und auch Kimie potenziellen Ärger zu ersparen, kam er ihrer Bitte schließlich nach und verließ den Garten wieder auf den selben Weg, den er zuvor gekommen war.

Als er wieder fort war, atmete Kimie auf. "Uff! Meine Nerven... Aber... was genau hat er damit gemeint?"
 

Es war zwar nicht ganz einfach gewesen, sich den wachsamen Augen der Inu-Youkai, die in näherer Umgebung die Gegend überwachten, zu entziehen, doch gelang es Takeshi wie schon zuvor, sich seinen Weg zu bahnen, bis er schließlich weit genug vom Schloss entfernt gewesen war, um seine dämonische Gestalt wieder annehmen zu können. Seinen Rückweg zum Schloss seines Bruders nunmehr fliegend fortsetzend, dachte er zeitgleich noch mal an sein Treffen mit Kimie zurück. Ziemlich direkt nach der Unterredung mit Akuma und den Hütern hatte er sich ohne das Wissen seiner Kameraden hierher auf den Weg gemacht. Für seinen Bruder musste er sich unter Umständen dafür noch eine passende Erklärung einfallen lassen, sofern seine Abwesenheit bemerkt worden war, aber das würde er schon hinkriegen. Sich jedoch ganz allein auf den weg in die westlichen Länder gemacht zu haben, war zugegeben ein sehr riskantes Unterfangen gewesen. Das war Takeshi durchaus bewusst, aber hätte er unmöglich einen seiner Kameraden, geschweige denn seinen Bruder fragen können, ob ihn jemand begleitet hätte. Außer, um den Inu-Youkai eine ordentliche Abreibung verpassen zu wollen, hätte dem wohl keiner zugesagt, ausgenommen vielleicht Renhou, aber selbst ihn hätte Takeshi nicht so einfach fragen können. Denn wie hätte er es erklären sollen, dass er nur herkommen wollte, um ein Menschenmädchen zu treffen und das auch nur, um mit ihr zu reden? Das hätte wohl so ziemlich keiner der Ryû-Youkai nachvollziehen können, aber Takeshi hatte auch gar nicht in Begleitung herkommen wollen. Er wollte allein mit Kimie sprechen und auch, wenn sie ihn rasch wieder fortgeschickt hatte, dieses kurze Treffen hatte ihm doch irgendwie genügt.

Mit diesen Gedanken setzte Takeshi seinen Weg zügig fort, um spätestens bis zum frühen Abend wieder in Akumas Schloss zu sein.
 

Im Schloss der Inu-Youkai streifte unterdessen Touran durch die verschiedenen Gänge. Sie hatte ein klares Ziel und so führte sie ihr Weg insbesondere die Treppen zu den höher gelegenen Stockwerken hinauf. Den Weg kannte sie schon, schließlich war sie schon einmal in dem Raum gewesen, zu dem sie auch jetzt wollte.

Als sie nur noch eine Treppe sie von dem von ihr anvisierten Stockwerk trennte, wurde sie plötzlich zurückgehalten: "Dürfte ich eventuell erfahren, was du vor hast?"

Nachdem sie diese Stimme vernommen hatte, war Touran gleich wieder stehen geblieben und hatte den Blick zur Seite umgewandt. Keine fünf Meter von ihr entfernt stand Tôya im Gang und musterte sie ziemlich argwöhnisch, als er weiter sprach: "Im obersten Stockwerk befinden sich die Privaträume von Sesshoumaru-sama. Der Zutritt ist nur ihm gestattet und ohne seine ausdrückliche Genehmigung oder einen triftigen Grund darf sich niemand sonst da oben aufhalten. Hat er es dir gestattet, dass du dich da oben aufhältst?"

Auch Touran beäugte den Inu-Youkai ganz genau, wie er so vor ihr stand. Ohne sich jedoch eventuell einschüchtern zu lassen, antwortete sie ihm: "Nein. Zugegeben, das hat er nicht. Allerdings ist mir aufgefallen, dass sich einige andere nicht an diese Regel zu halten scheinen. Aber es sollte mich wohl nicht wundern, wenn sich Sesshoumarus menschliche Gefährtin hier ungehindert frei bewegen kann, ebenso wie dieses kleine Mädchen, nicht wahr?"

Touran schien Tôya auf eine gewisse Weise aus der Reserve locken zu wollen. Er blieb jedoch unbeeindruckt.

"Das ist etwas anderes", entgegnete er. "Diese beiden stehen immerhin in einem näheren Kontakt zu Sesshoumaru-sama. Du hingegen stehst mit ihm in keinster Weise in einer engeren Verbindung." Dann wurde Tôyas Blick mit einem Mal prüfender. "Mir scheint jedoch, du bezweckst mit deinem Verhalten, etwas in der Art zu erreichen."

Auf diese Vermutung von Tôya antwortete Touran diesmal nicht sofort. Doch ohne eine Miene zu verziehen, fragte sie schließlich nur ebenso prüfend zurück: "Was, wenn es so wäre?"

Jetzt war es Tôya gewesen, der schwieg. Es schien, als hätte er mit so einer Antwort gerechnet und sie schien auch seine Vermutung zu bestätigen, auch wenn Touran nicht eindeutig geantwortet hatte. Aber für Tôya war es deutlich genug gewesen.

"Vergiss es besser gleich wieder und halte dich in Zukunft fern von ihm! Das ist der Rat, den ich für dich habe", sagte er letztendlich und wandte sich wieder zum Gehen um.

Tôya hatte aber kaum drei Schritte getan, da hörte er Touran zu ihm sagen: "Tu doch nicht so! Ich sehe es dir doch an. Dir passt es doch auch nicht, dass ausgerechnet ein Menschenmädchen an Sesshoumarus Seite ist."

Abrupt war Tôya stehen geblieben, er drehte sich aber nicht zu der Panther-Dämonin um. Auch dann nicht, als sie weiter sprach: "Du scheinst aber keinen Groll gegen Menschen zu hegen. Es muss also einen anderen Grund geben. Dürfte ich erfahren, was das für ein Grund ist?"

Ihre Frage war begleitet worden von einem herausfordernden Unterton. Mit einem mahnenden Blick drehte sich Tôya nun doch zu Touran um.

"Du wagst zu viel, Katzenweib!", sagte er zu ihr, ganz klar mit dem Anliegen, dass sie nicht weiter auf diesem Thema herumreiten und ihn am besten gänzlich in Frieden lassen sollte.

Allerdings schien Touran andere Pläne gehabt zu haben. Demonstrativ verschränkte sie nunmehr die Arme vor der Brust und erwiderte: "Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass du mir gegenüber eine gewisse Abneigung empfindest? Aber davon durfte ich mich ja schon bei unserem ersten Treffen überzeugen."

Tôya hörte zunächst nur kommentarlos zu, doch so langsam aber sicher riss ihm der Geduldsfaden.

"Wenn du und deine Geschwister momentan nicht zu unseren Verbündeten zählen würden, hättet ihr schon eure erste Nacht hier nicht überlebt", sagte er schon mit einem leichten Knurren, woraufhin Touran abermals herausfordernd entgegnete: "Gleiches könnte auch ich im Bezug auf dich behaupten, mein Guter. Tja, aber wie du es eben selbst gesagt hast, sind wir momentan wohl oder übel Verbündete. Gewöhn dich besser daran. Du willst dir doch keinen Ärger einhandeln, oder? Ich meine, nach dem, was du dir mit Sesshoumarus Cousin geleistet hast, würde das nur ein noch schlechteres Licht auf dich werfen."

Anhand von Tôya nunmehr doch etwas entsetztem Gesichtsausdruck konnte Touran ganz deutlich ablesen, dass sie aus ihrer Sicht gerade voll ins Schwarze getroffen hatte.

"Oh! Habe ich da etwa einen Nerv getroffen?", fragte sie dennoch beinahe schon provozierend. Jetzt reichte es auch Tôya und er machte einen Schritt auf sie zu.

"Du...!"

"Was ist hier los?"

Tôya blieb sofort wieder stehen. Zwar konnte er den Besitzer dieser Stimme gerade nicht sehen, doch wusste er ganz genau, dass sie Sesshoumaru gehörte. Und genau dieser kam nun jene Treppe hinunter, an der Touran noch immer stand. Unterhalb von dieser angekommen, geriet Sesshoumaru nun auch in Tôyas Blickfeld. Das Augenmerk seines Herrn schweifte abwechselnd langsam von ihm zu Touran.

"Ich warte auf eine Antwort", hakte Sesshoumaru nach. "Also, gibt es irgendein Problem?"

Jetzt waren es Touran und Sesshoumaru, die zeitgleich in Tôyas Richtung sahen. Dieser wandte schließlich den Blick von den beiden ab.

"Nein, Sesshoumaru-sama. Entschuldigt mich bitte."

Mit diesen Worten verneigte er sich einmal, kehrte den beiden den Rücken zu und ging ohne noch weiter etwas gesagt zu haben.

Als Tôya schließlich wieder gegangen war, wandte sich Sesshoumaru ohne Umschweife Touran zu: "Touran! Ich rate dir, dich in Zukunft etwas zurückzuhalten. Unterlasse es insbesondere, meine Leute provozieren zu wollen!"

Touran zog verblüfft eine Augenbraue hoch.

"Oh! Du hast es also mitbekommen. Typisch für dich. Wie viel hast du denn noch gehört?"

"Genug", antwortete Sesshoumaru knapp, ehe auch er sich wieder auf den Weg machte. Nach einigen Schritten blieb er jedoch noch einmal stehen, drehte sich aber nicht zu Touran um, als er wieder das Wort ergriff: "Übrigens, wenn du etwas mit mir zu besprechen hast, dann schicke in Zukunft jemanden vor, der mich darüber in Kenntnis setzt."

Und damit ging er auch schon wieder weiter. Touran blieb noch eine Weile mit vor der Brust verschränkten Armen auf dem Gang stehen. Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.

"Hm! Ich war eigentlich der Meinung, er hätte sich etwas geändert, aber ich vielerlei Hinsicht ist er eben doch immer noch der gleiche geblieben."

Schließlich ging auch Touran wieder ihrer Wege.
 

Wie lange Kimie schon in ihrem Zimmer herumgesessen hatte, wusste sie nicht, aber kaum, dass Takeshi wieder gegangen war, hatte sie sich hierhin verzogen und war auch nicht wieder herausgekommen. Irgendwie hatte sie Angst davor gehabt, jemanden über den Weg zu laufen, denn sie hatte weder ein gutes Gefühl dabei, Takeshi eventuell zu verpetzen, noch gefiel ihr die Tatsache, dass sie über ihn vor den anderen Stillschweigen bewahren musste. Und genau das bereitete ihn ihr das ungute Gefühl, sie würde ihre Freunde hintergehen und auch Sesshoumaru. Denn Takeshi gehörte ja schließlich zu den Feinden, und so gesehen hätte Kimie eigentlich jeden Grund gehabt, sein Auftauchen im Schloss öffentlich zu machen. Doch irgendetwas in ihrem Inneren stemmte sich scheinbar mit aller Kraft dagegen.

"Ach, Mann!", seufzte Kimie schließlich auf und stützte den Kopf auf die Knie ab. Eine Weile verharrte sie so an der Wand sitzend in dieser Position und murmelte dabei in unregelmäßigen Abständen immer den selben Satz: "Was soll ich denn nur tun...?"

So ging das noch ein wenig weiter, bis Kimie es irgendwann nicht mehr aushielt und ihr Zimmer doch wieder verließ. Sie hatte zu Anfang mal mitbekommen, dass es irgendwo im Schloss eine Art Trainingsraum gab und in etwa wusste sie auch noch, wo sich dieser Raum befinden musste. Kimie entschloss sich dazu, ein wenig mit ihrem Schwert zu trainieren. Vielleicht würde sie das ein wenig ablenken und auf andere Gedanken bringen.

Während sie so durch das Schloss ging, traf Kimie dabei zu ihrem Glück auf niemanden, der ihren Weg kreuzte bis sie ihrem Ziel letztendlich näher zu kommen schien.

"Also... Eigentlich müsste es hier irgendwo gewesen sein."

Kimie schaute sich ein wenig um und schlug dann eine Richtung ein. Schließlich blieb sie vor einem der Räume stehen. Da die Tür zu diesem jedoch geschlossen war, lauschte sie zuerst, ob sich nicht eventuell jemand in dem Raum befand. Doch es war alles ruhig und so öffnete Kimie vorsichtig die Tür. Und es war tatsächlich niemand da und sie hatte sogar auf Anhieb die richtige Tür zum richtigen Raum erwischt.

"Na gut, viel Platz gibt es hier ja. Aber hoffentlich muss man nicht vorher einen Termin vereinbaren, um sich hier drin aufhalten zu dürfen..."

Kimie schaute sich noch einmal nach links und rechts um, doch es war niemand zu sehen gewesen. Ein wenig albern kam sie sich dabei aber schon vor. Das hatte schon irgendwie was von einem versuchten Einbruch gehabt, bei dem sie sich vergewissern wollte, dass sie auch wirklich niemand beobachtete. Diese Phantasie schob Kimie aber rasch wieder von sich und betrat den Raum endlich ohne noch lange so planlos herumzustehen. Anschließend schloss hinter sich leise wieder die Schiebetür.

"Tja... Dann wollen wir mal sehen."

Kimie zog ihr Schwert aus der Schwertscheide, welche sie auf den Boden ablegte. Dann begann sie auch gleich mit ihren Übungen, doch heute schien nicht gerade ihr Tag gewesen zu sein. Das bemerkte sie schon nach den ersten paar Minuten.

Nach einer Weile seufzte Kimie frustriert auf: "Hach! So ein blöder Mist! Irgendwie will das heute einfach nicht so recht hinhauen. Na ja, was soll's..."

Zumindest konnte sie sich so ein wenig ablenken, jedenfalls für eine gewisse Zeit.

So verbrachte Kimie noch einen längeren Zeitraum mit ihren Schwertübungen, war mit ihren Gedanken aber teilweise auch ganz woanders. So war sie auch überhaupt nicht auf folgende Situation gefasst gewesen, denn als Kimie sich umdrehte und dabei ihr Schwert schwang, prallte die Klinge mit der eines anderen Schwertes zusammen. Die Augen des Mädchens weiteten sich völlig überrascht.

"Du solltest stets darauf achten, dass der Feind nie hinter dir steht", bemerkte Sesshoumaru, der Kimies Schwert mit Tenseiga abgeblockt hatte. Fast zeitgleich senkten beide ihren Waffen aber auch gleich wieder.

"Himmel! Erschreck mich doch nicht so!", sagte Kimie, nachdem der erste Schreck wieder etwas von ihr gewichen war, doch Herzklopfen hatte sie nach wie vor.

Sesshoumaru kam ihr Verhalten hingegen doch ein wenig seltsam vor. Dass sein überraschtes Auftauchen sie in der Vergangenheit schon ab und zu mal erschreckt hatte, war zwar nichts neues gewesen, aber diesmal war irgendetwas anders, das konnte er spüren. Bevor Sesshoumaru Kimie jedoch nach dem Grund dafür fragen konnte, wandte sie sich mit einer zögerliche Frage an ihn: "Ich... hoffe, es war nichts Falsches dabei, dass ich hergekommen bin?"

"Es steht jedem hier frei, diesen Raum bei Bedarf zu nutzen", antwortete Sesshoumaru, kam dann aber auch gleich auf seinen Verdacht zu sprechen: "Aber was ist mit dir? Beschäftigt dich etwas?"

Kimie schaute überrascht auf. "Was? Wie kommst du darauf?"

"Ich habe dich etwas beobachtet", antwortete Sesshoumaru. "Deine Bewegungen waren recht einseitig und deine Schwertführung wirkte wie die eines Anfängers. Du bist nicht richtig bei der Sache gewesen und ich weiß, du kannst es eigentlich besser. Was ist der Grund dafür, dass du so unkonzentriert bist?"

"Eh... Ach, was! Nicht doch! Es ist alles in Ordnung. Ich habe eben nur einen schlechten Tag, mehr nicht", versuchte Kimie abzuwinken. Dass sie diesmal wirklich keine Glanzvorstellung abgeliefert hatte, wusste sie selbst, allerdings kam sie sich merkwürdigerweise zudem irgendwie so ertappt vor. Ihr war so, als wüsste Sesshoumaru ganz genau, dass sie etwas vor ihm verheimlichte, was vermutlich auch daran gelegen haben mochte, dass sie ihn gar nicht direkt ansah.

"Sag, warum kannst du mir nicht in die Augen schauen?", fragte Sesshoumaru das Mädchen, das ihn auch weiterhin nicht direkt anschaute, dann auch noch wie auf Kommando. Jetzt fühlte sich Kimie wirklich wie auf frischer Tat ertappt.

"Worauf willst du hinaus?", fragte sie aber nur knapp, ohne Sesshoumaru weiterhin anzusehen.

"Du verbirgst etwas vor mir", antwortete er überzeugt. "Ich sehe es dir deutlich an."

"Es ist nichts. Ehrlich!"

"Wenn das stimmt, warum weichst du dann ständig meinem Blick aus?"

Es sah nicht so aus, als würde Sesshoumaru so schnell nachgeben. Aber was sollte Kimie ihm denn sagen? Etwa die Wahrheit?

>Nein, ich kann das nicht! Ich habe sonst das Gefühl, ich würde ihn verpetzen...<

Kimie hatte kein gutes Gefühl dabei, Sesshoumaru von Takeshi zu erzählen. Erklären konnte sie sich das selbst nicht, aber ihr war einfach nicht wohl dabei. Und dieses unbehagliche Gefühl wurde insbesondere nicht dadurch besser, dass Sesshoumarus prüfender Blick die ganze Zeit auf ihr ruhte.

"Was denn?", fragte Kimie von daher irgendwann leicht genervt. "Ich sagte dir doch schon, es ist nichts!"

"Du brauchst es nicht zu leugnen", betonte Sesshoumaru aber nur. "Ich weiß, dass du etwas vor mir verheimlichst. Was ist es?"

"Ich sagte es dir gerne noch mal: Es ist nichts!", bekräftigte Kimie abermals, wurde dabei aber spürbar wütender. Das zeigte sich insbesondere im Tonfall ihrer nachfolgenden Aussage: "Und selbst wenn es etwas gäbe, ich muss dir doch wohl nicht alles erzählen, oder? Oder stand das zufälligerweise im Kleingedruckten, dass ich dir immer alles stecken muss? Jetzt lass mich endlich in Frieden! Ich will allein sein!"

Und damit kehrte sie Sesshoumaru auch schon den Rücken zu. Zu Kimies Erstaunen erwiderte er jedoch nichts auf ihre Worte, sondern sie hörte nur, wie er sich allmählich von ihr entfernte und in Richtung der Tür ging. Zögerlich wagte sie einen Blick über ihre Schulter zu riskieren und beobachtete, wie Sesshoumaru nun an der Tür angekommen war. Doch gerade, als er dabei gewesen war, das Zimmer wieder zu verlassen, hielt Kimie ihn plötzlich zurück: "Bitte warte, Sesshoumaru!"

Was hätte Sesshoumaru dazu noch groß sagen oder tun sollen? Kimie hatte offensichtlich mal wieder eine ihrer Launen, es hätte wenig Sinn gemacht, sie weiter nach dem Grund für ihr Verhalten zu fragen, also war Sesshoumaru ihrer nicht gerade sehr freundlichen Aufforderung nachgekommen und wollte den Raum wieder verlassen. Doch da hielt sie ihn auch schon wieder zurück, und er blieb tatsächlich an der Tür stehen, drehte sich jedoch nicht zu Kimie um, die ihrerseits nun auf ihn zuging. Bei ihm angekommen lehnte sie ihren Kopf leicht gegen seinen Rücken.

"Es tut mir Leid...", sagte sie leise. "Du hast Recht, es gibt da etwas, was mich beschäftigt, aber... ich kann es dir nicht sagen. Sei bitte nicht verärgert deswegen."

Doch wie musste das denn jetzt bitte in seinen Ohren klingen? Bestimmt total bescheuert, wie Kimie vermutete. Für sie selbst würde sich so eine Erklärung sicherlich auch vollkommen absurd anhören. Umso überraschter war sie, dass Sesshoumaru aber auch nicht wieder weiter nachhakte, sondern stattdessen sagte: "Manchmal frage ich mich, was ich mir eigentlich dabei gedacht habe."

"Wobei?"

Kimie ließ wieder von Sesshoumaru ab, woraufhin er sich zu ihr umdrehte. Auf seine übliche Weise antwortete er auf ihre Frage: "Du bist launisch, vorlaut, des Öfteren auch respektlos und benimmst dich auch ansonsten nicht so, wie man es eigentlich von dir als meine Gefährtin erwarten sollte."

Kurz gesagt: Sie benahm sich total daneben! Zumindest war das Kimies Interpretation von Sesshoumarus Aussage gewesen.

Einen leichten Schmollmund ziehend entgegnete sie schließlich: "Ich habe nie behauptet, ich wäre eine Lady Di. Ich bin eben nur ein ganz normales Mädchen aus der Mittelschicht der Neuzeit. Oder soll ich für meine 'Anpassung' in dieser Zeit hier jetzt etwa so was wie Hofknickse und klassischen japanischen Tanz praktizieren?"

"Ich erwarte nicht, dass du etwas an dir veränderst", erwiderte Sesshoumaru ruhig. Aber so hatte Kimie seine Bemerkung auch gar nicht aufgefasst, denn eigentlich waren ihre Bemerkungen eher von sarkastischer Natur gewesen. Richtig verblüfft war sie aber erst, als er letztendlich noch hinzufügte: "So wie du bist, ist es gut."

Im ersten Moment stand Kimie recht unschlüssig vor Sesshoumaru, während sie seine Worte noch einmal gedanklich abspielte. Etwas gerührt war sie zugegebenermaßen ja schon gewesen. Sie wollte etwas darauf erwidern, doch plötzlich zuckte sie in sich zusammen und starrte erschrocken auf ihr Schwert. Es pulsierte schon wieder. Auch Sesshoumaru hatte es bemerkt. Das konnte nur eines bedeuten...

Kurz darauf hörte man einen lauten Schrei und direkt danach diesen Krach, als wäre irgendwo Holz zu Bruch gegangen.

"Er ist da draußen!", bemerkte Sesshoumaru, woraufhin Kimie sofort durch den Raum zur anderen Seite stürmte, dort die Schiebetür aufriss und nach draußen auf die Veranda stürmte. Was sie dort am Himmel sah, ließ ihren Atem stocken. Der Ryû-Youkai Toba flog über dem Gelände und er hatte eine Geisel bei sich.

"Kagome!!"
 

Der Angriff war völlig überraschend gekommen. Kagome hatte nichts ahnend zusammen mit Shippou in ihrem Zimmer gesessen, als die beiden irgendwann bemerkten, wie Wasser von draußen langsam in den Raum geflossen war. Kaum hatte Kagome die Tür geöffnet, um nachzusehen, hatte sich das Wasser aufgetürmt, sie zurückgestoßen und umschlossen. Shippou hatte vor lauter Schreck entsetzt aufgeschrieen und versucht, dem Mädchen zu helfen, war aber machtlos gewesen. Und der Schrecken war bei ihm noch größer geworden, als das Wasser schließlich die Gestalt von Toba angenommen hatte. Kagome hatte sofort nach ihrem Bogen und dem Köcher mit ihren Pfeilen darin gegriffen, doch Toba hatte sie gleich von neuem attackiert und sie mit einem gezielten Handkantenschlag außer Gefecht gesetzt. Und genauso schnell, wie er zuvor in das Zimmer eingedrungen war, hatte Toba dieses auch schon wieder verlassen, zusammen mit der nunmehr bewusstlosen Kagome. Seine ausgebreiteten Schwingen hatten dabei die Türen zertrümmert, was das Geräusch des brechenden Holzes verursacht hatte, welches Kimie und Sesshoumaru gehört hatten.

Jetzt schwebte Toba zusammen mit seiner Geisel, die unter seinem linken Arm festhielt, über dem Gelände. Auf dem Hof hatten sich inzwischen, aufgeschreckt durch den Lärm, alle Anwesenden versammelt.

"Es tut mir Leid, Freunde...", wimmerte Shippou reumütig an Inu Yasha und die anderen gewandt. "Ich konnte ehrlich nichts machen! Er war plötzlich da und hat Kagome einfach so angegriffen!"

Während Miroku den kleinen Kitsune zu beruhigen versuchte, hatte Inu Yasha schon längst Tessaiga gezogen. Wütend knurrend schaute er zu Toba hoch und rief: "Das lasse ich dir auf keinen Fall durchgehen, du Mistkerl! Lass Kagome sofort wieder frei!"

Doch Toba hatte nur ein müdes Lächeln für Inu Yasha übrig.

"Das kannst du vergessen, Hanyou!", entgegnete er. "Ich brauche die Kleine noch und genau deshalb werde ich sie auch erstmal für eine Weile behalten."

"Auf keinen Fall!! Das lasse ich nicht zu!"

Inu Yasha erhob sogleich sein Schwert, um den Ryû-Youkai anzugreifen. Doch dieser zog mit seiner freien rechten Hand nun seinerseits sein Schwert und setzte die Klinge oberhalb von Kagomes Nacken ab.

"Das würde ich an deiner Stelle lassen! Oder willst du etwa, dass ich der Kleinen etwas tue? Das gilt übrigens auch für alle anderen hier, falls einer von euch auf die dumme Idee kommen sollte, mich angreifen zu wollen!", drohte Toba, woraufhin Inu Yasha sein Schwert wieder sinken ließ. Vor lauter Wut, die sich in seinem Inneren anstaute, zitterten seine Hände, die krampfhaft den Griff Tessaigas umklammerten.

"Du dreckiger Bastard!", knurrte Inu Yasha. "Was willst du eigentlich? Willst du dir etwa auch noch eine Abreibung holen, nachdem ich mir schon deinen Bruder vorgeknöpft habe?"

Doch kaum, dass er das gesagt hatte, verengten sich Tobas Augen abrupt zu bedrohlich dreinschauenden Schlitzen.

"Du warst es also wirklich", sagte er kalt. "Du dreckiges Halbblut hast es also wirklich gewagt, Rokou so zuzurichten!?"

"Keh! Kann ich etwa was dafür, wenn dein Bruder so ein Schwächling ist?", konterte Inu Yasha und setzte gleich noch einen drauf: "Große Klappe, nix dahinter! Das ist es gewesen, was ihn ausgezeichnet hat!"

"Halt gefälligst dein Maul!"

Toba schlug mit seinem Schwert nun genau in Inu Yashas Richtung. Ein Energiestrahl löste sich von der Klinge und steuerte genau auf den Hanyou zu. Dieser hielt schützend Tessaiga vor sich, doch wurde er von dem Angriff dennoch nach hinten und zu Boden geworfen.

"Inu Yasha! Alles in Ordnung?", fragte Sango sofort, während sich Inu Yasha etwas mühsam wieder aufsetzte.

"Ja, es geht schon..."

Normalerweise hätte so eine Standard-Attacke ihn nicht so schnell umgeworfen, aber sie war doch ungewöhnlich kraftvoll gewesen. Inu Yasha war es beinahe schon so vorgekommen, als steckte in dem Angriff viel von Tobas gegen ihn gerichtete Wut.

"Hanyou, ich gebe dir gerne die Chance, deine Geliebte zu retten", sagte Toba plötzlich, was Inu Yasha sogleich aufhorchen ließ, als er wieder auf seinen Beinen stand. Das, was der Ryû-Youkai jedoch zur Bedingung für eine eventuelle Freilassung Kagomes machte, ließ ein Raunen durch die Anwesenden gehen: "Kämpfe gegen mich! Nur du und ich!"

War das etwa alles? Inu Yasha hatte mehr erwartet, aber so gesehen konnte er ja gleich da weitermachen, wo er vorher aufgehört hatte. Doch gerade, als er auf Tobas Forderung eingehen wollte, hielt ihn ausgerechnet dieser wieder zurück: "Aber nicht hier und nicht jetzt! Ich werde im Laufe des Tages einen Boten zu dir schicken. Er wird dich zu dem Ort führen, an dem unser Kampf stattfinden wird. Und ich warne dich, Hanyou! Solltest du es wagen, in irgendeiner Form mit Begleitung zu erscheinen, dann stirbt das Mädchen, noch bevor du den Treffpunkt überhaupt erreicht hast! Ob du allerdings auch wirklich kommen wirst, überlasse ich natürlich dir. Für das Leben des Mädchens kann ich auch für diesen Fall aber nicht garantieren."

"Ich warne dich! Wage es ja nicht, ihr etwas anzutun, sonst zerfetze ich dich in deine Einzelteile!", drohte Inu Yasha dem Ryû-Youkai, doch dieser ignorierte diese Drohung gänzlich. Stattdessen schlug Toba nur einmal mit den Flügeln und erhob sich mit der bewusstlosen Kagome weiter in die Lüfte. So einfach wollte Inu Yasha ihn aber auf keinen Fall ziehen lassen. "Halt!! Bleib gefälligst hier!"

Sofort war er losgelaufen, doch Toba wies den Hanyou schnell wieder in seine Schranken.

"Ich habe mich eben wohl nicht deutlich genug ausgedrückt, du Töle!?"

Eine Handbewegung reichte aus und schon hatte Toba einen Wasserstrahl erschaffen, der genau auf Inu Yasha zusteuerte. Das Wasser drückte ihn mit aller Kraft gegen einen der Stützpfeiler des Schlosses und fesselte ihn regelrecht an diesen. Jeder Versuch sich zu befreien, scheiterte.

"Sei ein braves Hündchen und warte hier schön darauf, dass ich dich zu mir rufe", wies Toba den Hanyou herablassend an, ehe er sich nun doch mit Kagome auf und davon machte.

"Komm zurück, du mieser Feigling! Lass Kagome wieder frei!", rief Inu Yasha ihm noch nach, doch natürlich reagierte Toba nicht darauf. "Kagome! Kagomeeee!!"

Und genau wie Inu Yasha konnten auch die anderen nur tatenlos dabei zusehen, wie sich der Ryû-Youkai mit seiner Geisel wieder vom Schloss entfernte. Kaum war er aus ihrer Sicht verschwunden, gab das Wasser Inu Yasha wieder frei und versickerte langsam im Boden. Auf dem Boden kniend schaute der Hanyou noch weiterhin hasserfüllt in jene Richtung, in die Toba geflogen war. Wütend schlug er mit der Faust auf den Boden.

"Verdammter Dreck! Du Mistkerl... So kommst du mir nicht davon!"

"Beruhige dich wieder, Inu Yasha!", versuchte Miroku ihn wieder etwas zu besänftigen. "Es hilft niemanden und schon gar nicht Kagome-sama, wenn du jetzt den Kopf verlierst."

"Ich hör' wohl nicht recht!?", entgegnete Inu Yasha aufgebracht. "Miroku, du hast es doch eben selbst mitbekommen! Dieser Bastard hat Kagome entführt und das auch noch direkt vor meinen Augen! Ich stand praktisch direkt daneben und konnte trotzdem nichts machen!"

So wie alle anderen auch. Doch was sollten sie jetzt tun? Es blieb ihnen wohl nur die Wahl, wirklich abzuwarten, bis Toba den besagten Boten zum Schloss schicken würde.

"Kagome..." Kimie schaute noch immer in die Richtung, in die Toba mit ihrer Cousine verschwunden war. Momentan fühlte sie sich nicht weniger schlecht als Inu Yasha oder die Freunde.

"So ein verdammter Mist!", fluchte sie, abgestützt auf das Geländer der Veranda. Keiner konnte momentan etwas tun. Es blieb nur zu hoffen, dass Toba Kagome nicht vielleicht noch etwas antun würde.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Doch nicht nur in Sesshoumarus Schloss herrschte Momentan eine große Unruhe, auch bei den Ryû-Youkai ging es nicht gerade gemächlich zu. Schon seit geraumer Zeit war Renhou auf der Suche nach Toba gewesen. Doch weder im Schloss noch in der näheren Umgebung war er aufzutreiben gewesen, auch bei Rokou hatte er ihn nicht angetroffen. Es schien, als habe sich Toba in Luft aufgelöst. In Renhou keimte daher schon seit einer Weile der Verdacht, dass Toba gegen seine Anweisung das Schloss verlassen hatte und diese Vermutung wurde ihm letztendlich von einem der Ryû-Youkai bestätigt, der zufällig mitbekommen hatte, wie Toba bereits vor einigen Stunden davongeflogen war.

>Verflucht! Ich hätte mich nicht so blind darauf verlassen sollen, dass er auf mich hört!<

Im Eiltempo schritt Renhou durch die Gänge des Schlosses. Er musste Toba unter allen Umständen finden, bevor dieser noch etwas Dummes tun würde, was ihn noch gefährden könnte.

Auf einem der Gänge begegnete Renhou seinen beiden Kampfgefährten Yu und Jin. Letzterer richtete etwas spöttisch das Wort an Renhou, als dieser gerade an ihnen vorbeirauschte: "Hey, Renhou! Was hast du denn für ein Problem? Hast du etwas verloren?"

Doch anstatt auf diese Fragen einzugehen, sprach Renhou Yu an: "Yu! Komm mit! Wir müssen etwas erledigen!"

Ohne zu zögern folgte Yu seinem Kameraden. Jin sah den beiden nur reichlich verständnislos nach. "Was soll denn das jetzt?"

Unterdessen erklärte Renhou Yu die Situation in aller Kürze, während sie weiter auf dem Weg zu den Haupttoren des Schlosses waren.

"Ich verwette mein Schwert darauf, dass sich Toba auf den Weg in die westlichen Länder gemacht hat!", meinte Renhou. "Und dabei habe ich ihm extra noch gesagt, er soll nichts Unüberlegtes tun! Dieser Narr!"

"Wenn deine Vermutung stimmt, dann hat er es vermutlich auf Sesshoumarus jüngeren Halbbruder abgesehen", vermutete Yu und genau diesen Gedanken hatte auch Renhou.

Auf dem Hof angekommen erhoben sich die beiden Ryû-Youkai in die Lüfte und nachdem Yu Tobas momentanen Aufenthaltsort mit der Hilfe von dessen Chi ausgemacht hatte, schlugen die beiden sofort die entsprechende Richtung ein.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Voller Ungeduld wartete Inu Yasha mittlerweile bestimmt schon seit geschlagenen drei Stunden darauf, dass Toba endlich diesen Boten zu ihm schickte, von dem er zuvor gesprochen hatte. Die ganze Zeit über hatte er im Beisein seiner Freunde vor dem Schlosseingang auf der Treppe gesessen. Auch einige der Inu-Youkai, speziell diese, die mit der Gruppe schon in einem engeren Kontakt gestanden hatte, waren noch anwesend.

"Grrr! Ich halte das nicht mehr aus!", knurrte Inu Yasha schließlich und sprang auf. "Wie lange will dieser Kerl denn noch damit warten, ehe er mir endlich steckt, wo er Kagome hingebracht hat?!"

"Reg dich nicht auf!", versuchte Miroku den Hanyou zu beruhigen. Er war sich ganz sicher, dass Toba nicht nur heiße Luft von sich gegeben hatte. Bestimmt würde es nicht mehr lange dauern, bis der besagte Bote auftauchen würde. Und wie auf 's Stichwort durchdrang plötzlich Sesshoumarus Stimme die momentane Stille: "Er kommt."

Sofort sahen sich alle suchend um, bis Shippou als einer der Ersten etwas am Himmel entdeckte. "Schaut mal, da oben! Das ist eine von diesen Krähen, die uns schon bei unserer Ankunft angegriffen haben."

"Ob das dieser Bote ist, von dem Toba gesprochen hat?", fragte sich Sango.

Miroku nickte überzeugt. "Bestimmt. Etwas anderes kann ich mir kaum vorstellen."

Dass eine einzelne von diesen dämonischen Krähen das Schloss angreifen würde, kam in der Tat jedem der Anwesenden mehr als unwahrscheinlich vor. Also warteten sie alle bis das Ungetüm sich ihnen genähert hatte und letztendlich auf dem Hof, nur wenige Meter vor Inu Yasha entfernt, landete. Mit ausgebreiteten Flügeln krächzte die Krähe ein paar Mal.

"Sie will wohl, dass du ihr folgst, Inu Yasha", bemerkte Miroku, doch Inu Yasha war das schon von vornherein klar gewesen. Entschlossen ging er von daher auf die Krähe zu.

"Nun gut, du gefiedertes Vieh! Dann bring mich mal zu deinem Boss, aber schnell!"

"Warte, Inu Yasha!", warf Sango plötzlich ein. "Du bist doch noch nicht wieder ganz gesund. Und in diesem Zustand kannst du unmöglich gegen Toba antreten, geschweige denn gewinnen!"

"Ach! Dann soll ich also nur weiterhin dumm herumsitzen und Däumchen drehen, ja?!", fragte Inu Yasha patzig. "Und in der Zwischenzeit befindet sich Kagome noch immer in der Gewalt von diesem Bastard!"

"Aber dann lass uns wenigstens mit dir kommen!"

"Nein! Du hast vorhin wohl wirklich nicht richtig zugehört!? Wenn ich nicht allein hingehe, wird er Kagome auf der Stelle töten!"

"Aber..."

Betroffen senkte Sango den Blick. Natürlich hatte sie das auch mitbekommen, aber sie konnte doch unmöglich nur abwarten, während Inu Yasha sich ganz allein auf den Weg machte, um Kagome zu retten. Der Hanyou bemerkte die Bedrücktheit der Dämonenjägerin und versuchte, beruhigend auf sie einzureden: "Keine Sorge, Sango. Ich werde Kagome retten und komme dann gemeinsam mit ihr wieder hierher zurück." Dann wandte er sich auch an die anderen. "Ihr bleibt unterdessen alle hier! Ich werde allein gehen. So, wie Toba es verlangt hat."

In diesem Moment schlug die dämonische Krähe mit den Flügeln und erhob sich wieder in die Lüfte, um Inu Yasha zu dem Ort zu führen, an welchem Toba Kagome gefangen hielt. Inu Yasha zögerte auch nicht lange und folgte der Krähe sogleich, als diese davonflog.

"Was sollen wir denn jetzt machen? Ob Inu Yasha es wirklich schafft? Wir können doch nicht einfach nur abwarten..." Shippou schaute Hilfe suchend zu seinen Freunden, aber diese schwiegen und schauten nunmehr nur mit äußerst ernsten und besorgten Gesichtern zu Boden. So gerne hätten sie Inu Yasha begleitet und ihn dabei unterstützt, Kagome zu retten. Aber ob sie wollten oder nicht, sie durften sich nicht einmischen. Das war wohl das Schlimmste für sie; dass sie dazu verdammt waren, einfach nur zu warten.

Sesshoumaru hingegen zeigte wie so oft keinerlei emotionale Regung. Aber auch ihn beschäftigte innerlich so mancher Gedanke, wenngleich es ihm dabei weniger um die Sicherheit von Inu Yasha oder Kagome ging. Doch es hatte etwas damit zu tun gehabt. Aus dem Seitenwinkel schaute er zu Kimie rüber, die spürbar nervös das Geschehen mitverfolgt hatte. Sesshoumaru sah es ihr deutlich an, sie wollte den beiden helfen, konnte es aber nicht. Und das nagte sehr an ihr.
 

Das Erste, was Kagome zunächst nur ganz schwach hören konnte, war das Plätschern von Wasser, als befände sie sich in der Nähe eines kleinen Wasserfalls.

>Was... was ist passiert?< Langsam öffnete das Mädchen schließlich die Augen. Im ersten Moment konnte sie nur schemenhaft etwas erkennen, aber dann wurde das Bild vor ihren Augen klarer. Eines war Kagome danach von vornherein klar gewesen: sie befand sich auf keinen Fall noch im Schloss. Stattdessen fand sie sich gefangen in einer Art durchsichtigen Kugel, die direkt über einem See in der Luft schwebte, mitten in einem Wald, umringt von lauter Bäumen wieder. Unter einem dieser Bäume entdeckte Kagome ihren Bogen und ihre Pfeile, die dort abgelegt worden waren, und hinter sich bemerkte sie dann auch jenen Wasserfall, den sie zuvor nur gehört hatte. Reflexartig griff sie sich nun aber an den Hals und tastete nach dem kleinen Behälter, in welchem sie ihre Juwelensplitter immer aufbewahrt hatte. Kagome erfühlte das dünne Band, an welchem der Behälter stets hing und als sie ihn unter ihrem Oberteil hervorzog, atmete sie innerlich erleichtert auf. Die Splitter waren noch da gewesen. Aber trotzdem beantwortete das noch lange nicht ihre zahlreichen Fragen, die ihr momentan durch den Kopf gingen.

"Was hat das alles zu bedeuten? Und wo bin ich hier überhaupt?", fragte sich das Mädchen daher verunsichert.

"Na? Hast du ausgeschlafen?", fragte plötzlich eine männliche Stimme.

Erschrocken schaute sich Kagome um. Sie kannte diese Stimme und als sie nach kurzem Suchen Toba auf dem Ast von einem der umherstehenden Bäume sitzen sah, bestätigte sich ihr Verdacht. In diesem Moment kamen in Kagome auch wieder die Erinnerungen an das, was zuletzt geschehen war, hoch. Toba war ganz plötzlich bei ihr im Zimmer aufgetaucht und hatte sie aus dem Hinterhalt überfallen. Anschließend musste er sie hierher entführt haben.

"Was soll das alles?!", fragte Kagome den Ryû-Youkai sofort äußerst aufgebracht. "Warum hast du mich angegriffen und entführt? Was hast du mit mir vor?"

"Hm! Drei Fragen auf einmal... Auf welche soll ich zuerst antworten?" Toba schaute mit einem kühlen Blick zu dem Mädchen hoch, ehe er sich mit seinen Schwingen in die Lüfte erhob und genau auf sie zuflog. Kagome wich daraufhin doch, so weit ihr das eben in ihrem engen Gefängnis möglich war, zurück. Mit einem triumphierenden Blick schaute Toba seine Gefangene an und erklärte ihr schließlich: "Die Sache ist eigentlich ganz einfach: Du bist mein Köder, Mädchen! Der perfekte Köder, um diesen Hanyou herzulocken. Und wenn er keine Angst hat, müsste er auch schon sehr bald hier eintreffen."

>Inu Yasha!?<, schoss es Kagome sofort durch den Kopf.

Ihr Blick verriet Toba ganz genau, was sie im Moment dachte. "Deinem Gesichtsaudruck nach zu urteilen, scheinst du genau zu wissen, wen ich meine, nicht wahr? Aber das ist ja auch nicht weiter schwer herauszufinden gewesen."

"Aber... was willst du denn von Inu Yasha?", fragte Kagome.

Diesmal verfinsterte sich Tobas Miene schlagartig etwas, als er antwortete: "Ich will ihm nur das geben, was er auch verdient. Nämlich einen langsamen und qualvollen Tod!"

Diese Ruhe, mit der Toba das gesagt hatte, jagte Kagome augenblicklich einen kalten Schauer über den Rücken. Es war nur eine Vermutung gewesen, aber so wie die Sache aussah, wollte Toba sich offensichtlich an Inu Yasha für das rächen, was mit Rokou passiert war. Aber nach wie vor blieb für Kagome in der Hinsicht die Frage offen, ob Tobas Bruder bei diesem Kampf wirklich von Inu Yasha getötet worden war. Dazu hatte sich der Ryû-Youkai bisher nicht geäußert. Toba drehte Kagome auch gerade wieder den Rücken zu, als wollte er weggehen, doch verharrte er gleich wieder auf der Stelle.

"Ach! Damit du dich nicht zu sehr langweilst, habe ich noch eine Kleinigkeit für dich." Toba schnippte einmal mit dem Finger und plötzlich begann sie sich Kugel, in der Kagome gefangen war, von innen langsam mit Wasser zu füllen. Erschrocken richtete sich das Mädchen reflexartig auf ihre Knie auf, aber um wirklich aufrecht zu stehen, dazu war die Kugel zu klein gewesen.

"Keine Sorge", meinte Toba beruhigend, wenngleich auch ein Unterton vom Heimtücke in seiner Stimme lag. "Bis Inu Yasha hier eintreffen wird, wirst du noch nicht ertrunken sein. Was hätte es denn bitte für einen Sinn, dich schon vorher zu töten? Er soll sich das ja schließlich mit ansehen."

Kagome starrte den Ryû-Youkai mit einer Mischung aus Furcht und Wut an. Die Angst um ihr eigenen Leben wich nunmehr der Angst vor dem, was Toba mit Inu Yasha vor hatte. Und Inu Yasha hatte sich schließlich von seinem Kampf mit Rokou noch immer nicht erholt. In diesem Zustand konnte er unmöglich auch noch gegen Toba kämpfen.

Während das Wasser in der Kugel langsam immer weiter anstieg, kreisten Kagomes Gedanken nur noch um eines: >Inu Yasha, komm nicht her! Das ist eine Falle! Bitte komm nicht her!<
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

>Mir scheint, die Sache kommt so langsam ins Rollen.<

Durchaus zufrieden verfolgte Naraku mit der Hilfe von Kannas Spiegel das Voranschreiten der Ereignisse. Noch lief alles so weit, wie er es sich gedacht hatte. Nur, dass Renhou und Yu ihren Kameraden suchen würden, hatte er nicht mit einberechnet, aber das sollte seinem Vorhaben keinen Abbruch tun. Noch war die Wahrscheinlichkeit groß, dass alles ganz in seinem Interesse enden würde.
 

Die Krähe, die Inu Yasha führte, flog den gesamten Weg voran, stets darauf bedacht, dass der Hanyou den Anschluss nicht eventuell verlor. Doch Inu Yasha hatte das fliegende Ungetüm immer genau im Blick.

>Kagome, hab keine Angst! Ich bin gleich bei dir und rette dich! Halte nur noch etwas durch!<

Auf keinen Fall würde Inu Yasha es zulassen, dass Toba Kagome etwas antun würde. Er würde sie um jeden Preis befreien. Koste es, was es wolle!

Schließlich konnte Inu Yasha beobachten, wie die Krähe zur Landung anzusetzen schien und letztendlich hinter einigen Baumkronen verschwand, also beschleunigte er seine Schritte noch etwas und rief dabei Kagomes Namen: "Kagome! Kagome! Wo bist du?!"

Zuerst kam jedoch keine Antwort zurück. Stattdessen hörte der Hanyou nun das Geräusch von Wasser, dass einen Wasserfall hinunterfloss. Instinktiv ahnte er, dass genau dort sein Ziel lag und so beeilte er sich, schnellstens dort hinzukommen.

Als Inu Yasha endlich aus den ganzen Büschen, durch die er sich die letzten Meter schlagen musste, herausgefunden hatte, stand er direkt vor einem See, in den ein Wasserfall floss. Und genau vor diesem Wasserfall schwebte in einigen Metern über dem See eine durchsichtige Kugel. Und in dieser Kugel war Kagome, die den Hanyou sofort entdeckte.

"Inu Yasha!?"

"Kagome!"

Inu Yasha lief bis zum Rande des Sees vor und rief zu dem Mädchen, das in der Kugel inzwischen bis zum Oberkörper im Wasser saß, hoch: "Kagome! Bist du unverletzt? Geht es dir gut?"

Doch anstatt entsprechend auf die Fragen zu antworten, rief Kagome nur eindringlich zurück: "Inu Yasha! Du musst fliehen! Das ist eine Falle! Bitte flieh!"

"Keh! Das weiß ich doch alles! Hältst du mich etwa für blöd?!", entgegnete der Hanyou trotzig und machte sogleich deutlich, dass er nicht mal im Traum daran dachte, wieder zu gehen.

Kagome versuchte erneut, auf ihn einzureden: "Aber...!"

"Kein aber!", widersprach Inu Yasha sofort wieder. "Ich werde garantiert nicht ohne dich wieder von hier weggehen, Kagome! Ich lasse dich hier auf keinen Fall zurück! Ich werde dich retten, egal, was es mich kosten wird!"

Kagome starrte wie gebannt zu Inu Yasha runter. Sein entschlossener Blick traf sich mit ihrem und seine Worte berührten sie wirklich sehr, wenngleich sie ihr auch ein wenig Angst machten. Angst davor, dass Inu Yasha in seinem momentanen Zustand etwas schlimmes zustoßen könnte, da seine Wunden schließlich noch nicht wieder verheilt waren.

"Inu Yasha...", flüsterte Kagome den Namen des Hanyou leise.

"Wie rührend! Da kommen einem ja glatt die Tränen!"

Kaum, dass sie beide diese Stimme gehört hatten, hatten sich Inu Yasha und Kagome sofort entsprechend umgewandt. Auf dem Ast von einem der umherstehenden Bäume entdeckten sie nun Toba und auf dem Baum nebenan saß die dämonische Krähe, die Inu Yasha hier hergeführt hatte.

"Wie schön! Du bist meiner Herausforderung also tatsächlich nachgekommen, Inu Yasha", sprach Toba kurz darauf weiter. "Ich wusste doch, dass du nicht widerstehen könntest, diesem Mädchen zur Hilfe zu kommen."

Er nickte einmal in Kagomes Richtung und auf seinem Gesicht erschien ein unheimlich wirkendes Lächeln, während sein Hauptaugenmerk die ganze Zeit auf Inu Yasha ruhte.

"Toba, du verdammter Mistkerl!", knurrte der Hanyou wütend und ballte die Hand zur Faust. "Hey! Ich warne dich! Lass Kagome sofort wieder frei, sonst reiße ich dich in Stücke!"

"Soll ich jetzt etwa Angst bekommen?", fragte Toba spöttisch und abrupt nahm sein Gesicht einen finsteren Ausdruck an. "Du spuckst ja ganz schön große Töne, Hanyou. Aber an deiner Stelle würde ich die Klappe lieber nicht so weit aufreißen! Ich werde schon noch dafür sorgen, dass du das, was du Rokou angetan hast, noch bitter bereuen wirst!"

Kagome hatte sofort aufgehorcht. Also doch! Wie sie es sich gedacht hatte, wollte Toba Rache für seinen Bruder nehmen. Und zu diesem Zweck hatte er sie entführt, um Inu Yasha aus der Reserve zu locken.

Inu Yasha selbst ließ sich von Tobas Drohung aber nicht unbedingt einschüchtern. Stattdessen zog er kampfbereit Tessaiga und entgegnete: "Wenn du unbedingt darauf bestehst, dann hau ich eben auch dich in Stücke! Kaze no Kizu!!"

Kraftvoll schlug er die Klinge des Schwertes, dessen Attacke genau auf den Ryû-Youkai zusteuerte, auf den Boden. Es bedurfte seitens Toba jedoch nur der Erschaffung eines Schutzschildes aus Wasser, um die Windwunde abzublocken.

Als er sah, dass sein Angriff gescheitert war, verfinsterte sich Inu Yashas Gesicht. "Mist!"

"Hm! Das war ja wohl nichts, oder?", fragte Toba spöttisch und ging nun seinerseits zum Angriff über und schickte eine Wasserfontäne direkt in die Richtung des Hanyou. Dieser Attacke hatte Inu Yasha zwar noch mit einem Satz nach hinten ausweichen können, doch er hatte kaum wieder festen Boden unter den Füßen gehabt, das spürte er, wie ihn etwas an der rechten Wange streifte und ein brennender Schmerz durchzuckte kurzzeitig seinen Körper.

"Verfluchter Dreck! Was war das?!" Inu Yasha schaute zu Toba hoch. Dieser hatte einen Teil des Wassers so manipuliert, dass er es nunmehr wie eine Art Peitsche verwenden konnte. Und mit einem Angriff mit eben genau dieser Peitsche hatte Toba dem Hanyou eine Schnittwunde an der Wange zugefügt.

"Hanyou... Deine letzten Minuten werden von Schmerzen und Qualen geprägt sein. Dafür werde ich mit dem allergrößten Vergnügen sorgen!", meinte Toba mit derart eiskalter Stimme, dass einem das Blut in den Adern hätte gefrieren können. Doch Inu Yasha ließ sich nicht einschüchtern. Kagome zu retten hatte für ihn oberste Priorität und er würde sie auf keinen Fall im Stich lassen. Dementsprechend entschlossen hielt er von daher Tessaiga wieder kampfbereit vor seinen Körper.

"Pah! Glaubst du etwa, dein blödes Gerede macht mir Angst?!", fragte Inu Yasha seinen Gegner provozierend. "Wenn ich erst mit dir fertig bin, wirst du dir wünschen, du wärst lieber zu Hause geblieben! Dich nehme ich genau auseinander wie deinen Versager von Bruder!"

Abrupt verengten sich Tobas Augen zu bedrohlich funkelnden Schlitzen. "Du wagst es, meinen Bruder zu verhöhnen?! Du scheinst deinen Platz nicht zu kennen, dreckiges Halbblut!"

Der Ryû-Youkai schwang seine Wasserpeitsche erneut in Inu Yashas Richtung, wobei er direkt auf Tessaiga zielte. Reflexartig riss Inu Yasha das Schwert wie zum Schutz nach oben, doch kam er mit diesem Manöver Tobas Angriff noch entgegen. Denn die Peitsche wickelte sich nun um Tessaigas Klinge und so war es Toba jetzt möglich gewesen, Inu Yasha mit einem einzigen kräftigen Ruck seine Waffe zu entreißen.

"Nein! Scheiße!!", fluchte der Hanyou, während er nur noch zusehen konnte, wie Tessaiga direkt neben dem See mit der Klinge im Boden stecken blieb. Um wieder an sein Schwert zu kommen, hätte Inu Yasha erstmal an Toba vorbeikommen müssen, doch dieser holte bereits zum nächsten Schlag aus und holte erneut mit seiner Peitsche aus. Inu Yasha wurde im Bereich der Brust getroffen und nach hinten geworfen. Während er noch auf dem Boden lag, trafen ihn immer wieder weitere Peitschenhiebe. Schützend hob er die Arme, damit wenigstens sein Gesicht geschützt war, doch bekam sein Umhang nach einigen weiteren Schlägen mehrere Risse.

Toba hingegen schien sich gar nicht sonderlich anstrengen zu müssen, Inu Yasha so in Mitleidenschaft zu ziehen. Beinahe schon gelassen schwebte er über seinem Gegner und gebrauchte lediglich seine rechte Hand, mit der er die Peitsche schwang. Für gewöhnlich hätte sich Inu Yasha von so einer Art Angriff nicht so dermaßen in die Enge treiben lassen, aber die Nachwirkungen von dem Kampf gegen Rokou waren noch immer deutlich zu spüren gewesen.

Toba schaute herablassend auf den Hanyou herab, als er erneut seine Peitsche schwang. Diesmal tat er dies jedoch so, dass er mit dieser das linke Bein des Hanyou zu fassen bekam. Sogleich riss er ihn nach oben die Luft, nur um ihn anschließend mit voller Wucht wieder auf den Boden zu schleudern.

Als er seinen Gegner nun so auf dem Boden liegen sah, flog Toba zu diesem hinunter und landete nur wenige Schritte neben ihm.

"Was ist jetzt?", fragte der Ryû-Youkai spöttisch. "Du hast eben doch noch so große Töne gespuckt. Wo bleibt also deine Gegenwehr?"

Mühsam öffnete Inu Yasha seine Augen. Es sah alles im ersten Moment noch sehr verschwommen, doch dass Toba im Augenblick genau neben ihm stand, entging ihm keinesfalls.

"Du... du Mistkerl!", knurrte der Hanyou und wollte sich wieder aufrichten. Doch da hatte Toba ihn schon am Hals gepackt und auf Augenhöhe nach oben gezogen.

"Wenn ich dich so ansehe, wird mir ein weiteres Mal klar, wie erbärmlich du doch eigentlich bist!", meinte er kalt. Dann schlug Toba die Krallen seiner freien rechten Hand plötzlich mit aller Kraft in Inu Yashas Brust, direkt auf der Höhe seines Herzens, und drückte ihn mit dem Rücken gegen einen Baum.

Sich das alles mit ansehend, schrie Kagome entsetzt auf: "Inu Yasha! Inu Yasha!!"

Schon die ganze Zeit hatte sie diesen ungleichen Kampf voller Angst mitverfolgt und mit jeder Sekunde schien für Inu Yasha alles wirklich nur noch schlimmer zu werden. Dieser versuchte unterdessen, Tobas Klauen wieder aus seiner Brust zu ziehen, doch dazu fehlte ihm im Augenblick die nötige Kraft. Und während er in das schmerzverzerrte Gesicht seines Gegners schaute, lächelte Toba heimtückisch.

"Es wäre jetzt ein Leichtes für mich, dir das Herz aus der Brust zu reißen, du Bastard!", meinte der Ryû-Youkai bedrohlich. "Aber das würde ja dann viel zu schnell gehen. Schließlich sollst du Drecksköter ja noch etwas leiden. Vielleicht sollte ich stattdessen einfach mal etwas an der Oberfläche kratzen."

Als sich Tobas Klauen daraufhin etwas tiefer in Inu Yashas Brust zu bohren schienen und der Hanyou einen qualvollen Schmerzenslaut ausstieß, kamen Kagome die Tränen.

"Aufhören! Bitte hör auf! Töte ihn nicht!", flehte sie Toba inständig und mit tränenerstickter Stimme an. "Ich tue alles, was du willst! Ich gebe dir auch die Juwelensplitter, aber bitte lass Inu Yasha am Leben!"

Aus dem Seitenwinkel schaute Inu Yasha mühsam in Kagomes Richtung. "K... Kagome..."

Aber Toba schien sich von dem Angebot des Mädchens eher wenig beeindrucken, geschweige denn bekehren zu lassen.

"Du hältst gefälligst dein vorlautes Mundwerk, Weib!", fuhr er Kagome nur an, während er Inu Yasha weiter gegen den Baum drückte. "Was glaubst du eigentlich, mit wem ihr es hier zu tun habt?! Wenn es mir um die Juwelensplitter gegangen wäre, hätte ich sie mir gleich unter den Nagel reißen können, als ich dich in meine Gewalt gebracht habe! Aber es geht mir um etwas ganz anderes. Und zwar um Rache für das, was du dreckiges Halbblut mit meinem Bruder gemacht hast!"

Mit dem letzten Satz hatte sich Toba wieder Inu Yasha zugewandt. Kagome erschrak. Zwar war ihr Tobas Charakter bisher nie wirklich vertraut gewesen, aber sie hatte ihn trotzdem sehr beherrscht in Erinnerung gehabt. Jetzt war die Sache aber irgendwie anders. Toba schien sehr verbittert und voller Hass gewesen zu sein. Hass, der sich ausschließlich gegen Inu Yasha richtete.

>Was soll ich nur tun?<, fragte sich Kagome verzweifelt. >Wenn nicht bald etwas passiert, dann wird er Inu Yasha ganz bestimmt töten! Inu Yasha!!<
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Im Schloss war die Stimmung unterdessen natürlich nicht besser geworden. Vielmehr war die Anspannung sogar noch angewachsen.

"Argh! Ich halte das nicht aus! Wir können doch nicht nur wie die Deppen hier herumstehen und Däumchen drehen!"

Kimie tigerte schon seit geraumer Zeit auf dem Hof hin und her. Natürlich war ihr klar gewesen, dass eine Einmischung von ihr und den anderen, Kagomes sicheren Tod bedeuten konnte, aber diese Warterei war einfach unerträglich. Und auch für die anderen aus Inu Yashas Gruppe war die Situation nur schwer zu ertragen gewesen.

"Das ist in der Tat eine schwierige Lage. Da wissen wir schon ganz genau, wo dieser Toba Kagome-sama hingebracht hat, und können trotzdem nichts machen!" Miroku schaute ernst auf seine rechte Hand. Mit seinem Kazaana hätte er Inu Yasha problemlos zur Seite stehen können, aber er durfte es diesmal nicht. Und auch Sango saß zusammen mit Kirara wie hilflos auf der untersten Treppe vor dem Eingang des Schlosses. Shippou hatte unterdessen bereits die ganze Zeit leise vor sich hingeschluchzt. Er ahnte schon das allerschlimmste und konnte seine Angst beim besten Willen nicht mehr verbergen. Auch Rin sah man die Angst über die Ungewissheit deutlich an. Zwar versuchte Inuki schon die ganze Zeit, das kleine Mädchen irgendwie zu trösten, aber das war doch nicht ganz so einfach gewesen. Jaken, der das ganze kommentarlos beobachtete, stand alldem eher gespalten gegenüber. Was aus Inu Yasha und Kagome werden würde, konnte ihm ja eigentlich herzlich egal sein, aber es stellte sich doch die Frage, was für Konsequenzen das alles mit sich ziehen würde. Egal, wie es letztendlich ausging.

Irgendwann brach es frustriert aus Kimie heraus: "Ach! Scheiß doch drauf! Ich geh da jetzt auch hin! Auf Teufel, komm raus!"

Doch sie war kaum zwei Schritte gegangen, da hatte Miroku sie schon am linken Handgelenk ergriffen. "Nicht, Kimie! Mal ganz abgesehen davon, dass du gar nicht weißt, wo sich der Treffpunkt befindet, zu dem Toba Inu Yasha bestellt hat, dürfen uns da nicht einmischen, sonst wird Kagome-sama..."

"Meine Güte! Das weiß ich doch selbst! Aber wir können doch nicht einfach nur abwarten!", schrie Kimie den Mönch beinahe schon an und schüttelte grob seine Hand wieder ab. "Du weißt es doch auch, Miroku! Inu Yasha mag Rokou zwar besiegt haben, aber er kann in seinem momentanen Zustand unmöglich auch noch gegen Toba gewinnen! Glaubst du echt, Toba wird Kagome verschonen, wenn er Inu Yasha erstmal erledigt hat?!"

Zugegeben, da war was Wahres dran gewesen. Wer garantierte denn, dass Toba Kagome letztendlich nicht trotzdem töten würde? Dennoch schienen sich die Freunde nicht einig darüber zu sein, ob sie sich wirklich einmischen sollten. Sie wollten es zwar, das sah man ihnen an, aber etwas hemmte sie nach wie vor.

Beobachtet wurde der Konflikt, in dem sich die Gruppe momentan befand, von den umherstehenden Inu-Youkai. Einige standen alldem zwar recht gleichgültig gegenüber, was kümmerte sie schließlich das Leben eines Menschenmädchens und eines Hanyou? Doch andere, wie zum Beispiel Ashitaka oder auch Kakeru, konnten sich hingegen gut in die Lage der Freunde hineinversetzen. Kakerus Aufmerksamkeit richtete sich nun auf Sesshoumaru, der die bisher schweigend mit dem Rücken an der geschlossenen Eingangstür gestanden hatte.

"Sesshoumaru-sama, Euch beschäftigt es doch genauso, wie die anderen. Nicht wahr?"

Auf diese doch sehr prüfend gestellte Frage hin, schaute Sesshoumaru auf. Er hätte lügen müssen, wenn er gesagt hätte, dass dem nicht so war, doch machte er sich in dem Zusammenhang Gedanken um eine andere Sache. Er kam wohl nicht drum herum, sich in diese Sache einzumischen.

Kurz darauf ging Sesshoumaru die Treppe hinunter an Sango vorbei und direkt auf Kimie, die noch immer Miroku gegenüberstand, zu. Ehe sie sich versah, hatte er sie im Vorbeigehen an der rechten Hand ergriffen.

"Komm mit!", wies Sesshoumaru das völlig überraschte Mädchen an.

"Was...? Moment mal, Sesshoumaru! Was hast du vor?", fragte Kimie den Youkai, der ungerührt antwortete: "Du willst den beiden ja offensichtlich helfen. Also komm!"

Augenblicklich machte ein erstauntes Raunen die Runde. Und kaum, dass er Sesshoumarus Aussage vernommen hatte, warf Shippou aufgeregt ein: "Aber wenn wir uns einmischen, dann wird Toba Kagome doch...!"

"Er wird sie so oder so töten", unterbrach Sesshoumaru den kleinen Kitsune sofort wieder. Und als er mit gewohnt kühler Stimme weiter sprach, herrschte augenblicklich totale Ruhe: "Es stimmt: Inu Yasha kann diesen Kampf nicht gewinnen. Und wenn er erst verloren hat, tötet Toba das Mädchen sowieso, wenn er das nicht schon vor Inu Yashas Augen tun wird. Ob wir uns nun einmischen oder nicht, es spielt dabei letztendlich keine Rolle. Aber so gibt es zumindest die Chance, dass sie doch wieder aus dieser Sache rauskommen. Wenn ihr Inu Yasha und dem Mädchen also helfen wollt, dann tut das!"

Der letzte Satz hatte sich an jeden aus Inu Yashas und Kagomes Gruppe gerichtet. Die Freunde warfen sich untereinander zunächst nur abwartende Blick zu, doch als Sango entschlossen aufstand und ihren Bumerang schulterte, war klar, was sie tun würden.

"Was Sesshoumaru sagt, ist richtig", sagte die Dämonenjägerin. "Es war ein Fehler von uns, Inu Yasha nicht schon von vornherein begleitet zu haben. Aber noch haben wir die Chance, Schlimmeres zu verhindern."

"Ja, du hast Recht, Sango!", pflichtete Miroku ihr bei. "Also lasst uns gehen!"

Sofort war Kirara nach vorne gesprungen und verwandelte sich in Flammen gehüllt in ihre größere Form. Sie ließ ein kämpferisches Fauchen verlauten, während sich Sango und Miroku auf ihren Rücken schwangen.

Kimie wollte dem natürlich auf keinen Fall nachstehen und rief sogleich Inuki zu sich. Dieser verwandelte sich ebenso wie Kirara schon zuvor in seine größere Form und ließ seine Herrin auf seinen Rücken steigen.

"Los geht's, Kirara!", rief Sango entschlossen, woraufhin sich ihre Dämonenkatze mit einem Sprung in die Lüfte erhob. Aber es gab noch jemanden, der bei dieser Rettungsaktion dabei sein wollte.

"Hey, wartet! Lasst mich nicht zurück!" Auch Shippou wollte seinen Freunden natürlich helfen, aber zu Fuß konnte er unmöglich mit ihnen mithalten. Zum Glück wartete Kirara noch auf den kleinen Kitsune und ließ ihn ebenfalls noch auf ihren Rücken springen. Nun konnte es losgehen und die Gruppe machte sich auf den Weg.

Rin winkte Sesshoumaru und den anderen zuversichtlich nach. "Kommt bitte bald wieder! Und passt gut auf euch auf!"

Der Großteil der Anwesenden blieb zurück. Hätte Sesshoumaru erwartet, dass einige seiner Leute sich an dieser Aktion beteiligten, hätten sie das auch getan, doch so blieben sie im Schloss, um auf die Rückkehr ihres Herrn zu warten. Ashitaka jedoch wollte nicht mehr einfach nur warten und machte von daher schon Anstalten, der Gruppe zu folgen. Aber da wurde er von Tôya an der Schulter ergriffen und zurückgehalten: "Warte, Ashitaka! Lass mich an deiner Stelle mit ihnen mitgehen. Du bist schließlich noch nicht wieder ganz gesund."

Mit einem leichten Lächeln nickte der Jüngere einverstanden. "In Ordnung. Danke, Tôya."

"Bitte sei vorsichtig, Nii-sama", bat Miyuki ihren Bruder, ehe dieser sich nun ebenfalls auf den Weg machte. Recht schnell hatte er die Gruppe um Sesshoumaru auch schon eingeholt.

Kimie staunte nicht schlecht, als der Inu-Youkai plötzlich neben ihr und Inuki auftauchte. "Huch?! Du kommst auch mit?"

"Eigentlich wollte Ashitaka euch begleiten", erklärte Tôya. "Aber ich dachte mir, es ist besser, wenn ich an seiner Stelle gehe."

Das war auch schon alles, was er dazu zu sagen gehabt hatte, ehe er mit einem Satz dicht hinter Sesshoumaru, der die Gruppe anführte, in die Baumkronen sprang.

"Glaubt ihr, wir kommen noch rechtzeitig?", fragte Shippou seine Freunde besorgt.

Mirokus ohnehin schon ernstes Gesicht wurde nach dieser Frage noch ernster. "Das werden wir bald genau wissen."

Egal, was in der Zwischenzeit auch passiert war, sie mussten sich beeilen, wollten sie Inu Yasha und Kagome noch rechtzeitig zur Hilfe kommen.
 

Und Hilfe konnten Inu Yasha und Kagome momentan wirklich mehr als gebrauchen, wenn es nicht eventuell schon zu spät war. Denn noch immer wurde Inu Yasha von Toba festgehalten und war fast unfähig, sich zu bewegen. Doch gerade, als Kagome schon damit rechnete, dass Toba den Hanyou jeden Augenblick töten würde, zog der Ryû-Youkai seine Klauen wieder aus dessen Körper heraus. Erschöpft sank Inu Yasha zu Boden, während Tobas kalter Blick auf ihm ruhte.

"Hm! Dass du Rokou besiegen konntest, war wohl wirklich nichts weiter als Glück. Ohne dein ach so tolles Schwert bist du doch nichts, wertloser Mischling!"

Inu Yasha hob schwer atmend seinen Blick. Der Hass in seinen Augen war unübersehbar gewesen, doch diesen scheinbar gänzlich ignorierend schritt Toba stattdessen auf Tessaiga zu, welches noch am Ufer des Sees im Boden steckte. Sich das Schwert ein wenig betrachtend, legte er sich nachdenklich eine Hand ans Kinn. Momentan sah Tessaiga nur aus, wie eine alte, verrostete Klinge. Nichts war mehr von der Stärke und imposanten Erscheinung zu sehen gewesen.

"Und dieses Ding soll wirklich so viel Kraft besitzen?", fragte sich Toba und wollte Tessaiga an dessen Griff berühren, doch da bekam er gleich die abwehrende Reaktion von dessen Barriere zu spüren und zog seine Hand wieder zurück.

"Dann ist es also wahr", bemerkte er unbeeindruckt. "Das Schwert kann von einem Youkai wie mir nicht geführt werden."

"Keh! Natürlich nicht!", hörte man im Hintergrund Inu Yasha sagen. "Glaubst du ernsthaft, so ein dreckiger Abschaum wie du könnte Tessaiga in die Hand nehmen, geschweige denn einsetzen?!"

Toba drehte sich zu Inu Yasha, der inzwischen wieder auf die Beine gekommen war, um.

"Dreckiger Abschaum, ja?", wiederholte der Ryû-Youkai prüfend. "Du scheinst da etwas zu verwechseln, mein Freund. Denn im Gegensatz zu dir, besitze ich reines Youkai-Blut. Dein Blut hingegen ist vermischt mit dem eines Menschen und somit verunreinigt. Wer von uns beiden ist also so gesehen hier der Abschaum?"

"Laber keinen Scheiß!", knurrte Inu Yasha. "Die Einstellung von Kerlen wie dir ist mir bestens bekannt! Aber hier geht es nicht darum, was für ein Blut in einem fließt, sondern darum, für was gekämpft wird! Ich bin hier, um Kagome zu retten und davon lasse ich mich nicht abbringen, weder von dir noch von sonst wem!"

"Reiten wir jetzt auf den Motiven für unsere Kämpfe herum?", fragte Toba gelangweilt, ehe sich sein Blick abrupt wieder verfinsterte. "Du scheinst dein Motiv ja für sehr edel zu halten, aber im Grunde kämpfst du doch auch nicht aus einem anderen Grund als ich!"

Inu Yasha horchte irritiert auf. "Was soll der Quatsch denn wieder bedeuten?!"

"Ganz einfach", antwortete Toba. "Eigentlich willst du doch auch nur deine Rache an mir ausüben, genau wie ich an dir. Nur willst du deine Geliebte rächen. Ich hingegen räche meinen Bruder. Du siehst, wir handeln beide aus der so ziemlich gleichen Motivation heraus."

"Blödsinn!", knurrte Inu Yasha wütend zurück. "So wie du das sagst, hört sich das an, als ginge es mir vorrangig darum, dich zu erledigen. Aber dem ist nicht so! Kagomes Rettung hat für mich den absoluten Vorrang, kapiert?! Du bist da vollkommen zweitrangig!"

"Inu Yasha..." Während sie von ihrem Gefängnis aus den Konflikt zwischen Inu Yasha und Toba beobachtete, spürte Kagome die Tränen in sich aufsteigen. Inu Yasha konnte sich kaum noch wirklich auf den Beinen halten und trotzdem setzte er alles daran, sie zu retten.

"Du meine Güte! Was für eine Gefühlsduselei...", seufzte Toba hingegen nur genervt auf. "Du behauptest also, es ginge dir nicht vorrangig um Rache, Hanyou. Nun gut, mal sehen, ob du das in ein paar Sekunden immer noch so siehst."

Zwar hatte Toba etwas drum herumgeredet, aber Inu Yasha ahnte dennoch, dass er irgendetwas vor hatte, und zwar mit Kagome! Das musste er unbedingt verhindern! Inu Yasha griff sich mit seinen Klauen an die blutende Wunde an seiner Brust und startete einen Angriff. "Hijinkessou!"

Ein Flügelschlag genügte und Toba wich der Attacke mit den fliegenden Klingen aus Blut scheinbar mühelos aus. Das war jedoch genau die Chance, auf die Inu Yasha gehofft hatte. Denn jetzt konnte er sich endlich Tessaiga wieder holen. Doch kaum, dass er das Schwert wieder an sich genommen hatte, verharrte Inu Yashas Blick auf dem Geschehen, das sich nun direkt vor seinen Augen abspielte. Toba hatte sich nach seinem Ausweichmanöver direkt zu Kagome begeben. Er griff in die Kugel, in der sie gefangen war, packte das Mädchen am Kragen ihrer Schuluniform und riss sie aus ihrem Gefängnis.

Entsetzt sah Inu Yasha das mit an. "Kagome!"

Kagome versuchte sich mit aller Kraft von Tobas Griff zu lösen, doch blieb sie erfolglos. Toba selbst schaute die ganze Zeit nur mit diesem eiskalten Blick in Inu Yashas Richtung, ehe er ebenso zu sprechen begann: "Du erinnerst dich sicherlich noch daran, Hanyou. Ich sagte dir vorhin, dass du das, was du Rokou angetan hast, noch bitter bereuen wirst. Nun, dieser Moment ist jetzt gekommen." Sein Griff um Kagomes Kragen wurde fester, während das Wasser im See unter den beiden plötzlich sehr unruhig wurde. Den Blick abwechselnd vom Wasser zu Toba und Kagome richtend, hörte Inu Yasha nun wieder die Stimme des Ryû-Youkai: "Du hast es gewagt, dein Schwert gegen meinen Bruder zu erheben. Und zur Strafe werde ich dir nun das wegnehmen, was dir am wichtigsten ist, und zwar dieses junge Mädchen hier!"

Und mit diesen Worten warf Toba Kagome auch direkt in das aufgewühlte Wasser unter sich hinein. Zwar tauchte Kagome recht schnell wieder auf, aber da schlugen mit einem Mal Wellen über dem Kopf des Mädchens zusammen und drückten es wieder unter Wasser.

"Kagome!!" Inu Yasha wollte Kagome sofort zur Hilfe eilen, doch stellte sich ihm Toba in den Weg und kreuzte die Klinge seines Schwertes mit der von Tessaiga.

"Nicht doch! Du wirst ihr doch nicht etwa zur Hilfe kommen wollen, oder?", fragte Toba höhnisch und verhinderte jeden weiteren Versuch Inu Yashas, Kagome noch zu helfen. Letztendlich stieß er ihn grob wieder zurück, so dass der Hanyou auf den Boden fiel. Dann schaute Toba noch einmal zurück zum See. Noch immer tobte das Wasser, doch von Kagome war nichts mehr zu sehen gewesen. Ein selbstgefälliges Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

"Sie aufzuschlitzen, hätte nur ihre zarte Haut ruiniert. Deswegen dachte ich mir, sie stattdessen besser einfach ertrinken zu lassen."

In Inu Yashas Ohren war das der blanke Hohn. Doch im Moment hatte er echt anderes im Kopf, als sich über Tobas Äußerungen zu empören. Stattdessen rappelte er sich nur rasch wieder auf und eilte zum See. Diesmal wurde er auch nicht von Toba zurückgehalten. Dieser schnippte hingegen nur einmal mit dem Finger und schon begannen die Wellen schnell wieder nachzulassen.

Als sich das Wasser endlich wieder gänzlich beruhigt hatte, blieb Kagome hingegen verschwunden. Inu Yasha sprang ins Wasser und versuchte krampfhaft, sie irgendwo zu entdecken oder ihren Geruch wahrzunehmen, aber beide Versuche das Mädchen zu finden, schlugen fehl.

"Nein...! Kagome..."

Immer wieder tastete er sich mit den Händen durch das Wasser, er tauchte sogar mehrmals unter, um Kagome eventuell unter der Oberfläche zu entdecken, doch ohne Erfolg. Toba schaute sich die mühsamen Versuche des Hanyou, das Mädchen zu finden ohne eine Spur von Mitgefühl oder dergleichen an.

"Tja! Das dürfte es wohl gewesen sein", meinte er und schulterte sein Schwert. "Wie zerbrechlich Menschen doch sind. Findest du nicht auch, Inu Yasha?"

Doch Inu Yasha schien dem Ryû-Youkai überhaupt nicht zuzuhören. Er stand jetzt nur noch völlig teilnahmslos bis zu den Hüften im Wasser des Sees, den Blick starr auf die Oberfläche gerichtet. Plötzlich brach es voller Verzweiflung aus ihm heraus: "Kagome! Nein, Kagome! KAGOMEEEE!!"

"Spar dir den Atem!", sagte Toba ungerührt. "Sie kann dich ohnehin nicht mehr hören, und du vergeudest auch nur deine noch vorhandene Energie."

Als er das gehört hatte, kam in Inu Yasha wieder der ganze Hass hoch. Er drehte sich mit verachtungsvollen Blick zu Toba um, nur um ihn auf der Stelle mit Tessaiga anzugreifen. "Halt dein Maul, du verfluchter Mistkerl! Dafür, dass du sie umgebracht hast, wirst du bezahlen, du Bastard!!"

Mit blinder Wut griff Inu Yasha seinen Gegner an und schlug mit Tessaiga zu. Doch Toba wich der Attacke ohne viel Aufwand aus und stieß den Hanyou mit einem kräftigen Schlag in den Rücken mit dem Griff seines Schwertes zu Boden. Als Inu Yasha aber sofort wieder aufstehen und zurückschlagen wollte, schlug ihm Toba abermals Tessaiga aus der ohnehin schon geschwächten Hand, drückte ihn mit einem Fuß, den er ihm auf die Brust setzte, wieder auf den Boden und rammte schlussendlich noch die Klinge seines Schwertes in die linke Schulter des Hanyou. Dieser hatte kaum mehr noch die Kraft zu schreien.

"Anscheinend ist dir dein letztes bisschen Selbstbeherrschung auch noch abhanden gekommen, nachdem du deine Geliebte verloren hast, was?", fragte Toba herablassend. "Sieh es doch ein! Du hast verloren! Du hast ja nicht mal mehr genug Kraft, um dein Schwert festhalten zu können. Aber ich tue dir gerne noch den Gefallen und schicke dich zu deiner Freundin in die Unterwelt. Das wird sicherlich ein herzzerreißendes Wiedersehen werden!"

Tobas Worte trafen Inu Yasha wie tausend Messerstiche. Da wurde der Schmerz seiner Wunden schon regelrecht zur Nebensache. Es war dem Anschein nach wirklich wahr: er hatte Kagome verloren. Sie war tot. Wofür sollte Inu Yasha also noch kämpfen? Es gab doch so gesehen nichts mehr, wofür er hätte kämpfen können. Er war schließlich hergekommen, um Kagome zu retten. Aber er hatte versagt. Er hatte ihr nicht helfen können. Sollte er wenigstens noch seine letzten Kräfte mobilisieren und versuchen, sich an Toba rächen? Aber was hätte ihm das gebracht? Kagome konnte er auf diese Weise nicht zurückholen. Warum sich also noch die Mühe machen, wenn es eh aussichtslos war? Inu Yasha sah es ein, er konnte diesmal nicht gewinnen.

Toba hingegen hatte gewonnen. Er hatte erreicht, was er wollte. Inu Yasha war am Boden, sein Kampfgeist war gebrochen und es gab nichts mehr, wofür er kämpfen wollte. Und jetzt würde Toba seine Rache an dem Hanyou vollenden.

"Was ist mit dir? Hast du etwa nicht mehr den Willen, dich zu wehren? Bist du jetzt etwa wirklich am Ende?", fragte der Ryû-Youkai kalt, während er sein Schwert wieder aus Inu Yashas Schulter herauszog. Aber auch jetzt regte sich der Hanyou nicht. Es war anscheinend wirklich vorbei.

"Tja! Du hättest eben nicht den Fehler machen dürfen, dich in Youkai-Angelegenheiten einzumischen, Hanyou! Allerdings, für Reue ist es ohnehin zu spät", sprach Toba weiter und erhob sein Schwert, um Inu Yasha damit den Todesstoß zu versetzen. "Sayonara! Es war mir eine außerordentliche Freude, dich kennen gelernt zu haben, Inu Yasha."

Nur noch wenige Sekundebruchteile trennten Toba von der Vollendung seines Vorhabens, als er die Klinge seines Schwertes auf Inu Yasha niedersausen ließ. Doch wie aus dem Nichts spürte er plötzlich diese ungewöhnliche Kraft, und kaum hatte er sie so richtig registriert, prallte etwas Leuchtendes an seinem Schwert ab und verhinderte somit den entscheidenden Schlag. Toba hatte seine Waffe gerade noch so festhalten können.

"Was zum Teufel...?!" Er wandte den Blick zur Seite um und traute seinen Augen kaum. Direkt am See entdeckte er ausgerechnet Kagome und diese hatte sich inzwischen ihren Bogen und ihre Pfeile zurückgeholt. Nachdem sie den ersten gerade erst abgeschossen hatte, hatte sie schon den zweiten Pfeil auf den Bogen gespannt.

"Was?! Sie lebt noch?!" Toba konnte es noch immer nicht fassen. Wie hatte Kagome es bitte geschafft zu überleben? Hatte er sie unterschätzt?

Kagome selbst war zwar von oben bis unten komplett durchnässt und auch noch reichlich außer Atem von ihrem erfolgreichen Kampf gegen das Ertrinken, doch die Erschöpfung war im Moment totale Nebensache gewesen.

"So schnell wirst du mich nicht los! Und jetzt geh weg von Inu Yasha! Sofort!!", rief Kagome Toba mahnend zu und zielte mit ihrem Pfeil genau auf ihn.

>Kagome...?!<, schoss es Inu Yasha sofort durch den Kopf, als er die Stimme des Mädchens vernommen hatte. Die anfängliche Verwirrung wich schnell einem unglaublichen Gefühl der Erleichterung. Kagome war am Leben und es ging ihr gut! Und sie hatte ihn diesmal gerettet.

Kagomes Aktion stieß bei Toba allerdings nicht gerade auf große Begeisterung, eher im Gegenteil.

"Du hättest besser auf den Tod warten sollen, anstatt dich so starrköpfig dagegen zu wehren", sagte er kalt. "Ich wollte es dir möglichst angenehm gestalten, so jedoch wird es mir ein Vergnügen sein, dich ebenso langsam zu Tode zu quälen wie ihn hier!"

Kagome zuckte etwas zusammen, wollte sich aber auf keinen Fall einschüchtern lassen. Standhaft hielt sie weiterhin Pfeil und Bogen fest.

"Ich habe keine Angst vor dir!", rief sie Toba entschlossen entgegen. "Und es werden auch nicht Inu Yasha und ich sein, die in diesem Kampf unterliegen werden!"

Und mit diesen Worten schoss Kagome den zweiten Pfeil ab, der in ein helles Licht getaucht genau auf Toba zusteuerte. Doch sie hatte den Ryû-Youkai anscheinend unterschätzt. So einfach ließ dieser sich nämlich nicht außer Gefecht setzen. Dem Pfeil wich Toba mit einem Satz aus, nur um blitzschnell genau auf Kagome zuzufliegen. Diese konnte unmöglich schnell genug reagieren und einen neuen Pfeil aus ihrem Köcher ziehen.

Inu Yasha hörte nur, was sich gerade unweit von ihm abspielte, aber er konnte nichts machen. Auch sonst hätte er den Angriff auf das Mädchen auf keinen Fall mehr verhindern können.

>Kagome! Lauf weg! Bitte flieh!<

Er sah schon das Schlimmste voraus, da unterbrach mit einem Mal der Krach von berstendem Holz die Kampfhandlungen. Kurz darauf tauchte zwischen den Bäumen etwas großes Fliegendes auf, das genau auf Toba zusteuerte. Als dieser sah das fliegende Objekt auf sich zukommen sah, wich er aus, so dass es ohne weiteren Schaden anzurichten weiterflog, ehe es den selben Weg zurückflog, den es zuvor gekommen war. Kagome hatte dieses fliegende Etwas gleich erkannt. "Sango-chans Hiraikotsu!"

Und da hörte sie auch schon Sangos Stimme ihren Namen rufen: "Kagome-chan!"

Und noch erleichterter und glücklicher war Kagome, als sie ihre Freunde und auch Kimie zusammen mit Inuki, sowie Sesshoumaru und Tôya endlich erblickte. "Ihr seid da! Dem Himmel sein Dank!"

"Kagome! Ist alles in Ordnung?", rief Kimie ihrer Cousine zu, die mit einem Nicken antwortete: "Ja, mir ist nichts passiert. Aber Inu Yasha ist verletzt!"

Kirara landete direkt neben dem Hanyou, und auch Inuki ließ Kimie bei diesem von seinem Rücken steigen.

"Was... was habt ihr denn hier verloren? Ich sagte euch doch, ihr sollt wegbleiben...!", sagte Inu Yasha geschwächt, wenngleich er innerlich doch froh gewesen war, über diese Wendung der Ereignisse.

Shippou nutzte diese Bemerkung jedoch sofort, um den Hanyou sofort etwas ins Gebet zu nehmen: "Na, du bist ja echt gut! Sei doch froh, dass wir hergekommen sind, sonst wärst du garantiert nur elend abgekratzt!"

Normalerweise hätte Inu Yasha dem Kitsune nach so einer Bemerkung eine deftige Kopfnuss verpasst, aber er wusste diesmal, dass Shippou in Wirklichkeit nur mächtig besorgt gewesen war. Und das offensichtlich zu recht, denn Inu Yasha ging es wirklich schlecht. Er konnte sich kaum noch bewegen.

"Inu Yasha..." Kagome hatte sich neben ihn gekniet und versuchte, mit ihm zu sprechen. Inu Yasha drehte sein Gesicht zu dem Mädchen um. Zwar sagte er nichts, aber man sah ihm die Erleichterung darüber, dass Kagome lebte und unversehrt war, ganz deutlich an. Auch Kagome war froh, dass Inu Yasha noch lebte. Es hatte diesmal wirklich nicht mehr viel gefehlt.

Unterdessen stand Toba nunmehr Sesshoumaru und Tôya gegenüber.

>Verflucht! Mussten die ausgerechnet jetzt hier auftauchen?!<, fluchte der Ryû-Youkai innerlich. Fast hätte er sein Ziel erreicht, aber im letzte Moment war sein Vorhaben einfach so durchkreuzt worden. Eine Flucht kam für ihn aber auf keinen Fall in Frage! Wenn es sein musste, würde er eben gegen alle hier Anwesenden kämpfen.

"Wenn du schlau bist, dann entscheidest du dich für einen Rückzug", meinte Sesshoumaru an Toba gerichtet, während er Toukijin zog. "Ich sehe es nämlich nicht gerne, wenn Fremde meine Ländereien als Schauplatz für ihre unsinnigen Aktionen missbrauchen."

"Tse! Glaubst du, mich interessiert das?", fragte Toba aber nur patzig zurück. "Mal abgesehen davon nehme ich von einem wie dir keine Ratschläge oder gar Anweisungen entgegen!"

"Stimmt! Für so was hast du ja schließlich deinen eigenen Herrn", erwiderte Sesshoumaru kühl. "Dann werde ich dich eben hier und jetzt töten."

Als er kampfbereit sein Schwert vor seinen Körper hielt, tat Toba das gleiche. Sesshoumaru wies zuvor noch Tôya an, sich nicht einzumischen, ehe er den Ryû-Youkai angriff. Die Klingen der Schwerter prallten klirrend aufeinander. Es dauerte aber gerade mal drei weitere Schläge, bis Sesshoumaru seinen Gegner kraftvoll hatte zurückstoßen können, so dass dieser zu Boden fiel. Dann steuerte er mit erhobener Klinge genau auf Toba zu. Dieser konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Würde Sesshoumaru zuschlagen, wäre es vorbei. Schon beinahe reflexartig kniff Toba die Augen zusammen und wartete auf den entscheidenden Schlag. Doch dieser blieb aus, stattdessen hörte er das laute Aufeinanderprallen zweier Klingen. Als Toba wieder aufschaute, hielt er kurzzeitig den Atem an. "Re... Renhou!"

Im letzten Augenblick hatte Renhou Toukijin mit seiner Lanze abwehren können, bevor Sesshoumaru Toba den Todesstoß hatte versetzen können. Mit einem Schlag mit seiner Waffe drängte Renhou den Inu-Youkai erstmal wieder zurück, ehe er sich zu Toba umdrehte. "Du bist echt ein Idiot, Toba! Was soll dieser ganze Quatsch?!"

Nun doch etwas missmutig stand Toba wieder auf. "Halte mir jetzt um Himmels Willen keine Predigt, Renhou! Was haben du und Yu hier eigentlich verloren?"

"Ha! Diese Frage sollten wir wohl eher dir stellen! Ich habe dir doch ausdrücklich gesagt, dass du keine Alleingänge machen sollst!"

Renhou hatte deutliche Mühe dabei, seine Wut über Tobas voreiliges Handeln zu unterdrücken. Dazu schweig Toba jedoch und wandte nur den Blick von seinem Gegenüber ab. Auch Yu, der sich inzwischen ebenfalls zu seinen beiden Kameraden gesellt hatte, wohnte der Situation schweigend bei.

Renhous Aufmerksamkeit galt hingegen recht schnell wieder Sesshoumaru und den anderen.

"Was ist? Wollt ihr jetzt alle drei kämpfen?", fragte der junge Mönch, der sich unter ihnen befand, und bereits die Gebetsperlen an seiner rechten Hand umfasste.

Renhou konnte sich noch sehr gut an Mirokus Kazaana erinnern. Aber das war nicht der Grund, weshalb er dessen Frage verneinte: "Nein! Ich schlage vor, wir belassen es erstmal dabei und gehen für heute wieder getrennte Wege."

Dieser Vorschlag wurde von den meisten mit großer Überraschung aufgenommen. War das vielleicht eine Falle? Dem schien jedoch nicht so gewesen zu sein, denn Sesshoumaru steckte bereitwillig sein Schwert wieder ein.

"Wie du meinst", sagte er. "Dann gestatte ich dir und deinen beiden Kameraden die Rückkehr in euer Schloss."

"Sesshoumaru..." Kimie schaute den Youkai mit einem Blick, der Verwirrung und eine Prise Unverständnis in sich vereinte. Warum ließ er die drei Ryû-Youkai einfach ziehen? Schließlich waren sie Todfeinde seines Clans. Aber er musste sich schließlich etwas dabei gedacht haben, sonst hätte er nicht so entschieden.

Und auch bei den Ryû-Youkai schien eine gewisse Form von Anstand vorhanden gewesen zu sein, denn nachdem Sesshoumaru klar gestellt hatte, dass er Renhou, Yu und Toba ohne eine Fortsetzung des Kampfes gehen lassen wollte, neigte Renhou sogar leicht den Oberkörper wie zur dankenden Verbeugung nach vorne.

"Wir gehen!", wie er seine Kameraden direkt danach an. Während Yu dem Befehl ohne Widerworte folgte und sich mit seinen Schwingen sogleich in die Lüfte erhob, wollte Toba zuerst protestieren, unterließ es dann jedoch, als er in Renhous ernstes Gesicht sah und folgte Yu stattdessen. Schlussendlich folgte Renhou den beiden, begleitet von den Blicken der zurückgebliebenen Gegner.

"Ihr lasst sie wirklich gehen, Sesshoumaru-sama?", fragte Tôya seinen Herrn.

"Früher oder später treffen wir uns wieder", entgegnete Sesshoumaru ruhig, ehe seine Aufmerksamkeit sich auf die anderen richtete, die sich um Inu Yasha herum versammelt hatten. Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, war Inu Yasha diesmal chancenlos gewesen. Dass er überhaupt noch lebte, war reines Glück.

"Es tut mir so Leid, Inu Yasha...", entschuldigte sich Kagome reumütig und mit vereinzelten Tränen in den Augen. "Das ist nur passiert, weil du mir helfen wolltest."

"Ach, das ist halb so wild", antwortete Inu Yasha leicht lächelnd. "Hauptsache, du lebst und bist gesund. Kagome..."

Als er seine linke rechte Hand etwas hob, hielt Kagome diese sofort fest. Eine einzelne Träne lief über ihre Wange. Eine Träne der Erleichterung darüber, dass Inu Yasha noch lebte.

"Bringen wir ihn zurück zum Schloss", schlug Sango vor und half Miroku nun dabei, den Hanyou auf Kiraras Rücken zu verfrachten. Kagome würde zusammen mit Shippou und Kimie auf Inuki zurück reiten. Während sich die Gruppe nun aufbruchfertig machte, ging Kimie vorher noch zu Sesshoumaru.

"Sesshoumaru... Vielen Dank dafür, dass du mit uns hergekommen bist", sagte sie zu ihm. Er nickte einmal.

"Komm jetzt. Wir gehen zurück", meinte er letztendlich mit ruhiger Stimme an sie gerichtet und so machten sich alle wieder auf den Rückweg.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

"Hm! Ein unerwarteter Zwischenfall..."

Naraku hatte nicht damit gerechnet, dass Renhous und Yus Einmischung in diese Geschichte zu einer derartigen Wendung führen würde. In der Tat hatte er es ursprünglich nämlich eigentlich darauf angelegt, dass der Kampf unter allen Beteiligten weitergeführt werden und unter Einkalkulierung des einen oder anderen Verlustes ausgehen würde. Eigentlich waren Renhou und Yu nur wenige Augenblicke zu früh aufgetaucht. Hätten sie sich erst etwas später in das Geschehen eingemischt, hätte Toba sicherlich im Kampf gegen Sesshoumaru den Kürzeren gezogen. Und dass Inu Yasha und Kagome da ebenfalls heil rauskommen würden, hätte Naraku auch nicht unbedingt erwartet, hatte es schließlich schon relativ schlecht für die beiden ausgesehen. So war sein Plan diesmal durchkreuzt worden. Allerdings schien ihn das bereits nicht weiter zu stören. Dann würde Naraku eben auf die nächste Gelegenheit warten, seine Pläne in die Tat umzusetzen.

Der Kampf gegen Renhou - Sesshoumaru in Bedrängnis

Der Mond stand schon seit geraumer Zeit am Himmel und die Dunkelheit der Nacht ließ die spitzen Berge im Norden wie geisterhafte, bedrohliche Schatten wirken. Es herrschte eine gespenstische Stille, nur das Schlagen der Flügel einiger Flugdrachen störte diese Stille hin und wieder. Nur einige wenige hielten sich noch in unmittelbarer Nähe des Schlosses auf. Die meisten waren zur nächtlichen Jagd aufgebrochen.

Kaum, dass sie wieder zu ihrem Schloss zurückgekehrt waren, nahm sich Renhou Toba wegen dessen alleingängerischer Aktion sofort zur Brust, in Form eines kräftigen und ernüchternden Schlages mit der Faust.

"Toba, du verdammter Idiot! Was hast du dir dabei gedacht?!", brüllte Renhou seinen auf dem Boden liegenden Kameraden schon beinahe an. "Verflucht noch mal! Ich hatte dich eigentlich für klüger gehalten! Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was noch hätte passieren können?!"

"Renhou! Reg dich doch bitte nicht so auf!", versuchte Yu die Situation wieder etwas zu entschärfen, aber ungeachtet dessen packte Renhou Toba nun auch noch am Kragen und zog ihn wieder auf die Beine.

"Du bist wirklich ein Vollidiot!", wetterte er weiter. "Ich habe dir doch ausdrücklich gesagt, dass du nichts auf eigene Faust unternehmen sollst! Und trotzdem kommst du mit so einer bescheuerten Aktion um die Ecke!"

Toba, dem man den Missmut über Renhous Äußerungen mittlerweile deutlich ansah, riss sich grob vom Griff des anderen los. "Tse! Hätte ich etwa warten sollen, bis sich dieser Inu Yasha wieder von seinem Kampf gegen Rokou erholt hätte?"

"Darum geht es nicht!", entgegnete Renhou. "Aber solche Entscheidungen, ob und wann wir gegen wen kämpfen, trifft nur Akuma-sama, sofern es sich nicht um spontane und unvorhergesehene Konfrontationen handelt!"

"Ach! Wenn sich diese anderen Typen nicht eingemischt hätten, hätte ich sowohl Inu Yasha als auch dieses Weib erledigt!"

"Du kannst vom Glück sagen, dass du so gesehen noch heil davongekommen bist! Denn gegen Sesshoumaru hättest du garantiert verloren!"

"Wenn du dir so große Sorgen um meine Sicherheit machst, warum warst du dann damit einverstanden, dass man mich neulich allein zum Schloss der Inu-Youkai geschickt hat?"

"Das war etwas anderes! Da war genau festgelegt, dass du dich auf keinen ernsthaften Kampf einlassen solltest, außerdem hatten wir im Vorfeld alles genau durchdacht!"

"Ich habe diesmal auch alles genau durchdacht und ich hätte damit auch Erfolg haben können!"

"Aber das hast du nicht, zum Teufel!" Allmählich war Renhou mit seiner Geduld wirklich am Ende angelangt. Er hatte das Gefühl, als redete er gegen eine Wand. So wie es zur Zeit um Tobas Einstellung bestellt war, hätte er in allzu naher Zukunft wohl nicht an sein logisches Denken appellieren können, also ließ es Renhou erst mal gut sein und wandte sich zum Gehen um. "Also ehrlich, das ist doch wirklich nicht zu fassen!", fluchte er noch im Weggehen. Zurück blieben Toba und Yu. Letzterer nahm die andauernde Verärgerung seines Kameraden noch immer ganz genau war.

"Nimm es ihm bitte nicht zu übel, Toba. Renhou hat sich deinetwegen wirklich Sorgen gemacht und wollte dir lediglich helfen", versuchte Yu zu erklären, doch Toba wirkte wenig einsichtig.

"Pah! Hält der sich etwa für meine Mutter? Ich brauche keinen Aufpasser! Den habe ich nie gebraucht!" Und damit kehrte er Yu den Rücken zu und verschwand in die entgegen gesetzte Richtung, wie zuvor Renhou.

Yu kam um ein Seufzen nicht mehr herum. Alles schien mittlerweile wirklich nur noch außer Kontrolle zu geraten. Wohin sollte das letztendlich noch führen?
 

Von dem momentanen Ärger seines Bruder hatte Rokou bisher noch nichts mitbekommen. Stattdessen vertrieb er sich im Augenblick seine Zeit damit, ungestört auf einem der Hinterhöfe seine Kampftechniken zu trainieren. Die Zeit, die er wegen des Kampfes mit Inu Yasha hatte aussetzen müssen, war ihm wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen, aber er konnte es sich nicht leisten, noch länger sinnlos herumzusitzen. Rokou fing klein an mit dem Beschwören eines Feuerwirbels, der seinen Körper umkreiste. Er spürte es selbst, die Kraft war schwächer, als es für gewöhnlich der Fall gewesen war. Auch fiel es ihm schwerer, die Beschwörung eine längere Zeit aufrecht zu erhalten, was ihm sonst immer spielend gelang. Schließlich musste Rokou wohl oder übel abbrechen und abrupt verschwand das Feuer wieder.

"Mist!", fluchte er verärgert. "Ich bin wohl immer noch nicht wieder ganz fit."

"Was erwartest du? Du hast schließlich einiges einstecken müssen."

Kaum, dass er diese Stimme vernommen hatte, hatte sich Rokou umgedreht. Genau hinter ihm stand keine fünf Meter entfernt sein Bruder Toba. Es schien, als hätte er schon etwas länger dort gestanden.

"Übertreib es nicht, Rokou. Es ist nicht verwunderlich, dass du noch nicht wieder ganz auf der Höhe bist. Also zwing dich nicht jetzt schon wieder zu Höchstleistungen."

"Mag schon sein, aber ich kann schließlich nicht nur herumsitzen", entgegnete Rokou auf die Worte seines Bruders. "Außerdem geht es mir schon wieder ganz gut. Ich bin nur noch etwas schlapp, das ist alles." In diesem Augenblick fiel Rokou jedoch etwas an Toba auf. "Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?"

Toba schaute zuerst ziemlich überrascht drein, wusste dann aber gleich, was Rokou gemeint hatte und legte sich kurz die Hand an die rechte Wange, an welcher noch die Spuren von Renhous Schlag zu sehen gewesen waren. "Ach, du meinst das? Das ist nichts. Nur ein kleiner Denkzettel von Renhou."

Nun war es Rokou gewesen, der überrascht war. "Was ist denn passiert?"

Doch Toba schüttelte nur den Kopf. "Das erzähle ich dir bei Gelegenheit in aller Ruhe. Aber mal was anderes, geht es dir wirklich wieder besser?"

"Ja, es ist wirklich alles wieder so weit in Ordnung. Dank deiner Hilfe." Denn ohne die Lebensenergie, die Toba von sich auf Rokou übertragen hatte, hätte Rokou nicht mal die erste Nacht nach dem Kampf gegen Inu Yasha überstanden. Und dafür war Rokou seinem Bruder auch wirklich mehr als dankbar gewesen.

"Und dein Flügel?", fragte Toba schließlich weiter. Rokou warf daraufhin eine prüfenden Blick auf seinen linken Flügel. Die Spuren des Kampfes waren deutlich sichtbar gewesen und würden wohl auch nicht wieder verschwinden. Die dünne Flughaut wies an mehreren Stellen Beschädigungen in Form von Rissen auf. Auch waren manche Wunden noch nicht gänzlich verheilt. "Kannst du damit überhaupt fliegen?", fragte Toba vorsichtig weiter.

Rokou wirkte selbst ein wenig unsicher. "Das bleibt abzuwarten. Ich habe es noch nicht ausprobiert."

Allerdings würde Rokou für die nahe Zukunft was das Fliegen anbelangte den anderen Ryû-Youkai gegenüber klar benachteiligt sein. Damit lief er aber zugleich Gefahr, der Willkür seiner Artgenossen ausgesetzt zu werden. Wies nämlich irgendein Mitglied der Ryû-Youkai in irgendeiner Form körperliche Schwäche auf, war es nicht unüblich gewesen, dass die anderen genau diesen in die Mangel nahmen. Körperliche Stärke und Unversehrtheit waren praktisch unerlässlich, wenn man innerhalb des Clans bestehen wollte. Das wusste auch Toba, doch er würde den Teufel tun es einfach so zuzulassen, dass jemand versuchte Rokou zu schaden. Mit der Rückendeckung, die er von seinem Bruder zweifellos erhalten würde, hatte Rokou noch immer relativ gute Karten, obwohl er es eigentlich hasste, in gewisser Form von anderen abhängig zu sein. Von daher hoffte er für sich selbst, dass seine übrigen Wunden rasch verheilen würden.

Als Rokou nun versuchte, einmal kräftig insbesondere mit dem linken Flügel zu schlagen, musste er das jedoch gleich wieder abbrechen. Ein stechender Schmerz hatte sich sofort über seine Schulter bis zu seinem Rücken durchgezogen. Unweigerlich zuckte Rokou in sich zusammen und sank auf die Knie.

"Rokou! Bist du okay?" Toba war gleich an die Seite seines Bruders geeilt, um ihn zu stützen.

Auf die Frage nickte Rokou kaum merklich. "Ja, alles klar. Es wird aber wohl doch noch etwas dauern, bis ich wieder voll einsatzfähig bin."

Es schien, als versuchte er seine Situation mit einem Funken Selbstironie zu sehen, doch Toba senkte reumütig den Blick. "Tut mir Leid..."

"Was meinst du damit?" Rokou verstand nicht, worauf sein Bruder mit dieser Entschuldigung hinaus wollte.

Erst als Toba weiter sprach, wurde es ihm klar: "Ich hätte da sein und dir zur Seite stehen müssen. Aber ich war es nicht. Wäre ich dort gewesen, dann wärst du wahrscheinlich nicht so schwer verletzt worden."

"Toba..." Das hatte in Rokous Ohren gerade so geklungen, als machte sich Toba ganz allein für das verantwortlich, was mit ihm passiert war. Diesen Zahn wollte Rokou ihm ganz schnell wieder ziehen. "Jetzt hör aber mal auf! Wenn man dich so reden hört, könnte man ja den Eindruck bekommen, du müsstest mich bemuttern. Aber trotz dieses Zwischenfalls kann ich auch ganz gut auf mich selbst aufpassen."

Und trotzdem fühlte sich Toba noch immer für Rokou verantwortlich.

"Hör mal, lass es besser für heute gut sein und ruh dich lieber noch etwas aus", schlug er ihm vor. Rokou widersprach dem auch nicht, sondern nickte einverstanden. Er hätte schließlich selbst nichts davon gehabt, wenn er sich durch Unvorsicht eventuell nur noch selbst weiter schaden würde.
 

"Bilde ich mir das nur ein oder ist es hier in letzter Zeit recht unruhig geworden?", fragte sich Akuma sarkastisch, während er eine Hälfte seines Spiegelbildes in der Klinge seines Schwertes beäugte. Mit ihm im Raum befand sich Takeshi, der fast zeitgleich wie Renhou, Yu und Toba von seinem geheimen Ausflug zu Sesshoumarus Schloss wieder hierher zurückgekehrt war. Anscheinend hatte Akuma gar nicht bemerkt, dass sich sein jüngerer Bruder für eine gewisse Zeit rar gemacht hatte.

Plötzlich schreckte Takeshi hoch, als er ein dumpfes Geräusch wahrnahm. Akuma hatte die Klinge seines Schwertes in den hölzernen Fußboden gerammt. Als wäre dieser lediglich aus Butter gewesen, hatte er dem Klingenstoß nachgeben müssen, und als Akuma das Schwert wieder herauszog, hinterließ dieses im Holz eine deutlich sichtbare Kerbe.

"Um ehrlich zu sein, ich hätte nichts dagegen einzuwenden, sofort und auf der Stelle bei Sesshoumaru einzumarschieren", meinte er mit einem hinterhältigen Lächeln.

"Akuma! Hältst du das alles wirklich für eine gute Idee?", fragte Takeshi jedoch vorsichtig. "Ich meine, die Zusammenarbeit mit Naraku... Ich traue ihm nicht. Irgendetwas an diesem Kerl ist faul!"

Für die Einwände seines Bruder hatte Akuma nur einen desinteressierten Blick übrig. "Willst du mir wieder mit deinem Gerede über Frieden mit Sesshoumarus Clan ankommen?"

"Nein, das hat damit überhaupt nichts zu tun! Aber versteh mich doch bitte! Ich mache mir Sorgen!"

Diesmal war Takeshi in seiner Aussprache deutlicher und auch entschiedener gewesen. Als versuchte er mit aller Kraft, Akuma von seinem Vorhaben abzubringen. Doch da stieß er bei diesem auf taube Ohren. Akuma hatte weder Gehör für Takeshis Bedenken noch für andere Dinge, die seine Vorgehensweise oder gar sein angestrebtes Ziel in Frage stellten. Von daher schwieg er sich zu Takeshis letzter Äußerung nur aus. Er wollte über dieses Thema nicht mehr diskutieren, er war es leid. Auch Takeshi wusste nun nicht mehr, was er noch hätte sagen können. Außerdem wollte er mit etwaigen weiteren Bemerkungen nicht eventuell die Missgunst seines Bruders auf sich ziehen.

Doch schließlich war es Akuma, der plötzlich wieder das Wort ergriff: "Übrigens, Takeshi. Wo hast du dich eigentlich rumgetrieben? Du warst doch vorhin weg, oder?"

Takeshi erschrak. Zwar hatte er sich zuvor auf eine derartige Frage vorbereitet, doch nachdem Akuma bisher kein einziges Wort bezüglich dessen verloren hatte, hatte er dieses Thema schon wieder abgehakt. Jetzt musste sich Takeshi aber doch noch irgendwie herausreden.

"Ich brauchte nur mal etwas Zeit für mich. Es war nichts Besonderes", antwortete er von daher, spürte aber ganz genau Akumas prüfenden Blick auf sich ruhen. Auf keinen Fall durfte er sich seine aufkommende Unsicherheit jedoch anmerken lassen. Es grenzte schon ein wenig an Ironie, dass ausgerechnet das unerwartete Auftauchen Narakus Akumas Aufmerksamkeit wieder von Takeshi ablenkte.

"Ich hoffe doch, ich störe nicht?", fragte Naraku, nachdem er das Zimmer betreten hatte. Er war wie üblich mit seinem weißen Pavianfell bekleidet, trug jedoch die dazugehörige Maske nicht. Akuma verneinte seine Frage zwar, wollte aber sogleich den Grund für Narakus Erscheinen erfahren.

Takeshi hingegen nutzte die Gelegenheit und verließ die Privaträume seines Bruder fürs Erste wieder. Aus dem Seitenwinkel warf er zwar einen flüchtigen Blick auf Naraku, verschwand direkt danach aber durch die Tür.

"Mir scheint, euer Verhältnis ist gerade ein wenig angespannt", wagte Naraku zu behaupten, kaum, dass Takeshi gegangen war.

Akuma winkte jedoch ab. "Das ist nichts, was dich in irgendeiner Form zu interessieren hat. Sag schon! Was möchtest du?"

"Oh, eigentlich nichts, was von großer Bedeutung wäre", antwortete Naraku, wenngleich es ein wenig geheimnisvoll klang. "Ich wollte dir bezüglich des Problems mit den Inu-Youkai nur einen kleinen Vorschlag machen. Vielleicht sollten wir eine andere Taktik anwenden."

Akuma horchte auf. "Ach? Und was genau soll das bitte für eine Taktik sein?"

Mit einem geheimnisvollen Lächeln drehte sich Naraku in Richtung Tür um. "Komm herein, Kohaku."

Die Tür öffnete sich und herein trat ein Junge, der wie ein Dämonenjäger gekleidet war. Akuma erkannte in Kohaku sofort jenen Jungen wieder, der schon bei Naraku gewesen war, als dieser das erste Mal hier im Schloss aufgetaucht war. Seither war Kohaku aber nicht mehr aufgetaucht. Bis jetzt...

"Das ist der jüngere Bruder der Dämonenjägerin Sango", sprach Naraku weiter. "Sie würde lieber sterben, anstatt ihm irgendetwas anzutun, egal wie sehr er sich auch gegen sie und ihre Freunde stellen wird."

Akuma trat auf Kohaku zu und musterte ihn genau. "Und du glaubst, der Junge wird uns eine Hilfe sein?"

Naraku lächelte heimtückisch. "Glaub mir, Akuma. Wenn wir Kohaku mit ins Spiel bringen, dürfte diese Sache zumindest sehr unterhaltsam werden."

Als wollte er ihn genauer abschätzen, umkreiste Akuma den Jungen einmal. Kohaku zeigte dabei keinerlei Reaktionen. Er stand einfach nur da, als wäre er bloß eine Puppe. Schließlich blieb Akuma wieder stehen. Er hob Kohakus Kinn ein wenig an, um ihn besser ansehen zu können. Auch der Blick des Jungen kam dem Ryû-Youkai merkwürdig vor. Er war vollkommen leer, als existierte keinerlei Leben darin. Auch war nicht ersichtlich gewesen, was genau gerade in Kohaku vorging. Denn er zeigte weder Angst, noch Unsicherheit oder etwas anderes. Aber das gab es eigentlich nicht! Jeder Mensch hatte schließlich irgendwelche Gefühlsregungen.

Akuma ließ wieder von ihm ab. "Dieser Junge ist bereits tot. So ist es doch, oder?"

"Du hast es also gemerkt." Naraku nickte einmal. "Ja, du hast Recht, er ist tot, allerdings hält ihn ein Splitter des Shikon no Tama nach wie vor am Leben. Entfernt man den Splitter jedoch, stirbt er endgültig."

In diesem Augenblick glaubte Akuma, in Kohakus Rücken etwas leicht aufleuchten zu sehen. So schnell wie es kam, verschwand dieses Leuchten jedoch auch wieder. Das musste der Splitter gewesen sein, von dem Naraku gesprochen hatte.

"In Ordnung", sagte Akuma schließlich. "Dann soll der Junge ruhig in die westlichen Länder gehen."

Naraku verneigte sich leicht. "Wie du es wünschst."

Gemeinsam mit Kohaku verließ er das Zimmer nun wieder.

Akuma hatte seinerseits noch eine Weile den Blick nachdenklich auf die geschlossene Tür gerichtet. Zwar hatte er sein Einverständnis für Narakus Vorschlag gegeben, aber so ganz wollte er dem Hanyou doch nicht die Zügel in diesem Fall überlassen. Akuma rief einen seiner Gefolgsleute zu sich. Als dieser eintraf, kniete er gleich vor seinem Herrn nieder. "Was wünscht Ihr, Akuma-sama?"

"Schicke Renhou zu mir. Ich habe einen Auftrag für ihn."
 

Am Fuße der Berge hielt sich indes eine junge Miko im nahe gelegenen Wald versteckt. Geisterhaft wurde sie von ihren Seelenfängern umkreist. Doch verschwanden sie eiligst außer Sicht, als das dumpfe Schlagen von mächtigen Schwingen hörbar wurde. Ein lautes Brüllen hallte durch die Luft.

Kikyou schaute nach oben. Riesige Dämonen mit schwarzen Schwingen zogen ihre Bahnen an den Berghängen. Ihr drachenähnliches Aussehen ließ den Schluss zu, dass sie mit den Ryû-Youkai, von denen Kikyou durch Kimie erfahren hatte, zu tun hatten.

>Irgendwo da oben müssen sie sein. Aber ich kann hier nicht weiter. Selbst, wenn es mir gelingen würde, weiter ins Gebirge vorzudringen, ich weiß zu wenig über diese Ryû-Youkai, als dass ich es riskieren könnte, ihnen im Kampf zu begegnen.<

Außerdem spürte Kikyou Narakus bösartige Aura nicht. Ob es aber nun daran lag, dass er sich vermutlich gar nicht hier aufhielt oder ob seine Aura schlichtweg in der der Ryû-Youkai unterging, konnte sie nicht erahnen. Um sicher zu gehen, ob Naraku hier war, schickte Kikyou zwei ihrer Seelenfänger ins Gebirge, damit sie sich etwas umsahen. Dann hieß es zunächst abwarten...
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

In der Zwischenzeit trieben sich an den Grenzen der westlichen Länder ein paar alte Bekannte am Ufer eines Flusses herum.

"Hä? Drachen sagt ihr?" Kouga sah seine beiden Kameraden Ginta und Hakkaku fragend an, die gerade von einer Erkundung zurückgekommen waren.

"Ja, wir haben vorhin welche gesehen", antwortete Ginta auf Kougas Frage. "Das waren ganz schön große Viecher und sie flogen Richtung Norden in die Berge."

Kouga zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Er hatte zwar schon vieles gesehen, aber so was wie Drachen war auch er bisher noch nicht über den Weg gelaufen.

"Großvater hat auch mal etwas in der Art erwähnt", warf Ayame auf Gintas Aussage hin ein. "Im Norden scheint es schon seit längerer Zeit nicht mehr sicher zu sein. Aber man erzählt sich sowieso schon seit geraumer Zeit, dass dort irgendetwas haust, was jetzt wieder aktiv geworden ist."

"Vielleicht ein Youkai-Stamm?", fragte sich Hakkaku.

Kouga verschränkte mir ernster Miene die Arme vor der Brust. "Möglich. Aber vielleicht hat ja auch Naraku etwas damit zu tun. Der Kerl hat ja schließlich fast überall seine Finger im Spiel. Es würde mich nicht wundern, wenn er auch hier wieder mitmischt."

"Und was schlägst du nun vor, Kouga?", fragte Ayame, die sich in letzter Zeit öfters bei dem Wolfsdämon und dessen Kameraden aufhielt, wenn sich ihre Wege mal wieder kreuzten, so wie auch diesmal. Allerdings war es in diesem Fall schon ein großer Zufall gewesen, dass Ayame den anderen Wolfsdämonen über den Weg gelaufen war. Denn anders als Kouga und seine Freunde, die ja nach wie vor auf der Suche nach Naraku waren, zog Ayame nicht ständig mit ihrem Rudel von einem Ort zum anderen. Sie war nur allein etwas in der Gegend unterwegs gewesen und hatte dabei Kouga und die anderen getroffen. Auf ihre Frage schien dieser aber gleich zu wissen, was er als nächstes tun würde.

"Wir gehen nach Norden und sehen uns die Sache mal an", meine Kouga entschlossen. Er wollte jedem möglichen Hinweis nachgehen, der ihn zu Naraku führen könnte. Sein Vorschlag wurde von Ginta und Hakkaku mit erschöpften Seufzern aufgenommen.

"Oh je... Das heißt also, wir rennen wieder quer durch die Gegend?", fragte Hakkaku, als hätte er gerade eben schon einen Kilometer-Sprint hinter sich gebracht, und Ginta fügte ebenso hinzu: "Außerdem wissen wir doch nur, dass diese Drachen oder was auch immer die genau sind, nach Norden geflogen sind. Ich meine, wer weiß, vielleicht haben sie in der Zwischenzeit schon wieder eine ganz andere Richtung eingeschlagen."

"Das werden wir ja dann wohl noch erfahren", meinte Kouga aber nur unbeirrt und Ginta und Hakkaku war gleich klar, sie würden ihren Anführer nicht umstimmen können. Aber eines war ihnen allen klar: Der Weg nach Norden dürfte ein anstrengendes Unterfangen werden.

"Ich kenne einen Weg, der zumindest zu Anfang nicht so anstrengend ist", bemerkte Ayame mit einem Mal und deutete in eine Richtung. "Dieses Gebiet dort drüben ist nicht so dicht bewaldet. Sprich, ihr würdet sehr schnell vorwärts kommen und feindliche Dämonen halten sich da auch nicht auf, da sie ja meist die Wälder bevorzugen."

Kouga nickte einverstanden. "Gut! Dann nehmen wir diesen Weg."

Gesagt, getan! Und schon machten sich die Wolfsdämonen in Begleitung ihres Wolfsrudels auf den Weg. Ayame begleitete die Gruppe erst mal noch etwas, da deren Weg sich teilweise auch mit ihrem, der sie zurück zu ihrem Rudel führen würde, deckte. Zuerst ging es jedoch noch durch etwas bewaldetes Gebiet, und zwar durch ein sehr dicht bewaldetes, weshalb die Gruppe zunächst nur im Schritttempo vorwärts kam.

"Wir sollten hier noch etwas vorsichtig sein", meinte Ayame leise. "Dieser Wald markiert die Grenze zu den westlichen Ländern und so weit ich es von meinem Großvater gehört habe, befindet sich hier das Territorium der Inu-Youkai."

Kouga hatte sofort aufgehorcht. "Die Inu-Youkai? Du meinst so ein paar Hunde wie dieser Köter Inu Yasha?"

Ayame schaute angesichts von Kougas doch recht abfällig klingender Bemerkung reichlich perplex drein. "Sag bloß, das weißt du nicht Kouga!?", tadelte sie ihn schon fast. "Die Inu-Youkai kontrollieren immerhin den gesamten Westen des Landes! Außerdem gehört ihre Rasse zu den mächtigsten Youkai überhaupt."

Ginta und Hakkaku wurden sofort kreidebleich.

"Äh... Vielleicht nehmen wir doch lieber einen anderen Weg...", schlug Hakkaku eiligst vor, doch Kouga winkte ab.

"Ach, was! Diesen Wald haben wir ohnehin schnell durchquert und dann ist die Sache auch erledigt. Mal abgesehen davon, dass ich nicht vor ein paar kläffenden Kötern weglaufe, glaube ich nicht, dass sie sich ausgerechnet jetzt alle an der Grenze zu ihrem Territorium aufhalten. Also macht euch nicht ins Hemd!"

Wenn ihr Anführer etwas sagte, dann galt dies auch, da halfen keine Widerrede. Also gaben Ginta und Hakkaku ihren Widerstand auf.

Die kleine Gruppe der Wolfsdämonen und ihre Wölfe schritt noch eine Weile durch den Wald, als man in der Luft auf einmal diese merkwürdigen Geräusche wahrnehmen konnte. Es klang irgendwie wie ein Donnern, war aber keines. Kouga richtete seinen Blick durch das Blätterdach der Bäume zum Himmel hinauf. Was auch immer dort war, es kam immer näher...

Plötzlich flogen drei große Schatten über den Wald, begleitet von ohrenbetäubendem Gebrüll.

"Geht in Deckung! Das sind diese Drachen!", rief Hakkaku panisch aus und duckte sich eiligst. Die Flugdrachen flogen so dicht über den Bäumen, dass ihre peitschenartigen Schwänze die obersten Äste abschlugen. Einigen größeren Ästen mussten Kouga und seine Begleiter ausweichen.

"Wir hätten doch einen anderen Weg nehmen sollen!", jammerte Ginta.

Kouga verdrehte genervt die Augen. "Meine Güte! Jetzt hört endlich mit diesem Geheule auf!"

Da bemerkte er, wie die drei Flugdrachen mit einem Mal im Sturzflug zu Boden schossen. Unweit der Wolfsdämonen verschwand der Erste von ihnen in den Bäumen. Lautes Gebrüll hallte durch den Wald, als sich aus diesem mit einem mal die Gestalt einen riesigen Hundes erhob. Er hielt das fliegende Ungetüm mit seinen scharfen Zähnen am Hals fest. Die rot glühenden Augen erfassten sogleich die beiden übrigen Flugdrachen. Diese erhoben sich unter heftigen Flügelschlägen wieder in die Lüfte, doch ihre versuchte Flucht fand ein jähes Ende, als zwei weitere Hunde aus dem Wald sprangen und die Ungetüme vom Himmel holten. Man hörte nur noch die Geräusche von dem, was sich nun abspielte. Nur der erste der drei Hunde war noch im Blickfeld von Kouga und den anderen. Er schien die Wolfsdämonen jedoch noch nicht bemerkt zu haben.

"Erst Drachen und jetzt auch noch riesige Hunde! Was ist denn heute bloß los?", fragte sich Ginta fassungslos.

Hakkaku hingegen seufzte auf. "Uff! Zumindest diese Drachen wären schon mal erledigt..."

Als sie alle jedoch dieses bedrohliche Knurren hörten, verschwand seine Erleichterung rasch wieder. Ein dunkler Schatten legte sich über die Gruppe.

Hakkaku schaute auf und schluckte. Die drei Dämonenhunde waren auf die Fremden aufmerksam geworden und hatte sie eingekesselt.

"Aber irgendwie habe ich trotzdem nicht das Gefühl, dass sich unsere Lage groß gebessert hätte..."
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Kikyou spürte, dass ihre Seelenfänger von ihrem Erkundungsflug zurückkehrten, aber im Nachhinein erkannte sie, dass es lediglich noch einer war, der zu ihr flog. Sie ließ ihn auf ihrer Hand landen.

"So ist das also. Trotzdem danke für eure Mühen."

Ihre Seelenfänger hatten gar nicht wirklich tief ins Gebirge vordringen können, denn Außenposten der Ryû-Youkai hatten die fliegenden Wesen sofort angegriffen, kaum dass diese in den Luftraum der Youkai eingedrungen waren. Einer der Seelenfänger war getötet worden, während der andere noch hatte fliehen können. Anscheinend ließen die Ryû-Youkai keinen fremden Dämonen oder anderen Wesen irgendeine Chance, ihr Territorium zu betreten.

Im Moment war es hier nicht mehr sicher. Vielleicht würden die Ryû-Youkai nach diesem Zwischenfall auch die nähere Umgebung genauer in Augenschein nehmen. Deshalb entschloss sich Kikyou dazu, sich erst mal wieder zurückzuziehen. Vielleicht würde sich in naher Zukunft noch eine Gelegenheit ergeben, sich hier etwas genauer umzusehen. Doch gerade als sie sich zum gehen umwandte, verharrte sie wieder auf der Stelle, denn jemand versperrte ihr den Weg.

"Was sucht eine Miko so weit abseits jeglicher menschlichen Siedlung?", fragte Renhou äußerst prüfend. Kikyou jedoch blieb ruhig, während sie nun einen Pfeil aus ihrem Köcher entnahm. Aber auch, als sie damit direkt auf ihn zielte, blieb Renhou unbeeindruckt an Ort und Stelle stehen.

"Antworte mir! Arbeitet ihr mit einem Hanyou zusammen, der sich Naraku nennt?"

Renhou horchte auf, ließ sich äußerlich aber nichts anmerken. "Ich glaube nicht, dass ich mich von einer Frau bedroht fühlen sollte, die bereits tot ist. Auch, wenn sie über gewisse spirituelle Kräfte verfügen mag. Oder legst du es darauf an, noch einmal zu sterben?"

Kikyou ließ Pfeil und Bogen wieder sinken, aber keinesfalls aus Furcht oder dergleichen. Zwar würde ihr dieser Youkai keine Antworten auf ihre Fragen geben, aber ebenso wenig schien er es im Grunde darauf abgezielt zu haben, sie anzugreifen. Eine Bedrohung im eigentlichen Sinne war er so gesehen offensichtlich nicht. Auch machte er soeben ohnehin Anstalten, wieder zu gehen.

"Ich habe keine Zeit, mich noch länger mit dir zu beschäftigen. Aber in deinem eigenen Interesse gebe ich dir den gut gemeinten Rat, dass du möglichst schnell wieder von hier verschwindest. Uneingeladene Besucher schätzen wir im Grunde nämlich nicht sonderlich. Schon gar nicht, wenn sie uns auszuspionieren versuchen." Renhou deutete auf Kikyous Seelenfänger, die sie umkreisten.

Kikyou brauchte nicht lange, um für sich selbst festzustellen, dass Renhou derjenige gewesen sein musste, der einen ihrer Seelenfänger auf dessen Erkundungsflug getötet hatte. Offenbar hatte er sich danach von dem anderen praktisch zu ihr führen lassen, ohne, dass sie es bemerkt hatte.

"Hör besser auf das, was ich dir eben gesagt habe und geh", riet Renhou ihr noch schlussendlich, ehe er sich mit einem Flügelschlag in die Lüfte erhob, ohne Kikyou noch mal eines Blickes zu würdigen.

Kikyou schaute ihm noch eine ganze Weile hinterher. Dieser Youkai hätte sie eigentlich töten können, wenn er es wirklich gewollt hätte. Irgendetwas Merkwürdiges war ganz offensichtlich im Gange gewesen. Kikyou beschlich immer mehr der Verdacht, dass das alles etwas mit Naraku zu tun hatte. Aber so wie die Dinge momentan standen, konnte sie nicht viel ausrichten. Denn sollte Naraku wirklich mit diesem Dämonenclan unter einer Decke stecken, konnte sie allein wohl nicht bestehen...

Renhou hingegen machte sich schon sehr bald keine Gedanken mehr um Kikyou, aber dafür um etwas anderes in dem Zusammenhang.

>Naraku scheint in der Vergangenheit ja schon so manchen Groll auf sich gezogen zu haben. Merkwürdig... Wer ist der Kerl wirklich und was führt er eigentlich im Schilde?<
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Unbekümmert ging Miyuki an diesem Morgen durch die Gänge des Schlosses. Sie hatte ein klares Ziel und zwar Ashitakas Zimmer. Mittlerweile hatte er sich von Takeshis Attacke wieder ganz gut erholt, trotzdem wollte sie auch heute wieder nach ihm sehen, nachdem sie seit ihrem ersten Besuch praktisch nicht mehr von seiner Seite gewichen war. Nur, um sich selbst ein wenig schlafen zu legen, war sie für die Nacht wieder in ihr eigenes Zimmer zurückgegangen, obwohl sie zugegebenermaßen auch gerne bei Ashitaka geblieben wäre. Umso fröhlicher war sie, als sie jetzt wieder vor seinem Zimmer stand und anklopfte. "Ashitaka! Ich bin's!"

"Komm rein, Miyuki-chan!"

Nichts Böses ahnend öffnete Miyuki nach dieser Aufforderung die Schiebetür. "Hallo! Ich wollte nachschauen, wie's dir heute Morgen so... Eh?!"

Abrupt brach sie mitten im Satz ab und starrte nur noch wie gebannt in den Raum. Ashitaka stand mit entblößtem Oberkörper vor ihr, den weißen Haori, den er stets unter seinem blauen trug, noch in den Händen haltend. Miyukis Gesicht wurde bei diesem Anblick mindestens genau so rot wie ihr eigener Kimono es war.

"Ist was?", fragte Ashitaka angesichts von Miyukis eigenartigem Gesichtsausdruck ein wenig irritiert.

Miyuki selbst war noch immer wie vor den Kopf gestoßen, bis es aus ihr heraus brach: "Ashitaka! Zieh dir auf der Stelle was an! Du hättest mich doch wenigstens vorwarnen können!"

Verwundert schaute Ashitaka an sich herunter. "Was redest du denn da? Sag bloß, du wirst wegen so einer Kleinigkeit verlegen?"

Er verstand die Welt nicht mehr. Schließlich sah Miyuki ihn so nicht zum ersten Mal so. Aber in der Hinsicht benahm sie sich schon seit einiger Zeit hin und wieder recht seltsam. Allerdings nahm Ashitaka Miyukis Verhalten gleich zum Anlass, sich mit einem frechen Grinsen zu einer gewagten Frage hinreißen zu lassen: "Sag mal, darf ich deine Verlegenheit etwa so interpretieren, dass du Interesse an mir hast?"

Augenblicklich lief Miyuki wie eine überreife Tomate knallrot an. "WAS?! Du... du spinnst ja wohl! So weit kommt's noch!"

Ashitaka lachte auf. "Ganz ruhig! Das war doch nur ein Scherz!"

Im ersten Moment noch ein wenig wie vor den Kopf gestoßen, zog Miyuki nun ziemlich beleidigt einen Schmollmund. >Blödmann! Macht er das vielleicht mit Absicht?<

Und dabei schien Ashitaka nicht einmal zu ahnen, wie Recht er in Wahrheit gehabt hatte. Aber allmählich war sich Miyuki wirklich nicht mehr sicher, ob er wirklich vollkommen ahnungslos war oder ob er sie lediglich zum Narren hielt. Eventuell ahnte er ja doch bereits, dass sie in ihn verliebt war, aber wenn das stimmte, warum sprach er sie nicht einfach direkt und ohne dabei solche Witze zu reißen darauf an? Ob er sie auf diese Weise aus der Reserve locken wollte?

Miyukis Gedankengänge wurden letztendlich wieder von Ashitaka, der sich inzwischen fertig angezogen hatte, unterbrochen: "Weißt du, ich wollte gerade etwas in den Garten. Möchtest nicht vielleicht mitkommen?"

Zunächst hatte Miyuki diesen noch etwas beleidigten Gesichtsausdruck aufgesetzt, doch dann nickte sie mit einem leichten Lächeln. "Gerne!"

Also machten sich die beiden auf den Weg. Nach einem Moment fragte Miyuki: "Und es geht dir wirklich wieder gut?"

"Ja, alles wieder bestens!"

"Schön! Das freut mich wirklich." Sie kicherte vergnügt. Wenn die beiden jetzt jemanden über den Weg laufen würden, hätte glatt der Eindruck entstehen können, da wäre mehr zwischen ihnen gewesen. Der bloße Gedanke daran ließ Miyuki aufquietschen.

Ashitaka schaute fragend in ihre Richtung. "Und mit dir ist wirklich alles in Ordnung?"

"Was? Eh... Ja, ja!", entgegnete sie hastig und räusperte sich. Den restlichen Weg bemühte sie sich darum, dass ihr ein solcher "Ausrutscher" nicht noch einmal passierte.

Im Garten angekommen gingen die beiden direkt zum Gartenteich. Miyuki hockte sich auf den Boden und beobachtete die Fische, die ruhig im Wasser ihre Kreise zogen.

"Sag mal, wo ist Tôya überhaupt?", fragte Ashitaka nach einem Augenblick.

Miyuki schaute zu ihm hoch. "Ich weiß es nicht. Ich habe ihn heute noch nicht gesehen."

Ashitaka hob eine Augenbraue. "Das ist ja mal was ganze Neues. Ich dachte eigentlich, ihr zwei wüsstet stets alles voneinander." Diese Aussage war eher schelmisch gemeint gewesen. Dessen war sich auch Miyuki bewusst, weshalb sie sich nun wieder den Fischen zuwandte. Ashitaka ließ indes ein wenig seinen Blick im Garten schweifen. Dabei entdeckte er recht schnell etwas. Er erhaschte noch einen kurzen flüchtigen Blick auf Miyuki, ehe er sich unbemerkt von ihr ein wenig entfernte. Es dauerte im Grunde nur wenige Sekunden, dann war er wieder bei ihr. "Miyuki-chan?"

"Hm?" Als Miyuki erneut aufschaute, war sie dieses Mal mehr als verblüfft gewesen, als Ashitaka sich neben sie hockte und ihr eine rote Blume entgegenhielt. "Was...?"

"Nur eine kleine Aufmerksamkeit meinerseits. Weil du dich so fürsorglich um mich gekümmert hast." Er lächelte sie an und sie nahm die Blume an sich. Je länger sie die roten Blütenblätter betrachtete, desto röter schien allerdings auch ihr Gesicht zu werden. Zumindest spürte Miyuki ganz deutlich, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.

Ashitaka beäugte sie prüfend. "Stimmt etwas nicht? Dein Gesicht ist schon wieder so rot."

Doch Miyuki antwortete ihm diesmal nicht. Stattdessen schaute sie nur reichliche verlegen in seine Richtung.

Ashitaka hatte wieder diesen schelmischen Ausdruck in seinem Gesicht. "Diesen Blick kenne ich irgendwoher. Sei ehrlich, bist du verknallt, Miyuki-chan? Etwa doch in mich?"

"WAS?!" Wie von der Tarantel gestochen sprang Miyuki urplötzlich auf und entfernte sich mehrere Schritte von Ashitaka, als stünde sie einem Feind gegenüber.

Ashitaka jedoch lachte nur amüsiert, während er sich ebenfalls wieder aufrichtete. "Ha, ha! Ich habe dich wieder erwischt! Das war doch nur ein Scherz. Beruhige dich wieder." Er bemerkte diesen verdrossenen Blick, den Miyuki ihm im Augenblick zuwarf. "Vielleicht wäre es besser für meine Gesundheit, wenn ich dich für eine Weile allein lasse", meinte er scherzhaft und wandte ihr den Rücken zu.

"Du..." Miyuki wollte schon wieder irgendwelche Flüche vom Stapel lassen, aber im letzten Moment besann sie sich eines besseren und rief Ashitaka stattdessen zu: "Moment! Warte bitte, Ashitaka! Du... du hattest Recht!"

"Hm?"

Kaum, dass er stehen geblieben war und sich noch einmal zu ihr umgedreht hatte, sprach Miyuki weiter: "Ich meine... Ich... ich liebe dich!"

Diesmal war es ganz klar Ashitaka, der wie vor den Kopf gestoßen zu sein schien. Er schien mit einer derartigen Ansage überhaupt nicht gerechnet zu haben. "Miyuki-chan...?"

Als er noch in seinem Zustand leichter Verwirrung einen unbedachten Schritt zur Seite machte, verfehlte er nur um Haaresbreite den Boden. Dies allein reichte jedoch aus, dass Ashitaka den Halt verlor und geradewegs in den Gartenteich fiel. Als hätten sie das drohende Unheil kommen sehen, hatten sich die darin befindlichen Fische schon eiligst in Sicherheit gebracht.

"Ashitaka!" Miyuki kniete sich an den Rand des Teiches.

Ashitaka saß bis zur Brust im Wasser. Auf seinem Kopf thronte ein Seerosenblatt mit einer pinkfarbenen Blüte. Unschlüssig schaute er das Dämonenmädchen an. "Das war... jetzt aber sehr direkt, Miyuki-chan... Ehrlich gesagt... ich weiß nicht ganz, was ich dazu..."

"Bääh!", machte Miyuki plötzlich und streckte ihm frech die Zunge raus. Voller Schadenfreude deutete sie mit dem Finger auf Ashitaka: "Ha! Reingefallen, reingefallen! Ich soll mich in dich verknallen? Das hättest du wohl gerne, was? Wie du mir, so ich dir!"

Im ersten Moment noch etwas perplex, seufzte Ashitaka im Nachhinein auf. "Also wirklich... Und du versuchst Tôya und mir immer wieder einzutrichtern, du wärst kein Kind mehr?"

"Wieso? Du machst solche Scherze doch auch!", versuchte Miyuki sich zu rechtfertigen.

Ashitaka, nach wie vor im Gartenteich sitzend, hob belehrend den rechten Zeigefinger. "Mag ja sein, aber ich strecke anderen wenigstens nicht die Zunge entgegen. Denn DAS machen wirklich nur kleine Kinder."

Miyuki murrte leise. Scheinbar musste Ashitaka immer das letzte Wort haben. Allerdings waren beide gleichermaßen überrascht, als sie die wohlbekannten Stimmen von Tôya und Sakura vernahmen. Die beiden kamen genau auf sie zu.

"Also wirklich, Ashitaka!", lachte Tôya beim Anblick seines Freundes amüsiert auf. "Kaum, dass du mal ein bis zwei Tage bettlägerig bist, ist dein Sinn für Gleichgewicht und all das schon flöten gegangen."

"Aber zumindest scheint ihr zwei ja wirklich viel Spaß zusammen zu haben", fügte Sakura schmunzelnd hinzu.

Ashitaka machte sich nun doch zumindest die Mühe, die Seerose von seinem Kopf zu entfernen. "So wie du das sagst, klingt es so, als hättest du zwei kleine Kinder beim Spielen erwischt, Mutter."

"Nun, was soll ich davon halten, wenn mein Sohn, den ich eigentlich schon für erwachsen gehalten habe, wie ein kleines Kind im Gartenteich herumplanscht? Du verschreckst ja die Fische."

"Das war ein Unfall...", rechtfertigte sich Ashitaka, während ihm Tôya wieder aus dem Teich heraushalf. Der Begriff "begossener Pudel" bekam bei Ashitakas Anblick gleich ein ganz neues Gesicht als er aus dem Wasser herauswatete. Seltsam, immer, wenn er in Miyukis Nähe war, schien ihm aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen etwas zuzustoßen. Er spielte schon mit dem Gedanken, ihr das spaßeshalber zu sagen, entschied sich dann aber dagegen. Am Ende bekam sie das sonst vielleicht noch in den falschen Hals und würde sich beleidigt oder gar verletzt fühlen.

"Ich geh mich mal umziehen", sagte er stattdessen nur und verließ in Begleitung von Tôya den Garten wieder. Zurück blieben Miyuki und Sakura.

Letztere hörte das Dämonenmädchen plötzlich leise aufseufzen, ehe ihr Blick auf die rote Blume fiel. Ein Lächeln umspielte Sakuras Lippen. "Mach dir keine Sorgen, Miyuki. Ich bin mir sicher, deine Gefühle erreichen ihn bestimmt."

Erschrocken schaute Miyuki wieder auf. "A-Aber Sakura-sama! Ich..."

Doch Sakura schüttelte den Kopf. "Du brauchst es nicht zu verheimlichen. Ich weiß es schon lange. Ich habe dich nämlich beobachtet."

"Ach, ja?" Miyuki trat verunsichert auf der Stelle. "Und warum merkt Ashitaka es dann nicht?"

"Woher willst du wissen, dass er es nicht gemerkt hat? Immerhin mag er dich wirklich sehr, das ist nicht zu übersehen."

"Aber er sieht mich immer noch als Kind..."

"Nun, er kennt dich ja schließlich von klein auf. Aber soll ich dir mal ein Geheimnis verraten?" Und als ob es jemanden in unmittelbarer Umgebung gegeben hätte, der sie hätte belauschen können, flüsterte Sakura Miyuki den Rest hinter vorgehaltener Hand zu: "Als Ashitaka noch kleiner und du ein Baby warst, war er gleich von dir angetan. Zu der Zeit hat er mir gegenüber immer wieder betont, er wolle dich später mal heiraten."

"WAS?!" Miyuki lief nun wirklich knallrot an wie eine überreife Tomate. So was hatte sie gerade zum allerersten Mal gehört. Und das sollte Ashitaka wirklich gesagt haben?

"Aber... das sind doch nur Kinderträume gewesen, sonst nichts...", meinte sie schließlich leise, aber Sakura zwinkerte ihr aufmunternd zu.

"Warte es ab, Miyuki. Jeder Topf hat einen Deckel."

Dieser Spruch sagte dem Dämonenmädchen jedoch überhaupt nichts. Dementsprechend verwirrt schaute sie im Moment auch drein. "Was soll denn das bedeuten?"

"Kimie-dono, die Gefährtin von Sesshoumaru-sama, und ihre Cousine Kagome-dono haben sich mal darüber unterhalten. Es heißt wohl so viel wie, dass jeder irgendwann seiner großen Liebe begegnen wird."

"Aha... Trotzdem klingt das irgendwie komisch. Warum sprechen sie es nicht direkt aus, anstatt auf solchen... Umwegen?", fragte sich Miyuki. Sie hatte sich an den neuzeitlichen Sprachgebrauch von Kagome und Kimie noch immer nicht so ganz gewöhnen können.
 

Was Kimie anging, so befand sie sich gerade auf den Weg zu Sesshoumaru. Bis eben war sie nicht bei den anderen gewesen, die sich in Inu Yashas Zimmer versammelt hatten. Dem Hanyou ging es den Umständen entsprechend eigentlich ganz gut, aber er war noch immer vollkommen erschöpft. Diesmal würde er wohl eine längere Zeit das Bett hüten müssen, ehe er wieder voll einsatzfähig sein würde. Kagome war keinen Moment lang von seiner Seite gewichen und verblieb auch jetzt noch bei ihm.

Indes hatte Kimie Sesshoumarus Zimmer erreicht. Diesmal war sie allein und ohne Inuki, der ihrem Kenntnisstand nach irgendwo mit Rin auf dem Schlossgelände spielte, hergekommen. Sie klopfte an die Tür und nachdem sie genau hatte hören können, dass Sesshoumaru sie herein bat, öffnete Kimie die Tür und spähte in das Zimmer hinein. "Hallo! Guten Morgen. Störe ich?"

"Nein, komm ruhig rein."

Kimie tat wie ihr geheißen. Der Anblick, der sich ihr bot, war allerdings etwas befremdlich gewesen. Denn Sesshoumaru saß inmitten von verschiedenen Büchern und Schriftrollen und direkt vor ihm auf einem Tisch lag eine ausgebreitete Landkarte. Da er gerade auch sehr intensiv über diese nachzugrübeln schien, hatte er auch gar nicht aufgeschaut, als er sie hereingebeten hatte.

"Wo kommt denn der ganze Papierkram her? Versuchst du dich in Geographie, oder was soll das werden?", fragte Kimie nach einem Augenblick, bis sie sich durch das Papierlabyrinth zu Sesshoumaru durchgewühlt hatte und einen prüfenden Blick über seine Schulter warf. Auf ihre Frage antwortete er, jedoch ohne dabei von der Karte aufzusehen: "Ich habe mir diese Schriften bringen lassen, weil sie den Kampfverlauf des letzten Krieges meines Clans mit den Ryû-Youkai beschreiben. Der Ort, an dem der Kampf ausgetragen wurde befand sich laut der Aufzeichnungen hier. Eine freie Ebene, nahe an den Grenzen des Westens an den Norden."

Indirekt sollte das wohl heißen, die bevorstehende Entscheidungsschlacht sollte an genau dem selben Ort ausgetragen werden.

>Wie es wohl diesmal ausgehen wird...?<, dachte Kimie und nahm die nächst beste Schriftrolle in ihrer Nähe zur Hand, die sie auch gleich vorsichtig aufrollte. Dabei wurde sie aus dem Seitenwinkel genauestens von Sesshoumaru beäugt.

"Kannst du das denn lesen?" Bei dieser schon ein wenig amüsiert anmutenden Frage hätte Kimie fast die Schriftrolle wieder fallen gelassen.

"Ich weiß ja nicht genau, was du für ein Weltbild hast, aber zufälligerweise lernen so ziemlich alle Menschen in meiner Welt und auch die Mädchen lesen und schreiben, sofern ihnen das ermöglicht wird. Du könntest mir ruhig ein bisschen mehr zutrauen!", gab sie Sesshoumaru ein wenig neunmalklug zu verstehen und begann schon beinahe wie aus einem leichten Trotz heraus zu lesen. Auch Sesshoumaru wandte sich nun wieder seiner Landkarte und einigen Schriften zu.

"In deiner Welt ist vieles anders. Davon konnte ich mich ja bereits überzeugen."

Kimie schielte aus dem Seitenwinkel zu ihm rüber und ließ ihre Schriftrolle wieder sinken. Sie zögerte, ergriff dann aber doch wieder das Wort: "Sesshoumaru? Ich... wollte mich gerne noch mal für gestern bei dir bedanken. Dass du mitgekommen bist, um Kagome und Inu Yasha zu helfen."

Ein abrupter Themenwechsel. Sesshoumaru trat mit Kimie wieder in Augenkontakt. "Du brauchst mir dafür nicht zu danken. Andernfalls hätte ich mir von dir nämlich sicherlich nur Vorwürfe anhören dürfen, falls den beiden etwas zugestoßen wäre."

Kimie hob eine Augenbraue. "Hätte dich das etwa gestört, wenn ich dir Vorwürfe gemacht hätte? Dir ist doch sonst auch alles egal, was andere denken. Zumindest dachte ich das."

"Im Grunde stimmt das." Das war alles, was er dazu entgegnete. Keine näheren Erläuterungen, kein gar nichts. Kimie bedachte ihn mit einem prüfenden Blick. Sie schien gerade zu einer Aussage ansetzen zu wollen, da klopfte es abermals an der Tür. Als Sesshoumaru den neuen Besucher den Zutritt gewährte und sich die Tür öffnete, stand einer seiner Leute im Flur. Zunächst schien er durch Kimies Gegenwart ein wenig unschlüssig, verneigte sich dann aber respektvoll.

"Verzeiht bitte die Störung, Sesshoumaru-sama, aber unsere Kundschafter sind soeben zurückgekehrt und sie haben fremde Youkai an den Grenzen unserer Ländereien aufgegriffen."

Sesshoumaru nickte. "In Ordnung. Ich nehme mich dieser Sache gleich an."

>Fremde Youkai?<, überlegte Kimie, und ehe Sesshoumarus Gefolgsmann wieder ging, rief sie ihm noch hastig hinterher: "Ach, Entschuldigung bitte! Was sind das denn für Youkai?"

Der Inu-Youkai verharrte in seiner Bewegung, die Tür des Zimmer wieder zu schließen. Im ersten Moment wäre Kimie ja am liebsten dafür im Boden versunken, dass sie ihn einfach so von der Seite praktisch angequatscht hatte, aber zu ihrer Überraschung antwortete der Inu-Youkai in einem genau so respektvollen Tonfall wie bei Sesshoumaru: "Sie gehören ganz offensichtlich zum Stamm der Wölfe."

"Wölfe?" Kimie wurde nachdenklich. Irgendwie beschlich sie der leise Verdacht, dass es keine Unbekannten waren, die die Inu-Youkai da aufgegabelt hatten.

Sesshoumaru gab seinem Untergebenen währenddessen mit einer Geste zu verstehen, dass er wieder gehen konnte, was dieser dann auch tat. Irgendwann fiel Kimie der auf ihr ruhende beobachtende Blick des Youkai auf. Fragend drehte sie den Kopf zu ihm. "Was ist denn? Warum guckst du mich so an?"

"Du brauchst nicht so zu tun, als müsstest du erst um Erlaubnis fragen, wenn du jemanden ansprechen willst. Sprich einfach, deine Position an meiner Seite gestattet es dir."

Zuerst musste Kimie kurz überlegen, doch dann fiel ihr ein, was Sesshoumaru offensichtlich gemeint hatte, und winkte ab. "Sorry, aber das ist die Macht der Gewohnheit." Sie beobachtete, wie Sesshoumaru einen Teil der Schriftrollen zur Seite räumte. "Aber sag mal, ist es dir eigentlich auch aufgefallen?"

Er hielt inne und schaute zu ihr.

"Na ja, ich meine, immer, wenn wir beide allein sind, kommt irgendjemand und will was von dir. Man könnte ja glatt den Eindruck bekommen, hier wären überall Kameras installiert und wir würden ständig unter Beobachtung stehen." Sie schaute in seine Richtung, als erwartete sie, dass er sie darin bestätigen würde.

"In einem Punkt magst du in gewisser Hinsicht Recht haben", entgegnete Sesshoumaru nach einem Augenblick und stand auf. "Man beobachtet uns in der Tat, aber das ist nicht verwunderlich. Meine Leute interessiert es natürlich, ob du meiner würdig bist."

Kimie schaute ein wenig beleidigt drein und seufzte. "Ist ja toll... Big Brother is watching you..."

Nichts desto trotz machte sie sich nun mit Sesshoumaru auf den Weg.
 

Wie genau sie überhaupt in diese Lage gekommen waren, wussten Kouga und seine Begleiter im Nachhinein selbst nicht mehr so recht, aber jedenfalls fanden sie sich zum gegebenen Zeitpunkt gefesselt auf dem großen Hof vor Sesshoumarus Schloss nebeneinander sitzend wieder. Die Wölfe, die ihrem Anführer gefolgt waren, hörte man schon seit einer ganzen Weile aufgeregt vor den Toren der Mauer, die das Gelände um das Schloss herum umfasste, bellende und jaulende Geräusche von sich geben.

"Meine Güte! Dieser Krach ist ja nicht zum Aushalten! Einer sollte diesen blöden Viechern endlich mal das Maul stopfen!"

Diese und andere Aussagen hatten Kouga und seine Kameraden schon mehrmals zu hören bekommen, aber allmählich reichte es dem Wolfsdämon.

"Hey! Kommt ja nicht auf die Idee, meinen Wölfen etwas zu tun, sonst werdet ihr mich kennen lernen, kapiert?!", drohte er, bekam von Ayame aber gleich einen leichten Stoß mit ihrem Ellenbogen in die Seite, sofern ihr das in ihrem gefesselten Zustand gerade möglich gewesen war.

"Halte dich lieber zurück, Kouga!", mahnte sie ihn flüsternd. "Das sind Inu-Youkai und mit denen ist nicht gut Kirschen essen! Wir sollten uns besser ruhig verhalten."

Ein missmutiges Knurren drang aus Kougas Kehle. Natürlich hatte auch er schon längst erkannt, dass er und seine Freunde gerade Gefangene der Inu-Youkai waren. Der typische Hundegeruch, den er schon von Inu Yasha her kannte, war ihm schon von Anfang an aufgefallen. Ginta und Hakkaku plagten indessen ganz andere Sorgen, wie etwa die um die eigene Existenz und Selbsterhaltung.

"Fresst uns nicht! Bitte!", flehte Ginta die umherstehenden Inu-Youkai an, dabei immer tatkräftig unterstützt von seinem Kameraden. Allerdings trugen sie mit diesem Gebettel um Verschonung nicht unbedingt dazu bei, auch das gewünschte Ergebnis zu erzielen, denn dass die Inu-Youkai so langsam mächtig abgenervt waren, sah man ihnen allmählich deutlich an.

"Jetzt hört schon endlich mit diesem elenden Gewinsel auf, ihr Weicheier!", knurrte einer von ihnen von daher schließlich bedrohlich, was die beiden Wolfsdämonen sofort verstummen ließ.

"Die machen uns fertig... Wir sind so gut wie tot!", murmelte Hakkaku in sich hinein.

Kouga hingegen hatte eher weniger Angst, vielmehr war er äußerst angefressen. "Argh! Ist ja ekelhaft! Überall nur räudige Köter und allein schon dieser Hundegestank reicht mir schon!"

"Ruhe jetzt! Halt den Mund!", befahl einer der Inu-Youkai ihm scharf, doch Kouga knurrte nur missmutig. "Du hast mir überhaupt nichts zu sagen, Hundefresse!"

Für diese Bemerkung bekam der Wolfsdämon aber gleich die Quittung und zwar in Form eines kräftigten Schlages mit dem Ende eines Naginatas gegen den Hinterkopf, wodurch er zu Boden gestoßen wurde. Ayame schaute erschrocken auf. "Kouga!"

"Hey, Mann! Jetzt übertreibt doch nicht so! Wir haben euch doch schließlich überhaupt nichts getan!", warf Ginta hastig ein, als versuchte er damit, die Situation wieder etwas zu entschärfen, und Ayame fügte sogleich noch bekräftigend hinzu: "Genau! Und wir hatten auch nie irgendwelche schlechten Absichten! Was habt ihr jetzt eigentlich mit uns vor?"

"Was mit euch passieren wird, entscheidet unser Herr", antwortete ein anderer Inu-Youkai ungerührt.

Kouga schaffte es unterdessen, sich wieder aufzusetzen. Spöttisch fragte er: "Ach! Und wer soll das bitteschön sein?"

Wie auf Kommando öffneten sich in diesem Moment die Eingangstüren des Schlosses und heraus trat Jemand, den Kouga und seine beiden Gefährten durchaus kannten. Ginta und Hakkaku mussten jedoch zunächst ein paar mal blinzeln, ehe sie sich hundertprozentig sicher gewesen waren. Schließlich war es Ginta, der zuerst sprach, nachdem die erste Überraschung wieder von ihm gewichen war: "Hä? Moment mal! Das ist doch...!?"

"Inu Yashas älterer Bruder!?", beendete Hakkaku den Satz. "Er ist hier der Boss? Ist ja..."

"...voll heftig!"

Auch Kouga blickte ungewollt ein wenig perplex drein. Nur Ayame wusste nicht so ganz etwas mit der Verwirrung der anderen anzufangen. Doch noch bevor die ersten Worte gewechselt werden konnten, hob Kouga seine Nase. "Nanu? Dieser Geruch..."

Kein Zweifel, es war menschlicher Geruch. Und ein bekannter noch dazu. Und Kougas Vermutung wurde prompt bestätigt, als Kimie vorsichtig hinter Sesshoumaru hervorlugte. Sie staunte regelrechte Bauklötze, als sie die Wolfsdämonen sah. "Ach, du Schreck! Aber das sind doch...!?"

"Du bist doch Kagomes Cousine!", erkannte Kouga das Mädchen sofort wieder. "Aber... deine Haare sind anders." Er war mindestens so verblüfft wie Ginta und Hakkaku gewesen, die Kimie ebenfalls wieder erkannt hatten. Lediglich Ayame kannte sie nicht und schaute dementsprechend fragend von einer Person zur anderen.

"Du solltest wohl besser deine Freunde holen", meinte Sesshoumaru indes an Kimie gerichtet. Diese nickte nach einem Moment einverstanden und verschwand wieder im Inneren des Schlosses. Unter den Inu-Youkai machte ein Raunen die Runde.

"Die scheinen sich alle irgendwie zu kennen. Was meinst du?", fragte einer seinen Kameraden direkt neben sich.

Dieser zuckte wie beiläufig mit den Schultern. "Zumindest scheinen diese Wölfe in der Tat keine Feinde zu sein."
 

Die Überraschung, die Kimies Neuigkeiten hinsichtlich des Auftauchens von Kouga und seinen Gefährten bei Inu Yasha und den anderen verursachte, war nicht gerade klein gewesen. Lediglich bei Inu Yasha überwog der Ärger gegenüber der Überraschung. Er hatte schon aufspringen und Kouga ordentlich in die Mangel nehmen wollen, doch Kagome hatte dem Hanyou strikte Bettruhe verordnet. So konnte Inu Yasha zunächst nur zusehen, wie sie alle aus dem Zimmer verschwanden, um sich von Kimies Neuigkeiten mit eigenen Augen zu überzeugen. Als sie alle beim Ort des Geschehens angekommen waren, befanden sich die Wolfsdämonen jedoch noch im gefesselten Zustand. Genauer gesagt, war man gerade dabei gewesen, sie von diesem wieder zu erlösen. Auch die Wölfe hatte man inzwischen auf den Hof gelassen.

Kaum, dass man Kouga und seine Begleiter wieder von ihren Fesseln befreit hatte, lag Kougas erste Handlung darin, zu Kagome zu eilen und ihre Hände zu ergreifen. "Hallo, Kagome! Ich hoffe, es geht dir gut."

"Ähm... Ja, kann nicht klagen", antwortete Kagome, wenn auch mit einem ein wenig erzwungen wirkenden Lächeln. Ihr war die ganze Situation im Augenblick ein wenig peinlich, zumal zahlreiche Zaungäste anwesend waren.

"Hey! Finger weg von Kagome, du Mondanheuler!", drang plötzlich die Stimme von Inu Yasha zu allen vor. Kagome glaube zuerst, sie hätte sich verhört, doch als sie sich umdrehte, sah sie den Hanyou sich mühsam am Türrahmen abstützen. Aber sogar das kostete ihn schon zu viel Kraft und er sank auf die Knie.

"Inu Yasha!" Kagome war sofort zu ihm geeilt, um ihn zu stützen. "Überstürze nichts, Inu Yasha. Was du jetzt vor allem brauchst, ist Ruhe, damit deine Wunden verheilen können."

"Ach was! Das sind doch nur Schrammen...", versuchte Inu Yasha die Situation herunter zu spielen, obwohl man ihm die Erschöpfung deutlich ansah.

Kouga beobachtete das alles ein wenig unschlüssig. "Nanu? Was ist denn mit dir passiert, Hundejunge?"

Inu Yasha knurrte leise.

Kagome wandte sich wieder zu Kouga um. "Bitte, Kouga-kun! Das ist nicht komisch. Inu Yasha geht es wirklich nicht gut."

"Aber wieso?", fragte Ginta nun. "Was ist hier eigentlich los?"

"Das würde ich auch mal gerne wissen", pflichtete Ayame dem bei. Es führte wohl kein Weg mehr daran vorbei, und so erzählte Kagome den Wolfsdämonen knapp, in was für einer Lage sie sich alle im Augenblick befanden. Sie berichtete von den Ryû-Youkai und den Kämpfen, die bisher stattgefunden hatten. Auch den Verdacht, dass Naraku eventuell in die ganze Sache involviert war, verschwieg sie nicht. Die Überraschung und eine Prise Verwirrung stand Kouga und seinen Begleitern in den Gesichtern geschrieben, nachdem Kagome ihren Bericht zu ende gebracht hatte.

Nachdem der Informationsaustausch so weit über die Bühne gegangen war, ergriff Sesshoumaru, der bis dahin geschwiegen hatte, wieder das Wort und wandte sich an die Wolfsdämonen: "Offenbar hat es ein Missverständnis gegeben. Unter diesen Umständen gestatte ich es euch, das Schloss und diese Ländereien wieder zu verlassen. Also verschwindet von hier!"

Kimie zuckte bei dem letzten Satz kurz in sich zusammen. Da war er wieder gewesen... Dieser Unterton, der sogar Toten durch Mark und Bein gehen würde.

Aber Kouga wirkte wenig eingeschüchtert. Stattdessen stemmte er entschieden die Hände in die Hüften und entgegnete: "Auf keinen Fall! Wenn Naraku möglicherweise seine Finger mit im Spiel hat, dann wollen wir gefälligst mehr darüber erfahren, klar? Schließlich habe ich noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen!"

"Du scheinst unseren Herrn nicht richtig verstanden zu haben!?", knurrte einer der Inu-Youkai bedrohlich. "Du und dein Wolfspack, ihr macht auf der Stelle, dass ihr von hier wegkommt, bevor wir es uns noch mal anders überlegen und euch in den Kerker sperren!"

"Vergiss den Kerker! Machen wir sie direkt fertig!", mischte sich ein Zweiter ein.

Kouga setzte ein kämpferisches Lächeln auf. "Dann kommt doch her und versucht 's nur, ihr Köter!"

"Lass es sein, Kouga-kun!", bat Kagome den Wolfsdämon und auch Kimie versuchte die Situation zu schlichten.

"Hey! Jetzt kommt doch mal wieder runter, Leute! Wir können doch auch vernünftig miteinander reden, oder?", versuchte sie die Gemüter wieder ein wenig zu beruhigen, hatte aber eher mäßigen Erfolg dabei. Hilfe suchend wollte sie sich schon zu Sesshoumaru umdrehen, als dieser dem Streit jedoch bereits von sich heraus ein Ende setzte.

"Aufhören!", befahl er im scharfen Ton, dass jeder abrupt wie erstarrt auf der Stelle stehen blieb. Sogar Kouga war nun doch ein wenig vorsichtiger. Insbesondere, als Sesshoumaru das Wort nun wieder an ihn richtete: "Ich gebe dir und deinen Leuten jetzt einen guten Rat: Wenn ihr meine Geduld nicht überstrapazieren wollt, dann seid ihr spätestens morgen wieder von hier verschwunden. Andernfalls ist es mir auch egal, was aus euch wird." Damit machte er kehrt und verschwand wieder im Inneren des Schlosses.

Kimie atmete erleichtert aus. Und zumindest hatte Sesshoumaru den Wolfsdämonen noch eine Frist gesetzt, bis wann sie wieder verschwunden sein mussten. Hoffentlich würde es bis dahin friedlich bleiben...

"Gehen wir lieber rein", schlug Kagome vor, während sie Inu Yasha beim Aufstehen half. "Drinnen können wir uns besser unterhalten."

"In Ordnung", willigte Kouga bereitwillig ein, ließ es sich aber nicht nehmen, den umherstehenden Inu-Youkai noch einen überlegenen Blick zuzuwerfen. Doch dann folgte er Kagome und ihren Freunden in das Schloss. Ginta und Hakkaku bildeten das Schlusslicht. Als sie allerdings noch einmal in die nicht gerade freundlichen Gesichter ihrer "Gastgeber" blickten, flitzten sie in aller Eile hinter den anderen her.

"Hey, Kouga! Warte auf uns!"
 

Das hatte Sesshoumaru wirklich gerade noch gefehlt! Uneingeladene Besucher, die sich ihm aufdrängten, konnte er im Augenblick beim besten Willen nicht gebrauchen. Hoffentlich würden sich die Wolfsdämonen bis zum nächsten Tag wirklich wieder aus dem Staub gemacht haben, ansonsten würde er sich ihrer lästigen Anwesenheit auf eine andere Art und Weise entledigen müssen. Darum wollte sich Sesshoumaru jedoch erst kümmern, wenn es so weit wäre.

Seit die Wolfsdämonen zum Schloss gebracht worden waren, war inzwischen eine gute Stunde vergangen. Sesshoumaru hatte sich gleich wieder in seine Privaträume zurückgezogen und wälzte noch immer so manche alte Schriftrolle durch. Bisher hatte er sich noch nie derart mit diesen Aufzeichnungen beschäftigt, schließlich hatte es auch nie wirklich nötig gehabt. Gut, er hatte seinen Vater hin und wieder mal dabei beobachtet und auch mal mitgeredet, aber diesmal war es schließlich anders gewesen.

Als Sesshoumaru die Anwesenheit einer Person, die vor seiner Zimmertür stand, wahrnahm, schaute er prüfend von seiner Schriftrolle auf. "Ich mag es nicht, wenn man mich heimlich beobachtet. Wenn du etwas von mir willst, dann komm rein."

Tatsächlich öffnete sich daraufhin hin die Tür, und Touran betrat den Raum. Ihr Gesicht zierte ein selbstbewusstes Lächeln, als sie auf ihn zutrat. "Es lag nicht in meiner Absicht, dich eventuell zu stören. Ich hörte nur davon, dass die Wolfsdämonen, mit denen auch meine Geschwister und ich schon Bekanntschaft machen durften, hier sind, und wollte dich diesbezüglich fragen, ob das der Wahrheit entspricht."

Sesshoumaru kam dieser Grund fadenscheinig vor, trotzdem entgegnete er wahrheitsgemäß: "Das ist richtig, aber sie werden nicht lange bleiben. Sonst noch etwas?"

"Eigentlich schon." Aber anstatt, dass sie sich gleich näher dazu äußerte, setzte sich Touran neben Sesshoumaru auf den Boden und begutachtete die ausgebreitete Karte auf dem Tisch. "Es ist in der Tat nicht einfach, für einen ganzen Clan die Verantwortung zu tragen, nicht wahr? Schon gar nicht in solch unruhigen Zeiten."

Sesshoumaru legte seine Schriftrolle zur Seite. "Das gehört eben dazu. Und was Kriege angeht, haben wir beide schließlich schon unsere Erfahrungen damit gemacht."

Der gewohnt kühle Unterton in seiner Stimme schreckte Touran nicht ab. "In der Tat, immerhin standen wir uns genau genommen bereits in drei Auseinandersetzungen gegenüber. Wobei ich von unserer letzten Begegnung guten Gewissens behaupten kann, dass ich sie nicht bereue." Sie legte ihre Hand auf seine, die auf dem Tisch ruhte. "Ich habe es zwar schon erwähnt, aber trotzdem möchte ich dir gerne noch einmal meinen Dank dafür aussprechen, dass du meine Geschwister vor dem Tod gerettet hast. Nachdem du nach unserem letzten Kampf einfach wieder verschwunden warst, hatte ich stets gehofft, dir das irgendwann persönlich sagen zu können."

"Nun, das hast du jetzt ja getan", entgegnete Sesshoumaru und machte Anstalten, seine Hand wegzuziehen, aber Touran übte ihrerseits mit ihrer Hand leichten Druck auf seine aus, was ein stummer Aufruf dazu gewesen war, dass er sich nicht entziehen sollte.

"Versteh mich bitte nicht falsch. Es liegt nicht in meiner Absicht, dich etwa zu bedrängen oder gar zu belästigen. Es ist nur..." Sie brach ab.

Sesshoumaru war verwundert, denn eigentlich kannte er Touran stets als unerschrocken und direkt. Sogar während ihres Aufenthaltes in seinem Schloss hatte sie nie verunsichert gewirkt. Diesmal jedoch war es anders, ebenso wie der Blick, mit dem sie ihn ansah. Gerade öffnete sie den Mund, um erneut etwas zu sagen, doch da hörten die beiden, wie sich die Zimmertür öffnete und wandten ihre Blicke um. Im Türrahmen stand Kimie, und diese schaute ein wenig verdutzt in den Raum.

"Ups! Sorry, ich wollte nicht stören. Ich komme später noch mal wieder." Sie winkte und hatte die Tür fast wieder geschlossen, als sie jedoch inne hielt und sie wieder öffnete. Ihr nunmehr stechender Blick war genau auf die Hände von Sesshoumaru und Touran gerichtet. "Moment mal! Habe ich gerade vielleicht bei etwas gestört?" Der Zynismus in ihrer Stimme war unüberhörbar gewesen.

Touran ließ Sesshoumarus Hand nun wieder los. "Drücken wir es so aus: Du hättest nicht unbedingt vorbeikommen müssen."

"Ach! Ist das so, ja?" Kimie stand nach wie vor im Türrahmen, an welchen sie sich nun anlehnte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. "Habe ich etwa bei irgendwelchen strategischen Diskussionen gestört oder bei der Entwicklung einer Taktik für den Kampf?" Denn das war es gewesen, was sie zunächst vermutet hatte, bevor sie die Nähe von Sesshoumaru und Touran zueinander registriert hatte.

Anstatt, dass ihr jedoch auf ihre Fragen geantwortet wurde, stand Touran nun wieder vom Boden auf und schritt auf Kimie zu. Ohne aber etwas zu sagen, ging die Panther-Dämonin an dem Mädchen vorbei, richtete noch ein letztes Wort des Abschieds an Sesshoumaru und verschwand anschließend wieder den gang entlang.

Kaum, dass Touran das Zimmer verlassen hatte, drehte sich Kimie zu Sesshoumaru um. "Was war denn das gerade?"

Sesshoumaru war zugegebenermaßen ein klein wenig verdutzt. Kimie starrte ihn im Augenblick an, als hätte er sonst was verbrochen. Ihr Blick glich dem von Sango, wenn diese Miroku bei einem seiner unanständigen Spielchen erwischt hatte.

"Da war nichts, worüber du dir Gedanken machen müsstest", antwortete er ihr schließlich.

Kimie schaute verstohlen den Flur entlang, den Touran zuvor noch durchschritten hatte. "Wenn eine Frau Interesse an dir zu haben scheint, dann macht mich das aber trotzdem nachdenklich. Und Touran ist immerhin..."

Nun, Touran besaß erstens mal genau wie Sesshoumaru eine dämonische Herkunft. Außerdem war sie sehr kampferprobt und obwohl Kimie dabei ein wenig missmutig mit den Zähnen knirschte, so musste sie für sich selbst zugeben, schlecht aussehen tat die Panther-Dämonin auch nicht gerade.

Je länger sie so darüber nachdachte, umso klarer wurde es Kimie auf einmal: Sie war eifersüchtig!

>Schreck lass nach! Jetzt fange ich schon mit so etwas an! Das kann doch alles nicht wahr sein!?< Kimie konnte es nicht fassen. Wie oft hatte sie sich in der Vergangenheit über eifersüchtige Leute lustig gemacht und stets gemeint, sie sollten von ihren Partnern doch einfach auf nimmer Wiedersehen in die Wüste geschickt werden. Schließlich konnte so etwas auch krankhafte Ausmaße annehmen und der noch so kleinste Anlass würde genügen, um das Fass zum Überlaufen zu bringen.

Als ob sie ihre wirren Gedanken auf diese Weise wieder los werden wollte, schüttelte Kimie den Kopf. Nein! Auf keinen Fall würde auch sie derartig tief sinken! Schließlich hatte sie doch keinen Grund zur Eifersucht. Oder...?

"Was... ist denn genau zwischen dir und Touran gewesen?", fragte sie Sesshoumaru nach einem Moment, klang diesmal jedoch wieder etwas ruhiger, wenngleich auch ein wenig irritiert.

Sesshoumaru behielt seine Ruhe, als er antwortete: "Wie auch immer du 'gewesen' interpretieren möchtest, kann ich von meiner Seite behaupten, dass etwaige Befürchtungen deinerseits unbegründet sind."

Etwaige Befürchtungen? Er hatte sie offenbar ertappt... Kimie räusperte sich verlegen. "Also... Denke nicht, ich wäre beunruhigt oder dergleichen. Ich fand nur die Situation ein wenig... befremdlich."

"Sie wollte sich bei mir dafür bedanken, dass ich ihren Geschwistern mal das Leben gerettet habe. Das ist alles."

Kimie horchte auf. Sie erinnerte sich daran. Davon hatte sie schon gehört, als Kagome und die anderen ihr von der Konfrontation mit den Panther-Dämonen berichtet hatten. Sie wollte Sesshoumaru auch eigentlich nicht länger mit ihren Fragen nerven und das Thema erst mal wieder auf sich beruhen lassen. Trotzdem konnte sie es nicht vermeiden, dass sie noch immer an das denken musste, was sie gesehen hatte. Denn auch, wenn von Sesshoumarus Seite die Sache klar gewesen zu sein schien, wie sah es hingegen bei Touran aus?
 

Indes saßen die anderen aus der Gruppe mit Kouga und seinen Kameraden zusammen. Auch Rin hatte sich mittlerweile zu ihnen gesellt, während Inuki sich mit den Wölfen aus Kougas Rudel auf dem Hof aufhielt und Jaken sich frühzeitig verabschiedet und wie so oft in seinen Schmollwinkel zurückgezogen hatte.

Inu Yasha kam fast die Galle hoch. Er lag wie ein hilfloses Kind unter einer Decke und konnte förmlich diese Blicke von Kouga auf sich spüren. Sicherlich lachte sich dieser Wolf in seinem Inneren halb kaputt über den angeschlagenen und hilflosen Zustand des Hanyou. Glücklicherweise verkniff er sich jedoch etwaige Kommentare dazu. Kagomes mahnende Worte von vorhin schienen noch immer nachhaltig zu wirken.

"Und ihr haltet euch schon die ganze Zeit hier auf?", fragte Ayame in die Runde. So ganz konnte sie es immer noch nicht fassen, dass Kagome und ihre Freunde sich in diesen Kampf gegen die Ryû-Youkai eingemischt hatten.

Auf die Frage des Wolfsdämonenmädchens hin nickte Kagome bejahend. "Ja. Zugegeben, anfangs war es ab und zu ein wenig schwierig mit Sesshoumarus Leuten klarzukommen. Aber mittlerweile geht es. Die meisten von ihnen meiden den direkten Kontakt zu uns, deshalb geraten wir auch nicht aneinander."

"Hat einer von diesen Hundefressen dir etwa was getan, Kagome?", fragte Kouga sofort und ergriff abermals die Hände seiner Angebeteten.

Noch bevor Kagome darauf hatte antworten können, hörte sie schon Inu Yasha erbost rufen: "Jetzt reicht 's mir aber! Lass endlich deine Griffel von Kagome, du räudiger Wolf!" Inu Yasha wollte aufstehen, doch er hatte den Oberkörper kaum erhoben, da sank er schon wieder auf den Boden zurück.

"Inu Yasha!" Kagome riss sich von Kouga los und kniete sich an die Seite des Hanyou. "Du sollst dich doch nicht bewegen! Denk an deine Wunden!"

Kouga gab ein leichtes Grummeln von sich, als er so beobachtete, wie sich Kagome um Inu Yasha sorgte. Aber just in diesem Moment warf ihm der Hanyou aus dem Seitenwinkel diesen triumphierenden Blick zu, als wollte er sagen: "Ätsch! Ich habe immer noch die besseren Karten, du Depp!"

Kouga musste es tunlichst vermeiden, ein erbostes Schnaufen von sich zu geben, was ihm wahrlich nicht leicht fiel. Da fiel ihm zugleich dieser stechende Blick von Ayame auf. Er wich ein wenig vor ihr zurück. "Was? Warum guckst du mich so an, Ayame?"

"Pah! Tu doch nicht so! Das weißt du genau!", entgegnete sie und wandte eingeschnappt den Blick von ihm ab, dass ihr ihre beiden Zöpfe kurzzeitig wild um den Kopf flogen. Sich aber schon bald nicht mehr um den Frust des Wolfsdämonenmädchens kümmernd, richtete Kouga seinen Blick stattdessen wieder auf Kagome und Inu Yasha. Noch immer wurde der Hanyou von ihr bemuttert.

Diejenige, die mit dem ganzen Trubel wohl am wenigsten anfangen konnte, war Kirara gewesen. Sie lag eingerollt und friedlich dösend auf dem Schoß von Sango. Auf einmal schlug sie jedoch vollkommen unvorhergesehen die Augen auf und sprang von Sangos Schoß herunter.

"Hm? Was ist mit dir, Kirara?"

Nun fing Kirara damit an, an Sangos Kimono zu zerren. Dann lief sie zur Tür, die auf die Veranda hinausführte und kratzte nervös an dieser herum. Zusätzlich maunzte sie ganz aufgeregt. Zunächst konnte sich noch keiner einen Reim darauf machen, doch Sango beschlich dieser eigenartige Verdacht. Konnte das sein...?

Als Kagome auf einmal hoch schreckte, schien sich Sangos Vermutung zu bestätigen. "Ich spüre einen Juwelensplitter!", sagte Kagome. "Es ist zwar eher schwach, aber ich bin mir absolut sicher!"

Sofort war Sango aufgesprungen. Kiraras Verhalten und Kagomes Worte waren für sie Beweis genug gewesen. Sie schnappte sich ihren Bumerang, eilte zur Tür und öffnete diese. Kirara sprang auf den Hof hinaus und verwandelte sich. Sie ließ Sango auf ihren Rücken springen, dann sprang die Dämonenkatze mit einem Satz nach oben und flog davon.

"Warte, Sango!" Miroku heftete sich sogleich an die Fersen der Dämonenjägerin. Von den umherstehenden Inu-Youkai gab es jedoch nur irritierte Blicke, als der Mönch so an ihnen vorbeirauschte.

"Was ist denn plötzlich in die zwei gefahren?", fragte sich Kouga verwirrt, aber auch Kagome schien nun Anstalten zu machen, sich ihren Freunden anzuschließen. Sie griff sich ihren Köcher und ihren Bogen.

"Irgendwo da draußen muss Kohaku-kun sein!", sagte sie. "Deshalb ist Sango-chan so überstürzt aufgebrochen. Ich werde ihr und Miroku-sama folgen!"

"Warte, Kagome! Ich komme auch mit!", meinte Inu Yasha, doch Kagome schüttelte den Kopf.

"Lass es lieber, Inu Yasha! Du kannst ja nicht mal alleine aufrecht stehen, wie willst du dann mitkommen? Bleib besser hier."

"Aber ich kann dich doch nicht allein..."

"Ich werde mich schon um deine Sicherheit kümmern, Kagome", verkündete Kouga. "Vertrau mir! Mit mir an deiner Seite kann dir nichts geschehen."

Für eventuelle Diskussionen war im Moment keine Zeit gewesen, also stimmte Kagome seinem Vorschlag zu. "Gut, aber wir müssen uns beeilen!"

Kouga wies seine Freunde an, dass sie hier im Schloss auf ihn warten sollten. Dann schnappte er sich Kagome und verließ mit ihr auf den Armen den Raum und das Schlossgelände.

Inu Yasha warf ihm wütende Flüche hinterher: "Du verfluchter Mondanheuler! Wage es ja nicht, dich wieder an Kagome ranmachen zu wollen! Hast du mich gehört, du Penner?! Sonst mache ich dich bei der nächsten Gelegenheit platt! Ich bring dich um, hörst du?!"

"Also, dieser Kouga ist wirklich unmöglich!", schnaufte Ayame. Sie wusste ja, dass Kagome kein Interesse an dem Wolfsdämon hatte, doch dieser wollte einfach nicht aufgeben und rechnete sich scheinbar immer noch irgendwelche Chancen bei ihr aus.

Rin hingegen hatte das ganze Geschehen eher verunsichert mitverfolgt. Kohaku war also in der Nähe? Aber was machte er in dieser Gegend? Das waren die Fragen, die ihr im Moment im Kopf herumspukten. Schließlich stand sie auf und verließ durch die Eingangstür das Zimmer. Lediglich Shippou hatte bemerkt, wie das kleine Mädchen gegangen war. Rins Weg führte sie geradewegs zum Zimmer von Sesshoumaru. Dort angekommen, öffnete sie sogleich die Tür und rief aufgeregt: "Sesshoumaru-sama! Kagome-sama ist zusammen mit den anderen weggegangen. Sie sagt, Kohaku wäre in der Nähe."

Sesshoumaru und Kimie hatten sich sofort zu Rin umgewandt.

"Wann sind sie gegangen?", fragte Sesshoumaru.

"Gerade eben", antwortete Rin.

Wie aufs Stichwort machte Kimie schon Anstalten, das Zimmer zu verlassen, als wollte sie anschließend die Verfolgung ihrer Cousine und der anderen aufnehmen, doch Sesshoumaru hielt sie zurück. Bevor er jedoch das Wort an sie richtete, sprach er noch einmal mit Rin: "Rin, du wirst hier bleiben und warten. Verstanden?"

Rin nickte, dann wandte sich Sesshoumaru an Kimie: "Ich werde veranlassen, dass man Ah-Un bereit hält. Ich begleite dich. Wir werden sie rasch eingeholt haben."

Er schien in der Tat ihre Gedanken lesen zu können. Dankbar nickte Kimie.
 

Nachdem sie mitbekommen hatte, dass Miroku ihr gefolgt war, hatte Sango ihn hinter sich auf Kirara aufsteigen lassen. Auch Kouga und Kagome waren mittlerweile zu ihnen gestoßen. Während Kirara nach wie vor am Himmel dicht über die Bäume hinweg flog, folgte Kouga ihnen mit Kagome auf den Armen auf dem Boden.

"Kagome-chan! Wie weit ist es noch?", rief Sango ihrer Freundin zu.

"Nicht mehr allzu weit! Wir müssten gleich da sein."

Sango spürte die Nervosität in sich aufsteigen. Was hatte Kohaku in den westlichen Ländern verloren? Und wenn er hier war, war Naraku dann vermutlich auch in der Nähe?

Auch Kirara wurde spürbar unruhiger. Sie hatte den Geruch von Kohaku nach wie vor in der Nase.

Schließlich wurde in der Ferne ein kleiner Fleck sichtbar, der völlig frei von Bäumen gewesen war. Und wenn man genauer hinsah, dann konnte man genau dort eine Person stehen sehen. Sango brauchte keine Bestätigung von anderen Seiten, um für sich selbst festzustellen, dass es wirklich Kohaku war, der dort stand. Er war mit seiner Jägeruniform bekleidet.

Kirara setzte zur Landung an.
 

Kohaku sah diese Leute ganz genau auf sich zukommen, doch machte er keine Anstalten wegzulaufen. Er blieb einfach stehen und wartete ab, bis sie beim ihm angekommen waren. Die große fliegende Dämonenkatze landete in seiner Nähe auf dem Boden und ließ ihre Reiter - einen Mönch und eine junge Frau - absteigen. Dann kamen auch dieser Wolfsdämon und dieses andere Mädchen bei ihm an.

"Kohaku..." Sango musste sich sehr zusammenreißen, ihrem Bruder nicht übereilt um den Hals zu fallen. Schließlich wusste sie nicht, ob er im Augenblick unter Narakus Kontrolle stand oder ob er eigene Gewalt über sein Handeln hatte.

"Was wollt ihr von mir?", fragte Kohaku, als stünde er vollkommen fremden Menschen gegenüber. Für Sango war dies wie ein Stich ins Herz. Ihr Bruder konnte sich also noch immer nicht an sie erinnern. Andererseits war sie aber auch irgendwie froh darüber gewesen, denn das hieß immerhin, dass er sich auch nicht an seine Gräueltat erinnern konnte. Dass er seinen und ihren Vater, sowie zwei ihrer Kampfgefährten getötet hatte. Trotzdem... Dass ihr eigener Bruder sie wie eine Fremde behandelte...

Als sie die stützende Hand von Miroku auf ihrem Rücken spürte, fühlte sich Sango wieder ein wenig gefasster. Richtig, sie war nicht allein.

Kohaku beobachtete diese Leute vor sich währenddessen mit vorsichtigem Argwohn. Er hatte keine genauen Anweisungen erhalten, warum er eigentlich hierher kommen sollte. Sollte er etwa einfach nur abwarten und beobachten, was passieren würde? Allerdings war ihm während seines Weges in diese Ländereien irgendwie so komisch zumute gewesen. Als hätte ihn etwas oder jemand verfolgt... Und nun hatte er zudem erneut dieses Gefühl, als wäre ihm insbesondere die junge Frau mit dem Bumerang sehr vertraut gewesen. Kannte er sie vielleicht?

Auf einmal richtete sich seine und auch die Aufmerksamkeit der anderen zum Himmel hinauf. Da kam etwas direkt auf sie zugeflogen. Kagome kniff die Augen leicht zusammen, um besser erkennen zu können, was sich da näherte. "Das ist Ah-Un!"

Nur wenige Augenblicke später landete der zweiköpfige Drache bei der Gruppe. Kimie war sofort abgesprungen, während Sesshoumaru noch einen Moment im Sattel sitzen blieb.

"Typisch! Kaum lässt man dich mal aus den Augen, schon turnst du wieder in der Weltgeschichte herum, Cousinchen!", tadelte Kimie Kagome gespielt sauer, wurde aber gleich wieder ernster, als sie den fremden Jungen entdeckte. "Ist das... Sangos Bruder? Kohaku?"

Kagome nickte stumm.

Sesshoumaru stieg von Ah-Uns Rücken. Auch er konnte sich noch gut an Kohaku erinnern. Narakus Laufbursche, der einmal beinahe Rin getötet hätte. Könnte das unter Umständen bedeuten, dass Naraku auch nicht weit gewesen war? Allerdings konnte Sesshoumaru die Anwesenheit des Halbdämons nicht wahrnehmen.

Nachdem Sango noch einmal tief durchgeatmet hatte, machte sie einen behutsamen Schritt auf ihren Bruder zu. "Warum bist du hier, Kohaku? Hat es etwa schon wieder etwas mit Naraku zu tun? Oder vielleicht mit den Ryû-Youkai?"

"Ryû-Youkai...?" Kohaku schien überrascht gewesen zu sein.

Kagome wagte nun ebenfalls zu sprechen: "Sagen die dir etwa was, Kohaku-kun?"

Der Junge machte einen verunsicherten Eindruck. Als wüsste er im Augenblick überhaupt nicht wirklich, was eigentlich los war. Kohaku kreisten auf einmal so merkwürdige Bilder im Kopf herum. Er sah Gestalten, die er im Grunde überhaupt nicht kannte, aber sie schienen mit ihm in irgendeiner Form in Verbindung zu stehen. Er sah ein Schloss inmitten hoher, spitzer Berge. Gewaltige drachenähnliche Dämonen, die wie Geier ihre Kreise am verdunkelten Himmel zogen. Waren das Erinnerungen? Oder spielte ihm sein Gedächtnis einen Streich? Es wäre schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass er geglaubt hatte, etwas zu kennen, ohne es eigentlich in seinen Kopf einordnen zu können. So wie bei dieser Frau, die nun direkt vor ihm stand...

Plötzlich durchfuhr es Sango wie einen Blitz und sie schaute nach oben. "Pass auf, Kohaku!"

Mit einem gewagten Sprung stieß sie ihren Bruder nach hinten, spürte zeitgleich mit dem Aufprall auf den Boden jedoch diesen brennenden Schmerz an ihrer linken Schulter. Nachdem sie sich kurz vergewissert hatte, dass Kohaku nichts geschehen war, schaute sie hinter sich.

"Schnelle Reflexe für einen Menschen", bemerkte Renhou, der keine zwei Meter von den Geschwistern entfernt die Spitze seiner Lanze in den Boden gerammt hatte. An der Spitze der Waffe hing noch der kleine Stofffetzen von Sangos Kimono.

"Sango!" Miroku lief eiligst zu der Dämonenjägerin, und wurde zu seinem eigenen Erstaunen, aber auch zur Überraschung der anderen nicht von Renhou daran gehindert. Der Mönch kniete sich neben Sango, die den Ryû-Youkai wütend anschrie: "Was willst du hier? Bist du etwa hier, um Kohakus Juwelensplitter zu stehlen?!"

Renhous undurchschaubarer Blick ruhte auf der jungen Frau. Ihre Frage erinnerte ihn an das, was Akuma ihm zuvor aufgetragen hatte:
 

//Renhou, du wirst dich an die Fersen dieses Jungen heften, aber halte dich im Hintergrund. Es soll nicht erkennbar sein, dass er mit uns in Verbindung steht. Wenn jedoch die Gefahr besteht, dass es aus irgendwelchen Gründen dennoch rauskommt, dann tötest du ihn und eignest dir seinen Juwelensplitter an!//
 

Das hatte Akuma ihm befohlen. Kohaku zu töten, falls es möglich gewesen wäre, dass seine Verbindung zu den Ryû-Youkai auffliegen würde. Renhou sollte Kohaku im Auge behalten, um zu überprüfen, ob dieser genau das tun würde, was Naraku ihm aufgetragen hatte. Der Juwelensplitter im Rücken des Jungen machte ihn zu einer Marionette des Halbdämons. Aber Renhou hatte das merkwürdige Gefühl, als könnte Kohaku sich in gewisser Weise gegen diese Kontrolle zur Wehr setzen. Hing das vielleicht mit seiner Schwester, dieser Dämonenjägerin, zusammen?

"Antworte endlich! Was willst du?!", schrie Sango ihn indes erneut an.

"Das geht euch nichts an!", entgegnete Renhou jedoch nur kühl. "Haltet mich nicht auf und verschwindet, wenn euch euer Leben lieb ist!"

Soeben wollte Sango etwas darauf erwidern, als sie jedoch bemerkte, wie Kohaku sich der Situation mit einem Mal entzog und in den Wald hineinlief. Sie wollte ihm sofort hinterher. "Kohaku!"

Ein Windstoß von hinten ließ sie kurz in sich zusammenzucken. Als Sango wieder aufschaute, sah sie, wie Renhou über den Luftweg die Verfolgung ihres Bruders aufgenommen hatte.

"Nein! Du wirst ihn nicht verfolgen!" In aller Eile hob sie ihren Bumerang vom Boden auf, den sie bei der Rettung von Kohaku verloren hatte, und schleuderte die Waffe dem Ryû-Youkai hinterher. "Hiraikotsu!"

Renhou hörte den Bumerang auf sich zufliegen. Ein Schlag mit seinen Schwingen genügte jedoch, um sich einem Treffer zu entziehen. Er beobachtete noch, wie Sango ihre Waffe wieder auffing, dann landete er erneut vor der Gruppe auf dem Boden. "Es ist nicht Bestandteil meines Auftrages, dass ich gegen euch kämpfe. Aber wenn ihr es darauf anlegt..."

"Dann kämpfst du zuerst gegen mich!", verkündete Kouga kämpferisch.

Kagome warf ihm einen besorgten Blick zu. "Aber Kouga-kun!"

"Überlass den ruhig mir", meinte der Wolfsdämon beruhigend an das Mädchen gerichtet. "Den schaffe ich auch ganz locker allein."

"Nein! Nicht, Kouga-kun!"

Aber da war Kouga schon losgeprescht und wollte Renhou attackieren. Er erhob die rechte Faust und war gerade dabei zuzuschlagen, als sie sein Gegner der Attacke jedoch entzog und dem Wolfsdämon seinerseits einen kräftigen Schlag verpasste. Kouga wurde zurückgeworfen, landete aber sicher auf seinen Beinen. >Er ist schnell... Vielleicht sogar schneller als ich.<

Renhou warf ihm einen finsteren Blick zu. "Wolf, du solltest dich besser aus dieser Angelegenheit heraushalten. Das geht dich nämlich überhaupt nichts an!"

Kouga schnaubte verächtlich. "Pah! Das ist deine Meinung, aber wenn du Kagome bedrohst, geht mich das alles sehr wohl etwas an!"

Renhou hob eine Augenbraue. Er konnte sich zwar nicht daran erinnern, diese Miko direkt angegriffen zu haben, aber offenbar sah dieser Wolfsdämon allein in seiner Anwesenheit eine Gefahr für sie.

"Wie du willst. Ich habe dich gewarnt", meinte Renhou, während er langsam seinen rechten Arm erhob. Kaum, dass er das getan hatte, formte sich aus einem Schatten heraus eine Kreatur, die sich auf seinem Arm niederließ. Das Wesen sah aus, wie ein kleiner schwarzer Drache dessen rot glühende Augen sofort auf Kouga gerichtet waren.

"Passt auf!", rief Miroku den anderen warnend zu. "Der Typ bedient sich eines Beschwörungszaubers!"

"Tse! Glaubst du etwa, diese kleine Flugechse macht mir Angst?", entgegnete Kouga jedoch nur.

Renhou ließ den Drachen indes mit einem Flügelschlagen emporsteigen und befahl sogleich den Angriff. Fauchend flog das kleine Biest Kouga genau entgegen. Dieser wollte den Drachen mit einem Fausthieb vom Himmel holen, doch der Schlag ging im wahrsten Sinne des Wortes ins Leere. Verdutzt schaute sich Kouga um. Ihm war, als hätte sich der Drache auf einmal regelrecht in Luft aufgelöst. "Verdammt! Wo ist es hin?!"

War das alles vielleicht nur ein Trick gewesen? Ein Täuschungszauber?

"Achtung, Kouga! Hinter dir!", hörte Kouga Kimie auf einmal aufgeregt rufen und drehte sich um. Über ihm sammelten sich plötzlich Schatten, die nun wieder die Gestalt des kleinen Drachen annahm. Doch noch während sich der Drache praktisch in seiner "Verwandlungsphase" befand, feuerte er einen kraftvollen Feuerstrahl auf Kouga ab. Dieser hatte dem Angriff gerade so ausweichen können.

"Kouga-kun!" Reflexartig war Kagome losgelaufen. Da richtete sich die Aufmerksamkeit des Drachen auf das Mädchen. Der nächste Angriff galt ihr!

Zu spät bemerkte Kagome, dass sie das neue Ziel gewesen war. Erschrocken starrte sie nur in die glühend roten Augen des Drachen, als dieser sie mit einem Feuerstrahl angriff.

"Kagome!" Kouga wollte ihr helfen, doch er kam zu spät. Das Feuer hatte Kagome lange vor ihm erreicht und war kaum, dass es auf den Boden getroffen war, zu einem Feuerball mutiert. Alle waren geschockt.

"Oh nein! Kagome!" Kimie wollte loslaufen, doch da ergriff Sesshoumaru sie bei der Schulter und hielt sie zurück.

"Bleib hier! Du kannst sowieso nichts tun."

"Was redest du da?! Lass mich los!" Kimie war den Tränen nahe. Wie konnte Sesshoumaru jetzt nur so eiskalt ruhig bleiben? Ihm konnte doch nicht alles egal gewesen sein!?

"Schau hin", forderte er sie plötzlich auf. Kimie verstand zuerst nicht ganz, tat dann aber trotzdem das, was er ihr gesagt hatte. Allmählich wurde das Feuer kleiner und verschwand schließlich wieder. An der Stelle, wo Kagome bis eben noch gestanden hatte, war nur noch ein schwarzer Fleck auf dem Boden. Kouga und die anderen befürchteten schon das Schlimmste, doch da entdeckte sie auf dem Ast eines Baumes einen Inu-Youkai, der Kagome auf seinen Armen trug. Woher dieser so plötzlich gekommen war, war dem Wolfsdämon vollkommen schleierhaft.

Kagome hingegen hatte zunächst vor lauter Schreck die Augen zugekniffen. Als sie jedoch bemerkte, dass ihr nichts geschehen war, öffnete sie sie wieder und war mehr als überrascht. "Eh? Subaru-san!?"

Tatsächlich! Es war Subaru gewesen, der sie gerettet hatte. "Hm! Kaum muss der Hanyou mal für eine Weile aussetzen, kommst du auch prompt in die nächsten Schwierigkeiten. Du brauchst wirklich einen dauerhaften Leibwächter, wie mir scheint."

"Hey, du Töle! Finger weg von meiner Frau, hast du gehört?!"

Das Gemecker von Kouga richtete Subarus Aufmerksamkeit auf den Wolfsdämon, und er sprang mit Kagome auf den Armen wieder von dem Ast herunter. Behutsam setzte er das Mädchen auf den Boden ab.

"Kagome, bist du verletzt?", fragte Kouga sofort und ergriff Kagomes Hände.

Kagome schüttelte den Kopf. "Nein, es geht mir gut. Wirklich."

"Nun gut..." Kouga schaute wieder zu Subaru, ehe er seinen Arm um Kagomes Schulter legte. Er räusperte sich. "In Anbetracht der Tatsache, dass du meine Frau gerettet hast, sehe ich mal ausnahmsweise darüber hinweg, dass du es gewagt hast, Hand an sie zu legen."

"Kouga-kun! Was soll denn das jetzt?!" Kagome starrte den Wolfsdämon fassungslos an, ehe ihr Blick zu Subaru wanderte. Dieser schien sich von Kougas Worten jedoch nicht gerade groß irritieren zu lassen. Zudem sah es nicht so aus, als ob er etwas darauf erwidern wollte, dafür sprach zumindest sein etwas desinteressierter Blick. Allerdings blieb auch keine große Zeit für weitere große Wortwechsel, denn unter dem Kragen von Subarus Kimono kam auf einmal der Flohgeist Myouga hervor gekrochen und platzierte sich auf der linken Schulter des Inu-Youkai.

"Schluss jetzt mit diesem unnützen Gerede! Dafür ist jetzt nun wirklich keine Zeit!"

Subaru blickte auf seine Schulter. "Ich bin ehrlich gesagt ziemlich überrascht, Myouga-jii. Dass Ihr mich extra darum gebeten habt, Euch herzubringen... Das passt eigentlich gar nicht zu Euch."

"So ungern ich das auch getan habe, irgendeiner muss hier doch sagen, was Sache ist, wenn es gegen einen Ryû-Youkai in den Kampf geht. Ich hatte gleich so ein komisches Gefühl!" Damit lenkte Myouga gleichzeitig die Aufmerksamkeit aller wieder zurück auf Renhou. Dessen schwarzer Dämonendrache hatte sich in der Zwischenzeit auf seinem rechten Arm niedergelassen.

Sesshoumaru trat nun einen Schritt vor. "Ich werde es übernehmen, gegen ihn zu kämpfen. Ihr anderen haltet euch zurück!"

"Sei aber vorsichtig", bat Kimie ihn noch, ehe er auf Renhou zuging.

Indes richtete Sango ihren Blick in den Wald hinein. Genau in die Richtung, in die Kohaku zuvor verschwunden war. Dann spürte sie Mirokus Hand auf ihrer Schulter. "Sango! Folgen wir Kohaku! Wenn wir uns beeilen, dann holen wir ihn bestimmt noch ein."

Die Dämonenjägerin brauchte nicht lange, um diesem Vorschlag zuzustimmen. Sie rief Kirara zu sich, die ihre Herrin und den Mönch auf ihren Rücken steigen ließ, und flog anschließend in den Himmel empor. Dabei kamen sie auch an Renhou vorbei, doch dieser hatte nicht vor, sie aufzuhalten. Denn im Moment gab es einen anderen Gegner, dem er sich zuwenden musste.

Nachdem Sesshoumaru sich Renhou gegenübergestellt hatte, schaute er sich einen Moment lang genauestens um und lauschte auf jedes noch so kleine Geräusch. "Eigentlich wäre mir dein Anführer als Gegner lieber, aber einer muss dich ja schließlich ausschalten. Du bist allein hier, wenn ich das richtig sehe."

"Fürchtest du etwa Angriffe aus dem Hinterhalt auf deine Begleiter? Da kann ich dich beruhigen. Ich halte nichts von faulen Tricks."

Renhou ließ nun einerseits den kleinen Drachen wieder verschwinden, anschließend schleuderte er seine Lanze in den Stamm eines Baumes, aus welchem sie im nächsten Augenblick ebenfalls wie von Geisterhand verschwand. Sie hatte demnach aus reiner dämonischer Energie bestanden, und nicht etwa aus einem beständigen Material. Bei Renhous Schwert, welches dieser bei sich trug, sah die Sache schon wieder anders aus...

Anstatt, dass er nun jedoch sein Schwert zog und damit den Kampf eröffnete, ging Renhou anders vor. Er machte mit dem linken Fuß einen Schritt nach hinten und hielt mit der linken Hand die Schwertscheide fest, während die rechte ziehbereit knapp über dem Griff der Waffe verharrte. Den Blick hatte er dabei die ganze Zeit aufmerksam auf Sesshoumaru gerichtet. Diesem war schnell klar, was Renhou ganz offensichtlich vorhatte. Er wartete darauf, dass Sesshoumaru als Erster zum Angriff übergehen würde, um praktisch im letzten Moment blitzschnell seinerseits sein Schwert zu ziehen. Bei diesem Manöver würde sich die Angriffskraft des Gegenschlages deutlich verstärken. Dem Gegner bliebe für gewöhnlich so keine Zeit mehr, zu parieren, und der Angriff würde tödlich enden. Renhou wollte Sesshoumaru so gesehen ins offene Messer laufen lassen.

"Ich weiß genau, was du vor hast", sagte er überlegen an den Ryû-Youkai gewandt. "Auf den Überraschungseffekt kannst du also nicht vertrauen."

"Ich vertraue nicht auf Überraschungen, sondern auf mein eigenes Können. Wenn du bereits so gut Bescheid weißt, dann musst du dir ja wohl keine Sorgen wegen meines Angriffs machen."

"Das hatte ich ohnehin nicht vor." Sesshoumaru zog Toukijin aus seinem Gürtel und griff an. In dem Moment, als er in seine Reichweite gekommen war, zog Renhou seinerseits mit ungeheurer Geschwindigkeit sein Schwert. Doch Sesshoumaru war darauf ja bereits vorbereitet gewesen und so schaffte er es, den Angriff abzuwehren. Die Klingen der Schwerter verkeilten sich laut klirrend ineinander. Doch obwohl sein Manöver ergebnislos geblieben war, behielt Renhou seine eiskalte Ruhe.

"Nicht schlecht. Du hast genau so schnell pariert, wie ich angegriffen habe. Aber hast du auch eine Antwort auf das hier?"

Er hatte das kaum gesagt, das spürte Sesshoumaru auch schon diesen gemeinen Tritt gegen seinen Oberkörper, der ihn leicht nach hinten warf. Einer weiteren Attacke von Renhou war er gezwungen mit einem Sprung auszuweichen. Doch obwohl Sesshoumaru selbst anscheinend ohne irgendwelche Blessuren davongekommen war, sah das bei seiner Rüstung ein wenig anders aus. Denn genau an der Stelle, wo Renhou ihn erwischt hatte - auf der linken Seite - war nun eine Bruchstelle zu verzeichnen gewesen. Kein Zweifel, auch ohne eine Waffe verfügte Renhou über eine gefährliche Kraft. Ohne seine Rüstung hätte Sesshoumaru jetzt bestimmt einige Rippenbrüche auf seinem Konto zu verbuchen gehabt und ein normalsterblicher Mensch wäre nach so einer Attacke sicherlich hinüber gewesen.

Allerdings stellte sich im Nachhinein heraus, dass Sesshoumaru doch nicht so unversehrt davongekommen war, wie zunächst gedacht. Irgendetwas war eigenartig gewesen. Sesshoumaru wusste ganz genau, dass Renhou ihn mit seinem Schwert zwar nicht getroffen hatte, aber trotzdem war da dieses merkwürdige Gefühl, als hätte er trotzdem was abbekommen. Einen Augenblick später roch Sesshoumaru Blut; sein Blut! Äußerlich ließ er sich zunächst nichts anmerken und schaute mit üblich kühler Miene hinunter auf seine rechte Hand, mit der er Toukijin festhielt. Vom Griff des Schwertes fiel soeben der erste Tropfen Blut auf die Erde hinab. Sesshoumaru nahm Toukijin in die linke Hand und warf einen Blick auf seine Handfläche. Dort war eine Schnittwunde, als hätte ihn eine scharfe Klinge erwischt. Eine Spur von überraschter Irritation wurde auf seinem Gesicht sichtbar, und nicht nur bei ihm.

"Er ist verletzt!? Aber wie ist das passiert?" Kagome verstand die Welt nicht mehr. Sie und die anderen hatten alles ganz genau mitverfolgt, aber Renhou hatte Sesshoumaru garantiert auf keinen Fall mit seinem Schwert erwischt und schon gar nicht an der rechten Handfläche.

"Das ist eine geheime Technik, die nur die besten Krieger des Clans der Ryû-Youkai beherrschen", gab Myouga nunmehr als Erklärung ab. "Auch, wenn sie ihren Gegner mit ihren Waffen nicht direkt treffen, so können durch die Übertragung von Energie oder durch die Luft trotzdem Verletzungen auftreten. In diesem Fall hat Renhou die Energie, die beim Aufeinandertreffen der beiden Schwerter entstand, über Toukijin direkt an Sesshoumaru-samas Hand weitergegeben."

"Es wäre sehr schön gewesen, wenn du damit früher rausgerückt wärst!", tadelte Kimie den Flohgeist aufgebracht und musste sich sehr zusammenreißen, den kleinen Kerl nicht zwischen Daumen und Zeigefinger zu zerquetschen.

Indes ließ sich Sesshoumaru nicht länger von diesem Zwischenfall irritieren. "Zugegeben, das war ein netter Trick. Aber du wirst einiges mehr brauchen, um mich zu besiegen."

Genau wie Sesshoumaru, so behielt auch Renhou seine Ruhe. "Dessen bin ich mir bewusst. Keine Sorge, das war längst nicht alles." Der Ryû-Youkai brachte sich erneut in Position, diesmal jedoch nahm er eine andere Haltung ein.

"Was hat er jetzt vor?", fragte sich Kagome nervös.

Kimie beobachtete Renhou ganz genau. "Sieht wie eine der fünf Grundstellungen beim Schwertkampf aus, aber... irgendwie auch wieder nicht."

Im Grunde schien Renhou schon wieder auf einen Angriff seitens Sesshoumaru zu warten, denn die Haltung, die er angenommen hatte, war eine Verteidigungsstellung gewesen. Dabei hielt er sein Schwert waagerecht nach vorne und zielte genau zwischen die Augen des Gegners. So war es ihm möglich, jeden Schlag parieren zu können.

Kouga beobachtete das ganze äußerst abfällig. "Keh! Was für eine armselige Masche! Er sitzt die Sache aus und wartet darauf, dass er zuerst angegriffen wird. Mit dieser Taktik steht der Typ nicht mehr lange."

"Sei nicht zu vorschnell in deiner Urteilsfindung", mahnte Subaru den Wolfsdämon. "Der erste Eindruck kann täuschen. Und immerhin hattest du auch so deine Probleme, gegen ihn anzukommen, obwohl du noch nicht einmal direkt gegen ihn gekämpft hast."

Ein Knurren drang aus Kougas Kehle, doch er ersparte sich einen eventuellen Kommentar zu Subarus Aussage.

Kimie hatte dem Gespräch eher beiläufig zugehört. Stattdessen versuchte sie irgendwie hinter Renhous Strategie zu kommen, was ihr jedoch nicht gelingen wollte. Überhaupt hatte sie bis auf Sesshoumaru noch nie einen Schwertkämpfer gesehen, der eine solche Ruhe und Selbstbeherrschung ausstrahlte, dass es beinahe schon unheimlich war. Jeder Schritt und jede Handlung wirkte bis in alle Einzelheiten durchdacht, als wüssten beide stets, wie der jeweils andere reagieren würde.

Sesshoumaru machte auch gar nicht den Eindruck, als wollte er einem erneuten Angriff auf Renhou etwa aus dem Weg gehen. Im Gegenteil, er schien seinem Gegner seinen Wunsch erfüllen zu wollen. "Nicht, dass es mich groß interessieren würde, aber kannst du nichts anderes, außer dich verteidigen?"

"Das kannst du herausfinden, indem du den Kampf wieder aufnimmst", entgegnete Renhou. "Und? Was willst du tun?"

Sesshoumarus Gesicht verriet keine Mimik. Die Antwort auf Renhous Frage erübrigte sich zudem, als er erneut einen Angriff startete. Und wie es bereits zu erwarten gewesen war, parierte der Ryû-Youkai den gegnerischen Schlag, doch nun verkeilten sich die Schwerter ineinander. Aus beiden Klingen schlugen Blitze und Energieströme, doch keiner der beiden Kontrahenten gab dem anderen nach.

"Wir dürften genug gespielt haben", meinte Renhou. "Es wird Zeit, mit Ernst an diese Sache ranzugehen!"

Plötzlich schien sich die Kraft, die aus seinem Schwert strömte, um ein Vielfaches zu verstärken. Sesshoumarus Blick wanderte zu Toukijins Klinge. Kurzzeitig sah man einen erschrockenen Ausdruck in seinem Gesicht. Genau dort, wo Renhous Schwert auf Toukijin getroffen war, hatte sich ein Riss in der Klinge gebildet. Und je länger Toukijin der gegnerischen Kraft ausgesetzt war, umso tiefer wurde der Riss. Sesshoumaru hatte keine Zeit mehr. Wenn er sich nicht schnellstens aus dieser Packsituation befreite, würde sein Schwert zerbrechen. Er richtete den Blick wieder auf Renhou. "Souryuuha!"

Von Toukijin ging eine leuchtend blaue Energiewelle aus. Sesshoumaru bekam mit, wie Renhou die verfahrene Situation auflöste und sich der Attacke zu entziehen versuchte. Es folgte eine helle Explosion, die jedem kurzzeitig die Sicht nahm. Alle hatten ihre Augen geschlossen und zusätzlich ihre Arme schützend erhoben, um sich vor dem Licht zu schützen.

Schließlich verblasste das Licht wieder. Als alle ihre Augen wieder öffneten, sahen sie, wie ein großer Teil des Waldes nun in Schutt und Asche lag. An vereinzelten Stellen stiegen noch kleine Rauchsäulen in den Himmel empor, doch Sesshoumaru stand noch genau auf der selben Stelle. Und wo war Renhou?

"Nicht schlecht. Ich gebe zu, ich bin beeindruckt."

Sesshoumaru schaute nach oben. Dort schwebte Renhou. Zuerst sah es so aus, als wäre er gänzlich ohne einen Schaden davongekommen, doch der Angriff hatte ihn doch zumindest leicht erwischt. Besonders erkennbar war dies an seiner Kleidung gewesen, Vor allem der Mantel hatte einiges einstecken müssen. Ansonsten wies Renhou außer kleinerer Blessuren keine Verletzungen auf.

Sesshoumarus Augen verengten sich zu Schlitzen. >Er hat meinen Angriff fast unbeschadet überstanden...<

Während Renhou wieder auf dem Boden landete, fiel Sesshoumarus Blick kurzzeitig auf Toukijin. Die Klinge rauchte noch durch den vorangegangenen Angriff und der Riss war nun deutlich erkennbar gewesen. Er zog sich sogar bis zur Mitte durch. Würde er Toukijin nur noch einmal benutzen, würde die Klinge garantiert brechen. Abfällig ruhte Sesshoumarus Augenmerk auf dem Schwert.

"Das ist nur der Reißzahn eines Oni." Er steckte das Schwert wieder in seinen Gürtel. Es hatte keinen Sinn mit einem Schwert zu kämpfen, dessen Klinge jeden Augenblick brechen könnte. Aber die Überraschung war bei jedem groß, als nun auch Renhou seinerseits sein Schwert wieder in die Schwertscheide zurückschob. Anders, als zunächst von den anderen gedacht, wollte er jedoch nicht etwa wieder die selbe Technik wie zu Anfang des Kampfes anwenden, sondern ließ sein Schwert in der Scheide ruhen.

Sesshoumaru bedachte den Ryû-Youkai mit einem prüfenden Blick. "Du legst deine Waffe aus der Hand?"

"Du hast dein Schwert wieder eingesteckt", entgegnete Renhou ruhig. "Es ist von daher nur fair, wenn auch ich nun auf eine Handwaffe verzichte, denn dein zweites Schwert ist keine Waffe."

"Hm! Wie überaus löblich. Sofern du dir mit dieser Entscheidung selbst keinen Nachteil verschaffst."

"Nur keine Sorge. Ich kenne mein Können und meine Grenzen."

Doch die anderen waren verunsichert. Konnte man Renhou in der Hinsicht überhaupt vertrauen? War es nicht viel wahrscheinlicher, dass er Sesshoumaru in eine Falle locken wollte und sein Schwert in einem günstigen Moment doch einsetzen würde? Viel Zeit, um sich weiter darüber den Kopf zu zerbrechen, hatten sie jedoch nicht, denn der Kampf ging nun in seine nächste Runde. Diesmal war es Renhou gewesen, der den ersten Angriff startete, und was nun folgte war ein Kampf ohne jegliche Waffen. An Schnelligkeit stand Renhou Sesshoumaru in nichts nach, doch hatte der Ryû-Youkai einen Vorteil: Und zwar beherrschte er auch den waffenlosen Nahkampf. Die Schläge und Tritte, die er austeilte, hätten in jedem Fall ihre entsprechende Wirkung hinterlassen, aber bisher konnte Sesshoumaru jedem Angriff ausweichen. Allerdings wurde er dabei auch sehr von Renhou in die Enge getrieben.

Kimie war mittlerweile ein einziges Nervenbündel. "Er kann nur ausweichen, aber selbst nicht angreifen!"

"Dazu hat er auch gar keine Chance", sagte Myouga. "Renhou startet den nächsten Angriff, kaum, dass der vorherige beendet ist."

"Dieser Renhou... Hat der überhaupt einen schwachen Punkt? Ich habe bisher noch keinen entdecken können."

"Die Ryû-Youkai sind bekannt dafür, dass sie auch ohne Handwaffen ganz hervorragende Kämpfer sind. Und genau das macht sie so gefährlich."

"Und woher können die das bitte? Ziehen die sich in ihrer Freizeit etwa immer irgendwelche Martial Arts-Filme rein, oder was?" Auf diese Fragen erwartete Kimie eigentlich gar keine Antwort, zumal bis auf Kagome ohnehin keiner der anderen etwas mit ihnen hatte anfangen können. Während sie den Kampf weiter mitverfolgte, fiel es Kimie immer schwerer, sich nicht doch in irgendeiner Form in diesen einzumischen. Aber endlich fand Sesshoumaru die passende Gelegenheit seinerseits einen Angriff zu starten. Er setzte seine Lichtpeitsche ein und erwischte Renhou an der linken Wange. Ein blutiger Einschnitt blieb zurück. Nach dieser Attacke zog sich Renhou zunächst wieder aus Sesshoumarus Reichweite zurück. Allerdings nur, um sogleich einen Gegenangriff zu starten. Er hob die Hände, sodass die Handflächen sich gegenüberlagen und konzentrierte seine dämonische Energie in dem entstandenen Zwischenraum. Es entstand eine Art Energiekugel, die er auf Sesshoumaru abfeuerte. Zwar gelang es ihm, dem Angriff zunächst auszuweichen, doch als Renhou mit seiner rechten Hand einen Halbkreis formte, machte die Energiekugel kehrt und flog wieder zurück. Diesmal konnte Sesshoumaru nicht mehr rechtzeitig reagieren und wurde getroffen. Die Wucht warf ihn nach hinten und ließ ihn zu Boden gehen.

"Sesshoumaru!" Erschrocken war Kimie reflexartig losgelaufen, die rechte Hand schon griffbereit an den Griff ihres Schwertes gelegt. Doch da setzte sich Sesshoumaru wieder auf und rief ihr betont zu: "Bleib sofort stehen!"

Kimie stoppte abrupt. Ihr Blick zeugte deutlich von Irritation.

Sesshoumaru kam indes wieder auf die Beine. "Misch dich nicht ein! Ich dulde kein Eingreifen von eurer Seite!"

Kimie stieß ein erbostes Seufzen aus. "Meine Güte! Sag mal, kannst du auch nur einmal in deinem Leben deinen Stolz vergessen, Sesshoumaru?!"

Warum zum Kuckuck wollte er sich nicht helfen lassen? Das wollte ihr partout nicht in den Kopf. Plötzlich spürte sie, wie sie jemand an der rechten Schulter ergriff, und fuhr herum. Hinter ihr stand Renhou! Alle waren sofort in Alarmbereitschaft gewesen. Doch entgegen der allgemeinen Befürchtungen hatte Renhou ganz offensichtlich nicht vor, das Mädchen etwa zu seinem eigenen Vorteil als Druckmittel gegen Sesshoumaru einzusetzen. Stattdessen schob er sie nur beinahe schon vorsichtig zur Seite. "Tritt besser zur Seite, Mädchen. Du bist im Weg."

Kimie war verwirrt. Renhou hätte sie in der Tat ganz locker in seine Gewalt bringen oder gar auf der Stelle töten können, doch er schien keinerlei Absichten in dieser Richtung gehabt zu haben. Sein Blick war zwar unnahbar und kühl, aber merkwürdigerweise war nichts Hinterhältiges in seinen Augen zu sehen gewesen. Kimie war noch immer so irritiert, dass sie sich schon praktisch widerstandslos von Renhou wegschieben ließ. Aber nicht nur sie war verwirrt.

"Was ist denn das für einer?", fragte sich Kouga. "Er hätte sie doch ganz locker als Geisel nehmen können, oder sonst was."

"Ich bediene mich keiner derartigen Mittel, Wolf", entgegnete Renhou. "Wenn ich in einem Zweikampf gegen jemanden antrete, dann soll es auch bei einem Zweikampf bleiben. Dritte haben dabei nichts verloren."

Sesshoumaru beobachtete ihn prüfend. "Eine Frage der Ehre, was? Zugegeben, das spricht für dich."

Zunächst erwiderte Renhou nichts darauf, als schien er auf etwas zu warten. Aber dann wandte er sich wieder seinem Gegner zu. "Bevor das jedoch noch die nächsten Stunden so weitergeht, werde ich die Sache jetzt am besten beenden. Deinen Freunden rate ich, dass sie sich jetzt besser aus dem Staub machen, wenn sie da nicht mit hineingezogen werden wollen." Er legte seine Hände aneinander und formte anschließend mit seinen Fingern in rascher Abfolge nun mehrere Zeichen. "Rin, Hyo, Tou, Sha..."

"Was macht er jetzt?", fragte sich Kagome. Sie und Kimie kannten diese Art von Fingerzeichen hauptsächlich aus irgendwelchen Filmen oder aus dem esoterischen Bereich. Dabei hatte es sich stets um Beschwörungsformeln oder dergleichen gehandelt und besonders Kagome kannte so was von ihrem Großvater. Nur waren seine Beschwörungen meist lediglich Schall und Rauch gewesen. Stellte sich nur die Frage, was Renhou wiederum vor hatte. Im Grunde konnte jetzt alles Mögliche passieren.

"Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe ein echt mieses Gefühl...", meinte Kimie beunruhigt.

Insgesamt waren es zehn Zeichen, die Renhou letztendlich geformt hatte. Das zehnte und letzte gab zugleich den Startschuss für seinen Angriff. Sein Blick traf genau mit dem von Sesshoumaru zusammen, ehe Renhou seinen rechten Arm in die Richtung seines Gegners ausstreckte.

"Jishin!"

Kagome horchte auf. "Ji...? Oh, mein Gott! Der will doch nicht etwa...?!"

"Doch! Er wird ein Erdbeben heraufbeschwören!", rief Myouga panisch und sprang von Subarus Schulter auf die des Mädchens. "Wir müssen nach oben fliehen! Schnell! Wenn wir hier bleiben, sind wir erledigt!"

"Aber was ist mit Sesshoumaru?", fragte Kimie.

"Der kommt schon klar! Denken wir zunächst an uns!"

Nur widerwillig akzeptierte Kimie, dass Myouga offenbar Recht hatte. Sie mussten weg von hier, sonst sah es übel aus. Und Sesshoumaru hätte einer Flucht von seiner Seite wohl auch niemals zugestimmt. Also lief Kimie zu Ah-Un. Mit ihm würde es kein Problem sein, dem drohenden Erdbeben zu entgehen. Aber was war mit den anderen?

"Wolf, du gehst besser zu dem anderen Mädchen", meinte Subaru an Kouga gerichtet, während er selbst Kagome wieder auf die Arme nahm. Der Wolfsdämon wollte schon heftige Proteste vom Stapel lassen, doch da schwebte Subaru bereits mit Kagome nach oben. Kouga war zunächst vollkommen perplex. Dieser Typ konnte fliegen? Ehe er überhaupt etwas sagen konnte, spürte er schon den ersten leichten Erdstoß unter seinen Füßen.

"Kouga!" Kimie packte Kouga am linken Handgelenk und zog ihn hinter sich auf Ah-Uns Rücken. Keine Sekunde zu spät, denn schon brach die Erde unter lautem Donner und Getöse auf. Man verlor komplett den Überblick über die Situation, zumal jetzt auch noch Unmengen von Staub aufgewirbelt wurden.

"Mist! Man kann überhaupt nichts sehen." Angestrengt versuchte Kimie etwas zu erkennen. Währenddessen schweifte Kougas Blick zu Kagome und Subaru. Der Inu-Youkai schien praktisch durch sein Fell in der Luft gehalten zu werden. Der Wolfsdämon gab es zwar nicht gerne zu, aber er war schon irgendwie beeindruckt gewesen. Ob alle Inu-Youkai diese Gabe beherrschten? Aber der Anblick, wie dieser Kerl Kagome auf den Armen trug... Kouga musste sich schon sehr anstrengen, um nicht irgendeinen giftigen Kommentar zum besten zu geben.

Das Erdbeben war indes noch immer in Aktion. Fassungslos schüttelte Kagome den Kopf. "Ich glaube, ich spinne! Das ist ja vollkommen verrückt!"

Myouga krabbelte langsam unter ihren Haaren hervor. "Nun, Renhou ist immerhin der Elementardrache, der über die Erde gebietet. Kein Wunder, dass er so eine Kraft besitzt."

"Also... wenn Greenpeace davon Wind bekommt...", murmelte Kimie trocken. Eigentlich versuchte sie damit nur ihre Sorgen um Sesshoumaru ein wenig zu überspielen, doch gelingen wollte ihr das nicht so wirklich.

Endlich schien sich die Erde wieder zu beruhigen und auch der Staub legte sich so langsam wieder. Man konnte auch wieder den Boden erkennen. Überall gab es Risse, Bäume waren umgestürzt, die ganze Gegend hatte ein vollkommen anderes Gesicht bekommen. Aber wo war Sesshoumaru?

Kimie bemühte sich angestrengt darum, ihn inmitten dieses heillosen Chaos ausfindig zu machen. Sie ließ Ah-Un sogar wieder näher zum Boden fliegen. Da glaubte sie, etwas zu erkennen. "Hm?"

An einer Stelle hatte sich der Staub größtenteils noch nicht gelegt, aber Kimie bildete sich ein, die Konturen einer Person zu erkennen. War das Sesshoumaru? Oder eher Renhou? Es dauerte noch einen Augenblick, dann erkannte sie tatsächlich Sesshoumaru. Er hielt ein Schwert in seiner Hand, aber es war nicht Toukijin gewesen, sondern Tenseiga. Dessen Bannkreis hatte ihn beschützt, weshalb er ohne einen Schaden erlitten zu haben davon gekommen war. Kimie atmete erleichtert aus.

"Ich werde das Gefühl nicht los, dass das noch den ganzen Tag so weitergehen könnte", drang auf einmal die Stimme von Renhou zu allen vor. Der Ryû-Youkai tauchte inmitten einiger umgestürzter Bäume auf und schien das Erdbeben ebenfalls ohne Verletzungen überstanden zu haben. Aber wen wunderte das? Schließlich konnte man wohl davon ausgehen, dass er seine eigenen Kräfte zu kontrollieren wusste, ohne sich selbst zu schaden. Erneut stellte er sich Sesshoumaru gegenüber. "Wir könnten natürlich sofort weitermachen, aber ich schlage vor, wir vertagen die Angelegenheit auf ein anderes Mal."

Kimie glaubte zuerst, sich verhört zu haben.

"Moment mal! Du gehst? Einfach so?", rief sie von oben auf Renhou herab.

Er wandte seinen Blick kurz zu dem Mädchen um, ehe er das Wort wieder an Sesshoumaru richtete: "Wir setzen den Kampf fort, wenn du dir eine neue Waffe besorgt hast. Ohne einen entsprechenden Befehl kämpfe ich nicht gegen jemanden, der nicht mit aller Kraft dazu in der Lage ist, sich zu wehren."

Sesshoumarus Augen funkelten Renhou bedrohlich an, trotzdem schwieg er, während er Tenseiga wieder zurück in die Schwertscheide schob. Für Renhou war diese Gestik genug und er erhob sich mit einem Flügelschlag in die Lüfte und flog Richtung Norden davon. Dabei kam er auch an Kouga und Kimie auf Ah-Un vorbei.

"Hey, warte!", rief sie ihm hinterher, doch Renhou ignorierte das Mädchen einfach und war schon bald aus ihrer und der Sicht der anderen verschwunden. Kimie ließ Ah-Un wieder auf dem Boden landen und auch Subaru setzte Kagome wieder wohlbehalten ab.

"Bist du okay, Sesshoumaru?", fragte Kimie besorgt. Zuvor war ihr das noch gar nicht so wirklich aufgefallen, aber Sesshoumaru hatte mehrere kleinerer Verletzungen. Außerdem blutete seine Hand noch immer.

"Es geht mir gut", war seine monotone Antwort auf ihre Frage.

Kimie hatte das Gefühl, als würde sie ihn mit eventuellen weiteren Fragen nur bedrängen, also ließ sie es bleiben. Stattdessen schaute sie nun wieder in die Richtung, die Renhou zuvor verschwunden war.

"Was ist denn das für ein Typ?", fragte sie sich. "Der tickt irgendwie ganz anders, als Akuma oder die anderen aus seinem Clan..."

"Eigentlich bedauerlich, dass so jemand auf der gegnerischen Seite steht.", hörte man Myouga mit einer Spur von Enttäuschung aufseufzen. "Renhou war schon immer ein sehr aufrichtiger und fairer Kämpfer. Es ist wirklich schade..."

Eine merkwürdige Stille breitete sich aus. Inmitten dieses von dem Erdbeben verursachten Trümmerfeldes wirkten die Umherstehenden wie verlorene Seelen in einer Zwischenwelt.

Plötzlich brach es aus Kagome heraus: "Moment! Wir müssen doch noch Sango-chan und Miroku-sama suchen!"
 

Noch immer suchten Sango und Miroku nach Kohaku. Dabei konnten sie nur auf Kirara und ihren Geruchssinn vertrauen. Und bisher hatte sie die beiden auch sehr zuverlässig geführt.

"Kohaku!", rief Sango ihren Bruder immer wieder beim Namen. "Kohaku! Bitte antworte mir! Wo bist du?"

"Sango! Da vorne!" Miroku deutete zwischen die Bäume. Da war ein Schatten zu erkennen gewesen. Sango trieb Kirara zur Eile an. Die Dämonenkatze beschleunigte ihr Tempo, und nachdem sich erfolgreich durch ein Gebüsch geschlagen hatte, wurde Kohaku sichtbar.

"Kohaku, warte!", rief Sango flehend. Da drehte Kohaku sich um und warf seine Kettensichel genau in ihre Richtung. Nur, weil Sango noch rechtzeitig ihren Bumerang hochgerissen hatte, verfehlte sie die Waffe haarscharf. Kirara blieb sofort stehen. Auch Kohaku hatte kurzzeitig seine Flucht unterbrochen. In seinen Augen konnte man nicht die kleinste Regung erkennen.

"Kohaku..." Sango stieg von Kiraras Rücken und machte einen Schritt auf ihren Bruder zu. Als er abermals Anstalten machte, sie anzugreifen, blieb sie stehen. Sie war den Tränen nahe. Was sollte sie nur tun?

Plötzlich drehte sich Kohaku wieder um und lief weiter. Kirara schaute fragend den Blick zu Sango, als wollte sie von ihr wissen, ob sie den Jungen wieder verfolgen sollten, doch Sango rührte sich nichts und sagte auch nichts. Sie stand einfach nur da und schaute zu Boden.

"Sango..." Miroku kam auf sie zu und legte ihr behutsam eine Hand auf die Schulter.

"Wie kann ich ihm nur helfen?", flüsterte die sie kaum hörbar. "Warum...? Warum muss Kohaku das alles durchmachen?"

Mittlerweile war Sango an einem Punkt angelangt, an dem sich ihre Trauer und Verzweiflung vor den Augen aller deutlich offenbarte. Unter Tränen fiel sie Miroku in die Arme und weinte nur noch. Die sonst so starke und selbstbewusste Dämonenjägerin war im Augenblick einfach nur eine verzweifelte junge Frau, die schon so lange um das Leben ihres jüngeren Bruders bangte. Behutsam hielt Miroku sie in den Armen. Er versuchte, ihr gut zuzureden: "Schon gut, Sango. Es wird alles wieder gut." Aber Miroku musste sich selbst eingestehen, dass er seinen eigenen Worten im Augenblick keinen uneingeschränkten Glauben schenken konnte.
 

Kohaku lief noch eine ganze Weile durch den Wald. Zwar wurde er nicht verfolgt, doch hatte er trotzdem das Gefühl, dass es noch zu früh war, um sich in Sicherheit zu wiegen und anzuhalten.

"Bleib stehen, Junge!"

Erschrocken stoppte Kohaku. Diese Stimme war von oben gekommen. Er schaute hoch und entdeckte Renhou auf dem Ast eines Baumes. Offenbar hatte er gegen die anderen gekämpft, dafür sprach zumindest seine äußere Erscheinung. Der Junge sprang mit einem Satz zurück, als der Ryû-Youkai vor ihm landete, und holte seine Kettensichel hervor.

"Reg dich nicht auf, Kleiner", sagte Renhou. "Es ist nicht nötig, dass du dich gegen mich zu Wehr setzen musst. Ich möchte dich lediglich etwas fragen." Zwar erwiderte Kohaku nichts darauf, hörte aber trotzdem aufmerksam zu, als sein Gegenüber weiter sprach: "Was hat Naraku vor? Du gehörst doch zu ihm, oder? Weißt du also mehr über seine wahren Pläne?"

Aber Kohaku schwieg. Renhou wurde skeptisch. Irgendetwas stimmte hier nicht. Es lag an dem Ausdruck in Kohakus Augen. Er hatte sich verändert. Vorhin schien er noch irgendwie lebendig gewirkt zu haben, aber jetzt hatten seine Augen nur noch diesen glasigen Ausdruck, als wäre er gar nicht wirklich bei sich oder sogar... nicht lebendig.

Renhou bemerkte schnell, es hatte offenbar keinen Sinn, wenn er versuchen würde, irgendwelche Antworten aus Kohaku herauszubekommen. Er war sich sogar ziemlich sicher, dass Naraku da mal wieder seine Finger im Spiel gehabt hatte.

Der Ryû-Youkai horchte auf, als er es im nahen Gebüsch rascheln hörte. Dann tauchte zwischen den Bäumen ein Dämon auf, der von seiner Gestalt her an einen einäugigen Wurm erinnerte. Unbeirrt ging Kohaku auf ihn zu und stieg auf seinen Rücken. Für Renhou war dies Hinweis genug dafür gewesen, dass dieser Dämon offensichtlich von Naraku geschickt worden war, um den Jungen zu holen. Ohne die beiden aufzuhalten, ließ er Kohaku ziehen, als der Dämon sich in die Lüfte erhob und mit unbekanntem Ziel davonflog. Sicherlich würde Naraku den Jungen zunächst wieder an einem unbekannten Ort verstecken, ehe er ihn vielleicht wieder brauchen könnte.

Auch Renhou machte sich wieder auf den Weg, nachdem Kohaku und der Dämon aus seiner Sicht verschwunden waren. Er beeilte sich, auf dem schnellsten Wege wieder zurück zum Schloss zu kommen. Denn er hatte dringend etwas mit jemanden zu "besprechen".
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Aufgeregt schlugen die Flugdrachen mit ihren mächtigen Schwingen und ihr Gebrüll hallte wie ohrenbetäubender Donner an den Hängen der Berge entlang. Es wurde Abend. Bald würde die Zeit der nächtlichen Jagd anbrechen.

"Akumas Tierchen scheinen schon großen Hunger zu haben", bemerkte Naraku, während er von einem der Gänge des Schlosses aus durch eine Fensteröffnung einen Blick nach draußen erhaschte. Schon seit einigen Stunden war dieses Schauspiel bereits im Gange gewesen. Jeder andere hätte sich schon mehr als einmal vor lauter Angst in den hintersten Winkel des dunkelsten Zimmers verkrochen, aber nicht Naraku! Angst war für ihn ein absolutes Fremdwort. Denn wenn er es gewollt hätte, hätte er sich nach und nach jeden einzelnen dieser Flugdrachen einverleiben können. Aber warum sollte er das tun? Sie hätten seine Kräfte nur um ein Minimum verstärkt. Wollte er wirklich mehr Macht erlangen, dann brauchte er die Kräfte von starken Youkai. Doch warum sollte man jene Youkai nicht noch vorher für seine ganz eigenen Ziele arbeiten lassen?

Irgendwann verließ Naraku seinen Standort und zog sich erst mal wieder zurück. Doch hatte er nicht damit gerechnet, dass ihn in dem Raum, der ihm während seines Aufenthaltes im Schloss zur Verfügung gestellt worden war, bereits jemand erwartete. Als er die Tür öffnete, sah er sich überraschenderweise Renhou gegenüberstehen und dieser sah nicht gerade gut gelaunt aus. Naraku jedoch blieb gelassen, als er ihn ansprach: "Renhou! Was für eine Überraschung. Dass du mir mal einen Besuch abstatten würdest, hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet."

Sein Blick schweifte einmal an dem Ryû-Youkai rauf und runter. Dass Renhou gerade einen Kampf hinter sich gebracht hatte, war unübersehbar gewesen. Sein Mantel wies unübersehbare Beschädigungen in Form von großen Rissen auf. Stellenweise fehlten sogar ganze Stoffteile. Auch die Schnittwunde auf seiner linken Wange war unübersehbar gewesen.

"Du hattest wohl eine kleine Auseinandersetzung, wie mir scheint", meinte Naraku. "Aber offensichtlich scheinst du noch mit relativ heiler Haut davongekommen zu sein. Das ist beruhigend."

"Erspare mir und dir bitte dieses scheinheilige, freundliche Getue, Naraku!", erwiderte Renhou äußerst ernst. "Mal abgesehen davon, dass ich keinen Wert auf deine gespielte Anteilnahme lege, mache ich keinen Hehl daraus, dass ich weder dir noch deinen Untergebenen in irgendeiner Form Vertrauen schenke. Und eigentlich bin ich auch nur hier, um dich zu warnen."

Naraku tat überrascht. "Woher diese Feindseligkeit? Ich habe nichts getan, was dies begründen würde."

Ohne zunächst etwas darauf entgegnet zu haben, trat Renhou nun näher an den Hanyou heran. Keiner wich dem Blick des jeweils anderen aus. Während man in Narakus Augen nur die gewohnte Ruhe sehen konnte, brodelte in Renhou spürbare Wut, die er jedoch im Zaum zu halten wusste. Auch als er wieder das Wort ergriff, behielt seine Stimme einen beherrschten Ton: "Wenn du Akuma-sama von der Wahrheit deiner Worte überzeugen konntest, ist das eine Sache. Aber es gibt hier auch Youkai, die dir weniger wohlgesonnen gegenüberstehen. Es ist sicher überflüssig zu erwähnen, dass ich ebenfalls dazugehöre."

Naraku entwich ein leises Lachen. "Renhou, ich bitte dich. Das klingt ja so, als würdest du mir zutrauen, dass ich ein Spiel mit euch spiele. Da kann ich dich aber beruhigen. Meine Absichten sind ganz bestimmt ungeprägt von irgendwelchen Hintergedanken."

Kaum, dass er den letzten Satz ausgesprochen hatte, hörte Naraku es neben seinem linken Ohr laut krachen. Er zuckte zwar nicht mal mit der Wimper, doch war dieser Angriff für ihn doch recht überraschend gekommen. Renhou hatte nämlich seine rechte Hand mit voller Kraft in die hölzerne Wand geschlagen und Narakus Gesicht dabei nur um Haaresbreite verfehlt. Absichtlich wohl bemerkt.

"Ich weiß zwar nicht genau, was für eine Rolle du bei den Vorfällen mit Rokou und Toba gespielt oder was du wirklich damit bezweckt hast... Aber lass es dir gesagt sein: Bilde dir nicht ein, du könntest uneingeschränkt deine Finger überall mit im Spiel haben! Und wage es nicht, mich für dumm verkaufen zu wollen! Sonst muss ich dir die Eingeweide einzeln aus deinem elenden Körper herausreißen! Hast du mich verstanden?"

Zu gerne hätte Renhou Naraku hier und jetzt den Garaus gemacht, doch das hätte höchstwahrscheinlich nur Probleme gegeben. Sogar dieser Angriff hatte eigentlich seine Kompetenz überschritten, doch Narakus Worte, die so voll mit verstecktem Hohn gewesen waren, hatten bei Renhou das Fass letztendlich zum Überlaufen gebracht. Ob seine Drohung angekommen war, vermochte er so noch nicht zu sagen, aber zumindest schien er sich akustisch und auch inhaltlich klar und deutlich ausgedrückt zu haben.

"War ja unmissverständlich", entgegnete Naraku auf die Worte des Ryû-Youkai, der seine Hand nun wieder aus der Wand hinauszog, wobei mehrere größere Holzsplitter auf den Boden fielen. Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, sondern nur mit einem mahnenden eiskalten Blick, den er auf seinen gegenüber gerichtet hatte, verließ Renhou das Zimmer schließlich wieder. Da er die Tür nicht hinter sich schloss, hörte Naraku seine Schritte noch eine längere Zeit später im langen Gang widerhallen bis sie letztendlich verstummten.

"Hm! Zumindest ist er sehr direkt." Und entgegen jeglicher etwaiger Erwartungen stahl sich nun wieder dieses heimtückische Lächeln auf Narakus Gesicht.
 

Renhou war wütend. Dabei ärgerte es ihn im Grunde mehr, dass er sich von Naraku zu dieser übereilten Handlung hatte hinreißen lassen, als viel mehr die ziemlich sicherer Gewissheit, dass dieser Halbdämonen etwas im Schilde führte. Er trieb ein doppeltes Spiel, doch es gab dafür keinerlei handfeste Beweise! Über seine Wut vergaß Renhou dabei vollends seine eigene Erschöpfung. Er war gerade mal seit ein paar Minuten wieder im Schloss, doch sein erster Gang hatte ihn anstatt zu Akuma zu Naraku geführt.

In seinen Privaträumen brauchte Renhou zunächst einen weiteren Moment, um sich wieder zu beruhigen. Nachdem er sein Schwert abgelegt hatte, ließ ihn ein Klopfen an der Tür letztendlich wieder aus seinen Gedanken in die Gegenwart zurückkehren.

"Wer ist da?"

"Ich bin's", hörte Renhou die Stimme von Takeshi ihm antworten. "Störe ich?"

"Nein, kommt rein."

Als Takeshi den Raum betrat, fiel ihm sofort auf, dass mit Renhou etwas nicht stimmte. Zunächst jedoch nur äußerlich und auch anhand seiner Kleidung. "Renhou! Was ist denn mit dir passiert?"

"Nichts. Nur eine kleine Auseinandersetzung mit Sesshoumaru", antwortete Renhou möglichst ruhig, aber Takeshi wirkte trotzdem leicht erschrocken.

"Sesshoumaru? Bist du verletzt?"

"Nein, es geht mir gut", antwortete Renhou ungeachtet seiner kleineren sichtbaren Blessuren, während er sich seines ziemlich lädierten Mantels entledigte. Unter diesem kam nun zu Renhous schwarzer Hose ein dunkelviolettfarbenes ärmelloses Oberteil zum Vorschein. Ebenso sichtbar waren nun auch die Schoner an seinen Handgelenken. Dass Renhou jedoch trotz seiner Aussagen etwas beschäftigte, entging Takeshi nicht.

"Was ist mit dir? Du wirkst so aufgebracht."

"Eigentlich ist nichts", antwortete Renhou zunächst, hielt dann jedoch in sämtlichen Bewegungen inne. "Es ist nur... Es ist wegen diesem Naraku." Er wandte sich zu Takeshi um. "Takeshi-sama, Ihr habt es doch auch mitbekommen, nicht wahr?"

Takeshi schaute zunächst leicht erschrocken. Wusste Renhou etwa, dass er Naraku nicht traute? Dass er gar schon Akuma darauf angesprochen hatte? Auch im Nachhinein antwortete Takeshi nicht auf die Frage. Stattdessen schien er nach einer ausweichenden Antwort zu suchen, die er Renhou darbieten konnte. Doch dieser ergriff noch vor Takeshi wieder das Wort: "Ihr braucht es nicht vor mir zu verheimlichen. Ich traue Naraku nämlich auch nicht über den Weg."

Takeshi schaute auf. "Du also auch, Renhou?"

"Nicht nur ich. Auch Yu sieht die Sache ähnlich. Ich habe ihn damit beauftragt, diesen Kerl etwas im Auge zu behalten. Es scheint, als hätte er bei den Zwischenfällen mit Rokou und Toba keine allzu unbedeutende Rolle gespielt."

"Aber... dann muss Akuma doch davon erfahren!", rief Takeshi aus, doch Renhou schüttelte den Kopf.

"Ich glaube nicht, dass das unter den gegebenen Umständen Sinn machen würde, ansonsten hätte ich das schon längst getan."

Takeshi senkte den Blick. Warum nur musste alles so verflucht kompliziert sein? Wie war es überhaupt erst dazu gekommen? Er hatte den Überblick verloren. Ihm war so, als wäre alles Schlag auf Schlag passiert, ohne, dass jemand dem Ganzen hatte Einhalt gebieten können. Erst, als Takeshi die Hand von Renhou auf seiner Schulter spürte, kehrte er wieder aus seinen Gedanken zurück.

"Euer Bruder ist nicht dumm, Takeshi-sama", sprach Renhou mit beruhigender Stimme weiter, klang im Nachhinein jedoch auch ein wenig bedrückt. "Das Problem diesmal ist nur, dass ihn das Verlangen nach den Juwelensplittern und seine Rachegedanken gegen die Inu-Youkai völlig blind machen für alles andere. Naraku scheint ein ungeahntes Talent dafür zu haben, andere für sich zu gewinnen. Sogar Akuma-sama..."

Auch Takeshi blickte zu Boden. "Einem Anführer sollte so was eigentlich nicht passieren..."

Auf Renhous Gesicht erschien ein leichtes Lächeln. "Wer weiß? Vielleicht ist das ja einfach nur das väterliche Erbe. Ihr wisst es vielleicht nicht, aber Euer Vater war in solchen Dingen auch immer sehr stur und ließ keine Argumente gelten."

"Was mitunter wohl ein Grund dafür gewesen sein mochte, dass er vor 1000 Jahren gegen Inu no Taishou unterlag...", wagte Takeshi zu behaupten. Dazu schwieg Renhou jedoch. Ob es Takeshis Bruder am Ende wohl genau so ergehen würde? Würde auch er den Clan in eine bittere Niederlage führen?
 

Nachdem eine Stunde später die Nacht hereingebrochen war und Akumas Flugdrachen sich auf ihren nächtliche Beutezug begeben hatten, dachte Akuma selbst noch eine Weile über das nach, was Renhou kurz nach seiner Rückkehr ins Schloss berichtet hatte. Es waren zugegeben auch Informationen dabei gewesen, mit denen Akuma anfangs nicht gerechnet oder von denen er zumindest nicht gedacht hatte, dass sie ihm wirklich mal nützlich sein könnten. Auch Sangos Sorgen um ihren Bruder Kohaku spielten dabei keine unwesentliche Rolle. Aber im Grunde schien die Aktion mit dem Jungen keine wirklichen Fortschritte gebracht zu haben. Was also hatte sich Naraku dabei gedacht? Hatte er nur ein Spiel mit seinen Feinden spielen wollen?

"Kummer, Angst, Verzweiflung... Liebe. Die Menschen weisen wirklich viele merkwürdige Gefühlsregungen auf. Zugleich sind das aber auch ihre größten Schwächen."

Akuma trat an eines der Fenster und schob es auf. Der kühle Nachtwind wehte in den Raum hinein. Den Blick nach Westen gewandt, legte er sich nachdenklich eine Hand ans Kinn. "Liebe... und Zuneigung. Ist das vielleicht der Schlüssel?"

Keinen Augenblick später umspielte ein heimtückisches Lächeln seine Lippen. "Wer weiß? Vielleicht war diese Aktion doch nicht vollkommen nutzlos. Ich glaube, ich weiß jetzt, was ich als Nächstes tun werde."

Ein einziger Befehl genügte und keine fünf Sekunden später betrat einer seiner Wächter die Privaträume seines Herrn. Respektvoll verneigte er sich. "Ihr habt gerufen, Akuma-sama?"

Akuma drehte sich zu seinem Gefolgsmann um. "Schicke Renhou und die anderen Hüter zu mir! Sie sollen eine Kleinigkeit für mich erledigen."

"Alle Hüter, Herr?"

"Genau. Rokou müsste sich inzwischen ja wieder so weit erholt haben, dass er wieder einsatzfähig ist."

"Sehr wohl." Der Wächter verließ das Zimmer wieder. Den heimtückischen Ausdruck in seinem Gesicht beibehaltend, wandte Akuma seinen Blick wieder nach draußen in Richtung Westen.

"Sesshoumaru... Ich weiß, du selbst bist der festen Überzeugung davon, dass du keinerlei Schwächen besitzt. Aber da unterliegst du einem fatalen Irrtum, mein Freund. Denn du hast sehr wohl eine Schwäche. Eine gravierende sogar..."

Schatten der Vergangenheit

"Das war ja wieder mal was... Ich würde es sehr begrüßen, wenn es zur Abwechslung mal etwas ruhiger zugehen würde."

Kimie plapperte eigentlich schon die ganze Zeit über die jüngsten Ereignisse, insbesondere eben über die Begegnung mit Kohaku und Sesshoumarus Kampf gegen Renhou. Der einzige, der ihr jedoch zuhörte, war eben genau Sesshoumaru, mit dem sie sich in seinem Zimmer befand und in Kagomes Arzneikoffer herumwühlte. Als Kimie endlich das zusammengesammelt hatte, was sie brauchte, streckte sie ihm auffordernd die Hand entgegen.

Sesshoumaru jedoch schaute sie eher unschlüssig an. "Was willst du?"

"Gib mir deine rechte Hand."

"Wozu?"

"Damit ich sie dir schütteln kann. Aber Spaß beiseite. Wozu wohl? Damit ich sie verbinden kann."

Sesshoumaru wirkte zwar ein wenig überrumpelt, behielt aber seine Fassung. "Ich brauche keine derartige Hilfe."

"Ja, ja!" Kimie machte eine abwinkende Handbewegung. "Und die Erde ist rund und der Mond besteht nicht aus grünem Käse. Alles Fakten, ich weiß! Trotzdem, stell dich nicht an wie ein Baby! Oder wie ein Welpe, in deinem Fall... Nun gib endlich Pfötchen!" Allerdings schaute Sesshoumaru jetzt erst recht ziemlich merkwürdig drein. Kimie zuckte mit den Schultern. "Was denn? Wenn Kagome zu Inu Yasha 'Osuwari' sagt, gehorcht er ihr schließlich auch. Wenn auch nicht ganz freiwillig..."

Auch, wenn Sesshoumaru ihrer Aufforderung letztendlich nachkam, ganz freiwillig tat er es doch nicht. Während sie ihn mit ein paar netten Worten ein wenig abzulenken versuchte, besah sich Kimie gleichzeitig seine Hand. Bei der Wunde hatte der Heilungsprozess zwar schon sichtbar eingesetzt, aber trotzdem wollte sie auf Nummer sicher gehen, denn allein der Anblick des Schnittes, der sich über seine Handfläche zog, verursachte bei ihr ein komisches Gefühl.

Während Kimie sich um die Wunde kümmerte, fiel ihr irgendwann auf, dass Sesshoumaru die ganze Zeit über merkwürdig still war. Nicht, dass er sonst ein überaus gesprächiger Typ gewesen wäre, aber diesmal war es anders. "Du wirkst irgendwie so nachdenklich, Sesshoumaru. Stimmt etwas nicht?"

"Renhou... Er steht in der Rangfolge der Ryû-Youkai bezüglich seiner kämpferischen Fähigkeiten praktisch direkt hinter Akuma. Aber ich glaube, beide sind in etwa gleich stark."

Kimie schaute ein wenig irritiert drein. Zuerst wusste sie gar nicht so recht, worauf Sesshoumaru damit eigentlich hinaus wollte, aber da überkam sie ein Verdacht. "Du meinst... du könntest Akuma zum jetzigen Zeitpunkt in einem Zweikampf nicht besiegen?"

Aber zu dieser Frage schwieg er. Kimie wollte ihn auch nicht zu einer Antwort nötigen, weshalb sie dieses Thema zunächst auch erst mal wieder auf sich beruhen ließ. Stattdessen fragte sie nach einem Moment: "Sag mal, was hast du eigentlich mit Toukijin gemacht?"

"Ich habe es Toutousai zur Reparatur überlassen", antwortete Sesshoumaru. "Er soll mir Bescheid geben, wenn er erfolgreich war."

"Wenn? Könnte es denn Probleme geben?"

"Er hat etwas diesbezüglich angedeutet, aber dazu habe ich ihn nicht näher ausgefragt, und es ist mir auch egal."

"Hmm..." Kimie widmete sich wieder seiner Hand. Bis sie mit der Verarztung so weit fertig gewesen war, herrschte Schweigen. Aber dann hielt Kimie diese Stille nicht mehr aus und kam wieder auf das vorangegangene Thema zurück: "Wenn du meine Meinung hören willst, ich denke, du hast keinen Grund, dir etwa allzu große Sorgen zu machen. Zugegeben, Renhou ist ein guter Kämpfer, aber ich bin mir sicher, wenn du dich richtig reinhängst, könntest du so wohl ihn als auch Akuma besiegen."

Sesshoumaru schaute sie skeptisch an. "Reinhängen?"

"Ich meine damit, dass du alles geben sollst."

"Was glaubst du, was ich getan habe?"

Diesmal blieb Kimie zunächst stumm. Wie sollte sie diese Frage verstehen? "Dann... dann sind sie also wirklich stärker als du?"

Aber Sesshoumaru stand nur wortlos auf und trat auf die Veranda hinaus. Nach kurzem Zögern folgte ihm Kimie, blieb aber erst mal an der Tür stehen. Die Sonne war bereits hinter dem westlichen Horizont verschwunden. Nur ein schwaches rötliches Licht war noch zu sehen gewesen. Die ersten Sterne funkelten bereits am Himmel.

Es war nicht nur die Bemerkung von Sesshoumaru gewesen, die Kimie nun doch sehr nachdenklich gestimmt hatte. Auch die Geschichte mit Sango und Kohaku beschäftigte sie. Als die Gruppe sie und Miroku im Anschluss an die Konfrontation mit Renhou nach kurzer Suche wieder gefunden hatte, war Sango völlig aufgelöst und kaum ansprechbar gewesen. Kimie, die Sango stets nur als die starke Dämonenjägerin gekannt hatte, war sehr erschrocken darüber gewesen, wie verletzlich sie auf einer anderen Seite wiederum gewesen war. Doch wer konnte Sango in der Hinsicht nicht verstehen? Schließlich bangte sie schon seit so langer Zeit um das Leben ihres jüngeren Bruders.
 

Wie es momentan um Kohaku stand, vermochte keiner zu sagen, aber Sango ging es wirklich sehr schlecht. Bereits nach der Rückkehr ins Schloss hatte sie sich in ihrem Zimmer verschanzt und keinem den Zutritt gewährt. Nur Kirara war bei ihr gewesen, konnte ihrer Herrin allerdings auch nicht den nötigen Trost spenden.

Sango saß mit eng angezogenen Beinen an der Wand und hatte ihr Gesicht in ihren Armen verborgen. Auch auf das leise Maunzen ihrer Dämonenkatze reagierte sie nicht. Sogar, als es schließlich zaghaft an der Tür klopfte, blieb Sango stumm.

"Sango?", erklang von draußen die Stimme von Miroku. "Darf ich reinkommen?"

Da sie ihm nicht antwortete, betrat der junge Mönch irgendwann von sich aus das Zimmer. Aber noch immer rührte sich Sango in keinster Weise. Im ersten Augenblick überlegte Miroku sogar, ob es nicht besser wäre, wenn er wieder gehen würde, aber Sangos Anblick veranlasste ihn letztendlich doch dazu zu bleiben. Er wartete noch kurz, ehe er sich neben sie setzte.

"Sango..."

"Ich habe allmählich keine Hoffnung mehr, Miroku...", sagte Sango plötzlich, jedoch ohne ihren Blick zu heben. "Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun kann, um Kohaku zu helfen. Es scheint immer nur auf das selbe hinauszulaufen. Als gäbe es keinen Weg..." Als sie nun doch aufschaute, konnte Miroku die noch deutlich sichtbaren Spuren ihrer Tränen erkennen. Und die noch immer leicht geröteten Augen zeugten von dem, wie leise sich Sango in ihrem Zimmer ihrem Kummer hingegeben hatte.

Miroku tat dieser Anblick sehr weh. So gerne hätte er Sangos Schmerz gelindert, aber wie sollte er das anstellen? Ihm waren die Hände gebunden, denn es stand nicht in seiner Macht, Kohaku aus Narakus Bann zu befreien. Und wer konnte schon sagen, wie lange Naraku noch sein Unwesen treiben würde? Trotzdem, Miroku konnte Sango nicht einfach so ihrer Trauer überlassen. Er musste wenigstens versuchen, ihr in irgendeiner Form beizustehen. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter.

"Sango, ganz egal, was auch passieren wird, ich stehe dir auf jeden Fall zur Seite. Und so gut ich kann, werde ich versuche dir zu helfen." Mit der anderen Hand wischte er ihr eine einzelne Träne aus dem Gesicht. "Auch, wenn es im Moment nicht so aussehen mag, irgendwann ist der ganze Albtraum vorbei. Und wenn es endlich so weit sein wird, dann freue ich mich schon jetzt darauf, ein friedliches Leben mit der Frau führen zu können, die ich mehr als alles andere liebe."

Sango war sichtlich gerührt und hielt Mirokus Hand fest, die nach wie vor auf ihrer Wange ruhte. "Danke..."

Es war ein kleiner Hoffnungsschimmer zurückgekehrt. Sie durfte nicht so einfach aufgeben! Das war sie Kohaku, ihrem Vater und überhaupt ihrem ganzen Dorf schuldig. Allein schon der ermutigende Ausdruck in Mirokus Augen vermochte ihr nun neue Kraft zu geben.

Als ob sie es von sich heraus irgendwie geahnt hätte, kehrte Kirara den beiden nun den Rücken zu, wagte aber trotzdem noch einen flüchtigen Blick über ihre Schulter zu riskieren, als Sango und Miroku in einen zärtlichen Kuss versanken.
 

Die Nacht kam den meisten irgendwie mehr als kurz vor. Und als der nächste Morgen angebrochen war, war es für Kouga und seine Kameraden Zeit, das Schloss der Inu-Youkai wieder zu verlassen. Die Wölfe aus Kougas Rudel schienen noch einen eifrigen letzten Plausch mit Inuki zu halten, als wollten sie noch auf die Schnelle alles los werden, was es zu bereden gab. Inu Yasha, der sich inzwischen so weit wieder erholt hatte, dass er nicht mehr länger das Bett hüten musste, beobachtete wiederum insbesondere Kougas Abschiedsrede an Kagome mit äußerst viel Argwohn.

"Hab keine Angst, Kagome. Ich werde Naraku finden und besiegen, verlass dich darauf!", versicherte der Wolfsdämon dem Mädchen und schaute ihr derart tief in die Augen, dass es ihr schon beinahe wieder unangenehm war.

Für Inu Yasha gab es kein Halten mehr und er schubste Kouga von Kagome weg. "Verflucht! Jetzt mach endlich, dass du wegkommst, du Mondanheuler, oder ich prügel‘ dich eigenhändig vom Hof!"

"Du kannst es ja gerne versuchen, Hundefresse!", konterte Kouga kämpferisch.

"Genug davon!", mischte sich Sesshoumaru, der an den Eingangstüren des Schlosses stand, ein. "Ich habe es dir und deinen Begleitern gestattet, das Schloss ohne weiteres wieder zu verlassen. Wenn ihr hier jedoch für Unruhe sorgen wollt, dann ändere ich meine Meinung auch ganz schnell wieder."

Ginta und Hakkaku zerrten Kouga sofort an den Armen. "Jetzt komm schon, Kouga! Gehen wir!", bat Ginta, und Hakkaku pflichtete ihm bei: "Ja. Seien wir doch dankbar, dass sie uns gehen lassen. Wir haben hier doch außerdem eh nichts verloren."

Kouga verdrehte genervt die Augen. "Oh Mann, ihr seid wirklich ein paar Jammerlappen..."

"Jetzt sei nicht so gemein, Kouga!", warf Ayame ein. "Außerdem haben die beiden Recht, und ich muss auch rasch wieder zurück zu meinem Großvater. Bestimmt wundert er sich schon, wo ich bleibe, schließlich habe ich ihm gegenüber nur gemeint, ich wollte nur kurz bei dir vorbeischauen. Also komm, lass uns gehen!"

"Ja, ja, ich hab's kapiert", winkte er ab.

Doch gerade, als er sich nach einem letzten Abschiedsgruß an Kagome mit seinen Kameraden und den Wölfen auf den Weg machen wollte, hielt eben genau Kagome ihn noch einmal kurz zurück: "Kouga-kun, warte! Ich möchte dich gerne noch um etwas bitten."

"Alles, was du willst, Kagome!", entgegnete Kouga sofort und rechnete insgeheim wohl schon damit, dass sie ihn darum bitten würde zu bleiben.

In der Hinsicht wurde er jedoch enttäuscht, als sie weiter sprach: "Die nördlichen Gebirge... Geh bitte nicht dorthin, ja? Die Ryû-Youkai sind wirklich sehr gefährlich, das hast du gestern selbst miterlebt. Also... bitte meide eine erneute Konfrontation mit ihnen."

In gewisser Hinsicht kam sich Kouga nun ein wenig ertappt vor. Zwar hatte er mit keinem Wort erwähnt, dass er sich bezüglich der Ryû-Youkai etwas schlauer hatte machen wollen, aber Kagome musste so etwas wohl schon geahnt haben. Ihre Bitte abschlagen konnte er allerdings nicht, also stimmte er, wenn auch ein wenig widerwillig zu: "Nun gut. Aber nur, weil du es bist, Kagome. Obwohl, im Übrigen ist es mir ja sowieso egal, mit wem die ganzen Köter hier ihre Differenzen haben." Er wandte sich erneut zum Gehen um. "Also, bis bald!" Und in Begleitung seiner Kameraden und dem Wolfsrudel verließ Kouga das Schloss der Inu-Youkai nun wieder.

"Was sollte denn das gerade?", fragte Inu Yasha mit einem leichten Schmollblick an Kagome gewandt.

Sie hob eine Augenbraue. "Was denn?"

"Ich meine diese 'Bitte geh nicht in den Norden'-Nummer", äffte der Hanyou das Mädchen nach. "Soll der Typ doch machen, was er will! Und wenn er sich unbedingt von diesen Fledermausabklatschen die Fresse polieren lassen will, ist das doch seine Sache! Du musst ihn nicht so bemuttern!"

Kagome entwich ein Seufzen, aber sah sie Inu Yashas Eifersucht diesmal erstaunlich gelassen. Sie lächelte sogar. "Ich wollte nur nicht, dass sich Kouga-kun und die anderen eventuell in Schwierigkeiten bringen. Und was dich angeht, reg dich lieber nicht so auf. Noch bis du nämlich nicht wieder ganz gesund." Sie tätschelte seinen Kopf, ungeachtet seiner Proteste.

"Versuch nicht schon wieder abzulenken!", meckerte Inu Yasha. "Glaubst du etwa, ich habe nicht gemerkt, wie du ihm schöne Augen gemacht hast?"

"Du siehst Gespenster, Inu Yasha! Ich habe ihm doch überhaupt nicht schöne Augen gemacht!", versuchte Kagome sich zu erklären, aber der Hanyou schien taub für ihre Worte gewesen zu sein. Nachdem er sich auch nach zwei weiteren Erklärungsversuchen noch immer nicht einsichtig zeigte, griff Kagome auf ihr altbewährtes Mittel zurück: "Inu Yasha! O-su-wa-ri!" Und schon lag Inu Yasha wie so oft im Dreck, zur Belustigung der anwesenden Zaungäste.

"Trottel...", stöhnte Shippou kopfschüttelnd auf.
 

Jeder verbrachte die nachfolgenden Stunden bis hin zum Abend auf seine ganz eigene Art und Weise. So sah sich Kagome gezwungen, ihre kleine Diskussion mit Inu Yasha bezüglich Kouga noch ein wenig weiterzuführen, während Miroku weiterhin bei Sango verblieb. Die Inu-Youkai kamen indes ihren gängigen Pflichten nach, und weil Sesshoumaru noch immer voll und ganz damit beschäftigt war, sich eine Strategie für den Kampf zu überlegen, hatte Kimie ihn dabei nicht stören wollen. Stattdessen hatte sie das Gespräch mit Toutousai gesucht, der damit beschäftigt gewesen war, Toukijin wieder zu reparieren. Er saß im Freien vor dem Unterstand von Ah-Un und Mou-Mou auf dem Boden und hämmerte in regelmäßigen Abständen mit seinem Hammer auf das Schwert ein. Dabei spie er hin und wieder eine Flamme aus seinem Mund, um die Klinge zu erhitzen. Kimie stand an den Unterstand gelehnt daneben und schaute ihm äußerst fasziniert zu. Sie hatte sich schon öfters gefragt, wie der alte Schmied wohl bei seiner Arbeit vorging. Nach einer Weile hörte sie Toutousai plötzlich aufseufzen. "Herrje... Ich habe das Gefühl, ich kann machen, was ich will, dieser Riss will einfach nicht wieder verschwinden. So ein störrisches Schwert!"

"Wo liegt denn das Problem?", fragte Kimie neugierig.

"Die Klinge ist fast durchgebrochen. Da müssen wirklich ungeheure Kräfte am Werk gewesen sein. Es ist schon fast ein Wunder, dass sie nicht in ihre Einzelteile zersprungen ist. Mit ein wenig Material für die Reparatur hätte ich vielleicht bessere Chancen, das Schwert wieder hinzubekommen."

"Warum besorgst du dir dieses Material dann nicht einfach?" Kimie erkannte das eigentliche Problem nicht so wirklich. Es konnte doch schließlich nicht so schwer gewesen sein.

Toutousai jedoch entglitten auf diesen Vorschlag hin sämtliche Gesichtszüge. "Bist du verrückt? Sesshoumaru macht mich doch auf der Stelle kalt, wenn ich ihn danach fragen würde! Hast du nämlich auch nur die leiseste Ahnung davon, WAS ich für ein Material bräuchte?"

Ungeachtet des rauen Tons in seiner Stimme dachte Kimie kurz nach. Da fiel es ihr wieder ein. Inu Yasha hatte ihr gegenüber mal erwähnt, dass Toutousai Tessaiga mit der Hilfe eines Fangzahns des Hanyou reparierte hatte, als das Schwert zerbrochen war (siehe "Abenteuer im Mittelalter, Kapitel 26). Stimmt, wenn der Schmied Sesshoumaru nach einem Fangzahn fragen würde, konnte er sich die Arbeit im Grunde gleich sparen und sich stattdessen sein eigenes Grab schaufeln. "Kannst du... denn nicht jemand anders fragen, der dir helfen könnte?"

Toutousai schaute das Mädchen prüfend an. "Wieso? Willst DU dich etwa freiwillig melden?"

Sofort hielt Kimie ihre Zeigefinger vor sich gekreuzt, als versuchte sie einen laienhaften exorzistischen Zauber anzuwenden. "Oh nein! Das vergiss mal ganz schnell wieder! Ich habe nicht vor, in meinem Alter schon mit falschen Zähnen rumlaufen zu müssen!"

"Nur keine Panik! Das war doch nur so dahergesagt", meinte der alte Schmied. "Menschliche Zähne eignen sich für so etwas ohnehin nicht. Es wäre also ein unnützes Opfer, das du bringen würdest."

"Hä? Und warum hast du mich erst so komisch gefragt?"

"Ich wollte nur deine Reaktion austesten. Zerbrich dir mal nicht zu sehr deinen Kopf, ich kriege das Schwert auch so wieder hin, es wird halt nur ein wenig dauern." Damit wandte sich Toutousai wieder seiner Arbeit zu.

Kimie seufzte auf. Das war ja mal wieder so was von typisch für ihn gewesen! Als sie ihren Blick jedoch einmal über Toukijin huschen ließ, fiel ihr wieder etwas ein. "Sag mal, du bist es doch nicht gewesen, der Toukijin geschmiedet hat, oder?"

Toutousai nickte. "Richtig, ein ehemaliger Lehrling von mir hat es in Sesshoumarus Auftrag angefertigt. Er hieß übrigens Kaijinbou. Ich habe den Kerl damals rausgeschmissen, weil er nur finstere Schwerter mit böser Kraft geschmiedet hat. Er war eine Schande für das ganze Handwerk des Waffenschmiedens!" Die abfällige Art und Weise wie er über seinen ehemaligen Schüler gesprochen hat, war unüberhörbar gewesen, aber irgendwie konnte Kimie das nachvollziehen.

Während er noch ein paar Mal auf die Klinge Toukijin einhämmerte, wandte sich Toutousai erneut an das Mädchen: "Wenn du möchtest, dann kann ich mir auch dein Schwert mal genauer ansehen und es ein wenig schärfen, sobald ich mit meiner Arbeit an Toukijin fertig bin. Bring Raidon einfach bei mir vorbei, wenn du das Angebot annehmen willst."

Da Kimie kein Grund einfiel, weshalb sie ablehnen sollte, hatte sie kein Problem damit, das Angebot anzunehmen. Sie würde ihm Raidon dann später vorbeibringen. Mit einem Mal machte sie jedoch einen ziemlich nachdenklichen Eindruck, als wäre ihr plötzlich etwas in den Sinn gekommen. Toutousai unterbrach seine Arbeit abermals und schaute in ihre Richtung. "Stimmt etwas nicht mit dir? So wirkst ein wenig abwesend."

Kimie schüttelte leicht den Kopf. "Ich mache mir nur Gedanken um Sesshoumaru. Er war vorhin irgendwie so komisch."

"Komisch? Inwiefern?"

"Ich weiß auch nicht so genau, aber auf jeden Fall war es seltsam..." Sie berichtete Toutousai knapp von den wichtigsten Einzelheiten des Gesprächs, welches sie mit Sesshoumaru geführt hatte. "So habe ich ihn noch nie erlebt. Ich meine, er zweifelt ja praktisch an sich selbst."

Ehe der alte Schmied etwas darauf erwidern konnte, erklang eine weitere Stimme: "Nun ja, das ist auch nicht weiter verwunderlich. Das heißt, sofern ich mit meiner Vermutung richtig liege."

Als Kimie und Toutousai aufschauten, sahen sie Kakeru auf sich zukommen. Er schien ihr vorangegangenes Gespräch mitverfolgt zu haben. Ohne jedoch darauf einzugehen, wie viel genau er gehört hatte, fragte Kimie ihn ganz direkt: "Was meint Ihr damit? Was ist denn Eure Vermutung?"

Kakeru antwortete mit gewohnt ruhiger Stimme: "Die Sache ist die: Bisher gab es nie wirklich einen Gegner, der Sesshoumaru-sama ernsthaft in die Enge hatte treiben können, doch diesmal war das anders. Die Stärke der Ryû-Youkai beruht auch auf der Tatsache, dass sie auch ohne Handwaffen dazu in der Lage sind, bewaffneten Gegnern zu widerstehen, und sie auch zu besiegen. Das ist etwas, was unserem Clan fehlt. Zwar brauchen auch wir nicht zwangsläufig immer Waffen, aber einem Gegner, der die waffenlose Kampfkunst perfekt beherrscht, können wir so gesehen nur schwer die Stirn bieten."

"Also ist allen Ernstes Sesshoumarus Selbstbewusstsein angeknackst, oder wie?" Kimie konnte es irgendwie nicht glauben. Dass jemand wie Sesshoumaru sich wirklich von so etwas aus der Bahn werfen lassen könnte, kam ihr so derart absurd vor, dass allein die Vorstellung schon fast wieder lächerlich gewesen war.

Kakeru jedoch schien in genau diese Richtung zu denken. "Dem mag durchaus so sein, aber hauptsächlich ist es sein Stolz. Und wenn der bei ihm in Mitleidenschaft gerät, dann sollte man ihn besser ein wenig in Ruhe lassen."

Kimies Blick wechselte von Kakeru zu Toutousai, der jedoch schwieg, und wieder zurück. "Sagt mal, Kakeru, wie habt ihr denn damals gewonnen? Es muss doch irgendetwas geben, womit man den Ryû-Youkai Einhalt gebieten kann. Also, wie habt ihr damals gesiegt?"

"Gesiegt..." Auf einmal wirkte Kakeru merkwürdig bedrückt. Es dauerte einen Augenblick, ehe er weiter sprach: "Es war kein wirklicher Sieg, und sogar unser Oyakata-sama war dieser Ansicht gewesen. Wir haben die Ryû-Youkai zwar vertreiben können, aber so viele von uns sind im Kampf gefallen. Und manche sind so schwer verletzt worden, dass sie nie wieder dazu in der Lage waren, zu kämpfen, und einige starben auch an den Folgen dieser Auseinandersetzung. Von denen, die damals dabei waren, sind nur noch wenige hier. Und nun müssen die entstandenen Lücken von anderen gefüllt werden. Wie etwa von Ashitaka-dono, Tôya oder auch Subaru. Und es ist nicht mal gewiss, ob sie überleben werden..."

"Aber Kakeru..." In Kimies Augen sah man die Unsicherheit, die auch aus ihrer Stimme herauszuhören gewesen war.

Kakeru schüttelte bedauernd den Kopf. "Entschuldigt. Ich weiß, es klingt nicht gerade schön, was ich eben gesagt habe."

"Es klang eher grausig..."

"Tut mir Leid. Es ist nur... die Vorstellung, dass so junges Leben durch Kämpfe wie diese zerstört wird..." Er sprach nicht weiter. Es war klar, was er hatte sagen wollen.

Sogar Toutousai sah man nun in gewisser Hinsicht das Bedauern an. "Ich habe schon viel von solchen Kriegen und Kämpfen mitbekommen. Sie alle sind in jeder Hinsicht grausam, egal wie man es auch dreht und wendet. Und trotzdem wird es wohl immer wieder zu so etwas kommen... Egal, wie alt ich bereits sein mag, man kann sich an Derartiges nicht wirklich gewöhnen, auch, wenn man vielleicht ein wenig abzustumpfen scheint."

"Und Sesshoumaru-sama trägt die schwerste Last", ergriff Kakeru wieder das Wort. "Als Erbe unseres ehemaligen Herrn trägt er die Verantwortung für alle hier und auch die Verantwortung für den Verlauf des Kampfes und dessen Ausgang. Auch, wenn er es wohl niemals zugeben würde, er braucht Unterstützung an seiner Seite."

"Aber die hat er doch!", warf Kimie betont ein. "Euch zum Beispiel und seine Leute stehen doch auch hinter ihm."

"Das mag stimmen, aber er braucht auch eine andere Form der Unterstützung. Jemanden, der ihm den Rücken stärkt."

"Aber was die anderen anbelangt...", mischte sich Toutousai ein. "Es mag vielleicht nur ein Hirngespinst sein, aber ich habe ein ungutes Gefühl in den Knochen."

Kimie traute sich diesmal gar nicht, genauer nachzufragen. Sollte das etwa heißen, innerhalb der eigenen Reihen drohte Unruhe? Würden Sesshoumarus Leute ihm etwa das Vertrauen entziehen? Aber wieso? Sie war eigentlich der Meinung gewesen, die anfänglichen Probleme wären inzwischen vergessen gewesen. War dies etwa nur ein Trugschluss gewesen?
 

Wie schon so manche Nacht zuvor, so war auch diese Nacht für Inu Yasha eine etwas unruhige gewesen. Schon wieder hatte er diesen merkwürdigen Traum. Alles war in ein rötliches Licht getaucht. Da war Feuer! Ein Haus brannte. Inu Yasha hatte das Gefühl, als stünde er wie eine Art Geist mitten im Geschehen. Er konnte die Hitze der Flammen förmlich spüren, doch schadeten sie ihm nicht, auch, wenn er sie berührte.

>Was hat das zu bedeuten? Wo bin ich?< Inu Yasha schaute sich um. Plötzlich hörte er etwas. Es war das Schreien eines Kindes, eines neugeborenen Säuglings! Allerdings kam es nicht aus diesem Raum. Er wollte dem Ursprung der Schreie auf den Grund gehen und den Raum verlassen. Aber als er mit der Hand die Schiebetür berühren wollte, glitt er einfach durch sie hindurch. Zunächst sichtlich erschrocken, zog Inu Yasha die Hand wieder zurück, fasste sich dann aber ein Herz und trat einfach so durch die geschlossene Tür. Auf dem Flur stehend erkannte er nun, dass er sich in einer Art Schloss aufhalten musste. Und noch immer hörte er diese Schreie. Ohne zu zögern lief er los und hatte schon bald den entsprechenden Raum erreicht. So wie er schon zuvor das eine Zimmer verlassen hatte, betrat er nun dieses und fand nur wenige Meter vor sich, inmitten der Flammen und eines heillosen Durcheinanders, ein Schlaflager vor, welches durch einen Vorhang die Sicht auf denjenigen, der dort ruhte, verbarg. Aber genau von dort kamen die Schreie des Babys. Und da war noch etwas... Inu Yasha bildete sich ein, Blut zu riechen. Aber konnte man in einem Traum überhaupt etwas riechen? Oder war all das mehr als bloß ein Traum gewesen? Ging seine Fantasie langsam aber sicher mit ihm durch? In Inu Yashas Kopf ging alles drunter und drüber. >Was passiert hier? Warum habe ich das Gefühl, als wäre ich schon einmal hier gewesen? Was ist das für ein Ort?<

Gerade wollte er näher an das Lager herantreten, als jemand durch die geschlossene Tür gestürmt kam. Inu Yasha fuhr herum und erschrak. Da stand ein Mann mit langem, silberweißen Haar, welches er zu einem Zopf zusammengebunden hatte, und einer Rüstung. Sein Gesicht lag jedoch auf eine völlig unerklärliche Art und Weise im Schatten. So sehr Inu Yasha sich auch bemühte, ihm in die Augen zu schauen, es gelang ihm einfach nicht. Der Mann lief indes direkt auf das Lager zu und entfernte den Vorhang. "Izayoi!"

Wieder schreckte Inu Yasha hoch. Izayoi... Das war doch der Name seiner Mutter gewesen! Er eilte an das Lager und musste mit Schrecken feststellen, dass da wirklich seine Mutter lag, aber... sie war tot! Da entdeckte Inu Yasha etwas, was sie in den Armen hielt, er musste aber einmal um sie herum gehen, um es genauer sehen zu können. Da lag ein Baby!

>Aber das ist doch...!<

In diesem Moment zog der Mann eines seiner Schwerter. "Ich bitte dich, Tenseiga." Als er seine Klinge auf Izayoi niedersausen ließ, verstand Inu Yasha zuerst gar nicht, wonach er eigentlich geschlagen hatte, aber die Überraschung des Hanyou war groß gewesen, als seine Mutter nur wenige Sekunden später ihre Augen öffnete und sich kurz darauf sogar aufsetzen konnte. Sie lebte!

Der Mann holte nun einen roten Umhang hervor, welchen er ihr umlegte, als Schutz vor den Flammen. Sein Blick ruhte auf dem Baby, welches Izayoi liebevoll in den Armen hielt. Es schrie nach wie vor, aber es schien ihm gut zu gehen. Allerdings hatten die beiden keine Zeit, irgendwelche Worte miteinander zu wechseln, denn eine weitere Person erschien nun auf der Bildfläche. Es musste sich dabei um einen Samurai gehandelt haben, wenn man von der Erscheinung der Rüstung ausging. Inu Yasha fiel gleich auf, dass ihm der linke Arm fehlte. Aus der frischen Wunde tropfte stetig Blut auf den Boden hinab. In der rechten Hand hielt der Krieger sein Schwert. Obwohl sein Zustand ziemlich angeschlagen gewesen war, kam er mit bedrohlich sicheren Schritten immer näher. "Ich bereue nichts. Ich werde mit dir zusammen in die Unterwelt eingehen."

Der Mann bei Izayoi hatte Tenseiga indes gegen ein Schwert eingetauscht, welches er auf dem Rücken mit sich getragen hatte, und sich schützend vor die junge Frau gestellt. "Du musst leben!"

"Und du, Liebster?" In Izayois Blick sah man Unsicherheit und Angst. Inmitten dieser verwirrenden Atmosphäre brachen die ersten Deckenbalken, die dem Feuer hatten nachgeben müssen, und fielen brennend zu Boden.

"Inu Yasha."

Der Samurai wirkte ein wenig verwirrt. "Was?"

"Der Name des Kindes...", sprach sein Gegenüber weiter. "Sein Name ist Inu Yasha."

Izayoi schaute auf das Baby in ihren Armen. "Inu Yasha."

"Nun geh!"

Sie zögerte noch einen Augenblick, doch dann fügte sie sich. "Ja." In ihrer Stimme hatte man die Trauer gehört, aber sie hatte keine andere Wahl, wollte sie ihr Leben und das Leben ihres Kindes retten. Währenddessen blieb ihr Geliebter zusammen mit dem Samurai zurück und stellte sich ihm zum Kampf.

Inu Yasha war irritiert, doch entschloss er sich schließlich dazu, seiner Mutter zu folgen. Er durchschritt wie schon zuvor Türen und Wände, bis er sich im Freien befand. Überall lag Schnee und der Himmel war dunkel. Eine Mondfinsternis herrschte in dieser Nacht. Dann entdeckte er seine Mutter und lief wieder los. Bei einigen Bäumen etwas abseits des brennenden Schlosses blieb sie schließlich stehen und blickte zurück. Als auch Inu Yasha sich umdrehte, sah er gerade, wie das Gebäude in einem Meer von Flammen in sich zusammenfiel. Und geisterhaft hörte er wieder die Stimme des Mannes, der Izayoi gerettet hatte, wie vom Wind getragen in der Luft widerhallen: "Izayoi, lebe! Was auch immer passiert, du musst leben! Zusammen mit Inu Yasha!"
 

Erschrocken fuhr Inu Yasha aus dem Schlaf hoch. Dabei fiel Tessaiga, welches er beim Schlafen stets festhielt, zu Boden. Im ersten Moment wusste er überhaupt nicht, wo er sich eigentlich befand. Fast schon panisch schaute er sich um. Sein Atem ging schnell und in seinen Augen stand noch ein Rest des Schreckens.

Es dauerte ein wenig, ehe sich der Hanyou wieder einigermaßen beruhigt hatte und sich wieder gegen die Wand lehnte. Diesmal war der Traum anders gewesen. So real hatte er diese Bilder zuvor noch nie gesehen, alles schien so echt gewesen zu sein. Aber das war mehr als nur ein Traum gewesen. Es war eine Erinnerung...

"Vater...?" Inu Yasha hatte im Grunde keinerlei Zweifel daran gehabt, dass er in seinem Traum wirklich seinen Vater gesehen hatte. Schließlich hatte er ihn schon einmal für einen kurzen Augenblick gesehen, wenn auch eher undeutlich und ohne die Chance, mit ihm sprechen zu können. Damals nach dem Kampf gegen Sou'unga...

Das musste die Nacht seiner Geburt gewesen sein. Die Nacht, in der sein Vater gestorben war...

Inu Yasha verblieb zunächst noch in seinem Zimmer, aber seine Gedanken fuhren Achterbahn. Er brauchte die Gewissheit, aber mit wem sollte er sprechen? Und das auch noch um diese Zeit, schließlich war es mitten in der Nacht. Es schien jedoch einen zu geben, der bereit gewesen wäre, ihm seine Fragen zu beantworten, und auf dessen wahrheitsgetreue Aussagen er sich auch verlassen konnte. Also stand Inu Yasha auf und verließ sein Zimmer.

Er steuerte geradewegs die Privaträume von Kakeru an, doch zögerte er mit dem Anklopfen. Zweifel überkamen ihn. Sollte er wirklich in der Vergangenheit herumstochern? Nur wegen eines Traumes? Schließlich hatte Inu Yasha immer wieder betont, alles, was seinen Vater anging, wäre ihm egal. Er hatte ihn immerhin nie kennen gelernt, er hatte ihn nie gesehen, geschweige denn ein Wort mit ihm gewechselt. Wie auch, wenn er bereits so kurz nach Inu Yashas Geburt gestorben war?

Inu Yasha stand noch eine ganze Weile so unschlüssig in dem dunklen Gang. Er war schon drauf und dran gewesen, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen, als sie jedoch die Schiebetür des Zimmers überraschend öffnete und Kakeru ihm gegenüberstand. "Inu Yasha-sama. Es ist mitten in der Nacht. Was führt Euch zu mir?"

Inu Yasha blickte unentschlossen zu Boden. Dem Anschein nach hatte sich Kakeru noch gar nicht zur Nachtruhe begeben, ansonsten wäre es dem Hanyou ein Rätsel gewesen, wie er ihn bemerkt haben konnte. Oder waren Kakerus Sinne derartig geschärft, dass er die Anwesenheit anderer spürte, auch ohne, dass sie etwa eine sehr ausgeprägte, starke Aura besaßen?

Es bedurfte erst einer erneuten Nachfrage Kakerus, ehe Inu Yasha endlich seine Sprache wieder fand: "Ich habe... eigentlich nur eine Frage an dich. Vielleicht mag sich das merkwürdig anhören, dass ich ausgerechnet jetzt und zu so einer Zeit damit ankomme aber... ich muss es einfach wissen."

"Was beschäftigt Euch?"

Inu Yasha holte einmal tief Luft. "Wie... wie ist mein Vater gestorben? Was ist damals passiert?"

In Kakerus Gesicht spiegelte sich ein Ausdruck von Überraschung wieder. Damit hatte er in der Tat nicht gerechnet. Trotzdem wollte er Inu Yasha die Antwort natürlich nicht verwehren, dazu hatte er nicht das Recht. Also begann er schließlich zu erzählen, wenn auch mit einem leichten Unterton von Trauer in der Stimme: "Es geschah in der Nacht, in der Ihr geboren wurdet. Kurz nachdem Euer Vater den Daiyoukai Ryuukotsusei in einen tiefen Schlaf versetzt hatte und in diesem Kampf schwer verwundet worden war, traf er sich ein letztes Mal mit Sesshoumaru-sama. Euer Vater teilte Eurem Bruder mit, dass er noch eine letzte Sache erledigen musste und diese war, Eure Mutter zu retten. Zu diesem Zeitpunkt stand sie kurz vor der Entbindung. Das Schloss, in welchem sie sich mit Euch befand, wurde schwer bewacht. Man rechnete mit dem Eintreffen Eures Vaters, trotzdem schlug er sich gegen seine Widersacher bis zu Eurer Mutter durch. Der Anführer der Krieger des Schlosses befahl, alles niederzubrennen, um Euren Vater auf diese Weise aufzuhalten. Es dauerte nicht lange, dann stand alles in Flammen. In diesen Flammen kämpfte Euer Vater seinen letzten Kampf gegen den Samurai, der Eure Mutter zuvor getötet und den Befehl gegeben hatte, das Schloss niederzubrennen. Nachdem Euer Vater Eure Mutter mit Tenseiga wiederbelebt hatte, stellte er sich anschließend seinem Gegner. Beide kamen in den Flammen ums Leben. Eure Mutter jedoch entkam zusammen mit Euch."

Inu Yasha stand da wie angewurzelt. Diese ganzen Details... Wie konnte es sein, dass Kakeru ihm alles so genau hatte schildern können? Zögerlich wagte er zu fragen: "Woher weißt du das alles? Warst du dabei? Hast du es gesehen?"

Kakeru schüttelte den Kopf. "Nicht mit eigenen Augen, aber ich sah alles in meinen Gedanken. Bilder, die mir im Traum erschienen. Ich gebe zu, ich habe von diesem Tag an versucht, ab und zu herauszufinden, wie es Euch geht. Nur einmal gelang mir das. Ich sah Euch als kleines Kind bei Eurer Mutter... und sie hat geweint."

Inu Yasha senkte den Blick. Ja, diese Erinnerung verfolgte auch ihn noch heute. Und sie würde ab jetzt wohl nicht mehr die einzige sein. "Dann ist... mein Vater also gestorben, um meine Mutter und mich zu retten..."

Der bedrückte Unterton in Inu Yashas Stimme war Kakeru natürlich nicht entgangen. Besorgnis lag in seinem Gesicht. "Inu Yasha-sama?"

"Keh! Und dabei habe ich immer behauptet, ich wollte nie etwas mit meinem Vater zu tun haben..."

Obwohl man in dieser Aussage an sich vermutlich etwas versteckt Abfälliges zu entdecken glaubte, hatte Kakeru jedoch den wahren Sinn erkannt. Inu Yasha hätte es ihm gegenüber und vermutlich auch in Gegenwart von keinem sonst zugegeben, aber Kakeru hatte die Trauer wahrgenommen. Die späte Trauer...

"Danke, Kakeru. Das war alles, was ich wissen wollte." Und ohne noch etwas zu sagen, machte Inu Yasha kehrt und schritt langsam durch den Gang zurück.

Nachdem er aus seiner Sicht verschwunden war, kehrte Kakeru in sein Gemach zurück. Er ging zu einem der Fenster und schob es auf. Deutlich spürte er das Licht des Mondes auf sich herab scheinen und seufzte leise. "Ihr seid wahrlich zu früh gegangen, Oyakata-sama. Eure Söhne brauchen Euren Rat."
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Inu Yasha erzählte niemandem von seinem Traum oder dem Gespräch mit Kakeru. Nur die Tatsache, dass er den ganzen folgenden Tag über merkwürdig nachdenklich und still war, was für ihn schon mehr als untypisch gewesen war, brachte seine Freunde ins Grübeln. Etwaige Nachfragen bezüglich seines Befindens ließ der Hanyou aber entweder unbeantwortet oder er verzog sich einfach. Besonders Kagome beschäftigte das alles sehr, auch bis zum Nachmittag, als sie sich mit Subaru für eine kleine Übungsstunde im Bogenschießen verabredet hatte. Sie schlug sich ganz gut, auch mit seinem Langbogen, aber ihm entging nicht, dass sie irgendwie abwesend wirkte. Schließlich unterbrach er das Training. "Wenn ich mir eine Frage erlauben dürfte, gibt es etwas, was dich beschäftigt? Du konzentrierst dich nicht richtig, das ist mir schon die ganze Zeit über aufgefallen. Hast du vielleicht ein Problem?"

Mit einem Seufzen ließ Kagome ihren Bogen sinken. "Eigentlich... geht es um Inu Yasha. Er ist schon den ganzen Tag so komisch, aber sogar mit mir will er nicht darüber sprechen."

"Ist das alles?", fragte Subaru, was Kagome ein wenig irritiert aufschauen ließ.

"Ich mache nun mal Sorgen um ihn!", entgegnete sie betont.

Subaru hob beschwichtigend die linke Hand. "Ich wollte damit auch nicht sagen, dass es dir egal sein sollte, was ihn beschäftigt, aber er ist auch kein kleines Kind mehr. Wenn er irgendwelche Probleme hat, dann muss er dazu in der Lage sein, diese auch allein zu bewältigen, wenn er keine Hilfe annehmen will. Wenn er sich jedoch in seine Sorgen vergräbt, muss er sich nicht wundern, wenn er über kurz oder lang wirklich in ernsthafte Schwierigkeiten gerät."

Kagome wurde unsicher. "Welche Schwierigkeiten denn?"

"So genau kann ich dir das auch wieder nicht sagen, schließlich bin ich kein Hellseher." Subaru schulterte seinen Bogen. "Mag auch sein, dass ich mich irre. Ich kenne ihn schließlich nicht gut genug, um ihn entsprechend einschätzen zu können."

Kagome senkte nachdenklich den Blick. Gerade, als sie wieder aufschaute, wehte gleichzeitig ein leichter Wind auf und blies ihr etwas ins rechte Auge. "Au!"

"Was ist?"

"Nichts, ich habe eben nur etwas ins Auge bekommen." Sie versuchte zunächst selbst, es irgendwie wieder rauszukriegen, aber es wollte ihr nicht gelingen.

"Lass mich mal sehen", schlug Subaru ihr letztendlich vor und warf einen Blick auf ihr Auge. Dabei kam er ihr mit seinem Gesicht derartig nahe, dass Kagome seinen Atem wahrnehmen konnte. Ein wenig komisch war ihr dabei schon zumute gewesen. Es dauerte allerdings nicht lange, dann hatte Subaru sie wieder von ihrem Leid befreit.

Kagome wirkte ein wenig verlegen. "Mh... Danke."

"Moment. Lass mich mal nachsehen, ob noch etwas zurückgeblieben ist." Erneut legte er seine Hände an ihr Gesicht und schaute sie an, es schien jedoch nicht so gewesen zu sein, als hätte er etwas übersehen.

"Hey! Hände weg von Kagome!"

Kagome schreckte hoch, als sie Inu Yashas erboste Stimme vernommen hatte. Sie schaltete schnell und ahnte, wie die Situation auf ihn gewirkt haben musste. Hastig drehte sie sich ins eine Richtung um und versuchte zu schlichten, ehe er mit Subaru in eine mögliche handfeste Auseinandersetzung geraten würde. "Hör auf, Inu Yasha! Das ist alles nur ein Missverständnis! Subaru-san hat nichts Unrechtes getan!"

"Ach! Und deshalb betatscht er dich auch, wie?!", konterte Inu Yasha zynisch.

Bevor Kagome dazu etwas sagen konnte, mischte sich Subaru ein: "Hör mal, Hanyou, wenn du Probleme mit deinem Selbstwertgefühl hast, dann lass deine Wut darüber nicht an mir aus."

Für Inu Yasha war dies der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. "Wie war das eben?! Dir reiß ich sämtliche Gedärme raus, du eingebildeter...!"

"Nicht, Inu Yasha!", rief Kagome und stellte sich zwischen die Streithähne. "Hör auf und brech‘ nicht schon wieder einen Streit vom Zaun!"

"Wie bitte?! Ich höre wohl nicht recht!?" Inu Yasha war entrüstet. Wie konnte Kagome ihm nur so dermaßen in den Rücken fallen? Fassungslos wechselte sein Blick von ihr zu Subaru und wieder zurück. Doch letztendlich machte er mit einer abwertenden Handbewegung kehrt. "Ach! Macht ihr beide doch was ihr wollt! Das ist mir ab jetzt echt so was von egal! Viel Spaß noch!" Und damit stapfte er fast überkochend vor Wut wieder von dannen.

"Willst du ihm nicht folgen und die Sache aufklären?", fragte Subaru, nachdem Inu Yasha wieder gegangen war.

"Das hätte jetzt keinen Sinn", meinte Kagome jedoch nur kopfschüttelnd. "Er würde mir ohnehin nicht zuhören. Aber... warum habt Ihr ihn eben so provoziert?"

"Ich habe nur meine Meinung geäußert", antwortete Subaru. "Im übrigen sollte der Hanyou ein wenig vorsichtiger sein. So manch anderer könnte seine aufbrausende Art in den falschen Hals bekommen und dann könnte es unter Umständen übel werden."

"So was in der Art habt Ihr bereits zu Anfang erwähnt. Aber warum? Wir haben doch keinem hier etwas getan!"

"Das mag schon sein. Aber der Grund liegt in der Vergangenheit." Es entstand eine kurze Pause, ehe er weiter sprach: "Du hast doch sicherlich schon von Inu no Taishou gehört."

"Ihr meint den Vater von Inu Yasha und Sesshoumaru?", fragte Kagome.

Subaru nickte. "Er starb um eine Menschenfrau zu beschützen, Inu Yashas Mutter. Das ist zwar schon etwas mehr als 200 Jahre her, aber einigen hier stößt das noch immer sauer auf. Und jetzt scheint Sesshoumaru-sama den selben Weg zu gehen, wie einst sein Vater."

Kagome war gleich klar gewesen, dass der Youkai indirekt auf Kimie zu sprechen gekommen war. "Aber das muss doch nichts Schlimmes bedeuten...", meinte sie kleinlaut.

"Vielleicht nicht", stimmte Subaru dem Mädchen zu. "Aber das wird die Zeit wohl zeigen."

Schweigend ließ sich Kagome das eben Gesagte noch einmal durch den Kopf gehen. Plötzlich schreckte sie lautes Geschimpfe auf, das vom großen Hof her kam. "Was ist da los?"

Während Subaru dem offenbaren Streit scheinbar nicht näher auf den Grund gehen wollte, lief Kagome ihrerseits nun genau in die Richtung, aus der der Lärm kam. Am Hof angekommen, bot sich ihr ein seltsamer Anblick. Inu Yasha stand einer Gruppe von Inu-Youkai gegenüber und schien insbesondere mit einem von ihnen in eine heftige Auseinandersetzung geraten zu sein, die sich noch lediglich auf Worte aufbaute. Nahe der Eingangstüren des Schlosses entdeckte Kagome ihre Freunde und auch Kimie. Eiligst lief sie auf sie zu: "Leute! Was ist denn passiert?"

"So genau wissen wir das auch nicht, wir sind auch eben erst dazugekommen", antwortete Miroku unsicher. "Aber aus irgendwelchen Gründen scheint Inu Yasha mit einigen der Inu-Youkai in Streit geraten zu sein."

Kagome ahnte schon in etwa, was passiert war. Bestimmt hatte der kleinste Anlass genügt und Inu Yasha hatte seine von eben aufgestaute Wut an der nächst besten Person ausgelassen, die seinen Weg gekreuzt hatte. Eine unglückliche Aneinanderreihung von Missverständnissen eben...

Inu Yashas aufgebrachte Stimme hallte über das Gelände: "Ihr eingebildeten Großmäuler! Das ist das typische Gehabe von Youkai, dass ihr euch für was viel Besseres haltet! Da kommt einem ja das Kotzen! War mein Vater etwa auch so ein selbstverliebter Idiot?!" Diese Aussage war eher aus einem Impuls heraus zustande gekommen und eigentlich nicht so gemeint gewesen, aber dennoch reichte sie aus, um die Stimmung um ein Vielfaches anzuheizen.

Einer der Inu-Youkai trat nach vorne. "Schäbige Promenadenmischung! Du wagst es eine derartige Beleidigung zu äußern?!" Ein heftiger Schlag warf Inu Yasha zu Boden. Im ersten Augenblick war er sogar so benebelt, dass er sich nicht mal mehr aufsetzen konnte. Der Youkai, der ihn niedergeschlagen hatte, schaute abfällig auf ihn herab. "Hanyou! Du und deine sterbliche Mutter, ihr beide seid verantwortlich für den Tod von unserem Oyakata-sama! Und trotzdem wagst du es auch noch, dich hier hinzustellen und so große Töne zu spucken!? Dabei weißt du überhaupt nichts von ihm!"

"Du weißt nichts von ihm...", wiederholte Inu Yasha wie zu sich selbst und wischte sich mit dem rechten Handrücken ein wenig Blut von seinem Mundwinkel. "Ihr habt gut reden. Aber soll ich dir mal was verraten? Soll ich euch allen mal etwas verraten? Eure Meinung interessiert mich einen Scheißdreck!"

Sein Gegenüber erhob die Klauen seiner rechten Hand. "Du legst es wohl wirklich darauf an, von mir auseinander genommen zu werden. Gut, den Wunsch erfülle ich dir gerne!"

Gerade wollte er dem noch auf dem Boden liegenden Inu Yasha seine Klauen in den Oberkörper rammen, da schritt Ashitaka ein und ergriff die Hand seines Kameraden. "Schluss damit! Bist du verrückt geworden?!"

Zuerst wollte der andere Inu-Youkai sich zur Wehr setzen, ließ es dann aber dennoch bleiben. Stattdessen fragte er gereizt: "Warum nehmt ihr diesen Hanyou-Abschaum in Schutz, Ashitaka-sama? Er ist die Mühe doch überhaupt nicht wert!"

Nicht nur Ashitaka, auch Tôya versuchte die aufgeheizte Stimmung wieder ein wenig unter Kontrolle zu bringen. Allerdings hatten die beiden eher mäßigen Erfolg. Stattdessen sah es gar so aus, als würden sie selbst als nächstes ins Visier ihrer eigenen Kameraden geraten. Alles schien so langsam aber sicher vollends außer Kontrolle zu geraten.

"Hört doch endlich damit auf!", rief Kagome mit einem Mal und stellte sich zusätzlich zu Ashitaka und Tôya schützend vor Inu Yasha. "Hört endlich auf, Inu Yasha anzugreifen! Oder glaubt ihr etwa, dass Euer Herr das so gewollt hätte? Dass ihr so auf seinen Sohn losgeht und ihn beschimpft?" Obwohl sie gehofft hatte, mit diesen Worten die Anwesenden zum Nachdenken zu bewegen, erzielte sie bei einigen eher das Gegenteil. Die Entrüstung schien sogar noch zu wachsen, weil sich ein Menschenmädchen traute, eine derartige Aussage verlauten zu lassen.

Auch Kimie kam nun hinzu und versuchte ihrerseits einen Beitrag zu leisten: "Jetzt hört doch endlich auf damit! Was soll das alles überhaupt auf einmal? Warum greift ihr Inu Yasha plötzlich alle wegen seiner Herkunft an?"

"Es geht nicht allein darum. Oder wusstet ihr das etwa nicht?", drang die Stimme von Seshiru plötzlich zu allen vor. Er trat aus der Gruppe der Inu-Youkai hervor, dass sämtliche Blicke nun auf ihn ruhten. "Inu no Taishou gab einst sein Leben für eine Menschenfrau und ihren Halbblutsohn. Das ist so gut wie jedem hier bekannt. Ihr werdet wohl verstehen, wenn sich euer Freund dort dementsprechend nicht gerade viele Freunde macht. Und da kann es auch schon mal vorkommen, dass die Fantasie ihre ganz eigenen Wege geht. Hast du vielleicht vor, Sesshoumaru-sama auf die gleiche Weise ins Verderben zu stürzen?" Mit dieser Frage hatte er sein Augenmerk genau auf Kimie gerichtet.

Im ersten Moment war sie aufgrund dieses abrupten Themenwechsels nur wie vor den Kopf gestoßen, ließ diesen Vorwurf aber keinesfalls so auf sich sitzen. "Das muss ich mir wirklich nicht vorwerfen lassen, und schon gar nicht von einem wie dir! Sein Wohl ist mir sehr wichtig!"

"Ach, wirklich?", fragte Seshiru herablassend. "Wärst du auch dazu bereit, es zu beweisen?"

Kimie war irritiert. "Beweisen? Was soll das? Wie meinst du das?"

"Es ist eigentlich ganz einfach. Löse dich von ihm! Lass ihn los und kehre an den Ort zurück, wo du hergekommen bist!"

Ein Raunen machte die Runde.

Kimie jedoch stand einfach nur da, wie vom Donner gerührt. Sie sagte auch dann nichts, als der Youkai erneut das Wort ergriff: "Warum reagiert ihr alle so? Es ist doch schließlich die Wahrheit. Du bist hier nur eine Fremde, du solltest eigentlich gar nicht hier sein! Du und deine Freunde, ihr gehört hier nicht her, und besonders nicht du und deine Cousine. Wenn man den Erzählungen Glauben schenken darf, dann befindet ihr beide euch in einem ganz anderen Zeitstrom als wir alle hier. Was also habt ihr hier verloren?"

Kagome schaute spürbar verunsichert zu Kimie, die ihren Blick erwiderte. So dermaßen hatten sie sich noch nie ihre Gedanken über dieses Thema gemacht. Es stimmte, sie gehörten eigentlich nicht in diese Zeit, aber sollte es ihnen deshalb auch verboten sein, sich hier aufzuhalten, obwohl ihnen doch die Möglichkeit geboten worden war, zwischen dieser und ihrer Zeit hin- und herzureisen? Oder machten sie beide einen Fehler, indem sie diese Chance nutzten?

Es war schließlich Kimie, die als erste wieder das Wort an Seshiru richtete, wenn auch bei weitem nicht mehr so entschieden wie zuvor: "Da hat Sesshoumaru aber sicher noch ein Wörtchen mitzureden." Kaum, dass sie das gesagt hatte, erschrak Kimie leicht über den Ton ihrer eigenen Stimme. Ja, Seshiru hatte es geschafft, sie einzuschüchtern, und die prüfenden Blicke der anderen verbesserten die Lage nicht unbedingt. Ihr war wirklich unwohl in ihrer Haut gewesen, als hätte man sie hierher bestellt, um sie vor allen anderen bloßzustellen und regelrecht ins Kreuzverhör zu nehmen.

"Auch wenn er dich zu seiner Gefährtin bestimmt hat, das muss nicht so bleiben", sprach Seshiru indes weiter. "Irgendwann wäre das mit euch sowieso vorbei gewesen. Denn im Gegensatz zu ihm wirst du irgendwann genau den gleichen Tod sterben wie viele andere Sterbliche es bereits vor dir getan haben und es noch tun werden. Ein Menschenleben dauert nicht lange, und es seid auch hauptsächlich ihr Menschen, die denken, die Zeit sei etwas kostbares. Eben weil eure Zeit stark begrenzt ist." Ein heimtückisches Lächeln huschte über seine Lippen. "Du solltest mal darüber nachdenken. Bisher hast du das ja scheinbar nicht getan. Das Gleiche gilt übrigens auch für deine werte Cousine. Bei ihr scheint die Sachlage ja immerhin eine ähnliche zu sein, nicht wahr?"

"Hey! Mach Kagome gefälligst nicht so blöde an, du Dreckstyp!", knurrte Inu Yasha erbost. Bisher hatte er sich das alles kommentarlos mit angehört, aber nun war bei ihm endgültig Feierabend gewesen. Was bildete sich dieser aufgeblasene, arrogante Wichtigtuer von einem Youkai überhaupt ein?

Bevor Seshiru jedoch etwas auf die Worte des Hanyou erwidern oder überhaupt erneut jemand etwas sagen konnte, betrat Sesshoumaru, der von seinen Privaträumen aus den Konflikt mitbekommen hatte, den Schauplatz, und seine ernste Stimme durchdrang wie ein Donnern die gespannte Atmosphäre: "Schluss mit diesem Gerede! Wenn irgendjemand hier den Wunsch verspürt, Kritik bezüglich meiner Person zu äußern, kann er das jetzt gerne tun. Aber wenn ich etwas hasse, dann ist es das feige Gehabe, sich über Umwege das Maul zu zerreißen. Also, wer hat diesen ganzen Streit angezettelt?"

Sesshoumaru ließ seinen Blick schweifen. Keiner sagte etwas, aber schon beinahe wie von selbst blieb sein Augenmerk bereits nach kurzer Zeit an Seshiru hängen.

Ungeachtet der Tatsache, dass bereits vor seiner Einmischung ein Streit vorausgegangen war, schien Seshiru jedoch keine Probleme damit zu haben, die Rolle der treibenden Kraft anzunehmen und wandte sich direkt an seinen Herrn: "Das mag nun in der Tat der beste Moment zu sein, um lange Totgeschwiegenes endlich auf den Tisch zu legen. Sagt mir eins, Sesshoumaru-sama. Wie kommt es, dass ihr ausgerechnet ein sterbliches Menschenmädchen zu Eurer Gefährtin bestimmt habt? Hegt Ihr vielleicht den Wunsch, auf die selbe Art und Weise unterzugehen, wie schon einst Euer Vater?"

Sesshoumarus Augen blitzten bedrohlich auf. "Seshiru, jetzt gehst du zu weit!"

"Warum denn? Es ist doch schließlich die Wahrheit!", gab Seshiru frech zur Antwort. "Bei dem Versuch, seine sterbliche Gemahlin und seinen Halbblutsohn zu schützen starb Inu no Taishou einen unehrenhaften Tod. Und scheinbar habt Ihr doch mehr von ihm geerbt, als es bisher den Anschein gehabt hat, Sesshoumaru-sama. Ist das der Grund, weshalb Ihr plötzlich doch noch Eure positive Einstellung Menschen gegenüber entdeckt habt? Ich dachte eigentlich stets, dass Ihr im Bezug auf Menschen keine solche Schwächen erkennen lassen würdet. Anscheinend legt Ihr aber doch die gleichen Schwächen an den Tag wie schon einst Inu no Taishou. Und genau diese haben in letztendlich ins Verderben gestürzt. Offenbar war er in dieser Hinsicht doch zu schwach. Euch scheint unter den gegebenen Umständen das gleiche Schicksal vergönnt zu sein. Ich sehe es schon praktisch vor mir." Er deutete auf Kimie. "Ich verwette meine Schwerter darauf, dass sie Euch genauso ins Verderben stürzen wird, wie einst die Mutter dieses Hanyou es mit Eurem Vater gemacht hat! Euch wird genau ein gleiches elendes Ende widerfahren! Ein wahrer Anführer müsste die Tragweite seiner Handlungsweisen eigentlich abschätzen können. Euch und Eurem Vater scheint diese Fähigkeit jedoch durch den zu engen Kontakt mit diesen Menschen mit der Zeit abhanden gekommen zu sein. Ist das nicht im Grunde ein Zeichen von Schwäche?"

Ein erbostes Knurren drang aus Sesshoumarus Kehle. "Du wagst es allen Ernstes, den Namen meines Vaters in den Dreck zu ziehen und obendrein erneut seine Autorität in Frage zu stellen und meine noch dazu?!"

Während so manch anderer durch Sesshoumarus Wut nun doch spürbar eingeschüchtert wirkte, deutete Seshiru hingegen nur äußerst provokativ mit dem Finger auf seinen Gegenüber. "Nun denn, Sesshoumaru-sama, dann beweist uns doch, dass Ihr noch immer würdig seid, unseren Clan anzuführen. Kämpft gegen mich! Nur Ihr und ich!"

Sesshoumaru antwortete nicht sofort auf diese Herausforderung. Stattdessen schritt er zunächst nur mit bestimmten Schritten die Treppe vor dem Eingang des Schlosses hinab. "Bist du nur deshalb hierher zurückgekommen, weil du von Anfang an vorgehabt hast, mich herauszufordern, wie schon einst meinen Vater?"

Seshiru ließ seine Hand wieder sinken. "Unser Clan braucht einen Anführer, auf den er sich verlassen kann und der keine Schwächen zeigt. Wenn Ihr mich besiegt, bin ich gerne bereit, Eure Position als Clan-Oberhaupt anzuerkennen. Aber wenn ich Euch besiege..."

"Das hoffst du wohl", unterbrach ihn Sesshoumaru mit kalter und herablassender Stimme. "Aber den Gefallen werde ich dir garantiert nicht tun. Und wenn ich dich erst mal besiegt haben werde, werde ich gleichzeitig dafür sorgen, dass du mir in Zukunft garantiert nicht mehr in die Quere kommen wirst!"

Es schien unumgänglich gewesen zu sein, dass Sesshoumaru wie bereits einst sein Vater seine Führungsposition in einem Zweikampf verteidigen musste. Derartiges hatte jedoch gar nicht in der Absicht der anderen gelegen. Seshiru hatte die aufgeheizte Stimmung schlichtweg für sein eigenes Vorhaben genutzt. Auch schien es niemanden zu geben, der diesen Kampf noch hätte verhindern können. Zumindest dachten das alle, als jedoch ein Zischen die Luft zerschnitt und Sesshoumaru und Seshiru abrupt auf ihren jeweiligen Standorten verharren ließ. Direkt zwischen den beiden Kontrahenten hatte sich ein Pfeil in den Boden gebohrt.

"Seshiru! Das reicht! Ich lasse es nicht zu, dass du schon wieder die gleiche Nummer abziehst, wie du es schon vor 200 Jahren getan hast! Also", Subaru legte einen neuen Pfeil auf die Sehne seines Bogens, "komm erst gar nicht auf die Idee, Sesshoumaru-sama anzugreifen! Ich habe keine Hemmungen, diesen Pfeil abzuschießen!"

Seshirus Blick wanderte zu seinem Bruder, der sich etwas abseits der anderen aufgestellt hatte. Eingeschüchtert von dessen Drohung wirkte der Ältere jedoch nicht wirklich. "Hm! Du würdest es also wirklich wagen, deine Waffe gegen dein eigen Fleisch und Blut zu richten, mein kleiner Bruder?"

Genau so wenig wie er schien sich allerdings auch Subaru einschüchtern lassen zu wollen. "Komm mir nicht mit diesem Brudergefasel! Ich habe schon lange keinen Bruder mehr! Genau genommen, habe ich nie einen gehabt!"

Im ersten Moment blieb Seshiru stumm, zuckte dann aber wie gleichgültig mit den Achseln. "Na gut, wenn das so ist, brauche ich ja keine Rücksicht auf dich zu nehmen, nicht wahr? Vielleicht magst du in den letzten 200 Jahren etwas aus dir gemacht zu haben, aber dir fehlt die Erfahrung, Brüderchen. Das werde ich dir gleich beweisen."

Seine rechte Hand wanderte bereits an eines seiner beiden Schwerter, als völlig unerwartet jedoch Kimies Stimme dem ganzen Einhalt gebot: "Wartet! Hört bitte auf! Kämpft nicht gegeneinander!"

Alle verharrten. Sämtliche Blicke ruhten im Moment auf Kimie, die, ohne jemandem in die Augen zu schauen, an Sesshoumaru gerichtet weiter sprach: "Es tut mir Leid, Sesshoumaru... Ich wollte eigentlich nicht, dass du wegen mir Probleme bekommst." Dann hob sie den Blick und sprach zu den anderen: "Ich... ich möchte euch inständig bitten, Sesshoumaru nicht eurer Vertrauen zu entziehen! Zugegeben, ich kenne euren ehemaligen Herrn nicht und weiß im Grunde gar nichts über ihn, aber was ich weiß, ist, dass Sesshoumaru als sein Sohn eure Erwartungen garantiert nicht enttäuschen wird. Also... vertraut ihm bitte weiterhin, so wie bisher auch." Verunsichert ließ sie ihren Blick schweifen. Was in den Köpfen der anderen vorging, konnte sie nicht erahnen, aber dieses unbehagliche Gefühl wurde nun schier unerträglich. Sie musste weg von hier. "Entschuldigt mich bitte." Und ohne noch einmal mit jemanden in Augenkontakt zu treten, verschwand sie im Schloss.

"Kimie...?" Kagome hatte ihrer Cousine unschlüssig nachgeblickt, doch der einzige, der ihr nach einem Augenblick folgte, war Sesshoumaru gewesen. Alle anderen ließ er einfach so stehen und hatte Kimie recht schnell eingeholt. Er ergriff sie am Handgelenk und zwang sie auf diese Weise zum stehen bleiben.

"Warum läufst du davon?", fragte Sesshoumaru ernst. "Du hast keinen Grund, dich etwa vor jemanden hier zu fürchten."

"Darum geht es nicht", entgegnete Kimie, ohne sich dabei jedoch zu ihm umzudrehen. "Es ist nur, weil..."

"Weil was?"

Nur zögerlich wagte sie es, ihn anzuschauen. Aber sie konnte seinem Blick nicht lange standhalten und musste wieder zu Boden blicken. Man sah ihr dennoch an, dass sie innerlich mit sich kämpfte. Sie wollte etwas sagen, schien aber nicht zu wissen, wie genau sie es anfangen sollte. "Sesshoumaru... vielleicht ist es besser, wenn ich wieder nach Hause gehe und... nicht wieder hierher zurückkomme. Sonst könnte es sein, dass ich dich irgendwann wirklich in ernste Schwierigkeiten bringe, und das will ich nicht." Kimie hatte Mühe, ihre Stimme nicht allzu erstickt klingen zu lassen, trotzdem hatte man heraushören können, wie schwer ihr die Aussprache dieser Worte gefallen war.

Sesshoumaru beäugte sie mit prüfendem Blick. "Du lässt dich also von Seshiru einschüchtern. Sehe ich das richtig?" Es klang schon beinahe vorwurfsvoll.

Kimie jedoch schüttelte nur zaghaft den Kopf. "Frag mich bitte nicht... Versteh mich nicht falsch, aber ich kann nicht länger hier bleiben! Es geht einfach nicht!" Und ehe er ihre ersten Tränen hatte sehen können, hatte sie sich wieder von ihm losgerissen und war zu ihrem Zimmer gelaufen. Kaum war sie dort angekommen, konnte sie sich nicht mehr zurückhalten und fing an zu weinen. Doch sogar jetzt war sie darum bemüht, dass sie nach Möglichkeit keiner hörte. Sie versuchte, ihr Schluchzen zu unterdrücken, doch irgendwie schien alles dadurch nur noch schlimmer zu werden.

Ein Klopfen an ihrer Zimmertür schreckte Kimie auf. Wenn das Sesshoumaru war, wollte sie ihm so jetzt nicht unter die Augen treten. Sie wollte den Besucher gerade abwimmeln, als sie die Stimme von Sakura vorsichtig fragen hörte: "Kimie-dono? Darf ich eintreten?"

Kimie antwortete nicht sofort. Zuerst versuchte sie irgendwie hastig sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Und obwohl sie wusste, dass sie noch immer recht verweint ausgesehen haben dürfte, öffnete sie schließlich die Tür. "Sakura-sama..."

"Nur Sakura reicht vollkommen", meinte die Frau sanft lächelnd. "Störe ich? Wollt Ihr lieber allein sein."

"Schon in Ordnung. Kommt rein." Kimie sprach sehr leise, ehe sie wieder von der Tür wegging und sich ohne weiteres einfach so hinsetzte.

Sakura trat an ihre Seite und tat es ihr gleich. "Ich habe den Streit eben mitbekommen. Tut mir Leid, dass Ihr und eure Freunde da hineingezogen wurdet."

"Macht nichts. Es ist ja nicht Eure Schuld..."

Es trat ein kurzer Moment der Stille ein.

Vorsichtig sprach Sakura schließlich weiter: "Kimie-dono. Der Grund, weshalb ich Euch aufsuche... Versteht mich jetzt bitte nicht falsch, aber ich hörte, was Ihr zu Sesshoumaru-sama gesagt habt. Ich wollte nicht etwa lauschen, sondern befand mich gerade am anderen Ende des Ganges."

Zwar wirkte Kimie kurzzeitig ein wenig erschrocken, doch verschwand dieses Gefühl rasch wieder. Was sollte jetzt schon noch groß passieren? Schlimmer konnte es schließlich kaum noch kommen.

Als Kimie ihr nicht antwortete, fügte Sakura hinzu: "Habt Ihr wirklich vor, wieder zu Euch nach Hause zu gehen? Sesshoumaru-sama machte auf mich nicht den Eindruck, als würde er das begrüßen."

"Sonderlich zu jucken schien ihn das aber auch nicht...", gab Kimie dieses Mal mit einem leichten Unterton von Sarkasmus zurück.

"Nun, in der Beziehung war er schon immer etwas schwierig", versuchte Sakura zu erklären. "Seht mal, Sesshoumaru-sama ist so ein Charakter, der seine Emotionen lieber versteckt, als dass er sie nach außen hin zeigt. Wenn Ihr wirklich gehen würdet, ich könnte mir vorstellen, dass Ihr ihm fehlen würdet." Sie wartete auf die Reaktion des Mädchens. Aber als Kimie nach einem Moment ihren Blick hob und Sakura ansah, hatte sie nur diesen unschlüssigen Ausdruck in den Augen. "Was ist mit Euch?"

"Das ist es ja gerade, ich weiß es nicht genau", antwortete Kimie mit einem kaum merklichen Schulterzucken. "Ich meine, je länger ich darüber nachdenke, umso weniger habe ich das Gefühl, als würde ich noch klar durchblicken. Sesshoumaru... Er hat mir nie gesagt, wie er zu mir steht. Ich meine, er..."

"Er hat Euch nie direkt gesagt, was er für Euch fühlt, nicht wahr?"

Kimie nickte stumm.

Sakura lächelte leicht. "Ja, das passt zu ihm. Aber das muss nichts heißen. Schließlich merkt Ihr doch auf eine andere Art und Weise, dass Ihr ihm wichtig seid."

"Ja, schon... Aber es ist eben nicht das Gleiche..." Kimie fuhr sich mit der Hand durch die Haare und seufzte. "Bisher habe ich kaum einen Gedanken daran verschwendet, aber jetzt... Kagome und ich... Eigentlich sind wir noch sehr jung, aber... im Grunde haben wir doch nur wenig Zeit... So ist das aber mit den Menschen. Sie sterben früh..." Eine kurze Pause entstand, ehe sie scheinbar gleichgültig mit den Schultern zuckte. "Na ja, was soll's! So muss ich Sesshoumaru wenigstens nicht bis in alle Ewigkeit ertragen, und er hat dieses Problem dann auch nicht."

Sakura wusste, dass Kimie das nur gesagt hatte, um eigentlich zu verbergen, wie schlecht es ihr wegen dieser Sache ging.

"Ich kann nicht von ihm verlangen, dass er mir ewig hinterher trauert, wenn ich mal den Löffel abgebe. Das wäre ihm gegenüber nicht fair. Die anderen haben vermutlich Recht. Vielleicht ist es wirklich besser, wenn ich..." Kimie verstummte abrupt, als sie Sakuras Hand auf ihrem Rücken wahrnahm.

"Gebt nicht zu viel auf die Worte von Seshiru. Inu no Taishou hat ihn damals nicht ohne Grund von hier verbannt. Er war schon immer ein Unruhestifter gewesen und knüpft jetzt einfach an das an, was er damals angefangen hat."

"Wenn es nur das wäre...", seufzte Kimie.

Nichts desto trotz schenkte Sakura dem Mädchen ein warmes Lächeln. "Hört mal, schlaft am besten noch einmal eine Nacht über all das, in Ordnung? Vielleicht seht ihr die Dinge morgen wieder ein wenig anders."

Zuerst überlegte Kimie, ob sie etwas darauf erwidern sollte, entschied sich dann aber dagegen. Stattdessen nickte sie nur stumm. Trotz dieses Gesprächs hatte sie nicht das Gefühl gehabt, als wüsste sie nun besser, was sie tun sollte.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Zwar war es nicht so gewesen, als wären die letzten Nächte für ihn eine große Erholung gewesen, aber in dieser Nacht raubte etwas anderes Sesshoumaru jegliche Ruhe, und das war das, was Kimie zu ihm gesagt hatte. Obwohl er schon mit so mancher ihrer Launen vertraut gewesen war, einen derartigen Ausbruch hatte er nicht erwartet. Wenn er ihrem genauen Wortlaut glauben schenken durfte, dann hatte sie praktisch einen Schlussstrich gezogen. Eigentlich hatte er bisher vermutet, dass sie aufgrund des Vorfalls am Nachmittag lediglich ein wenig verwirrt gewesen war und dass sie sich rasch wieder beruhigen würde, aber hatte sie seither keinen Fuß mehr vor ihre Tür gesetzt. Allerdings hatte ihm Sakura von ihrem Gespräch mit dem Mädchen erzählt, ihm allerdings dazu geraten, Kimie erst mal ein wenig für sich allein zu lassen. Das war der eigentliche Grund gewesen, weshalb Sesshoumaru sich dazu entschieden hatte, Kimie nicht aufzusuchen. Vielleicht würde sie sich bis zum nächsten Tag wieder beruhigt haben. Trotzdem stimmten ihn ihre Worte noch immer nachdenklich.

Während Sesshoumaru das zuletzt Geschehene noch einmal Revue passieren ließ, nahm er nach einer Weile die Anwesenheit einer Person vor seiner Tür war. Im ersten Augenblick vermutete er, es wäre Kimie gewesen, doch rasch erkannte er, dass dem nicht so gewesen war. Und als er zur Tür geschritten war und sie geöffnet hatte, bevor der Besucher überhaupt hatte anklopfen können, sah er sich sofort in seiner Vermutung bestätigt, als er Touran gegenüberstand.

"Ich hoffe doch, ich habe dich nicht bei deiner nächtlichen Ruhe gestört?", fragte sie mit einem leichten Lächeln.

Sesshoumaru machte einen reichlich desinteressierten Eindruck, als er ihr antwortete: "Nein, aber ich nehme nicht an, dass du nur deshalb zu mir gekommen bist."

"Damit liegst du richtig. Ich würde nämlich gerne mit dir sprechen, wenn du damit einverstanden wärst. Würdest du mich begleiten?"

Da er im Augenblick ohnehin nichts besseres zu tun gehabt hatte, erklärte sich Sesshoumaru einverstanden, Touran Gesellschaft zu leisten und verließ sein Zimmer. Anschließend begleitete er sie den Gang entlang.
 

Kimie schlief nicht. Stattdessen lag sie noch komplett bekleidet auf dem Boden und starrte an die Decke. Inuki machte einen schon beinahe hilflosen Eindruck, während er sie so beobachtete. In Kimies Kopf überkreuzten sich die Gedanken. Sie vermochte nicht zu sagen, was sie tun sollte. Machte sie es sich vielleicht unnötig noch komplizierter? Aber wie sollte man eine einfache Lösung für diesen ganzen Schlamassel finden? Unter den Inu-Youkai herrschte eine extrem angespannte Stimmung, wie Inu Yasha es heute spürbar erfahren musste. Und Seshiru würde sicherlich auch so schnell keine Ruhe geben. Das Schlimme an dieser ganzen Sache war jedoch, dass er im Grunde Recht gehabt hatte. Die Tatsache, dass Inu no Taishou sein Leben für eine menschliche Frau und seinen Sohn Inu Yasha gegeben hatte, stieß vielen hier sauer auf und hatte sich heute in ausgeübte Aggressionen entladen. Wenn die ganze Sache gänzlich außer Kontrolle geraten wäre, Kimie wollte lieber nicht daran denken, wie alles geendet wäre. Sie konnte sogar verstehen, dass viele hier das Schicksal von Inu no Taishou nun auf dessen älteren Sohn übertrugen. Die Parallelen, die existierten, waren einfach zu ersichtlich gewesen. Auch, wenn sie die genaue Geschichte nicht kannte, Kimie fühlte sich trotzdem wie der Überbringer eines Unheils. Zumindest hatte sie es schon mal so weit gebracht, dass Sesshoumarus Leute mehr oder weniger offen ihren Unmut geäußert hatten. Auf die Dauer konnte das doch gar nicht gut gehen, wenn sie hier bleiben würde!

>Für mich ist hier kein Platz... Ich kann nicht von Sesshoumarus Leuten erwarten, dass sie mich einfach so akzeptieren. Darum wäre es wohl wirklich besser, wenn ich wieder gehen würde. Aber andererseits... Ich will nicht weg von hier! Nicht weg von ihm... Aber was soll ich nur tun...?<

Kimie seufzte auf und drehte sich auf die Seite, sodass sie zur Tür schauen konnte. Genau in diesem Augenblick sah sie durch das über die Tür gespannte Papier die Silhouette einer Person den Flur entlanggehen. >Wer...?< Sie stand auf und trat zur Tür. Vorsichtig öffnete sie diese und spähte hinaus. Kimie sah gerade noch, wie Sesshoumaru die etwas entfernte Treppe hinunterging, doch er schien nicht allein gewesen zu sein, wie sie es an den Schritten heraushören konnte. Schließlich siegte Kimies Neugier. "Warte hier, Inuki." Sie verließ ihr Zimmer und schritt leise den Gang entlang. Dabei achtete sie genauestens darauf, einen ausreichenden Abstand zu Sesshoumaru und dieser zweiten Person einzuhalten, um zu verhindern, dass sie eventuell bemerkt werden würde. Kimie verbarg sich stets hinter irgendwelchen Biegungen, und erst, wenn sie Sesshoumaru und dessen Begleitung nicht mehr sehen konnte, setzte sie ihre Verfolgung fort. Ein Ende fand all dies erst dann, als Kimie nach einer schier endlosen Zeit an jener kleinen Tür ankam, die in den Garten hinaus führte, aber die Tür war zu. Kimie holte einmal tief Luft. Danach ging sie derart vorsichtig beim Öffnen der Tür vor, dass ihre Bewegungen einem schon übertriebenen Zeitlupentempo glichen. Millimeter für Millimeter schob sie die Tür auf, bis ein ausreichend großer Spalt entstanden war, durch welchen sie hindurchspähen konnte. Obwohl es dunkel war, reichte das Licht des Mondes aus, dass sie sich einen Überblick über die Lage verschaffen konnte, und so sah sie nun Sesshoumaru und Touran sich im Garten gegenüberstehen. Sie schienen über irgendetwas zu reden.

>Was soll denn das? Was haben die beiden um diese Zeit denn miteinander zu bereden?< Kimie blieb mucksmäuschenstill, damit sie verstehen konnte, worum es in dem Gespräch ging.

Touran war die erste, die das Wort ergriff: "Ich lasse mal das beiläufige Gerede und komme gleich zur Sache. Es ist mir nicht entgangen, dass es heute Nachmittag einen kleinen Vorfall gegeben hat, auch bezüglich des Mädchens, welches du zu deiner Gefährtin bestimmt hast."

"Und?", fragte Sesshoumaru prüfend. "Was genau willst du mir jetzt damit sagen? Du hast den Vorfall also mitbekommen. Na gut, aber was hat er dich zu interessieren?"

Trotz des kühlen Tons seiner Stimme blieb Touran ruhig und seriös in ihrer Aussprache. "Nun, in gewisser Weise hat mein Anliegen durchaus etwas damit zu tun." Sie trat etwas näher an ihn heran. "Zugegeben, wir hatten durchaus unsere Differenzen, Sesshoumaru, doch unser alter Streit liegt immerhin schon eine ganze Weile zurück. Ich weiß ja nicht, ob es dir schon aufgefallen ist, aber ich jedenfalls sehe dich inzwischen mit anderen Augen."

>Also doch!?< Für Kimie war dies Beweis genug gewesen, dass Touran in der Tat etwas von Sesshoumaru wollte. Anstatt sich aber vielleicht einzumischen, blieb sie weiter unbemerkt im Hintergrund, und wartete seine Antwort auf ihre Aussage ab. Die folgte auch prompt: "Ich könnte dich jetzt zwar dazu auffordern, dich etwas genauer auszudrücken, aber ich lasse es bleiben. Ich denke, ich weiß auch so, was du meinst. Es war deutlich genug."

"Dann muss ich dazu ja nichts weiter sagen." Auf Tourans Gesicht stahl sich ein leichtes Lächeln. Das war typisch für Sesshoumaru gewesen, so zu antworten. Es entstand eine kurze Pause, ehe sie erneut zu sprechen begann: "Ich bin bestimmt nicht die erste, die sich deine Gunst erhofft. In der Vergangenheit gab es sicherlich viele Frauen, die gerne an deiner Seite gewesen wären. Wer hätte jedoch gedacht, dass ausgerechnet ein Menschenmädchen am Ende diejenige sein würde, die sich diesen Platz bei dir ergattert? Doch was machst du später? Über das kurze Leben eines Menschen muss ich dir schließlich nicht viel erzählen." Wieder trat sie etwas näher an ihn heran. "Was sind schon wenige Jahrzehnte für einen Youkai? Was willst du tun, wenn diese Zeit vorüber ist? Du weißt es selbst am besten, Sesshoumaru. Sie ist nur ein Mensch und du dämonischen Bluts. Eine solche Bindung kann nicht lange bestehen. Es ist nur eine Illusion, nichts weiter."

Sesshoumaru schwieg. Er wusste es ja selbst, Touran hatte in dem, was sie gesagt hatte, durchaus Recht gehabt. Was waren schon diese verhältnismäßig wenigen Jahre, die ein Mensch zur Verfügung hatte, wenn man diese mit dem Leben eines Youkai verglich? Wenn ein Mensch irgendwann starb, befanden sich die meisten Youkai in diesem Alter hingegen noch praktisch im Kindesalter.

"Du musst natürlich selbst wissen, was du tun willst, Sesshoumaru", sprach Touran weiter. "Aber dennoch solltest du all diese Dinge bedenken. Schließlich willst du doch sicherlich auch mal Nachkommen haben, oder? Willst du es deinen Kindern etwa zumuten, dass sie ihre Mutter bereits im Kindesalter verlieren werden? Und willst du ihr es wirklich antun, eure Kinder nicht erwachsen werden zu sehen? Egal, von welcher Seite man es auch betrachtet, es kann nichts Gutes dabei herauskommen. Für keine Seite." Weil Sesshoumaru den Blick ein wenig von ihr abgewendet hatte, legte Touran ihm eine Hand auf die Wange und drehte sein Gesicht wieder zu sich. Sie sah ihm deutlich an, dass er sehr intensiv über ihre Worte nachdachte, aber ansonsten... "Wie so oft gibst du nur einen bedingten Einblick in deine Seele preis. Du hast aber keinen Grund, dich eventuell schlecht zu fühlen, Sesshoumaru. Sie selbst hat sich schließlich dazu bereit erklärt, dich loszulassen. Ist es nicht so?"

Nach wie vor blieb Sesshoumaru stumm. Es schien, als wüsste er gar nicht, was er am besten darauf hätte antworten können. Auch versuchte er dieses Mal gar nicht, sich Touran zu entziehen. Als übte sie eine Art Magie auf ihn aus, die ihn daran hinderte. Aber Sesshoumaru war durchaus bewusst, dass dem nicht so gewesen war, zumindest nicht, wie man es vielleicht denken mochte. Es war etwas anderes, womit sie ihn in ihren Bann zog. War es vielleicht der wahre Kern ihrer Worte gewesen, der angesichts des Vorfalls vom Nachmittag noch schwerwiegender wirkte? Hatte er sich bisher etwa wirklich nur einer Illusion hingegeben? Einer Laune von seiner Seite?

Er war mit seinen Gedanken ganz abwesend gewesen. Was war richtig und was war falsch? Konnte man überhaupt in derartigen Kategorien denken? Sesshoumaru musste sich eingestehen, er vermochte nicht zu sagen, was er denken sollte. Niemals hätte er es mal für möglich gehalten, dass ihm das mal passieren würde, aber er war verwirrt. Er wusste wirklich nicht, was er machen sollte. Touran schien ihm diese Entscheidung nun jedoch abnehmen zu wollen, als sie ihre Finger so dicht über seine Lippen gleiten ließ, dass ihre Berührung kaum mehr als ein Hauch gewesen war. Trotzdem war sie spürbar gewesen. Und bevor Sesshoumaru eventuell einen Gedanken daran verschwenden konnte, sich nun doch wieder von ihr abzuwenden, legte Touran ihre Lippen auf seine.
 

Kimie traf regelrecht der Schlag. Die ganze Zeit über hatte sie angestrengt dem Gespräch gelauscht, hatte Tourans Worten mit aufwühlenden Gefühlen zugehört, und jetzt auch noch das! Das war zu viel gewesen, sie konnte sich das nicht mehr mit ansehen. Stattdessen sank sie nur noch mit dem Rücken zur Wand zu Boden. Die Geräusche, die sie dabei verursachte, richteten nun jedoch die Aufmerksamkeit von Sesshoumaru und Touran auf sie. Das musste Kimie erschrocken feststellen, als sie ihn fragen hörte: "Wer ist da?"

Zuerst reagierte sie überhaupt nicht und blieb einfach nur sitzen. Als er abermals nachfragte, raffte sie sich doch dazu auf, wieder aufzustehen, und schob langsam die Schiebetür weiter auf. Als sie aufschaute, schaute sie genau in Sesshoumarus Augen. Nach wie vor stand er mit Touran zusammen, aber in seinem Gesicht war nun eine Spur von Irritation zu sehen gewesen.

>Wieso sagt er nichts?<, fragte sich Kimie. >Er steht einfach nur da und schaut mich an. Dieser Blick... Was bedeutet dieser Blick?<

Es schienen schier endlose Sekunden zu vergehen, die einem wie Minuten vorkamen, ehe Kimie schließlich die erste gewesen war, die etwas sagen konnte, wenn auch nur stockend: "Ah... Also, ich..." Aber ihr wollten nicht die passenden Worte einfallen. Was wären überhaupt die passenden Worte gewesen? Nachdem sie noch zwei-, dreimal versucht hatte, etwas zu sagen, es aber nicht schaffte, trat sie von der Tür zurück. "Entschuldigt..." Dann machte sie kehrt und verschwand im dunklen Flur. Ohne es anfangs selbst überhaupt so wirklich zu merken, begann sie mit jedem Schritt schneller zu laufen. Sie achtete zwar in keinerlei Hinsicht auf ihren Weg, aber auf eine für sie selbst völlig unerklärliche Art und Weise fand sie sich am Ende völlig außer Atem vor ihrer Zimmertür wieder. Als fürchtete sie, jemand könnte sie sehen, huschte sie in den Raum und schloss direkt danach wieder die Tür hinter sich. Krampfhaft hielt sie diese am Griff fest, als wollte sie um jeden Preis verhindern, dass ihr jemand folgte. Dass Inuki sie völlig verdattert anstarrte, bekam sie überhaupt nicht mit.

Nachdem sie noch eine Weile so an der Tür gestanden hatte, sank Kimie abermals zu Boden. In diesem Moment kam ihr wieder das in den Sinn, was sie zu ihm gesagt hatte. Dass sie es als besser empfinden würde, würde sie wieder nach Hause gehen... Wut packte sie.

>Schön! Das habe ich gesagt, aber muss er sich gleich so schnell mit einer Anderen trösten? Hätte er nicht warten können, bis ich weg gewesen wäre?!< Sie musste ein aufsteigendes Schluchzen unterdrücken. >Ich blöde Kuh! Ich weiß doch selbst, dass ich nur ein Mensch bin! Hätte ich dann von Sesshoumaru erwarten können, dass er mir immer nachgetrauert hätte, wenn ich später mal den Löffel abgegeben hätte? Wohl kaum! Wer würde so was schon verlangen? Das wäre absolut lächerlich!< In diesem Moment ertappte sich Kimie dabei, wie sie ihr eigenes Leben verfluchte. Sie verfluchte ihr Schicksal als bloßer sterblicher Mensch, und diese Erkenntnis erschreckte sie sehr. Verkrampft ballte sie die Hände zu Fäusten. >Ist es also schon so weit mit mir gekommen...?<

Leise winselnde Laute von Inuki ließen Kimie endlich wieder ihren Blick heben. Fragend beäugte er sie mit seinen dunklen Augen, und in diesem Moment spürte sie eine erste Träne aus ihrem Augenwinkel über ihre Wange laufen.
 

Insgeheim hatte Kimie eigentlich gehofft, dass Sesshoumaru sie aufsuchen würde, um etwa mit ihr zu sprechen. Aber nachdem sie bereits eine Stunde gewartet hatte, war er noch immer nicht gekommen. Traute er sich etwa nicht? Oder hatte er gar etwas besseres zu tun gehabt?

Mit angezogenen Knien saß Kimie an der Wand und dachte nach. Die ganze Zeit über hatte sie sich über diese Geschichte den Kopf zerbrochen, wusste bisher aber nicht, was sie am besten hätte tun können. Aber da Sesshoumaru es offensichtlich gar nicht darauf anlegte, mit ihr zu sprechen, schien sie hier nicht mehr viel verloren zu haben, denn dass er wirklich die Konfrontation mit ihr scheute, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. So schien ihre Entscheidung letztendlich klar gewesen zu sein. Sobald es hell werden würde, wollte Kimie wieder nach Hause gehen. Den anderen wollte sie vorher natürlich noch Bescheid geben, damit sie sich keine Sorgen machten. Doch gewisse Zweifel blieben. Klar, sie liebte Sesshoumaru, aber wenn es wirklich das beste war, sie beide würden getrennte Wege gehen, dann würde sie dieses Opfer unter diesen Umständen bringen, auch wenn es ihr schwer fiel. Denn auch das war eine Art zu lieben...

>Und er scheint mich ja außerdem doch nicht so sehr zu brauchen. Wie naiv von mir zu glauben, es wäre anders...< Kimie verbarg ihr Gesicht in ihren Armen. Die ganze Zeit über hatte Inuki neben ihr gesessen und sie aus treuen Augen angeschaut. Er spürte die innere Aufgewühltheit des Mädchens, aber was konnte er schon tun?

Plötzlich hörte Inuki etwas. Es klang wie ein entferntes Pfeifen, aber in einem ganz merkwürdigen Ton. Ebenso merkwürdig war auch, dass er sich auf einmal so müde fühlte. Durch mehrmaliges Kopfschütteln versuchte Inuki zwar, sich irgendwie wach zu halten, aber es brachte alles nichts. Irgendwann musste er diesem merkwürdigen Ton nachgeben und sank schlafend zu Boden.

Verwirrt schaute Kimie auf. "Inuki? Was ist denn plötzlich mit dir los?" In diesem Moment drang dieses Pfeifen auch an ihre eigenen Ohren. >Was ist das? Dieses... Geräusch...<

Auch Kimie spürte nun dieses Gefühl von Müdigkeit in sich aufsteigen, wenn auch auf eine andere Art und Weise. Ihr war, als würde ihr Geist langsam aber sicher wegdämmern, sie jedoch nicht wirklich einschlafen. Irgendwann verlor sie die Gewalt über sich und versank in einen tiefen Zustand der Bewusstlosigkeit.
 

So eigenartig das auch war, Kimie spürte, wie sie sich bewegte. Dass sie einen bestimmten Weg ging, als würde sie schlafwandeln. Trotzdem vermochte sie nicht zu sagen, ob sie lediglich träumte oder sich wirklich von einem Punkt zum anderen bewegte. Auch konnte sie nicht abschätzen, wo genau sie sich im Augenblick überhaupt befand, geschweige denn, wohin sie ging. Und noch immer war da dieser pfeifende Ton in der Luft; wie ein auf sie ausgerichteter Lockruf.

Schließlich verstummte das Pfeifen und Kimie blieb stehen. Schlagartig öffnete sie ihre Augen und erschrak. "Ha!? Wo bin ich? Und wie bin ich überhaupt hierher gekommen?!"

Um sie herum war nur der dunkle Wald. Die Kronen der Bäume waren so dicht aneinandergereiht, dass sie gar nicht abschätzen konnte, in welcher Richtung das Schloss lag, und wie weit sie sich überhaupt von diesem entfernt hatte. Ein Rascheln im nahen Gebüsch ließ das Mädchen erschrocken hochfahren, doch da schien nicht gewesen zu sein.

>Die Fantasie... Das ist alles nur Einbildung.<

Zudem wirkte im Dunkeln ohnehin vieles weitaus bedrohlicher, als es im Normalfall überhaupt gewesen war. Von daher schenkte Kimie weiteren Geräuschen eher beiläufige Beachtung, auch, um sich nicht unnötig verrückt zu machen. Allerdings hätte sie lieber auf ihre Vorsicht bauen sollen, aber als sie einen festen Griff um ihre Handgelenke bemerkte, war es schon zu spät gewesen.

"Was zum...?! Aaah!" Kimie wurde nach hinten gerissen. Kaum, dass sie mit dem Rücken gegen einen Baum gestoßen war, schlangen sich mehrere Schlingpflanze um ihren Körper und hielten sie an den Stamm gefesselt. Es schien, als lebten diese Teile wirklich. Als wären sie Schlangen, die ihre Beute nach und nach zu Tode würgen wollten. Bis Kimie sicher verschnürt war, regten sich die Schlingpflanzen. Sämtliche Versuche sich zu befreien, schlugen fehl.

"Das ging leichter als ich gedacht hatte", hörte Kimie plötzlich eine männliche Stimme sagen. Angestrengt spähte sie in die Reihen der Bäume hinein. Kurz darauf tauchte direkt vor ihr Yu aus der Dunkelheit des Waldes auf. Und er war nicht allein; seine vier Kampfgefährten waren auch da gewesen.

"Zugegeben, Yu, das war nicht schlecht", meinte Jin, wenngleich es ein wenig gelangweilt klang. Indes ließ Yu ein einzelnes Blatt, welches er bis eben zwischen rechtem Zeige- und Mittelfinger festgehalten hatte, zu Boden fallen.

Kimie war sich nicht sicher, aber offenbar war der merkwürdige Pfeifton von Yu mit Hilfe dieses Blattes verursacht worden. Unsicher, aber mit dem Versuch, sich nichts von ihrer Angst anmerken zu lassen, schaute sie einmal von einem Ryû-Youkai zum nächsten.

"Warum habt ihr mich angegriffen? Was wollt ihr von mir?", fragte sie möglichst selbstbewusst, obwohl in ihrer Frage doch ein gewisser ängstlicher Unterton gelegen hatte.

Yu trat als Erster auf Kimie zu. "Dafür, dass du gefangen bist, traust du dich ganz schön was, Mädchen. Oder versuchst du nur, deine Angst zu überspielen?"

Kimie antwortete nicht. Aber als er so ganz genau vor ihr stand, fielen ihr zu allererst seine Augen auf. Sie waren komplett eisblau und außer dem typischen Glanz fand sich ansonsten nichts in ihnen. Dennoch erschienen sie keinesfalls leblos oder dergleichen, aber sie waren irgendwie eigenartig. Dazu kam noch dieser hypnotische Blick, der einen förmlich in seinen Bann zog. Yu machte eigentlich keinen gefährlichen Eindruck, aber auf seine ganz eigene Art und Weise jagte er Kimie doch einen Schauer über den Rücken.

"Wie sieht es aus?", fragte Renhou plötzlich an Rokou gewandt. "Hat jemand etwas bemerkt?"

"Sieht nicht so aus", antwortete Rokou, der sich ein wenig von seinen Kameraden abgesondert hatte und sich umsah. "Jedenfalls kann ich keinerlei Gegenwart von einem dieser Hunde wahrnehmen. Es ist demnach alles glatt gegangen."

"Na, das klingt doch schon mal ganz gut", meinte Toba nun und gesellte sich an Kimies Seite. "Nett, dich wieder zu sehen, Kleine. Sicherlich weißt du noch, wer ich bin, oder?" Mit einem amüsierten Lächeln drehte er ihr Gesicht in seine Richtung.

Von Kimie fing sich Toba aber nur einen giftigen Blick aller erster Güte ein. Natürlich konnte sie sich an ihn erinnern! Wie sollte sie ihn vergessen haben? "Du Triebtäter! Dich hau ich weg!" Da sie im Moment allerdings gefesselt war, gestaltete sich dieses Vorhaben als etwas unmöglich, also griff Kimie zur nächst besten Ausweichmöglichkeit und versuchte Toba in die Hand zu beißen. Er hatte sie jedoch noch rasch genug wieder weggezogen.

"Oho! Wir sind gerade wohl nicht sonderlich gut drauf, was?"

"Blitzmerker!", fauchte Kimie grimmig.

"Jetzt hört endlich mit diesem Hickhack auf!", mischte sich Jin ein. "Sacken wir sie ein und machen die Fliege."

Nachdem er die Ranken, die Kimie fesselten, mit seinen Klauen durchtrennt hatte und sie am rechten Arm ergriff, wehrte sie sich jedoch hartnäckig. "Finger weg! Lass mich los!"

"Meine Güte!" Jin hatte wirklich keinen Nerv für ein derartiges Theater. Ein Schlag mit der Handkante reichte aus und die wehrhafte Beute war ausgeknockt. "So was Bockiges ist mir bisher auch noch nicht untergekommen. Ich hoffe mal, der ganze Aufwand lohnt sich überhaupt."

"Trotzdem hättest du ruhig etwas behutsamer vorgehen können", meinte Toba trocken. "Dass du nicht gerade der geborene Frauenversteher bist, ist uns allen zwar klar, aber Akuma-sama will sie schließlich unversehrt haben. Pack sie also besser nicht so grob an."

"Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd! Es ist ja schließlich nicht so, als hätte ich ihr das Genick gebrochen." Jin klemmte sich Kimie unter den rechten Arm. "Hey, Renhou! Willst du hier übernachten oder können wir endlich wieder gehen?"

Renhou, der sich während der gesamten Aktion eher im Hintergrund gehalten hatte, wandte sich zu seinen Kameraden um. Ungeachtet der provokanten Art und Weise, in der Jin ihn eben angesprochen hatte, gab er nun das Zeichen zum Aufbruch. Schließlich gab es für sie jetzt keinen Grund mehr, noch länger zu bleiben.

Entführt!

Langsam kehrte Kimies Bewusstsein wieder zurück, noch nahm sie ihre Umgebung aber mehr wie einen Traum wahr. Auf jeden Fall hörte sie ganz in ihrer Nähe diese Stimmen. Als sie sich ein wenig zu regen versuchte, spürte sie gleich diese stechenden Kopfschmerzen.

>Shit! Was ist passiert...?< Kimie konnte sich ein gequältes Seufzen nicht mehr verkneifen, als sie sich endlich dazu aufraffen konnte, sich aufzusetzen. Zur Linderung ihrer Kopfschmerzen tat dies allerdings nicht gerade mit bei.

"Na? Sind wir wieder aufgewacht?", hörte sie hinter sich plötzlich eine belustigte Männerstimme fragen, und erschrak. Das war eindeutig die Stimme von Jin gewesen, und jetzt fiel es ihr auch wieder ein: Er hatte sie mit nur einem Schlag ausgeknockt, was für ihn als Youkai aber natürlich keine große Herausforderung gewesen war. Und offenbar schon gar nicht, wenn er es mit einem Mädchen zu tun gehabt hatte.

Kimie schluckte und drehte sich zögerlich um. >Oh... Mist!< Als ob es ihr nicht schon gereicht hätte, stand nicht nur Jin mit im Raum, sondern bis auf Renhou auch noch seine drei anderen Kampfgefährten. Wie durch einen inneren Fluchtgedanken angetrieben, zwang sich Kimie auf ihre Beine, stand aber noch ein wenig unsicher, sodass sie sich an der Wand abstützen musste.

"Übertreib es nicht. Du kannst sowieso nicht abhauen", meinte Rokou ungerührt.

Kimie ließ ihren Blick von einem Ryû-Youkai zum anderen schweifen. "Was habt ihr mit mir vor? Was wollt ihr überhaupt?"

"Diese Fragen kennen wir schon. Warte einfach ab, dann erfährst du es schon noch."

"Ich will aber nicht warten!", schrie Kimie aufgebracht und machte entgegen jeglicher Vernunft einige Schritte auf ihre Kidnapper zu. "Sagt mir auf der Stelle, was ihr von mir wollt! Warum habt ihr mich hierher gebracht? Spuckt es endlich...!" Doch weiter kam sie nicht, denn plötzlich bekam sie von Jin kräftig eine gescheuert, dass sie zur Seite zurück auf den Boden fiel.

"Meine Güte! Halt endlich mal die Klappe, blödes Weib! Dieses Gezeter ist ja nicht mehr auszuhalten. Du sprichst gefälligst nur, wenn du dazu aufgefordert wirst!"

Wie betäubt blieb Kimie im ersten Moment nur auf dem Boden liegen. Ihre linke Wange brannte fast wie Feuer, zudem war der Schlag so heftig gewesen, dass sie dachte, ihr Kopf würde ihr von den Schulter fliegen.

"Das ist ja wohl...! Was bildest du dir eigentlich ein, du Mistkerl?!", schimpfte sie aber schon, kaum, dass sie sich wieder aufgesetzt und ein wenig von ihrem Schreck erholt hatte.

Jin funkelte das Mädchen bedrohlich an. "Was denn?! Willst du mir jetzt vielleicht drohen?" Er kam auf Kimie zu, packte sie grob am Kragen und zog sie wieder auf die Beine. "An deiner Stelle würde ich lieber den Mund halten. Erinnerst du dich? Du hast mir bei unserer ersten Begegnung ein kleines Andenken zukommen lassen. Mag sein, dass man äußerlich nichts mehr sieht, aber vergessen habe diese Sache deshalb noch lange nicht. Und ich hätte wirklich große Lust dazu, dir im Gegenzug in aufwändiger Feinarbeit Hautschicht für Hautschicht von deinem Gesicht abzuschälen."

Kimie war gleich klar, worauf Jin sie angesprochen hatte, und zwar auf ihre Schwertattacke gegen ihn, als die Ryû-Youkai zum ersten Mal geschlossen in den westlichen Ländern aufgetaucht waren. In der Tat, von der Wunde in seinem Gesicht sah man nichts mehr, aber Kimie sah Jin an, dass er regelrecht darauf brannte, es ihr heimzuzahlen. Es gab auch niemanden, der ihn daran hätte hindern können. Das hieß, bis auf einen...

"Jin! Zügle dein Temperament. Im Übrigen habe ich noch was mit der Kleinen vor, von daher sehe ich es nicht gerne, wenn du Hand an sie legst. Ist das klar?"

Kaum, dass er Akumas Stimme vernommen hatte, ließ Jin wieder von Kimie ab, die sich sogleich mehrere Schritte von ihm entfernte. Ihr Blick wanderte nun zur Tür, durch welche Akuma soeben den Raum betreten hatte. Vor der noch geöffneten Tür stand Renhou. Während sich ihr Anführer näherte, traten die anderen Ryû-Youkai entsprechend ein wenig zurück. Letztendlich blieb Akuma stehen und musterte Kimie ein wenig. "Hm! Dann habe ich hiermit also das Vergnügen, dich in meinem bescheidenen Domizil willkommen zu heißen. Zugegeben, das Ambiente mag sich von dem des Schlosses der Inu-Youkai unterscheiden, aber ich hoffe, du genießt deinen Aufenthalt hier dennoch."

>Oh je...<, dachte Kimie beunruhigt. Das hieß also wirklich im Klartext, dass sie sich hier mitten in der Hochburg der Feinde befand. Geahnt hatte sie das zwar schon, hatte aber trotzdem gehofft, dass sie sich irrte.

"Ein guter Gastgeber stellt sich seinen Gästen vor. Also, machen wir uns doch ein bisschen mehr miteinander bekannt", meinte Akuma und machte seinen Leuten mit einer Geste seiner Hand deutlich, dass sie gehen sollten. Wirklich glücklicher war Kimie im Grunde nun aber auch wieder nicht, denn jetzt befand sie sich mutterseelenallein mit Akuma in diesem Raum. Da war ihr die Gesellschaft der anderen Ryû-Youkai doch weitaus lieber gewesen.

"So. Endlich allein." Akuma wandte sich mit hinterhältigen Lächeln Kimie zu, die sofort mit einem Satz nach hinten sprang.

"Bleib ja, wo du bist! Komm mir bloß nicht zu nahe, hast du verstanden?!", mahnte sie ihn.

"Was hast du denn?", fragte er belustigt, während er langsam auf das Mädchen zuging. Kimie machte schon automatisch mehrere Schritte nach hinten, bis ihr Rücken aber recht bald gegen die Wand stieß und sie nicht mehr ausweichen konnte. "Warum denn so schüchtern? Mache ich denn einen so Furcht einflößenden Eindruck?"

"Ich würde lieber einen Abend mit Dracula verbringen!", entgegnete Kimie sofort, wobei es hauptsächlich am Anblick von Akumas entfalteten Schwingen gelegen hatte, dass sie sich spontan zu dieser Bemerkung hatte hinreißen lassen, weil diese sie eben doch sehr an die Flügel von Fledermäusen erinnerten. Daher kam schließlich auch die Bezeichnung "Fledermausabklatsche", wie Inu Yasha ihn im Bezug auf die Ryû-Youkai immer wieder gerne mal anwendete. Ansonsten fiel ihr aber erst jetzt so richtig auf, dass Akuma im Grunde keinen wirklich bedrohlichen Eindruck machte, sah man von seinem durchdringenden und hinterhältigen Blick ab. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass er genau wie seine Gefolgsleute keine Rüstung trug, sodass man ihm das Kriegerische nicht ansah, doch man sollte sich ja bekanntlich nicht von äußeren Eindrücken täuschen lassen.

Ungeachtet ihrer letzten Aussage trat Akuma näher an Kimie heran und als er nahe genug an sie herangekommen war, streckte er die Hand nach ihr aus.

"Fass mich nicht an!", keifte Kimie und schlug seine Hand beiseite.

Akuma jedoch blieb gelassen. "Hm! Wir sind wohl ein wenig widerspenstig, was?" Er ließ seinen Blick an ihr rauf- und runterschweifen. "Ich hatte genügend Zeit, um mir deinetwegen so meine Gedanken zu machen. Dabei kam mir auch ein Spruch in den Sinn, den ich mal gehört habe. Es sei für den Feind eines Mannes angeblich die größte Schmach, wenn er seines Landes und seiner Frau beraubt wird. Sein Land werde ich Sesshoumaru schon noch abknöpfen. Zumindest habe ich dich schon mal."

Kimie lief es kalt den Rücken runter. Was genau Akuma damit gemeint haben könnte, wollte sie sich besser nicht vorstellen.

"Es wäre eigentlich überhaupt kein Problem für mich, dich hier und jetzt zu töten", sprach er weiter. "Aber was für ein Gesicht würde Sesshoumaru wohl machen, wenn ich noch was ganz anderes mit dir anstellen würde?"

Er brauchte nichts mehr zu sagen, Kimie war alles klar gewesen. "Das wagst du nicht!?"

Sie war noch immer ziemlich bissig. Akuma war überrascht. Für gewöhnlich hätte er damit gerechnet, dass sie vollkommen von ihrer Angst eingenommen werden würde. Aber was soll's? So konnte er eben noch ein wenig Spaß mit ihr haben. "Lass mich raten, meine Liebe... Du hast bisher noch niemanden an dich rangelassen, nicht wahr?" Kimies nun doch erschrockener Gesichtsausdruck verriet Akuma, dass er mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte. "Na, das ist ja mal interessant. Da tun sich ja noch ganz andere Möglichkeiten auf", meinte er mit einem hinterhältigen Lächeln. Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu.

"Nein! Hör auf! Lass mich in Ruhe!", schrie Kimie bereits und wollte weglaufen. Aber wohin? Da fiel ihr Akumas Schwert direkt ins Auge. Es hing für sie gut erreichbar an der linken Seite seiner Hüfte. Ohne zu zögern, griff sie es sich sogleich und zog es aus der Schwertscheide. Anschließend sprang sie mit einem Satz zur Seite, wobei sie mit der Klinge auf Akuma deutete. "Bleib weg von mir, hast du gehört?!"

Seine Miene blieb nach wie vor unbeeindruckt. "Hast du noch nie etwas davon gehört, dass kleine Mädchen nicht mit Waffen spielen sollen? Aber ich gebe zu, ich bin neugierig geworden. Was gedenkst du nun zu tun? Willst du mich etwa töten? Vergiss es, Kleine! Das schaffst du nicht. Das wirst du niemals schaffen. Sei also vernünftig und lege das Schwert aus der Hand."

"Den Teufel werde ich tun!", widersprach Kimie vehement.

Akuma breitete gelassen die Arme aus. "Nun denn! Dann versuch dein Glück. Ich bewege mich auch nicht von der Stelle."

Aber Kimie zögerte. Sie glaubte ja selbst nicht daran, dass sie irgendeine Chance hatte, aber kampflos aufgeben, wollte sie auch wieder nicht. So unvernünftig und aussichtslos es auch gewesen war, sie griff an. Aber es kam wie es kommen musste: Akuma brauchte lediglich seine rechte Hand nach der Schwertklinge auszustrecken und diese festzuhalten und schon war die Sache wieder zu Ende gewesen. Zwar versuchte Kimie, das Schwert wieder aus seinem Griff zu befreien, aber ohne Erfolg.

"Von der Gefährtin des Herrn der westlichen Länder hatte ich mir ehrlich gesagt etwas mehr versprochen. Aber du bist eben doch nur ein gewöhnlicher Mensch, daran wird sich nichts ändern." Die Klinge schnitt Akuma zwar in die Hand, doch störte er sich offenbar nicht im Geringsten daran. Auch nicht, als etwas Blut an der Waffe hinunterzulaufen begann. Stattdessen nahm Akuma Kimie scheinbar ohne jegliche große Mühe das Schwert wieder aus der Hand. Kaum hatte er es wieder an sich genommen, zwang er sie wieder mit dem Rücken an die Wand. Dann packte er sie am Kinn, so dass sie gezwungen war, ihm direkt in die Augen zu schauen. "Du riskierst ja ganz schön viel, wenn man bedenkt, dass deine Lage im Moment nicht gerade die beste ist. Ist das der so genannte Mut der Verzweiflung? Oder versuchst du so lediglich deine Angst zu verbergen? Ich könnte nämlich schwören, ich würde deine Angst förmlich riechen."

Kimie hielt kurzzeitig den Atem an. Akuma kam ihr mit seinem Gesicht mittlerweile schon so nahe, dass sie jeden seiner Atemzüge wahrnehmen konnte. Beinahe schon aus einem inneren Zwang heraus kniff sie die Augen zu und drehte ihr Gesicht zur Seite. Doch Akuma drehte es sofort wieder zu sich.

"Was findet Sesshoumaru nur an einem Menschenmädchen?", sprach er weiter. "Ist seine Sippe eventuell wirklich so veranlagt? Denn schließlich erlag schon sein Vater einer sterblichen Frau und seinem Halbbruder scheint es auch nicht anders zu gehen. Es muss wohl irgendetwas geben, was euch Normalsterbliche so interessant macht. Dieses Geheimnis würde ich allzu gerne lüften." Akuma ließ Kimie los und fuhr mit seiner rechten Hand kaum merklich über ihre Kleidung, aber allein die kleinste Berührung von ihm versetzte sie in eine Art Starre. Kimie wollte zwar etwas tun, aber sie fühlte sich unfähig, sich irgendwie zu bewegen. Erst, als Akuma mit seiner Hand ihre Wange berührte, entzog sie sich ihm.

"Nein! Nimm die Finger weg!" Sie wollte weglaufen, doch da hatte er sie schon am Arm gepackt und drückte sie ein weiteres Mal zurück an die Wand.

"Du bist in der Tat etwas widerspenstig, aber mir soll's recht sein. Umso mehr Vergnügen werde ich haben, dich zu zähmen."

"Das kannst du dir abschminken, du Größenwahnsinniger!"

"Sei doch ehrlich! Glaubst du allen Ernstes, du hättest eine Chance gegen mich? So dumm bist du doch nicht. Du weißt im Grunde, dass du niemals gegen mich gewinnen kannst." Er kam ihr bedrohlich nahe und flüsterte ihr ins Ohr: "Aber wenn du schön brav bist, dann lasse ich dich am Leben."

Akuma streifte Kimie ihre Jacke von den Schultern ab. Sie konnte seinen Atem an ihrem Hals wahrnehmen. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie wollte ihn von sich stoßen, aber jegliche Kraft schien urplötzlich aus ihren Armen gewichen zu sein. Nun konnte Kimie das Zittern ihres Körpers nicht mehr unterdrücken.

Akuma hielt einen Augenblick lang inne. "Nanu? Haben wir etwa doch Angst? Eigentlich hättest du doch gar keinen Grund, dich so zu zieren. Schließlich bist du doch den Umgang mit Youkai gewohnt."

Plötzlich und ohne jede Vorwarnung riss er sie zu Boden, dass sie unter ihm auf dem Rücken lag. Abrupt hatte Kimie ihre Sprache wieder gefunden. "Au! Spinnst du?! Jetzt sag ICH dir mal was: Wenn du vor hast, in diesem Leben noch Kinder zu zeugen, dann steig wieder runter von mir! Sofort!!"

"Kinder. Damit hast du ein gutes Stichwort abgegeben." Akumas Blick verfinsterte sich. "Du bist doch schließlich auch eines dieser dreckigen Menschenweiber, die sich auf Youkai einlassen, und das reine Blut der Youkai wird durch die Verbindung mit eurem niederen Menschenblut beschmutzt! Jeder Hanyou, der aus einer derartigen Verbindung entsteht, ist nichts weiter als ein Stück Dreck!"

"Halt doch die Schnauze!", schrie Kimie ihn an. "Du bist doch nichts weiter als ein größenwahnsinniger Angeber! Nur ein Dämon, der sich wichtig tun will! Du verdammter Teufel!" Kaum, dass sie mit ihre Satz am Ende angelangt war, hielt Kimie plötzlich den Atem an. Zuerst nahm sie es kaum war, aber nur einen Sekundenbruchteil später, stieß sie einen kurzen Schrei aus. Im Bereich zwischen ihrer linken Schulter und ihrem Hals hatte Akuma zugebissen. Egal, wie sehr sich Kimie auch anstrengte, ihn irgendwie von sich abzuschütteln, schlugen fehl. Als er endlich wieder von ihr abließ, stieß sie seufzend dem Atem aus.

"Teufel...", wiederholte Akuma leise. "Du weißt sicher selbst, dass eben genau das die Bedeutung meines Namens ist. Doch wer sind die wahren Teufel? Die Dämonen? Oder doch eher... die Menschen?" Weil Kimie ihn nur irritiert ansah und diesmal vermutlich auch durch den noch teils vorhandenen Schock kein Wort von sich gab, sprach er sogleich weiter: "Du scheinst nicht ganz zu verstehen, worauf ich hinaus will. Ich erkläre es dir gerne. Menschen sind so leicht zu durchschauen und so unglaublich schwach und dumm. Sie prahlen immer wieder groß von Zusammenhalt und Freundschaft und geben in Wirklichkeit doch nichts darauf. Allein sind sie nichts und völlig wehrlos, aber in der Gruppe fühlen sie sich stark. Und dann schikanieren sie all jene, die nicht zur Gruppe gehören. Jene, die anders sind als sie, und kümmern sich einen Dreck darum, wie sich diejenigen fühlen, die sie so abfällig behandeln und die sie zu Außenseitern gemacht haben. Und jene, die sich von der Gruppe abwenden, trifft dies genauso. Bist du nicht wie die anderen, bist du ebenfalls nur ein Stück Dreck. So läuft das bei euch Menschen und nicht anders!"

"Ach, und ist das auch der Grund, weshalb Dämonen auch mal Jagd auf Menschen machen?", fragte Kimie bissig, nachdem sie sich wieder etwas gefangen hatte. "Weil die Menschen eben nicht so sind, wie die Dämonen und oft weitaus schwächer als sie? Du bist so ein erbärmlicher Heuchler! Schwingst hier große Reden und am Ende ist es doch nur heiße Luft!" Erneut spürte sie seine Hand an ihrem Kinn.

"Du scheinst da etwas zu verwechseln, meine Liebe. Denn Menschen und Dämonen kommen aus verschiedenen Welten und sollten sich ohnehin nicht zusammentun. Oder warum glaubst du macht die Katze Jagd auf die Maus? Wenn man aus verschiedenen Welten kommt, kann man sich nicht zusammentun. Für Dämonen haben Menschen keinen Wert. Sie sind in ihren Augen lediglich eine willkommene Beute oder auch nur lästiges Ungeziefer, dass man schnell und unkompliziert zerquetscht."

Grob schüttelte Kimie seine Hand wieder ab. "Falsch! Das ist nicht die Art und Weise, wie alle Dämonen mit den Menschen umgehen! Es gibt auch andere!"

Auf Akumas Gesicht erschien ein fadenscheiniges Lächeln. "Du spielst wohl auf die Inu-Youkai an, nicht wahr? Keh! Sei doch nicht dumm! Weißt du denn, was sie wirklich über dich und deinen Freunde denken? Und wie steht es überhaupt um Sesshoumaru?"

"Was... meinst du damit?", fragte Kimie verunsichert und zuckte kurz leicht zusammen, als Akuma nun damit begann, mit einer ihrer Haarsträhnen zu spielen.

"Wie alt bist du wohl?", fragte er geheimnisvoll, ohne ihr auf ihre Frage geantwortet zu haben. "Vielleicht 17? Oder 18? Wie viel Zeit mag dir wohl noch bleiben? Und was macht der große Lord der westlichen Länder, wenn sein kleines Mädchen so langsam aber sicher an Reiz verliert? Zugegeben, noch sieht man es dir nicht an, aber früher oder später verwelkt auch die schönste Blume."

Abrupt kamen in Kimie wieder die jüngsten Ereignisse hoch. Der Streit mit den Inu-Youkai, ihr Gespräch mit Sesshoumaru und... seine Begegnung mit Touran. Was sollte sie jetzt sagen? Es gab nichts, womit sie diesmal kontern konnte.

Akuma entging natürlich nicht, dass er mit seinen Worten etwas bei Kimie ausgelöst hatte, so lammfromm wie sie plötzlich war. Er spürte keine Gegenwehr mehr von ihrer Seite, weder körperlich noch geistig. Hatte er ihren Willen etwa bereits gebrochen? Das galt es wohl auszutesten. "Warum bist du plötzlich so still? Habe ich dich zum Nachdenken gebracht?" Ihre Reaktion austestend fuhr Akuma mit der Hand an ihrer Wange entlang. Zugegeben, er selbst würde sich nie und nimmer auf eine Menschenfrau einlassen, aber das hieß noch lange nicht, dass man sich nicht den einen oder anderen Spaß erlauben durfte.

Kaum, dass sie seine Hand an ihrem Gesicht wahrgenommen hatte, hatte Kimie die Augen zugekniffen. Plötzlich spürte sie seinen Atem knapp über ihren Lippen. Aber anstatt, dass das geschah, was sie insgeheim befürchtete, hörte sie ihn nur sagen: "Denk in Ruhe über unsere Unterhaltung nach. Ich lasse dir die Zeit und besuche dich dann wieder."

Kaum merklich streifte er für einen Sekundenbruchteil ihre Lippen, ehe er wieder von ihr abließ und aufstand. Kimie öffnete ihre Augen wieder und richtete zumindest den Oberkörper auf.

Akuma war indes zur Tür gegangen, drehte sich aber noch einmal zu ihr um. "Ein Köder soll sich wie ein Köder benehmen, also würde ich dir raten, dich ruhig zu verhalten. Und denk besser erst gar nicht daran, einen Fluchtversuch zu starten. Glaub mir, du hättest nicht den Hauch einer Chance, von hier zu verschwinden. Und solange du hier drin bleibst, bist du immerhin noch einigermaßen sicher. Ich kann nicht für deine Sicherheit garantieren, würdest du da draußen einem meiner Leute oder den Flugdrachen über den Weg laufen. Das Fleisch von jungen Mädchen schmeckt bekanntlich besonders gut und ist auch noch so schön zart. Übrigens..." Er fuhr sich mit der Zungenspitze kurz über die Lippen. "Mich könntest du bereits auf den Geschmack gebracht haben." Dann verließ er das Zimmer.

Kimie saß noch einige Minuten später wie erstarrt auf der selben Stelle. Nur nach und nach ordneten sich ihre Gedanken wieder einigermaßen. Vorsichtig betastete sie die Bisswunde, die Akuma ihr zugefügt hatte. Zwar blutete sie ein wenig, aber es war nicht wirklich schlimm. Ihrer Entrüstung tat dies jedoch keinen Abbruch.

>Dieser widerliche...! Der ist ja so ein...!< Aber ihr wollte partout nicht der passende Ausdruck einfallen. Nachdem sie das Geschehene noch einmal gedanklich abspielte, schnellte ihre Hand an ihren Mund. Das war eigentlich kein Kuss gewesen, aber allein die Tatsache, dass seine Lippen ihre berührt hatten, bereitete Kimie eine Gänsehaut. Und seine letzte Aussage erst... Wenn sie die Wahl gehabt hätte, würde sie nicht zum Essen bleiben wollen.
 

Kaum, dass Akuma Kimie in ihrem "Gästezimmer" zurückgelassen hatte, hatte er sich in seine Privaträume zurückgezogen. Dort war er bereits nach wenigen Minuten von Takeshi aufgesucht worden, der ihn bezüglich Kimie ausfragte. "Akuma, was genau bezweckst du eigentlich damit? Du wärst so ziemlich der Letzte, von dem ich glauben würde, er könnte etwas mit einem Menschenmädchen anfangen. Also, was hast du vor?"

Ein hinterhältiges Lächeln umspielte Akumas Lippen. "Mein lieber Bruder, so gut müsstest du mich doch eigentlich kennen, oder? Dieses Mädchen interessiert mich nicht im geringsten. Es geht mir lediglich darum, den Stolz dieses arroganten Köters zu brechen. Stell dir doch nur mal Sesshoumarus Reaktion vor, wenn ich ihm auf die Nase binde, dass ich sein kleines Menschenmädchen gezähmt hätte. Du verstehst? Das wird sicherlich recht unterhaltsam."

Doch Takeshi wirkte skeptisch. "Und du glaubst, Sesshoumaru springt auf diesen Köder an, ja?"

"Er ist schließlich nur ein Hund", meinte Akuma abfällig. "Und die meisten Hunde sind so leicht einzuschätzen und berechenbar. Wirf einen Knochen und sie hasten ihm hinterher, und genauso wird es auch in diesem Fall sein."

"Wenn du dich da mal nicht verschätzt..."

Takeshis letzte Aussage ignorierend, öffnete Akuma eines der Schiebefenster. Der Tag war schon seit geraumer Zeit angebrochen. Sein Blick richtete sich gen Westen. Zu gerne hätte er gewusst, was im Augenblick in Sesshoumarus Schloss abging.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Die ganze restliche Nacht hatte Sesshoumaru darüber nachgedacht, was passiert war. Er hätte es nie so weit kommen lassen dürfen, und jetzt war die ganze Situation noch verfahrener. Zwar wusste er genau, dass Kimie ihn und Touran gesehen hatte, aber offenbar hatte sie nicht mitbekommen, wie er sie gleich wieder von sich gewiesen hatte, als er wieder Herr seiner Sinne gewesen war. Aber auch sonst hätte sich Kimie vermutlich sonst was gedacht. Egal, von welcher Seite man es auch betrachtete, es gab keinen Lichtblick in dieser Geschichte. Wie oft war Sesshoumaru kurz davor gewesen, Kimie in ihrem Zimmer aufzusuchen, um sich ihr gegenüber zu erklären, aber genau so oft hatte er auch gezögert. Garantiert hätte sie ihm nicht zugehört, aber dass er sie nun überhaupt nicht aufgesucht hatte, mochte ihn ebenfalls in kein sehr gutes Licht gerückt haben.

Sesshoumaru öffnete die Tür zur Veranda. Schon vor einer ganzen Weile war die Sonne aufgegangen. Wenn Kimie überhaupt hatte schlafen können, war sie mit Sicherheit schon wach. Es sollte ihn jedoch nicht wundern, wenn sie dennoch in ihrem Zimmer verblieben wäre.

Als völlig unerwartet die Tür zu seinem Zimmer aufgerissen wurde, war Sesshoumaru im ersten Moment drauf und dran gewesen, den ungebetenen Besucher sofort ins Gebet zu nehmen. Sich einfach so Zutritt in seine Privaträume zu verschaffen, war schließlich eine ungeheure Respektlosigkeit gewesen. Sesshoumaru schob seinen Ärger allerdings rasch beiseite, als er seinen vollkommen aufgeregten Cousin entdeckte. Ashitaka holte kaum Luft, als er sofort zu sprechen begann: "Sesshoumaru! Bitte komm ganz schnell mit, wir haben ein Problem. Kimie-chan ist verschwunden!"

"Was?!" Sesshoumaru glaubte zuerst, er hätte sich verhört, oder Ashitaka würde scherzen, dem war ganz klar jedoch nicht so gewesen. Ohne überhaupt weiter nachzufragen folgte Sesshoumaru seinem Cousin zu Kimies Zimmer. Dort hatten sich bereits Inu Yasha, Kagome und der Rest ihrer Truppe eingefunden. Aber auch Rin und Jaken waren bei ihnen. Im Zentrum des Interesses stand Inuki, der unruhig von einer Seite des Zimmers zur nächsten lief. Dabei bellte er immer wieder, als versuchte er den anderen etwas zu erzählen. Dummerweise verstand ihn jedoch keiner, sogar Inu Yasha vermochte dies nicht hinzukriegen.

Rin war die erste, die Ashitakas Rückkehr und Sesshoumarus Ankunft bemerkte. "Sesshoumaru-sama! Ein Glück, dass Ihr da seid! Kimie-san ist weg!"

Sesshoumaru betrat den Raum. Doch kaum, dass er auf der Bildfläche erschienen war, war Inuki stehen geblieben und ließ ein warnendes Knurren in seine Richtung verlauten.

Shippou sprang erschrocken einen Satz zurück. "Was... was hat er denn auf einmal?"

Auch die anderen waren sichtlich irritiert. Erst recht, als Inuki plötzlich lauthals anfing zu bellen. Er schien gar mit Sesshoumaru zu schimpfen! Obwohl dieser äußerlich keinerlei Regung zeigte, nahm er dennoch alles auf, was Inuki sagte, und er verstand jedes einzelne Wort, ebenso wie Ashitaka. Dessen Gesichtsausdruck wechselte von überrascht zu irritiert bis hin zu fassungslos.

"Was ist los?", fragte Kagome schließlich voller Ungeduld. "Könnt ihr Inuki verstehen? Was sagt er, Ashitaka-kun?"

"Tja, also... Wie es aussieht, ist Kimie-chan... Nun, sie war..." Ashitaka war unschlüssig. Er schaute aus dem Seitenwinkel zu Sesshoumaru. Das war ja vielleicht eine Story gewesen, die Inuki eben zum besten gegeben hatte. So hatte er genau davon berichtet, wie Kimie mitten in der Nacht das Zimmer verlassen hatte, um Sesshoumaru heimlich zu folgen, als dieser mit Touran den Flur entlanggekommen war. Kurze Zeit später war Kimie völlig aufgewühlt wieder zurückgekehrt. Zwar hatte sie kein einziges Wort gesagt, aber Inuki war schließlich nicht blöd und hatte sich den Rest denken können. Genau genommen hatte er Sesshoumaru eben genau bezüglich seines Treffens mit Touran ausgefragt. Was er denn gemacht hatte, dass Kimie so fertig gewesen war, und überhaupt.

Und obwohl sich weder Sesshoumaru noch Ashitaka im Nachhinein zu diesem Thema äußerten, kam Inu Yasha letztendlich zu einer ganz eigenen Schlussfolgerung, die er seinem Bruder auch gleich unter die Nase reiben musste: "Also doch! Nun hast du Kimie doch noch vergrault, ich wusste es! Das war ja nur eine Frage der Zeit gewesen, und deshalb ist Inuki momentan auch so schlecht auf dich zu sprechen."

"Aber warum sollte Kimie-san einfach so weggehen?", fragte Rin, noch bevor ein anderer etwas auf die Aussage des Hanyou hatte erwidern können, und blickte abwartend zu Sesshoumaru. "Hat es etwas mit dem Streit von gestern zu tun? Was ist denn da genau passiert?" Rin hatte nur am Rande und von ihrem Zimmer aus den Konflikt des vergangenen Tages mitbekommen. Da es ab und an so geklungen hatte, als wäre es eine sehr ernste Sache gewesen, hatte sie sich nicht getraut, hinzuzukommen. Weil Sesshoumaru ihr auf ihre Fragen nicht antwortete, zog sie am Ärmel seines Haori. "Sesshoumaru-sama? Was habt Ihr denn?"

Irgendwann mischte sich Jaken ein: "Jetzt sei doch endlich mal still, Rin! Du siehst doch, dass Sesshoumaru-sama darüber nicht sprechen will, also respektiere das!"

Abfällig verschränkte Inu Yasha die Arme hinter dem Kopf. "Keh! Aber von mir kannst du jedenfalls kein Mitleid erwarten, Sesshoumaru. Du bist schließlich selbst Schuld, wenn du sie verjagst."

Plötzlich war Sesshoumaru wieder voll da gewesen und fuhr seinen Bruder an: "Schweig, Inu Yasha! Ich will kein Wort mehr von deiner Seite hören!"

Stille breitete sich aus. Mit einem solchen Ausbruch hatte keiner so wirklich gerechnet. Vielleicht mit einem mahnenden Wort, aber das...

"Aber hat Inuki denn nicht bemerkt, wie Kimie weggegangen ist?", warf Shippou nach einem Moment in die Runde. Und als ob er gewusst hatte, dass man von ihm eine Antwort erwartete, gab Inuki leise winselnde Laute von sich.

"Und?", fragte Sango schließlich an Ashitaka gerichtet. "Was hat er gesagt?"

"Er sagt, er habe in der Tat nicht mitbekommen, wie Kimie-chan weggegangen ist", antwortete Ashitaka. "Anscheinend wurde er auf einmal sehr müde und ist eingeschlafen. Er ist erst durch euer Klopfen an der Zimmertür wieder aufgewacht, aber da war sie wohl schon längst weg."

"Ob Kimie vielleicht wirklich heimlich wieder nach Hause gegangen ist?", wagte Miroku zu fragen.

Kagome jedoch schüttelte überzeugt den Kopf. "Glaube ich nicht. Ihre Sachen sind schließlich alle noch da. Warum sollte sie die zurücklassen, und wie hätte sie überhaupt von hier wegkommen sollen? Wohl kaum zu Fuß." Ihr besorgter Blick senkte sich Richtung Boden. "Außerdem... passt es nicht zu ihr, einfach so sang- und klanglos zu verschwinden. Sie hätte zumindest mir vorher Bescheid gesagt. Ob ihr etwas passiert ist?"

Und als ob diese Frage praktisch der Stein des Anstoßes gewesen war, nahm Sesshoumaru seinen Cousin nun zur Seite. "Ashitaka! Nimm dir Tôya und Subaru, und dann werdet ihr jeden, der euch über den Weg läuft, dazu bringen, nach Kimie zu suchen! Bis sie gefunden wird, will ich keinen hier nur unnütz herumsitzen sehen, ist das klar?"

"In Ordnung, ich kümmere mich darum." Und schon war Ashitaka aus dem Zimmer verschwunden. Aber auch Sesshoumaru blieb nicht untätig. Er würde Kimie mit Ah-Uns Hilfe suchen und so verließ auch er den Raum.

Kagome wandte sich an ihre Freunde: "Kommt! Wir suchen auch mit!"

"Kann ich auch mithelfen?", fragte Rin hoffungsvoll.

Kagome jedoch schüttelte mit einem freundlichen Lächeln den Kopf, als sie sich zu ihr auf den Boden hockte. "Bleib du lieber hier, Rin-chan. Sesshoumaru möchte dich garantiert in Sicherheit wissen und hier ist es für dich sicherer. Keine Sorge, wir finden Kimie bestimmt rasch wieder."

Und obwohl Rin einverstanden nickte, hoffte Kagome, dass sie dem kleinen Mädchen kein leeres Versprechen gemacht hatte. Denn sie selbst hatte insgeheim ein ganz komisches Gefühl gehabt.

Aber auch Sesshoumaru plagte ein inneres Unwohlsein. Zum jetzigen Zeitpunkt wusste er nicht einmal, ob Kimie weggelaufen oder ob ihr wirklich etwas passiert war. Denn dass sie von sich heraus abgehauen sein könnte, war bei ihr schließlich nicht ganz auszuschließen gewesen, aber laut Kagomes Aussage würde es wiederum nicht zu ihr passen, ohne irgendeinen Hinweis einfach so zu verschwinden. Zumindest ihrer Cousine hätte Kimie doch schließlich Bescheid geben können.
 

Indes ahnten die Panther-Dämonen-Geschwister noch gar nichts von der Unruhe, sondern hatten gerade mit einem ganz eigenen Problem zu tun gehabt.

"Wie bitte?! Das hast du jetzt nicht wirklich gemacht, Nee-san!?", rief Karan aufgebracht und war wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen. Gerade hatte Touran ihr und den anderen erzählt, was sich in der vergangenen Nacht zwischen ihr und Sesshoumaru abgespielt hatte. "Wie konntest du nur...?! Ich meine, ausgerechnet mit Sesshoumaru! Das ist doch...! Was hat dich da geritten, sag mal?!"

"Karan, jetzt beruhige dich doch bitte erst mal wieder!", versuchte Shunran auf ihre Schwester einzureden, die sich jedoch nicht wirklich beruhigen lassen wollte. Aber obwohl Shunran sich ja schon sehr sicher darin gewesen war, dass Touran etwas für Sesshoumaru fühlte, hätte auch sie nicht wirklich daran gedacht, dass sie wirklich so weit gehen würde. Dennoch sparte sie sich anders als Karan etwaige Kommentare dazu, ebenso wie Shuuran.

Nachdem sie sich noch ein wenig Karans Entrüstung angetan hatte, ergriff Touran endlich das Wort: "Ich erwarte nicht von euch, dass ihr mich versteht oder gar positiv aufnehmt, was ich getan habe. Nur, weil ich der Meinung war, es wäre besser keine Geheimnisse vor euch zu haben, habe ich euch davon erzählt. Zudem scheint ihr ja ohnehin zu wissen, wie ich mittlerweile zu Sesshoumaru stehe."

"Aber er hat doch schon eine Frau! Mehr oder weniger zumindest...", warf Karan ein.

Touran wandte den Blick von ihr ab. "Mag sein, aber sie scheint nicht länger daran interessiert zu sein, an ihm festzuhalten."

"Kein Wunder nach dem, was du und er sich da geleistet haben!" Karan verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. Es lag zwar nicht in ihrer Absicht, Kimie zu verteidigen oder dergleichen, aber das Touran so unerschrocken ruhig blieb, war ihr ein einziges Rätsel gewesen. Außerdem war völlig unklar, wie es jetzt weitergehen sollte, und vor allem stellte sich die Frage, was Sesshoumaru überhaupt von alldem dachte? Denn so, wie Touran sich geäußert hatte, war die Initiative von ihr ausgegangen. Es war vielleicht eine Sache von gerade mal zwei Sekunden gewesen, als er sie dem Anschein nach wieder von sich gewiesen hatte, aber davon schien Kimie nichts mehr mitbekommen zu haben, sonst wäre sie vermutlich nicht gleich wieder weggelaufen.

"Es ist nichts gegen dieses Mädchen gewesen", sprach Touran nach einer kurzen Pause weiter. "Ich habe Sesshoumaru lediglich klarmachen wollen, dass ein Youkai niemals mit einem Menschen zusammen sein kann. Jeder, der glaubt, so etwas wäre möglich, verrennt sich da in eine Illusion."

"Aber die Holzhammermethode bringt es auch nicht unbedingt...", wagte Shunran zu behaupten. "Ich meine, versteh mich nicht falsch, aber du hast ihn ja regelrecht eingekesselt, wenn ich es so nennen darf. Erst erzählst du ihm lang und breit etwas von der unmöglichen Verbindung zwischen Mensch und Youkai, und dann küsst du ihn einfach so."

"Jetzt nimm diesen Idioten mal nicht übermäßig in Schutz, Shunran!", murrte Karan entschieden. "Zu so einer Geschichte gehören immer noch zwei. Wenn der Typ bloß nach ein paar Worten seinen Verstand nicht mehr unter Kontrolle hat, brauchst du Nee-san nicht für alles verantwortlich zu machen, obwohl ich auch nicht gerade begeistert bin von dieser Geschichte."

"Es lag nicht in meiner Absicht, Sesshoumaru in Schutz zu nehmen", entgegnete die Jüngere, ehe sie sich wieder Touran zuwandte. "Ich wollte damit eigentlich nur sagen, bist du dir sicher, dass du dein Ziel jetzt erreicht hast oder ihm zumindest näher gekommen bist?"

"Wie soll ich diese Frage verstehen?", fragte Touran prüfend.

"Ich meine, wie denkt Sesshoumaru über all das? Er scheint sich ja nicht wirklich sicher zu sein, oder? Er scheint nach wie vor an diesem Mädchen festzuhalten, unabhängig davon, was sie zu ihm gesagt hat oder dass er sich von dir hat küssen lassen."

Darauf entgegnete Touran zunächst nichts. Natürlich hatte auch sie sofort bemerkt, dass sich Sesshoumaru trotz dieser ganzen Vorfälle nicht von Kimie abgewandt hatte. Aber was war mit Kimie selbst? Sie schien ihre Entscheidung doch getroffen zu haben. Warum also hätte Touran ein schlechtes Gewissen haben sollen? Es war doch schließlich nicht ihr Problem gewesen!

Zuerst wollte sie etwas auf die Worte ihrer Schwester erwidern, entschied sich dann aber dagegen, als sie hörte, wie jemand schnellen Schrittes durch den Gang ging.

"Da scheint es ja jemand sehr eilig zu haben", bemerkte Karan trocken.

Touran war indes bereits zu Tür gegangen, und als sie diese geöffnet hatte und heraustrat, wäre sie beinahe in Sesshoumaru hineingerasselt. Der drohende Zusammenstoß konnte gerade noch so vermieden werden.

"Bevor du etwas sagst, ich habe jetzt keine Zeit", sagte Sesshoumaru sofort, noch bevor die Panther-Dämonin überhaupt etwas hatte sagen können.

Erst, als er schon an ihr vorbeigerauscht war, warf sie ihm noch hinterher: "Was ist denn passiert? Ist etwas vorgefallen?"

"Kimie ist fort", antwortete Sesshoumaru finster, ohne sich dabei jedoch umgedreht zu haben. Nur wenige Augenblicke später war er hinter der nächsten Biegung verschwunden.

Im Zimmer sog Karan einmal scharf die Luft ein. "Oha! Mir scheint, die Geschichte ist bereits in die nächste Runde gegangen."

Touran jedoch schwieg. Stattdessen nahm sie auf einmal die Verfolgung von Sesshoumaru auf. Es dauerte auch nicht lange, dann hatte sie ihn eingeholt. Da er jedoch nicht stehen blieb, war sie gezwungen, weiter neben ihm herzulaufen. "Sesshoumaru! Warte! Was hast du jetzt vor?"

"Ich werde sie suchen", antwortete er entschieden.

"Und was soll dir das bringen? Die Vermutung liegt doch schließlich nahe, dass sie freiwillig gegangen ist. Warum also diese Mühe?"

Sesshoumaru blieb nun doch stehen. Freiwillig... Kimie hatte nicht einmal ihrer eigenen Cousine etwas gesagt, und dann sollte sie wirklich freiwillig gegangen sein? Sesshoumaru ballte seine Hände zu Fäusten. Er hätte gleich mit ihr sprechen sollen. Gleich nach dieser... dieser Sache.

"Ob freiwillig oder nicht, sie wäre ziemlich dumm, wenn sie sich ganz allein auf den Weg gemacht hätte. Deshalb werde ich nach ihr suchen", erklärte er entschieden. "Du und deine Geschwister, ihr könnt euch entweder an der Suche beteiligen oder ihr lasst es bleiben. Aber behindert mich oder meine Leute nicht, verstanden?" Und mit diesen Worten setzte er seinen Weg fort. Diesmal folgte Touran ihm jedoch nicht. Seine Ansage hatte sie in gewisser Hinsicht eingeschüchtert. Und überhaupt hatte sich auch ihr Gesichtsausdruck inzwischen verändert. Sie schien nachdenklich geworden zu sein...
 

Er hatte nicht so offen zugeben wollen, dass er sich Sorgen um Kimie machte. Warum auch? Das ging schließlich niemanden etwas an.

Mit wehendem Kimono verließ Sesshoumaru schließlich das Schloss und steuerte geradewegs auf den Unterstand von Ah-Un und Toutousais Ochsen zu. Die paar Krieger, die seinen Weg kreuzten, gab er im Vorbeigehen noch die Anweisung sich ebenfalls auf die Suche nach Kimie zu begeben, ohne dass sie überhaupt genauer nachfragen konnten, was eigentlich passiert war.

Beim Unterstand angekommen schreckte Sesshoumaru erst mal noch Toutousai aus dessen Nickerchen auf.

"Hast du nichts zu tun, Toutousai?", fragte Sesshoumaru abfällig, während er schon dabei gewesen war, Ah-Un zu satteln.

Der alte Schmied kratzte sich irritiert am Kopf. "Was soll diese frühe Hektik? Hast du etwas verloren?"

"Ich habe etwas zu erledigen", war Sesshoumarus knappe Antwort. Er wollte sich auch nicht weiter dazu äußern. Aber als er einen kurzen Blick in Toutousais Richtung warf, entdeckte er Kimies Schwert neben ihm auf dem Boden liegen. "Warum hast du das Schwert bei dir?"

"Oh! Du meinst das?" Der alte Schmied hob Raidon vom Boden auf. "Ich habe Kimie den Vorschlag gemacht, es zu schärfen, deshalb brachte sie es mir vorbei."

"Wann war das?"

"Bereits gestern am späten Nachmittag. Aber warum interessiert dich das so? Braucht sie es etwa jetzt sofort wieder?"

Sesshoumarus Blick senkte sich ein wenig. Und er hatte insgeheim schon die vage Hoffnung gehabt, Toutousai hätte ihm etwas über Kimies Verbleib erzählen können. Aber so...

Als er letztendlich auf Ah-Uns Rücken stieg, wandte er sich, ohne zuvor auf die Frage geantwortet zu haben, noch einmal an den Schmied: "Und was ist mit Toukijin? Bist du vorangekommen?"

Toutousai legte nachdenklich den Kopf ein wenig schief. "Nun ja... Es könnte zwar noch etwas dauern, aber ich glaube, ich kriege es wieder hin und..."

"Dann verschwende keine Zeit, sondern mach dich wieder an die Arbeit!", befahl Sesshoumaru scharf und trieb Ah-Un an. Der zweiköpfige Drache verließ den Unterstand und erhob sich sofort in die Lüfte.

Toutousai trat noch immer ein wenig perplex ins Freie. "Meine Güte... Dass einer wie er es mal so eilig haben würde... Was mag nur vorgefallen sein?" Aber auf die Antwort darauf würde er wohl noch ein Weilchen warten müssen.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Gefangen wie ein Tier in einem Käfig... So kam sich Kimie im Augenblick vor. Dabei konnte sie für sich selbst wohl noch vom Glück sagen, dass ihr Aufenthalt in Akumas Schloss nicht darin bestand, in einem feuchten und dunklen Kellerloch zu hocken. Aber praktisch dazu verdammt zu sein, nur herumsitzen und abwarten zu können, war schier unerträglich gewesen. Praktisch jeden Augenblick rechnete Kimie immer damit, dass jemand zur Tür hereinkam und sie umlegen würde. Dass sie mal in eine derartige Lage geraten würde, damit hätte sie nie gerechnet.

"Hm! Da war ich wohl ein weiteres Mal eine Spur zu naiv...", meinte sie selbstspöttisch und lief ein wenig in dem Zimmer auf und ab. Sie traute sich nicht mal, das Fenster zu öffnen. Wer konnte ihr schon sagen, wer oder was da draußen alles herumflog? Erst, als sie vom Gang her Schritte hörte, die sich ihrem Zimmer näherten, war Kimie wieder in höchster Alarmbereitschaft gewesen. Da war tatsächlich jemand gewesen und dieser jemand blieb auch genau vor ihrer Zimmertür stehen, wie sie es anhand des Schattens, den sie durch die mit Papier bespannte Tür erkannte, sehen konnte.

"Wer... wer ist da?", fragte Kimie äußerst misstrauisch, woraufhin die Tür geöffnet wurde.

"Ich bin's nur", sprach der Besucher, den sie sofort wieder erkannte.

"Takeshi..." Zumindest wurde Kimie innerlich wieder ein wenig ruhiger. Sie hatte schon mit Akuma oder sonst wem gerechnet.

Takeshi betrat kurz darauf das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. "Ich wollte mal nach dir sehen. Wie geht es dir?"

"Die Frage war jetzt nicht ernst gemeint, oder?", entgegnete Kimie äußerst sarkastisch und schon hatte ihre ohnehin schon nicht gerade rosige Laune wieder die Oberhand gehabt.

Takeshi blieb dies natürlich nicht verborgen. Trotzdem sprach er das Mädchen nach einem Moment erneut an: "Akuma... hat er dir etwas getan?"

"Tja... Kommt drauf an, wie du das hier nennen würdest." Sie schob ihre Hand unter den Kragen ihres Oberteils und schon es so weit zur Seite, dass er einen kurzen Blick auf die Spuren des Bissen erhaschen konnte.

In Takeshis Augen sah man einen Ausdruck von Reue. "Tut mir wirklich Leid..."

"Und ich will besser nicht wissen, auf was für Ideen er als nächstes kommt. Widerlich! Allein beim bloßen Gedanken könnte ich Knochen kotzen!" Kimie warf einen flüchtigen Blick auf Takeshi. "Ich trete dir nicht zufälligerweise auf den Schlips, wenn ich deinen Bruder nicht gerade mit Lob überschütte?"

"Du hast ein Recht auf deine eigene Meinung. Ich wäre bestimmt der Letzte, der sie dir verwehren würde", meinte er mit einem schwachen Achselzucken.

Erst jetzt schien sich Kimies Wut wieder ein wenig zu legen. Wirklich erklären konnte sie es sich nicht, aber eigentlich machte sie Takeshi nicht für ihre missliche Lage verantwortlich. Und auch, wenn er über Akumas Plan Bescheid wusste, er war es schließlich nicht gewesen, der sie niedergeschlagen und hier hergeschleppt hatte. Sie seufzte. "Ehrlich, für ein Wiedersehen hätte ich mir wirklich was besseres vorstellen können als das hier..."

"Nicht nur du." Takeshi traute sich im Grunde kaum, Kimie anzuschauen, als hätte er ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen gehabt. Es verging ein Augenblick, ehe er wieder das Wort ergriff: "Akuma hat dir vermutlich schon gesagt, was er mit dir vor hat. Er baut offenbar darauf, dass Sesshoumaru kommen und dich holen wird."

Kimie zuckte leicht in sich zusammen. Sesshoumaru... An ihn hatte sie die letzten Stunden überhaupt nicht mehr gedacht! Und schon gar nicht an die letzte Nacht. Doch nun kam alles wieder hoch.

"Er wird nicht kommen...", flüsterte sie kaum hörbar und mit gesenktem Blick. Ihre Haare verbargen dabei ihr Gesicht.

Takeshi warf einen irritierten Blick auf das Mädchen. "Was soll das bedeuten?"

Kimie kehrte ihm den Rücken zu. "Sesshoumaru wird nicht herkommen, um mich zu holen. So gesehen, könnt ihr mich auch gleich töten..."

Er war zugegebenermaßen doch irgendwie erschrocken. Gut, er kannte Kimie zwar noch nicht lange, aber dass sie sich so dermaßen gehen ließ, kam ihm seltsam vor. War vielleicht etwas vorgefallen?

"Warum bist du davon so überzeugt?", fragte er von daher, aber sie schüttelte nur stumm den Kopf. Sie wollte nicht darüber reden. Auch Takeshi schwieg zunächst wieder. Er überlegte, was er als nächstes sagen konnte. "Sag mal... Ich dachte eigentlich, du und er, ihr wärt..."

"Das scheint vorbei zu sein", unterbrach sie ihn, ohne sich aber wieder zu ihm umzudrehen. "Die Geschichte ist etwas verworren, aber zumindest scheint so viel klar zu sein, dass er keinen Grund mehr hat, sich um mich zu sorgen..." Die letzte Worte waren kaum mehr hörbar gewesen. Zudem musste Kimie wieder diesen aufsteigenden Drang unterdrücken zu schluchzen.

Trotzdem verriet ihre Körpersprache Takeshi mehr als genug. Zuerst zögerte er noch, aber dann trat er näher an sie heran und legte ihr seine Hände auf die Schultern. "Auch, wenn du mir nicht genauer erzählen willst, was passiert ist, möchte ich dir trotzdem sagen, dass es mir für dich Leid tut. Und trotzdem... Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt da, um dir etwas zu sagen." Er machte eine kurze Pause. Kimie kam sein Verhalten merkwürdig vor. Warum machte er auf sie so sehr den Eindruck, als sorgte er sich wirklich um sie? Ehe sie ihn jedoch eventuell danach fragen konnte, sprach er von sich heraus weiter: "Kimie... Du weißt es vielleicht nicht und wir kennen uns zudem auch noch nicht sehr lange, aber... ich habe dich seit dem ersten Tag unserer Begegnung verehrt. Und es war mir egal, dass du von menschlicher Geburt bist oder dass dein Herz bereits einem anderen gehörte."

Kimie hob ihren Blick. Langsam drehte sie sich zu Takeshi um. "Was... willst du damit sagen?"

Sanft berührte er mit der rechten Hand ihre linke Wange. "Ich liebe dich."

"A-Aber Takeshi..." Doch bevor sie sich versah, hatte Takeshi sie schon an sich gezogen und seine Lippen auf ihre gelegt. Im ersten Moment war Kimie wie paralysiert. Dieser Zustand hielt etwa drei Sekunden lang an, dann stieß sie Takeshi wieder von sich weg. "Nein! Nicht!" Und reflexartig gab sie gleich noch eine Ohrfeige mit zum besten. Keine Sekunde später tat es ihr schon wieder Leid. "Ah…! Entschuldige! Ich wollte nicht..."

"Nein, schon gut", widersprach Takeshi ruhig. "Du hast keinen Grund dich zu entschuldigen. Eigentlich müsste ich dich um Verzeihung bitten. Das würde aber bedeuten, dass ich bereue, was ich getan habe, doch das tue ich nicht."

Darauf wusste Kimie nichts zu entgegnen. Stattdessen schaute sie ihn nur stumm an. Seine Augen hatten die selbe Farbe von Lavendel wie die seines Bruders. Doch war in ihnen ein ganz anderer Ausdruck enthalten. Er war sanft und zeugte in keinster Weise von Hinterhältigkeit oder dergleichen, ungeachtet der Tatsache, dass sich Takeshi vor noch gar nicht allzu langer Zeit auf heimtückische Weise in das Schloss der Inu-Youkai eingeschlichen und im Geheimen für Akuma gearbeitet hatte. Stattdessen spiegelten Takeshis Augen die reine Wahrheit seiner Worte wieder. Diesmal war es kein Trick gewesen.

"Ich weiß, du fühlst nicht das selbe wie ich", sprach er schließlich weiter. "Auch spüre ich, dass trotz deiner Worte deine Zuneigung zu Sesshoumaru nach wie vor besteht. Aber ich werde trotzdem nicht einfach so klein beigeben." Und ohne dem noch etwas hinzuzufügen, wandte sich Takeshi nun zum Gehen um. Er richtete noch ein Wort des Abschieds an Kimie, dann verließ er das Zimmer.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

"Sesshoumaru ist wirklich ein Idiot!", schimpfte Inu Yasha, während er mit Kagome und den anderen die Gegend absuchte. Dabei trug er Kagome auf seinem Rücken, während Sango, Miroku und Shippou auf Kirara neben ihnen her flogen.

"Was macht dich denn so sicher, dass er etwas mit Kimies Verschwinden zu tun hat, Inu Yasha?", fragte Miroku.

Der Hanyou schnaufte verächtlich. "Das liegt doch wohl klar auf der Hand! Schließlich sprechen wir hier von Sesshoumaru und bei dem hält es doch keiner auf die Dauer aus."

"Aber Rin und Jaken bleiben doch auch bei ihm", gab Shippou zu bedenken.

"Was heißt das schon? Die Kröte hat doch eh keine Peilung, und was das Mädchen angeht... Früher oder später kommt sie auch noch darauf."

Sango hob prüfend eine Augenbraue. "Machst du es dir da nicht ein bisschen zu einfach?"

"Ach was! Ich würde sogar Tessaiga darauf verwetten, dass Sesshoumaru irgendetwas getan hat, was Kimie missfallen hat. Und deshalb wollte sie wahrscheinlich auch nach Hause. Er hätte eben besser aufpassen sollen, aber jetzt kann er zusehen, wie er die Sache wieder geradebiegt."

In diesem Moment spürte Inu Yasha sämtliche Blicke auf sich ruhen. Auf seine etwas bissige Nachfrage, was denn los sei, entgegnete Miroku prüfend: "Sag mal, könnte es sein, dass du aus Erfahrung sprichst?"

Inu Yashas Ohren begannen zu zucken. "Hä? Was soll denn das jetzt wieder heißen?"

"Nun tu doch nicht so!", meinte Sango, und Shippou fügte hinzu: "Genau! Schließlich bist du doch immer dafür zuständig, wenn es darum geht, jemanden zu vergraulen."

Anhand von Inu Yashas Gesichtsausdruck konnte man deutlich erkennen, dass er nun wusste, worauf seine Freunde hinaus wollten. Wie oft hatte er schließlich schon Kagome entweder im Bezug auf Kouga oder Kikyou wieder nach Hause getrieben und sich mit ihr gezofft?

Der Hanyou murrte zwar, sagte aber nichts weiter. Dafür fiel ihm jedoch auf, dass Kagome die ganze Zeit über merkwürdig still gewesen war. Aber Inu Yasha konnte sich schon denken, woran das gelegen hatte. Bestimmt machte sie sich Sorgen um Kimie, denn nach wie vor glaubte Kagome nicht daran, dass ihre Cousine freiwillig Reißaus genommen hatte. Im Gegenteil, sie war sich sogar sehr sicher gewesen, dass ihr etwas passiert war. >Kimie... Hoffentlich geht es dir gut...<

Die Freunde setzten die Suche weiter fort.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

//Ich weiß, du fühlst nicht das selbe wie ich. Aber ich werde trotzdem nicht einfach so klein beigeben.//

Takeshis Worte geisterten Kimie auch noch gut eine Stunde nach seinem Besuch im Kopf herum. Mit dieser Ansage hatte er sie wirklich ins Grübeln gebracht. Und seine Liebeserklärung erst... Wenn Sesshoumaru davon gewusst hätte, ob er Takeshi wohl gleich einen Kopf kürzer gemacht hätte? Aber gleich, nachdem ihr diese Frage durch den Kopf gegangen war, schlug Kimie sie wieder beiseite. Blödsinn! Warum sollte sich Sesshoumaru jetzt noch über so etwas aufregen? Er schien seine Wahl ja schließlich getroffen zu haben, von daher ging ihn alles, was sie betraf nichts mehr an!

Als sie sich selbst dabei erwischte, wie sie diese Gedanken entwickelte, schalt Kimie sich selbst. Großartig, jetzt war sie sogar an so einem Punkt angekommen... Sie war trotzig und eingeschnappt. Das ging sogar so weit, dass sie sich insgeheim sogar zu wünschen begann, Sesshoumaru würde nicht mal auf die Idee kommen, nach ihr zu suchen. Sollte er doch stattdessen machen, was er wollte! Denn dass er lediglich aus einem Gefühl der Reue heraus hier aufkreuzen könnte, darauf konnte Kimie gut und gerne verzichten. Tja, einerseits dachte sie in solche Richtungen und nur wenige Augenblicke später ging es ihr wieder ganz anders. Es war ein einziges Chaos.

"Argh! Wenn das so weitergeht, dreh ich langsam aber sicher durch!" Kimie raufte sich die Haare. Was sollte sie denken? Was sollte sie sich wünschen?

"Ach! So was Blödes!" Eher unbeabsichtigt holte sie so mit der rechten Hand zur Seite aus, sodass sie mit dieser das Papier durchschlug, welches über die Schiebefenster gespannt war. Im ersten Moment rührte sich Kimie überhaupt nicht, ehe sie ihre Hand rasch wieder zurückzog. Wie gebannt starrte sie auf das Loch. Es ermöglichte ihr einen kleinen Blick nach draußen. Allerdings konnte sich Kimie erst nach einer Weile dazu durchringen, hindurchzuschauen. Das einzige, was sie sah, waren Berge. Der Himmel war von Wolken behangen, aber ansonsten konnte sie nichts entdecken. Keine Dämonen, eben einfach nichts. Außerdem war es verdächtig ruhig.

Als sich Kimie schließlich wieder von dem Fenster entfernte, warf sie einen Blick zu Tür. Bisher hatte sie sich darüber nicht so wirklich ihre Gedanken gemacht, aber jetzt... >Werde ich denn gar nicht bewacht? Wenn ja, dann gehen die hier aber nicht gerade vorsichtig mit ihren Gefangenen um...<

Vorsichtig schlich sie zur Tür. Gespannt lauschte sie auf jedes noch so kleine Geräusch. Denn wenn sich jemand vor der Tür befand, musste man das schließlich irgendwie bemerken können. Aber Kimie hörte gar nichts.

>Soll ich es riskieren...?< Ihre Hand wanderte zum Türgriff. Sie hielt den Atem an, als sie die Tür langsam aufzog. Jeden Moment rechnete sie damit, dass ihr jemand Einhalt gebieten würde... aber da kam nichts.

Schließlich hatte Kimie die Tür bis zum Anschlag geöffnet, doch alles, was sie sah, war eine gegenüberliegende Wand und ein langer Gang. Es gab keine Wachen. Verstohlen blickte sie von links nach rechts.

"Die Luft scheint wirklich rein zu sein... Aber was soll das? Sind die etwa alle ausgeflogen?" Kimie trat nach draußen. Noch einmal schaute sie sich um. Dann schlug sie entschlossen mit der rechten Faust in ihre linke Hand. "Na gut, wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Also dann! Los geht ‘s!" Und aus einem inneren Impuls heraus schlug sie den Weg nach links ein.

Immer, wenn sie an einer Biegung ankam, lugte Kimie zunächst nur vorsichtig um die Ecke, ehe sie ihren Weg fortsetzte. Sie folgte noch mehreren Gängen, ging Treppen rauf und runter, aber egal, wohin sie kam, entweder geriet sie in eine Sackgasse oder aber sie erwischte stets die falschen Türen. >Mist! Hier irgendwo muss es doch eine Tür geben, die nach draußen führt!<

Zumindest war sie bisher aber auf keinen der Ryû-Youkai getroffen. So langsam überkam Kimie wirklich der Verdacht, dass die so was wie einen Klassenausflug machten.

Irgendwann blieb sie an einer weiteren Tür stehen.

>Hmm... Vielleicht hier...< Kimie betete, dass sie diesmal den Ausgang erwischt hatte. Noch einmal holte sie tief Luft, doch als sie die Tür aufgemacht hatte, entfuhr ihr sofort ein erschrockener Schrei: "Aah!" Mit einem Satz sprang sie zurück, so dass sie mit dem Rücken gegen die gegenüberliegende Wand knallte.

"Wohin des Weges, Püppchen? Wolltest du uns etwa schon wieder verlassen oder wolltest du mich besuchen kommen?", fragte Jin belustigt und lehnte sich gegen den Türrahmen. Verschreckt ergriff Kimie die Flucht. Dabei hörte sie ihn noch rufen: "Es wird dir nichts nützen, wenn du wegläufst!"

Aber das war ihr egal. Sie wollte einfach nur noch weg. Merkwürdigerweise schien Jin sie nicht zu verfolgen. Das konnte Kimie allerdings ganz recht sein. Aber was, wenn er nun seine Kameraden benachrichtigen würde? Dann hätte sie schon sehr bald eine ganze Meute als Verfolger zu verzeichnen gehabt.

Nachdem sie am Ende des Ganges nach rechst abgebogen war, erblickte sie eine weitere Tür. Kimie hatte keine andere Wahl, als da durchzugehen, der Weg war ansonsten eine Sackgasse. Diese Tür brachte sie diesmal wirklich nach draußen, doch endete ihr Weg bereits am Geländer der Veranda, auf welche sie herausgetreten war. Denn als sie nach unten blickte, sah sie nur dieses gähnende Nichts. Das Schloss stand mit der Rückwand praktisch direkt an einer Schlucht. Nichts war zu sehen gewesen, nur diese schwarze Leere. Ein kalter Wind pfiff über das Gebiet hinweg und verursachte ein unheimliches Geräusch, als er durch die Schlucht jagte.

Kimie trat wieder einen Schritt von dem Geländer zurück. >Toll... Jetzt bin ich zwar draußen, aber helfen tut mir das auch nicht.< Suchend schaute sie sich um. Die steilen Berghänge bauten sich wie ein unüberwindlicher Wall aus Türmen vor ihr auf. Zwar wusste sich nicht, wie es auf der anderen Seite aussah, aber wenn das ganze Schloss komplett von diesen Bergen umgeben war, standen ihre Chancen bezüglich einer erfolgreichen Flucht wirklich mehr als schlecht.

Kimie seufzte auf, zuckte direkt danach aber erschrocken in sich zusammen, als sie unmittelbar neben sich auf einmal dieses tiefe Grollen gehört hatte. Sie wagte kaum den Kopf zu drehen, aber als sie es doch getan hatte, starrte sie direkt in die glühend roten Augen von einem dieser Flugdrachen! Er saß auf einem Felsvorsprung nahe des Geländers und war dadurch, dass er sich zuvor gar nicht gerührt hatte, praktisch mit seiner Umgebung verschmolzen, weshalb sie ihn gar nicht entdeckt hatte. Kimies erschrockener Schrei ging im kraftvolle Gebrüll des Dämons regelrecht unter. Dann ergriff sie erneut Hals über Kopf die Flucht über die Veranda. >Verflucht! Was ist das hier für ein Horrorschloss?!<

Eigentlich rechnete Kimie in ihrem Unterbewusstsein jeden Augenblick damit, dass sich ihr wieder jemand in den Weg stellen würde. Bis sie um die nächste Ecke gebogen war, war dies hingegen nicht der Fall gewesen.

Plötzlich musste sie ihre Flucht aber ein weiteres Mal abrupt unterbrechen, als Rokou auf einmal mit weit ausgebreiteten Schwingen direkt vor ihr landete. Ein amüsiertes Grinsen huschte über sein Gesicht. "Wo wollen wir denn hin, hm?"

Kimie wollte sich umdrehen und wieder zurücklaufen, doch stieß sie dabei mit der Hüfte gegen das Geländer. Sie verlor ihr Gleichgewicht und fiel. "Aaah!" Gedanklich hatte sie bereits mit ihrem Leben abgeschlossen, als ihr Fall jedoch ein jähes Ende fand. Jemand hatte sie aufgefangen.

"Du solltest besser aufpassen, sonst tust du dir am Ende wirklich noch weh", hörte Kimie Toba neckend sagen.

Das Mädchen öffnete die Augen und schaute runter. Er flog mit ihr weit über dem Erdboden um das Schloss herum! Und obwohl es für sie das endgültige Aus bedeutet hätte, versuchte sie sich mit aller Wehrhaftigkeit wieder von ihm zu befreien. "Lass mich los! Du sollst mich loslassen!"

"Oh! Ganz wie du willst." Toba ließ Kimie los. Doch hatte er dabei darauf geachtet, sie im Vorbeifliegen aus eher geringer Höhe wieder auf die Veranda fallen zu lassen. Obwohl ihr der Hintern etwas weh tat, war Kimie zumindest nicht verletzt. Als direkt neben ihr der Ryû-Youkai landete, wünschte sie sich jedoch gleich wieder, er hätte sie woanders losgelassen. "Es wird so langsam Zeit, dass du einsiehst, dass deine Fluchtversuche im Sand verlaufen werden. Du kommst hier nicht mehr weg!"

"Verschwinde! Lass mich in Ruhe!", schrie Kimie ihn an und verschwand durch die nächst Beste Tür wieder im Inneren des Schlosses. Wie ein gehetztes Tier hastete sie durch die Gänge, bis sie irgendwann kaum noch Luft bekam und zwangsläufig stehen bleiben musste.

>Verflucht! Es muss doch eine Möglichkeit geben, wie ich hier wieder wegkomme...<

Kimie war so am Ende mit ihren Kräften gewesen, dass sie kaum mehr auf ihre Umgebung achten konnte. So bekam sie auch nicht mit, wie sich ihr jemand von hinten näherte und sie schließlich an den Oberarmen packte. "Aah! Hilfe!"

"Schon gut! Beruhige dich wieder!", versuchte eine männliche Stimme beruhigend auf sie einzureden, aber Kimie wehrte sich weiter.

"Nein! Lass mich los!"

"Bleib ruhig! Wenn du jetzt die Nerven verlierst, bringt dir das gar nichts!"

Abrupt hielt Kimie inne. Zögerlich wandte sie ihren Blick nach hinten um und schaute direkt in das Gesicht von Renhou. Doch obwohl er sie gefangen hielt, schien er ihr mit seinen Augen sagen zu wollen, dass er ihr nichts antun würde.

"Was habe ich dir vorhin über das Verhalten eines Köders gesagt, Mädchen?"

Kimie schreckte hoch und schaute wieder nach vorne. Da hatte sie sich doch nicht verhört, als sie Akuma auf sich und Renhou zukommen sah. Als wollte er sie belehren, erhob der Drachenfürst den rechten Zeigefinger. "Du bist sehr ungezogen. So was sehe ich nicht gern. Und die feine Art ist es auch nicht gerade, einfach so gehen zu wollen, ohne sich zu verabschieden. Hat Sesshoumaru seinem kleinen Frauchen etwa keine Manieren beigebracht?"

Er schien auf eine Reaktion von ihrer Seite zu warten, aber Kimie schwieg. Stattdessen schaute sie Akuma nur finster, wenn auch mit einer Spur Angst an.

"Was hast du dir nur dabei gedacht?", fragte Akuma mit gespielter Betroffenheit weiter. "Ich sagte dir doch schon, dass du keine Chance hast. Menschen sind wirklich störrisch, aber auch ebenso töricht. Ich werde deine Rasse wohl nie verstehen." Er schüttelte den Kopf, dann wandte er sich direkt an Renhou: "Renhou, sei doch so freundlich und geleite unseren Gast zurück aufs Zimmer. Und hab ein Auge auf sie, sonst könnte es ja schließlich passieren, dass sie sich hier wirklich noch verläuft."

"Und was habt Ihr jetzt vor?"

Akuma verschränkte die Arme vor der Brust. "Was mich angeht, ich denke, ich werde einem gewissen Jemand einen kurzen Besuch abstatten." Als er seinen Blick dabei erneut auf Kimie richtete, beschlich sie schon so ein Verdacht. Dennoch blieb sie stumm, als er sie am Kinn packte. "Dann wollen wir doch mal sehen, wie viel du Sesshoumaru wirklich wert bist. Ich denke, das könnte ziemlich amüsant werden."

"Warum? Was hast du vor?", wagte Kimie zu fragen.

"Nun, ich werde ihn ein wenig auf die Probe stellen", antwortete Akuma heimtückisch. "Immerhin ist er bekannt für sein emotionsloses Gehabe. Es wäre doch interessant zu sehen, was für ein Gesicht er macht, wenn er beispielsweise mal verzweifelt ist, nicht wahr?"

Kimie setzte eine abfällige Miene auf. "Tse! Und wovon träumst du nachts? Deine Fantasie will ich haben... Spar dir lieber die Mühe, das bringt eh nichts!"

"So? Und was macht dich da so sicher?"

"Ganz einfach! Sesshoumaru hat keinen Grund mehr, sich etwa Sorgen um mich zu machen oder gar herzukommen und mich zu retten! Es ist vorbei!"

In diesem Moment tauschte Akuma mit Renhou einen stummen Blick aus. Kimie versuchte zu erahnen, was in ihren Köpfen vorging, aber das war schier unmöglich.

Merkwürdigerweise schien sich Akuma von ihrer Aussage nicht wirklich beirren zu lassen, als er nach einem Moment wieder das Wort ergriff: "Dir scheint offenbar klar zu sein, dass du mit dieser Ansage meine Pläne ein bisschen aus dem Konzept gebracht hast. Denn wenn das wirklich der Wahrheit entspricht, bist du für mich als Köder nutzlos geworden."

"Eine Runde Mitleid, bitte...", lästerte Kimie.

"Aber", fuhr Akuma sogleich fort, "vielleicht habe ich trotz allem noch eine Verwendung für dich. Denn nur, dass ihr euch inzwischen nicht mehr so gut zu verstehen scheint - um es mal so auszudrücken - muss noch lange nicht heißen, dass es ihm auch vollkommen egal ist, was aus dir wird."

In Kimies Augen spiegelte sich mit einem Mal Verunsicherung wieder. "Was... was soll das wieder heißen?"

Bis auf wenige Zentimeter näherte sich Akuma ihrem Gesicht. "Warte es ab, Schätzchen."
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Auch nach gut drei Stunden Suche hatte Sesshoumaru keinerlei Spur von Kimie finden können. Mit Ah-Un hatte er inzwischen einen Großteil der Umgebung um das Schloss abgesucht, aber nirgendwo war auch nur der kleinste Anhaltspunkt zu finden gewesen. Aber Kimie konnte sich doch nicht einfach so in Luft aufgelöst haben!

Als er plötzlich jemanden zwischen den Bäumen unter sich entdeckte, ließ Sesshoumaru seinen zweiköpfigen Drachen augenblicklich landen. Seine Begeisterung hielt sich spürbar in Grenzen, als er Seshiru gegenüberstand.

"Oh! Sesshoumaru-sama. Welch eine Überraschung", sagte der schwarzhaarige Youkai in üblich herablassendem Ton.

Sesshoumaru stieg nicht von Ah-Uns Rücken ab, als er sich seinem Gegenüber näherte. "Eine Überraschung, auf die ich gerne hätte verzichten können", entgegnete er kühl. "Was hast du hier zu suchen?"

"Eure Frage erstaunt mich. Ward Ihr es nicht schließlich, der angeordnet hatte, dass sich nach Möglichkeit jeder an der Suche nach diesem Menschenmädchen beteiligen sollte?"

Sesshoumaru funkelte Seshiru bedrohlich an. "Auf deine Hilfe lege ich keinen Wert!" Und überhaupt, als ob Seshiru sich wirklich ernsthaft an der Suche nach Kimie beteiligen wollte... Bestimmt suchte er auf diese Weise nur nach einer neuen Gelegenheit, um Ärger zu machen.

Seshiru lächelte hinterhältig. "Hm! Mir scheint, Ihr seid noch immer etwas sauer auf mich. Gut, das verüble ich Euch nicht. Aber das scheint nicht Euer einziges Problem zu sein."

"Das geht dich nichts an!", knurrte Sesshoumaru und wollte gerade mit Ah-Un wieder fortfliegen, als er noch einmal Seshirus Stimme hörte: "Euer Gedanke, eventuell zwei Eisen im Feuer zu haben, hat wohl nicht ganz so geklappt, wie?"

Abrupt ließ Sesshoumaru Ah-Un wieder zum Stehen kommen. Und als ob dies genau in seiner Absicht gelegen hätte, sprach Seshiru sogleich weiter: "Versteht mich nicht falsch, aber mir ist da etwas zu Ohren gekommen. Es heißt, ihr hättet eine heiße Nacht mit dieser Panther-Dämonin hinter euch. Wie war noch mal ihr Name? Touran, nicht wahr?" Er hatte die Geschichte bewusst ein wenig übertrieben dargestellt. In Wahrheit hatte Seshiru nämlich lediglich etwas davon gehört, dass Sesshoumaru sich in der letzten Nacht mit Touran getroffen hatte. Was allerdings genau passiert war, das wusste er wiederum nicht, und auch nicht, dass Kimie die beiden gesehen hatte. Aber dass sie ja jetzt verschwunden war, bot immerhin idealen Zündstoff, um Sesshoumaru zu provozieren. "Und?", fragte Seshiru von daher gleich weiter. "War die Nacht wenigstens zu Eurer Zufriedenheit?"

Mir bedrohlich funkelndem Blick drehte sich Sesshoumaru zu ihm um. "Ich warne dich! Treib es besser nicht zu weit, Seshiru!"

Wie die Ruhe in Person verschränkte Seshiru gelassen die Arme vor der Brust. "Sesshoumaru-sama... Lasst Eure Wut über Euer kleines Missgeschick doch nicht an mir aus. Aber ob Ihr es nun als wichtiger erachtet, Euch mit mir zu befassen, oder lieber weiter nach dieser Ausreißerin suchen wollt, bleibt natürlich Euch überlassen. Übrigens, der Zeitpunkt mag ein ungünstiger sein, aber meine Herausforderung gegen Euch steht noch. Jedoch bin ich natürlich gerne dazu bereit, noch so lange auf den Kampf zu warten, bis Ihr Euer kleines Mädchen wieder gefunden habt. WENN Ihr sie denn wieder finden werdet."

Die Art und Weise wie er dieses "wenn" betont hatte... Sesshoumaru hatte spürbar seine Mühe dabei, seine Wut im Zaum zu halten. Natürlich hätte er gleich an Ort und Stelle gegen Seshiru kämpfen und ihn erledigen können, aber im Moment gab es wichtigeres für ihn zu tun. Also schenkte Sesshoumaru seinem Widersache trotz dessen zusätzlicher Erwähnung bezüglich der Herausforderung keine weitere Beachtung mehr und flog davon. Trotzdem kreisten ihm Seshirus Worte auch noch nach einer Weile im Kopf herum. Wenn Kimie wirklich von sich heraus weggegangen sein mochte, was Sesshoumaru nach wie vor nicht glaubte, dann hätte sie das doch garantiert nicht mitten in der Nacht getan, wie es ja aussah. Aber wenn sie doch Hals über Kopf davongelaufen war... dann musste sein Treffen mit Touran dabei keine unwesentliche Rolle gespielt haben. In diesem Moment kamen ihm wieder die Worte von Inu Yasha in den Sinn.

Abrupt zügelte Sesshoumaru Ah-Un, sodass der Drache in der Luft verharrte. Vielleicht war Kimie ja in der Tat freiwillig gegangen und alle Spekulationen bezüglich dessen, dass ihr etwas passiert sein könnte, waren Unsinn. Hatte er sie wirklich "verjagt"? Obwohl sie ihm gegenüber noch geäußert hatte, dass sie nicht länger hatte bei ihm bleiben können?

Sesshoumaru schüttelte den Kopf. Was dachte er denn da? Erzählen konnte man schließlich viel, ob man das auch so gemeint hatte, war wieder eine ganz andere Sache gewesen. Kimie war verwirrt und von der ganzen Situation überfordert gewesen. Sie hatte sich zu einer unüberlegten Aussage hinreißen lassen. Doch hatte er ihr die Entscheidung letztendlich offensichtlich abgenommen, wenn auch unfreiwillig. Sein Treffen mit Touran... Wie mochte das auf Kimie gewirkt haben? Bestimmt hatte sie gedacht, er hätte sich mal eben rasch mit einer anderen "getröstet". So konnte er die Sache aber auf keinen Fall stehen lassen! So war es schließlich auch gar nicht gewesen! Sesshoumaru musste Kimie ausfindig machen, um zumindest noch einmal mit ihr sprechen zu können.

"Sesshoumaru!"

Als er auf einmal Ashitaka seinen Namen rufen hörte, blickte Sesshoumaru nach unten. Sein Cousin stand zwischen einigen Bäumen und winkte ihn zu sich. Sofort flog Ah-Un auf den anderen Youkai zu und landete unmittelbar neben ihn. Sesshoumaru stieg vom Rücken des Drachen. "Ashitaka. Was ist? Hast du einen Hinweis gefunden?"

"Ich bin mir nicht sicher", antwortete Ashitaka und blickte hinter sich. Nur wenige Meter hinter ihm schnupperte Inuki, der seine dämonische Form angenommen hatte, eifrig auf dem Boden herum. "Inuki hat vorhin Kimie-chans Spur gefunden. Ich bin ihm bis hierher gefolgt, aber die Fährte endete plötzlich. Es scheint gar so, als hätte sich Kimie-chan einfach so in Luft aufgelöst. Tôya und Subaru durchkämmen gerade die nähere Umgebung. Vielleicht finden sie ja etwas."

Sesshoumaru trat zu Inuki, genau an die Stelle, wo Kimies Spur endete. Er musste sich schon sehr anstrengen, aber auch er konnte noch ganz schwach ihren Geruch wahrnehmen. Dabei konzentrierte er sich im ersten Moment so dermaßen nur auf ihn, dass ihm etwas anderes dabei fast entgangen wäre. Aber plötzlich fiel es ihm auf. "Ashitaka. Hast du es bemerkt?"

Der Angesprochene kam näher. "Was meinst du? Was soll ich bemerkt haben?"

"Diesen Geruch..." Sesshoumarus Stimme klang sehr ernst. "Er ist kaum wahrzunehmen und deshalb leicht zu ignorieren, aber es ist zweifellos der Geruch von Drachen."

Ashitaka starrte Sesshoumaru mit schreckgeweiteten Augen an. Obwohl sein Cousin selbst nur minimal die Miene verzog, sah der Jüngere ihm an, dass ihm im Augenblick genau das selbe durch den Kopf ging. Erst recht, als sich Sesshoumaru einem Baum neben sich zuwandte, an welchem er schwach Kimies Geruch wahrnehmen konnte.

Plötzlich und ohne jede Vorwarnung rammte Sesshoumaru seine Klauen in den Stamm und diesmal spiegelte sich in seinem Gesicht die blanke Wut wieder. "Akuma...!"

In Gefangenschaft

Wie von Akuma verlangt, hatte Renhou Kimie wieder in ihr Zimmer gebracht. Nur blieb sie diesmal nicht unbeaufsichtigt. Die ganze Zeit über verblieb Renhou mit ihr in dem Zimmer, allerdings hatte Kimie schon im Voraus darauf geachtet, sich nicht unmittelbar in seiner Nähe aufzuhalten. Stattdessen hatte sie sich in eine gänzlich andere Ecke des Zimmer verzogen und beobachtete auf dem Boden sitzend ihren "Wächter" äußerst argwöhnisch.

Renhou stand mit dem Rücken an der gegenüberliegenden Wand gelehnt und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Dabei sah er Kimie auch gar nicht an, als ahnte er, dass sie das nicht hätte ausstehen können.

Hin und wieder schweifte ihr Blick zwar zur Tür, aber er stand praktisch direkt daneben. Und selbst wenn sie es geschafft hätte, aus dem Zimmer zu kommen, aus dem Schloss kam sie trotzdem nicht raus.

>Zwecklos...<, dachte Kimie innerlich aufseufzend. >Allein schaffe ich es niemals, von hier wegzukommen. Aber was soll ich tun? Ich bräuchte Hilfe. Aber...<

"Für wahr, für Menschen ist dieser Ort in der Tat nichts. Besonders nicht für ein Mädchen."

Kimie warf Renhou auf diese Aussage hin einen finsteren Blick zu. Auch er hatte sein Augenmerk in der Zwischenzeit auf sie gerichtet. Dass sie allerdings nicht wirklich gut auf ihn zu sprechen gewesen zu sein schien, war ihm von Anfang an klar gewesen. Trotzdem blieb er ruhig in seiner Ausdrucksweise. "Schau mich nicht so finster an. Ich habe nicht etwa vor, dich zu fressen."

"Sag mir doch einfach, warum ihr mich nicht gleich tötet!", forderte Kimie ihn bissig auf. "Ich sagte euch doch schon, dass Sesshoumaru nicht herkommen wird. Wenn ihr also vor hattet, ihn etwa in einen Hinterhalt zu locken, könnt ihr das schon mal knicken. Was also erhofft sich Akuma noch davon, wenn er mich zum einen noch immer hier behält und zum anderen mich am Leben lässt?"

"Das musst du Akuma-sama schon selbst fragen", antwortete Renhou. Es schien, als wollte er dem noch etwas hinzufügen, tat dies aber erst nach einer kurzen Pause: "Aber hoffst du denn trotz allem, dass Sesshoumaru herkommen wird, um dich zu retten?"

Aber sie schwieg und schaute nur zu Boden. Sie würde ihm auf diese Frage auch nicht antworten, also unterließ es Renhou, dieses Thema etwa noch weiter zu vertiefen. Er wandte den Blick wieder von ihr ab.

Nach einem Moment, in dem keiner von ihnen beiden etwas gesagt hatte, schaute Kimie wieder auf. Verstohlen musterte sie Renhou. Da er nicht wie in den vorangegangenen Begegnungen seinen langen Mantel trug, konnte sie ihn etwas genauer in Augenschein nehmen. Er schien wie so manch anderer seines Clans eine Vorliebe für dunkle Stoffe zu haben. Das dunkelviolette, ärmellose Oberteil reichte ihm bis knapp über die Hüften und wurde unter anderem von einem weißen Stoffgürtel zusammengehalten. An den Handgelenken trug er schwarze Schoner, passend zu der schwarzen Hose und den gleichfarbigen Stiefeln. Seine Schwingen ruhten zusammengefaltet über seinen Schultern.

Obwohl es Kimie ja eigentlich egal sein konnte, fand sie von einem neutralen Blickwinkel aus betrachtet dennoch, dass Renhou durchaus eine attraktive Erscheinung gewesen war. Groß gewachsen und von ansehnlicher Statur. Ähnlich wie Sesshoumaru...

"Renhou... Das ist doch dein Name, oder?", sprach Kimie den Youkai schließlich an.

Er nickte. "Ja, das stimmt."

"Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber du scheinst mir nicht wie die meisten anderen aus deinem Clan zu sein."

Renhou schien über Kimies plötzliche Plauderlaune ein wenig überrascht zu sein. "Weil ich dir nicht mit Folter oder dem Tod drohe?"

Sie zuckte mit den Schultern. "So in etwa..." Es hatte ein wenig gleichgültig geklungen.

"Wie du mitbekommen haben dürftest, habe ich lediglich die Anweisung erhalten, auf dich aufzupassen. Obwohl eine Flucht von hier für dich ohnehin unmöglich ist." Renhou hörte von Kimies Seite ein etwas genervtes Aufstöhnen. Nach einem Augenblick fragte er sie ganz direkt: "Entsprach das, was du vorhin gesagt hast, der Wahrheit? Hat Sesshoumaru wirklich keinen Grund, dich zu retten?" Als Kimie ihm darauf jedoch nicht antwortete, sondern ihn nur irritiert anstarrte, fragte er noch weiter: "Sag, wie wichtig bist du ihm wirklich?"

Kimie hob abwehrend die Hände. "Also, jetzt mal ganz langsam, ja? Was soll das werden? Was interessiert dich das überhaupt?"

"Eine kleine Unterhaltung ist doch immerhin besser, als sich die ganze Zeit über anzuschweigen."

Wie er das gesagt hatte... Als wäre es das Natürlichste von der Welt gewesen.

Kimie wurde aus Renhous Verhalten wirklich nicht ganz schlau. Er war doch immerhin ihr Feind, aber trotzdem verhielt er sich nicht gerade so, wie sie es von jemandem, der sie bewachen sollte, erwarten würde. Und dann auch noch die direkte Art und Weise, wie er seine Fragen stellte... Als wären die zwei alte Bekannte gewesen, die über jedes Thema offen hätten diskutieren können.

Wirklich erklären konnte Kimie es sich nicht, aber merkwürdigerweise verlor sie nach wenigen Sekunden ihre Scheu davor, Renhou auf seine Frage zu antworten, wenngleich sie dabei sehr leise sprach: "Ehrlich gesagt, ich weiß nicht so genau, wie wichtig ich ihm bin... Ich meine, es wäre natürlich schon schön, wenn ich für ihn eine wichtige Person wäre. Er nennt mich zwar seine Gefährtin, aber er hat mir nie gesagt, dass er..."

Und obwohl sie an diesem Punkt stoppte, konnte sich Renhou seinen Teil denken. "Du meinst, dass er dich lie...?"

"Stopp!", gebot Kimie dem Ganzen plötzlich wieder Einhalt, als wäre sie aus einer Art Trance erwacht. "Warum erzähle ich dir das überhaupt? Ich werde wohl schon langsam unzurechnungsfähig... Schluss damit! Das Thema ist abgehakt! Wir haben uns gezofft und da gibt es nichts mehr, worüber es sich lohnen würde zu reden!" Und um ihren Unwillen auch noch bildlich zu demonstrieren, verschränkte sie entschieden die Arme vor der Brust und schaute weg. Da Renhou sie auch nicht weiter ausfragte, schien er ihre Botschaft verstanden zu haben. Woher nahm er sich auch überhaupt das Recht, sie auf derartige Themen anzusprechen? Gehörte das alles vielleicht mit zu Akumas Spiel? Wollte er sie auf diese Art und Weise langsam aber sicher mürbe machen, indem er Renhou auf sie ansetzte?

Kimie machte sich noch eine ganze Weile so ihre Gedanken. Aber was auch immer Renhous Absichten gewesen sein mochten, zumindest wollte er ihr offensichtlich nicht wie so ziemlich jeder andere hier an den Hals. Irgendwann richtete sie erneut seine Aufmerksamkeit auf sich, als sie ihn nun ihrerseits ganz direkt fragte: "Hey! Sag mal, gibt's hier eigentlich nur Männer? Wo habt ihr denn eure Frauen gelassen? Versteckt ihr die hier irgendwo oder seid ihr vielleicht alle anders gepolt?"

Angesichts Renhous etwas überraschtem Gesichtsausdruck schloss Kimie, dass sie ihn damit wohl ein wenig überrumpelt hatte. Trotzdem antwortete er ihr kurz darauf: "Es gibt hier keine Frauen. Zumindest nicht hier im Schloss."

Kimie zog skeptisch eine Augenbraue hoch. "Keine Frauen? Meine Güte, langweilt ihr euch denn überhaupt nicht? Und müsste eurer Clan da nicht eigentlich auf die Dauer aussterben?"

"In China halten sich noch zahlreiche von uns auf, besonders die, die damals noch zu jung waren, um sich am Kampf zu beteiligen. Akuma-sama schickte in der Vergangenheit des Öfteren einige unserer Leute in unsere Heimat zurück, um neue Krieger herzuholen. Und vielleicht auch, um für spätere Zeiten neue zu gewinnen."

"Und die Frauen?"

"Die meisten von uns halten nichts von festen Bindungen, falls du darauf anspielst." Was nun folgte, war eine Art kleiner Crash-Kurs. Kimie kam sich ein wenig vor, wie auf der Schulbank, als Renhou ihr nun noch das eine oder andere Detail bezüglich des Gemeinschaftslebens der Ryû-Youkai erläuterte. So trafen nach seiner Aussage potenzielle Paare nur zu gegebenen Zeitpunkten aufeinander, blieben in der Regel aber nicht lange zusammen. Im Grunde nur, bis die Jungen geboren wurden. Hatten diese ein entsprechendes Alter erreicht, wurden die Söhne von ihren Vätern, die dann zum entsprechenden Zeitpunkt zurückkehrten, in eine Gruppe integriert, um als Krieger gegebenenfalls später mal sogar in den Clan des Daiyoukai einzutreten. Es gab also praktisch eine "Hauptgruppe", wie etwa die von Akuma, und verschiedene "Untergruppen" mit entsprechenden Anführern, die dem Daiyoukai untergeordnet waren. Weibliche Ryû-Youkai hingegen bilden keine Gruppen, sie lebten allein und kümmerten sich um die Aufzucht der Jungen. Es gab jedoch eine einzige Ausnahme, und zwar blieb in der Regel nur jeweils der Anführer einer Gruppe mit seiner Gefährtin zusammen.

Nachdem sie sich das alles so angehört hatte, spiegelte Kimies Miene einen gewissen Unmut wieder, dem sie auch gleich ordentlich Luft machte: "Meine Güte... Wie abgedroschen ist das denn bitte? Ihr Männer schiebt den Frauen in den meisten Fällen also einfach mal so einen Braten in die Röhre und macht euch dann vom Acker? Euch sollte man allesamt mal einen kräftigen Tritt in den Hintern verpassen! Und du? Wie oft hast du diese blöde Nummer denn schon abgezogen?"

Renhou räusperte sich kurz. "Also... Ich glaube nicht, dass wir dieses Thema noch weiter vertiefen müssen."

Also doch! In der Hinsicht war Renhou wohl genau so wenig ein Kind von Traurigkeit gewesen. Ein wenig amüsiert schien Kimie nun doch zu sein. Zugleich brachte sie dieses Thema allerdings auch auf einen anderen Gedanken. Nunmehr wieder mit ruhigerer Stimme fragte sie ihn: "Aber... heißt das, du warst auch noch nie wirklich verliebt? Ich meine, wenn es bei euch nicht wirklich üblich ist, feste Bindungen einzugehen..."

Renhou, der seine Fassung inzwischen wieder gefunden hatte, antwortete erst nach einem Augenblick: "Ich weiß, dass ihr Menschen über solche Dinge wie Liebe viel nachdenkt, aber so etwas gehörte nie zu meinen Problemen. Wenn man zu viel auf seine Gefühle hört, beeinträchtigt das das Denkvermögen. Man sollte mehr auf das hören, was der Verstand einem sagt. Gefühle reiten einen viel zu oft in Schwierigkeiten hinein, von daher lässt man am besten keine zu."

Kimies Blick hatte etwas Nachdenkliches angenommen. "Du sagst, man sollte besser keine Gefühle zulassen... Meinst du das auch so? Ich habe nämlich nicht den Eindruck, als wärst du ein so gefühlskalter Typ. Eher im Gegenteil, ich halte dich sogar für äußerst aufrichtig und fair. Viele denken im Kampf nur daran, ihren Gegner mit aller Gewalt zu besiegen und greifen dabei auch zu unfairen Mitteln, aber du bist anders. Beim Kampf gegen Sesshoumaru hättest du mich oder einen anderen problemlos als Druckmittel gegen ihn einsetzen können. Und als er Toukijin nicht mehr gegen dich einsetzen konnte, hast du ebenfalls darauf verzichtet, dein Schwert zu benutzen. So handelt doch kein eiskalter Stratege, der nur auf seinen Verstand vertraut."

Renhou schien sich ihre Worte noch einmal gründlich durch den Kopf gehen zu lassen. Er konnte es nicht vermeiden, dass sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen stahl. "Hm! Merkwürdig... Wenn ich so darüber nachdenke, muss ich zugeben, da ist was Wahres dran. Respekt, der Punkt ging wohl an dich."

Auch Kimie konnte nun wieder ein wenig lächeln. Dabei musste sie automatisch an die Worte von Myouga zurückdenken. Es stimmte, dass einer wie Renhou auf der gegnerischen Seite stand, war wirklich irgendwie schade.

Ein plötzliches Klopfen an der Tür ließ die beiden aufhorchen. Nachdem Renhou dem Besucher den Zutritt gewährt hatte, öffnete Yu die Zimmertür. Allerdings blieb er im Gang stehen, als er seinen Kameraden ansprach: "Ich weiß, du hast hier eigentlich eine Aufgabe zu erfüllen, Renhou, trotzdem müsste ich mal mit dir sprechen."

"In Ordnung. Einen Augenblick noch, bitte." Renhou wandte sich an Kimie: "Du hast es gehört, ich muss kurz weg. Tu mir und auch dir bitte den Gefallen und bleib hier. Da draußen ist es zu gefährlich für dich, wie du schon mitbekommen haben dürftest."

Kimie nickte einverstanden. Überhaupt hatte sie ohnehin keine Lust darauf, etwa einen erneuten Fluchtversuch zu starten. Also verblieb sie in dem Zimmer, während Renhou gemeinsam mit Yu fort ging. Allerdings, es interessierte sie schon doch sehr, was Yu gewollt haben könnte. Zumindest hatte es sich ziemlich wichtig angehört.
 

Außerhalb des Schlosses saß Kagura im Beisein von Toba auf einem Felsen. Mittlerweile sträubte sie sich deutlich weniger dagegen, sich mit ihm zu unterhalten. In gewisser Hinsicht schien ihr seine Gegenwart sogar zuzusagen. Er behandelte sie zumindest nicht so, als wäre sie lediglich ein Teil von Naraku, sondern eine eigenständige Person, die durchaus ihren Wert hatte.

Was sich jüngst abgespielt hatte, war allerdings auch Kagura nicht entgangen, weshalb sie Toba letztendlich auch darauf ansprach: "Sag mal, ich habe nur am Rande etwas davon mitbekommen. Du und deine Kameraden, aus welchem Grund habt ihr gestern das Schloss verlassen?"

"Akuma-sama hat uns einen Auftrag erteilt", antwortete Toba ihr bereitwillig. "Genau genommen, wir sollten Sesshoumarus kleines Mädchen... Nun, sagen wir mal einladen."

"Ihr habt seine Gefährtin entführt?", fragte die junge Frau teils überrascht und teils ein wenig irritiert. Dass Sesshoumaru ein sterbliches Mädchen zu seiner Gefährtin bestimmt hatte, war natürlich auch ihr nicht entgangen, aber dass Akuma ausgerechnet sie hatte entführen lassen... "Was plant Akuma? Will er Sesshoumaru herlocken und ihm eine Falle stellen?"

Toba zuckte einmal mit den Schultern. "Vermutlich, aber dazu hat er sich nicht näher geäußert. Ihr müsst wissen, Akuma-sama behält gerne mal das eine oder andere Detail für sich. Sogar Takeshi-sama erzählt er nicht immer alles."

"Hm..." Kagura senkte ein wenig den Blick. Das klang nicht gut. Wenn Akuma es wirklich schaffen sollte, Sesshoumaru auf diese Art und Weise in die Knie zu zwingen und ihn gar zu besiegen, auf wen sollte sie dann noch bauen, was ihre so sehr ersehnte Freiheit anbelangte? Denn auch, wenn Sesshoumaru ihr gegenüber klargemacht hatte, dass er keinerlei Veranlassung oder Interesse hatte, ihr zu helfen, trotzdem hatte er das Ziel, Naraku zu töten und das zählte für sie. Aber wenn Akuma wiederum Sesshoumaru besiegen würde...

"Was soll dieser nachdenkliche Gesichtsausdruck? Sorgt Ihr Euch um etwas?"

Tobas plötzlich Frage holte Kagura abrupt wieder aus ihren Gedanken. Verneinend schüttelte sie den Kopf. "Nein, es ist nichts." Obwohl, vielleicht konnte ja auch Toba...

Kagura überlegte. Zumindest wäre der Ryû-Youkai einer Bitte nach Hilfe sicherlich weniger abgeneigt als etwa Sesshoumaru. Aber konnte er Naraku auch besiegen? Noch vermochte Kagura Tobas wahre Stärke nicht einzuschätzen. Sie musste sich wohl noch etwas gedulden, aber was soll's? Wenn das nötig gewesen war, damit sie endlich ihre Freiheit erlangte, dann würde sie das in Kauf nehmen. Allerdings hatte Kagura ein etwas merkwürdiges Gefühl, während sie so darüber nachdachte. Als wäre es ihr praktisch unangenehm gewesen, es in Betracht zu ziehen, Toba für ihre Zwecke ausnutzen zu wollen.

"Jetzt schaut doch nicht so finster drein", forderte er sie nach einem Moment mit einem aufmunternden Lächeln auf. "Das steht Euch nicht. Ihr solltet lieber mal lächeln. Bestimmt wärt Ihr dann noch schöner."

Kagura konnte es nicht vermeiden, ein etwas verwirrtes Gesicht zu machen. Zwar war dies nicht das erste Kompliment von Toba an sie gewesen, aber wirklich daran gewöhnt hatte sie sich immer noch nicht. Recht schnell hatte sie ihre Fassung jedoch wieder zurückerlangt. "Sei nicht albern! Ich lächle, wenn mir danach ist."

"Auch gut!", meinte Toba zufrieden. "Dann werde ich Euch eben so lange beobachten, bis es dazu kommt."

"Dann hoffe ich für dich, dass du viel Zeit mitgebracht hast", entgegnete Kagura trocken, aber trotz dieser Aussage behielt Toba seine gute Laune. Im Moment hatte er in der Tat nichts zu tun, als verblieb er bei der jungen Frau.

"Sag mal, wie geht es überhaupt deinem Bruder?", fragte Kagura auf einmal, aber ohne ihn dabei anzusehen.

"Er ist praktisch wieder fit", antwortete Toba ihr. "Zwar macht sein linker Flügel ihm noch kleinere Probleme, aber die sind eher minimal. Er hatte Glück, schließlich hätte es auch sein können, dass er nicht mehr richtig hätte fliegen können. Allerdings wird die Flughaut wohl nicht mehr vollkommen verheilen. Ich meine, sie ist zwar verheilt, aber man wird die Risse immer sehen können."

"Aber zumindest hat er überlebt", meinte Kagura.

Toba nickte befürwortend. "Ja, und dafür bin ich dankbar."

Kagura hatte schon lange mitbekommen, dass die Verbindung zwischen Toba und Rokou sehr stark gewesen war. Die beiden hielten praktisch wie Pech und Schwefel zusammen. Woher dieser Gedanke so plötzlich kam, konnte sie sich selbst nicht so recht erklären, aber irgendwie beneidete sie die beiden um ihren festen Zusammenhalt. Wie wäre es wohl für sie gewesen, ebenfalls stets jemanden zu haben, der immer und überall an ihrer Seite gestanden hätte?
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Dadurch, dass es mehr als sicher gewesen war, dass Kimie von den Ryû-Youkai entführt worden war, hatte die Suche nach ihr entsprechend zu keinem Ergebnis geführt.

Sesshoumaru hatte seine Leute auf dem Hof versammelt, um die nächsten Schritte besprechen zu können. Allerdings war man sich unschlüssig darin, wie man weiter vorgehen sollte. Schließlich konnten die Inu-Youkai nicht einfach so bei den Ryû-Youkai aufkreuzen und dummdreist die Herausgabe von Kimie fordern. Mal abgesehen davon hatten sie auch keine genaue Ahnung davon gehabt, wo genau im nördlichen Gebirge sich Akumas Schloss befand. Vermutlich hätten sie es nach einer entsprechenden Suche letztendlich zwar gefunden, aber so etwas kostete Zeit. Zeit, die sie vielleicht nicht zur Verfügung hatten.

Nachdem eine ganze Weile keinerlei Fortschritte erzielt worden waren, ergriff Inu Yasha, der sich mit Kagome und den anderen ebenfalls auf dem Hof befand und alles bisher kommentarlos mitverfolgt hatte, an seinen Bruder gerichtet das Wort: "Hey! Du tust doch sonst immer so perfekt, als hättest du für alles eine Lösung parat. Dann lass mal hören! Wie gedenkst du nun vorgehen zu wollen, um Kimie zu retten? Oder willst du sie ihrem Schicksal überlassen?"

"Inu Yasha..." Kagome blickte verunsichert zur Seite.

Von Sesshoumaru fing sich der Hanyou einen stechenden Blick ein. "So lange du keinen nützlichen Vorschlag zu verlauten hast, rate ich dir, besser zu schweigen, Inu Yasha. Sonst bereite ich deinen unnützen Kommentaren persönlich ein Ende!"

"Tse! Kannst es ja gerne versuchen, wenn du dich traust!"

"Jetzt hör doch auf damit, Inu Yasha!", mischte sich Miroku ein. "Es ist ja schließlich nicht so, als stünden wir alle zu unserem eigenen Vergnügen hier rum."

Der Hanyou murrte etwas Unverständliches in sich hinein. Er wusste es ja im Grunde selbst, aber es war eben die Macht der Gewohnheit gewesen, entsprechend auf Sesshoumarus Äußerungen zu reagieren. Dass Inu Yasha selbst damit angefangen hatte, schob er im Moment lieber beiseite.

Ashitaka konnte nicht länger einfach nur so auf der Stelle stehen bleiben. Stattdessen lief er ein wenig umher, schaute sich ab und zu um. Dabei blickte er auch mal in die Ferne zum Himmel hinauf und blieb abrupt wieder stehen. Irgendetwas Großes näherte sich. "Sesshoumaru! Da kommt einer von Akumas Flugdrachen!"

Auch alle anderen entdeckten nun den Flugdrachen, der immer näher kam. Zuerst war die Versuchung groß gewesen, das Ungetüm schnell und unkompliziert vom Himmel zu holen, doch Sesshoumaru hielt seine Leute bewusst zurück. Auch dann, als er erkannte, dass Akuma auf dem Rücken des Flugdrachen ritt. "Lasst ihn landen. Ich ahne, was er will."

Akuma war ohne jegliche Begleitung hier erschienen. Das war ein mehr als eindeutiges Zeichen dafür gewesen, dass er es dieses Mal nicht auf eine kämpferische Auseinandersetzung angelegt hatte. Sesshoumaru war sich todsicher darin gewesen, dass er wegen Kimie gekommen war.

Die Erde bebte, als Akumas Flugdrache auf dem großen Hof landete. Die mächtigen Krallen seiner kräftigen Hinterbeine bohrten sich tief in den Boden. Der Drache stach besonders durch sein aggressives Auftreten hervor. Wild warf er den Kopf herum und stieß ein bedrohliches Brüllen aus. Erst, als Akuma mal etwas fester an den Zügeln zog, nahm sich sein Drache wieder zusammen. Gehorsam faltete er sein Schwingen an den Seiten seines Körpers zusammen, behielt aber seine Umgebung argwöhnisch im Auge.

Akuma stützte sich mit den Unterarmen in gelassener Haltung auf den Sattel seines Reittieres. Er schien gerade etwas sagen zu wollen, als er jedoch ein gequältes Stöhnen vom Boden her wahrnahm. Als er sich etwas nach vorne beugte, um runterzuschauen, sah er, dass sein Drache auf etwas, bzw. jemanden draufstand. Das Ungetüm hob seine Klaue erst nach einer entsprechenden Aufforderung seines Herrn. Mitten in einem großen Fußabdruck lag ein etwas geplätteter Jaken. Er hatte sich offenbar nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen können, als der Drache gelandet waren.

"Jaken-sama!", rief Rin erschrocken, wurde allerdings von Sesshoumaru zurückgehalten, als sie Anstalten machte, zu dem Krötendämon zu eilen. Auf keinen Fall durfte sie zu nahe an Akuma herankommen!

Jaken krabbelte indes wieder aus dem Fußabdruck heraus und entwickelte auf einmal wieder neue und ungeahnte Fluchtenergien, als er bei einem flüchtigen Blick nach hinten in die rot glühenden Augen des Flugdrachen starrte.

Akumas Mitleid bezüglich Jaken hielt sich allerdings eher in Grenzen. Das war auch an der Art und Weise zu hören gewesen, wie er sich entschuldigte, wenn man es überhaupt so nennen konnte: "Oh! Ein bedauerliches Missgeschick. Ich hoffe, du nimmst mir das nicht allzu übel, Sesshoumaru. Aber es ist wirklich zuvorkommend von dir, dass du mich ohne weiteres in Empfang genommen hast."

"Wo ist sie?", fragte Sesshoumaru aber nur sofort in scharfem Ton, ohne auf die vorangegangene Aussage einzugehen.

Akuma hob mit gespielter Unschuld eine Augenbraue. "Wen meinst du? Vermisst du etwa jemanden?"

"Glaub nicht, du könntest mich zum Narren halten, Akuma! Ich weiß ganz genau, dass du Kimie hast entführen lassen! Sag mir auf der Stelle, wo sie ist und was du mit ihr gemacht hast!" Obwohl man Sesshoumarus Wut genau spüren konnte, trat er dennoch souverän und beherrscht auf. Auf keinen Fall würde er vor Akuma die Kontrolle verlieren. Schon gar nicht, wenn dieser sich offenbar schon sicher gewesen zu sein schien, in aller Ruhe seine Spielchen spielen zu können.

Akuma richtete sich im Sattel wieder in eine aufrechte Sitzposition auf. "Schade, und dabei hatte ich mir schon alles so schön zurechtgelegt. Ich hasse es, auf die Schnelle alles umkrempeln zu müssen", meinte er mit gespieltem Bedauern. Dann wandte er sich jedoch wieder direkt an Sesshoumaru: "Da du ja bereits alles zu wissen scheinst, erspare ich mir lange Vorreden und sage dir nur so viel: Deine kleine Gefährtin ist tatsächlich bei uns im Schloss."

Kagome schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. "Oh, nein! Kimie..."

Indes hatte Inu Yasha sein Schwert Tessaiga gezogen und deutete mit dessen Klinge direkt auf den Feind. "Hör mal zu, du Dreckstyp! Wenn du schlau bist, dann lässt du sie besser schnellstens wieder frei! Ist das klar?!"

Akuma schaute eher flüchtig zu dem Hanyou. "So, ich soll sie also frei lassen, ja? Hmm..." Er ließ seinen Blick kurz schweifen und zuckte dann mit den Schultern. "Von mir aus, wenn ihr irgendeine sinnvolle Verwendung für Leichen habt."

"Wie bitte? Leichen?!" Miroku wollte seinen Ohren nicht trauen, ebenso wie die anderen.

Sango wagte kaum, den Mund aufzumachen. "Soll... soll das etwa heißen, dass...?"

"Nein! Das ist eine Lüge! Du lügst doch!", schrie Kagome energisch und wollte auf Akuma zugehen, doch wurde sie von Inu Yasha zurückgehalten.

"Nicht, Kagome! Komm ihm nicht zu nahe!"

Akuma beobachtete die Reaktionen der einzelnen. Kagome und ihre Freunde hatten seiner Einschätzung entsprechend reagiert. Auch in den Augen des einen oder anderen der Inu-Youkai las er das Entsetzen.

Aus Ashitakas Kehle drang ein bedrohliches Knurren. "Du Mistkerl! Du hast Kimie-chan also wirklich...?!"

"Na, na! Wir wollen mal nicht ausfallend werden", fuhr ihm Akuma abfällig lächelnd dazwischen. "Vor ihrem Ableben hatte sie sogar noch etwas Spaß, um es mal so auszudrücken. Ich hätte nicht gedacht, dass Menschenweiber auf eine gewisse Art und Weise doch einen gewissen Reiz haben können. Und sie lassen sich erstaunlich leicht zur Mätresse machen."

"Du widerlicher Dreckskerl!"

"Wo liegt denn euer Problem? Schließlich hat die Kleine nicht den Eindruck gemacht, als hätte es sie gestört. Ihr schien es sogar eher so ziemlich egal zu sein, auf was für einen Youkai sie sich letztendlich einlässt. Aber eigentlich kann es dir auch herzlich egal sein, oder, Sesshoumaru?" Akumas Augenmerk war nun voll und ganz auf seinen ärgsten Widersacher gerichtet. "Schließlich hattest du sie ja offenbar bereits wieder abserviert. Zumindest hat sie etwas in der Art erwähnt, aber dass sie so rasch über dich hinweggekommen ist... Es überrascht mich ehrlich gesagt, dass jemand wie du sich mit so einem Mädchen abgegeben hat."

"Das ist gelogen!", schrie Kagome voller Wut. "Kimie ist nicht so, ich weiß es! Wenn es stimmt, was du da behauptest, dann hast du sie garantiert...!" Aber sie brach ab. Sie konnte und wollte es nicht aussprechen.

Ungeachtet ihres Ausbruchs, galt Akumas Aufmerksamkeit nach wie vor Sesshoumaru. Dieser hatte bisher noch kein einziges Wort von sich gegeben.

"Was ist los, Sesshoumaru?", fragte Akuma herablassend. "Hast du nichts dazu zu sagen? Oder weißt du schlichtweg nicht, was du sagen sollst?"

Aber noch immer schwieg Sesshoumaru. Seine Miene war kalt und unergründlich. Es war überhaupt nicht klar, was ihm gerade durch den Kopf ging.

"Ich dachte mir, es wäre nur fair, wenn ich dir persönlich sage, was aus dem Mädchen geworden ist", sprach Akuma schließlich weiter. "Da das nun erledigt ist, verabschiede ich mich nun wieder. Unsere nächste Begegnung dürfte dann wieder weniger friedlich ablaufen." Sein Flugdrache breitete die Schwingen aus, stieß sich kraftvoll mit den Hinterbeinen ab und erhob sich unter einigen mächtigen Flügelschlägen in die Luft. Ungehindert verließ er das Schlossgelände und trat den Rückflug an.

Eine unheimliche Stille breitete sich aus. Jeder schaute im Augenblick mit verunsicherter Miene zu seinem Nachbarn rüber.

"Akuma, dieser elende...!" Voller Wut rammte Ashitaka sein Schwert in den Boden, dass sogar Miyuki einen Schritt zurückwich und Tôya leicht hoch geschreckt war.

Hilfe suchend schaute sich indes Shippou um. "Glaubt ihr... dass er die Wahrheit gesagt hat? Hat er Kimie wirklich...?" Er wollte es nicht aussprechen. Allein die Vorstellung, Akuma hätte Kimie getötet oder töten lassen, ließ den kleinen Kitsune innerlich zusammenzucken.

"Nein! Er hat gelogen!", schrie Kagome plötzlich von neuem und lief los.

Inu Yasha konnte sie gerade noch am Handgelenk ergreifen. "Warte, Kagome! Was hast du denn vor?"

"Was wohl?! Ich will zu Akumas Schloss!"

"Sei doch nicht albern! Wie willst du da überhaupt hinkommen?"

"Ich glaube nicht daran!", schrie sie weiter. "Ich glaube nicht daran, dass Kimie tot ist! Akuma hat gelogen! Sie ist nicht tot! Wir müssen ihr helfen! Wir können hier doch nicht einfach nur herumsitzen und..." Kagomes Stimme versagte und sie sank kraftlos in die Knie. Inu Yasha konnte sie gerade noch auffangen.

"Kagome?"

"Das ist so unfair...", flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme. Ihre Hände krallten sich in Inu Yashas Kimono. Dann ging bei ihr gar nichts mehr und sie weinte einfach nur noch. So gut es ihm möglich war, versuchte Inu Yasha ihr Trost zu spenden. Behutsam hielt er Kagome in den Armen und redete beruhigend auf sie ein. Aber auch er vermochte im Augenblick nicht zu sagen, ob man Akumas Worten Glauben schenken konnte oder nicht. Er blickte sich um. In den Gesichtern der anderen stand größtenteils Unschlüssigkeit.

"Was tun wir jetzt?", fragte Sango irgendwann, wenngleich auch sie verunsichert klang. Eine Antwort erhielt sie jedoch nicht.

Die Blicke aller richteten sich nun auf Sesshoumaru, aber dieser zeigte nach wie vor keinerlei Reaktion. Auch seine Mimik gab noch immer keinerlei Aufschluss darauf, was gerade in ihm vorging. Auch traute sich keiner, ihn etwa anzusprechen.

Irgendwann machte Sesshoumaru kehrt. Niemand hielt ihn auf, als er letzten Endes wortlos wieder im Schloss verschwand.

"Sesshoumaru-sama..." Zuerst wollte Rin ihm folgen, ließ es dann aber bleiben. Für sie war das, was eben passiert war, noch immer nicht ganz begreifbar gewesen. Kimie sollte tot sein? Das konnte sie nicht glauben.

Auch Sesshoumaru konnte es nicht glauben. Als wäre sein Geist im Moment irgendwo anders schritt er durch die Gänge des Schlosses. Das, was Akuma gesagt hatte, spukte wie in einer Endlosschleife in seinem Kopf herum.

Sesshoumaru kam erst wieder zum Stehen, als er Touran entdeckte, die vor ihrem Zimmer stand. Sie hatte ebenso wie ihre Geschwister Akumas Besuch aus dem Hintergrund heraus mitverfolgt. Es fiel der Panther-Dämonin sichtlich schwer, zu sprechen: "Sesshoumaru... Das gerade eben... Ich... Es tut mir..." Sie verstummte, als er seinen Weg fortsetzte und dabei auch an ihr vorbeikam.

"Lass mich in Ruhe!" Obwohl er eher leise gesprochen hatte, hatte es dennoch wie ein strenger Befehl geklungen.

Touran sagte nichts, sondern ließ ihn ziehen. Was hätte sie auch sonst tun sollen? So beobachtete sie nur noch, wie Sesshoumaru letztendlich hinter der nächsten Biegung verschwand.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

In Akumas Schloss lief Kimie in ihrem Zimmer indes Gefahr, vor lauter Langeweile wirklich noch einzugehen. Vorher hätte sie das nie für möglich gehalten, aber es ging ihr tierisch auf den Zeiger, wie lange Renhou sie mittlerweile hatte warten lassen. >Wo bleibt er denn so lange? So ganz allein ist es doch ziemlich öde, und er war zumindest ein akzeptabler Gesprächspartner...<

Andererseits bot ihr das Alleinsein wiederum Gelegenheit, noch einmal gründlich über alles nachzudenken. Bestimmt war es den anderen schon längst aufgefallen, dass sie nicht mehr da gewesen war, aber was mochten sie sich gedacht haben? Dass Akuma sich auf den Weg zu Sesshoumarus Schloss gemacht hatte, war Kimie gleich klar gewesen. Doch was hatte er ihnen allen wohl erzählt? Was verfolgte der Kerl nur wirklich für ein Ziel? Und wie mochte Sesshoumaru wohl reagiert haben?

Kimie seufzte auf. Hätte sie die letzten Tage zurückdrehen können, sie hätte es getan.

Als sie mit einem Mal Schritte auf dem Gang vernahm, schaute sie auf. Anscheinend kam Renhou wieder zurück. Gespannt beobachtete Kimie, wie sich die Schiebetür zu öffnen begann, doch als sie erkannte, wer nun den Raum betrat, war sie sofort vom Boden aufgesprungen. Sie wollte ihren Augen nicht trauen. "Naraku!?"

Das konnte doch nur ein schlechter Traum sein! Ein Albtraum, oder noch viel schlimmer! Was machte dieser Kerl hier?

Hinterhältig lächelnd schloss Naraku indes die Schiebetür wieder hinter sich. "Oh! Du erinnerst dich also noch an mich."

"Was dachtest du denn?", fragte Kimie schnippisch, nachdem der erste Schock wieder von ihr gewichen war. "Deine Visage vergesse ich garantiert nicht! Hey! Wird es dir auf die Dauer nicht eigentlich zu blöd, ständig ein totes Tier mit dir herumzutragen?" Dabei sprach sie natürlich auf das Pavianfell an, ehe ihre Stimme einen misstrauischen Unterton annahm: "Aber dann scheint die anfängliche Vermutung von Inu Yasha und den anderen ja gestimmt zu haben. Du arbeitest mit Akumas Clan zusammen."

"Ich würde es eher als eine Zweckgemeinschaft ansehen", entgegnete Naraku. "Denn dafür, dass Akuma und seine Leute mir deine Freunde und Sesshoumaru vom Hals schaffen, versprach ich ihnen im Gegenzug Splitter des Shikon no Tama. Einem solchen Köder erliegt so gut wie jeder."

"Und was willst du jetzt von mir?"

Naraku behielt den Abstand zu Kimie bei, während er einmal durch das Zimmer hinüber zu den Fenstern schritt. Dabei bemerkte er ganz genau, wie sie ihm mit ihrem Blick folgte. "Da ich schon mal hier bin, wollte ich dir die Höflichkeit erweisen und dir einen kurzen Besuch abstatten. Es gibt ohnehin etwas, worüber ich mit dir hatte reden wollen."

"Ach! Und was soll das bitteschön sein?", fragte Kimie bissig.

Naraku jedoch blieb in seinem Auftreten ruhig und souverän. "Zugegeben, es mag einige Zeit vergangen sein, aber erinnerst du dich noch? Du hast in der Vergangenheit sehr in meine Pläne eingegriffen."

"Hä?" Kimie verstand nicht so recht, worauf er hinaus wollte. "Was redest du für einen Mist?! Wir beide haben doch gar nicht miteinander gekämpft!"

"Das vielleicht nicht, aber du hast Sesshoumaru bei seinem letzten Kampf gegen Kuromaru geholfen und somit mit zu Sesshoumarus Sieg beigetragen."

"Was habe ich denn gemacht?" Aber da fiel es Kimie wieder ein. Während des Kampfes hatte sie mit Tenseigas Hilfe so etwas wie eine geistige Verbindung zu Sesshoumaru aufgebaut (siehe "Abenteuer im Mittelalter", Kapitel 33). Aber war diese letztendlich so sehr ausschlaggebend für seinen Sieg über Kuromaru gewesen? Bevor sie sich darüber allerdings noch weitere Gedanken machen konnte, beobachtete sie, wie Naraku ihr etwas präsentierte, was er in seiner rechten Hand hielt.

"Weißt du, was das hier ist?" Er öffnete seine Hand. Eine Art kleine runde Kugel, von der ein schwaches Leuchten ausging, ruhte auf seiner Handfläche. Allerdings wies der kleine Gegenstand an einer Stelle eine Bruchstelle auf, als würde da noch etwas fehlen.

Und obwohl Kimie diese Kugel zuvor noch nie so gesehen hatte, wusste sie gleich, um was es sich dabei handelte. "Das ist... das Shikon no Tama, nicht wahr?"

Naraku nickte. "Ja, und es ist fast wieder vollständig zusammengesetzt. Doch je weniger Splitter letztendlich noch fehlen, umso schwerer wird es, diese letzten Bruchstücke zu finden."

"Und? Erwartest du etwa von mir, dass ich jetzt vor lauter Mitgefühl für dich in Tränen ausbreche?" Der Zynismus in ihrer Stimme war unüberhörbar gewesen.

"Eigentlich bin ich es ja mehr, der hier das Mitgefühl empfinden sollte. Und zwar für dich, meine Liebe."

Diese Ansage irritierte Kimie nur noch mehr. "Was erzählst du denn da?"

Naraku wandte seinen Blick wieder von dem Mädchen ab. Stattdessen begann er auf einmal, ohne überhaupt so wirklich auf ihre Frage geantwortet zu haben, irgendetwas zu erzählen: "Das menschliche Leben ist doch so erbärmlich kurz, nicht wahr? Und niemand kann voraussagen, wie viel Zeit einem am Ende wirklich bleibt. Wie mag es wohl in der Hinsicht um dich stehen?"

Kimie entgegnete nichts darauf. Sie beobachtete Naraku nur weiterhin äußerst misstrauisch. Was wollte er ihr damit sagen?

Aber Naraku schien auch gar nicht zu erwarten, dass sie etwas auf seine Worte erwiderte. Dafür ergriff er wiederum das Wort: "Das Shikon no Tama verfügt über große Kräfte und seine Schönheit wird umso größer, je mehr es durch Boshaftigkeit verdorben wird." Er brach ein Stück aus dem Juwel heraus und hielt den kleinen Splitter hoch. "Sag mir, würdest du die Kräfte dieses Splitters hier für deine eigenen Zwecke verwenden? Allein schon dieser kleine Bestandteil des Juwels verfügt über große Kraft. Unter anderem könnte er dir eine Tür öffnen, die anderen Normalsterblichen unter gewöhnlichen Umständen stets verschlossen bleiben würde: Ein erstaunlich langes Leben und die Erhaltung der Jugend. Ist das nicht eine sehr verlockende Aussicht? Besonders für jemanden in deiner Situation?"

Da wurde es Kimie schlagartig klar. Darauf hätte sie auch wirklich früher kommen können. Naraku sprach auf ihre Beziehung zu Sesshoumaru an. Aber es war ihr von Anfang an klar, dass an dieser Geschichte etwas faul gewesen war. "Mit anderen Worten: Ich soll irgendetwas für dich machen, was Kagome, Inu Yasha und den anderen schadet und im Gegenzug erweist du mir den kleinen Gefallen, mir zumindest einen Splitter zu überlassen."

"Gut erkannt", bestätigte Naraku Kimie, sein falsches Lächeln beibehaltend. "Und wenn du ganz ehrlich zu dir bist, dann würdest du doch allzu gerne die Kraft des Shikon no Tama für dich nutzen. Denn du verfluchst dein Schicksal als bloßer Mensch, oder etwa nicht? Du hasst es und wünschst dir, es wäre alles anders. Und du hasst diese Panther-Dämonin. Touran war ihr Name, nicht wahr?"

Erschrocken starrte Kimie Naraku an. "Aber woher...?"

"Meine Augen sind an vielen Orten", antwortete er ihr rasch. "So weiß ich auch, dass sie ein Auge auf Sesshoumaru geworfen hat. Und du hast es auch gemerkt. Doch mit der Kraft dieses Splitters hättest du keine Nachteile mehr. Und du könntest viele Menschenleben überdauern, ohne dabei deine Jugend einbüßen zu müssen. Fast so wie ein Youkai."

Für einen kurzen Augenblick war Kimie wirklich versucht gewesen, Narakus Angebot anzunehmen. Die Möglichkeiten, die sich ihr somit bieten konnten, waren in der Tat sehr verlockend gewesen. Und hatte sie sich das nicht im Grunde auch gewünscht?

>Kann ich auf diese Weise wirklich...? Es wäre zumindest eine Chance...<

Doch plötzlich pfiff sie sich selbst wieder zurück. "Nein! Das ist falsch!" Denn ganz egal, ob sie sich von Naraku würde helfen lassen oder nicht, das änderte nichts daran, dass er es darauf abgezielt hatte, Kagome, Inu Yasha und den anderen und auch Sesshoumaru zu schaden. Was hätte sie bitte von dem Splitter gehabt, wenn sie dafür alles andere verlieren sollte? Nein! Auf diesen Handel würde sie sich auf Leben und Tod niemals einlassen!

"Vergiss es, Naraku! Ich spiele nicht deine Marionette, so möchte ich nicht sein! Dass ich als Mensch nicht für immer an Sesshoumarus Seite sein kann, tut natürlich weh, obwohl ich es vom Verstand her akzeptiere..." Sie stoppte. Von wegen, es wäre vorbei gewesen, sie spürte es nach wie vor und hatte es mit diesem Satz auch selbst bestätigt: Sie liebte Sesshoumaru noch immer und wollte im Grunde gar nicht fort von ihm. "Meine Wut auf mein Dasein als bloßer normalsterblicher Mensch und meine Eifersucht auf Touran... Das sind ganz normale Gefühle, wie man sie zeitweise haben kann. Aber deshalb werde ich mich noch lange nicht selbst erniedrigen! Das kannst du voll knicken, da spiele ich nicht mit! Da lasse ich mich doch lieber von dir oder einem dieser Ryû-Youkai umbringen, als dass ich meine Freunde und Sesshoumaru hintergehe!"

Naraku hatte Kimie die ganze Zeit über aufmerksam zugehört, doch wirklich überrascht wirkte er nicht. Er hatte sich schon gedacht, dass sie so reagieren würde. Dennoch schien es so, als wollte er eben noch etwas zu ihr sagen, als plötzlich die Tür des Zimmer zur Seite geschoben wurde.

"Dürfte ich erfahren, was du hier zu suchen hast?", fragte Renhou sofort äußerst harsch an Naraku gerichtet.

Dieser hatte das Shikon no Tama zuvor wieder versteckt, ehe er unbeeindruckt entgegnete: "Genau so gut könnte ich dich fragen, weshalb du deinen Posten verlassen hast. Solltest du nicht eigentlich auf das Mädchen hier aufpassen?"

Ein bedrohliches Knurren war von Renhous Seite zu hören gewesen.

Naraku hob abwehrend eine Hand. "Ich habe schon verstanden. Reg dich nicht auf, ich bin schon weg." Während er an dem Ryû-Youkai vorbei zur Tür schritt, warf er noch einmal einen Blick auf Kimie. Gut, dieses Vorhaben ging zwar daneben, aber für ihn war das kein Rückschlag. Er hatte es lediglich in Betracht gezogen, sein Vorhaben noch etwas weiter auszubauen, aber so würde er eben weitermachen wie bisher.

Nachdem Naraku das Zimmer wieder verlassen hatte, wandte sich Renhou Kimie zu. "Ist alles in Ordnung?"

"Ja, schon okay...", antwortete sie knapp und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand.

Indes schaute Renhou noch einmal zur Tür. Der Grund, weshalb Yu zuvor mit ihm hatte sprechen wollen, war natürlich Naraku gewesen. Und obwohl Yu diesen Hanyou so gut wie möglich unter Beobachtung hielt, es schien, als wäre dieser ihnen allen immer einen Schritt voraus gewesen. Er machte einfach keine Fehler, der ihn als Betrüger hätte entlarven können. Renhou war sich mehr als sicher, dass Narakus Besuch bei Kimie ebenfalls etwas zu bedeuten gehabt hatte. Nur, was das gewesen sein konnte, konnte er sich nicht so wirklich erklären. Und angesichts der Tatsache, dass sie im Augenblick irgendwie innerlich aufgewühlt wirkte, wollte er sie auch nicht bedrängen, ihm Rede und Antwort zu stehen.

In der Tat war Kimie momentan etwas fertig mit ihren Nerven gewesen. Als Naraku mit ihr gesprochen hatte, war plötzlich wieder alles hochgekommen. Aber trotz allem hatte sie nicht vor, sich zu seinem Werkzeug machen lassen! Auf keinen Fall!
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Mit verschränkten Armen saß Takeshi abwartend auf einem Felsen und schaute dabei immer wieder zum Himmel hinauf. Aber auch seine Umgebung behielt er im Auge. Schließlich war das hier die Grenze zu den westlichen Ländern, da konnte es ganz schnell vorkommen, dass er womöglich von einem der Inu-Youkai entdeckt werden würde. Trotzdem wollte er so lange wie möglich auf Akuma warten.

Plötzlich spitzte Takeshi die Ohren und schaute auf. Da flog Akumas Flugdrache und wie es aussah hatte Akuma seinen Bruder bereits entdeckt, denn er setzte sogleich zur Landung an. Der Flugdrache landete sicher auf dem Gras und faltete seine Schwingen zusammen. Akuma verblieb auf seinem Rücken, während er das Wort an Takeshi richtete: "Schau mal einer an! Kleiner Bruder, was führt dich denn hierher?"

"Ich wollte lediglich erfahren, wie es so bei dir gelaufen ist?", entgegnete der Jüngere, ohne dabei zunächst von seinem Sitzplatz aufzustehen.

Akuma dachte sich nichts weiter bei Takeshis Frage. "Nun, ich denke, zumindest dürfte ich für einige Verwirrung gesorgt haben." Er erzählte knapp, was sich zugetragen hatte.

Anders als Akuma, so verstand Takeshi es nicht gerade besonders, sich hinter einer undurchschaubaren Miene zu verbergen. Für gewöhnlich sah man ihm seine Gefühlsregungen ziemlich rasch an. Diesmal jedoch bemühte er sich zumindest darum, bei gewissen Punkten nicht allzu erschrocken dreinzublicken. Wobei, dass Kimie nicht tot war, wusste Takeshi selbst, aber was war mit dieser anderen Sache? Sie hatte ihm doch noch selbst gesagt, es wäre bis auf diesen einen Vorfall nichts gewesen.

"Du hast sie angelogen, Akuma", meinte Takeshi schließlich. "Du hast gelogen, was das Mädchen betrifft. Weder hast du sie getötet, noch hast du sie... Ich meine, das hast du doch nicht, oder?"

Akuma zuckte mit den Achseln. "Und wenn schon! Es reicht, wenn Sesshoumaru und seine Leute der Geschichte Glauben schenken. Obwohl... Das müssen schon sehr einfältige Narren sein, wenn sie ernsthaft glauben, jemand wie ich würde sich wirklich auf ein Menschenweib einlassen. Doch was kümmert es mich? Wie gesagt, wenn sie es glauben, habe ich im Endeffekt umso mehr Spaß. Die Kleine brauchen wir ohnehin bald nicht mehr. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, entledigen wir uns ihrer Anwesenheit. So gesehen habe ich nicht wirklich gelogen, sondern lediglich etwas vorweg genommen."

"Aber warum das alles?", fragte sein Bruder und stand auf.

"Du hättest Sesshoumarus Gesicht sehen müssen." In Akumas Augen sah man deutlich den Ausdruck von Genugtuung. "Es war zwar keine große Regung darin vorhanden gewesen, aber ich habe es genau gespürt; sein inneres Chaos. Und ebenso habe ich seinen Drang gespürt, mich zu töten, doch er hat mich ziehen lassen."

"Aber... warum?"

"Nun, vielleicht hat er ja Angst. Immerhin konnte er schon gegen Renhou nicht bestehen. Angekratzter Stolz und jetzt auch noch die Geschichte mit dem Mädchen. Ich bin mal gespannt, wie lange er braucht, um sich davon zu erholen." Auf ein Kommando hin breitete Akumas Flugdrache seine Schwingen wieder aus. "Ich fliege zum Schloss zurück. Was ist mit dir?"

Doch Takeshi schüttelte leicht den Kopf. "Geh vor. Ich komme dann gleich nach."

"Wie du meinst, aber lass dich nicht etwa von einem dieser Hunde erwischen." Damit ließ Akuma seinen Flugdrachen wieder in den Himmel emporsteigen. Die Augen seines Bruders folgten ihm noch eine ganze Weile, bis er letztendlich nur noch ein kleiner Punkt in der Ferne war. Seufzend fuhr sich Takeshi mit der Hand durch 's Haar, ehe sein Blick sich in jene Richtung bewegte, in welche Sesshoumarus Schloss lag. Es mochte vielleicht gut zwei Stunden von seinem eigenen Aufenthaltsort entfernt liegen. Aber konnte er das wirklich tun? Sich dorthin begeben?

>Akuma ist nicht zimperlich. Wenn er den Zeitpunkt für gekommen sieht, wird er Kimie bestimmt töten, und ich habe nicht die Mittel, ihn daran zu hindern. Verdammt!<

Takeshi musste unbedingt verhindern, dass Akuma sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte! Doch was sollte er tun? Er konnte sich nicht in einem offenen Kampf gegen seinen Bruder stellen und allein konnte er Kimie auch nicht aus ihrer misslichen Lage heraushelfen. So gesehen blieb ihm letztendlich nur noch eine Möglichkeit, und obwohl sie ihm nicht gefiel, hatte er keine andere Wahl, wenn er Kimie wirklich helfen wollte.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Mit Akumas Besuch hatte sich die Situation im Schloss der Inu-Youkai nicht gebessert. Keiner wusste im Moment so wirklich, was er tun sollte. Damit sie allerdings nicht etwa überraschenderweise angegriffen werden konnten, durchstreifte Ashitaka gemeinsam mit Tôya und Subaru die umliegenden Wälder. Aber auch bei ihnen gab es nur ein Gesprächsthema.

"Sesshoumaru lässt seit einigen Stunden niemanden an sich heran. Ich habe schon mehrere Male versucht, mit ihm zu sprechen, aber er verweigert mir hartnäckig den Zutritt in seine Privaträume." Ashitaka seufzte. Mal abgesehen davon, dass Sesshoumaru im Augenblick keinen zu sehen wünschte, trauten sich momentan auch die meisten gar nicht an ihn heran. Denn so ziemlich jeder hatte sie gespürt; diese mühsam unterdrückte Wut, die ihr Herr empfand. Aber da war auch noch etwas anderes gewesen...

"Glaubt ihr denn, dieser Akuma hat die Wahrheit gesagt?", fragte Subaru nach einer kurzen Pause. Seine beiden Kameraden tauschten untereinander kurz ihre Blicke aus.

"Selbst, wenn er gelogen hätte", antwortete Tôya, "was sollten wir dann tun? Wir wissen nur, dass sich das Schloss der Ryû-Youkai irgendwo in den Bergen im Norden befindet, aber wo genau? Und wenn das Mädchen wirklich noch lebt, wird Akuma sie garantiert töten, bevor ihr jemand helfen kann und er Wind davon bekommt."

"Und was ist mit Sesshoumaru-sama?", fragte Subaru weiter. "Denkt er genau so und handelt deshalb nicht?" Denn obwohl er selbst nicht wirklich viel zu der Beziehung zwischen Sesshoumaru und Kimie hatte sagen können, kam es Subaru doch mehr als eigenartig vor, dass Sesshoumaru Akumas Worte einfach so hinzunehmen schien. Das passte einfach nicht zu ihm, seinen Feinden einfach so freie Hand zu lassen.

Es war Ashitaka, der nun antwortete: "Was im Augenblick in Sesshoumaru vorgeht, vermag wohl keiner von uns zu sagen. Zugegeben, ich wundere mich auch, aber andererseits können wir ihn nicht dazu drängen, etwas zu tun." Und trotzdem war auch ihm Sesshoumarus Verhalten ein Rätsel gewesen. Nicht, dass er ansonsten einfach einzuschätzen gewesen wäre, aber das...

"Was haltet ihr eigentlich von diesem Gerücht?", fragte Subaru nach einem Moment. Als seine Kameraden ihn daraufhin aber nur fragend anschauten, fuhr er fort: "Ich spreche von der Sache mit Sesshoumaru-sama und dieser Panther-Dämonin. Fragt mich nicht, woher das kommt, aber einige munkeln sich da etwas zusammen. Es heißt, zwischen den beiden wäre etwas vorgefallen."

Als Ashitaka als erster stehen blieb, taten es ihm die anderen automatisch gleich. Bisher hatte er dieses Thema nicht offen zur Sprache bringen wollen, aber auch er hatte etwas in der Art gehört. Hinter vorgehaltener Hand hatte er einige der anderen miteinander tuscheln hören. Es ging gar die Vermutung um, Kimie wäre letztendlich aus diesem Grund fort gegangen und angesichts der jüngsten Ereignisse erst dadurch in die Fänge der Ryû-Youkai geraten. Lag darin vielleicht die Antwort? Gab sich Sesshoumaru vielleicht die Schuld an dieser ganzen Geschichte und war deshalb unschlüssig in dem, was er tun sollte? Vorausgesetzt natürlich, diese Geschichte hätte der Wahrheit entsprochen, aber irgendwie konnte sich Ashitaka das nicht vorstellen.

"Ich glaube nicht, dass er Kimie-chan bewusst verraten würde", meinte er von daher überzeugt. "Und ich finde, wir sollten Sesshoumaru auch nicht darauf ansprechen. So wie die Dinge im Moment stehen, wäre das keine gute Idee."

Der Ansicht waren auch Tôya und Subaru gewesen, und sicherlich würde auch so ziemlich jeder andere, der zumindest noch einigermaßen klar denken konnte, 'nen Teufel dabei tun, Sesshoumaru darauf anzusprechen.

Plötzlich horchte Tôya auf. "Seid mal ruhig! Da kommt etwas auf uns zu!"

Aufmerksam lauschten nun auch Ashitaka und Subaru. Tatsächlich, da war dieses Geräusch, das klang, als würde etwas Großes durch die Luft fliegen. Die drei schauten zum Himmel hinauf, doch die dichten Baumkronen machten es ihnen kaum möglich, etwas zu erkennen. Subaru fackelte nicht lange herum und sprang auf einen der Bäume, bis er dessen Krone erreicht hatte.

"Siehst du etwas, Subaru?", rief Ashitaka von unten seinem Kameraden zu. Dieser hatte indes erkannt, was da auf sie zukam. Es war ein großer drachenähnlicher Youkai.

"Das ist einer dieser Ryû-Youkai!" Ohne Umschweife spannte Subaru einen Pfeil auf seinen Bogen, schoss und traf sein Ziel. In die rechte Seite getroffen versuchte der Ryû-Youkai zunächst noch, sich in irgendwie in der Luft zu halten, aber letztendlich sank er doch immer weiter Richtung Erdboden und verschwand zwischen einigen Bäumen. Ein Donnern und das Geräusch berstender Baumstämme zeugten von seiner unsanften Landung.

Subaru sprang wieder von dem Baum hinunter. Mit seinem Bogen deutete er in den Wald hinein. "Er muss irgendwo da hinten liegen."

"Hast du ihn erschossen?", fragte Ashitaka nach, doch Subaru schüttelte den Kopf.

"Nein. Und wenn er sich bei der Landung eben nicht etwa das Genick gebrochen hat, müsste er noch leben."

Sofort eilten die drei Inu-Youkai zum Ort des Geschehens, welchen sie auch rasch erreicht hatten. Allerdings fanden sie den nunmehr bewusstlosen Feind nicht mehr in seiner wahren Form vor. Dadurch erkannten sie ihn gleich auf den ersten Blick wieder.

"Das ist doch der Bruder von diesem Akuma!", erkannte Subaru. "Der, der uns so hinters Licht geführt hat."

Aus Tôyas Kehle drang ein leises Knurren, während sein Blick auf Takeshi ruhte und er sich wieder an diese fiese Masche mit der Gedankenkontrolle erinnerte. Subarus Pfeil hatte sich durch den Absturz wieder aus Takeshis Körper gelöst, aber durch den Stoff seiner Kleidung sickerte dennoch sichtbar Blut aus der Wunde. Fest umklammerte Tôya den Griff seines Naginatas. "Am besten, wir töten ihn sofort, und zwar hier und jetzt! Immerhin hat der kleine Mistkerl uns schon genug Schwierigkeiten gemacht. Und für das, was sein Bruder mit Sesshoumaru-samas Gefährtin gemacht hat, wäre das eine minimale Genugtuung!"

"Nein! Warte, Tôya!", hielt Ashitaka seinen Kameraden zurück und trat auf Takeshi zu. Er kniete sich zu ihm auf den Boden und besah sich kurz die Verletzung. Sie war entgegen einer ersten Vermutung nicht sehr schwer. "Wir werden ihn mitnehmen."

"Was?" Tôya wollte seinen Ohren nicht trauen. "Wozu soll das gut sein? Was erhoffst du dir davon? Sesshoumaru-sama wird ihn eh töten, wenn wir ihn zu ihm bringen."

"Möglich, aber vielleicht kann Takeshi uns ja etwas mehr bezüglich Kimie-chan sagen. Außerdem interessiert es mich, was er ganz allein hier zu suchen gehabt hat. Mein Gefühl sagt mir, dass er einen Grund hatte, herzukommen."

Zugegeben, das stimmte einen nachdenklich. Und bestimmt hatte Sesshoumaru die eine oder andere Frage parat, die er Takeshi gerne stellen wollte.
 

Im Augenblick machte sich Sesshoumaru allerdings um ganz andere Dinge Gedanken. Nachdem er sich nach Akumas Erscheinen hierher in seine Privaträume zurückgezogen hatte, hatte er sich nicht wieder blicken lassen. Er musste nachdenken oder zumindest versuchte er es so gut wie es ihm möglich gewesen war. Einerseits zog er es in Betracht, dass Akuma die Wahrheit gesagt haben könnte, aber andererseits sträubte sich sein Innerstes gegen diese Vorstellung. Konnte das wirklich sein? Hatte Akuma Kimie nicht nur getötet, sondern sie sogar gewaltsam an sich genommen? Und hatte sie das gar noch bewusst durchlebt? Und dabei war es Akuma nicht mal um sie gegangen, sondern lediglich darum, seinen Feind auf psychischer Ebene in die Knie zu zwingen; seinen Willen zu brechen und die eigene Überlegenheit zu demonstrieren.

Sesshoumaru schüttelte angewidert den Kopf. Diese widerwärtigen Vorstellungen... Er wollte sie nicht noch länger in seinen Gedanken herumspuken lassen.

Ein Klopfen an der Tür ließ ihn abrupt aufhorchen. Zuerst wollte er den Besucher harsch zurückweisen, aber bevor er das tun konnte, hörte er Kakerus Stimme von draußen fragen: "Sesshoumaru-sama. Darf ich eintreten?"

Sesshoumaru zögerte anfangs, gewährte ihn dann aber dennoch den Eintritt. Trotzdem blieb er mit dem Rücken zu Kakeru stehen, als dieser die Schiebetür hinter sich schloss und sogleich das Wort ergriff: "Entschuldigt bitte. Ich weiß, Ihr wollt eigentlich allein sein, aber so geht es nicht weiter. Ihr müsst etwas unternehmen."

"Glaubst du, das weiß ich nicht?", fragte Sesshoumaru kalt, wie er in Kakerus Gegenwart bisher eigentlich nie gesprochen hatte. Aber was sollte er tun? So ziemlich zum ersten Mal in seinem Leben wusste er auf diese Frage keine Antwort zu finden.

"Verzeiht, wenn ich Euch zu nahe getreten sein sollte", entschuldigte sich Kakeru mit ruhiger Stimme, aber man hörte auch die Entschiedenheit heraus. "Allerdings macht mich Euer Verhalten stutzig. Inu Yasha-sama und seine Freunde... Sie glauben nicht an das, was Akuma erzählt hat. Doch was ist mit Euch? Glaubt Ihr ihm?"

Allerdings erhielt er darauf keine Antwort. Sesshoumaru schwieg.

Kakeru war ja selbst nicht wohl dabei gewesen, ihn so direkt darauf anzusprechen, da er sich denken konnte, wie sehr sich Sesshoumarus Gedanken im Moment überschlagen mochten. Doch er konnte sich auf keinen Fall so gehen lassen! "Hat Eure Unschlüssigkeit vielleicht etwas mit diesem Gerücht zu tun?"

Auf diese Frage hin drehte sich Sesshoumaru nun doch um. "Wovon redest du?"

"Versteht mich bitte nicht falsch. Es liegt nicht in meiner Absicht, Euch noch weiter aufzuregen, aber Seshiru hat mehreren gegenüber diese Andeutungen gemacht. Etwas, was in der Nacht von Kimie-donos Verschwinden passiert ist. Ich nehme an, Ihr wisst, was ich meine." Kakeru konnte es zwar verständlicherweise nicht sehen, doch spürte er, wie seine Worte bei Sesshoumaru eingeschlagen waren. Um den heißen Brei herumzureden, brachte im Moment keinem etwas. Die Fakten mussten auf den Tisch! Fakten, die Sesshoumarus Zaudern zu erklären vermochten.

Sesshoumaru unterdrückte die in ihm aufsteigende Wut. Abermals kam ihm dieser Gedanke in den Sinn, er selbst hätte Kimie mit seinem Verhalten in die Gewalt der Feinde getrieben. Denn wenn sie wirklich wegen seiner Begegnung mit Touran das Schloss auf eigene Faust verlassen hatte, dann hatte er sie indirekt "fortgejagt" und somit trug er eine Mitschuld.

Kakeru brauchte keine mündliche Antwort von Sesshoumaru. Er verstand auch so und trat an seine Seite. Eigentlich hätte es in diesem Moment mehr der Anwesenheit von Inu no Taishou bedurft, aber so musste Kakeru versuchen, etwas zu erreichen. "Ich weiß zwar nicht, was in dieser Nacht wirklich passiert ist, doch glaube ich nicht, dass Ihr Kimie-dono verraten habt. Ich will Euch auch nicht fragen, warum Ihr Euch ihr gegenüber nicht erklärt habt, denn Ihr kennt sie besser als ich und wisst auch besser, wie Ihr sie einzuschätzen habt. Aber ich bin der selben Meinung wie Inu Yasha-sama und seine Freunde. So lange nicht eindeutig erwiesen ist, dass Kimie-dono etwas zugestoßen ist, müsst Ihr um ihretwillen kämpfen! So wie Ihr es bisher stets für Eure Ziele getan habt."

Sesshoumaru schaute auf. Es war einfach nur verrückt! Da brauchte er doch tatsächlich jemanden, der ihn metaphorisch gesprochen wieder auf die Beine zog und ihm klar machte, was er zu tun gehabt hatte. Bisher hatte er stets selbst einzuschätzen gewusst, wie er wann zu handeln gehabt hatte. Aber er wusste es ja eigentlich selbst, Kakeru hatte Recht. Und allein schon der Vergeltung wegen, durfte Sesshoumaru sich nicht von Akuma auf eine derartige Art und Weise in die Knie zwingen lassen! Denn was auch immer nun wirklich mit Kimie geschehen war, so durfte Akuma nicht davonkommen!

Kakeru spürte, wie Sesshoumarus alte Entschlossenheit und sein Kampfgeist wieder in ihn zurückkehrte. Somit hatte er erreicht, was er wollte. Und obwohl Sesshoumarus Zustand ihm zuvor Sorgen bereitet hatte, andererseits war Kakeru auch wiederum erleichtert gewesen. Denn das hatte bewiesen, dass die kühle Fassade seines Herrn noch weiter bröckeln konnte. Sesshoumaru hatte sich seit den letzten 200 Jahren verändert, keine Frage, aber diese Veränderungen schritten noch weiter fort. Wut und Trauer, die er für andere zu empfinden begonnen hatte, bildeten die Grundlage. Ebenso wie Zuneigung... und Liebe.

Es klopfte an der Zimmertür. Anstelle von Sesshoumaru bat Kakeru den Besucher herein, der sich als Ashitaka herausstellte. Als dieser sah, dass sein Cousin nicht allein gewesen war, sparte er sich große Worte und kam gleich zur Sache: "Sesshoumaru? Entschuldige bitte, aber es gibt etwas Neues. Tôya, Subaru und ich, wir haben Akumas Bruder gefangen genommen."
 

Mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen und separat verschnürten Schwingen und noch dazu verletzt kniete Takeshi mehr als erniedrigt auf dem Boden vor dem Eingang des Schlosses. Sämtliche Aufmerksamkeit war auf ihn gerichtet, denn jedem der Anwesenden war er natürlich sehr gut im Gedächtnis geblieben. Er wagte gar nicht, sich irgendwie zu rühren, auch sein Blick war nur zu Boden gerichtet. Praktisch wie Stiche konnte er die Blicke aller auf sich spüren.

"Was passiert jetzt mit ihm?", wagte Kagome ihre Freunde flüsternd zu fragen.

"Das bleibt wohl abzuwarten", meinte Miroku ernst. "Aber nachdem, was Akuma hier erzählt hat... Ich glaube kaum, dass Sesshoumaru mit Takeshi sonderlich zimperlich umgehen wird."

Shippou verbarg sich ebenso wie Rin hinter den anderen. Allein schon die angespannte Stimmung innerhalb der Reihen der Inu-Youkai lag wie ein drückender Schatten über dem Geschehen.

Miyuki, die sich bei den Freunden aufhielt warf mehrere Male insbesondere ihrem Bruder unsichere Blicke zu. Gemeinsam mit Subaru stand dieser dicht hinter Takeshi, jederzeit dazu bereit, ihn mit einem Schlag niederzustrecken, wenn er sich in irgendeiner Form widersetzen sollte. So sanft und fürsorglich Tôya als Bruder und Freund gewesen war, ebenso kalt und unnahbar konnte er wiederum als Krieger sein. Diese Seite an ihm hatte Miyuki schon öfters auch ein wenig Angst gemacht, aber sie wusste ja um Tôyas wahres Wesen und hatte sich mittlerweile daran gewöhnt. Trotzdem war ihr noch immer ein wenig unbehaglich dabei gewesen, ihn so zu sehen; mit diesem ernsten Blick.

Die Türen des Schlosses öffneten sich und als Sesshoumaru dicht gefolgt von Ashitaka und Kakeru auf der Bildfläche erschien, herrschte augenblicklich eine eiskalte Ruhe. Besonders Inu Yasha fiel etwas an seinem Bruder auf. Dieser Ausdruck in seinen Augen... Es war der selbe gnadenlose Ausdruck gewesen, den er schon von früher von ihm gewohnt gewesen war.

Takeshi schaute auf, musste sich aber sehr zusammenreißen, angesichts Sesshoumarus kalter Miene nicht sofort wieder den Blick abzuwenden.

Sesshoumaru schritt die Stufen hinab und blieb direkt vor dem Gefangenen stehen. "Sprich! Was hast du hier zu suchen?"

Allein schon am Klang seiner Stimme konnte Takeshi ganz deutlich heraushören, dass Sesshoumaru ihn am liebsten sofort den Kopf abgerissen oder sonst was mit ihm gemacht hätte. Trotzdem bemühte er sich darum, gefasst zu antworten: "Zunächst möchte ich klarstellen, dass Akuma nicht weiß, dass ich hier bin. Ich habe weder ihm noch einem anderen etwas davon gesagt."

"Umso mehr würde es uns interessieren, was du hier eigentlich verloren hast. Wolltest du uns ausspionieren oder sollte das der ziemlich stümperhafte Versuch eines Angriffs werden?"

"Vielleicht wollte ich auch einfach nur mal reden? Ich hatte erwartet, dass man mit so einer Absicht etwas freundlicher empfangen werden würde, aber stattdessen habt ihr mich ja auf eine andere Art und Weise gebührend empfangen." Sofort bekam Takeshi einen kräftigen Tritt in den Rücken verpasst, sodass er hart nach vorne in den Staub fiel. Die Schmerzen seiner Wunde zogen sich durch seinen ganzen Körper, aber er unterdrückte ein allzu gequältes Aufkeuchen.

"Riskier bloß nicht eine so dermaßen große Klappe! Du hast schon Glück, dass du überhaupt noch lebst!", hörte er hinter sich Subaru mahnend sprechen.

Kagome war leicht erschrocken in sich zusammengezuckt und hatte sich an den linken Ärmel von Inu Yashas Haori geklammert. Der Hanyou legte beruhigend seine Hand auf ihre. Kurzzeitig kam ihm wieder das in den Sinn, was er zu dem Mädchen gesagt hatte, als er sie mit Subaru gesehen hatte. Inu Yasha hatte das im Nachhinein eigentlich nicht so gemeint und obwohl er sich bei Kagome dafür nicht entschuldigt hatte, hatte es sich aus der Situation heraus so ergeben, dass sie diesen unsinnigen Streit nicht weiter fortgesetzt hatten.

Mit einer Handbewegung hatte Sesshoumaru Subaru indes wieder Einhalt geboten, obwohl sich sein Mitleid für Takeshi spürbar in Grenzen hielt. Im Grunde war es ihm auch vollkommen egal, was den jungen Ryû-Youkai überhaupt hierher getrieben hatte, denn Sesshoumarus Entschluss stand mittlerweile fest. Unabhängig davon, was nun wirklich mit Kimie geschehen war, für das, was Akuma getan hatte, wollte Sesshoumaru ihn auf jeden Fall zur Verantwortung ziehen und einen grausamen Tod erleiden lassen.

"Wie wäre es denn damit? Schlagen wir dem Kleinen hier doch die Flügel ab und lassen ihn langsam aber sicher ausbluten!", hörte man einen anderen von Sesshoumarus Kriegern plötzlich rufen und dieser erntete von mehreren Seiten bekräftigende Zustimmung,

Unwillkürlich zuckte Takeshi bei diesen Worten in sich zusammen. Die Flügel abschlagen?! Das wäre für jemanden aus seinem Stamm schlimmer gewesen als jede Art von Folter! Wenn er sich nicht rasch erklärte, machten die Inu-Youkai am Ende sogar noch ernst. Mühsam schaffte er es, sich wieder aufzusetzen. "Wartet! Lass mich euch erklären, warum ich hergekommen bin!"

"Als ob du uns was Brauchbares zu erzählen hättest!", knurrte einer der Inu-Youkai aus dem Hintergrund.

Ungeachtet dessen sprach Takeshi wiederum Sesshoumaru an: "Ich kann mir denken, dass Ihr mich allzu gerne töten würdet, aber hört mich dennoch an! Akuma hat Euch angelogen!"

Abrupt wurde es still. Zuerst wusste keiner der Anwesenden so genau, was das zu bedeuten gehabt hatte.

"Was meinst du damit?", fragte nun Inu Yasha äußerst prüfend.

Takeshi wandte den Blick zu ihm um. "Er hat gelogen, als er behauptet hat, er hätte Kimie getötet. Es stimmt zwar, dass sie bei uns ist, aber alles andere, was sie betraf, war gelogen."

Kagome ließ von Inu Yasha ab und trat erwartungsvoll einen Schritt nach vorne. "Moment mal! Dann hat er Kimie also gar nicht...?"

"Nein, hat er nicht", antwortete Takeshi, noch bevor sie ihre Frage hatte zu Ende stellen können. "Sie lebt und befindet sich noch immer in unserem Schloss." Eigentlich glaubte er, nun wieder für ein wenig Ruhe gesorgt zu haben, aber kaum, dass er das gesagt hatte, wurde er grob von Sesshoumaru am Kragen gepackt und auf dessen Augenhöhe von ihm hochgezogen.

"Falls das eine Lüge war, wünsch dir lieber, ich hätte dich doch besser gleich töten lassen!", warnte er Takeshi, der aber sofort mit fester Stimme und ohne den Blick abzuwenden entgegnete: "Ich lüge nicht! Das ist die Wahrheit, ich schwöre es!"

"Und warum hat er dann diese Behauptung in die Welt gesetzt?"

"Das war eines seiner Spiele, wie er es bezeichnet. Er wollte insbesondere Euch in die Irre führen."

Inu Yasha schnaubte verächtlich. "Das war ein beschissenes Spiel, um es mal ganz klar und deutlich zu sagen!"

"Aber viel wichtiger sollte euch im Moment etwas anderes sein", sprach Takeshi weiter, so gut ihm das in seiner momentanen Lage eben möglich gewesen war. "Wenn ihr Kimie helfen wollt, dann müsst ihr euch beeilen! Akuma hat nämlich vor, sie in naher Zukunft wirklich zu töten!"

"Keh! Und das sollen wir dir einfach so glauben? Wer sagt uns denn, dass du nicht einfach nur lügst?"

"Ich sage es euch noch einmal: Ich lüge nicht!"

"Und warum erzählst du uns das alles?" Diese Frage stammte wiederum von Sesshoumaru. Mit durchdringendem Blick schaute er Takeshi in die Augen, dass dieser dem starken Drang, wegzuschauen, nur schwer widerstehen konnte.

"Weil... weil ich sie liebe...", antwortete er dennoch schließlich und sorgte damit für so manch verdutztes Gesicht.

"Eh... Was?", fragte Inu Yasha ungläubig.

Takeshi antwortet nun wieder mit deutlich festerer Stimme: "Ihr habt mich schon verstanden. Ich liebe Kimie! Schon seit längerer Zeit..."

Dem Hanyou klappte fast die Kinnlade runter. "Ach, du meine Güte..."

Sesshoumarus Blick war indes noch stechender geworden. Unsanft ließ er Takeshi wieder zu Boden fallen. "Hör zu! Du sagst mir jetzt sofort, wo genau sich eurer Versteck befindet! Ich weiß, dass sich dein Clan irgendwo in den Bergen im Norden verschanzt hat, aber wo genau?"

Schwer atmend setzte sich Takeshi wieder auf. Er brauchte noch einen Moment, ehe er wieder sprechen konnte: "Geht... geht von hier aus geradewegs nach Norden bis Ihr das Gebirge erreicht habt. Richtet Euren Blick anschließend ein wenig nach Osten und haltet Ausschau nach jenen Bergen, deren Gipfel verhüllt sind von Wolken und Nebel. Dort oben, verborgen zwischen dem Gestein, befindet sich Akumas Schloss." Seine Stimme war zum Ende hin stetig leiser geworden. Denn je mehr er erzählt hatte, umso mehr hatte er zeitgleich seinen Clan und seinen Bruder hintergangen. Zwar hatte Takeshi all das schon vorher mit einberechnet, aber jetzt gab es für ihn kein Zurück mehr. Sollte er entgegen seiner Erwartungen wieder frei kommen und sollte Akuma erfahren, was er getan hatte, dann wäre das sein sicherer Tod gewesen. Doch daran konnte er nun auch nichts mehr ändern. Und wenn er ehrlich zu sich war, es war ihm die Sache wert gewesen...

Noch einen Moment ließ Sesshoumaru seinen Blick auf Takeshi ruhen, dann schritt er an ihm vorbei. "Bringt ihn in den Kerker!", wies er Tôya und Subaru vorher noch an, ehe er weiterging und sich dabei eine Art Wirbelwind um ihn herum aufbaute. Dieser wurde irgendwann so stark, dass man Sesshoumaru gar nicht mehr sehen konnte, und als er schließlich doch wieder in Erscheinung trat, erhob er sich als mächtiger Dämonenhund. Mit einem einzigen Satz sprang er über die Schlossmauer vom Gelände und verschwand zwischen den Bäumen im Wald.

"Edler Herr! Sesshoumaru-sama! Was macht Ihr denn?" Jaken wusste gar nicht, was er machen sollte und lief wie ein aufgescheuchtes Huhn hin und her.

Inu Yasha hatte hingegen, ebenso wie so ziemlich jeder andere auch, gleich einen konkreten Verdacht. "Ich fresse mein Schwert, wenn ich mich jetzt irre, aber ich wette, er will zu Akumas Schloss."

Unter seinem Haar krabbelte nun Myouga auf die Schulter des Hanyou und sprang aufgeregt auf dieser herum. "Aber das ist unvernünftig! Komplett wahnsinnig! Sesshoumaru-sama mag ja stark sein, aber er kann unmöglich allein gegen die Ryû-Youkai antreten! Das kann nicht gut gehen!"

"Dann werden Tôya und ich ihn eben begleiten", verkündete Ashitaka und sprang mit einem Satz die Stufen vor dem Schlosseingang hinab. "Subaru? Du kannst dich doch auch sicher allein um den Gefangenen kümmern, oder?"

Subaru nickte. "Sicher. Natürlich."

Und während Tôya dem Vorschlag seines Kameraden auch nicht unbedingt etwas entgegenzusetzen hatte, war Myouga noch lange nicht ruhiger. "Aber Ashitaka-sama! Das ist trotzdem viel zu gefährlich! Denkt doch noch einmal darüber nach!"

Aber Ashitaka winkte in seiner üblich lockeren Art ab. "Zu dritt stehen die Chancen immerhin besser, oder etwa nicht? Und überhaupt, wenn Kimie-chan wirklich noch lebt, dann müssen wir ihr doch selbstverständlich helfen, Myouga-jii-chan."

"Wir werden euch ebenfalls begleiten!", meinte Sango entschieden, doch Ashitaka schüttelte den Kopf.

"Es ist besser, wenn nur Sesshoumaru, Tôya und ich gehen, Sango-chan. Ich kann verstehen, dass du und die anderen Kimie-chan ebenfalls helfen wollt, aber wenn wir da als zu große Gruppe auftauchen, könnten wir allzu früh die Aufmerksamkeit der Ryû-Youkai auf uns lenken. Und das könnte wiederum gefährlich für Kimie-chan werden."

Man sah den Freunden den Widerwillen zwar an, doch erklärten sie sich doch noch dazu einverstanden, zu warten, obwohl es ihnen schwer fiel.

"Passt aber bitte auf euch auf, ja?", bat Miyuki Ashitaka und auch ihren Bruder inständig. Die beiden versicherten ihr und auch den anderen noch einmal, dass sie vorsichtig sein würden und machten sich dann ebenfalls auf den Weg.
 

Sesshoumaru hatte bereits ein gutes Stück des Weges zurückgelegt. Wenn Takeshi wirklich die Wahrheit gesprochen hatte, dann durfte er keine weitere Zeit mehr verlieren. Es war schon ein großer Fehler von ihm gewesen, nicht sofort gehandelt zu haben. Dafür musste er sich nun umso mehr beeilen. Jede Stunde war kostbar. Und er würde Akuma niemals diesen Triumph gönnen. Auf keinen Fall würde Sesshoumaru ihm Kimie überlassen. Und schon gar nicht ohne Kampf!

Er bekam mit, wie ihn jemand verfolgte. Sesshoumaru brauchte sich jedoch nicht umzudrehen oder gar stehen zu bleiben, um zu wissen, wer sich ihm an die Fersen geheftet hatte.

"Was wollt ihr?", fragte er Ashitaka und Tôya, nachdem diese ebenfalls in ihrer dämonischen Gestalt neben ihm aufgetaucht waren.

"Wonach sieht es denn aus?", fragte Ashitaka, als wollte er seinen Cousin etwas necken. "Wir begleiten dich natürlich! Keine Sorge, wir mischen uns nicht ein. Wir werden dir lediglich den Rücken decken, während du Kimie-chan rettest. Das hattest du doch schließlich vor, nicht wahr?"

"... Macht, was ihr wollt!", knurrte Sesshoumaru nach einem Moment.

Die abendliche Dämmerung war inzwischen hereingebrochen. Im Laufe der Nacht würden sie die Hochburg der Feinde erreicht haben.

In der Höhle des Löwen

Es war eine düstere Nacht, die im Schatten einer bevorstehenden Mondfinsternis gestanden hatte. Vereinzelt fielen ein paar Schneeflocken vom Himmel und tanzten leicht im Wind, während das sanfte Rauschen des Meeres im Hintergrund zu hören gewesen war. Eine dünne Schneeschicht hatte sich auf den Boden gelegt, doch das helle Weiß war an einer Stelle rot gefärbt von Blut. Und noch immer tropften nach und nach weitere Blutstropfen auf den weißen Schnee hinab.

Zwei Männer standen sich in einigen Metern Entfernung zueinander an diesem Strand gegenüber, wobei der Ältere der beiden mit dem Rücken zu dem anderen stand. Er musste gerade einen schweren Kampf hinter sich gebracht haben, denn er war schwer verletzt und an seinem linken Arm tropfte noch immer Blut auf den Boden hinab. Trotzdem war er eine sehr würdevolle und imposante Erscheinung gewesen.

"Wollt Ihr gehen, verehrter Vater?", fragte der Jüngere der beiden seinen Gegenüber schließlich, der sogleich eine Gegenfrage stellte: "Willst du mich aufhalten, Sesshoumaru?"

"Ich möchte Euch nicht aufhalten", antwortete der Sohn ruhig. "Aber übergebt mir, Sesshoumaru, vorher noch die beiden Reißzähne Sou'unga und Tessaiga."

"Wenn ich sage, ich gebe sie dir nicht, wirst du dann mich, deinen Vater, töten?"

Für einen Augenblick herrschte Schweigen, nur das Rauschen der Wellen war zu hören gewesen, begleitet vom Wehen des Windes.

"Sehnst du dich so sehr nach Macht? Warum strebst du immerzu nach Kraft?", fragte der Vater seinen Sohn nach einem Augenblick, als dieser auf die zuvor gestellte Frage nicht geantwortet hatte und nun stattdessen erwiderte: "Mein Schicksal beruft mich zur Herrschaft. Macht ist das Mittel, um dieses Ziel zu erreichen."

Leicht senkte sich der Blick des Vaters. "Herrschaft?" Nach einer kurzen Pause wandte er sich erneut mit einer Frage an seinen Sohn: "Sesshoumaru, gibt es jemanden, den du beschützen willst?"

Sesshoumarus Augen verengten sich ein wenig. "Jemanden beschützen?"

Der Wind schien mit einem Mal stärker zu werden, ebenso wie die Wellen des Meeres, die sich in unmittelbarer Nähe am Strand brachen und sich anschließend immer wieder aufbäumten. In das Rauschen der Wellen mischte sich nun die Stimme von Sesshoumaru, als er betont und mit kalter Stimme auf die Frage seines Vaters antwortete: "In dieser Welt werde ich, Sesshoumaru, niemanden beschützen!"

Nachdem er diese Antwort vernommen hatte, erwiderte der Vater nichts mehr darauf. Er musste sich jetzt auf den Weg machen, denn ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Und so erhob er sich vor den Augen des Sohnes in der Gestalt eines riesigen weißen Hundes, dessen Silhouette sich vor dem nächtlichen Himmel abzeichnete, ehe er diesen Ort verließ, während Sesshoumaru noch einen Moment lang seinem Vater nachsah, bis dieser aus seiner Sicht verschwunden war.

//Gibt es jemanden, den du beschützen willst?//, hallte die Frage seines Vaters noch einmal in Sesshoumarus Kopf wider, bevor der junge Inu-Youkai kehrt machte. "Sinnlos."

Und so verließ er den Strand. Dies war das letzte Treffen zwischen Vater und Sohn gewesen. Das letzte Gespräch, das sie miteinander geführt hatten...
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Das lag nun schon über 200 Jahre zurück. Damals hatte Sesshoumaru nicht mal im Traum daran gedacht, dass es in seinem Leben wirklich mal jemanden geben würde, den er beschützen würde. Aber wie hat das überhaupt angefangen? Etwa schon damit, als er Jaken gestattet hatte, ihn auf seinen Reisen zu begleiten? Wohl eher weniger. Viel mehr schien die kleine Rin der ausschlaggebende Faktor gewesen zu sein. Das kleine Menschenmädchen, dass sich um Sesshoumaru hatte kümmern wollen, als er verletzt gewesen war, und das er mit der Hilfe von Tenseiga wieder ins Leben zurückgeholt hatte, nachdem es von Wölfen getötet worden war. Von da an hatte Rin ihn stets begleitet und war nicht mehr von seiner Seite gewichen. Wenn sie mit ihm sprach, hatte sie stets fröhlich gelächelt. Sie hatte keine Angst vor ihm gehabt, wie er es normalerweise von anderen gekannt hatte. Und Sesshoumaru selbst übernahm mit der Zeit die Verantwortung für Rin. Er hatte sie beschützt und sich um sie gekümmert. Und irgendwann schien das für ihn zu einer Selbstverständlichkeit geworden zu sein. Doch hatte Sesshoumaru nicht gedacht, dass er sogar noch weiter gehen würde.

Jetzt stand er hier, zusammen mit zwei Mitstreitern seines Clans auf einem Felsvorsprung und direkt vor sich verborgen im Nebel und in Wolkenschleiern das Schloss der Ryû-Youkai, was sich inmitten der spitzen und steilen Gebirgsformation der nördliche Berge befand.

Sesshoumaru war hier hergekommen, um einen Menschen zu retten; ein Mädchen, das er vor einem Jahr kennen gelernt hatte und das ihm anfangs eigentlich nur zur Last und auf die Nerven gefallen war. Doch irgendwie hatte sie es mit ihrem direkten und eigenwilligen Charakter und ihre zeitweise auftretende Unsicherheit wohl geschafft, ihn auf eine gewisse Art und Weise zu beeindrucken. Und sie war es gewesen, die den ersten Schritt gemacht und ihm einfach ins Gesicht gesagt hatte, sie hätte sich in ihn verliebt. Das erste Mal noch eher unbeabsichtigt, hatte sie es später jedoch bewusst wiederholt. Und dann hatte er schließlich entschieden, eben dieses Mädchen zu seiner Gefährtin zu bestimmen. Und eben diese Gefährtin würde Sesshoumaru nun mit allen nötigen Mitteln von diesem Ort und diesen Dämonen befreien und zu sich zurückholen.

"Der Gestank von Drachen ist hier allgegenwärtig", meinte Tôya, begleitet von einem Knurren, während er seinen Blick zum inzwischen nächtlichen Himmel hinaufrichtete. Doch an diesem war nichts zu sehen gewesen. Ein leichter Wind kam auf und umspielte leicht das Fell der drei Inu-Youkai. Im Licht des abnehmenden Mondes wirkten sie in ihrer dämonischen Gestalt weitaus imposanter und eindrucksvoller als sonst.

"Ob sie uns eventuell bereits erwarten?", fragte Ashitaka prüfend, woraufhin Sesshoumarus Blick sich leicht verfinsterte.

"Selbst wenn sie uns erwarten sollten, das kümmert mich nicht!"

"Hm! Das hätten wir auch nicht anders von dir erwartet", erwiderte der Jüngere.

Und Sesshoumaru wollte auch keine weitere Zeit mehr verlieren. Also setzten er und seine Begleiter ihren Weg fort und steuerten direkt auf die Hochburg ihrer Feinde zu.

Die Berghänge waren zwar steil, aber ihre Klauen boten den drei Inu-Youkai einen relativ sicheren Halt. Anfangs kamen sie gut voran und ohne etwa auf irgendwelche Feinde zu treffen. Das änderte sich jedoch sehr bald, je näher sie dem Schloss zu kommen schienen.

Sesshoumaru blieb stehen und richtete seinen Blick zum verdunkelten Himmel hinauf. Zwischen den Wolken konnte er einige Schatten sich bewegen sehen. Man hätte meinen können, es wären nur dunkle Wolkenfetzen gewesen, aber dem war nicht so. Denn nur wenige Augenblicke später preschten mehrere Flugdrachen aus den Wolkenschleiern hervor und steuerten genau auf die drei Inu-Youkai zu.

"Und da hätten wir auch schon das Begrüßungskomitee." Ashitaka machte sich ebenso wie Tôya für die bevorstehende Auseinandersetzung bereit. "Überlass uns ab hier den Kleinkram, Sesshoumaru! Geh besser und finde Kimie-chan!"

Noch einmal schaute Sesshoumaru zu seinen Mitstreitern, dann setzte er ohne irgendeine Erwiderung seinen Weg fort. Im Hintergrund konnte er schon kurz darauf die Kampfgeräusche wahrnehmen. Aber Ashitaka und Tôya schienen die Situation gut unter Kontrolle gehabt zu haben, denn keiner der Flugdrachen verfolgte ihn. Und selbst wenn es anderes gewesen wäre, Sesshoumaru hätte keine großen Schwierigkeiten damit gehabt, diese Ungetüme zu erledigen. Doch so sparte er eben Zeit und Energie, die er für sein bevorstehenden Vorhaben noch benötigen würde.

Endlich näherte sich Sesshoumaru dem Schloss der Feinde. Merkwürdigerweise erschien es ihm jedoch irgendwie unbewacht. Vorsichtig näherte er sich der Außenmauer, aber es gab keine Wachposten oder dergleichen. War das vielleicht eine Falle? Wurde er wirklich schon erwartet?

Immer näher kam Sesshoumaru dem Schloss. Nachdem er den Torbogen, der den Eingang zum Schlossgelände markierte, erreicht hatte, nahm er wieder seine menschliche Gestalt an und schritt hindurch. Der Geruch von Drachen lag überall in der Luft und die starken Energien der Feinde nahm er mehr als deutlich wahr. Allerdings war es praktisch unmöglich gewesen, etwa zu erahnen, ob und inwiefern sich hier ein Hinterhalt der Feinde befand.

Zügig näherte sich Sesshoumaru dem Schlosseingang. Auch, als er direkt vor der Tür stand, hinderte ihn niemand an seinem Vorhaben. Er öffnete die nach außen aufschwingenden Türen und trat ein.
 

Ratlos saß Kimie in ihrem Zimmer. Aus irgendwelchen, ihr unerfindlichen Gründen hatte Akuma Renhou vorhin zu sich bestellt und bisher war er auch nicht wieder zurückgekommen. Wie viel Zeit inzwischen vergangen sein mochte, das vermochte Kimie nicht zu sagen, aber zumindest musste es schon relativ spät geworden sein. An Schlaf konnte sie jedoch nicht wirklich denken.

Schritte auf dem Gang ließen Kimie abrupt hellhörig werden. >Da kommt jemand!<

Zuerst dachte sie, Renhou würde zurückkommen, aber etwas an den Schritten kam ihr merkwürdig vor. Sofern sie das beurteilen konnte, hörte es sich so an, als würden sie alle paar Meter stoppen. Suchte derjenige, der durch den Flur ging, vielleicht nach etwas?

Kimie wurde misstrauisch. Irgendwie glaubte sie nicht, dass es Renhou gewesen war, der sich da näherte. Sie stand auf und schnappte sich eine große, wie zur Dekoration aufgestellte Vase, die einer dunklen Ecke des Zimmers stand, und postierte sich neben der Zimmertür. Würde jemand das Zimmer betreten, so wollte sie ihm auf der Stelle eins mit der Vase überziehen. Was genau sie eigentlich mit dieser Aktion bezwecken wollte, schien Kimie selbst nicht ganz klar gewesen zu sein, aber sie verspürte eben einfach diesen inneren Drang, zumindest einem dieser Ryû-Youkai einmal gehörig eins auszuwischen. Höchstens bei Renhou oder Takeshi hätte sie vermutlich noch eine Ausnahme gemacht. Die Vase war allerdings ganz schön schwer, zudem reichte sie Kimie fast bis zu den Hüften. Da war es schon ein kleines Kunststück, dieses Teil einigermaßen knüppelgerecht festzuhalten.

Einsatzbereit verblieb Kimie neben der Tür. Ganz genau bekam sie mit, wie die Person direkt vor der Tür stehen blieb und diese öffnete. Sofort sprang Kimie vor und wollte mit der Vase ausholen.

"Hier! Mit schönen Grüß... Eh?!" Zwar hatte sie schon einkalkuliert, den Angriff eventuell noch rechtzeitig abzubrechen, aber auf den Besucher, der jetzt an der Tür stand, war sie nun wirklich nicht vorbereitet gewesen. Sie hätte sogar beinahe die Vase fallen gelassen.

"Pflegst du neuerdings, jeden so zu begrüßen?", fragte Sesshoumaru jedoch nur im üblichen Tonfall, während er das Mädchen musterte.

"Aber... Sesshoumaru!" Verdutzt stellte Kimie die Vase nun wieder ab. "Bist du das wirklich? Aber was... was machst du denn hier?"

"Ich bin hergekommen, um dich zurückzuholen", antwortete er wie selbstverständlich, aber auch mit einem deutlichen Unterton von Ernsthaftigkeit.

Eigentlich hätte sich Kimie unendlich freuen und sich erleichtert fühlen müssen, aber das konnte sie irgendwie nicht.

"Das ist eine Falle von Akuma, das ist dir doch wohl klar, oder?", fragte sie stattdessen schon beinahe vorwurfsvoll, ehe ihr Blick an der linken Seite seiner Hüfte hängen blieb. Sesshoumaru trug nur Tenseiga bei sich. Demnach hatte Toutousai Toukijin noch nicht reparieren können. Das war doch kompletter Wahnsinn! Wie wollte er denn ohne eine brauchbare Waffe gegebenenfalls gegen die Ryû-Youkai oder gar gegen Akuma kämpfen? Hatte er diesmal denn überhaupt nicht nachgedacht?

"Du hättest nicht herkommen sollen. Vielleicht wäre das besser gewesen...", meinte Kimie nach einem Moment und schaute weg.

Aber Sesshoumaru hatte nicht vor, sich etwa ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen. "Rede nicht so dumm daher! Dir ist doch sicherlich klar, dass Akuma dich sonst über kurz oder lang getötet hätte."

Kimie schaute wieder auf. "Und woher weißt du von alldem?"

Diesmal dauerte es ein wenig, ehe Sesshoumaru antwortete: "Takeshi hat es uns erzählt. Er kam auf eigene Faust zum Schloss und hat mir auch verraten, wo genau sich sein Clan versteckt hält." Die Tatsache, dass Takeshi ihm gegenüber sogar gestanden hatte, er wäre in Kimie verliebt, verschwieg Sesshoumaru dabei jedoch, wobei ihm diese Sache durchaus sauer aufstieß.

Trotzdem fiel Kimies Überraschung nicht geringer aus. "Wie bitte? Takeshi hat WAS getan?!"

Aber kaum, dass der Name von Akumas Bruder in den Raum geworfen worden war, blickte sie fast schon reflexartig zu Boden. Abrupt war es ihr scheinbar unmöglich, Sesshoumaru in die Augen zu schauen. Takeshi hatte sie geküsst... Zwar war das von ihm ausgegangen, aber trotzdem fühlte sie sich unbehaglich. Und nicht nur deswegen...

Kimies Hand schnellte hoch, links neben ihren Hals, als sie sich ins Gedächtnis rief, was Akuma getan hatte. Diese allzu deutliche Geste blieb allerdings nicht vor Sesshoumaru verborgen. Da dachte er schon gar nicht mehr darüber nach, weshalb Kimie zuvor so plötzlich zu Boden geschaut hatte.

"Was hast du?", fragte er sie, aber sie antwortete nicht auf diese Frage, als schämte sie sich für irgendetwas. Sesshoumaru kam das mehr als eigenartig vor und er trat näher an sie heran. Er schob ihre Hand und ihre Jacke etwas beiseite und entdeckte prompt den Biss. Er hatte keinen Zweifel daran, dass Akuma Kimie das angetan hatte und unterdrückte nur mit Mühe ein wütendes Knurren. Aber war das alles gewesen? Oder war Akuma doch noch weiter gegangen? Hatte Takeshi vielleicht gelogen und lag darin vielleicht der wahre Kern, der in der Aussage seines Bruders gesteckt hatte?

"Was hat Akuma noch getan?" Allein schon diese überaus prüfende Frage machte Kimie klar, worauf Sesshoumaru dem Anschein nach hinaus wollte. Und obwohl ja nichts weiter passiert ist, tat sie sich ein wenig schwer mit der Antwort.

"Mh... Nichts. Es ist nichts weiter passiert. Ehrlich..."

Sesshoumaru ließ nun wieder von ihr ab. Gut, abgesehen von dieser einen Sache schien es Kimie ansonsten in der Tat gut zu gehen.

"Nun gut, komm jetzt! Wir sollten uns hier nicht mehr länger aufhalten", sagte er ernst.

Einen Augenblick lang zögerte Kimie zwar noch, aber was sollte das? Was gab es da schon groß zu überlegen? Also nickte sie einverstanden. "Ist gut."

Sogleich folgte sie Sesshoumaru in den dunklen Gang hinaus. Auch während des anschließenden Weges richtete sie sich nach ihm, während er die Richtung zum Ausgang eingeschlagen hatte, den die beiden auch recht schnell, und erstaunlicherweise ohne auf jemanden zu treffen, erreichten. Kimie war jedoch skeptisch. >Das ging irgendwie zu leicht. Hier stimmt doch etwas nicht...<

Als die beiden auf den Hof hinausgetreten waren, stellte sich ihnen noch immer keiner in den Weg. Erst, als sie sich mitten auf dem Gelände befanden, hörten sie hinter sich die Stimme von Akuma fragen: "Wohin denn so eilig?"

Sesshoumaru war sofort stehen geblieben und hatte sich zu den Gebäuden umgedreht. Direkt unterhalb der Treppe vor dem Schlosseingang hatte sich Akuma mit den fünf Hütern postiert.

>So viel also zu meiner Befürchtung...< Kimie ließ betreten den Kopf hängen. Das diese scheinbar so reibungslose Rettungsaktion einen fiesen Haken gehabt haben musste, hätte sie sich auch gleich denken können. Sesshoumaru hielt Kimie hinter sich, um sie vor den Feinden abzuschirmen.

"So! Du bist also gekommen, um dein kleines Mädchen wieder zurückzuholen, ja?", fragte Akuma ihn mit einem amüsierten Lächeln. "Allerdings muss ich dazu sagen, dass es nicht gerade sehr höflich ist, einfach so in ein fremdes Schloss reinzuschneien."

"Ach ja? Und ich finde es ziemlich feige von euch, dass ihr hier gleich zu sechst auftaucht!", widersprach Kimie, bekam von Sesshoumaru aber gleich mit einem Handzeichen signalisiert, dass sie besser schweigen sollte. Stattdessen wandte er sich nun selbst an die Ryû-Youkai: "Damit ihr es wisst: Ich hole mir lediglich das zurück, was mir ohnehin gehört."

"Oh Gott..." Wäre die Situation nicht gerade so verflixt verfahren, wäre Kimie nach diesem Satz des Inu-Youkai sicherlich in sich zusammengebrochen. Das war ja mal wieder typisch für Sesshoumaru, dass er sie als sein Eigentum bezeichnete, als wäre sie nur ein Gepäckstück oder etwas in der Art.

"Was dir ohnehin gehört... Klingt ja wirklich sehr überzeugend", meinte Akuma aber nur spöttisch, während er sein Schwert zog. "Aber bist du auch dazu in der Lage, dein so genanntes Eigentum gegen andere zu verteidigen? Oder kann man es dir jedes Mal so leicht direkt unter der Nase wegschnappen?"

"Du arroganter...!" Kimie wollte etwas sagen, doch brachte Sesshoumaru sie automatisch zum Schweigen, als er Tenseiga aus der Schwertscheide zog.

"Geh!", befahl er ihr.

"Was? Aber..."

"Wenn du hier bleibst, dann störst du nur meinen Kampf", unterbrach er sie. "Ich werde mich allein um sie kümmern."

"Aber das schaffst du doch niemals allein!"

Und obwohl Kimie eindringlich auf ihn einredete und auch seinen linken Arm ergriff, ließ sich Sesshoumaru in seiner Entscheidung nicht beirren. "Ich dulde keine Diskussion! Geh jetzt!"

Aber so leicht ließ sich Kimie nicht abwimmeln. Sie stellte sich ihm gegenüber. "Sesshoumaru, ich weiß, du bist sehr stark, aber das hier ist nun wirklich eine Nummer zu groß für dich!" Sie drehte sich kurz um, ehe sie wieder Sesshoumaru anschaute. "Mir ist klar, dass du dir von niemanden etwas sagen lässt, aber bitte lass das sein! Kämpfe nicht gegen sie! Du wirst sterben!"

Dieser letzte Satz und der Ausdruck in ihren Augen... Sesshoumaru sah darin die Angst und die Sorgen, die sie um ihn hatte. Doch er hatte keine andere Wahl. "Bitte geh!"

Kimie erschrak. Sesshoumaru bat sie? Er bat sie zu gehen? Noch nie hatte sie ihn das Wort "Bitte" in einem derart ernsten Zusammenhang in den Mund nehmen gehört.

Bevor sie eventuell wieder etwas erwidern konnte, sprach er weiter: "Wenn du das Schlossgelände verlassen hast, müsstest du sehr bald auf Ashitaka und Tôya treffen. Macht euch wieder auf den Rückweg. Ich halte unterdessen Akuma und seine Leute auf, damit sie euch nicht folgen."

Kimie brachte kein weiteres Wort heraus. Nur mit Mühe konnte sie stattdessen die aufkommenden Tränen wieder runterschlucken, ehe sie sich schweren Herzens dazu entschied, Sesshoumarus Aufforderung doch noch Folge zu leisten. Doch bevor sie das tat, konnte sie sich nicht zurückhalten, ihn sanft an den Schultern leicht zu sich runter zu ziehen und ihm noch einen sanften Kuss auf die Lippen zu geben. Dabei spürte sie, wie eine einzelne Träne sich ihren Weg über ihre Wange bahnte, bei dem Gedanken daran, was Sesshoumaru tun wollte. Und alles nur wegen ihr...

"Es tut mir so Leid...", hauchte sie noch kaum hörbar, ehe sie wieder von ihm abließ und in die Richtung der Tore der Schlossmauer lief.

Sesshoumaru wartete noch, bis Kimie das Gelände verlassen hatte, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Akuma und seine Leute.

Jin trat einen Schritt vor, seine Schwingen bereits entfaltet. "Sollen wir ihr hinterher und sie wieder einfangen, Akuma-sama?"

"Nicht nötig", antwortete Akuma desinteressiert. "Sie wird ohnehin nicht sehr weit kommen. Schließlich ist sie nur ein Mensch. Und auch die Tatsache, dass sich da draußen dem Anschein nach noch zwei Hunde herumtreiben, dürfte nicht mehr als nur ein kleines Hindernis sein, das sehr schnell beseitigt sein dürfte." Dann wandte er sich wieder direkt an Sesshoumaru: "So! Nachdem wir diesen herzzerreißenden Abschied hinter uns gebracht haben, können wir ja endlich zum Wesentlichen kommen. Keine Sorge, Sesshoumaru. Selbstverständlich besitze ich so viel Ehrgefühl, dass ich es unterlassen werde, dich in einen unfairen Kampf zu verstricken. Das soll so viel heißen wie, es gibt nur dich und mich."

Während Akuma nun einige Schritte auf seinen Kontrahenten zuging, blieben seine Gefolgsleute an ihrem Standort.

Nichts desto trotz blieb Sesshoumaru misstrauisch. Es würde ihn nicht wundern, wenn Akuma nicht doch noch irgendeinen hinterhältigen Trick anwenden würde.

"Nun gut, Sesshoumaru, dann fangen wir mal an." Akuma entfaltete seine Schwingen und schoss mit emporgehobenem Schwert auf Sesshoumaru zu. Dieser riss Tenseiga nach oben und blockte den Angriff ab. Allerdings verkeilten sich nunmehr beide Schwerter ineinander. Aus den Klingen entwich in Form von Blitzen eine Unmenge an Energie. "Und das alles nur für ein Menschenweib, Sesshoumaru?", fragte Akuma abfällig. "Ist das das Erbe deines Vaters, dass du diesen unerklärlichen Drang hast, sie zu beschützen?"

"Belästige mich nicht mit deinem Geschwätz, Akuma! Nicht nur, dass du es gewagt hast, sie zu entführen, allein schon die Tatsache, dass du Hand an das Mädchen gelegt hast, ist absolut unverzeihlich!" Kraftvoll stieß Sesshoumaru seinen Gegner wieder von sich. Einem Gegenangriff wich dieser jedoch mit einem Flügelschlag aus und positionierte sich direkt hinter dem Inu-Youkai. Gerade noch rechtzeitig hatte sich Sesshoumaru umgedreht, um abermals Akumas Attacke abzuwehren.

"Ach! Du spielst wohl auf ihre kleine Verletzung an, nicht wahr?" Auf Akumas Gesicht erschien dieses typische heimtückische Lächeln. "Nun, was soll ich sagen? War sie zu diesem Zeitpunkt nicht ohnehin zu haben gewesen? Aber ihr Blut..." Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. "Ich muss sagen, für einen einfachen Menschen schmeckt sie gar nicht mal so übel."

Aus Sesshoumarus Kehle drang ein erzürntes Knurren. "Das war ein großer Fehler von dir! Keiner fordert mich ungestraft auf eine derartige Art und Weise heraus!"

"Habe ich dich etwa so sehr erzürnt? Ich bin überrascht. Sie ist doch schließlich nur ein Mensch. Ein unbedeutendes Nichts, so hast du diese niedere Rasse in der Vergangenheit doch auch stets gesehen, oder täusche ich mich da?"

"Schweig still! Ich werde jetzt das zu Ende bringen, was mein Vater vor 1000 Jahren begonnen hat, als er zum ersten Mal gegen deinen Clan kämpfte!"

Eine Druckwelle von aufgestauter Energie der beiden Schwertklingen zwang beide Kämpfer dazu, sich voneinander zu trennen. Sesshoumaru nun in einem gewissen Abstand gegenüberstehend, schulterte Akuma gelassen sein Schwert. "Dein Clan mag damals zwar gewonnen haben, dennoch konnte dein Vater meinen Vater nicht töten. Genauso wirst auch du mich dieses Mal nicht töten können! Wie auch? Du konntest ja schließlich nicht mal Renhou besiegen!"

Unwillkürlich blickte Sesshoumaru aus dem Seitenwinkel zu jenem Ryû-Youkai. Es stimmte, in der letzten Auseinandersetzung konnte er Renhou nicht die Stirn bieten. Und worin Akumas wahre Stärken lagen, vermochte Sesshoumaru noch gar nicht wirklich einzuschätzen. Egal, wie dieser Kampf am Ende ausgehen würde, es würde auf jeden Fall nicht leicht werden...
 

Der Weg war recht steil, sehr uneben und gespickt mit Felsen. Kimie hatte sichtlich Mühe dabei, irgendwie voranzukommen. Zudem fürchtete sie auch, jeden Augenblick einem weiteren Feind zu begegnen, doch die größte Angst hatte sie wiederum um Sesshoumaru. Immer wieder blieb sie stehen und schaute zurück zum Schloss. Was mochte in diesem Moment da oben vor sich gehen?

Plötzlich geschah es und sie rutschte ab. Etwas hart knallte Kimie mit einer Körperseite gegen einen großen Felsen, aber zumindest stoppte dieser ihre unfreiwillige kurze Rutschpartie. "Aua... Verdammt noch mal!" Wenn man nicht gerade Flügel besaß oder eine Bergziege war, konnte man hier vermutlich kaum irgendwie vorankommen.

Ein Brüllen richtete Kimies Aufmerksamkeit zum Himmel hinauf. Als ob es wirklich nicht noch schlimmer hätte kommen können, zogen zwei dieser Flugdrachen da oben ihre Kreise. Und sie schienen das Mädchen bereits entdeckt zu haben, denn einer von ihnen ging sogleich zum Sturzflug über. Kimie versuchte, sich irgendwie hinter dem Felsen zu verbergen, obwohl dies keiner Dauerlösung sein konnte. Der erste Angriff ging praktisch spurlos an ihr vorüber, der Drache streifte mit seinen Klauen lediglich das Gestein, ehe er sich wieder in die Lüfte erhob. Jetzt kam jedoch sein Artgenosse zum Einsatz und griff an. Kimie kauerte sich noch immer hinter den Felsen und hoffte, dass sie wiederum Glück haben würde. Und in der Tat, sie hatte Glück, aber etwas anders, als anfangs von ihr erhofft. Denn der Flugdrache wurde urplötzlich von etwas Großem hart zu Boden gerissen, ehe ihm der Garaus gemacht wurde. Der andere Drache versuchte danach erst gar nicht, einen erneuten Angriff zu starten, sondern ließ nur ein wütendes Brüllen verlauten.

Kimie schaute auf. Direkt neben dem nunmehr toten Flugdrachen stand ein großer weißer Dämonenhund, der sich nun zu ihr umwandte. "Kimie-chan! Ist alles in Ordnung?"

"A... Ashitaka!?"

Er nickte und trat auf sie zu. "Bist du okay?"

"Ja, mir geht es gut." Da bemerkte Kimie einen weiteren Dämonenhund. Im Gegensatz zu Ashitaka trug dieser auf seiner Stirn jedoch ein schwarzes Mal, ähnlich wie Kirara es besaß.

"Kommt! Wir dürfen hier nicht länger bleiben. Wir müssen fort von hier!" Anhand der Stimme erkannte Kimie diesen Dämonenhund als Tôya wieder.

"Aber was ist mit Sesshoumaru?", fragte sie plötzlich auf seine Worte hin. "Er ist immer noch da oben und kämpft ganz allein gegen Akuma und seine Leute!"

Ashitaka und Tôya blickten zum Schloss hoch.

"Das wird er allein nicht schaffen", meinte Tôya ernst. "Sesshoumaru-sama ist zwar sehr stark, aber auch er wird in diesem Fall an seine Grenzen stoßen."

"Dann sollte ihm jemand helfen, nicht wahr?"

Die drei schauten sich verdutzt an. Das hatte eben keiner von ihnen gesagt. Ashitaka spähte an Tôya vorbei und entdeckte prompt den Eigentümer dieser Stimme. "Subaru!? Was machst du denn hier? Bist du uns etwa gefolgt?"

Subaru, ebenfalls in seiner dämonischen Gestalt, gesellte sich zu der Gruppe. "Ich habe lange genug im schlechten Licht meines Bruders gestanden. Es ist allmählich an der Zeit, dass ich meine Loyalität gegenüber Sesshoumaru-sama unter Beweis stelle." In seiner Stimme lag Entschlossenheit.

Kimie ließ ihren Blick aufmerksam an Subaru rauf- und runterschweifen. Anders als Ashitaka und Tôya war sein Fell nicht grundsätzlich weiß, sondern zweifarbig. Rücken und ein Großteil des Gesichts waren dunkelbraun, Brust und Bauch hingegen weiß, ebenso wie die Schwanzspitze.

Mit einem Satz sprang Subaru wieder von der Gruppe fort. "Ich werde Sesshoumaru-sama helfen. Kümmert ihr beide euch unterdessen um seine Gefährtin."

Nachdem er noch mal kurz zu Tôya geblickt hatte, nickte Ashitaka einverstanden. "In Ordnung. Pass auf dich auf, Subaru."

"Mach ich. Ach! Und noch etwas: Unterhalb des Berghangs werdet ihr bereits erwartet." Und bevor jemand eventuell etwas auf diese doch ein wenig irritierende Aussage erwidern konnte, war Subaru schon fort gewesen.

"Komm, Kimie-chan! Steig auf meinen Rücken." Ashitaka legte sich flach auf den Boden, um Kimie den Aufstieg zu erleichtern. Es war zwar etwas mühselig, sich auf einen derart großen Hund hinaufzuziehen, aber letztendlich hatte sie es doch noch geschafft und Ashitaka richtete sich wieder auf. "In Ordnung. Halt dich gut fest!"

Das durfte nicht allzu schwer werden, denn das lange Fell bot dafür den perfekten Halt. Trotzdem krallte sich Kimie schon recht krampfhaft an Ashitaka fest, während er und Tôya mit großen Sprüngen den Berghang hinunter sprangen. Die gewaltigen Sätze erweckten bei ihr schon fast wieder den Eindruck, sie würden eher fliegen.

Und was Subaru bezüglich der Aussage, man würde unterhalb des Berghangs bereits auf sie warten, erkannten Kimie, Ashitaka und Tôya, kaum, dass unten angekommen waren.

"Kimie!" Aufgeregt lief Kagome auf Ashitaka zu, auf dessen Rücken Kimie nach wie vor saß. Nachdem er sich abermals auf den Boden gelegt hatte, stieg sie sogleich von seinem Rücken. Und nicht nur Kagome war da gewesen, sondern auch Inu Yasha und der Rest der Gemeinschaft.

"Kagome! Leute!" Kimie kam ihrer Cousine entgegen. Die beiden Mädchen fielen sich erleichtert in die Arme.

Kagome unterdrückte die aufsteigenden Tränen der Erleichterung. "Kimie! Ein Glück! Es geht dir gut."

"Sorry, wenn ich euch Sorgen bereitet habe, Kagome", entschuldigte sich Kimie schon beinahe reumütig, obwohl ja nicht wirklich etwas für diesen ganzen Schlamassel konnte. Auch Sango und Shippou wurden von ihr mit einer herzhaften Umarmung begrüßt. Inu Yasha und Miroku schenkte Kimie ein erleichtertes Lächeln, doch Miroku ließ es sich trotzdem nicht, nehmen, das Mädchen einmal zu umarmen.

"Wie schön, dass dir nicht passiert ist! Wir haben uns wirklich um dich gesorgt", säuselte er, allerdings wanderte seine rechte Hand dabei etwas zu weit an ihrem Rücken runter.

Kimie trat ihm mit voller Wucht auf den linken Fuß, als er eine bestimmte Grenze überschritten hatte. "Deine Freude in allen Ehren, aber trotzdem ist anfassen verboten!"

"Wie gemein! Dabei wollte ich doch nur meine Erleichterung ausdrücken...", jammerte Miroku gequält, und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, zog ihn Sango auch noch zusätzlich an seinem linken Ohr.

"Kimie-chan hat durchaus Recht, Miroku. Behalte deine Griffel gefälligst bei dir!"

Shippou ließ kopfschüttelnd ein Seufzen verlauten, während sich Inu Yasha nun gespielt empört an Kimie wandte: "Aber du verstehst auch ganz hervorragend, uns auf Trab zu halten!"

Kimie wirkte ein wenig verlegen. "Tut mir Leid... Aber sagt mal, was macht ihr denn alle überhaupt hier?"

"Wir konnten nicht einfach nur tatenlos im Schloss herumsitzen", antwortete Kagome ihr. "Wir mussten herkommen und haben Subaru-san deswegen begleitet. Übrigens... Ich habe hier noch etwas für dich." Was Kimie zuvor nicht mitbekommen hatte war, dass Kagome auf ihrem Rücken ein Schwert festgeschnallt hatte, welches sie nun jedoch ihrer Cousine überreichte. "Hier, bitte. Toutousai-ojii-san hat mir Raidon gegeben, kurz bevor wir aufgebrochen sind."

Kimies Blick ruhte auf ihrem Schwert. Demnach musste Toutousai mit seinen Arbeiten daran fertig geworden sein. Aber was war dann mit Toukijin? Bevor Kimie diese Frage jedoch in den Raum werfen konnte, fragte Sango: "Aber wo sind Sesshoumaru und Subaru? Warum sind sie nicht bei euch?"

Kimie schaute verunsichert zu Ashitaka und Tôya. In diesem Augenblick drang vom Schloss her das Geräusch einer Explosion zu ihnen vor. Erschrocken zuckten die Anwesenden in sich zusammen.
 

Ein Angriff von Akumas Seite hatte ein großes Loch auf einer Seite der Schlossmauer gerissen. Allerdings war Sesshoumaru dabei unversehrt geblieben.

Wie ein Raubtier, dass seine Beute ins Auge gefasst hatte, umkreiste Akuma seinen Gegner. Immer wieder fiel sein Blick dabei auf Tenseiga. "Was willst du mit einem Schwert anfangen, dass nicht mal dazu in der Lage ist, Menschen zu töten? Wie willst du dann damit was gegen mich ausrichten?"

"Mag sein, dass ich dir damit keinen Schaden zufügen kann, aber ich kann dich noch immer in Schach halten", entgegnete Sesshoumaru selbstsicher. Allerdings musste er sich eingestehen, so wie die Dinge im Moment standen, hatte er nicht allzu große Chancen. Selbst, wenn er Akuma hätte ausschalten können, es war mehr als anzuzweifeln, dass dessen Gefolgsleute ihn anschließend einfach hätten ziehen lassen. Und allein gegen die Hüter und womöglich auch noch gegen den Rest des Clans anzutreten, das dürfte auch für Sesshoumaru zu viel werden. Denn allein gegen eine ganze Meute, da hätte er die Segel streichen müssen. Und er konnte es bereits ganz genau sehen. Auf den Bergspitzen und an den Hängen rund um das Schloss hatten sich mehrere Flugdrachen und weitere Ryû-Youkai eingefunden, als warteten sie nur auf ihren Einsatz. Sesshoumaru hatte eine komplette Übermacht gegen sich.

"Gib doch besser auf, Sesshoumaru!", sprach Akuma plötzlich weiter und blieb stehen. "Dann erkläre ich mich auch gerne dazu bereit, dich nicht allzu ehrlos abtreten zu lassen. Du kannst dir die Art deines Endes selbst aussuchen."

Auf Sesshoumarus Gesicht erschien ein abfälliges Lächeln. "Welch ein großzügiges Angebot, aber ich verzichte."

Akuma zuckte mit den Achseln. "Na gut. Ich will dich nicht zu deinem Glück zwingen. Dann machen wir so langsam mal Schluss mit alldem. Ohne dich dürfte dein Clan allerdings ziemlich aufgeschmissen sein."

Als der Ryû-Youkai sein Schwert erhob, machte sich Sesshoumaru sofort dafür bereit, einen erneuten Angriff abzublocken, als jedoch ein Zischen durch die Luft schnitt und sich etwas blau Aufleuchtendes zwischen den beiden Kontrahenten in den Boden bohrte. Deutlich war die dämonische Energie zu spüren gewesen.

"Ein Pfeil..." Sesshoumaru wandte seinen Blick in die Richtung um, aus der das Geschoss gekommen war und entdeckte den Schützen auf dem Torbogen über dem Eingang in der Schlossmauer stehen. "Subaru..."

"Verstehst du das unter einem fairen Kampf?", fragte Subaru an Akuma gerichtet, während er seinen Bogen wieder sinken ließ. "Wäre es nicht wesentlich ehrvoller, gegen einen Gegner anzutreten, der eine starke Waffe vorzuweisen hat?" Mit diesen Worten zog er aus seinem Gürtel ein Schwert, welches er zusätzlich zu seinem eigenen mit sich herumgetragen hatte, und schaute zu Sesshoumaru. "Das hier gehört Euch, Sesshoumaru-sama. Ich soll Euch von Toutousai einen Gruß ausrichten." Subaru warf Toukijin seinem Herrn zu, der die Waffe ohne Probleme mit seiner freien linken Hand am Griff zu fassen bekam. Prüfend begutachtete Sesshoumaru das Schwert. Toutousai hatte gute Arbeit geleistet, von dem Riss in der Klinge war nichts mehr zu sehen gewesen. Sesshoumaru schob Tenseiga nun zurück in dessen Schwertscheide.

"Zuverlässige Gefolgsleute können einiges wert sein, nicht wahr?", fragte Akuma, wobei es ein wenig höhnisch geklungen hatte. "Nun, da du ja jetzt wieder im Besitz einer brauchbaren Waffe bist, spricht doch eigentlich nichts dagegen, dass wir da weitermachen, wo wir aufgehört haben, oder?"

Mit finsterem Blick wandte sich Sesshoumaru wieder Akuma zu. "Nein, wohl nicht." Und diesmal ging der nächste Angriff von ihm aus.

Indes richtete sich Jins Aufmerksamkeit auf Subaru. Ein hinterhältiges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. "Hm! Nun gut, vielleicht dürfen wir uns nicht in Akuma-samas Kampf einmischen... aber diesen zweiten Köter da aufzumischen, dürfte ja wiederum erlaubt sein!" Und ohne noch weiter zu zögern, erhob sich Jin mit einem kräftigen Flügelschlag in die Lüfte und steuerte genau auf Subaru zu.

"Jin! Lass es! Bleib hier!", versuchte Renhou zwar noch ihn zurückzuhalten, aber natürlich schenkte Jin dieser Anweisung keinerlei Beachtung.

Als Subaru den Ryû-Youkai direkt auf sich zufliegen sah, zog er sogleich sein Schwert. Auch Jin hielt seine Waffe bereits in der rechten Hand und schlug ohne weiteres direkt von oben zu. Nur durch das schnelle Hochreißen seines Schwertes gelang es Subaru, den Angriff zu parieren. Als Jin einmal mit den Flügeln schlug, boten diese eine ideale Angriffsfläche. Subaru löste sich von der feindlichen Klinge und schlug einmal auf den linken Flügel seines Gegners ein, doch entgegen etwaiger Erwartungen, bekam Jin nicht mal einen Kratzer ab. Subaru hatte gar das Gefühl gehabt, als wäre sein Schwert praktisch an ihm abgeglitten.

Jin entfernte sich nun wieder etwas von seinem Gegner und landete auf der Schlossmauer.

"Netter Versuch, Hündchen, aber leider sinnlos", meinte er spöttisch. "Wenn ich es will, kann ich meine Schwingen wie schützende Schilde gegen so ziemlich jede Art von Waffen einsetzen. Da sind schon viele vor dir mächtig auf die Schnauze gefallen."

"Das macht dich allerdings noch lange nicht unbesiegbar!", entgegnete Subaru entschieden. "Jeder hat nämlich einen schwachen Punkt. Man muss ihn nur finden."

"Hm! Nur werde ich dir nicht die entsprechende Zeit geben, bei mir danach zu suchen." Und damit griff Jin den Inu-Youkai erneut an.

Subaru wich mit einem Sprung nach hinten aus. Der ganze Kampf war praktisch ein Balanceakt auf der Schlossmauer, in der er meist nur parieren, aber selbst nicht wirklich angreifen konnte. Doch Subarus schnelles Reaktionsvermögen und seine Selbstbeherrschung verhinderten es zunächst, dass er allzu offensichtlich gegen Jin unterlag.

>Sinnlos! Auf die Dauer bringt das nichts!<, dachte Subaru während einer kurzen Kampfpause bitter. >Und selbst wenn ich ihn erledigen könnte, unweigerlich würden danach die anderen Ryû-Youkai einer nach dem anderen angreifen. Es ist zwecklos! Für uns gibt es hier keinen Sieg!< Er schaute zu Sesshoumaru, dessen Kampf gegen Akuma nach wie vor andauerte.

Mit Toukijin als Waffe hatte Sesshoumaru nunmehr durchaus bessere Chance und er ging auch deutlich mehr in die Offensive. Aber was Subaru durch den Kopf gegangen war, war auch ihm selbst durchaus klar gewesen. Nur zu zweit inmitten der Feinde konnten die beiden Inu-Youkai keinen Sieg für sich erzielen.

Als Sesshoumaru es geschafft hatte, Akuma nach einem weiteren Angriff von sich fort zu stoßen, und auch Subaru keiner weiteren Attacke von Jin ausgesetzt gewesen war, sprang der Jüngere von der Schlossmauer hinunter zu seinem Herrn. "Sesshoumaru-sama, ich weiß, Ihr zieht Euch nicht gerne aus Kämpfen zurück, aber dieses Mal wäre das besser."

Sesshoumaru schaute in Subarus Richtung. Zugegeben, es gefiel ihm nicht, doch wusste er um die Richtigkeit dieses Vorschlages. Außerdem hatte er das zu Ende bringen können, was er vorgehabt hatte, und so nickte er nur, ehe er aus dem Seitenwinkel zu Akuma blickte. >Aber beim nächsten Mal...<

Unter seinem Haori holte Subaru nun eine schwarze, etwa faustgroße Kugel hervor, die er kraftvoll auf den Boden schleuderte. Sofort explodierte sie und ließ eine Unmenge dichten Qualm ausströmen, der einem jegliche Sicht nahm. Zudem brannte er den Feinden ziemlich gemein in den Augen und auch der Geruch war kaum zu ertragen gewesen. Immer dichter wurde der Rauch und breitete sich rasend schnell über dem gesamten Gelände und sogar noch weiter aus.

Als sich der Qualm letztendlich wieder verzogen hatte, waren Sesshoumaru und Subaru verschwunden.

Jin, noch immer auf der Schlossmauer stehend, schaute sich kurz suchend um und schnaubte verächtlich. "Tse! So eine feige Masche! Hauen die einfach ab!" Er machte schon Anstalten, die Verfolgung aufnehmen zu wollen, doch Akuma hielt ihn zurück.

"Lass es gut sein, Jin! Zugegeben, ich hätte zwar nichts dagegen gehabt, Sesshoumaru bereits heute zu töten, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Und es mag auch deutlich amüsanter werden, wenn ich ihn vor den Augen seines Clans den Gnadenstoß gebe."

Als Akuma sein Schwert wieder in die Schwertscheide zurückschieben wollte, spürte er an seiner rechten Seite, knapp oberhalb der Hüfte auf einmal ein leichtes Ziehen. Als er an sich runterschaute, bemerkte er mit einer Spur von Überraschung einen Riss im Stoff seiner Kleidung, und das war nicht alles gewesen.

"Hm! Sieh mal an. Hat er mich also doch erwischt." Aus einer kleinen Schnittwunde trat ein wenig Blut hervor. Die Verletzung war eigentlich nicht mehr als ein Kratzer gewesen, trotzdem war Akuma erstaunt. "Nun, vielleicht habe ich ihn ein wenig unterschätzt."

Unterdessen richtete Renhou seinen Blick auf das geöffnete Eingangstor in der Schlossmauer. Mehr wie zufällig, nahm er dabei aus dem Seitenwinkel eine Person, die hinter einem der Fenster des Schlosses stand, wahr, und drehte sich entsprechend um. Hinter einem, nur einen Spalt weit geöffneten Fenster erkannte er die Gestalt von Naraku. Offenbar hatte er das ganze Geschehen heimlich mitverfolgt. Renhou hätte schwören können, auf dem Gesicht des Halbdämons ein heimtückisches Lächeln entdeckt zu haben, kurz bevor dieser wieder aus seiner Sicht verschwand.
 

Unterhalb des Berghangs hielt sich noch immer die versammelte Gemeinschaft auf. Es herrschte Unschlüssigkeit darüber, ob sie wirklich alle gehen oder auf Sesshoumaru und Subaru warten sollten. Allen war klar, es konnte mehr als gefährlich sein, würden sie noch länger hier bleiben, aber andererseits sträubte sich insbesondere Kimie dagegen, einfach so fort zu gehen, obwohl Sesshoumaru ihr zuvor ja noch selbst die Anweisung dazu erteilt hatte.

"Moment! Da kommt jemand!", sagte Inu Yasha plötzlich und hatte bereits die Hand griffbereit an sein Schwert gelegt. Doch die anfängliche Anspannung löste sich rasch wieder, als zwischen den Felsen anstatt der erwarteten Feinde dafür Sesshoumaru und Subaru, beide wieder in ihrer dämonischen Gestalt, erschienen und zu der Gruppe hinzu stießen.

Als Sesshoumaru die versammelte Mannschaft jedoch entdeckte, hielt sich seine Begeisterung eher in Grenzen und er schaute insbesondere Ashitaka, Tôya und Kimie an, ehe er knurrend fragte: "Ich hatte eigentlich erwartet, ihr wärt schon längst fort. Was also, macht ihr noch hier?"

"Jetzt sei nicht gleich wieder so finster!", entgegnete Ashitaka entschieden. "Es ist ja schließlich nicht so, als wollten wir dich ärgern. Aber zumindest scheint es dir ja ganz gut zu gehen."

Sesshoumaru erwiderte nichts darauf. Stattdessen schweifte sein Blick nun zu Kimie runter. Der Ausdruck in ihren Augen spiegelte sichtbare Erleichterung darüber wieder, dass alles so weit gut gegangen war. Aber hier war nicht der richtige Ort gewesen, um lange zu verweilen.

"Wir ziehen uns zurück!", befahlt Sesshoumaru, ehe er sich auf den Boden legte und Kimie dazu aufforderte, auf seinen Rücken zu steigen, was sie auch sogleich tat. Sango, Miroku und Shippou stiegen indes auf Kirara auf und Inu Yasha trug Kagome. Denn dass der Hanyou sich etwa von einem der Inu-Youkai tragen lassen würde, wäre ihm noch in den nächsten zehntausend Jahren wohl nicht mal im Traum eingefallen.

Ohne noch weiter groß zu zögern, machte sie die Gemeinschaft auf den Weg und ließ das Schloss der Feinde hinter sich.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Die morgendlichen Sonnenstrahlen, die hinter dem Horizont zum Vorschein kamen, waren wie die Einleitung eines neuen Kapitels dieser ganzen Geschichte.

Es war zwar riskant gewesen, aber letzten Endes war doch noch mal alles gut gegangen. Kimie war frei und keiner der Gefährten war zu Schaden gekommen. Außerdem waren sie auch gar nicht verfolgt worden, weshalb sie es mit dem Rückzug im Nachhinein etwas ruhiger angehen lassen konnten.

Während sich die anderen irgendwann angeregt zu unterhalten begannen, blieb Sesshoumaru den ganzen Weg über stumm. Lediglich, wenn Kimie ihn mal von seinem Rücken aus ansprach, antwortete er mal, aber wirklich viel reden tat er nicht. Er nutzte die Zeit des Rückweges, um intensiv über etwas nachzudenken, wobei er auch die jüngsten Ereignisse mit einbezog. Und allein schon die Tatsache, dass er nicht den direkten Weg zurück in die westlichen Länder eingeschlagen hatte, sondern einen Umweg gegangen war, zeugte im Grunde schon von dem, was er irgendwann insgeheim entschieden hatte. Aber erzählen tat er den anderen davon nichts. Diese waren lediglich etwas erstaunt, als sie feststellten, dass sie sich hier in einer, zumindest besonders für Inu Yasha und dessen Gruppe bekannten Gegend befanden. Sie war zum einen dicht bewaldet, doch der momentane Standort der Reisenden war eine Wiese gewesen.

Kimie warf einen fragenden Blick zu Kagome, die aber auch nur ratlos mit den Schultern zucken konnte. Was Sesshoumaru ausgerechnet hier gewollt haben könnte, war auch ihr schleierhaft gewesen. Besonders, als er plötzlich stehen blieb.

"Wir halten hier", verkündete er und legte sich auf den Boden. Kimie verstand die Geste auch ohne, dass er etwas sagte, und ließ sich von seinem Rücken hinunter gleiten. Sesshoumaru richtete sich auf und nahm seine menschliche Gestalt wieder an. Seine Kameraden taten es ihm gleich.

"Was bedeutet das, Sesshoumaru?", fragte Ashitaka. "Warum halten wir ausgerechnet hier? Das hier ist doch..." Doch als Sesshoumaru seine Hand leicht erhob, schwieg er automatisch wieder.

Dann trat Sesshoumaru auf Kimie zu und gab ihr zu verstehen, dass sie ihm folgen sollte. "Ihr werdet hier warten.", wies er hingegen die anderen an. Kimie war zwar immer noch etwas irritiert, folgte ihm aber dennoch. Die beiden waren recht schnell aus der Sicht der anderen verschwunden.

Mürrisch verschränkte Inu Yasha die Arme vor der Brust. "Tse! Was bildet der sich ein, uns so rumzukommandieren?" Obwohl, ein wenig seltsam kam auch ihm das alles vor. Hatte Sesshoumaru vielleicht schon wieder irgendetwas vor?
 

Kimie folgte Sesshoumaru mit einem gewissen Abstand. Es war ihr nicht ganz klar, warum er ausgerechnet hier einen Stopp eingelegt hatte. Denn hier war die Gegend, in welcher sich das Dorf am Knochenfresserbrunnen befand. Diesen entdeckte Kimie auch letztendlich in einiger Entfernung. >Was soll das werden?<

In der Nähe des Brunnens blieb Sesshoumaru schließlich stehen. Kimie tat es ihm gleich. "Sesshoumaru, warum haben wir ausgerechnet hier angehalten?"

Doch zunächst antwortete er ihr nicht.

"Sag mir, hattest du wirklich vor, wieder fort zu gehen?", fragte er aber nach einem Moment in üblichem Ton zurück und drehte sich zu ihr um. "Du sagtest zu mir, du wolltest wieder zu dir nach Hause zurück. War das dein Ernst?"

Kimie schien nach erster Überraschung zu einer Antwort ansetzen zu wollen, doch wusste sie nicht so recht, was sie darauf hätte erwidern sollen. "Es war nur... Es ist so..." Aber sie brachte keinen vernünftigen Satz zustande.

Ohne ihn dabei anzusehen, ging Kimie nach einem Augenblick an Sesshoumaru vorbei auf den Brunnen zu und stützte ihre Hände auf dessen Rand ab. Gedankenversunken blickte sie in den dunklen Schacht hinab. Dann seufzte sie einmal und wandte sich wieder zu ihm um.

"Sesshoumaru, sag mir bitte die Wahrheit. Du hast mich zuerst gar nicht bemerkt, nicht wahr?" Als er nicht auf diese Frage antwortete, sondern sie nur fragend ansah, sprach sie weiter: "Ich spreche von dir und Touran. Dass ich euch gesehen habe, muss ich dir ja wohl nicht mehr sagen. Schließlich hast du mich am Ende ja doch noch bemerkt. Aber weißt du was?" Ihre Stimme war ein wenig leiser geworden. "Ehrlich gesagt, ich kann es dir noch nicht mal verübeln, wenn du was an Touran finden solltest. Eher im Gegenteil, ich verstehe dich. Schließlich... ist sie ja eine Dämonin. Sie ist vom gleichen Schlag wie du."

Sesshoumaru schwieg. Was hätte er dazu sagen sollen? Das nichts passiert war, und dass sie sich keine Gedanken machen sollte, weil alles ganz harmlos gewesen wäre? Das hätte sich eher wie der blanke Hohn angehört. Denn zweifellos war die Sache bei weitem nicht so harmlos gewesen. Auch, wenn die Initiative von Touran ausgegangen war, er hatte sie schließlich nicht gleich am Anfang von sich gewiesen, und ob er letztendlich doch schwach geworden wäre und sich auf potenzielle weitere Annäherungsversuche eingelassen hätte, vermochte er selbst nicht genau zu sagen, und das machte ihn wütend. Vom Verstand her hätte er natürlich mit "Nein" geantwortet, aber wie stand es um seinen Instinkt? Auf einer derart niedrigen Stufe konnte er doch nicht stehen, dass er plötzlich bei jeder Frau schwach wurde, die seinen Weg kreuzte! Gut, vielleicht war das ein wenig übertrieben gewesen, aber allein die Tatsache, dass er Touran so nah an sich heran gelassen hatte, war ein Unding gewesen. Er hätte sie gleich von sich weisen sollen, als sie damit begonnen hatte, ihn mit ihren Worten zu verwirren. Oder hatte es gar etwas damit zu tun gehabt, dass Kimie ihm zuvor noch selbst gesagt hatte, dass sie einen Schlussstrich hatte ziehen wollen? Hatte er sie in seinem Unterbewusstsein also bereits "abgehakt", um sich anschließend der nächsten Frau zuzuwenden? Wenn dem so war, hatte er Kimie aber nicht dennoch hintergangen? Immerhin war sie zu diesem Zeitpunkt noch in seiner Nähe gewesen, sie hatte noch keinen endgültigen Schlussstrich gezogen. Je mehr Sesshoumaru über all das nachdachte, umso weniger fand er eine klare Antwort auf seine Fragen.

Kimie hingegen schien die ganze Zeit darauf zu warten, dass er etwas sagte, doch er tat es nicht. Warum? Vielleicht, weil er wirklich mehr von Touran hielt, als er es vielleicht zugeben mochte? Oder fand er einfach nicht die passenden Worte, um ihr sein Verhalten zu erklären? Zwar konnte Kimie sich nicht vorstellen, dass er sie jemals absichtlich hintergehen würde, aber hätte er es dennoch getan? Wobei, sie hatte ihm ja im Grunde freie Hand gelassen, denn dass sie diese Geschichte lieber hatte beenden wollen, hatte sie ihm zuvor noch selbst gesagt. Eigentlich hätte sie so gesehen gar nicht das Recht, ihm irgendwelche Vorwürfe zu machen, sie hatte ihn ja praktisch "freigegeben". Vielleicht war es einfach nur der Gedanke gewesen, dass er sich so schnell anderweitig "trösten" konnte, der sie so sehr beschäftigte. Denn sollte sie von ihm erwarten, dass er ewig an ihr festhalten würde, auch, wenn sie mal irgendwann nicht mehr da sein würde? Das konnte und wollte Kimie nicht. Doch je länger sie überlegte, umso mehr schien sie den Eindruck zu bekommen, dass es keinen wirklichen Weg aus diesem Dilemma zu geben schien. Aber wie war es überhaupt erst dazu gekommen?

"Warum gerade ich?", fragte sie schließlich, wenn auch mit abgewandten Blick. "Wie bist du gerade auf mich gekommen? Ich meine... ich bin schließlich nur ein Mensch. Ich habe weder besondere Fähigkeiten, noch bin ich besonders stark oder sonst was. Du hingegen bist ein Youkai und obendrein der Herr der westlichen Länder. Dir stehen alle Türen offen, du könntest alles mögliche haben. Und außerdem..." Sie stockte kurz, ehe sie leise weiter sprach: "...außerdem mache ich dir doch immer nur Schwierigkeiten..."

Kimie dachte an die vielen Male zurück, in denen Sesshoumaru ihr das Leben gerettet hatte. Wie oft hatte er sie bereits beschützt, hatte Rücksicht auf sie genommen und sich für sie gar in Gefahr begeben?

"Ja, es mag wohl stimmen...", sprach sie letztendlich weiter. "Ich wäre wohl wirklich wieder nach Hause gegangen. Ich dachte, es wäre besser so. Auch für dich..."

Sesshoumaru hatte bisher bewusst nichts gesagt. Er wollte einfach wissen, was in Kimies Gedanken vorging. Offensichtlich war sie in so mancher Hinsicht nicht weniger verwirrt und unschlüssig als er selbst, jedoch konnte er dies wie üblich gut verbergen. Ihr hingegen sah man es stets an, wenn sie etwas beschäftigte. Sie konnte sich eben nicht gut verstellen und schon gar nicht, was solche Dinge betraf.

So, wie Kimie im Augenblick vor ihm stand, mit gesenktem Blick, dass ihr Gesicht leicht von ihren Haaren verdeckt wurde, ergriff Sesshoumaru aber nun doch wieder das Wort: "Das ist es, was euch Menschen so schwach und verwundbar macht. Ihr macht euch wegen jeder Kleinigkeit gleich derartig große Gedanken, dass ihr darüber hinaus alles andere aus den Augen verliert." Der irritierte Blick, dem sie ihm daraufhin zuwarf, entging ihm natürlich nicht, als er nach dieser Ansage an sie herantrat. "Aber du hast Recht. Du machst mir in der Tat nur Schwierigkeiten und bringst mich dazu, Dinge zu tun, die ich unter normalen Umständen nie tun würde." Und bevor sie eventuell etwas darauf erwidern konnte, hatte er sie plötzlich an den Schultern ergriffen, an sich gezogen und küsste sie.

Kimie riss zuerst vor lauter Überraschung die Augen weit auf. Mit dieser Aktion hatte Sesshoumaru sie vollkommen überrumpelt, aber dann schloss sie genüsslich die Augen und ließ sich doch noch voll und ganz auf den Kuss ein. Aber diesmal war es irgendwie anders. Erst recht, als sie seine Zunge vorsichtig über ihre Lippen fahren spürte. Als sie ihren Mund leicht öffnete, hatte er sich bereits Einlass verschafft. Kimie schlug das Herz regelrecht bis zum Hals. Einerseits war sie verwirrt und wusste nicht, was plötzlich in Sesshoumaru gefahren war. Denn bisher waren seine Küsse eher dezent gewesen. Aber andererseits konnte es ihr im Moment auch völlig egal sein. Stattdessen wollte sie dieses Gefühl einfach nur genießen.

Schließlich löste sich Sesshoumaru wieder von ihren Lippen, ließ seine Arme jedoch um Kimie geschlungen. Es war in diesem Augenblick einfach so über ihn gekommen, als er mit seiner letzten Aussage wieder an das gedacht hatte, was er tun wollte. Nein, das war der falsche Ausdruck gewesen... Was er tun MUSSTE, traf es eher. Die letzten Ereignisse hatten ihm deutlich vor Augen geführt, wie gefährlich der Kampf gegen Akuma und seinen Clan wirklich sein konnte. Fast hätte er Kimie verloren, nachdem sie bereits den Ryû-Youkai in die Hände gefallen war. Akuma hatte es sogar gewagt, sie zu verletzen. Obwohl Sesshoumaru sich geschworen hatte, Kimie zu beschützen, war es ihm dieses Mal nicht gelungen. Trotzdem wollte er an seinem Schwur festhalten. Und eben weil er sie beschützen musste, sah er nur einen Weg, wie er das wirklich sinnvoll tun konnte.

Sesshoumaru löste sich wieder aus der Umarmung und sah Kimie plötzlich mit diesem eigenartig ernsten Gesichtsausdruck an. "Kehre zurück!"

Verwirrt schaute sie ihn an, als hätte sie ihn eben nicht richtig verstanden. "Was?"

"Kehre zurück in deine Zeit und komm nicht wieder her!"

Wie eindringlich er diesmal gesprochen hatte... Kimie trat verunsichert einen vorsichtigen Schritt zurück. "Moment mal! Ich verstehe nicht..."

"Du gehörst nicht hierher!", fuhr Sesshoumaru ihr dazwischen, und indem er ihr stetig näher kam, trieb er sie gleichzeitig vor sich her, bis er sie dort hatte, wo er sie haben wollte. Sie stand ja schon praktisch neben dem Brunnen und stieß jetzt sogar an diesen an. Dabei sprach er die ganze Zeit weiter: "Du hast hier nie hingehört, also kehre wieder dorthin zurück, wohin du gehörst und wohin du ohnehin zurückkehren wolltest! Dein Platz ist nicht in dieser Welt und auch nicht in dieser Zeit! Verschwinde von hier!!" Und damit stieß er sie in den Brunnenschacht.

"Aber...! Aaah!!" Kimie fiel nach hinten in den Brunnen. Das Echo ihres Schreis verhallte schon nach kurzer Zeit, trotzdem hörte Sesshoumaru es noch wie nachhaltig in seinen Gedanken. Er machte sich nicht mal die Mühe, in den Schacht hinab zu blicken. Er wusste ja schließlich wohin dieser sie führen würde, und das war auch gut so gewesen. Sein Blick senkte sich leicht.

>Geh. Geh, wohin du gehörst...<
 

Der Schrei war bis zu den zurückgebliebenen Gefährten vorgedrungen. Im ersten Moment vermochte jedoch keiner von ihnen zu sagen, was passiert war.

"Habt ihr das eben gehört? Das war Kimie!" Sofort lief Kagome los, dich gefolgt von den anderen. Als der Knochenfresserbrunnen in ihre Sichtweite kam, stand nur noch Sesshoumaru dort. Kimie hingegen war fort, praktisch wie vom Erdboden verschluckt. Die anderen ahnten zwar, was passiert war, aber wie war es dazu gekommen?

"Sesshoumaru! Was ist passiert?", fragte Ashitaka seinen Cousin sofort.

Als er mitbekam, wie sie alle bei ihm angekommen waren, drehte sich Sesshoumaru zu ihnen um. Sein Blick richtete sich sofort auf Kagome, und ohne überhaupt auf Ashitakas Frage einzugehen, befahl er ihr mit strenger Stimme: "Du! Wage es nicht, sie je wieder hierher zu bringen! Und für euch alle gilt ab sofort, euch nicht mehr in unsere Angelegenheiten einzumischen! Das ist unser Krieg und der geht euch nichts mehr an!"

"Wie bitte?!" Inu Yasha starrte seinen Bruder nur fassungslos an. "Sag mal, woher kommt denn das jetzt schon wieder? Steckst du wieder in einer deiner Krisen oder was soll das werden?!"

Aber Sesshoumaru ignorierte den Hanyou praktisch gänzlich und schritt nur wortlos an ihn und dessen Gefährten vorbei. "Wir gehen", wies er hingegen seine eigenen Leute an, ohne dabei jedoch stehen zu bleiben.

Ashitaka, Tôya und Subaru sah man die Unschlüssigkeit an, doch was sollten sie tun? Es schien ihnen zwar nicht zu gefallen, doch kamen sie Sesshoumarus Anweisung letztendlich nach.

"Tut mir Leid, Freunde...", entschuldigte sich Ashitaka noch bei Inu Yasha und den anderen, ehe er sich mit seinen Kameraden an Sesshoumarus Fersen heftete. Zurück blieb die Gemeinschaft um den Hanyou und Kagome, die das eben Geschehene noch immer nicht so wirklich begreifen konnten.

"Was hat das jetzt wieder zu bedeuten?", fragte sich Sango irritiert. "Ich dachte, es wäre alles wieder geklärt, aber das..."

Miroku warf einen Blick auf den Brunnen. "Tja, so wie es scheint, hat Sesshoumaru Kimie wieder zurückgeschickt." Denn dass sie freiwillig in den Brunnen gesprungen war, konnten sie alle wohl mit ziemlicher Sicherheit ausschließen.

Angesichts dessen, was gerade passiert war, blickte Shippou ratlos von einer Person zur anderen. "Und... was machen wir jetzt?" Eine Antwort auf diese Frage erhielt der kleine Kitsune aber auf die Schnelle nicht.
 

Sesshoumaru unterlag beinahe der Versuchung, noch einmal zu dem Brunnen zurückzuschauen. Aber da er wusste, dass direkt hinter ihm Ashitaka, Tôya und Subaru gingen, nahm er sich zusammen. Er drehte sich auch dann nicht um, als sein Cousin ihn erneut ansprach: "Sesshoumaru, jetzt warte doch mal! Warum hast du das getan? Warum hast du Kimie-chan wieder in ihre Zeit zurückgeschickt und Kagome-chan verboten, sie wieder mit hierher zu bringen?"

Sesshoumarus Antwort klang wie üblich gefasst: "Bei unserem bevorstehenden Kampf kann ich sie nicht gebrauchen. Sie würde nur störend im Weg herumstehen."

"Aber ich dachte, dass du..."

"Das reicht jetzt!", fuhr Sesshoumaru Ashitaka plötzlich wütend an, dass dieser sofort verstummte und sogar reflexartig stehen geblieben war. "Ich will kein Wort mehr darüber hören, verstanden?!" Unbeirrt setzte er seinen Weg anschließend fort.

Ashitaka stand zusammen mit Tôya und Subaru hingegen noch immer auf der selben Stelle.

"Was war denn das eben? So habe ich ihn ja noch nie erlebt", stellte Tôya etwas irritiert fest. Denn in der Tat passte es nicht gerade zu Sesshoumaru, derart schnell die Beherrschung zu verlieren und gleich so fauchend auf etwaige Fragen zu antworten. Wobei, er hatte ja nicht mal wirklich schlüssig geantwortet, sondern Ashitaka regelrecht den Mund verboten.

Ungeachtet der Irritation seiner Mitstreiter, verschwendete Sesshoumaru keine großen Gedanken an der Richtigkeit seines Tuns. Er hatte keine andere Wahl gehabt. Das ist in seinen Augen die einzige Möglichkeit gewesen, Kimie wirklich effektiv zu beschützen; indem sie ferngehalten wurde von diesen Kämpfen. Nicht nur von denen gegen die Ryû-Youkai oder auch gegen Naraku, sondern von allen Kämpfen. Insgeheim wünschte er sich sogar, Rin auf die selbe Art und Weise vor dem Krieg bewahren zu können, aber das war nicht möglich gewesen. Also musste Sesshoumaru wie bisher auch seine Kraft dafür einsetzen, sie zu beschützen. Denn egal, was noch kommen würde, Rin sollte auf keinen Fall etwas zustoßen! Er würde nicht noch einmal versagen. Denn auch, wenn Akuma Kimie nicht wirklich etwas angetan hatte, er hätte es jederzeit tun können und er, Sesshoumaru, hätte keine Chance gehabt, ihn daran zu hindern. Noch einmal würde er Akuma nicht diese Gelegenheit bieten! Er würde sich nicht noch einmal von ihm auf eine derartige Art und Weise vorführen lassen! Und obwohl Sesshoumaru nach wie vor glaubte, richtig gehandelt zu haben, er konnte es dennoch nicht verhindern, dass ihn nun dieses merkwürdige Gefühl überkam. Als hätte man ihm etwas genommen...
 

In der Zwischenzeit war Kimie auf der anderen Seite des Brunnens aus diesem herausgeklettert und saß nunmehr mächtig angefressen auf dem Brunnenrand. Vor Wut regelrecht schäumend, hatte sie große Mühe dabei, nicht laut loszubrüllen. "So eine Frechheit! Erzählt der erst so ein komisches Zeug, dann pflaumt der mich doch allen Ernstes so dermaßen an und dann stößt er mich auch noch einfach so in den Brunnen!? Nee, mein Freund! So leicht mach' ich dir das nicht! Ich geh zurück und geig' dir mal ordentlich die Meinung!"

Und ohne Umschweife drehte sich Kimie sogleich auf dem Brunnenrand um, und stieß sich von diesem ab. Eigentlich erwartete sie, dass sie wie gewohnt dieses Gefühl der Schwerelosigkeit ergriff, aber davon war diesmal gar nicht zu spüren gewesen, als sie sich dem Boden näherte. Unten angekommen zog sich sofort dieses unangenehme Ziehen durch ihre Knöchel zu ihren Beinen hoch.

"Ungh... Autsch... Das war wohl eine Zerrung..." Kimie ließ sich nach vorne auf die Knie fallen. "Komisch... Ich kann mich nicht daran erinnern, schon mal so vergleichsweise hart aufgekommen zu sein. Hm?"

Als sie nach oben sah, verharrte sie einen Augenblick lang wie versteinert auf der Stelle. Da war nicht der bekannte blaue Himmel gewesen, wie sie ihn nach den erfolgreichen Zeitsprüngen durch den Brunnen stets als erstes gesehen hatte, sondern...

"Aber... das ist ja die Decke des Schreins! Das heißt, das hier ist immer noch die Neuzeit...!?", erkannte Kimie erschrocken und ihr Blick richtete sich auf den Boden. "Aber... warum bin ich denn noch hier? Wie...? Ah!" Da fiel es ihr mit einem Mal wie Schuppen von den Augen. "Oh nein! Ohne einen Juwelensplitter oder Kagomes Hilfe kann ich ja überhaupt nicht in die Sengoku-Ära zurückkehren! So ein verdammter Mist! Was soll ich denn jetzt machen?"

Das hatte Kimie in ihrem Übereifer vollkommen vergessen. Was sollte sie jetzt machen? Sie brauchte unbedingt Kagomes Hilfe!

Plötzlich bemerkte Kimie, wie sich im Brunnenschacht etwas tat. Vom Boden her strahlte ein schwaches Licht nach oben, in welchem sie nach einem Augenblick die Silhouette einer Person erkennen konnte. Als das Licht wieder verblasst war, stand Kagome neben ihrer Cousine. Diese war sogleich aufgesprungen. "Kagome! Ein Glück, dass du so schnell nachgekommen bist! Ich brauche deine Hilfe! Ich muss dringend mit Sesshoumaru sprechen!" Doch als Kimie Kagomes etwas verunsicherten Gesichtsausdruck erblickte, wurde sie skeptisch. "Was ist denn los? Ist was passiert?"

"Nun... Das erzähle ich dir wohl besser oben."
 

"Wie bitte?! Sesshoumaru hat euch einfach stehen lassen und dir hat er verboten, mich wieder in die Sengoku-Ära mitzunehmen?!"

Kagome nickte. "Ja. Er sagte, wir sollen uns nicht mehr einmischen."

Kimie wollte es immer noch nicht glauben. Gerade hatte sie von Kagome erfahren, was sich im Nachhinein noch zugetragen hatte, aber wirklich begreifen konnte sie es nicht. "Das ist doch wohl... Was denkt der sich plötzlich bei alldem? Was ist nur in ihn gefahren?"

Kagome, die die Entrüstung ihrer Cousine deutlich spürte, hatte schon so eine Vermutung bezüglich Sesshoumarus Motiv für sein Handeln gehabt. Nach einem Augenblick versuchte sie, Kimie ihre Sicht der Dinge mitzuteilen: "Weißt du, ich glaube ja, er hat das deinetwegen getan. Er wollte dich vermutlich nur beschützen."

Kimie wirkte irritiert. "Wie meinst du das?"

"Weißt du, Inu Yasha hat mal das Gleiche bei mir gemacht", erklärte Kagome. "Er hat mir sogar meine Juwelensplitter weggenommen, damit ich nicht wieder in die Sengoku-Ära zurück konnte. Trotzdem habe ich es irgendwie geschafft, wieder zurückzukommen. Wie dem auch sei, ich denke, Sesshoumaru hat wohl aus den selben Beweggründen heraus gehandelt, wie Inu Yasha damals. Er will nicht, dass du weiter an diesen Kämpfen teilnehmen musst und eventuell wieder in Gefahr gerätst." Nachdem sie geendet hatte, riskierte Kagome einen vorsichtigen Blick auf ihre Cousine. Diese hatte sich inzwischen in nachdenkliches Schweigen gehüllt. "Was... willst du jetzt machen, Kimie?"

Aber Kimie musste für sich feststellen, dass sie das momentan beim besten Willen nicht zu sagen vermochte.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Unabhängig davon, dass Sesshoumaru Kimie erfolgreich hatte befreien können, ließ sich Akuma von dieser Sache nicht wirklich aus der Ruhe bringen. Mit kleineren Rückschlägen musste man schließlich immer wieder mal rechnen, allerdings bereitete ihm seit geraumer Zeit etwas anderes leichtes Kopfzerbrechen. Takeshi war noch immer nicht ins Schloss zurückgekehrt und dabei war er schon ziemlich lange fort gewesen.

Nachdem er sich nicht länger damit begnügen wollte, zu warten, suchte Akuma Yu auf. Ihm müsste es eigentlich möglich gewesen sein, Takeshis momentanen Aufenthaltsort zu ermitteln.

An den Privaträumen seines Gefolgsmannes eingetroffen, verschaffte sich Akuma nach einem kurzen Anklopfen Zutritt in die Räumlichkeiten. Yu stand mit dem Rücken zu ihm und hatte den Blick zum geöffneten Fenster hinaus gerichtet.

"Yu, ich will, dass du etwas für mich in Erfahrung bringst. Es geht um Takeshi", erklärte Akuma sofort ohne große Reden.

Yu drehte sich mit undurchschaubarer Miene zu seinem Herrn um. "Genau aus diesem Grund hätte ich Euch auch in naher Zukunft aufgesucht, Akuma-sama, doch nun kamt Ihr mir zuvor."

Auf Akumas Gesicht spiegelte sich ein Funken Unsicherheit wieder. "Was soll das heißen?"

"Ich bedaure, es nicht schon früher bemerkt zu haben, aber Euer Bruder... Takeshi-sama wird nicht hierher zurückkehren können."

Trennungsschmerz

Zwei volle Tage waren mittlerweile vergangen. Neben Kagomes Familie hatten auch Kimies Eltern, die bisher noch nicht nach Kyôto zurückgekehrt waren, von den letzten Ereignissen erfahren, wenn auch lediglich aus den Erzählungen von Kagome, denn Kimie hatte sich mehr als heftig dagegen gesperrt, etwas dazu zu sagen. Stattdessen hatte sie sich am ersten Tag nur in ihrem Zimmer aufgehalten und war am zweiten dazu übergegangen, sich vor den Fernseher zu pflanzen und sich massig irgendwelche DVDs rein zu hauen. Auf etwaige Fragen von Kagome oder einem anderen antwortete sie so weit dies möglich gewesen war, entweder nur mit "Ja" oder "Nein" oder sie zuckte mit den Achseln und schwieg gänzlich. Auch jetzt, während sie den Blick nur gedankenverloren auf den Fernsehbildschirm gerichtet hatte. Vom Flur aus spähte indes der Rest der Familie in das Wohnzimmer.

"Sie schaut sich schon den ganzen Tag diese komischen Filme an. Aber immer nur ein paar Szenen", bemerkte Souta flüsternd.

Kagome schaute fragend zu ihrem Bruder runter. "Was sind das denn für Filme?"

Ihr kleiner Bruder deutete auf einen DVD-Haufen, der unmittelbar neben der Tür im Wohnzimmer lag. Kagome las leise einige Titel vor und sie alle handelten ausschließlich von irgendwelchen Romanzen, die eigentlich schon die Grenze zum Kitsch überschritten.

Kagome schaute wiederum zu ihrer Cousine. Diese murmelte irgendein unverständliches Zeug in sich hinein, was für die anderen nicht zu ergründen gewesen war, aber anhand der Tonlage ihrer Stimme war zu erahnen gewesen, dass Kimie in ihrem Inneren einerseits vor Wut kochte, sich aber andererseits darin zurückhielt, ihrem Unmut Luft zu machen.

"Lassen wir sie besser in Ruhe", meinte Kimata letztendlich an die Familie gerichtet. "Im Moment können wir eh nichts machen. Und ich denke, selbst wenn wir versuchen würden, mit ihr zu sprechen, sie würde sich nicht darauf einlassen."

"Aber so können wir sie doch nicht allein lassen!", warf Akie ein. Denn heute war der Tag gewesen, an dem sie und ihr Mann wieder nach Kyôto zurückfliegen wollten. Zwar war bis dahin noch etwas Zeit gewesen, allerdings war Akie überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken gewesen, gerade heute gehen zu müssen.

Natürlich konnte Kimata die Bedenken seiner Frau nachempfinden, doch wollte er Kimie noch ein wenig Zeit lassen, ehe sie sich eventuell doch noch dazu bereit erklärte, mit ihren Eltern zu sprechen. Ähnlicher Ansicht waren auch Kagome und ihre Familie gewesen und so verzogen sie sich alle nach einem Augenblick wieder, während Kimie weiterhin im Wohnzimmer verblieb.
 

So ging das noch die nächsten drei Stunden. Im Grunde hatte Kimie die Handlung der Filme, die sie sich bisher eingeworfen hatte, eher nur sporadisch mitverfolgt und so langsam hatte sie auch keinen wirklich Bock mehr darauf, nur herumzusitzen und auf den Fernsehbildschirm zu starren. Also gestattete sie den Geräten nun eine Pause und verließ das Wohnzimmer. In diesem Moment klingelte es an der Tür. Kimie vermutete dahinter vielleicht irgendjemanden, der Werbeprospekte oder dergleichen verteilte und wollte zuerst gar nicht aufmachen. Aber schon wurde das Klingeln energischer, bis es gar kein Ende mehr fand. Genervt stapfte sie zur Tür und riss sie auf. "Verdammt noch mal! Was soll das werd...?!"

"Hallo, Kimie!", unterbrach Inu Yasha das Mädchen bei dessen Beschwerde, als wäre es das normalste von der Welt.

Anfangs war Kimie schon etwas überrascht, hatte sie schließlich nicht damit gerechnet, dass der Hanyou hier aufkreuzen würde. Warum klingelte er überhaupt an der Tür, anstatt einfach reinzukommen, wie sonst auch?

Kimies anfängliche Verärgerung wich wieder, trotzdem hielt sich ihre Begeisterung eher in Grenzen.

"Ach, du bist's nur, Inu Yasha..."

"Also, etwas mehr Begeisterung hätte ich ja schon erwartet", entgegnete Inu Yasha trocken.

Kimie winkte wie beiläufig ab. Es hatte ja nichts mit ihm zu tun gehabt, dass sie im Moment nicht gerade freudig gestimmt war. Stattdessen rief sie nun in den ersten Stock hoch: "Kagome! Inu Yasha ist hier!"

Wenige Augenblicke später tauchte Kagome oberhalb der Treppe auf. "Inu Yasha! Was machst du denn hier?"

"Was wohl? Ich wollte dich abholen", antwortete der Hanyou und betrat das Haus.

Kagome kam die Treppen runter und warf einen flüchtigen Seitenblick auf Kimie. "Inu Yasha... Das ist im Moment wirklich nicht der passende Moment, um mit so was anzukommen."

"Aber wenn ich nicht zu dir komme, bleibst du ja bis in alle Ewigkeit weg!", versuchte sich Inu Yasha zu rechtfertigen. Währenddessen versuchte Kagome ihm die ganze Zeit mit allerhand Zeichen verständlich zu machen, dass er dieses Thema doch bitte nicht in Kimies Gegenwart so breittreten sollte. Aber Inu Yasha schien das Mädchen nicht ganz zu verstehen.

"Stimmt etwas nicht mit deinem Gesicht, Kagome? Warum schneidest du so komische Grimassen?"

Nach dieser dämlichen Frage raufte sich Kagome fassungslos die Haare. "Argh! Du bist doch echt ein Idiot! Osuwari!!"

Mit voller Wucht knallte Inu Yasha auf den hölzernen Fußboden. Aber ungeachtet dieses Vorfalls schob sich Kimie nun an Kagome vorbei und ging die Treppen hoch in den ersten Stock. "Ich geh auf mein Zimmer..."

"Oh... In Ordnung." Kagome folgte ihrer Cousine noch so lange mit ihrem Blick bis sie oberhalb der Treppe hinter einer Ecke verschwand.

Indes hatte Inu Yasha es geschafft, sich wieder aufzurappeln. "Sag mal, was sollte diese bescheuerte Aktion wieder?!"

Kagome funkelte ihn mahnend an. "Also, von dem Wort 'Taktgefühl' hast du nicht zufälligerweise schon mal etwas gehört, oder?"

"Was denn? Sag bloß, Kimie denkt noch immer über Sesshoumaru nach!? Warum denn? Der Typ ist es doch nun wirklich nicht wert! Sie soll doch lieber froh sein, dass sie ihn so gesehen endlich wieder los ist!"

Das Mädchen seufzte kopfschüttelnd auf. "Trotzdem... Was erwartest du von ihr? So einfach lässt sich so etwas nun mal nicht beeinflussen. Das müsstest DU doch eigentlich auch kennen. Oder warum sonst springst du jedes Mal gleich auf, wenn du nur den Namen von Kikyou hörst?"

Da wurde Inu Yasha abrupt still. Zwar suchte er nach einer passenden Erwiderung, aber irgendwie wollte ihm diese nicht einfallen. Und dann auch noch dieser stechende Blick, dem Kagome ihm gerade zuwarf... Der konnte einem schon fast Angst machen.
 

Kurz nach ihrer kleinen Auseinandersetzung mit Inu Yasha hatte Kagome Kimie in deren Zimmer aufgesucht, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Kimie saß auf ihrem Bett und hatte den Blick nachdenklich zum Fenster hinausgerichtet. Kagome war sich nicht sicher gewesen, was sie zu ihrer Cousine hätte sagen können, also hatte sich sie einfach nur stumm neben sie gesetzt. Einige Minuten waren seither so vergangen...

"Du musst nicht extra wegen mir hier bleiben, Kagome", sagte Kimie schließlich und wandte den Blick zu der Jüngeren um. "Geh ruhig mit Inu Yasha zurück zu den anderen, wenn du das möchtest."

Kagome war unschlüssig. "Aber... was ist mit dir?"

"Nun zerbrich dir mal nicht meinen Kopf. Wir müssen ja schließlich nicht beide hier herumsitzen, oder?"

Obwohl sich Kimie ein schwaches Lächeln abmühte, Kagome sah ihr an, dass sie wohl doch gerne mitgekommen wäre. Aber irgendetwas hinderte sie daran. Waren es die Erinnerungen an Sesshoumarus Worte gewesen oder aber mittlerweile vielmehr ihr eigener Wille?

Doch Kagome wollte ihre Cousine nicht etwa nach ihren Beweggründen für ihre Entscheidung ausfragen, sondern nickte nur einmal kaum merklich und verließ letztendlich wieder das Zimmer.

Kaum, dass die Tür hinter Kagome ins Schloss gefallen war, ließ sich Kimie auf ihr Bett niedersinken. Leise seufzte sie. Ihr Blick wanderte ziellos im Zimmer umher. Sie wusste selbst nicht, ob sie sich für sich selbst so richtig entschieden, aber was hätte sie sonst tun sollen? Zu jemanden zurückgehen, der nicht wollte, dass sie zu ihm kam? Wohl kaum...

>Tja... Sieht wohl so aus, als würde ich wirklich nicht mehr zurückgehen...<

Irgendwann schloss Kimie ihre Augen. >Nur ein wenig Ruhe...<, dachte sie, doch dämmerte ihr Bewusstsein bereits nach wenigen Minuten so langsam aber sicher weg...
 

Kimie fand sich auf einer Wiese nahe eines Waldes wieder. Es war ein heller, sonniger Tag und am blauen Himmel zogen nur vereinzelt ein paar Wolken vorüber.

Sie wandte ihren Blick zur Seite um und entdeckte in einiger Entfernung die Rückansicht eines Schlosses. Zuerst stutzte sie, doch dann erkannte sie es wieder: Es war Sesshoumarus Schloss gewesen!

>Ist das... ein Traum? Träume ich gerade?< Anders konnte sich Kimie das nicht erklären. Als sie sich umdrehte, richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf eine Person, die einige Meter von ihr entfernt mit einem Schwert trainierte. Es war ein Junge, von der Erscheinung her schätzungsweise vielleicht 16 oder 17 Jahre alt, aber er musste im Grunde weitaus älter gewesen sein, denn er war zweifelsfrei kein Mensch gewesen. Allein schon diese markanten, aufrecht stehenden Ohren, die aus seinem, zu einem hochgebundenen Zopf getragenen, weiß-silbernen Haar herauslugten, waren Beweis genug gewesen. Aber wer war das? Etwa Inu Yasha? Nein, das konnte nicht sein. Dieser Junge hier sah irgendwie anders aus. Sein Haar war nicht so lang gewesen wie das des Hanyou.

Als er sein Gesicht etwas mehr in ihre Richtung drehte, entdeckte Kimie auf seiner Stirn ein Symbol in Form eines dunklen Halbmondes, welches sich ein wenig unter einigen längeren Stirnfransen verbarg. Und diese Augen... Sie besaßen die selbe goldene Farbe wie Sesshoumarus, und auch sein Blick hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem des Youkai.

>Aber was...?< Kimie wollte etwas sagen, aber merkwürdigerweise brachte sie keinen einzigen Ton heraus, als hätte sie ihre Stimme verloren. Allerdings fiel ihr jetzt auf, dass sie trotz des hellen Sonnenscheins keinen Schatten auf den Boden warf. Auch konnte sie weder die wärmenden Sonnenstrahlen, noch den sanften Wind spüren, der vorüber zog. Nur anhand des Rauschens in den Blättern der Bäume nahm sie ihn überhaupt erst wahr. Es war, als wäre sie lediglich ein Geist, der auch von anderen nicht wahrgenommen werden konnte.

Kimie schaute wieder zu dem Jungen, der nach wie vor seine Schwertübungen machte. Er war darin so sehr vertieft, dass er offenbar gar nicht mitbekam, wie sich ihm nun jemand von hinten näherte. Und dieser jemand hatte bereits seinerseits ein Schwert gezogen und erhob dieses nun.

Kimie wollte aufgeschreckt etwas rufen, aber wiederum versagte ihre Stimme. Reflexartig wandte sie den Blick ab und hörte mit einem Mal das laute Aufeinanderprallen von zwei Schwertklingen. Als sie wieder aufschaute, sah wie, wie die beiden Kontrahenten ihre Klingen gekreuzt hatten. Aber anstatt, dass es wie vielleicht erwartet zu einem Kampf kam, ließen sie beide ihre Waffen gleichzeitig wieder sinken.

"Verflucht noch mal, Seiji! Ich habe dir doch schon oft genug gesagt, dass du dich nicht immer so anschleichen sollst!", wetterte der Erste nun spürbar aufgebracht, ohne dabei aber allzu laut zu werden.

Sein Gegenüber schulterte aber nur schelmisch lächelnd sein Schwert. "Dass du mich nie bemerkst, zeugt doch nur davon, wie gut ich das beherrsche. Oder aber, du bist schlichtweg zu unaufmerksam, Katô. Also, wenn Vater das wüsste..." Seiji schüttelte gespielt tadelnd den Kopf. Er wirkte in etwa so alt wie der andere Junge mit dem Namen Katô und hatte neben den selben aufrecht stehenden Ohren auch vom Gesicht her eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm. Seine Frisur war jedoch eher kurz gehalten, wobei insbesondere sein etwas wilder Pony mit den vereinzelten dunklen Strähnen besonders hervorstach und ihm ein gewisses freches Aussehen verlieh.

Beide trugen helle, kurzärmlige Kimonos, wobei Seiji im Gegensatz zu Katô keine Unterarmschoner trug, sondern Halbhandschuhe aus dunklem Leder.

Katô ließ leise seufzend seine Ohren ein wenig hängen, während er sein Schwert wieder in dessen Schwertscheide zurückschob. "Was soll dieses Theater? Hast du nichts Besseres zu tun?"

"Nicht wirklich, deshalb habe ich dich ja gesucht", grinste der Jüngere. "Ach! Übrigens, Nii-san... Ich soll dir von Vater ausrichten, dass du doch so rasch wie möglich zu ihm kommen sollst, aber er hat mir leider nicht gesagt, um was es geht. Machst du ihm etwa Kummer? Das wäre aber nicht gut, zumal du ja der Ältere von uns beiden bist und du weißt, was das heißt."

"Schon gut! Jetzt texte mich hier nicht so zu!", murrte Katô ein wenig genervt, sprach dann aber wieder ruhig und gefasst. "In Ordnung, ich gehe gleich zu ihm."

"Gut. Mutter wird übrigens auch dabei sein. Ich denke, ich leiste euch allen dann auch gleich noch Gesellschaft."
 

Schlagartig öffnete Kimie ihre Augen und setzte sich auf. Hastig blickte sie sich um, doch sie befand sich noch immer in ihrem Zimmer. Es war eigentlich alles wie immer gewesen. Ihre anfängliche Verwirrung wich langsam wieder von ihr.

"Oh Gott... Was für ein wirrer Traum..." Seufzend fuhr sich Kimie mit der Hand durch die Haare. Ein paar Minuten saß sie einfach nur so auf ihrem Bett. Dabei schwirrten ihr allerhand Gedanken durch den Kopf; über diesen Kampf gegen Akuma und seinen Clan, über die Probleme, die während des Aufenthaltes in Sesshoumarus Schloss entstanden waren und natürlich auch über Sesshoumaru selbst...

>Was soll ich nur tun? Ich habe absolut keine Ahnung, was ich machen soll...< Kimie stützte den Kopf auf die Knie. Was sollte sie nur machen? Dieser innere Drang, Sesshoumaru wieder sehen zu wollen, wurde mit einem Mal immer größer. Aber sie konnte nicht zu ihm gehen, selbst, wenn sie es wollte.

Ein plötzliches Klopfen an der Tür ließ Kimie aufhorchen. "Ja...?" Als sich die Tür öffnete, betraten ihre Eltern das Zimmer. "Paps... Mama..."

"Dein Vater und ich werden uns bald auf den Weg zum Flughafen machen, Kimie", begann Akie mit ruhiger Stimme zu erklären. "Das Taxi kommt in gut 30 Minuten. Wir wollten nur noch mal sehen, wie es dir geht, bevor wir gehen."

Kimie setzte ihre Füße wieder auf den Boden ab, blieb allerdings weiterhin auf dem Bett sitzen. "Es geht mir gut. Wirklich", versuchte sie ihre Eltern zu überzeugen, doch anhand von deren Gesichtsausdrücken war ihr das wohl nicht wirklich gelungen.

Während sich Akie nun neben ihre Tochter auf das Bett setzte, nahm Kimata auf dem Schreibtischstuhl Platz. "Kind, erzähl uns, was du willst, aber deine Mutter und ich haben es schon immer bemerkt, wenn es dir nicht gut ging."

Kimie senkte den Blick. "Aber ich..." Sie spürte, wie ihre Mutter den Arm um sie legte.

"Kimie, es tut dir nicht gut, wenn du dich verkriechst. Wenn du den Wunsch verspürst, noch einmal mit Sesshoumaru zu reden, dann solltest du das tun. Ansonsten könnte es sein, dass du es irgendwann bereuen wirst, nichts getan zu haben, auch, wenn du im Moment vielleicht selbst ein wenig wütend auf ihn bist." Akie ließ eine kurze Pause entstehen. "Zugegeben, anfangs war ich ihm gegenüber zwar sehr misstrauisch und auch skeptisch, aber seine Geste dir gegenüber zeugt doch von sehr viel gutem Willen."

Ihre Tochter schaute wieder auf. "Hm?"

"Ich meine, dass er dich hierher zurückgeschickt hat und nicht möchte, dass du wieder zu ihm zurückkommst... Das mag zwar eigenartig klingen, aber das zeigt doch, was er für dich fühlt. Er will dich in Sicherheit wissen, auch, wenn er das dir gegenüber so wohl nicht gesagt zu haben scheint."

"Wörtlich hat er sogar gesagt, ich solle verschwinden. Das nenn' ich mal eine ordentliche Abfuhr...", sagte Kimie und man hörte deutlich das Trotzige in ihrer Stimme.

"Nun, das scheint eben seine Art zu sein", meinte Kimata nun. "Überhaupt, viele Männer verstecken ja ihre wahren Gefühle und geben sich nach außen hin meist ganz anders, wie sie sich eigentlich fühlen. Gut, Sesshoumaru hätte dir auch einfach sagen können, dass er nur dein bestes will, aber... So, wie ich ihn bisher kennen gelernt habe, würde das nicht wirklich zu ihm passen. Oder wie siehst du das?"

Ein wenig unschlüssig schaute Kimie ihren Vater an. Damit hatte er schon irgendwie Recht gehabt, das hätte wirklich nicht Sesshoumarus Wesen entsprochen. Kimie spürte, wie ihre Mutter sie sanft an sich zog, sodass sie mit ihrem Kopf an deren Schulter lehnte.

"Kimie, dein Vater und ich, wir wollen uns eigentlich gar nicht so sehr in diese Geschichte einmischen, sondern dir nur sagen, dass du nicht unbedingt auf das hören musst, was dir dein Kopf sagt. Höre lieber auf dein Gefühl und handle dementsprechend. Ich bin mir sicher, du wirst die richtige Entscheidung treffen."

Stumm hatte Kimie den Worten ihrer Mutter zugehört und ließ sie sich alles noch einmal durch den Kopf gehen. Dann schaute sie zu ihrem Vater, der ihr mit einem aufmunternden Lächeln zunickte. Auch Kimie lächelte nun leicht. "Mama... Paps... Vielen Dank!" Dankbar legte sie ihre Arme um ihre Mutter.

"Eine wirklich faszinierende Geschichte, wenn man sich das so betrachtet", meinte Kimata auf einmal. "Du musst mir bei Gelegenheit unbedingt mal alles ganz genau erzählen, Kimie. Jede Einzelheit! Ich bin mir sicher, einiges könnte ich durchaus für mein nächstes Buch verwenden."

Auf diese Ansage hin warfen sich Kimie und ihre Mutter kurz irritierte Blicke zu.

"Aber Paps... Du schreibst doch Krimis!", gab Kimie zu bedenken, aber ihr Vater winkte ab.

"Na und?", lachte er mit einem Achselzucken. "Dann erweitere ich halt einfach mein Fachgebiet."

Und während Kimie noch ein wenig verunsichert dreinblickte, seufzte Akie leise auf. "Kimata..."
 

Bevor ihre Eltern sich auf den Weg zum Flughafen gemacht hatten, hatte Kimie sich noch von ihnen verabschiedet. Das war mittlerweile eine gute halbe Stunde her gewesen, seither hatte sie regungslos vor dem Brunnen im Schrein gestanden und starrte in den Schacht hinein.

>Was zum Teufel mache ich hier überhaupt? Ich kann doch eh nicht aus eigener Kraft wieder in die andere Epoche zurückkehren. Obwohl...<

Kimie umkreiste den Brunnen einmal, stützte sich hin und wieder auf dem Rand ab, und ging dann wieder weiter. Irgendwann kletterte sie an der kleinen Leiter im Schacht hinunter bis sie den Boden erreicht hatte. Prüfend scharrte sie mit dem Fuß in der Erde herum, doch es hatte sich nichts getan. "Wusste ich's doch..."

Der Versuch war für die Katz' gewesen. Seufzend lehnte sich Kimie mit dem Rücken an die Wand des Brunnens. Je länger sie überlegte, umso mehr schwirrte ihr der Kopf.

Nach einer Weile kniete sie sich auf den Boden und strich langsam mit der flachen Hand über die Erde im Brunnen. Im Grunde trennte sie kaum ein Katzensprung von der Sengoku-Ära, aber sie konnte nicht zurück.

Kimie dachte an das Gespräch mit ihrem Eltern zurück. Erst dadurch hatte sie eigentlich den Entschluss gefasst, diesen Schritt zu tun, doch wie sollte sie jetzt weitermachen? In diesem Augenblick fiel ihr wieder das ein, was Sesshoumaru zuletzt zu ihr gesagt hatte: //Du gehörst nicht hierher! Du hast hier nie hingehört, also kehre wieder dorthin zurück, wohin du gehörst und wohin du ohnehin zurückkehren wolltest! Dein Platz ist nicht in dieser Welt und auch nicht in dieser Zeit! Verschwinde von hier!!//

Wie unter einer Ohrfeige kniff sie die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. >Ich kann das nicht! Es tut mir Leid, aber ich kann nicht hier bleiben! Ich will zu dir zurück!<

Kimie wollte wieder zurück! Um jeden Preis! So sollte es nicht enden! So DURFTE es nicht enden!

"Bitte!", flehte sie den Brunnen inständig an. "Nur dieses eine Mal! Bitte gib mir die Chance, wieder zurückzukehren! Ich muss wieder zurück! Bitte!!" Noch ein paar Mal wiederholte sie ihren Wunsch in Gedanken, konzentrierte sich nur einzig und allein darauf. Aber als sich auch nach einigen Augenblicken nichts tat, war sie schon kurz davor gewesen, aufzugeben.

"Bitte...", flüsterte sie noch einmal kaum hörbar.

Plötzlich schreckte Kimie hoch und blickte auf ihre Hüfte, an welcher ihr Schwert hing. Sie hätte schwören können, ein leichtes Pulsieren gespürt zu haben. Als sie die Klinge ein wenig aus der Schwertscheide zog, leuchtete diese in einem schwachen Licht auf. Kurz darauf war Kimie so, als würde der Boden unter ihr langsam aber sicher nachgeben. "Was... was ist denn jetzt los?!"
 

Indes saß Kagome im Beisein ihrer Freunde auf dem Brunnenrand und dachte intensiv noch einmal über alles nach. Neben ihr saß Inu Yasha, während Sango, Miroku und Shippou vor den beiden im Gras Platz genommen hatten. Kirara lag auf Sangos Schoß.

Da ihm die gedrückte Stimmung aber irgendwann nur noch aufs Gemüt schlug, ergriff Inu Yasha letztendlich das Wort: "Warum bringst du Kimie nicht einfach wieder mit her, Kagome? Gib doch nichts auf Sesshoumarus bekloppte Drohung! Der kann dir eh nichts, dafür werde ich schon sorgen!"

"Darum geht es nicht, Inu Yasha", erwiderte Kagome mit leicht gesenktem Blick. "Aber Kimie scheint inzwischen sogar selbst nicht mehr daran interessiert zu sein, wieder hierher zurückzukommen."

"Aber warum denn?", fragte Shippou verunsichert. "Will sie uns etwa auch nicht mehr sehen?"

"Das wird wohl nicht das Problem sein, Shippou", meinte Miroku. "Es mag vielmehr mit dem zusammenhängen, was Sesshoumaru ihr gesagt hat. Wobei ich mir aber auch sehr gut vorstellen kann, dass Kimie im Moment ziemlich hin- und hergerissen sein dürfte. Auf der einen Seite will sie sicherlich gerne wieder zurückkommen, aber auf der anderen Seite kann sie das nicht wegen Sesshoumaru."

"Aber ich dachte, sie liebt ihn."

"Das tut sie ganz sicher auch, aber es war ja schließlich eben auch Sesshoumaru, der ihr ausdrücklich gesagt hat, sie solle nicht wieder zurückkommen. Auch, wenn er dabei nicht gerade behutsam vorgegangen ist, so mag Kimie mittlerweile dennoch eingesehen haben, dass er es eigentlich nur gut gemeint hat. Nur so kann er sie wirklich von den Gefahren dieser ganzen Kämpfe fernhalten."

"Aber gelang es Rokou denn nicht letztens, ebenfalls durch den Brunnen in Kagome-chans und Kimie-chans Zeit zu gelangen?", gab Sango zu bedenken. Denn unter Einbeziehung dieses Aspektes war ihr der genaue Sinn von Sesshoumarus Aktion nicht mehr so wirklich klar. Denn er hatte es doch sogar selbst mitbekommen, wie Rokou mit der Kraft eines Juwelensplitters den Brunnen hatte benutzen können.

Miroku verschränkte ernst die Arme vor der Brust. "Das mag stimmen, aber vielleicht denkt Sesshoumaru ja, dass, wenn er die Verbindung zu Kimie so gesehen endgültig kappt, hat Akuma keinen Grund mehr, ihr nachzustellen. Und solange Akuma auch gar nicht weiß, dass Kimie wieder in ihrer Zeit ist, droht ihr so gesehen auch keine Gefahr."

"Aber er müsste doch irgendwann dahinter kommen."

"Möglich, aber was das angeht, kann wohl nur Sesshoumaru genaueres dazu sagen."

Sango richtete nachdenklich den Blick zu Boden. Kirara gab einen leisen maunzenden Laut von sich, als wollte sie ebenfalls etwas dazu sagen. Behutsam streichelte die Dämonenjägerin ihrer kleinen Gefährtin den Rücken.

Von Kagomes Seite hörte man letztendlich ein kurzes Seufzen, ehe sie aufstand. "Ich geh am besten nach Kimie schauen und rede noch mal mit ihr."

"Soll ich mitkommen?", fragte Inu Yasha sofort, aber das Mädchen schüttelte den Kopf.

"Das brauchst du nicht, Inu Yasha. Aber trotzdem danke." Gerade hatte sich Kagome über den Brunnen gebeugt und wollte in den Schacht hineinspringen, als sie plötzlich und ohne vorher etwas mitbekommen zu haben mit dem Kopf heftig gegen etwas stieß und sogleich nach hinten auf die Wiese zurückfiel. "Autsch!"

"Kagome! Was ist los!" Inu Yasha half ihr dabei, sich wieder aufzurichten.

Ein wenig angeschlagen hielt sich Kagome den Kopf. "Ich... bin mit irgendetwas zusammengestoßen."

Die Freunde schauten sich ratlos an. Was hatte das nun wieder zu bedeuten gehabt?

Da drang aus dem Brunnenschacht mit einem Mal ein gequältes Stöhnen nach oben. Sofort hatte Kagome aufgehorcht. "Ist das... Kimie?" Eiligst rappelte sie sich wieder auf und spähte zusammen mit den anderen in den Brunnen. Die Überraschung war bei allen mehr als groß gewesen, als sie tatsächlich Kagomes Cousine im Brunnen entdeckten. "Kimie!"

Kimie sah Sterne; viele kleine Sterne, die um ihren Kopf herumschwirrten. Da hatte sie es eben schon so gut wie geschafft und war so kurz vor ihrem Ziel einfach wieder in den Brunnenschacht gefallen. "Aua... Mein Kreuz..."

Nun gut, zumindest konnte sie mit halbem Bewusstsein Kagomes Stimme hören, die ihren Namen rief, und auch die der anderen. So gesehen hatte sie dieser unfreiwillige Sturz nicht prompt wieder in die Neuzeit zurück katapultiert.
 

Kimie war einfach nur noch froh, als sie wieder aus dem Brunnen raus war. Zwar schmerzten ihr Kopf und überhaupt ihr ganzer Körper noch ein wenig, aber sie hatte es geschafft. Sie war wieder in der Sengoku-Ära. Für Kagome und die anderen war das allerdings nur ein einziges Rätsel gewesen.

"Das verstehe ich nicht. Wie hast du es geschafft, von selbst wieder zurück zu kommen?", fragte Kagome ihre Cousine, die aber nur mit den Schultern zucken konnte.

"Keine Ahnung, das frage ich mich auch..." Insgeheim hatte Kimie zwar schon so eine Vermutung gehabt, dass Raidon bei dieser Sache keine unwesentliche Rolle gespielt hatte, aber schwieg sie dazu zunächst. Wie auch immer sie es geschafft hatte, die Distanz durch den Brunnen zu überwinden, auf jeden Fall war sie darüber sehr erleichtert gewesen.

"Vermisst du diesen Idioten etwa so sehr?", fragte Inu Yasha das Mädchen schließlich verständnislos. "Sag, was du willst, aber ich check 's trotzdem nicht. Immerhin ist Sesshoumaru ja nicht gerade zimperlich mit dir umgesprungen."

"Ja, und genau aus diesem Grund werde ich ihm mal so richtig die Leviten lesen!", entgegnete Kimie entschieden.

Shippou horchte auf. "Soll das heißen, du willst wieder zu seinem Schloss?"

"Klar! So einfach mache ich ihm die Sache garantiert nicht! Mich erst zu retten und dann mit so einer Aktion um die Ecke zu kommen, das ist doch wohl...!" Plötzlich hielt Kimie inne, dann schlug sie entsetzt ihre Hände an ihren Kopf. "Aah!! Oh nein! Das habe ich bei all der Aufregung vollkommen verpeilt!"

"Was ist denn los?", fragte Sango und war nicht minder irritiert gewesen, als ihre Freunde.

Nachdem Kimie noch den einen oder anderen Fluch losgeworden war, erklärte sie den anderen, was ihr gerade wieder in den Sinn gekommen war, als sie an ihre Entführung zurückgedacht hatte: "Das ist mir eben erst wieder eingefallen. Leute, wegen dieser Sache mit Akuma und den Ryû-Youkai... Haltet euch fest, aber Naraku war auch in dem Schloss!"

"WAS?!", kam es regelrecht im Chor zurück.

Inu Yasha war der erste, der seine Sprache wieder gefunden hatte: "Du hast Naraku gesehen?! Bist du dir auch ganz sicher?"

"Sicherer kann ich mir kaum sein, schließlich hat er sogar mit mir geredet!", bekräftigte Kimie.

"Dann waren unsere Vermutungen ja richtig. Weiß Sesshoumaru davon?", fragte Miroku ernst, doch das Mädchen schüttelte nur unschlüssig den Kopf.

"Keine Ahnung, aber ich glaube nicht. Jedenfalls hat er keine Andeutungen diesbezüglich gemacht, dass er etwas weiß."

"Dann müssen wir es ihm sagen!", meinte Kagome entschieden. "Wenn Naraku mit Akuma und den Ryû-Youkai unter einer Decke steckt, dann ist dieser ganze Kampf noch weitaus gefährlicher, als wir gedacht haben."

Inu Yasha ließ ein wütendes Knurren verlauten. "Dieser verfluchte Bastard! Der scheint wirklich überall seine Finger im Spiel zu haben."

"Aber... dann würde das ja auch bedeuten, dass der Vorfall mit Kohaku neulich..." Sango brach ab. Es lag nun dem Anschein nach ganz klar auf der Hand, dass es pure Absicht gewesen war, dass Kohaku in den westlichen Ländern aufgetaucht war. Zwar war es ihr ein Rätsel gewesen, weshalb und in wessen Auftrag genau Renhou den Jungen angegriffen hatte, aber bei Naraku wusste man eh nie, was aus welchen Gründen passierte.

Vom Knochenfresserbrunnen aus mochte es ungefähr zwei Tage dauern, bis die Gruppe das Schloss der Inu-Youkai wieder erreicht haben würde, sofern sie wie schon beim ersten Mal über den Luftweg reisen würden. Und da sie nach Möglichkeit keine Zeit verlieren wollten, kam für sie alle auch nur diese Variante in Betracht.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Es waren einige Tage vergangen, seit sich Sesshoumaru auf den Weg gemacht hatte, um Kimie aus Akumas Fängen zu befreien. Doch als er ohne sie wieder in Schloss zurückgekehrt war, hatte anfangs große Verwirrung geherrscht. Nur nach und nach hatten die Einzelnen durch Ashitaka, Tôya und Subaru von dem erfahren, was sich zugetragen hatte, wenn auch nur in groben Zügen. Sesshoumaru hingegen schwieg noch immer und begegnete so ziemlich jedem mit kühler Abweisung, außer Rin. Jaken hingegen hatte sich schon von sich heraus von seinem Herrn ferngehalten, um es zu vermeiden, ihn vielleicht unbeabsichtigt irgendwie aufzuregen oder zu reizen. Und Inuki war in letzter Zeit ungewöhnlich still und teilnahmslos gewesen. Er lag die meiste Zeit entweder im Garten am Teich oder nahe der Eingangstüren des Schlosses im Gang und reagierte nur bedingt, wenn er von irgendjemandem in irgendeiner Form angesprochen wurde.

Sesshoumaru hatte sich in seine Privaträume zurückgezogen. Als wollte er versuchen, sich irgendwie abzulenken, hing er ständig nur über irgendwelchen Schriftrollen oder Landkarten, doch schweifte er mit seinen Gedanken immer wieder mal ab und musste seine Studien ab und an unterbrechen, da er ständig den Faden verlor. Besuch empfing er in dieser Zeit nur ungern. Lediglich Rin durfte ohne jegliche Einwände zu ihm und leistete ihm meist stumm Gesellschaft, da sie ihn nicht bei der Arbeit stören wollte. Und wenn sie es für nötig erachtete, schlich sie sich leise wieder davon, um ihn in Ruhe zu lassen, so auch an diesem Nachmittag. Dafür ersuchte Kakeru seinen Herrn kurz darauf um ein Gespräch. Zwar tat er es nur ungern, aber Sesshoumaru ließ sich ohne Widerworte darauf ein. In Kakerus Gemach saßen sich die beiden nun gegenüber, allerdings herrschte zunächst nur eisiges Schweigen.

"Seid ehrlich, Sesshoumaru-sama... Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr die richtige Entscheidung getroffen habt?", fragte Kakeru irgendwann.

Sesshoumarus Gesicht spiegelte einen Hauch von Unmut wider. "Fang nicht schon wieder mit dieser Geschichte an, Kakeru."

Von Kakerus Seite war ein leises Seufzen zu hören gewesen. "Ich weiß, Ihr redet nicht gerne über so was, aber ich möchte einfach gerne in Erfahrung bringen, was genau Ihr damit bezweckt habt. Obwohl... Eigentlich kann ich es mir auch denken." Er bekam mit, wie Sesshoumaru seinen Blick hob, und sprach weiter: "Ihr habt darin, Kimie-dono wieder in ihre Heimat zu schicken, wohl die einzige Möglichkeit gesehen, sie wirklich effektiv beschützen zu können, nicht wahr? Auch, wenn das bedeuten würde, dass Ihr sie nie wieder sehen werdet. Wie Ihr über diese Sache denkt, darüber möchte ich mich jetzt zwar nicht auslassen, aber wie steht es zur Zeit wohl um Kimie-dono?"

"Hm..." Sesshoumaru wusste darauf nichts zu erwidern, denn schließlich hatte Kakeru ja Recht gehabt. Aber wie Kimie über all das denken mochte, das konnte auch Sesshoumaru nicht sagen, wenngleich er vermutete, dass sie nach dem ersten Schock wohl mehr als empört gewesen sein durfte, und bestimmt hatte sie auch versucht, wieder in diese Zeit überzuwechseln. Aber das konnte sie nicht allein, und solange Kagome sich an seine Warnung hielt, würde sich daran auch nichts ändern.

"Es ist schon verblüffend."

"Was?" Sesshoumaru schaute auf.

Auf Kakerus Gesicht war ein leichtes Lächeln zum Vorschein gekommen. "Ich spreche von Euch, Sesshoumaru-sama. Ich kenne Euch seit Eurer Kindheit und kann von daher wohl guten Gewissens behaupten, Euch zu kennen. Und mir ist aufgefallen, dass Ihr Euch verändert habt. Das mag zwar nichts Ungewöhnliches sein, denn jeder verändert sich im Laufe seines Lebens auf eine gewisse Weise. Aber Ihr..." Kakeru war aufgestanden und hatte sich in eine Tasse etwas Tee eingegossen. Ganz schwach, es war anfangs eigentlich kaum wahrnehmbar gewesen, öffnete er seine Augen. Sein sanfter Blick verlieh seinem Lächeln zusätzlichen Ausdruck, als er fortfuhr: "Nun, Ihr seid weicher geworden. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, in denen ihr nur kühl und abweisend aufgetreten seid und das Leben anderer hatte für Euch keinerlei Bedeutung. Doch ich muss gestehen, diese andere neue Seite an Euch sagt mir mehr zu."

"Sei nicht albern!", entgegnete Sesshoumaru streng, obwohl er es im Grunde ja selbst nicht leugnen konnte. Es stimmte, er hatte sich verändert. Zwar war er in gewisser Hinsicht immer noch er selbst, aber er war schon lange nicht mehr nur dieser eiskalte Youkai, der alle anderen nur abfällig von oben herab betrachtete.

Plötzlich schaute Sesshoumaru auf. Er hatte etwas gehört, und nur einen Sekundenbruchteil später schoss etwas durch das Papier, welches über die Fenster gespannt war, ins Zimmer und traf auf den Boden auf. Sofort war er aufgesprungen.

"Was zum...?!" Als ob sich Sesshoumaru extra noch vergewissern musste, schaute er genauer hin. Im Boden steckte ein Pfeil.

Kakeru nahm diesen kleinen Vorfall aber mit erstaunlicher Gelassenheit hin. "Hm! Ich wage zu bezweifeln, dass dies ein böswilliger Angriff war, obwohl Ärger eine gewisse Rolle spielen mag."

Sesshoumaru erwiderte nichts darauf. Stattdessen haftete sein Blick noch immer an dem Pfeil. Ungewöhnlich war gewesen, dass knapp hinter der Pfeilspitze ein Zettel befestigt gewesen war. War das etwa eine Botschaft? Stutzig machte ihn zudem dieser bekannte Geruch...

Endlich zog Sesshoumaru den Pfeil aus dem Boden, entnahm den Zettel und faltete ihn auseinander. Er zog leicht eine Augenbraue hoch, als er ihn las. "IDIOT!!" stand groß darauf und darunter ein gezeichnetes Gesicht, das ihm frech die Zunge rausstreckte.

"Mir scheint, wir haben Besuch gekriegt", meinte Kakeru mit einem amüsierten Unterton in der Stimme, während er einen Schluck aus seiner Teetasse nahm. Er schien ebenso wie Sesshoumaru schon ganz genau zu wissen, wer hier den Brief per Pfeilsendung ins Zimmer geschossen hatte.
 

Auf dem Hof herrschte indes eine gewisse Unschlüssigkeit, nachdem der Trupp um Inu Yasha so plötzlich wieder aufgetaucht war und Kimie ohne große Umschweife mit Kagomes Bogen einen Pfeil auf das Schloss abgeschossen hatte. Ihr Ziel war ursprünglich jedoch ein etwas anderes gewesen.

"Sag mal, Kimie, ist Sesshoumarus Zimmer nicht das da ganz oben?", fragte Inu Yasha vorsichtig und deutete auf das oberste Stockwerk, ehe er etwas spöttisch fortfuhr: "Korrigiere mich, wenn ich mich täusche, aber ist dein Pfeil nicht zwei Stockwerke tiefer gelandet?"

Kimie gab Kagome ihren Bogen zurück und räusperte sich kurz. "Nun... Zumindest hatte ich die richtige Richtung. Und da keiner hier einen Schrei gehört hat, habe ich wohl auch niemanden getroffen, also reg dich nicht so künstlich auf!"

"Aber... du hättest doch auch einfach anklopfen können."

"Von wegen!" Kimie stemmte demonstrativ die Hände in die Hüften. "Warum sollte ich Sesshoumaru mit Samthandschuhen anfassen, wenn der mich so rabiat in den Brunnen stößt? Der versteht ja offenbar keine andere Sprache." Abwartend war ihr Blick auf die Eingangstüren gerichtet. Noch tat sich nichts, aber sie war sich sicher, es würde nicht mehr lange dauern.

"Sieh mal einer an! Sesshoumaru-samas kleines Mädchen und ihr Spieltrupp sind wieder zurück", hörten alle mit einem Mal die belustigt klingende Stimme von Seshiru sagen, ehe dieser zum Vorschein kam und sich ihnen in einem gewissen Abstand gegenüberstellte. "Ich dachte eigentlich, er hätte euch untersagt, wieder herzukommen. Zumindest war davon die Rede gewesen." Er schaute aus dem Seitenwinkel zu Ashitaka rüber, der im Beisein von Tôya, Miyuki und Subaru etwas abseits stand.

Auf die Worte des Inu-Youkai hin trat Inu Yasha nun einen Schritt vor. "Und ich hatte eigentlich gedacht, Sesshoumaru wäre so schlau, dass er dich in der Zwischenzeit wieder rausgeschmissen hätte, aber da habe ich mich wohl getäuscht." Der Hohn in seiner Stimme war unüberhörbar gewesen.

Seshiru jedoch ließ sich nicht beeinflussen und behielt sein fadenscheiniges Lächeln. "Oho! Der Hanyou lässt mal wieder seine große Klappe zu Wort kommen."

"Wir können ja austesten, ob ich nur eine große Klappe habe!" Mit der linken Hand umfasste Inu Yasha die Schwertscheide von Tessaiga.

Seshiru beobachtete ihn ganz genau. "Forderst du mich etwa heraus? Kaum wieder hier, und schon machst du erneut Ärger? Mach dich doch nicht lächerlich!"

"Jetzt halt endlich mal den Rand!", mischte sich Kimie genervt ein. "Du bist mitunter wirklich einer von denen, die mir persönlich am meisten auf den Wecker gehen!"

"Nanu? Woher diese plötzliche Aggression?", fragte der Inu-Youkai prüfend.

"Ich bin gerade etwas angefressen, wenn du darauf anspielst!", entgegnete Kimie. "Wenn du es genau wissen willst, habe ich noch ein Hühnchen mit deinem Herrn zu rupfen, aber in dieses Vorhaben passt du nicht rein! Also schwing dich wieder zurück in deine Hundehütte und lass Inu Yasha, mich und auch die anderen in Frieden, klar?! Oder muss ich dir wirklich erst noch einen Maulkorb umbinden und dich zusätzlich noch an die Leine legen?"

Ein Raunen machte die Runde. Zwar hatte Kimie Seshiru mehr aus einem Impuls heraus so angeblafft, aber irgendwie tat es ihr richtig gut, mal ihrem Ärger etwas Luft zu machen. Sie hatte die Nase voll von dieser ständigen Zurückhaltung, im Moment wollte sie nur eines: Sesshoumaru so ordentlich die Meinung geigen! Da war es ihr auch vollkommen schnuppe, wenn sie sich mit ihrem Auftritt wiederum in ein etwas schlechtes Licht rückte.

Gerade schien Seshiru etwas erwidern zu wollen, da öffneten sich die Eingangstüren des Schlosses. Er musste einen Schritt zur Seite ausweichen, da Inuki sofort herausgeschossen kam und freudig bellend mit einem Satz direkt auf Kimie zusprang. Zwar fing sie ihn noch reflexartig auf, aber allein schon die Wucht seines Sprungs und sein Gewicht warfen sie unwillkürlich nach hinten und rissen sie zu Boden. "Uff! Inuki... nicht so stürmisch!"

Zwar freute sich natürlich auch Kimie, ihren Hund wieder zu sehen, allerdings machte sie so auf dem Boden liegend und mit ihm auf dem Bauch bestimmt nicht mal ansatzweise eine ernstzunehmende Figur. Von daher drückte sie Inuki mit sanfter Gewalt rasch wieder von sich, als sie Sesshoumaru an den Türen entdeckte. Jedoch wirkte er nicht gerade erfreut.

"Was soll das?", fragte er streng. "Was habt ihr hier zu suchen? Ich dachte eigentlich, ich hätte mich klar und deutlich ausgedrückt." Sein kühler Blick traf auf Kagome, die ihn ihrerseits verunsichert anschaute. Inu Yasha ließ bereits ein warnendes Knurren in die Richtung seines Bruders verlauten.

Eiligst war Kimie wieder auf die Beine gekommen. "Bevor du weiter sprichst, Sesshoumaru: Kagome hat mich nicht hierher zurückgeholt, ich habe es von selbst geschafft, zurückzukommen. Allerdings weiß ich auch nicht so ganz, wie ich das hingekriegt habe. Und außerdem..." Sie hielt kurz inne, als müsste sie über etwas nachdenken. Doch dann deutete sie provokativ mit dem rechten Zeigefinger auf ihn. "Außerdem schuldest du mir noch meine Sachen! Die sind schließlich alle hier geblieben. Grund genug, um wieder herzukommen!"

Bei dieser Aussage wären Inu Yasha und die anderen fast in sich zusammengeklappt. Damit hatten sie jetzt wirklich nicht gerechnet.

"Das... war jetzt aber nicht ihr Hauptbeweggrund, oder?", fragte der Hanyou trocken.

Ashitaka hingegen konnte sich ein leichtes Grinsen nun doch nicht mehr verkneifen. Sein Blick wanderte zu Sesshoumaru, der zwar äußerlich wie gewohnt keinerlei Regung zeigte, aber irgendwie ahnte Ashitaka, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen war. Doch diesmal würden sich Kimie und die anderen wohl nicht so einfach wieder wegschicken lassen.

Auch Kakeru hatte von seinem Gemach aus die Situation akustisch mitverfolgt. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf seine Lippen und er nahm einen erneuten Schluck aus seiner Teetasse. Allerdings musste er sich nun darum kümmern, dass man das durchlöcherte Papier an seinem Fenster auswechselte.
 

Da Sesshoumaru sich nicht weiter dazu geäußert hatte, schloss die Gruppe einfach von sich heraus daraus, dass sie bleiben konnte, was sie ohnehin getan hätte. Natürlich gab es gleich die ersten Gespräche mit Ashitaka und denen, mit denen sie sich im Laufe der Zeit angefreundet hatten, und besonders Rin war erfreut darüber gewesen, dass sie alle wieder da gewesen waren. Aber die Person, mit der Kimie im Grunde eigentlich hatte reden wollen, versperrte sich vor ihr. Mal abgesehen von seiner nicht gerade überschwänglichen Begrüßung, hatte sich Sesshoumaru kurz danach einfach wieder in seine Privaträume verzogen und keinerlei Anstalten gemacht, etwa das Gespräch mit ihr zu suchen. Fast schon wie ein trotziges Kind, dem man seinen Willen nicht gelassen hatte.

Dies war auch eines der Hauptgesprächsthemen von Kagome, Kimie, Sango und Miyuki gewesen, als diese sich am Abend wie zur Beruhigung von dem ganzen Durcheinander noch ein Bad in der heißen Quelle gönnten.

"Ich kann euch nicht viel zu Sesshoumaru-sama sagen", sagte Miyuki, nachdem sie von den anderen bezüglich seines Verhaltens in den letzten Tagen ausgefragt worden war. "Ich habe ihn kaum gesehen, und wenn ich ihn gesehen habe, dann wirkte er immer so kühl."

"Das ist ja nichts Neues...", meinte Sango trocken.

Kimie lehnte sich leise aufseufzend gegen einen Felsen. "Zu Sesshoumaru fällt mir spontan folgende Bezeichnung ein: kalter Eisengel."

"Zugegeben, da ist was Wahres dran", meinte Kagome amüsiert.

Kämpferisch schlug sich Kimie mit der rechten Faust auf die linke Handfläche. "Wie auch immer, jedenfalls nehme ich ihn mir so rasch wie möglich vor! Er kann sich schließlich nicht ewig vor mir verschanzen." So bald wie möglich wollte sie Sesshoumaru ins Gebet nehmen. Und abwimmeln lassen, wollte sie sich auf keinen Fall!

Irgendwann beendeten die Mädchen ihr Bad. Miyuki und Sango waren bereits gegangen und Kagome legte sich gerade ihr Handtuch um den Körper. Kimie hingegen saß noch im Wasser und dachte wiederum über verschiedene Dinge nach.

"Sag mal, Kagome, kann ich dich vielleicht mal etwas fragen?", fragte sie plötzlich vorsichtig.

Kagome nickte. "Klar! Worum geht es denn?"

"Das Shikon no Tama...", begann ihre Cousine zögerlich. "Ein Splitter davon befindet sich doch in Kohakus Körper, oder? Dieser Splitter hält ihn am Leben..."

"Ja, aber wie kommst du plötzlich darauf?"

"Nun... Die Sache ist die..."

Kimie erzählte Kagome nun etwas mehr von ihrem Treffen mit Naraku in Akumas Schloss. Bisher war sie darauf nie genauer eingegangen und hatte ihr und den anderen stattdessen nur im Groben erzählt, was er gesagt hatte. Dass er sie allerdings praktisch hatte bestechen wollen, hatte sie dabei stets verschwiegen. Jetzt legte Kimie die Karten jedoch offen auf den Tisch. Sie sah in Kagomes Gesicht die Fassungslosigkeit.

"Ich bin natürlich nicht darauf eingegangen, aber kurzzeitig war ich wirklich versucht, es zu tun", gestand Kimie schließlich, ehe sie leicht den Blick senkte. "Sag, was würdest du machen, Kagome? Nehmen wir mal an, Naraku ist irgendwann besiegt und das Shikon no Tama wäre noch nicht wieder vollkommen zusammengesetzt... Denn ich glaube nicht, dass du und die anderen Kohaku seinen Splitter jemals abnehmen würdet... Würdest du dann die Kraft eines Splitters dazu einsetzen, dein Leben zu verlängern?" Sie schaute wieder auf. "Ich meine, wegen Inu Yasha... Falls er entweder ein Hanyou bleibt oder aber irgendwann wirklich zu einem echten Youkai wird." Wobei Letzteres für Inu Yasha kaum noch eine Rolle zu spielen schien. Denn, dass er nach wie vor das Ziel verfolgte, ein echter Youkai zu werden, das hatte er schon seit längerer Zeit nicht mehr erwähnt. Überhaupt schien er sich von diesem Vorhaben mittlerweile entfernt zu haben. Und überhaupt hätte es dann schon des kompletten Juwels bedurft, um ihn zu einem Youkai zu machen, aber das wäre wiederum unvereinbar gewesen mit Kohakus Leben, welches keiner aus der Gruppe so leichtfertig beenden wollte, indem sie ihm etwa seinen Splitter abnahmen.

Nun war es Kagome gewesen, die nach kurzem Nachdenken etwas zu Boden schaute. "Ich gebe es zu, die Versuchung ist groß. Doch bisher haben die Kräfte des Juwels alle nur ins Unglück getrieben. Der Gedanke daran, macht mir Angst."

"Aber würdest du unabhängig davon einen Splitter verwenden?"

Die Jüngere seufzte kaum hörbar auf und zuckte einmal mit den Schultern. "Vermutlich ja, aber ich muss dir gestehen, ich kann es dir nicht genau sagen. Und... was ist mit dir?"

Auf diese Frage antwortete Kimie nicht sofort. Stattdessen umging sie diese ein wenig, als sie erneut das Wort ergriff: "Naraku erwähnte, das Shikon no Tama könne durch Boshaftigkeit verdorben werden... Aber hat es etwas mit Boshaftigkeit zu tun, wenn man im Grunde nur etwas für sich gewinnen will? Etwas, was eigentlich keinem anderen schadet, obwohl ein gewisser Eigennutz existiert?" Nachdenklich betrachtete sie ihr Spiegelbild im Wasser. "Hach! Das ist alles so furchtbar kompliziert..."

Kagome schwieg zunächst. Dann nahm sie das kleine Behältnis mit den Juwelensplittern um ihren Hals in die Hand und betrachtete diese eingehend. "Noch ist die Jagd nach dem Shikon no Tama nicht vorbei. Auch Kouga-kun wird, so lange er zwei Splitter besitzt, stets ein Ziel von Naraku bleiben. Ebenso wie wir... und Kohaku-kun... Und auch, wenn Naraku irgendwann besiegt sein wird, es wird wohl immer jemanden geben, der nach der Kraft des Shikon no Tama trachtet."

Auch Kimies Blick war nun auf die Splitter gerichtet. "Es wäre also ein ständiges Risiko, wenn..." Aber sie beendete den Satz nicht. Egal, von was für einer Seite aus man die Situation auch betrachtete, irgendwie schien es immer einen störenden Haken zu geben.

Genau wie Kimie, so blieb auch Kagome nun still. Zwar sprach sie es nicht aus, doch wenn ihre Cousine sie jemals darum bitten würde, Kagome würde ihr ohne weiteres einen Splitter überlassen. Denn nur zu gut verstand sie das Dilemma, in welchem Kimie gerade steckte. Dabei versetzte sich Kagome automatisch in ihre Lage. Denn mit ihren Gefühlen für Inu Yasha hatte sie so gesehen ein vergleichbares Problem gehabt. Aber es blieb natürlich die Frage, ob man die Splitter für ein derartiges Vorhaben verwenden konnte? Die Antwort darauf würde sich wohl vielleicht erst dann finden lassen, wenn dieser schier endlose Kampf gegen Naraku endlich sein Ende gefunden hatte...
 

Kimie war noch eine Weile allein bei der heißen Quelle geblieben und hatte nachgedacht. Das tat sie auch, nachdem sie sich schließlich wieder auf ihr Zimmer zurückgezogen hatte. Gekleidet in einen weißen Yukata, den sie sich zum Schlafen angezogen hatte, lag sie nun auf einem Futon, aber schlafen konnte sie in dieser Nacht nicht so recht. Noch immer überschlugen sich ihre Gedanken.

Neben dem Mädchen lag Inuki auf dem Boden, den Kopf hatte er dabei auf seine Vorderpfoten gebettet. Mit seinen dunklen Augen schien er Kimie ganz genau zu beobachten. Die ganze Zeit über war ihr Blick zur Decke gerichtet gewesen und sie malte sich aus, was Sesshoumaru wohl gerade tat. Sicherlich hockte er immer noch in seinem Zimmer und stellte Überlegungen darüber an, wie lange er sie wohl ignorieren sollte, ehe sie sich irgendwann geschlagen geben und unverrichteter Dinge wieder das Weite suchen würde. Aber diesen Gefallen wollte sie ihm nicht tun!

Ruckartig richtete sich Kimie schließlich auf. "Nun gut! Dann machen wir das eben anders."

Entschlossen stand sie auf und schritt zur Tür. Zugegeben, es war bereits spät, aber das war ihr im Moment so ziemlich egal gewesen. Sie glaubte sowieso nicht daran, dass Sesshoumaru schlief. In ihrem Eifer vergaß Kimie sogar, die Tür hinter sich wieder zu schließen, allerdings dürfte dies kein allzu großes Problem gewesen sein. Inuki verblieb ohne weiteres in dem Zimmer. Es schien, als ahnte er, dass seine Anwesenheit diesmal wohl nicht von Nöten sein würde.

Der eigentlich verhältnismäßig kurze Weg bis zu Sesshoumarus Zimmer kam Kimie im Augenblick wie eine halbe Ewigkeit vor. Vor seiner Tür angekommen, holte sie noch einmal tief Luft, dann klopfte sie an. Keine Antwort...

Kimie klopfte noch einmal, aber wieder kam nichts zurück. Missmutig knirschte sie mit den Zähnen. >Das macht der doch garantiert mit Absicht!<

Von jetzt an legte sie jede Form von Zurückhaltung beiseite und riss einfach so die Tür auf. Wie sie es sich gedacht hatte, schlief Sesshoumaru nicht und er musste sie auch zweifelsfrei gehört haben, denn er stand mit dem Rücken zu ihr am leicht geöffneten Fenster. Kimie betrat den Raum und kam auch sofort zur Sache, nachdem sie die Tür hinter sich wieder geschlossen hatte: "Sesshoumaru, es reicht mir! Du hast noch kein einziges Wort mit mir gewechselt, seit die anderen und ich wieder hier sind. Was soll dieses alberne Theater? Das ist kindisch, was du hier abziehst, aber vermutlich bist du dir dessen noch nicht mal bewusst, oder?!"

Es dauerte zwar noch einige Sekunden, aber endlich drehte sich Sesshoumaru zu ihr um. Der Ausdruck in seinen Augen war der altbekannte kühle und unnahbare gewesen und dies spiegelte sich auch in seiner Stimme wieder, als er zu sprechen begann: "Was willst du hier? Warum bist du zurückgekommen? Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht wieder herkommen sollst!"

"Jetzt fang nicht wieder so an!", entgegnete Kimie entschieden, doch ungeachtet dessen forderte Sesshoumaru weiterhin eine Antwort von ihr. Kimie seufzte genervt auf. "Mann! Was genau willst du diesbezüglich eigentlich von mir hören? Es scheint dir ja eh vollkommen wurscht zu sein, was ich zu alldem zu sagen habe, sonst hättest du mich ja nicht so einfach mir nichts, dir nichts in den Brunnen gestoßen! Viel mehr sollte ich wohl DICH fragen, was mit dir nicht stimmt, denn solche Stimmungsschwankungen, wie du sie in letzter Zeit an den Tag gelegt hast, ist man für gewöhnlich meist eher von Schwangeren gewohnt!"

Das hatte eine gewisse Wirkung hinterlassen. Sich einen derartigen Vergleich anhören zu müssen, war für Sesshoumaru wieder mal etwas Neues gewesen.

Für einen Moment breitete sich eine etwas angespannte Stille aus. Kimie versuchte zu erahnen, was Sesshoumaru gerade dachte, aber sie kam mit ihren Überlegungen zu keinem schlüssigen Ergebnis. Sie seufzte auf, als sie sich schließlich mit der Hand durch die Haare fuhr. "Was soll das eigentlich alles? Ich komme mir schon selbst vor wie ein Idiot..." Sie schaute ihn erneut an und fuhr mit nunmehr ruhiger Stimme fort: "Weißt du, die Wahrheit ist eigentlich die... Ich habe in der Zeit, in der ich wieder zu Hause war, sehr viel nachgedacht. Besonders natürlich über diesen Kampf und über dich. Aber auch über mich. Und der Grund, weshalb ich wieder zurückgekommen bin war der, dass ich dich wieder sehen wollte, Sesshoumaru. Aber obwohl ich diesen Wunsch ganz deutlich in mir gespürt habe, war ich andererseits trotzdem auch wütend und außerdem hatte ich irgendwie Angst... Ich hatte Angst davor, dass du mich gleich wieder zurückschicken würdest, würde ich hier wieder auftauchen. Nachdem ich aber auch etwas mit meinen Eltern darüber geredet habe, habe ich schlussendlich doch den Mut aufgebracht, wieder hierher zurückzukommen. Es tut mir jedoch Leid, wenn ich das gegen deinen Willen durchgezogen habe." Zwar wollte sie noch weiter sprechen, musste aber kurz pausieren. Den Blick leicht zu Boden gerichtet, sprach Kimie dann aber doch weiter: "Willst du denn, dass ich wieder in meine Zeit zurückgehe und dort bleibe? Ohne, dass ich wieder hierher zurückkomme? Dann sag es mir hier und jetzt, dann geh ich gleich morgen wieder."

Aber Sesshoumaru schwieg. Er sprach es zwar nicht laut aus, aber er wollte eigentlich nicht, dass sie fort ging, aber ebenso wollte er sie auch beschützen. Und er wollte es ihr ersparen, eventuell noch einmal in so eine gefährliche Situation zu geraten.

"So was könnte jederzeit wieder passieren", entgegnete Sesshoumaru schließlich äußerst ernst. "Diesmal hattest du noch Glück, aber wer garantiert dir, dass das in Zukunft auch so bleiben wird? Willst du das Risiko wirklich eingehen?" Denn so sehr ihm diese Tatsache auch missfiel, Sesshoumaru konnte eben doch nicht immer ein Auge auf Kimie haben.

Sie hatte indes wieder aufgeschaut. "Das ist mir klar, aber es ist mir egal, was noch passieren könnte!", meinte sie betont. "Das Einzige, was ich möchte, ist hier bei dir zu sein. Gut, vielleicht wird es nicht einfach, aber ich habe mich dafür entschieden. Und wenn du das genauso siehst, dann lass mich bitte bei dir bleiben, Sesshoumaru!"

"Warum bist du auf einmal wieder so versessen darauf, hier zu bleiben?"

Kimie stutzte. "Warum fragst du? Ich dachte eigentlich, das wäre klar." Sie konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was Sesshoumaru jetzt wieder damit bezweckte.

"Antworte einfach auf meine Frage", forderte er sie auf.

"Na, wegen dir, du Idiot!", antwortete sie schon beinahe empört. "Zugegeben, ich wollte zwar zuerst noch freiwillig von hier weggehen und vermutlich würde ich mir eine Menge Ärger und Stress ersparen, wäre ich schlichtweg zu Hause geblieben, aber das würde nichts daran ändern, dass ich jede freie Sekunde mit meinen Gedanken an dir festkleben würde! Auf die Dauer würde das nämlich auch nur Ärger und Stress machen. Da nehme ich doch lieber diesen ganzen bescheuerten Krieg auf mich, so dämlich das auch klingen mag!" Nachdem sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte, fügte sie schlussendlich noch hinzu: "Oder einfach ausgedrückt: Ich liebe dich, Sesshoumaru. Genau, wie schon die ganze Zeit über, und deshalb..."

Plötzlich hielt Kimie inne. Was machte sie hier überhaupt? Eigentlich hatte sie Sesshoumaru doch die Meinung sagen wollen, aber stattdessen kam sie jetzt mit diesem schmalzigen Gesülze an! Sie bezweifelte, dass sie auf diese Art und Weise etwas erreichen würde. Außerdem entgegnete er auch überhaupt nichts auf ihre Worte. Kopfschüttelnd kehrte sie ihm schließlich den Rücken zu. "Was mache ich hier eigentlich...? Wer weiß? Vielleicht ist dir das alles mittlerweile auch schon wieder egal. Ich hätte wohl doch besser zu Hause bleiben sollen, wie ich es gesagt habe und wie du es von mir gewollt hast. Vergiss, dass ich hier war und vergiss auch das, was ich gesagt habe. Es ist jetzt eh alles egal..." Und wie, um ihn noch eine reinzuwürgen, fügte sie noch hinzu: "Überhaupt, wenn ich so darüber nachdenke, dass es auch Youkai gibt, mit denen man einigermaßen vernünftig reden kann... Renhou zum Beispiel, der kann gut zuhören und hat auch nicht diese Launen. Schade, dass er auf Akumas Seite steht, ansonsten..." Kimie stoppte absichtlich an diesem Punkt. Sie wollte austesten, wie Sesshoumaru darauf wohl reagieren würde, denn so einfach würde sie die Flinte auch wieder nicht ins Korn werfen. Jetzt war sie mal an der Reihe gewesen, ihn auszutesten.

Zuerst schien sich bei Sesshoumaru nicht viel zu tun, als Kimie dann aber doch noch seine Schritte hinter sich hörte, während er sich ihr näherte. Ein wenig drehte sie sich zu ihm um, da hatte er sie aber schon an den Handgelenken ergriffen und drückte sie zwar nicht grob, aber bestimmt gegen die Wand.

"Warum sprichst du gerade jetzt von so etwas?", fragte Sesshoumaru ernst.

Kimie jedoch hatte noch immer diesen Ausdruck trotzigen Widerstandes in den Augen. "Und warum interessiert dich das? Es kann dir doch egal sein, schließlich willst du ja offensichtlich, dass ich von hier verschwinde. Dann ist es ja wohl auch meine Sache, warum und wieso ich an wen oder was denke! Oder stört dich daran vielleicht etwas?" Sie forderte ihn regelrecht heraus. Ob sich Kimie im Augenblick eigentlich so richtig bewusst darüber war, was sie gerade tat, war ihr wohl selbst nicht ganz klar, aber sie schien auch nicht gewillt gewesen zu sein, dieses Spiel auf die Schnelle wieder zu beenden, nachdem sie es schon begonnen hatte.

Sesshoumarus Blick wurde eindringlicher. In der Tat, es störte ihn, dass Kimie derartige Äußerungen gemacht hatte. Denn eigentlich sollte sie nicht an irgendeinen anderen denken, aber mit welchem Recht wollte er ihr das verbieten? Sobald sie wieder fort gewesen wäre, hätte sie ohnehin tun und lassen können, was sie wollte. Aber auf einmal wollte Sesshoumaru das nicht mehr. Es mochte egoistisch erscheinen, aber er wollte sie nicht an der Seite eines anderen sehen, auch nicht in seinen Vorstellungen. Und als ob er ihr diese Flausen austreiben wollte - und auch für sich selbst - hatte er nun den endgültigen Entschluss gefasst, sie nicht gehen lassen zu wollen.

Als Kimie dazu anzusetzen schien, ihn erneut anzusprechen, erstickte Sesshoumaru ihren Satz noch im Keim, indem er seine Lippen auf ihre legte. Zuerst war sie nur völlig überrumpelt und setzte gar wie aus einem Reflex heraus dazu an, sich ihm zu entziehen, aber dann besann sie sich wieder. Stattdessen schloss sie ihre Augen und genoss einfach nur dieses angenehme Gefühl, welches sich allmählich in ihrem Körper auszubreiten begann. Sesshoumaru übte mit seiner Zunge einen leichten Druck auf ihre Lippen aus, bis sie ihm den Einlass gewährte. Sofort suchte er den Kontakt zu ihrer Zunge. Doch bei diesem einen Kuss sollte es nicht bleiben, als Sesshoumaru Kimies Handgelenke wieder losließ und seine Hände nun unter ihren Yukata schob...

Ai shite masu

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

In der Falle

Als Kimie erwachte und ihre Augen ein wenig öffnete, war es in dem Zimmer noch dunkel, doch schien es bereits zu dämmern. Noch befand sie sich ein wenig im Halbschlaf, allerdings kam ihr irgendetwas anders vor als sonst. Sie ließ kurz ihren Blick durch das Zimmer schweifen. Es war Sesshoumarus Zimmer, wie sie schnell erkannte. Im ersten Moment war sie noch etwas irritiert, als ihr kurz darauf auffiel, dass sie gar keine Sachen angehabt hatte. Nur eine federleichte Decke verhüllte ihren Körper. Da fiel es ihr mit einem Mal wie Schuppen von den Augen.

>Oh Gott! Dann habe ich also doch nicht geträumt!?< Der anfängliche Schock über diese Erkenntnis wich jedoch keine Sekunde später einem herrlichen Gefühl des Glücks. Kimie hatte sich zwar schon öfters mal vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn man sich zum ersten Mal einem Mann hingeben würde, aber erst seit dieser Nacht wusste sie es genau. Und sie bereute nichts.

Kimie lag auf der Seite mit dem Rücken zu Sesshoumaru. Er lag noch neben ihr, das spürte sie, aber ob er schlief, konnte sie nicht erahnen. Gerade, als sie sich umdrehen und nach ihm sehen wollte, beantwortete sich ihre Frage jedoch von selbst, als er seinen Arm um ihre Taille legte.

"Oh! Du bist wach?", fragte Kimie etwas überrascht.

"Schon seit einiger Zeit." Und als sie sich zu ihm umgedreht hatte, fragte er: "Wie fühlst du dich?"

"Es geht mir gut", antwortete sie mit einem etwas verlegenen Lächeln und schmiegte sich etwas näher an Sesshoumaru an. Ihr Kopf kam seiner Brust dabei so nahe, dass sie seinen Herzschlag spüren konnte. Als Kimie so zurückdachte, hätte sie noch vor gut einem Jahr nie damit gerechnet, dass dieses Herz wirklich mal für sie schlagen würde. Alles, was ihr in den letzten Tagen Sorgen bereitet hatte, alle Schwierigkeiten, die zuletzt über sie bestimmt hatten, erschienen mit einem Mal so klein und unbedeutend. Das hieß, alle bis auf eine... Und die plötzliche Erinnerung daran ließ Kimie schließlich seufzend den Atem ausstoßen.

"Was hast du?", fragte Sesshoumaru sogleich. Es war ihm nicht entgangen, dass sie etwas zu bedrücken schien.

Kimie löste sich aus seiner Umarmung und setzte sich auf. "Nur eine Sache, die mir gerade wieder einfiel..." Im Grunde hätte sie sich gewünscht, sich nicht gerade jetzt und in diesem Augenblick daran zu erinnern, aber so etwas konnte man eben wohl nur schlecht bis gar nicht beeinflussen. "Eigentlich wollte ich, dass du es so rasch wie möglich erfährst, aber gestern bot sie dazu irgendwie nicht die Gelegenheit. Es geht um die Ryû-Youkai... Unsere anfängliche Vermutung war richtig. So wie es aussieht, arbeiten sie mit Naraku zusammen. Ich habe ihn in Akumas Schloss gesehen und auch mit ihm gesprochen."

Auch Sesshoumaru setzte sich nun auf. "Warum hast du nicht schon früher etwas davon erzählt?"

Kimie schüttelte leicht den Kopf. "Keine Ahnung... Es ging alles so drunter und drüber, sogar Kagome, Inu Yasha und den anderen habe ich erst davon erzählt, als ich wieder in diese Zeit kam. Das war mitunter ein weiterer Grund dafür gewesen, weshalb wir wieder hergekommen sind. Wir wollten dich und deine Leute warnen, weil wir uns nicht sicher waren, ob ihr es bereits selbst bemerkt hattet oder nicht."

Sesshoumaru ließ sich das alles noch einmal durch den Kopf gehen. Naraku befand sich also in Akumas Schloss? Und er hatte ihn überhaupt nicht bemerkt? Er konnte es nicht fassen.

Kimie sah Sesshoumaru an, dass er es vermied, seinen Ärger offen zu zeigen. Es war für sie nur verständlich, denn immerhin hatte sich Naraku, hinter dem ja auch er her war, praktisch direkt vor seiner Nase befunden, war aber so gesehen einfach so davongekommen. Von daher wagte es Kimie erst nach einigem Zögern, dem Youkai eine Frage zu stellen, die sie schon seit geraumer Zeit beschäftigte: "Sag mal... Kurz was anderes. Was... was ist eigentlich aus Takeshi geworden?"

Sesshoumaru richtete seinen Blick wieder auf sie. "Ich habe angeordnet, ihn in den Kerker zu bringen. Noch habe ich nicht entschieden, was aus ihm werden soll."

"Ach so..." Kimie blickte ein wenig nach unten. Ihr war unwohl bei diesem einen bestimmten Gedanken, aber andererseits wollte sie Sesshoumaru gegenüber nicht schweigen. Leise fuhr sie fort: "Es... gibt da noch etwas, was du wissen solltest, Sesshoumaru."

"Um was geht es?" In seiner Frage schwang ein etwas merkwürdiger Unterton mit.

Kimie atmete noch einmal tief durch, dann begann sie zu erzählen, ohne ihn dabei jedoch anzuschauen: "Nun... Bevor du zu Akumas Schloss gekommen bist, habe ich einmal mit Takeshi gesprochen. Er kam von sich heraus zu mir und... wir haben geredet und dann... hat er mir gestanden, dass er in mich verliebt wäre und mich... geküsst." Sie pausierte einen Augenblick, als wollte sie diese Neuigkeiten erst einmal sacken lassen. "Ich will mich nicht rausreden, es ist eben passiert. Aber ich möchte dich darum bitten, ihm nichts anzutun, ja? Bitte lass ihn in Ruhe." Bei den letzten beiden Sätzen hatte sie Sesshoumaru wieder direkt angesehen, doch vermochte sie nicht abzuschätzen, was er gerade dachte. Sein Blick war genau so unergründlich gewesen, wie so oft.

"Aus welchem Grund sollte ich das tun, nachdem ich das jetzt erfahren habe?" Da war er schon wieder gewesen, dieser kühle Unterton in seiner Stimme.

Kimie seufzte leise. "Ich glaube einfach nicht, dass Takeshi das befürwortet, was diesen Krieg angeht. Und so gesehen hat er sich immerhin indirekt gegen seinen eigenen Bruder gestellt, als er herkam. Wenn Akuma die wahren Hintergründe erfährt, wird er garantiert glauben, Takeshi hätte ihn verraten. Ich glaube... Nein, ich bin mir sogar sicher, Akuma würde ihn töten." Eindringlich sah die Sesshoumaru an. "Takeshi hat viel riskiert. Bitte strafe ihn nicht noch zusätzlich."

Aber anfangs schwieg er noch, als müsste er erst noch mal über das alles nachdenken. Kimie wollte ihn wiederum ansprechen, aber was hätte sie sagen sollen? Sie konnte ihn ja wohl kaum anbetteln, Takeshi in Frieden zu lassen.

Als sich Sesshoumaru ihr wieder zuwandte, schaute Kimie auf. "Sesshoumaru...?"

Plötzlich packte er sie an den Handgelenken, drückte sie wieder auf das Schlaflager zurück und beugte sich über sie. Als wollte er ihr direkt in die Seele blicken, hafteten seine Augen an ihren. "Egal, was er gesagt oder getan hat, er und auch kein anderer wird dich bekommen. Du gehörst mir!"

In Kimies Augen konnte man nun einen Funken von Skepsis angesichts dieser Aussage ablesen. "Also, darüber sollten wir vielleicht noch einmal reden. Ich bin schließlich keine Ware, also sprich und behandel‘ mich nicht so, als ob ich eine wäre!" Eigentlich rechnete sie schon mit einer selbstgerechten Erwiderung, aber stattdessen legte Sesshoumaru nur sanft seine Lippen auf ihre. Sie spürte seine Zunge, wie diese vorsichtig über ihre Lippen fuhr und öffnete leicht ihren Mund.

Sesshoumaru hatte bewusst nichts weiter gesagt. Stattdessen wollte er ihr nun mit diesem Kuss verdeutlichen, dass sich trotz dieser Neuigkeit nichts geändert hatte. Wenn er ihr Vorwürfe gemacht hätte, hätte er sich damit auch nur ins eigene Fleisch geschnitten, schließlich hatte auch er es zugelassen, dass Touran ihn geküsst hatte. Außerdem sollte nicht schon wieder ein Konflikt zwischen ihnen stehen.

Sesshoumaru überlegte im Moment sogar, wie Kimie wohl reagieren würde, sollte er etwaige Andeutungen machen, sie noch einmal zu nehmen. Wie um sie zu testen ließ er seine rechte Hand nun unter die Decke wandern und fuhr behutsam über ihren Körper.

Zuerst dachte sich Kimie nichts dabei, aber nach einer Weile kam ihr sein Verhalten merkwürdig vor. Sie unterbrach den Kuss und warf ihm diesen überaus prüfenden Blick zu. "Sag mal, mal abgesehen von dieser etwas merkwürdigen Art, das Thema zu wechseln... Bezweckst du irgendetwas Bestimmtes?"

Sesshoumaru jedoch lächelte nur kaum merklich. Es war kein gewöhnliches Lächeln gewesen, sondern vielmehr so eines, als heckte er etwas aus. "Kommt drauf an. Woran denkst du denn?"

"Tu nicht so unschuldig und rede auch nicht so drum herum! Du weißt, was ich meine." Es war Kimie von vornherein klar gewesen, dass er sie offensichtlich auf die Probe stellen wollte. Es ging ihm um die Frage, ob sie ihm freie Hand lassen oder ihn doch stoppen würde. Sie spürte, wie seine Hand noch immer über ihren Körper wanderte, während er abermals seine Lippen auf ihre senkte.

Sollte Kimie ihn zurückhalten, würde Sesshoumaru sich dem nicht widersetzen, aber noch spielte sie mit. Er horchte auf, als sie die kurzen Atempausen während des Kusses nutzte, um ihn zu fragen: "Ist das... nicht ein wenig... übertrieben... wenn wir schon wieder...?" Das Ende der Frage ging jedoch im nächsten Kuss unter. Sie hätte wohl auch gar nicht weiterfragen können.

Eigentlich hatte Kimie das so nicht vorgesehen, aber was soll's? Die Atmosphäre des noch nicht eingetretenen Sonnenaufgangs und Sesshoumarus fordernde Gesten schafften es, dass sie sich letztendlich geschlagen gab und ihn gewähren ließ...
 

Gut drei Stunden später, beim gemeinsamen Frühstück, war Kagome und den anderen gleich aufgefallen, dass sich Kimie an diesem Morgen irgendwie anders benahm. Sie hatte im Gegensatz zum Vortag erstaunlich gute Laune und außerdem einen guten Appetit. Sämtliche Sorgen der letzten Zeit schienen praktisch wie weggeweht gewesen zu sein.

"Sag mal, Kimie, ist bei dir alles in Ordnung?", wagte Kagome irgendwann vorsichtig zu fragen.

Kimie, die gerade ihre Stäbchen im Mund hatte, schielte aus dem Seitenwinkel zu ihrer Cousine. "Klar! Wieso?"

Kagome suchte nach den passenden Worten. "Na ja, du... Keine Ahnung, du bist irgendwie so... anders. Außerdem grinst du schon die ganze Zeit wie ein Pfannkuchen."

"So? Ist mir gar nicht aufgefallen." Dabei war es so offensichtlich gewesen. Denn in der Tat hatte Kimie schon die ganze Zeit dieses Dauergrinsen aufgesetzt und kicherte hin und wieder in sich hinein.

Inu Yasha überkam allmählich ein merkwürdiger Verdacht. Zwar versuchte er, anhand von Kimies Geruch etwas Genaueres herauszufinden, aber dem Anschein nach musste sie vorher gebadet haben, denn er konnte keinen verdächtigen Geruch an ihr wahrnehmen. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, sie schließlich ganz direkt zu fragen: "Lass mich raten: Du hast heute Nacht bei Sesshoumaru geschlafen, he?"

Außer dem Namen "Sesshoumaru" und dem Wort "geschlafen" hatte Kimie den Rest des ganzen Satzes allerdings irgendwie gar nicht so wirklich mitbekommen. Abrupt spürte sie, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Das wiederum rief Kagome sofort auf den Plan und sie befühlte prüfend die Stirn ihrer Cousine. "Meine Güte, Kimie, dein Gesicht glüht ja regelrecht!"

Rasch hob Kimie abwehrend die Hände. "Ach, was! Nicht doch! Ich fühle mich bestens!"

Aber besonders Inu Yasha schien sich nun doch nicht mehr so leicht abwimmeln lassen zu wollen. Mit diesem überaus stechenden Blick bohrte er weiter: "Spuck 's aus! Was habt ihr getrieben?"

"Wie...? Was...?" Kimie schaute skeptisch in die Runde. Alle starrten sie an.

"So wie du haben Papa und Mama immer am nächsten Morgen geguckt, wenn sie am Abend zuvor irgendetwas zusammen gemacht haben", mischte sich Shippou auf einmal ein. "Aber was genau das war, weiß ich auch nicht. Ich durfte dann nämlich nie dabei sein. Sie meinten immer nur, es wäre eine Sache zwischen Erwachsenen und nichts für Kinder."

Miroku zählte nun eins und eins zusammen und hatte sogleich eine Schlussfolgerung parat gehabt: "Ah! Ich verstehe! Das heißt ja dann wohl, Kimie und Sesshoumaru haben... Autsch!" Eine zu tief fliegende Suppenschüssel bereitete seinen Ausführungen ein jähes Ende. Wenigstens war die Schüssel bereits leer gewesen.

"Schnauze, da hinten auf den billigen Plätzen!", mahnte Kimie den Mönch, den rechten Arm noch vom vorangegangenen Schüsselwurf erhoben.

Prompt verschluckte sich Inu Yasha beinahe an der Suppe, die er sich gerade zu Gemüte führen wollte, und auch Jaken konnte einen Hustenanfall nicht mehr unterdrücken. Weit vor ihm hatte sich Inu Yasha als erster wieder gefangen, obwohl er beinahe seinem Erstickungsanfall zum Opfer gefallen wäre. "Nee, oder?! Sag uns jetzt bitte nicht, du bist bis zum Äußersten gegangen!?"

Kimie schaute sich kurz verstohlen um. Nach wie vor hafteten sämtliche Blicke an ihr.

"Ähm...", begann sie verlegen. "Dann müsste ich wahrscheinlich lügen. He, he..." Aber dass es im Grunde innerhalb kürzester Zeit gleich zweimal passiert war, behielt sie dann doch lieber für sich.

Inu Yasha bekam den Mund gar nicht mehr zu. "Moment mal! Soll das etwa heißen, du hast wirklich mit ihm geschl...?!"

"Schluss jetzt!", fuhr ihm Kimie eiligst dazwischen. "So ein Thema diskutiert man doch nicht beim Frühstück und auch sonst nicht beim Essen! Und überhaupt ist das nichts, was man vor aller Welt breittreten sollte! Das ist eine Privatangelegenheit und geht niemanden etwas an! Punkt! Aus! Ende! Schluss! Basta!!"

Inu Yasha stellte seine Suppenschüssel wieder auf den kleinen Tisch vor sich ab. "Mir ist der Appetit sowieso gerade vergangen...", murmelte er. "Boah! Ist das heftig... Es wird Jahre dauern, bis ich diese Vorstellungen endlich wieder los sein werde..."

"Inu Yasha.... Osuwari." Dieses eher müde ausgesprochene Kommando von Kagome beförderte den Hanyou gleich auf den Boden. Inu Yasha schien von dem vorangegangenen Schock sogar noch so weit geplättet zu sein, dass er sich nicht mal die Mühe machte, sich wieder aufzurichten. Stattdessen blieb er einfach so liegen.

Indes hatte sich Miroku von dem Schüsselwurf wieder so weit erholt, dass er erneut das Wort an Kimie richten konnte: "Aber eine Frage hätte ich da trotzdem noch an dich, Kimie. War Sesshoumaru denn wenigstens gut? Oder würdest du eher sagen, dass...?" Diesmal flog eine Reisschüssel quer durch das Zimmer und beendete die Rede des Mönchs.

"Was habe ich gerade von Ruhe auf den billigen Plätzen gesagt?!", fragte Kimie bedrohlich. "Lasst mich jetzt endlich in Frieden damit! Das ist ja oberpeinlich! Und starrt mich nicht alle so an! Das macht mich ganz krank! Tut gefälligst nicht so, als wärt ihr allesamt aus einem Kloster entlaufen! Irgendwann passiert so was halt im Leben! Zumindest in den meisten Fällen!"

"Na, aber viel kann ja nicht los gewesen sein... Ich habe überhaupt nichts gehört", meinte Miroku, während er sich seine zweite Beule rieb.

Kimies Gesichtsfarbe nahm allmählich bedenkliche Ausmaße an.

"Argh! Das wäre ja auch noch schöner! Und jetzt sei endlich still, Miroku!"

Wie hätte man sie auch hören sollen? Sesshoumarus Privaträume befanden sich oberhalb des Schlosses, die Gästezimmer der Freunde hingegen im Erdgeschoss. Zudem war das Schloss natürlich alles andere als klein gewesen. Da hätte schon ein Lastwagen durch eine Dynamitfabrik des selben Ausmaßes brettern müssen, ehe man etwas gehört hätte.

Kagome und Sango haben sich während der ganzen Zeit über bewusst zurückgehalten. Sie selbst hätten es schließlich auch nicht gerade als amüsant empfunden, über ein derartiges Thema so ausgefragt zu werden.

Plötzlich fiel Kagome jedoch etwas ein und sie flüsterte ihrer Cousine nun ins Ohr: "Aber Kimie... Was ist, wenn du jetzt...? Na, du weißt schon..."

Kimie, die sich wieder ein wenig beruhigt hatte, brauchte einen Augenblick, um Kagome zu folgen, aber dann begriff sie, worauf diese hinaus wollte und winkte beruhigend ab. "Nein, keine Angst. Das passiert schon nicht, ich hab vorgesorgt. Wobei... Eigentlich hat meine Mutter ja da etwas für mich besorgt. Du weißt schon... Sie hat darauf bestanden."

Man sah Kagome die Erleichterung deutlich an. Zwar hatte sie nicht wirklich daran geglaubt, dass Kimie wirklich so sorglos gewesen war, aber sie hatte eben sicher gehen wollen.

"Hey! Was tuschelt ihr denn da rum?", fragte Inu Yasha misstrauisch, nachdem er zumindest seinen Kopf wieder gehoben hatte, ehe er sich nun doch wieder aufsetzte.

Kagome warf ihm einen strengen Seitenblick zu. "Frauenthema. Geht dich nichts an!"

Eingeschnappt verschränkte der Hanyou die Arme vor der Brust, ehe er sich nun wieder deutlich gefasster an Kimie wandte: "Hey! Wenn du jetzt aber immer bei Sesshoumaru pennen solltest, dann achtet beide zumindest darauf, dass ihr euch nicht allzu sehr überanstrengt. Sonst fällt er vermutlich noch im entscheidenden Kampf vor lauter Erschöpfung um, und das wäre ja nicht gerade wünschenswert, auch wenn mir das ja egal sein kann."

Reflexartig wollte Kimie nach der nächst besten Schüssel greifen, aber da gab es keine mehr. So musste sie sich eben vorwiegend verbal dazu äußern: "Argh! Rede nicht so einen Müll, Inu Yasha! Dass ich bei ihm schlafe, heißt noch lange nicht, dass ich bei jeder Gelegenheit... Wie auch immer, lassen wir das endlich! Es sind immerhin Kinder anwesend!"

Allerdings hatten Shippou und Rin die ganze Zeit über gar nicht so wirklich geschnallt, um was es überhaupt ging. Sie schauten sich nur fragend an.

Der kleine Kitsune seufzte auf. "Ehrlich... Erwachsen sein, scheint oftmals gar nicht so einfach zu sein."

Rin nickte befürwortend, ehe ihr Blick auf Jaken fiel, der mit dem Gesicht nach unten neben ihr auf dem Boden lag. "Jaken-sama, ist alles in Ordnung?"

Aber der Krötendämon befand sich schon seit geraumer Zeit in einer Art komatösen Schockzustand.
 

Der Spießrutenlauf "Frühstück" fand kurz darauf sein Ende. Kimie hatte sich rasch von den anderen abgesondert. Zum einen, weil sie etwaigen Fragen aus dem Weg gehen wollte und zum anderen, weil sie noch etwas zu erledigen hatte. Zwar hatte sie eine Weile mit sich gerungen, aber schließlich hatte sie sich doch dazu entschieden, Sesshoumaru nach dem Weg hinunter in die Kerker zu fragen. Sie wollte nach Takeshi sehen. Es war zwar ein Funken Widerwillen in seinen Augen zu erkennen gewesen, aber dann hatte Sesshoumaru sein Einverständnis erteilt und Kimie den Weg erklärt. Den Wachen sollte sie schlichtweg sagen, dass sie seine Erlaubnis hatte, dann würden diese sie mit Takeshi sprechen lassen.

Vor der Tür, die zu den Kerkern führte, angekommen, holte Kimie noch einmal tief Luft. Dann öffnete sie die Tür vorsichtig. Vor sich fand sie eine steinerne Treppe, die noch weiter in die unterirdischen Gefilde runterführte. Zum Glück hingen Fackeln an den Wänden, sonst wäre das der reinste Blindflug geworden.

Als Kimie die Stufen hinab stieg, hörte sie ihre eigenen Schritte wie ein unheimliches Echo an den Wänden widerhallen. Sie war schon ziemlich erleichtert, als sie das untere Ende der Treppe endlich erreicht hatte. Anschließend brauchte sie nur einmal den Kopf zu drehen, dann konnte sie schon die Zellen sehen... und auch die Wachen. Zwei standen direkt vor einer der Zellen. Da wurde bestimmt Takeshi gefangen gehalten. Natürlich hatten die beiden Wachen Kimie längst bemerkt. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, schritt sie in selbstbewusster Haltung auf sie zu. "Bevor einer fragt… Sesshoumaru hat mir erlaubt, dass ich mit Takeshi sprechen darf."

Die beiden Inu-Youkai schauten sich kurz an, dann trat einer von ihnen etwas zur Seite. "In Ordnung."

Kimie näherte sich der Zelle und spähte hinein. Im ersten Moment war sie sehr erschrocken. Takeshi saß auf dem Boden, seine Hände waren über seinem Kopf an die Wand gekettet worden. Sein Gesicht war nicht zu erkennen gewesen, da es nach unten gesenkt war. Leicht zitternd umfasste Kimie die Gitterstäbe der Zelle, dann fragte sie die Wächter: "Darf ich zu ihm rein? Bitte."

Diesmal wirkten sie unsicher, als scheuten sie davor zurück, Kimie ihren Wunsch zu gewähren. Andererseits war sie die Gefährtin ihres Herrn gewesen und demzufolge durften sie sich ihr eigentlich nicht widersetzen. Also öffnete einer der beiden letztendlich die Zellentür und ließ das Mädchen hinein. Zuerst überlegte Kimie, ob sie die Wächter bitten sollte, sie mit Takeshi allein zu lassen, aber entschied sie sich dagegen. Zumindest hatte sie es schon bis hierher geschafft.

Mit langsamen Schritten näherte sie sich dem Gefangenen und blieb vor ihm stehen. Takeshis Anblick verursachte in Kimies Inneren ein regelrechtes Chaos. Er tat ihr einfach nur noch Leid. Sie kniete sich vor ihm auf den Boden und berührte vorsichtig mit ihrer rechten Hand seine linke Wange. "Takeshi…?"

Es bedurfte noch gut drei Anläufen, dann öffnete Takeshi mühsam seine Augen. Als er Kimie erkannte, hob er spürbar überrascht den Kopf. "Du? Was machst du denn hier? Seit wann...?"

"Frei bin ich schon seit einigen Tagen", antwortete sie ihm und zog ihre Hand wieder zurück. "Aber erst seit gestern bin ich wieder hier im Schloss. Ist eine etwas komplizierte Geschichte. Entschuldige, dass ich erst jetzt zu dir komme." Und in der Tat fühlte sich Kimie mehr als schlecht, dass sie nicht schon früher zu Takeshi gekommen war. Denn immerhin hatte sie es ja so gesehen auch ihm zu verdanken, dass sie nicht mehr gefangen war.

Takeshis anfängliche Überraschung wich wieder von ihm. Stattdessen schien er sehr erleichtert gewesen zu sein. Sein Vorhaben hatte also Erfolg gehabt. Trotzdem brannte ihm eine Frage auf der Zunge: "Warum bist du hier runtergekommen?"

"Ich hörte davon, dass du Sesshoumaru und den anderen erzählt hast, was passiert ist. Ich wollte dir danken, denn so gesehen hast du einen großen Teil dazu beigetragen, dass ich befreit werden konnte." In diesem Augenblick fiel Kimie der Riss im Stoff von Takeshis Kleidung auf der rechten Seite auf. Außerdem bemerkte sie die dunkle Umrandung, wie von Blut. "Bist du verletzt worden?"

Takeshi schüttelte leicht den Kopf. "Das ist nur eine Kleinigkeit gewesen. Nicht der Rede wert", entgegnete er beruhigend. Die Wunde durch Subarus Pfeil war ohnehin schon längst wieder verheilt.

Kimie schaute etwas zu Boden. Es entstand eine Augenblick der Stille, ehe sie weiter sprach: "Sesshoumaru hat mir nicht so viel erzählt, aber... Takeshi, was sollte das? Warum hast du das getan?" Ihr Blick traf wiederum mit dem von Takeshi zusammen. Abermals fiel ihr der sanfte Ausdruck in seinen Augen auf. Keine Spur von Hass, Heimtücke oder Boshaftigkeit. Stattdessen ein Hauch von Sehnsucht, aber auch Unsicherheit. Und so jemand sollte allen Ernstes im Grunde ihr Feind sein?

Takeshi sah Kimie an. "Weißt du das wirklich nicht?"

Sie antwortete nicht. Doch, sie wusste es, aber ihr war nicht wohl bei dem Gedanken. "Und dafür... hast du dein Leben riskiert? Du hättest schließlich umgebracht werden können!"

Sein Blick senkte sich ein wenig. "Ich weiß, aber es war mir die Sache wert."

"Aber Takeshi... Ich..." Sie brach ab. Was sollte sie zu ihm sagen? Schließlich wusste er um ihre Gefühle und dass sie seine nicht erwiderte.

"Sag nichts", entgegnete Takeshi von daher nur mit ruhigem Kopfschütteln. "Ich weiß schon. Aber trotzdem bereue ich es nicht."

Erneut schwieg Kimie. Da hatte sie Takeshi so gesehen schon ihr Leben zu verdanken und konnte ihm noch nicht mal etwas dafür wiedergeben. Schon gar nicht die Erwiderung seiner Gefühle für sie...

Gerade setzte sie dazu an, doch noch etwas zu sagen, da bekam sie mit, wie eine weitere Person sich zu nähern schien. Als sie sich umdrehte, sah sie einen ihr fremden Inu-Youkai, der sich kurz mit den beiden Wachen unterhielt. Dann richtete er das Wort direkt an sie: "Ich entschuldige die Unterbrechung, aber Sesshoumaru-sama wünscht, den Gefangenen zu sehen."
 

Takeshi musste seinen Blick die ganze Zeit über gesenkt halten, trotzdem nahm er die Anwesenheit all jener, die sich mit ihm in diesem großen Raum, der für sein "Verhör" ausgewählt worden war, befanden, durchaus wahr. Links und recht neben ihm standen die zwei Wächter, die ihn genauestens im Auge behielten, jederzeit dazu bereit, ihn wenn nötig zu töten, falls er sich in irgendeiner Form widersetzen würde. Takeshi achtete schon selbst peinlich genau darauf, sich nicht allzu viel zu bewegen, als fürchtete er, es könnte falsch interpretiert werden. Allerdings war das Gefühl seiner auf dem Rücken zusammengebundenen Hände und seiner separat verschnürten Schwingen alles andere als angenehm gewesen. Aber er versuchte, sich zusammenzureißen.

Kimie war sichtlich angespannt. Während sie so bei Kagome, Inu Yasha und den anderen etwas abseits stand, wanderte ihr Blick immer wieder abwechselnd von Takeshi zu Sesshoumaru, der mit bedrohlich langsamen Schritten vor dem jungen Ryû-Youkai auf und abging und ihn dabei keine Sekunde aus den Augen ließ, bis er schließlich stehen blieb.

"Sesshoumaru, was machen wir jetzt mit ihm? Ihn hier behalten?", fragte Ashitaka nach einem Augenblick zögerlich.

Von einem seiner Kameraden gab es sogleich einen Einwand: "Das ist mir für meinen Geschmack zu riskant. Als er das erste Mal hier war, gab's schließlich schon genug Ärger."

"Hm! Dann entledigen wir uns doch einfach seiner Anwesenheit. Schließlich gehört der immer noch zu diesem Drachenpack!", schlug ein anderer der Inu-Youkai ungerührt vor. Es war klar, was er damit gemeint hatte.

Takeshi hatte im Grunde nicht mehr viel zu verlieren. Von daher scheute er sich auch nicht davor, nun seinerseits das Wort zu ergreifen, obwohl er gar nicht dazu aufgefordert worden war: "Macht ihr es euch nicht vielleicht ein wenig zu einfach?"

"Hat dich jemand nach deiner Meinung gefragt?!", knurrte einer der Wächter und streckte ihn mit einem Schlag des Stabes seiner Lanze nieder.

Als Takeshi keuchend auf den Boden aufschlug, trat Kimie entrüstet vor. "Jetzt flippt doch nicht gleich so aus! Er hat doch überhaupt nichts gemacht!" Hilfe suchend schaute sie in Sesshoumarus Richtung, aber noch blieb der Youkai größtenteils passiv. Stattdessen gab er seinen Leuten lediglich mit einem Nicken zu verstehen, dass sie sich zurückhalten sollten. Mühsam schaffte es Takeshi, sich schließlich wieder aufzusetzen.

"Wenn du sprechen willst, dann tu das nun", forderte Sesshoumaru ihn mit kühler Stimme auf.

Der junge Ryû-Youkai hob seinen Blick und sah seinen Gegenüber fest an. "Ich habe nicht etwa vor, um Gnade zu betteln, dazu lasse ich mich nicht herab. Ebenso wenig erwarte ich, dass Ihr mich wieder freilasst. Denn dadurch, dass ich hierher gekommen bin, habe ich gleichzeitig meinem eigenen Clan den Rücken gekehrt. Vielleicht weiß Akuma mittlerweile sogar schon, dass ich ihn hintergangen habe. Und selbst wenn nicht, er findet es sowieso über kurz oder lang heraus. So gesehen gibt es für mich keinen Grund, wieder zurückzukehren. Trotzdem möchte ich eine Sache zu bedenken geben: An dem alten Kampf von damals war ich nicht beteiligt. Beurteilt mich also nach dem, was ihr über mich wisst. Oder soll ich für etwas büßen, was ich überhaupt nicht getan habe?"

"Da hat er im Grunde Recht", warf Miroku nun ein. "Es wäre nicht fair, ihm die Schuld für etwas anzulasten, womit er im Grunde gar nichts zu tun gehabt hat."

"Wer hat dich denn gefragt, Mönch?", drang knurrend die Frage von einem der Inu-Youkai zu der Gruppe um Inu Yasha vor. Der Hanyou konnte sich nun seinerseits ein missmutiges Knurren nicht mehr verkneifen. Es war mit diesen Youkai immer noch diese alte Leier gewesen, die er schon gewohnt gewesen war.

Mit einer Geste seiner Hand sorgte Sesshoumaru abermals für Ruhe. Dann wandte er sich wieder Takeshi zu. "Zugegeben, du warst damals zwar nicht dabei, aber..." Er trat näher an ihn heran, ehe er ihn mit der rechten Hand grob am Kragen packte und knapp auf Augenhöhe zu sich hochzog. "Bist nicht du es gewesen, der Tôya manipuliert und ihn dazu gezwungen hat, einen der unseren anzugreifen? Soll ich dich also danach beurteilen, ganz wie du es eben selbst vorgeschlagen hast?" Sein Griff wurde fester. Dann fügte er noch hinzu, dass nur Takeshi es hören konnte: "Und hast du es nicht gewagt, dich meiner Gefährtin zu nähern? Das allein wäre schon Grund genug, dass ich dich töte!"

>Er weiß es?!<, schoss es Takeshi sofort durch den Kopf und warf einen kurzen Seitenblick auf Kimie. Hatte sie Sesshoumaru etwa davon erzählt, dass er sie geküsst hatte? Es war nicht so gewesen, dass Takeshi ihr daraus einen Vorwurf machte, aber für seine Lage war dies nicht gerade in eine gute Richtung förderlich gewesen. Takeshi hatte Mühe, diesem kalten Blick von Sesshoumaru zu widerstehen. Er rechnete eigentlich jeden Moment damit, dass er ihn hier und jetzt vor den Augen der anderen töten würde.

"Warte bitte, Sesshoumaru!", rief Kimie aber mit einem Mal aufgeregt und lief auf die beiden zu. Eindringlich fasste sie Sesshoumaru am linken Arm. Wenn schon Takeshi selbst nicht um sein Leben bitten wollte, musste sie es eben tun. Wenigstens das war sie ihm schuldig. "Bitte lass ihn los! Es mag stimmen, dass er uns getäuscht und insbesondere Ashitaka sehr geschadet hat, aber trotzdem... er hat uns doch auch geholfen, oder?"

Sesshoumaru schaute mit ungerührter Miene zu Kimie. Er erinnerte sich wieder an die Bitte, die sie vorhin noch ihm gegenüber geäußert hatte. Aber sollte er Takeshi wirklich am Leben lassen? Aus seiner Sicht gab es nämlich genug Gründe, ihn schnell und unkompliziert aus dem Weg zu räumen. Doch damit würde er unweigerlich Kimies Missgunst auf sich ziehen, auch, wenn er das so nicht beabsichtigte.

Es gefiel ihm zwar nicht, aber letztendlich ließ Sesshoumaru Takeshi wieder zu Boden fallen. Kimie hatte sich sofort zu ihm gekniet und stützte ihn am Rücken, als er sich wieder aufsetzte. "Alles in Ordnung?", fragte sie ihn besorgt.

Takeshi nickte schwach. "Ja, schon okay. Danke..."

"Mein Urteil über dich wird wohl noch warten müssen", sprach Sesshoumaru mit einem Mal weiter. Und obwohl er kurzzeitig zu Kimie blickte, galten seine Worte nach wie vor Takeshi: "Du hast Glück, dass man dir hier nicht nur mit Ablehnung begegnet, doch fühle dich deswegen nicht allzu sicher. Wir werden schon noch sehen, wer du wirklich bist. Bis auf weiteres wirst du hier bleiben. Und solltest du mir auch nur den kleinsten Anlass bieten, werde ich dich höchstpersönlich töten." Ein Nicken in die Richtung der beiden Wächter genügte und sie zogen den Gefangenen wieder auf die Beine, um ihn zurück in seine Zelle zu schaffen.

Bevor sie jedoch aus dem Raum verschwinden konnten, sprach Kimie Sesshoumaru erneut an: "Findest du es aber nicht übertrieben, ihn auch noch anzuketten? Es reicht doch, wenn er in seiner Zelle bleibt, oder?" So langsam wagte sie sich ein wenig weit vor, das schien ihr sogar selbst klar gewesen zu sein. Trotzdem wollte Kimie es zumindest versuchen, damit Takeshi nicht wie ein übler Schwerverbrecher vor sich hinvegetieren musste.

In Sesshoumarus Augen sah man einen Ausdruck von Unmut, aber letztendlich schien er sich doch breittreten zu lassen. "Bringt ihn in die Zelle. Mehr nicht." Und an Takeshi gerichtet fügte er noch hinzu: "Wage es jedoch nicht, noch einmal deine billigen Tricks anwenden zu wollen!"

Ansonsten war die Konsequenz dafür klar gewesen. Trotz dieser Warnung atmete Kimie innerlich erleichtert auf. Zumindest das hatte sie für Takeshi tun können. Sie sah noch, wie er ihr dankbar zunickte, ehe er wieder abgeführt wurde.

Nach und nach verließen auch die anderen Anwesenden den Raum. Doch als Kimie der Gruppe um Inu Yasha folgen wollte, wurde sie von Sesshoumaru angewiesen, noch einen Moment zu bleiben. Also schloss Kimie die Schiebetüren letztendlich wieder, nachdem auch der Letzte den Raum verlassen hatte und wandte sich wieder zu dem Youkai um. "Was ist?"

"Ich möchte nur etwas klarstellen", entgegnete er im üblichen Ton. "Ich bin zwar bereit, dir deine Bitte zu gewähren und Akumas Bruder bis auf weiteres zu verschonen. Aber erwarte nicht von mir, dass ich es zulassen werde, dass er sich dir noch einmal auf eine solche unverschämte Art und Weise nähert, wie er es schon einmal getan hat."

Kimie verschränkte die Arme vor der Brust. "Wenn du Takeshi ans Leder willst, darf ich mir dann vielleicht Touran vornehmen?"

Diese Frage war eigentlich so nicht ernst gemeint gewesen, Kimie hatte Sesshoumaru lediglich etwas aus dem Konzept bringen wollen. Zwar entgegnete er nichts auf ihre Frage, trotzdem schien sie in gewisser Hinsicht einen Treffer gelandet zu haben.

Ohne aber noch weiter darauf einzugehen, kam Kimie nun auf Sesshoumaru zu und ergriff seine rechte Hand. "Hör mal, es ist einiges etwas blöd gelaufen, aber unter den gegebenen Umständen könnte man sagen, wir sind quitt. Keiner von uns beiden wollte so richtig, was da passiert ist. Normalerweise würde ich darauf zwar keine Rücksicht nehmen, aber... so gesehen war ich ja nicht viel besser als du. Und außerdem..." Sie schaute ihm direkt in die Augen. "...möchte ich mich nicht schon wieder streiten."

Sesshoumaru hob seine freie linke Hand und strich Kimie behutsam eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ehe er an ihrer Wange verharrte. "Ich hatte eigentlich erwartet, dass du dich wieder aufregen würdest", meinte er mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme.

Kimie lächelte ein wenig mehrdeutig. "Nun, ich bin schließlich kein kleines Mädchen mehr." Neckisch spielte sie mit einer seiner langen Haarsträhne, die ihm über der Schulter lag. Sie glaubte, einen etwas amüsierten Ausdruck in seinen Augen zu erkennen.

Sesshoumaru beugte sich schließlich zu Kimie runter und hauchte ihr einen sanften Kuss auf den Mund. Den Genuss, ihre weichen Lippen auf seinen zu spüren, hätte er gerne noch ein wenig ausgekostet, doch das war den beiden diesmal nicht vergönnt gewesen. Sesshoumaru bekam die Anwesenheit einer Person vor der Tür mit und löste sich wieder von Kimie. Als sie seinem Blick folgte, erkannte auch sie die Silhouette, die durch das Papier hindurch schien.

"Traust du dich nicht rein? Das kenne ich so überhaupt nicht von dir", sagte Sesshoumaru, woraufhin sich die Tür öffnete.

Kimie konnte es nicht vermeiden, dass ihr ein wenig komisch zumute wurde, als Touran den Raum betrat. Sagen tat sie aber nichts, sondern beobachtete alles nur stumm, während die Dämonin an der Tür stehen blieb.

"Versteht mich nicht falsch, ich kam nur zufällig vorbei. Das ist die Wahrheit", stellte Touran von vornherein klar. Kimie konnte es sich zwar nicht erklären, aber sie glaubte ihr. Außerdem wirkte die Panther-Dämonin merkwürdig gefasst. Es gab keine Anzeichen etwaiger Feindseligkeiten.

Auch Sesshoumaru blieb seriös. "Im Grunde hat es auch etwas Gutes, dass ich jetzt gleich mit dir sprechen kann. Es gibt da nämlich etwas, was ich dir und auch einigen von meinen Leuten auftragen möchte."

Sowohl Kimie als auch Touran schien diese Ansage in gewisser Hinsicht zu irritieren. Was mochte Sesshoumaru sich überlegt haben?
 

"Und? Was hältst du von dieser ganzen Sache?", fragte Tôya an Ashitaka gerichtet, als sich die beiden gut eine Stunde nach dieser Sache für ein kleines Training in Sachen Schwertkampf hinter dem Schloss verabredet hatten.

Noch während er einen Schlag seines Freundes parierte, antwortete Ashitaka: "Nun, zumindest scheint Kimie-chan etwas für Akumas Bruder übrig zu haben. Vielleicht weiß sie ja, dass er in sie verliebt ist und fühlt sich verantwortlich." Er schlug einmal nach Tôya, der jedoch mit einem Sprung nach hinten auswich.

"Aber dass Sesshoumaru-sama ihrer Bitte nachgegeben hat, wundert mich trotz allem dennoch. Ich meine, so gesehen hat er doch eigentlich einen Nebenbuhler."

Erneut kreuzten sich die Klingen.

"So würde ich das nicht bezeichnen", meinte Ashitaka. "Kimie-chan ist nicht der Typ, der sich so leicht von so etwas beeinflussen lässt. Und dass sie Takeshi geholfen hat, muss noch lange nichts heißen."

"Das habe ich auch so nicht gemeint." Tôya stieß den Jüngeren von sich fort, ehe er nun seinerseits wieder zum Angriff überging. "Es geht im Grunde mehr um das, was Sesshoumaru-sama diesbezüglich zu tun gedenkt. Denn ob nun ernsthafter Konkurrent oder nicht, dass Takeshi Gefallen an dem Mädchen gefunden hat, dürfte ihn trotzdem nicht so einfach kalt lassen."

"Das tut es wohl auch nicht, aber du kennst ihn doch. Als ob er es frei äußern würde, dass es ihm missfällt."

Noch einige Male ließen die beiden die Klingen ihrer Schwerter aufeinanderprallen. Es hatte schon etwas Merkwürdiges an sich gehabt, wenn man sie so dabei beobachtete. Dieser Ansicht schien wohl auch Miyuki gewesen zu sein, als diese plötzlich bei ihrem Bruder und Ashitaka auftauchte. Einen Moment lang hatte sie alles nur kommentarlos mitverfolgt, aber nun äußerte sie sich kopfschüttelnd: "Echt mal! Ihr zwei seid auch wirklich komisch... Eine Unterhaltung zu führen, während ihr gleichzeitig mit den Schwertern aufeinander losgeht..."

Ashitaka und Tôya unterbrachen ihren Übungskampf nun, als sie auf Tôyas jüngere Schwester aufmerksam wurden. Gelassen schulterte Ashitaka sein Schwert. "Na und? Das ist doch immer noch besser, als wenn wir nur sinnlos aufeinander eindreschen würden, oder?"

"Du bist ja mal wieder sehr lustig...", meinte Miyuki trocken.

Tôya steckte indes sein Schwert wieder ein. "Stimmt etwas nicht, Miyuki? Oder bist du nur zufällig hier?"

Sie schüttelte den Kopf und wirkte mit einem Mal merkwürdig ernst. "Nein, in der Tat, das bin ich nicht. Subaru hat mich gebeten, zu euch zu kommen. Wie es scheint, möchte Sesshoumaru-sama etwas von ihm und auch von euch."
 

Sesshoumaru hatte eine Gruppe zusammenstellen lassen, die sich zu den nördlichen Grenzen begeben und sich dort ein wenig umsehen sollte. Die Gruppe bestand neben Ashitaka und Tôya zusätzlich noch aus Subaru so wie Karan und ihrer älteren Schwester Touran.

Das genaue Vorgehen war allen schon nach kurzer Zeit klar gewesen, dennoch gab Sesshoumaru ihnen noch letzte Anweisungen, wobei er im Grunde mehr zu seinen eigenen Leuten sprach: "Ich verlange nicht von euch, dass ihr euch einem Kampf stellt. Versucht einem solchen nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Bleibt außerdem nicht länger als unbedingt nötig im feindlichen Gebiet. Wir müssen damit rechnen, dass Akuma auch an den Grenzen einige seiner Leute postiert hat." Er vergewisserte sich noch mal, dass ihn alle genau verstanden hatten.

Ehe es jedoch losging, schlenderte Ashitaka noch einmal zu Miyuki rüber und fragte sie mit einem neckischen Grinsen: "Sag mal, Miyuki-chan, wie wäre es eigentlich mit einem kleinen Abschiedskuss?"

Miyuki wich seinem Blick aus. "Ich... wüsste nicht, warum ich das machen sollte."

"Ich meine ja auch nur, falls mir etwas passieren sollte. Wäre das nicht schade?" Es war zwar nur ein Scherz gewesen, trotzdem blieb eine entsprechende Reaktion nicht aus.

"Mann! Dann pass gefälligst auf, dass euch NICHTS passiert, klar?!", keifte Miyuki aufgebracht. "Außerdem sollst du doch nicht so reden! Das bringt Unglück, zum Teufel!"

Während sich Ashitaka nach dieser nicht gerade leisen Ansage nur die Ohren zuhielt, lächelte Tôya seiner kleinen Schwester beruhigend zu. "Wir passen schon auf. Keine Sorge."

"Trotzdem..." Miyuki sah ihren Bruder bittend an. "Seid bitte vorsichtig, ja?" Sie konnte ihre Sorgen nur schlecht verbergen und eigentlich wollte sie das auch gar nicht.

Tôya ging auf Miyuki zu und gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. "Keine Angst, es wird schon gut gehen. Und mach keinen Blödsinn, während ich weg bin."

"Ich bin doch kein kleines Kind mehr, Nii-sama!", protestierte das Dämonenmädchen kleinlaut.

Tôya lächelte sanft. "Ja, ich weiß."

"Wie niedlich!", hörte man Seshirus Stimme plötzlich spöttisch sagen. "Wenn man sich das so ansieht, könnte man ja glatt meinen, ihr rennt geradewegs in euren sicheren Tod. Wie sieht's aus, Subaru? Hast du auch noch ein paar letzte Worte an deinen Bruder zu richten?"

Doch Subaru hatte für Seshirus Äußerungen nur einen kühlen Blick übrig.

"Dann eben nicht", meinte Seshiru gleichgültig und räumte wieder das Feld. Allerhand missbilligende Blicke folgten ihm dabei.

"Ich mochte ihn schon von Anfang an nicht!", verkündete Shippou entschieden, nachdem der Inu-Youkai wieder verschwunden war, und sprach damit wohl so manchem aus der Seele.

Indes schweifte Tourans Blick, der bis eben noch vorwiegend auf Sesshoumaru gerichtet war, zu Kimie, die zusammen mit Inu Yasha, Kagome und den anderen oberhalb der Treppe vor den Eingangstüren des Schlosses auf der Veranda stand. Als ob sie die Augen der Panther-Dämonin auf sich gespürt hätte, schaute Kimie leicht zur Seite. Dieser Blick... Kimie konnte ihn irgendwie nicht einordnen, denn er hatte irgendwie so was... Neutrales an sich gehabt. Es war einfach nur merkwürdig. Recht schnell hatte sich Touran auch schon wieder von Kimie abgewandt.

Kurz darauf machte sich die Gruppe auf den Weg und verließ das Schlossgelände.

"Hoffentlich passiert ihnen wirklich nichts...", hoffte Kagome inständig. Denn irgendwie hatte sie ein ungutes Gefühl bei dieser Sache. Aber vielleicht war es auch einfach nur die Nervosität.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Takeshi in den Händen der Inu-Youkai... Akuma konnte es nicht fassen! Schon seit Tagen hatte er sich darüber den Kopf zerbrochen, wie sein Bruder den Feinden ins Netz hatte gehen können. Dabei hatte er ihn extra noch ermahnt, aufzupassen. Nach Yus Aussagen war Takeshi zwar noch am Leben gewesen, allerdings hatte Akuma bisher noch keinen Plan gefasst, wie und ob er seinen Bruder zurückholen wollte.

"Akuma-sama. Ich will nicht aufdringlich sein, aber irgendetwas müsst Ihr tun", gab Yu seinem Herrn zu bedenken, während er sich gemeinsam mit ihm in dessen Privaträumen aufhielt.

Akuma stand am geöffneten Fenster und entgegnete streng: "Ich werde Sesshoumaru unter keinen Umständen die Möglichkeit bieten, mich etwa zu erpressen."

"Dann wollt Ihr also nichts tun, um Eurem Bruder zu helfen?"

Akuma zögerte einen kurzen Augenblick, ehe er antwortete: "Auf jeden Fall werde ich nichts tun, womit ich mir selbst einen Nachteil verschaffen würde. Takeshi hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn er zu unbesonnen war. Ich habe ihn extra noch ermahnt, bevor ich ihn an der Grenze zum Westen zurückließ."

"Vielleicht ist er ja in einen Hinterhalt geraten", behauptete Yu. "Vielleicht war es sogar ein Racheakt dafür, dass Ihr Sesshoumarus Gefährtin in Eure Gewalt gebracht habt."

"Hm!" Diese Möglichkeit hatte Akuma selbst auch schon in Betracht gezogen, aber irgendwie glaubte er nicht so recht daran. Irgendetwas störte ihn an dieser Geschichte, aber er kam einfach nicht darauf, was es gewesen sein könnte.

Ein plötzliches Donnern gefolgt von einem Geräusch, das klang, als würde irgendwo ganz in der Nähe eine Steinlawine die Abhänge hinunterrollen, ließ die beiden Ryû-Youkai aufhorchen.

"Verflucht noch mal! Was soll der Lärm?!" Akuma spähte aus dem Fenster, konnte aber außer einigen Staubwolken nichts erkennen. Um der Sache auf den Grund zu gehen, wollte er selbst nachsehen. Er setzte einen Fuß auf das Fenstersims, stieß sich von diesem ab und flog geradewegs zum Ort des Geschehens. Nahe des Schlosses entdeckte er Rokou im Beisein eines anderen Ryû-Youkai auf einem Felsvorsprung stehen. Die beiden hatten ihre Blicke zum Himmel hinaufgerichtet, als beobachteten sie irgendetwas, aber außer einer dichten Wolkendecke war nichts zu sehen gewesen. Akuma landete direkt neben den beiden. "Was geht hier vor? Ich verlange eine Erklärung!"

"Jin, der Trottel, hat Ren mal wieder zu einem Kampf herausgefordert", antwortete Rokou seinem Herrn und lehnte sich mit vor der Brust verschränkten Armen gegen einen Felsen. "Der Typ lernt es nie. Vermutlich gibt er erst auf, wenn Ren ihm wirklich mal das Licht auspustet."

"Es sei denn, dieses Mal hat Jin-sama die Nase vorn", wagte sein Kamerad zu bemerken, aber Rokou hatte dafür nur Hohn und Spott übrig.

"Tut mir Leid, aber wenn überhaupt, dann dürfte es noch mindestens einige Jahrhunderte dauern, bis Jin mal an sein Ziel kommt."

Akuma hörte den beiden bei deren Dialog mehr wie nebenbei zu. Eigentlich hätte es ihm ja so ziemlich egal sein können, was seine Leute mal wieder für Probleme untereinander auszutragen hatten, aber im Moment konnte er so etwas nun wirklich nicht gebrauchen. Trotzdem mischte er sich nicht in den Kampf von Renhou und Jin ein.

Die Kampfgeräusche waren verstummt, denn im Augenblick verharrte Renhou außer Sichtweite der anderen mitten in den Wolken. Irgendwo hielt sich Jin verborgen. Bis auf den Wind, der hier oben wehte, war nichts zu hören gewesen, aber Renhou konnte die Anwesenheit seines Konkurrenten spüren. "Jin! In deinem eigenen Interesse, hör auf damit und zeig dich!"

"Was ist denn mit dir los, Renhou?", fragte die Stimme von Jin aber nur spöttisch. "Hast du etwa Angst? Angst davor, dass ich dich dieses Mal besiegen könnte?"

Von wegen, darum ging es Renhou nun wirklich nicht. Aber ob er wollte oder nicht, offenbar musste er sich diesem Kampf stellen. Hochkonzentriert festigte sich sein Griff um seine Lanze. Blitzartig drehte er sich um, als er spürte, wie Jin von hinten durch die Wolken hindurch mit erhobenem Schwert auf ihn zupreschte. Den Schwerthieb wehrte Renhou mit dem Stab seiner Lanze ab. Doch konnte er es nicht vermeiden, von Jin mit dem Rücken gegen eine Felswand gedrückt zu werden. Der Stab von Renhous Lanze befand sich knapp unter seinem Kinn. Mit aller Kraft drückte Jin seinem Gegner dessen Waffe immer weiter gegen den Hals, als wollte er ihm langsam aber sicher die Luftzufuhr rauben.

"Diesmal nicht!", zischte er bedrohlich. "Diesmal werde ich nicht gegen dich verlieren! Du wirst durch meine Hand sterben!"

Ohne etwas auf diese Drohung zu erwidern, behielt Renhou trotz seiner augenblicklich etwas heiklen Situation seine Ruhe und Selbstbeherrschung. Dass Jin ihn zu gerne töten würde, war für ihn nun wirklich nichts Neues mehr gewesen. Aber diesen Gefallen würde Renhou seinem Kontrahenten nicht tun, schon aus Prinzip. Das beste wäre gewesen, den Kampf so rasch wie möglich wieder zu beenden. Renhou sammelte seine Kräfte und stieß Jin letztendlich wieder von sich, ehe er sich mit einem Flügelschlag direkt über ihn platzierte. Renhou nutzte einen kinetischen Angriff, um Jin damit zunächst aus dem Konzept zu bringen, ehe er sich direkt auf ihn stürzte und ihn mit dem quer gehaltenen Stab seiner Lanze mit hoher Geschwindigkeit Richtung Boden schob. Jin versuchte zwar, sich irgendwie aus seiner misslichen Lage zu befreien, aber allein schon der Druck, verursacht durch die hohe Geschwindigkeit, mit der er stetig weiter runtergedrückt wurde, machten ihm das praktisch unmöglich. Als nur noch gut zwanzig Meter zwischen Jin und dem Erdboden standen, stieß Renhou ihn mit aller Kraft von sich und Jin knallte ungebremst mitten ins Gestein. Eine Unmenge Staub wurde aufgewirbelt.

"Ungh... Scheiße...!", fluchte Jin, während er mühsam versuchte, sich wieder aufzurappeln. Aber er hatte kaum den Oberkörper so richtig aufgerichtet, da stieß Renhou seine Lanze direkt neben ihm in den Boden. Jin blickte nach oben. Schon wieder... Schon wieder musste er zu seinem ärgsten Konkurrenten aufblicken, wie ein niederer Untertan. Eine abgrundtiefe Schmach und noch dazu waren die beiden nicht nur von Rokou und einem weiteren Ryû-Youkai, sondern sogar noch von Akuma beobachtet worden.

"Na, Jin? Da hat Ren dir wohl mal wieder ganz schön die Fresse poliert, was?", fragte Rokou und hielt mit seinem Spott, den er für seinen besiegten Kameraden übrig gehabt hatte, keinesfalls hinterm Berg.

Zu gerne hätte Jin ihm daraufhin höchstpersönlich sämtliche Eingeweide aus dem Leib gerissen, aber das war ihm vergönnt gewesen. Er hatte mal wieder gegen Renhou verloren und musste ein weiteres Mal damit klarkommen.

"Jin... Hast du nicht so langsam genug von alldem?", fragte Renhou nach einer Weile.

Jin knurrte wütend, während er aufstand. "Schnauze! Dein blödes Gequatsche interessiert mich nicht! Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen, Renhou!" Und mit diesen Worten schritt er davon, ohne sich etwa noch einmal an Renhou oder einen anderen gewandt zu haben.

Renhou seufzte kaum hörbar auf und zog seine Lanze wieder aus dem Boden.

"Hey, Ren! Vielleicht hättest du ihm wenigstens einen Arm brechen sollen, denn so könnte er schon morgen wieder bei dir antanzen", meinte Rokou von seinem Aussichtspunkt aus, obwohl diese Aussage nicht wirklich ernst gemeint gewesen war. Dessen schien sich auch Renhou bewusst gewesen zu sein, denn er entgegnete nichts darauf. Überhaupt machte er sich weniger Gedanken um Jin, sondern viel mehr um Takeshi. Denn natürlich hatte neben Renhou auch schon so ziemlich jeder andere vom Verschwinden von Akumas Bruder gehört. Doch was genau mochte mit ihm geschehen sein?

Akuma ersparte sich einen etwaigen Kommentar zu der Sache mit Renhou und Jin. Er kannte die altbekannten Konkurrenzkämpfe zwischen den beiden schließlich schon zu genüge. Stattdessen bereitete ihm noch immer die Geschichte mit Takeshi einiges Kopfzerbrechen. Zwar hatte Akuma es seinen Leuten gegenüber so bisher nicht geäußert, aber er hatte bereits am Vortag Toba losgeschickt, um sich ein wenig schlau zu machen. Akuma wollte zuerst genaueres über die Lage in Erfahrung bringen, ehe er handelte.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

"Argh! So ein blödes Gestrüpp!", fluchte Karan genervt, nachdem sie sich bereits zum zehnten Mal mit dem Fuß in einer dämlichen Wurzel verfangen hatte.

"Achte einfach mehr auf den Boden, dann passiert dir so etwas auch nicht allzu oft", riet Subaru der Panther-Dämonin, wenngleich er dabei ein wenig gelangweilt klang. Überhaupt konnte es sich die Gruppe im Moment auch gar nicht so wirklich leisten, allzu laut oder stümperhaft durch die Gegend zu stolpern, denn sie befand sich schon seit geraumer Zeit im feindlichen Gebiet. Allerdings waren sie bisher noch nicht angegriffen worden.

Tôya, der sich an die Spitze des Trupps gesetzt hatte, kam allerdings genau das irgendwie seltsam vor. "Eigenartig..."

"Was meinst du damit, Tôya?", fragte Ashitaka seinen Freund.

"Findet ihr das denn nicht auch seltsam?", fragte dieser zurück. "Ich meine, es scheint fast so, als wäre hier nichts und niemand. Ich habe erwartet, es gäbe hier zumindest einen Posten, vielleicht eine Falle." Ein plötzliches Rascheln im Gebüsch ließ ihn abrupt stehen bleiben. "Oder einen Hinterhalt..."

"Was habt ihr denn? Was ist los?", fragte Karan verdutzt, nachdem die drei Inu-Youkai so plötzlich stehen geblieben waren.

"Schhht! Halt den Mund! Kein Ton!", kam es sofort flüsternd, aber energisch von Tôya zurück. Zuerst wollte Karan sich diese nicht gerade freundliche Ansprache auf keinen Fall gefallen lassen und setzte schon zu einer entsprechenden Erwiderung an, aber Touran hielt sie zurück.

Tôya und seine Kameraden hatten ein etwas entferntes Gebüsch genau anvisiert. Wieder raschelte es verdächtig. Tôya zögerte nicht mehr länger, zog sein Naginata und sprang direkt darauf zu. Blitzschnell wollte er zuschlagen, doch hielt er ebenso blitzartig in seiner Bewegung inne und brach den Angriff ab. "Was zum...?!"

Nur einen Sekundenbruchteil später sprang ein kleines Kaninchen aus dem Gestrüpp und hoppelte eiligst weiter in den Wald hinein. Der von Sesshoumaru zusammengestellte Trupp stand ein wenig ratlos da und wirkte, wie im Regen stehen gelassen.

Irgendwann klatschte Ashitaka belustigt in die Hände. "Toll gemacht, Tôya! Du hast ein Kaninchen in die Flucht geschlagen. Bestimmt hätte es uns alle ansonsten zum Abendessen verschlungen."

Während Karan es partout nicht vermeiden konnte, leise zu kichern, schulterte Tôya nur mit einem Seufzen seine Waffe. "Rede nicht so geschwollen, Ashitaka! Du und die anderen, ihr habt es doch schließlich auch nicht gemerkt."

"Na, zumindest sorgt ihr Hündchen für gute Unterhaltung", warf Karan ein. "So viel aber zu eurem tollen Spürsinn und so weiter. Da kann man ja nur gespannt darauf sein, was als nächstes kommt."

Tôya unterdrückte ein frustriertes Knurren. Er wollte es tunlichst vermeiden, sich von einer Katze noch mal so provozieren zu lassen, wie zu Anfang. Viel Zeit, um sich noch über diesen Vorfall den einen oder anderen Spaß zu erlauben, blieb der Gruppe eh nicht, denn Ashitaka fiel mit einem Mal auf, dass Subaru merkwürdig still gewesen war und irgendwie sehr ernst wirkte. "Subaru? Was ist denn?"

"Hört ihr das?", fragte Subaru aber nur zurück. Seine Begleiter lauschten nun genauestens auf ihre Umgebung.

"Was soll das? Es ist doch totenstill", bemerkte Touran, aber da ging ihr plötzlich ein Licht auf, als der Inu-Youkai weiter sprach: "Eben. Das ist es ja gerade, es ist einfach zu still. Nicht mal das kleinste Tier ist zu hören."

In der Tat, das war nicht normal gewesen. Denn normalerweise hörte man zumindest noch einige Vögel singen, aber bis auf ein leichtes Rascheln von Blättern gab es keinerlei andere Geräusche.

Tôyas Griff um sein Naginata wurde fester. Für ihn lag klar auf der Hand, dass etwas nicht stimmte. Er trat einen Schritt zurück und bemerkte, wie das Gras unter seinem Fuß auf einmal dieses merkwürdige Geräusch von sich gab, als wäre es nass. Dabei hatte es in dieser Gegend überhaupt nicht geregnet. Als Tôya nach unten blickte, sah er gerade noch, wie sich zwischen den einzelnen Grashalmen einzelne Wassertropfen bewegten.

"Geht weg! Zurück!", rief er den anderen sofort zu, kurz bevor sich direkt vor ihnen eine Wasserfontäne erhob. "Verflucht, das war eine Falle! Sie haben uns aufgelauert!" Tôya war sofort klar gewesen, wer hinter dieser Wasser-Magie stecken musste. Nur einer kam dafür in Frage...

Vom Himmel her drang nun ein ohrenbetäubendes Gebrüll zu der Gemeinschaft vor und als der erste große Schatten über den Baumkronen hinweg zog, war jedem einzelnen klar gewesen, dass sie dem Feind praktisch in die Arme gelaufen waren.

"Wir können nicht abschätzen, wie viele es sind", sagte Subaru. "Lassen wir uns nicht auf einen Kampf ein, um es vielleicht herauszufinden. Wir ziehen uns zurück!"

"Was?! Wir sollen weglaufen?!", fragte Karan entrüstet.

Subaru sah die Panther-Dämonin eindringlich an. "Es war Sesshoumaru-samas Befehl, dass wir uns nicht auf einen Kampf einlassen sollen! Wenn du allerdings hier bleiben willst, übernimmt von uns keiner dafür die Verantwortung."

"Da gebe ich ihm Recht, Karan", stimmte Touran dem Inu-Youkai mit fester Stimme zu. "Es ist zu riskant. Wir gehen!"

Zwar war Karan noch immer nicht wirklich begeistert gewesen, aber wenn sogar ihre ältere Schwester dieser Meinung gewesen war, wollte sie sich dem nicht weiter widersetzen. Geschlossen trat die Gruppe nun den Rückzug an.

Tôya bekam bei einem kurzen Blick über seine Schulter mit, wie das Wasser sie zu verfolgen schien. Allerdings konnte er nicht abschätzen, ob es sich dabei um gewöhnliches Wasser handelte, das lediglich manipuliert worden war. Denkbar war schließlich noch was ganz anderes gewesen...

Tôya blieb ruckartig stehen, als er mitbekam, wie sich das Wasser erneut zu einer Fontäne auftürmte. Anscheinend hatte es sich nun ein Ziel ausgewählt und schoss geradewegs auf Touran zu.

"Pass auf!! Runter!", rief er der Panther-Dämonin zu und stieß sie noch rechtzeitig zur Seite, aber damit war die Sache noch nicht überstanden gewesen. Denn das Wasser türmte sich nun zu einer Wand hoch, als wollte es sie alle auf einmal verschlingen.

Ashitaka nutzte seine Fähigkeit, Bannkreise zu erschaffen, nun dazu, die gesamte Gruppe unter einer schützenden Kuppel vor dem Angriff zu bewahren. Das Wasser prallte ab und perlte in Strömen von den Außenwänden des Bannkreises ab. Ashitaka spürte die starke Kraft, die von dieser Wasser-Magie ausging und musste sein ganzes Können aufbieten, um seinen Bannkreis aufrecht zu erhalten. Gerade als er spürte, wie er langsam aber sicher die Kontrolle zu verlieren begann, zog sich das Wasser urplötzlich und aus völlig unerklärlichen Gründen zurück und verschwand wieder im Wald. Der Bannkreis löste sich auf und Ashitaka ging erschöpft in die Knie.

"Ashitaka-sama?" Subaru legte seinem Kameraden vorsichtig eine Hand auf die Schulter.

"Schon in Ordnung...", entgegnete der Jüngere. "Nur einen kleinen Augenblick, bitte."

Subarus nickte stumm. Sein Blick richtete sich nun auf Tôya, der noch immer mit Touran auf dem Boden lag, sich nun aber wieder aufrichtete.

"Alles okay?", fragte er die Panther-Dämonin, doch als diese zuerst nicht antwortete, sondern ihn nur verdutzt anschaute, hakte er nach: "Ist alles in Ordnung?"

"Uhm... Ja, es geht mir gut", antwortete sie ihm endlich.

"Okay." Tôya stand nun wieder auf und ging zu Ashitaka. "Hey, ist alles klar bei dir?"

"Sicher. Es war nur etwas heftiger, als ich zunächst angenommen hatte." Ashitaka ergriff Tôyas Hand, die dieser ihm entgegenhielt und ließ sich von ihm wieder auf die Beine ziehen.

Der Ältere schaute in jene Richtung zurück, in welche das Wasser verschwunden war. "Ich glaube nicht, dass die aufgegeben haben. Die kommen garantiert gleich wieder."

"Na, ganz toll! Und was sollen wir jetzt machen?"

Und als wäre diese Frage von Karan praktisch sein Stichwort gewesen, ging Tôya nun einige Schritte den Weg entlang zurück. "So wird das nichts! Früher oder später holen sie uns ein."

Ashitaka horchte auf. Er und die anderen warfen sich unsichere Blicke zu.

"Tôya! Was hast du vor?", fragte Ashitaka seinen Freund, wobei er eine ungute Vorahnung gehabt hatte. Und diese schien sich nunmehr zu bestätigen, als Tôya ihm antwortete: "Ihr macht, dass ihr von hier verschwindet! Ich halte sie unterdessen auf."

"Was?! Aber...!"

"Kein aber! Sonst erwischen sie uns alle! Also geht!" Tôya wollte schon wieder zurückgehen, als sich Ashitakas linke Hand um sein rechtes Handgelenk schloss.

"Wie du meinst, aber ich werde mit dir kämpfen!", bestand der Jüngere entschieden.

Aber Tôya schüttelte ebenso entschieden den Kopf. "Nein, Ashitaka! Du und die anderen, ihr kehrt auf der Stelle zum Schloss zurück! Ich werde allein hier bleiben."

"Aber das ist doch totaler Wahnsinn! Du weißt doch gar nicht, wie viele es sind. Du kannst sie nicht allein besiegen!" Ashitaka konnte nicht glauben, was er da eben gehört hatte. Doch auch durch seine hartnäckigen Einwänden ließ sich Tôya in seinem Entschluss nicht beirren.

"Ich habe eine Ahnung, wer dahinter stecken könnte. Vermutlich könnten wir auch zu zweit oder als Gruppe kaum etwas ausrichten, aber sie müssen ja auch nur ein wenig abgelenkt werden. Solange, bis ihr von ihr weggekommen seid." Gerade wollte er sich von Ashitakas Griff lösen, da festigte dieser ihn jedoch.

"Um Himmels Willen, Tôya, lass mich mit dir an deiner Seite kämpfen! Ich lass dich nicht allein zurückgehen! Wir sind doch schließlich Freunde!"

"Dann bitte ich dich jetzt als meinen Freund! Bitte geh!" Die letzten Worte hatte Tôya schon beinahe gebrüllt. Er wusste Ashitakas Angebot durchaus zu schätzen, aber er wollte allein kämpfen, sehr zum Unverständnis seines Freundes.

"Aber, Tôya...!" Ashitaka konnte den Satz nicht beenden, denn Tôya legte seinen freien linken Arm um ihn und drückte ihn sanft an sich. Mit ruhiger Stimme sprach er weiter: "Ashitaka, bitte denk dabei nicht nur an mich. Denk auch an deine Mutter! Wenn dir etwas passiert, wäre das für sie bestimmt nicht zu ertragen. Deshalb vermeide bitte nach Möglichkeit jede unnötige Gefahr. Und außerdem hast du bereits einen Großteil deiner Kraft aufgebraucht. So kannst du nicht mehr mit vollem Einsatz kämpfen."

"Aber, Tôya... Du wirst..." Ashitaka verstummte, als sein Freund wieder von ihm abließ.

"Zugegeben, es mag nicht leicht werden, aber mir passiert schon nichts. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, ziehe ich mich sofort zurück. Mach dir keine Sorgen." Tôya lächelte sanft, ehe sein Blick wieder einen ernsten Ausdruck annahm. "Und nun... geht jetzt bitte!"

Damit drehte er sich um und lief den eben noch gekommenen Weg wieder zurück. Trotzdem hielt Ashitaka auch dann noch seine linke Hand nach Tôya ausgestreckt, als dessen Hand ihm entglitt. Er öffnete den Mund, als wollte er ihm nachrufen, brachte aber keinen Ton heraus.

>Tôya... Bitte geh nicht! Halt!< Ashitaka konnte es sich nicht erklären, aber in ihm stieg in dem Augenblick, als Tôya zwischen den Bäumen verschwand, dieses eigenartige Gefühl auf. Genau dieses Gefühl hatte ihn schon einmal heimgesucht. Es war inzwischen gut über 200 Jahre her gewesen, aber es war in diesem Moment fast genau wie damals, als sein Vater zu seinem letzten Kampf aufgebrochen und nicht mehr zurückgekehrt war. Und jetzt kam es Ashitaka so vor, als würde nun auch Tôya nicht mehr zurückkommen. Ihm war, als würde er auch ihn nie mehr wieder sehen...
 

Am Ufer eines kleinen Flusses wartete Tôya auf die Verfolger. Er konnte ganz genau hören, wie sie sich näherten und blickte nach oben. Drei Flugdrachen erschienen am Himmel. Zeitgleich hörte er das immer näher kommende Rauschen von Wasser, aber es kam nicht vom Fluss, der hinter ihm floss. Kurz darauf erschien die Wasserfontäne zwischen den Bäumen. Anstatt, dass sie Tôya jedoch angriff, kam sie einige Meter vor ihm zum Stehen und nahm nach und nach die Gestalt einer Person an. Schon lange, bevor der Feind seine Gestalt preisgab, hatte Tôya ihn als den Hüter des Wassers, Toba, wieder erkannt.

Nur wenige Sekunden später stand jener Ryû-Youkai genau vor ihm. In Tobas Augen konnte man die Kampflust ablesen. "Oho! Sieh mal einer an. Respekt, Respekt! Du stellst dich also ganz alleine dem Kampf. Willst wohl Zeit für deine Freunde gewinnen, wie?"

Mit ungerührter Miene ließ Tôya sein Naginata einige Male mit seiner Hand kreisen. "An mir kommst du nicht vorbei! Nur über meine Leiche!"

"Hm! Das dürfte sich einrichten lassen." Toba zog sein Schwert, dessen Klinge bedrohlich im Licht der Sonne aufblitzte. "Denn gegen mich wirst du zweifellos deinen letzten Kampf führen, mein Freund! Dein letztes Stündlein hat geschlagen!" Er erhob seine linke Hand, woraufhin die dämonischen Drachen, die ihn begleitet hatten, plötzlich kehrt machten und davonflogen. "Das soll doch schließlich ein fairer Kampf werden, nicht wahr? Jetzt gibt es nur noch dich und mich. Und es wird mir eine wahre Freude sein, mir am Ende deinen Kopf als Trophäe anzueignen."

"Dazu solltest du mich allerdings zuerst besiegen", entgegnete Tôya, ohne mit der Wimper zu zucken. "Aber ich habe nicht vor, es dir leicht zu machen."

"Warum auch? Dann wäre der Spaß ja schließlich auch nur halb so groß, nicht wahr?"

Tôya wusste es im Grunde selbst, was er hier vor hatte, war ein mehr als riskantes Unterfangen gewesen. Aber trotzdem würde er niemals weglaufen oder dergleichen. Egal, was am Ende dabei herauskommen sollte, Tôya würde diesen Kampf bestreiten.

Die Blicke beider Kontrahenten waren fest auf den jeweils anderen gerichtet. Im Gegensatz zu Tôya wirkte Toba jedoch schon beinahe euphorisch, was sich allerdings nur anhand seines kämpferischen Blickes zeigte. Er brannte regelrecht darauf, seinem Gegner den Garaus zu machen. Und von ihm ging letztendlich auch der erste Angriff aus. Mit einem Flügelschlag erhob sich Toba in die Lüfte und schoss direkt auf Tôya zu, der abwehrbereit sein Naginata hochriss. Laut klirrend prallten die Klingen der Waffen kraftvoll aufeinander.
 

Wie vom Blitz getroffen schreckte Miyuki abrupt hoch. Kagome, die sich zusammen mit Kimie, Shippou und Sango bei ihr im Garten befand, warf ihr einen fragenden Blick zu. "Was ist los, Miyuki-chan?"

Kaum, dass sie Kagomes Stimme vernommen hatte, schüttelte Miyuki den Kopf. "Ach, nichts weiter. Schon gut. Ich dachte nur, ich hätte was gespürt." Sie lächelte zwar, aber es wirkte eher so, als versuchte sie etwas zu verbergen. Und tatsächlich hatte sie in dem kurzen Augenblick, als sie hoch geschreckt war, dieses Stechen in ihrer Brust gespürt. Als hätte man ihr einen Dolch durch ihr Herz gestoßen. >Nii-sama...?<

Aber nicht nur Miyuki hatte etwas gespürt. In seinen Privaträumen hatte auch Kakeru etwas wahrgenommen. Es war, als kroch vom Norden her ein dunkler Schatten immer näher, der nach und nach alles verschlang, was sich ihm in den Weg stellte. Kakeru hatte eine schlimme Vorahnung. >Tôya...<

Schwere Verluste

Mit voller Wucht prallte Tôya mit dem Rücken gegen einen Baum, der berstend entzwei brach. Er hustete, um seine Atemwege wieder von dem Wasser zu befreien, nachdem Toba ihn mit der geballten Kraft eines Wasserstrahls niedergestreckt hatte.

"Traurig, traurig. Ich dachte, ihr Inu-Youkai hättet mehr drauf, aber du scheinst mir jetzt doch schon ziemlich fertig zu sein", lästerte der Ryû-Youkai ungerührt, während sich sein Gegner wieder auf die Beine zwang.

Tôya fasste seinen Feind genau ins Auge. Um Tobas Körper herum kreiste nach wie vor eine Art Wasserspirale, die von seiner rechten Hand auszugehen schien, die er auf Brusthöhe hochhielt.

"So... Wie hättest du es denn gerne?", fragte Toba mit einem heimtückischen Lächeln auf den Lippen. "Die schnelle und schmerzlose Variante oder doch eher langsam und qualvoll? Ganz gleich, es ist mir beides recht."

"Weder das eine, noch das andere!", erwiderte Tôya entschieden. "Ich habe nicht vor, mich von dir töten zu lassen!"

"Welch ein gewagtes Vorhaben, aber kannst du dich auch selbst daran halten?"

Das war die Frage, denn für Tôya sah es im Moment wirklich nicht gerade rosig aus. Er hatte schon so einige Angriffe einstecken müssen und bisher keine Möglichkeit gefunden, sich seinem Gegner wirksam entgegenzustellen. Auch an Rückzug war bisher noch nicht zu denken gewesen. >Ich kann nicht viel tun, außer ihn noch eine Weile hinzuhalten. Aber ich weiß nicht, wie lange ich in der Lage sein werde, durchzuhalten...<

"Verschwenden wir unsere Zeit nicht mit langen Reden. Schließlich sind wir doch zum Kämpfen hier, oder?" Toba schlug mit seiner rechten Hand einmal zur Seite aus und löste sich abrupt in Wasser auf.

Das plötzliche Verschwinden seines Gegners ließ Tôya sofort aufmerksam auf jedes noch so verdächtige Geräusch lauschen, aber eine Zeit lang tat sich nichts. Toba war noch da, das konnte er deutlich spüren. Seine Aura lag wie der kalte Hauch von eisigem Wasser in der Luft.

"Oberste Regel: Immer auf den Rücken achten!"

Tôya schreckte hoch. Gerade drehte er sich um, da spürte er schon die scharfe Klinge des Schwertes des Ryû-Youkai, wie diese quer über seinen Rücken schnitt. Wie durch Butter glitt das Schwert durch die Rüstung. Einer gewöhnlichen Waffe hätte sie locker standhalten können, aber bei dämonischen Schwertern galten wiederum andere Regeln. Um sich einem potenziellen zweiten Angriff zu entziehen, sprang Tôya mit einem Satz mehrere Meter von Toba fort, musste aber einen Augenblick in die Knie gehen, da ihn ein gemeines Brennen, welches von der Wunde ausging, dazu zwang. Von hier aus konnte er nun beobachten, wie die Gestalt des Feindes sich allmählich wieder aus dem Wasser formte.

Schon beinahe spöttisch schaute Toba anschließend in die Richtung seines Gegners, während er mit dem Zeigefinger seiner freien linken Hand einmal über die Klinge seines Schwertes fuhr und dabei auch etwas von Tôyas Blut auf diesen gelangte. "Ich hoffe doch, du leidest nicht unter Blutarmut, mein Freund. Das wäre nämlich schlecht für dich." Er leckte sich das Blut von seinem Finger.

Unterdessen war Tôya keuchend wieder auf die Beine gekommen, musste sich dabei aber an seinem Naginata abstützen. >Verflucht! Auf die Dauer wird das so nichts. Ich finde seinen Schwachpunkt einfach nicht...< Doch in diesem Augenblick fiel es ihm wieder ein. >Moment! Sein Schwachpunkt!<

Aus den Informationen, die Sesshoumaru von Bokusenou erhalten hatte, war hervorgegangen, dass die Schwäche der fünf Hüter darin lag, dass sie ihre besonderen Fähigkeiten als solche verlieren, wenn sie ihre wahre Form annehmen. Womöglich war dies die Chance, die Tôya ergreifen musste. Die einzige Chance, die ihm blieb.

>Seine dämonische Form... Ich muss ihn irgendwie dazu zwingen, seine wahre Gestalt anzunehmen! Aber wie? Vielleicht...<

Genauestens beobachtete Toba seinen Gegner. Aber als dieser keine Anstalten zu machen schien, den Kampf fortzuführen, schulterte er gelangweilt sein Schwert. "Nanu? Du bist auf einmal so still und teilnahmslos. Gibst du etwa schon auf?"

Mit festem Blick schaute Tôya seinen Gegenüber an. "Im Gegenteil. Ich fange erst an!"

"Hm?" In diesem Moment spürte Toba, wie ein leichter Wind zu wehen begann, der nach und nach immer stärker wurde. Er sammelte sich genau um Tôya, der letztendlich gänzlich in einer Art Wirbelwind verschwand, nur um wenige Augenblicke darauf in seiner vollen Größe als Dämonenhund wieder aus diesem aufzutauchen.

Angesichts des bedrohlich knurrenden Ungetüms, sog Toba leicht die Luft ein, wenngleich er nichts von seiner Ruhe eingebüßt hatte. "Oha! Zumindest in Sachen Größe bist du mir momentan klar überlegen. Allerdings hatte ich nach dieser dramatischen Ansprache eigentlich etwas Aufregenderes erwartet. Hm! Aber was du kannst, kann ich auch!"

Und genau das war es gewesen, was Tôya hatte erreichen wollen. Toba nahm nun ebenfalls seine wahre Form an und nachdem sich sein Körper abermals in Wasser aufgelöst und sich zu einer gigantischen Säule aufgetürmt hatte, gab es den Ryû-Youkai in dessen wahrer Form preis: Einen schwarzen Drachen, von der Größe her ähnlich an Ausmaßen wie Tôya selbst, dazu noch ausgestattet mit einem Paar gigantischer Schwingen. Die rot glühenden Augen stachen angesichts des ansonsten komplett schwarz geschuppten Körpers wir Rubine hervor. Scharfe, spitze Zähne blitzten wie große Dornen aus Elfenbein aus dem Maul auf und ein Kamm aus scharfen Zacken säumte den Rücken vom Nacken bist zur Schwanzspitze.

Der Drache stellte sich auf die Hinterbeine und breitete seine Schwingen aus, was ihn noch bedrohlicher und Furcht einflößender erscheinen ließ. Aber für Tôya bot er so nun die ideale Angriffsfläche. Er sprang auf Toba zu, packte ihn mit den Zähnen am langen Hals und warf ihn auf den Boden. Tôya nagelte den Drachen fest, trotzdem schaffte es dieser, seine Zähne im Bereich der linken Schulter seines Feindes in dessen Fleisch zu schlagen. Zusätzlich fügten die scharfen Krallen seiner Vorder- und Hinterbeine Tôya weitere Wunden zu. Doch trotz des Schmerzes, der seinen Körper durchfuhr, ließ dieser nicht von Toba ab und schlug seinerseits zusätzlich die mächtigen Klauen seiner rechten Vorderpfote in die Brust des Drachen. Toba ließ wieder von Tôyas Schulter ab, aber nur, um ihn mit einem kräftigen Kopfstoß wieder von sich zu stoßen, was ihm auch gelang. Die Erde erzitterte kurzzeitig.

Tôya zwang sich sofort wieder auf die Beine, während Toba sich nun mit einem Flügelschlag in die Lüfte erhob, um einen Angriff von oben zu starten. Fast schon wie ein Adler im Sturzflug wollte er sich auf seinen Feind stürzen, doch Tôya wich mit einem geschickten Sprung zur Seite aus. Der Drache landete nach dem fehlgeschlagenen Angriff wieder auf dem Boden und hatte den Rücken zu seinem Gegner gekehrt.

Das war Tôyas Chance gewesen! Ohne zu zögern sprang er auf Tobas Rücken und verbiss sich in dessen rechten Flügel, während er seine Krallen durch die gepanzerte Haut schlug, um sich Halt zu verschaffen. Toba schaffte es trotzdem, sich ein weiteres Mal in die Lüfte zu erheben, wobei er immer wieder versuchte, Tôya von sich abzuschütteln, doch dieser blieb hartnäckig. Er musste diese Gelegenheit nutzen, sonst bekam er sie vielleicht nicht wieder. Und er musste auch nicht lange überlegen. Ein kräftiger Ruck genügte und schon hatte Tôya seinem Gegner den rechten Flügel abgerissen.

Ohrenbetäubend hallte das Brüllen des Drachen über das Gebiet wieder, während er zu Boden stürzte. Mit seinem peitschenartigen Schwanz schaffte Toba es letztendlich dennoch, Tôya wieder von seinem Rücken zu befördern, bevor er irgendwo inmitten der Bäume unter lautem Donner und Getöse auf dem Boden aufprallte.

Tôya hingegen verlor noch während des Falls seine dämonische Gestalt und spürte als nächstes nur noch, wie das kalte Wasser des Flusses seinen Körper umschloss. Schwer atmend kam er wieder an die Wasseroberfläche und zwang sich zurück an Ufer. Er versuchte sich wieder aufzurichten, sank jedoch vollkommen kraftlos wieder zu Boden. Seinen von Verletzungen gepeinigten Körper konnte er kaum noch bewegen und auch sein Atem ging nur stoßweise. Tôya konnte es ganz genau riechen, sein eigenes Blut, welches aus jeder einzelnen Wunde hervortrat und stellenweise seinen Kimono dunkel färbte. Der starke Blutverlust führte mittlerweile sogar schon dazu, dass Tôya seine Umgebung nur noch verschwommen wahrnahm. Trotzdem konnte er hören, wie sich etwas zwischen den Bäumen bewegte, und entdeckte auch nach genauerem Hinsehen eine Person.

Schließlich kam Toba, der seine Gestalt als Drache auch wieder abgelegt hatte, zwischen den Bäumen zum Vorschein. Ein schier nicht enden wollender Blutfluss lief seinen rechten Arm und seinen Rücken hinunter. Als er Tôya entdeckte, stieß er ein Knurren aus. "Du... du verfluchter...! Argh!" Er hatte keine Kraft mehr und sackte an einen Baum gelehnt zu Boden. Die gesamte rechte Seite seines Oberkörpers war praktisch wie betäubt, er konnte sie kaum bewegen. Den Schmerz spürte er dennoch und rang angestrengt nach Luft.

Für Tôya war das eigentlich der beste Zeitpunkt gewesen, um Toba den letzten Schlag zu verpassen, aber nach wie vor hatte er kaum noch die Kraft, sie überhaupt aufzurichten. Toba und er... sie beide waren an ihren Grenzen angelangt.

Toba fühlte, wie sein Blut an seinem Körper hinunterlief. Tôya hatte ihm seinen Flügel praktisch komplett herausgerissen. Nur in den wenigstens Fällen überlebte ein Ryû-Youkai eine derartig schwere Verletzung, und wenn er überlebte, war er gezeichnet für den Rest seines Lebens und nicht mehr fähig, sich noch irgendwie zu behaupten. Doch das war nicht Tobas Sorge gewesen. Es vielmehr die Tatsache, dass er als einer der Hüter - der Elite seines Clans - gegen einen Inu-Youkai unterliegen sollte. Diesen Triumph wollte er Tôya auf keinen Fall gönnen.

"So nicht!", sagte Toba plötzlich und zwang sich an dem Baum abstützend wieder auf die Beine. "So einfach werde ich nicht abtreten, den Gefallen tue ich dir auf keinen Fall! Vorher wirst du noch durch meine Hand sterben!" Er richtete seine linke Hand auf das Wasser, welches den Fluss füllte. Eine große Welle türmte sich über das Ufer und setzte die nähere Umgebung komplett unter Wasser.

Tôya hatte sofort die Luft angehalten. Als er unter Wasser seine Augen wieder öffnete, entdeckte etwas Rotes, was hinter und an ihm vorbei floss. Es war Blut, aber nicht sein eigenes! Um noch zu reagieren, war es allerdings bereits zu spät, denn nun wurde er von hinten gepackt und festgehalten. Tôya bekam aufgrund des Wassers kaum noch Luft, doch Toba ließ das Wasser wieder in den Fluss, in dem die beiden nun standen, zurückkehren, nachdem er sich seinen Gegner gekrallt hatte.

Während Tôya noch nach Luft rang, konnte er Tobas Atem in seinem Nacken wahrnehmen, als dieser schwer atmend zu sprechen begann: "Im Grunde scheue ich ja den zu engen Körperkontakt mit dem gleichen Geschlecht, aber... man kann ja immer wieder mal eine Ausnahme machen... Jetzt mach ich dich fertig!"

Nur einen Sekundenbruchteil darauf durchfuhr Tôyas Körper ein quälender Schmerz und er konnte einen Schrei nicht mehr unterdrücken. Toba hatte ihm mit letzter Kraft die Klauen seiner rechten Hand mit voller Wucht in den Rücken gerammt und war auch bis ins Innere seines Körpers vorgedrungen.

"Oh! Du bist zwar so gut wie am Ende, aber die Kraft, um zu schreien, hast du noch. Beachtlich, nur leider hört dich keiner." Und bedrohlich flüsterte er ihm ins Ohr: "Es ist vorbei mit dir! Ich schicke dich jetzt eigenhändig in die Hölle!"

Tôya hatte nicht mehr die Kraft, sich aus dem Griff seines Feindes zu befreien. Sein Bewusstsein verschwamm immer mehr, er konnte nicht mehr viel tun. Bis auf eines, aber... konnte er das mit seinem Gewissen vereinbaren? Andererseits, es schien ohnehin schon klar gewesen zu sein, wie diese Sache ausgehen würde.

Tôyas linke Hand wanderte unbemerkt von Toba zu seinem Schwert... >Verzeih mir bitte, Miyuki. Es tut mir Leid, kleine Schwester...< Als er seine Augen schloss, spürte er wie eine vereinzelte Träne ihren Weg über seine Wange fand. >Ashitaka...< Dann umschloss er bereit für seinen letzten Angriff mit festem Griff sein Schwert.

Toba wollte seinem Gegner soeben den Gnadenstoß verpassen, doch plötzlich hörte er dieses verdächtige Geräusch, als würde jemand ein Schwert aus der Scheide ziehen. Nur Sekundenbruchteile später verspürte er einen heftigen Stoß auf der Höhe seiner Brust. Aber im ersten Moment war da auch nichts weiter und er konnte sich nicht erklären, woher dieses eigenartige Gefühl eben gekommen war, doch dann roch er wiederum Blut.

"A... Aber das..." Toba konnte es nicht fassen, aber es war sein eigenes Blut, was er da roch, doch stammte dieses nicht von der Wundstelle auf seinem Rücken. Und nicht nur das, der Geruch war mit dem von Tôyas Blut vermischt gewesen. Als Toba es schaffte, einen Blick über die Schulter seines Gegners zu erhaschen, erkannte er, was geschehen war. Tôya hatte sich die Klinge seines Schwertes eigenhändig durch den Oberkörper gerammt, um auf diese Weise seinen Widersacher auszuschalten. Denn das Schwert hatte bei dieser Aktion nicht nur seinen eigenen Träger durchbohrt, sondern eben auch Toba.

"Du Idiot! Du wärst ohnehin gestorben und trotzdem... trotzdem opferst du dich noch tatsächlich selbst...?!", keuchte Toba kaum hörbar. Tôya hatte in wirklich gleich auf Anhieb gefährlich getroffen und im Grunde wusste Toba es auch selbst, dass es weder für ihn, noch für seinen Gegner einen Weg zurück gab.

Dessen war sich auch Tôya bewusst gewesen. "Überrascht? Ich... habe dir doch gesagt, dass ich mich nicht von dir töten lassen würde. Wenn ohnehin kein Weg daran vorbeiführt... bereue ich es nicht... diese Sache so beendet zu haben", meinte er aber nur trotz seiner Erschöpfung mit fester Stimme und zog sein Schwert wieder aus seinem und Tobas Körper. Doch der letzte Satz war nicht ganz ehrlich gewesen. Tôya bereute seine Tat, aber nicht wegen sich selbst und wegen seinem Leben...

Toba konnte aus eigener Kraft nicht mehr länger stehen bleiben. "Das... das kann doch nicht...?!" Doch da verstummte seine Stimme und er sackte hinter Tôya im Wasser in sich zusammen.

Tôyas Schwert glitt ihm aus der Hand. Auch er selbst konnte nicht mehr länger aufrecht stehen. Er verspürte mittlerweile keine Schmerzen mehr oder dergleichen, als seine Beine nachgaben. Nur, wie das kalte Wasser des Flusses seinen Körper umschloss, ehe sein Bewusstsein letztendlich wie in Schatten getaucht verschwand...
 

Die Gruppe um Ashitaka hatte schon ein ganzes Stück des Weges zurückgelegt und befand sich bereits wieder im westlichen Gebiet, als Ashitaka urplötzlich in seinem Inneren diesen unerklärlichen Stich spürte, als hätte ihm jemand ein unsichtbares Schwert durch die Brust gestoßen. Seine Schritte verlangsamten sich wie in Trance, bis er schließlich stehen blieb. Subaru bemerkte dies und hielt ebenfalls ab, ebenso wie die anderen.

"Was ist los? Ashitaka-sama?", fragte er, doch war er zu keinem weiteren Wort mehr fähig gewesen, als er den leeren Blick seines Kameraden wahrnahm. Ein schreckliches Gefühl beschlich ihn, als Ashitaka ihm nicht antwortete und sich stattdessen nur stumm umdrehte.

Ashitaka hatte es ganz genau gespürt. Dieses Gefühl, das ihn durchzuckt hatte... Das war keine bloße Einbildung gewesen, das hatte etwas zu bedeuten gehabt. Und er wusste auch ganz genau, was das gewesen war.

>Tôya...< Im ersten Moment konnte er es nicht glauben. Er wollte es nicht glauben. Das konnte unmöglich passiert sein! Doch es war wirklich so und dessen wurde auch Ashitaka sich rasch bewusst. Er wollte wieder zurücklaufen.

"Ashitaka-sama! Bleibt hier!" Subaru ergriff ihn am Arm und hielt ihn fest.

Energisch versuchte Ashitaka sich wieder aus dem Griff seines Kameraden zu befreien. "Lass mich los, Subaru! Ich muss wieder zurück!"

"Das hat keinen Sinn! Es ist zu spät!"

Dieser Satz von Subaru traf Ashitaka wie ein Schlag. Von einem Moment auf den anderen war er wie erstarrt. Ungläubig den Kopf schüttelnd schaute er wieder den Weg zurück. Aus dieser Entfernung war es gänzlich unmöglich gewesen, etwas zu erkennen, denn der Kampfplatz lag schon lange zu weit entfernt.

Unter den Augen von Subaru, Touran und Karan sank Ashitaka letztendlich auf die Knie und schlug mit der Faust auf den Boden. "Nein!! Verdammt noch mal!"
 

Aber nicht nur Ashitaka hatte diesen Stich in der Brust verspürt. Auch Rokou war im Beisein von Renhou und Yu abrupt hoch geschreckt, als er dieses merkwürdige Gefühl in sich wahrgenommen hatte.

"Was ist los mit dir, Rokou?", fragte Renhou, dem insbesondere dieser starre Blick seines Kameraden stutzig machte. Aber Rokou antwortete ihm zunächst nicht. "Rokou?"

"Toba...", sprach der Jüngere schließlich den Namen seines Bruder aus, aber kaum hörbar, als stünde er unter Schock.

Renhou beschlich ein schlimmer Verdacht. Und als nun Yu zu sprechen begann, bestätigte sich dieser Verdacht: "Tobas Chi... es ist soeben erloschen. Er ist tot."
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Inzwischen war es Abend geworden. Mit der Rückkehr von Ashitaka und den anderen rechnete man im Schloss der Inu-Youkai spätestens am nächsten Tag. Bis dahin vertrieb sich jeder die Zeit auf seine Weise.

"Jetzt erzähl doch mal, Kimie!", forderte Kagome ihre Cousine, mit der sie zusammen im Beisein von Sango und Kirara im Garten unter dem Pavillon saß, neugierig auf.

Doch Kimie schaute nur reichlich verdutzt drein. "Was denn?"

"Jetzt tu nicht so!", meinte Sango mit einem eindeutigen Blick. "Heute morgen hatten wir ja noch ungebetene Zuhörer, aber jetzt sind wir doch ganz unter uns Mädchen. Also?"

Jetzt blickte Kimie klarer durch, aber deshalb wollte sie sich noch lange nicht dazu breittreten lassen, aus dem Nähkästchen zu plaudern. "Was wollt ihr beiden denn auf einmal? Habt ihr irgendwas geschluckt, was euch nicht bekommen ist?"

"Lenk nicht ab!", entgegnete Kagome. "Wir wollen ja nicht alles detailgenau wissen, sondern nur ein paar kleine Sachen."

Kimie wich mit dem Oberkörper unsicher etwas zurück. "Und... die wären?"

"Wie küsst Sesshoumaru denn so?", kam es sofort wie aus der Pistole geschossen von der Jüngeren.

Angesichts dieser so direkten Frage wurde Sango nun doch leicht rot im Gesicht. "Aber Kagome-chan! Doch nicht gleich so direkt!"

"Die Frage ist ja wohl weitestgehend harmlos", meinte Kagome aber nur und wandte sich wieder Kimie zu. "Und? Was ist nun?"

So langsam kam sich Kimie wirklich vor, wie im falschen Film. "Ehrlich... Ich werde das blöde Gefühl nicht los, dass trotz des Sommers eure Frühlingsgefühle mit euch beiden durchgehen..."

"Versuch nicht schon wieder abzulenken!" Kagomes Blick war mittlerweile stechender geworden. So langsam wurde sogar Kimie das Verhalten ihrer Cousine mehr als unheimlich. Es drängte sich ihr sogar die Frage auf, ob sie fremd gesteuert wurde.

Ob Kagome überhaupt noch eine Antwort bekommen hätte, würde sie jedoch so schnell nicht erfahren, denn Inu Yasha und Miroku tauchten mit einem Mal bei den Mädchen auf und beendeten das Gespräch.

"Hey, Mädels! Es gibt Neuigkeiten", verkündete Inu Yasha, ohne überhaupt mitbekommen zu haben, über was sich die Mädchen gerade unterhalten hatten.

Und ungeachtet von Kagomes leichtem Aufseufzen, atmete Kimie nur erleichtert aus. >Inu Yasha... Ich bin dir was schuldig...<, dachte sie.

"Was gibt es denn für Neuigkeiten?", fragte Sango nun.

Miroku deutete in die Richtung, aus der er eben mit Inu Yasha gekommen war. "Wie es scheint, kommen Ashitaka und die anderen gerade zurück. Wir wollten euch nur Bescheid sagen."

"Hm? Sie sind schon wieder da?", fragte Kagome sichtlich überrascht. Da war sie nicht die einzige gewesen und in Folge dessen wollten sie alle natürlich so rasch wie möglich in Erfahrung bringen, was passiert war. Sie eilten zum großen Hof, wo sich bereits Sesshoumaru und die anderen eingefunden hatten. Die Gruppe um Ashitaka betrat gerade durch das Haupttor das Schlossgelände, aber es fiel gleich auf, dass Tôya nicht bei ihnen war.

"Was bedeutet das? Was ist passiert?", fragte sich Kagome verunsichert.

Kimie schaute fragend zu Sesshoumaru, der der Gruppe entgegenkam. Er hatte schon so eine Ahnung. Insbesondere der Ausdruck in Ashitakas Augen schien für ihn Beweis genug gewesen zu sein. Trotzdem wandte er sich zusätzlich noch an Subaru, der noch weitaus gefasster wirkte, als sein jüngerer Kamerad: "Was ist geschehen?"

Subaru musste zuerst noch einmal tief durchatmen, ehe er antworten konnte: "Vergebt uns bitte, Sesshoumaru-sama, aber... es ist etwas Unvorhergesehenes passiert. Tôya ist... Er... er ist tot."

Diese Nachricht versetzte so ziemlich alle Anwesenden in einen kurzweiligen regelrechten Schockzustand. Ein fassungsloses Raunen machte die Runde. Tôya sollte tot sein? Das konnten sie nicht glauben. Sogar Sesshoumaru wirkte zunächst wie vor den Kopf gestoßen.

"Wie ist es dazu gekommen?", fragte er nach einem Augenblick weiter.

"Man hat uns aufgelauert", erklärte Subaru, dessen Stimme leicht zitterte. "Damit wir entkommen konnten, blieb Tôya zurück, um uns den Rücken freizuhalten. Er meinte, er würde sich ebenfalls zurückziehen, wenn er die Gelegenheit dazu bekommen würde, aber..." Da brach er ab. Er konnte nicht mehr weiter sprechen, aber das verlangte Sesshoumaru auch gar nicht von ihm.

Die Gruppe um Inu Yasha tauschte erschüttert ihre Blicke untereinander aus.

"Hat Subaru... das Ernst gemeint?", fragte Shippou seine Freunde verunsichert. "Ist Tôya wirklich tot? Oder... ist das nur ein schlechter Scherz?"

"Bestimmt nicht", meinte Miroku mit ernst gesenktem Blick. "Derartige Scherze würden gerade in diesen Zeiten jedes Maß an Geschmacklosigkeit überbieten. Nein, es muss der Wahrheit entsprechen."

"Aber... wenn Miyuki-chan davon erfährt, dann..." Diese Befürchtung von Kagome teilten auch ihre Freunde. Und sie schien sich rasch bewahrheiten zu wollen, als Miyuki nun ebenfalls zu den anderen dazu stieß. Sie entdeckte Ashitaka und die Gruppe und lief gleich auf sie zu.

"Ashitaka! Ein Glück, dass ihr wieder da seid! Aber warum seid ihr so schnell wieder...?" Doch sie blieb abrupt wieder stehen. Noch einmal schaute sie genauer hin, aber sie hatte sich nicht verguckt. Tôya fehlte. Aber warum?

Als Miyuki diese bedrückende Stille bemerkte und überall nur unsichere Blicke wahrnahm, bekam sie Angst. Zögerlich trat sie näher an Ashitaka und die anderen heran. "Mein Bruder... W... Wo ist er...?"

Es kostete Ashitaka einige Überwindung, ehe er Miyuki ins Gesicht blicken konnte. Doch er brachte keine Worte hervor, sondern schüttelte irgendwann nur mit erneut gesenktem Blick den Kopf. Allein diese Geste machte Miyuki deutlich, was mit ihrem Bruder geschehen sein musste.

"Nein..." Der Schock saß so tief, dass sie anfangs nicht einmal mehr ihre Verzweiflung deutlich machen konnte. Stattdessen starrte sie nur mit völlig leerem Blick zu Boden, ehe sie die Zurückgekehrten nacheinander ansah, als suchte sie eine Antwort auf das Warum.

"Es... tut mir Leid...", brachte Ashitaka schließlich mühsam heraus. "Tôya ist... Er ist allein zurückgeblieben, um uns die Möglichkeit zur Flucht zu verschaffen. Er hat jegliche Hilfe abgelehnt und..."

"Warum?!", schrie Miyuki ihm plötzlich dazwischen und ging sogar so weit, dass sie ihn am Kragen seines Kimonos packte. "Warum hat keiner von euch ihm trotzdem geholfen? Warum seid ihr weggelaufen, anstatt ihm zu helfen?! Warum bist nicht wenigstens du bei ihm geblieben?! Verdammt noch mal! Ich dachte, ihr wärt Freunde!?"

"Bitte, hör doch zu..."

"Nein! Ich will keine Ausreden hören!"

"Miyuki-chan..."

"Nein! Nein! NEIN!!" Miyuki ließ wieder von Ashitaka ab und sank kraftlos auf die Knie. Sie konnte es nicht fassen. Tôya sollte wirklich im Kampf gefallen sein? Das konnte doch unmöglich der Wahrheit entsprechen, schließlich hatte noch kein Kampf wirklich eine ernsthafte Gefahr für ihn bedeutet. Irgendwie hatte er es immer geschafft, warum also nicht auch diesmal?

"Warum...?", fragte sich Miyuki mit tränenerstickter Stimme. "Warum passiert das alles? Warum nur muss immerzu gekämpft werden? Welchen Sinn hat das alles? Was kommt denn dabei schon heraus...? Gar nichts! Stattdessen wird nur sinnlos getötet... Das ist so grausam! Ich hasse es..." Sie krallte die Hände in den Erdboden, ehe es voller Wut und Trauer aus ihr heraus brach: "Aaaah!! Ich hasse es! ICH HASSE ES!!"

Ihre verzweifelte Stimme hallte über den gesamten Hof wider. Jetzt konnte Miyuki ihre Tränen nicht mehr zurückhalten und weinte bitterlich. Noch immer erschien ihr all das nur wie ein böser Traum, aus dem sie jeden Augenblick aufwachen würde. Aber darauf wartete sie vergebens und für einen Traum war der Schmerz viel zu real gewesen. Miyuki wollte im Augenblick auch einfach nur sterben. Ihr Bruder war für sie immer stets die wichtigste Bezugsperson gewesen. Tôya war immer da, wenn sie ihn gebraucht hatte. Er hatte sie stets beschützt und auf sie geachtet... Sie aus kleinen Späßen heraus immer ab und zu mal etwas geärgert... Ihr zugehört, wenn sie Sorgen hatte und sie getröstet, wenn sie traurig war... Nur diesmal konnte er das nicht. Und er würde es auch nie wieder tun können...

"Vielleicht hätten wir uns gar nicht erst auf diesen Kampf einlassen dürfen...", sagte Ashitaka plötzlich, wenn auch mit leiser Stimme. "Vielleicht... wäre es besser gewesen, wir hätten uns von vornherein einfach ergeben."

"Ashitaka..." Kimie blickte unschlüssig zu dem jungen Youkai. So hatte sie ihn noch nie sprechen hören und irgendwie passte dies auch gar nicht zu ihm.

Dieser Ansicht schien auch Inu Yasha gewesen zu sein, doch machte er seinen Standpunkt ohne Scheu gleich klar: "Was redest du da, sag mal? Das ist ja wohl das Bekloppteste, was ich je gehört habe!"

"Ach, wirklich?! Denkst du das, Inu Yasha?!", fragte Ashitaka daraufhin so dermaßen ungewohnt aggressiv zurück, dass einige der Anwesenden kurz in sich zusammenzuckten. So hatten sie ihn noch nie erlebt und diese Reaktion war auch gänzlich untypisch für ihn gewesen. "Wenn wir erst gar nicht angefangen hätten, zu kämpfen, dann wäre das alles so überhaupt nicht passiert und Tôya wäre nicht so sinnlos... Ach, verdammt! Vergessen wir das alles doch einfach und ergeben uns! Sonst sterben... sonst sterben womöglich nur noch mehr einen völlig sinnlosen Tod. Ich will das nicht... Also ersparen wir uns das doch bitte!"

Ashitakas zu Fäusten geballte Hände zitterten. Stille breitete sich aus...

Subaru, der nach wie vor genau neben Ashitaka stand, warf dem Jüngeren einen undurchschaubaren Blick zu. "Schaut mich an, Ashitaka-sama!", forderte er ihn auf und kaum, dass Ashitaka seinen Blick zu seinem Kameraden umgewandt hatte, holte dieser plötzlich mit der rechten Hand aus und verpasste ihm eine deftige Ohrfeige.

"Ah! Aber Subaru-san...!?" Kagome war über diese Aktion nicht minder erschrocken und irritiert gewesen, als ihre Freunde und auch so mancher der Inu-Youkai.

Doch Ashitaka selbst schwieg zu Subarus Tat, er erhob nicht mal mehr den Blick. Auch dann nicht, als Subaru erneut zu sprechen begann: "Vergebt mir bitte. Aber wenn wir uns jetzt ergeben würden, dann wäre Tôya in der Tat völlig umsonst gestorben. Es wäre bestimmt nicht in seinem Interesse gewesen, wenn wir uns jetzt feige zurückziehen und tatenlos auf unsere Niederlage warten würden, geschweige denn, sie einfach so hinzunehmen!" Er schaute leicht zu Boden. "Ihr könnt mir glauben, wenn ich Euch sage, dass mich diese Geschichte genauso sehr trifft wie Euch, aber... wir können jetzt nicht aufgeben."

Noch immer schwieg Ashitaka, aber hob er jetzt zumindest seinen Blick wieder. In diesem mischten sich die Gefühle der Trauer und Verzweiflung mit der Erkenntnis, dass Subaru in dem, was er gesagt hatte, durchaus Recht gehabt hatte. Tôya wäre für nichts und wieder nichts sinnlos gestorben, würden sie alle jetzt einfach aufgeben. Sie konnten nicht aufgeben! Für ihren verlorenen Kameraden, aber auch für sich selbst, mussten die Inu-Youkai weiterkämpfen.

Trotzdem konnte Ashitaka es nicht länger unterdrücken, und so bahnten sich nun doch vereinzelte Tränen ihren Weg über seine Wangen. Das einzige Mal, dass er je in seinem Leben Tränen vergossen hatte, war beim Tod seines Vaters gewesen. So lange lag das bereits zurück, seither hatte er nicht mehr geweint. Bis jetzt...

Auf einmal sonderte sich Ashitaka von den anderen ab und lief über den Hof zurück zur Schlossmauer, über die er rüber sprang und anschließend irgendwo in den Wäldern verschwand.

"Lasst ihn gehen", sagte Sesshoumaru, als einige seiner Leute schon Anstalten machten, seinem Cousin zu folgen. Er konnte sich schon denken, dass Ashitaka im Moment lieber für sich allein sein wollte.

Diejenigen, die zurück blieben, konnten größtenteils noch immer nicht so recht fassen, was sie gerade erfahren hatten. Und noch immer hörte man Miyukis verzweifeltes Schluchzen. Keiner vermochte ihr im Moment wohl den so sehr nötigen Trost spenden zu können...
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Auch bei den Ryû-Youkai hatten sich die Todesnachrichten schon herumgesprochen. Laut krächzend zogen die dämonischen Krähen am dunklen Himmel ihre Kreise und berichteten von dem Verlust, den die Inu-Youkai erlitten hatten. In ihr Krächzen mischte sich ab und an das bedrohliche Gebrüll der mächtigen Flugdrachen.

"Toba ist also tot. Hmm..." Akuma lehnte sich gegen das geöffnete Fenster in seinen Privaträumen. Mit im Raum befanden sich neben Yu auch noch Renhou und Jin. Rokou jedoch fehlte.

"Dieser Kampf ist anders als der, denn wir vor 1000 Jahren gegen die Inu-Youkai geführt haben", sagte Renhou nach einem Augenblick der Stille. "Vielleicht hatte Takeshi-sama ja Recht. Macht es wirklich Sinn nach all der Zeit alles noch mal neu aufzurollen?"

Die Blicke ruhten abwartend auf Akuma. Dieser schaute nach wie vor nach draußen, während er antwortete: "Du überraschst mich, Renhou. Wirst du langsam weich? Ich weiß, dass Takeshi im Grunde nie viel für diesen Kampf übrig gehabt hat, aber das ist nicht mein Problem, sondern seines. Zugegeben, einer der Hüter ist tot. Leider... Aber zumindest einer von Sesshoumarus besten Kriegern ist mit ihm gestorben. So gesehen hat Tobas Verlust zumindest noch einen Nutzen für uns gehabt."

"Akuma-sama..." Renhou war nicht wirklich überrascht über diese Worte seines Herrn. Das Leben eines Einzelnen stand für Akuma hinter dem großen Ganzen. Man konnte nicht jedem, der im Kampf sein Leben ließ, wie ein kleines Kind hinterher weinen.

"Reden wir nicht mehr darüber", sagte Akuma plötzlich. "Es lässt sich nun nicht mehr ändern, was passiert ist. Ihr könnt gehen."

Ohne Widerworte verließen die drei Hüter das Zimmer. Draußen auf dem Flur warf Jin einen unschlüssigen Blick auf seine Kameraden. "Und jetzt? Wie geht es weiter?"

Zwar konnte Jin von sich nicht gerade behaupten, dass er Toba sonderlich gemocht hätte. Eigentlich war ihm dieser meist nur mächtig auf die Nerven gegangen, trotzdem beschäftigte ihn diese Geschichte in gewisser Hinsicht. Da vergaß er zeitweise sogar seinen tief sitzenden Hass, den er gegenüber Renhou empfand.

"Ich werde zunächst nach Rokou schauen", meinte dieser auf die Frage hin. "Ansonsten können wir wohl nichts tun, außer auf weitere Anweisungen zu warten." Mit diesen Worten schritt Renhou den Gang entlang und ließ Yu und Jin zurück.

Er war noch gar nicht lange unterwegs gewesen, da kreuzte Kagura überraschend seinen Weg, doch wirkte sie wie immer. Sie scheute sich nicht mal davor, ihn sogleich direkt anzusprechen: "Sag mal, kannst du mir vielleicht verraten, was seit einigen Stunden hier los ist? Die tun hier alle mit einem Mal so, als wäre was passiert, und Tobas Bruder benimmt sich nicht auch viel besser. Er wirkt irgendwie so abwesend. Was ist denn passiert? Hat er sich etwa mit Toba gestritten?"

Renhou war von Kaguras Fragen durchaus überrascht gewesen. "Ihr wisst es also noch nicht?"

"Wissen?" Die junge Frau wurde auf einmal leicht unsicher. "Wovon redest du? Was weiß ich nicht?"

Der Ryû-Youkai wartete einige Sekunden, ehe er ihr antwortete: "In einem Punkt hast du Recht, es geht in der Tat um Toba. Er wurde heute in einen Kampf gegen einen der Inu-Youkai verwickelt. Beide haben nicht überlebt."

Stille...

"Er... ist tot?" Kagura hatte so gefragt, als brauchte sie noch einmal eine Bestätigung dafür, um sich zu vergewissern. Und als Renhou nur bejahend nickte, erhielt sie die auch prompt. "Hm... Verstehe..."

Zwar versuchte Renhou, anhand von Kaguras Gesichtsausdruck in etwa zu erahnen, was gerade in ihr vorging, aber es gelang ihm nicht. Dazu war ihr Blick nicht eindeutig genug.

"Nun... entschuldigt mich bitte, aber ich muss jetzt weiter", sprach er sie nach einem Augenblick erneut an.

Kagura trat ein wenig zur Seite, damit Renhou an ihr vorbeigehen konnte. Sie bekam mit, wie er sich noch einmal zu ihr umdrehte, schaute aber nicht auf. Auch dann nicht, als er letztendlich wieder verschwunden war.

"Mein Beileid, Kagura. Das muss dich auf gewisse Weise doch mitgenommen haben, nicht wahr?"

Kagura fuhr leicht hoch, als sie diese höhnisch sprechende Stimme vernahm, doch konnte sie diese sofort zuordnen. "Wie soll ich das verstehen, Naraku?", fragte sie prüfend und ohne sich etwas anhand ihrer Stimme anmerken zu lassen.

Hinter einer Biegung, nur wenige Meter neben der jungen Frau, trat nun aus einem Schatten Naraku hervor. Sein Blick war der gewohnt hinterhältige gewesen. "Du brauchst es nicht zu verheimlichen. Du müsstest doch eigentlich am besten wissen, dass mir nichts entgeht. Ehrlich gesagt, ich hatte so meine Bedenken, dass du Toba nicht eventuell dazu benutzen könntest, um mir zu schaden. Hm! Aber darum muss ich mir jetzt wohl ohnehin keine Gedanken mehr machen. Ich meine, jetzt, wo er doch schließlich tot ist. Hoffentlich hat dich das nicht allzu schwer getroffen, Kagura. Warst du nicht gerade dabei gewesen, dich besser mit ihm zu verstehen?" Aber ohne eine Antwort auf diese Frage abgewartet zu haben, machte Naraku sogleich wieder kehrt und verschwand ebenso geheimnisvoll, wie er zuvor erschienen war.

Die Versuchung, ihm einen Fluch hinterher zu rufen, war zwar mehr als groß gewesen, doch Kagura nahm sich zurück, obwohl sie glaubte, den Hanyou im Weggehen sogar noch leise lachen gehört zu haben, als verhöhnte er sie noch zusätzlich. Krampfhaft hielt sie ihren Fächer in ihrer rechten Hand, die vor unterdrückter Wut leicht zitterte, fest.
 

Rokou hatte sich etwas abseits vom Schloss auf einen Felsvorsprung zurückgezogen. Gedankenverloren stand er einfach nur so da und schaute in die Leere. Im Moment wollte er nichts und niemanden um sich haben, er wollte einfach nur seine Ruhe. Es war natürlich nicht das erste Mal gewesen, dass jemand aus dem Clan im Kampf gefallen war, aber ausgerechnet Toba... Bei jedem anderen wäre Rokou das so ziemlich herzlich egal gewesen, aber warum gerade sein Bruder?

"Toba... du verdammter Idiot!", fluchte Rokou letztendlich und ballte verkrampft die Hände zu Fäusten. Immer hatte Toba so getan, als müsste er auf ihn aufpassen, aber nun hatte er nicht mal auf sich selbst aufpassen können, und das war es gewesen, was Rokous Wut besonders schürte. Wie wäre es abgelaufen, wenn er dabei gewesen wäre? Bestimmt wäre alles ganz anders ausgegangen...

Plötzlich vernahm Rokou Schritte hinter sich und anhand der Stimme des anderen konnte er diesen auch sogleich als Renhou identifizieren: "Du brauchst es nicht zu verstecken, Rokou. Ich weiß, wie du dich fühlst."

Aber Rokou brüllte seinen Kameraden nur wutentbrannt an: "Verschwinde, Renhou! Keiner von euch weiß doch etwas, und ich brauche auch kein Mitleid oder so einen Scheiß! Also komm jetzt nicht mit so etwas bei mir an, kapiert?!"

Aber Renhou blieb trotz dieser Reaktion ruhig. Rokous Verhalten war für ihn gut nachvollziehbar gewesen. Nachdenklich senkte der Ältere den Blick.

Renhou schaute erst wieder auf, als Rokou mit einem Mal völlig kraftlos auf die Knie gesunken war. Sein Blick war zum Boden gerichtet, die Hände hatte er nach wie vor zu Fäusten geballt. Am ganzen Körper zitterte er bei dem Versuch, seine Gefühle mit aller Gewalt zu unterdrücken.

"Verdammt...!" In Rokou mischte sich die Trauer um den Verlust seines Bruders abermals mit Wut. Wut darüber, dass er nicht mal dazu in der Lage gewesen war, seine Haltung zu bewahren und sich stattdessen wie ein kleines Kind seinen Gefühlen auslieferte. Und das auch noch vor den Augen von Renhou.

Irgendwann bemerkte Rokou, dass seine Augen feucht wurden. Er blinzelte. Dann entdeckte er zwei, drei dunkle Flecken auf dem steinernen Boden. Wie betäubt fuhr er mit den Fingern darüber. Tränen... Noch nie hatte er geweint, das galt stets als schwach und ehrlos. Aber warum weinte er? Wegen seinem Bruder? Empfand er wirklich das Gefühl der Trauer in all ihren Ausmaßen?

Rokous rechte Hand wanderte zu seiner Brust. Auch hier fühlte er etwas, was er zuvor noch nie gekannt hatte. Es war ein merkwürdiges leeres Gefühl gewesen. Es tat weh... Aber es war kein Schmerz, wie man ihn etwa von körperlichen Verletzungen her kannte. Vielmehr war es so, als hätte man ihm etwas aus dem Leib gerissen. Es fehlte etwas...

Rokou schreckte kurz hoch, als er plötzlich eine Hand auf seinem Rücken wahrnahm.

"Du brauchst dich deswegen nicht zu schämen. Es ist keine Schande", sagte Renhou mit ruhiger Stimme, als versuchte er, dem Jüngeren zumindest etwas Beistand zu geben.

Rokou drehte sich leicht zu seinem Kameraden um. Ein wenig widerstrebte es ihm noch immer, sich so gehen zu lassen, aber er hatte einfach nicht mehr die nötige Kraft, um sich zurückzuhalten und ließ seinen Gefühlen schließlich doch noch freien Lauf. Im Moment hatte Rokou nichts mehr von dem kriegerischen Youkai gehabt. Im Augenblick war er nur jemand gewesen, der um seinen Bruder trauerte. Und in der Tat schien es wirklich so gewesen zu sein, dass mit Tobas Tod auch ein Teil von Rokou gestorben wäre.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Mittlerweile hatte die Nacht Einzug gehalten und im Schloss der Inu-Youkai war größtenteils wieder Ruhe eingekehrt. Doch nach wie vor lag Tôyas Tod wie ein dunkler Schatten über allem. Davon, dass auch Toba gestorben war, wusste zum gegebenen Zeitpunkt allerdings noch niemand hier etwas.

Miyuki hatte sich schon vor mehreren Stunden in ihrem Zimmer eingeschlossen und wollte niemanden sehen oder gar mit jemanden sprechen. Und Ashitaka war noch immer nicht wieder zurückgekehrt, nachdem er so überstürzt und ohne klares Ziel fort gegangen war. Aber vermutlich brauchte er wirklich einfach nur genau wie Miyuki erst mal ein wenig Zeit für sich allein, wie Sesshoumaru vermutete. Er traute es seinem Cousin nicht zu, dass dieser jetzt eventuell etwas Unüberlegtes tat. Das sagte er auch Sakura, mit der im Augenblick in ihren Privaträumen zusammen saß: "Er wird sicherlich bald zurückkommen. Wir sollten jetzt besser nicht nach ihm suchen."

"Ja, ich weiß", antwortete Sakura, wenngleich es doch sehr bedrückt klang. Die Geschichte mit Tôya hatte auch sie sehr mitgenommen. "Ich kann es immer noch nicht so wirklich glauben. Und ich frage mich, wie lange es wohl dauern wird, bis besonders Ashitaka und Miyuki darüber hinweggekommen sein werden."

"Lassen wir ihnen die Zeit, die sie dafür brauchen", meinte Sesshoumaru.

Sakura hob ein wenig den Blick. "Und was gedenkt Ihr als nächstes zu tun?"

Auf diese Frage hin verfinsterte sich Sesshoumarus Gesicht sogleich wieder etwas. "Es ist jetzt umso wichtiger, dass ich diesen Kampf so schnell wie möglich beende und endlich einen Schlussstrich unter diese Angelegenheit ziehe. Ich bringe Akuma und seinen Clan zur Strecke und werde Tôyas Tod an ihnen rächen! Und nicht nur ihn..."

Denn die Ryû-Youkai sollten unter anderem insbesondere auch für Kimies Entführung bezahlen. Sesshoumaru hatte ihnen bisher eindeutig zu viel freie Hand gelassen, jetzt sollte endgültig Schluss damit sein!

Ein Klopfen an der Tür ließ Sesshoumaru und Sakura zeitgleich aufhorchen. Sakura bat den Besucher, der sich als Kakeru zu erkennen gab, letztendlich herein. Kurz begrüßte er die beiden Anwesenden, ehe er sich auch schon direkt an seinen Herrn wandte: "Sesshoumaru-sama. Ich möchte Euch nicht lange aufhalten, sondern Euch nur darum bitten, dass Ihr mich für eine Zeit lang von meinen Pflichten hier entbindet."

Sesshoumaru schien in der Hinsicht nicht minder überrascht gewesen zu sein wie Sakura. "Wie soll ich das verstehen?"

"Ich müsste das Schloss für eine Weile verlassen. Ich kann Euch aber nicht sagen, wann ich zurückkommen werde."

"Dürfte ich zumindest die Hintergründe deiner Bitte erfahren?"

Aber sein Gegenüber schüttelte nur den Kopf. "Noch ist es zu früh, als dass ich Euch etwas darüber erzählen könnte. Vertraut mir einfach, in Ordnung? Es ist wirklich wichtig", versuchte Kakeru zu erklären.

Eigentlich wollte Sesshoumaru ihn nur ungern zum gegebenen Zeitpunkt fortgehen lassen, war es schließlich nicht sicher, wann es wieder zum Kampf kommen würde. Allerdings wusste er ebenso, dass Kakeru ihn niemals um einen derartigen Gefallen bitten würde, hätte er nicht wirklich einen triftigen Grund dafür gehabt. Also gab Sesshoumaru nach kurzer Überlegung schließlich sein Einverständnis bezüglich Kakerus Bitte.
 

Auch bei Inu Yasha und den anderen drehte sich alles nur noch um ein Thema. Sie alle saßen gemeinsam in Kagomes Zimmer und redeten schon seit einer ganzen Weile über das jüngste Geschehen.

"Niemals hätte ich das erwartet. Obwohl ich schon so viel Tod und Leid gesehen habe...", meinte Sango betrübt und erinnerte sich wieder an ihren Bruder, ihren Vater und ihr Dorf. Kirara maunzte einmal leise und schmiegte ihren Kopf sanft an Sangos Arm, als wollte sie ihr zumindest etwas Trost spenden.

Mit ernster Miene verschränkte Miroku die Arme vor der Brust. "So wird uns ein weiteres Mal vor Augen geführt, dass es jeden von uns treffen kann. Keine schöne Geschichte..."

Inu Yasha richtete sein Augenmerk auf Kagome, die zwischen ihm und Kimie saß. Das schwarzhaarige Mädchen hatte den Blick traurig zu Boden gesenkt. "Das alles ist so schon schlimm genug. Am meisten tun mir aber Ashitaka-kun und Miyuki-chan Leid...", sagte sie leise. Wie lange mochte es wohl dauern, bis sie diesen Verlust akzeptierten?

"Aber warum ist Tôya-sama gestorben?", fragte Rin mit einem Mal vorsichtig und schaute zu Kimie hoch. Das kleine Mädchen war vorhin nicht mit dabei gewesen und hatte demnach erst im Nachhinein von dem erfahren, was geschehen war.

Kimie legte Rin behutsam einen Arm um die Schulter. "Nun... Weißt du, Rin, er wollte Ashitaka und die anderen beschützen und dabei... ist es leider so gekommen, dass er im Laufe dieses Kampfes irgendwann nicht mehr dazu in der Lage war, sich selbst zu schützen."

In Rins Augen erschien ein Funken von Angst. "Könnte Sesshoumaru-sama denn dann auch irgendwann sterben?" Denn schließlich hatte er sie bisher auch stets beschützt, genau wie Tôya es bei Ashitaka und den anderen versucht hatte.

Zuerst hatte Kimie das Mädchen nur leicht erschrocken angesehen, doch schüttelte sie sogleich beruhigend den Kopf. "Nein. Nein, das wird er nicht. Keine Angst." Zumindest hoffte sie das inständig.

Shippou saß während des ganzen Gesprächs nur stumm da. Der kleine Kitsune hätte ohnehin nicht gewusst, was er hätte sagen können.

"Wir kriegen sie schon noch!", meinte Inu Yasha plötzlich entschieden. "Früher oder später kriegen wir diese Drachen und dann machen wir sie gemeinsam mit Naraku allesamt dem Erdboden gleich!"

Sie alle waren so sehr in ihr Gespräch vertieft gewesen, dass sie gar nicht mitbekommen hatten, wie die Zeit vorangeschritten war. Erst, als Miroku letztendlich durch einen Spalt des leicht geöffneten Fensters hinausschaute, machte er die anderen darauf aufmerksam: "Es ist schon spät. Wir sollten es für heute gut sein lassen und schlafen gehen."

Der Mönch erntete einstimmiges Nicken. Bis auf Kagome und Shippou verließen die anderen nun nach und nach das Zimmer und wünschten sich gegenseitig trotz allem noch eine gute Nacht, ehe sie sich auf ihre Zimmer zurückzogen.

Als Kimie gemeinsam mit Rin und Inuki bei dem Zimmer des kleinen Mädchens ankam, schaute dieses fragend zu Kimie hoch. "Kimie-san? Schläfst du heute Nacht wieder bei Sesshoumaru-sama?"

"Ja. Warum fragst du?"

Rin tippte ein wenig verschüchtert die Zeigefinger aneinander. "Nur so. Weil..."

Obwohl sie nicht weiter sprach, brauchte Kimie nicht lange, um festzustellen, dass Rin diese Nacht wohl nicht gerne allein sein wollte. Da kam ihr nach einem Moment gleich eine Idee. "Soll Inuki heute Nacht bei dir bleiben? Für ihn wäre das bestimmt auch schöner, als ganz allein in meinem Zimmer zu hocken."

"Oh, ja!", rief Rin sofort begeistert aus. Trotzdem blieb Kimie selbst ebenfalls noch so lange bei ihr, bis sie schließlich eingeschlafen war. Kimie verabschiedete sich noch Inuki und verließ das Zimmer dann leise wieder. Anschließend machte sie sich wieder auf den Weg zu Sesshoumarus Zimmer. Dort angekommen, schob sie vorsichtig die Schiebetür auf und betrat den Raum. Sie entdeckte Sesshoumaru auf der Veranda stehen.

Als er sie bemerkte, drehte er sich zu ihr um. "Du kommst spät."

"Ja, ich weiß", entgegnete sie ruhig. "Ich habe mich noch mit Kagome und den anderen unterhalten. Und außerdem habe ich noch gewartet, bis Rin eingeschlafen ist. Sie wollte heute Nacht irgendwie nicht allein sein, deshalb bleibt Inuki vorerst bei ihr."

Kimie trat ebenfalls auf die Veranda hinaus. Nachdenklich richtete sie den Blick zum Himmel hinauf. Sie seufzte, während sie sich mit den Unterarmen auf das Geländer abstützte. "Ausgerechnet Tôya... Damit hätte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Tja, anscheinend habe ich trotz allem immer noch diese kindliche Naivität in mir. Dieses Denken, dass so was jeden treffen kann, aber keinen, den ich kenne oder gar mich selbst..." Es entstand eine kurze Pause, ehe sie sich an Sesshoumaru wandte: "Was ist mit Ashitaka und Miyuki? Hast du etwas mitbekommen?"

"Miyuki ist noch immer in ihrem Zimmer, und Ashitaka ist bisher nicht wieder zurückgekommen", antwortete Sesshoumaru.

"Ach so..." Kimie schaute nach vorne in Richtung des Waldes. Im Dunkeln wirkten die Baumkronen nur wie ein einziges schwarzes Meer. Es war unheimlich. Noch dazu frischte der Wind auf.

Kimie verzog sich wieder in das Zimmer. Sesshoumaru folgte ihr und schloss hinter sich die Schiebetür zur Veranda wieder.

"Sesshoumaru? Kann ich dich etwas persönliches fragen?"

Diese plötzliche Frage von ihr ließ ihn aufhorchen. "Worum geht es?"

Zögerlich drehte sich Kimie zu Sesshoumaru um. "Es mag eine ziemlich blöde Frage sein, aber... Als dein Vater starb... wie hast du dich da gefühlt? Hast du um ihn getrauert?"

Ein wenig überrascht schien Sesshoumaru über diese Fragen zwar schon gewesen zu sein, doch zeigte er es wie üblich nicht allzu offensichtlich. Auch in seiner Antwort klang er ruhig und gefasst: "Bereits als ich ihn das letzte Mal traf, wusste ich, dass es so mit ihm enden würde. Ich wusste, dass er nicht mehr lebend zurückkehren würde, nachdem er aufgebrochen war, um diese Menschenfrau zu retten."

"Hmm... Dann kam es also nicht überraschend für dich...", stellte sie leise fest.

Sesshoumaru schwieg. Wie hätte er sonst antworten sollen? Hatte er um seinen Vater getrauert? Wenn Kimie damit hatte wissen wollen, ob er um ihn geweint hatte, hätte er diese Frage ohnehin verneinen müssen. Nein, er hatte nicht geweint, das war für ihn bisher nie eine Option gewesen. Natürlich hatte er noch oft an seinen Vater gedacht, aber getrauert in dem Sinne...

"Entschuldige bitte, aber ich bin müde. Ich geh schlafen", sagte Kimie irgendwann und ging in das Nebenzimmer. Dort zog sie sich um und legte ihren Yukata an. So sehr in ihre Gedanken vertieft, schreckte sie leicht hoch, als sie mit einem Mal Sesshoumarus Hände auf ihren Schultern wahrnahm.

"Wenn es zum entscheidenden Kampf kommt", begann er, "dann möchte ich, dass du dich nicht einmischst und hier im Schloss bleibst."

Kimie drehte sich leicht zu ihm um. Irgendwie hatte das schon beinahe wie ein Befehl geklungen. Es schien, als müsste sie erst noch einen Augenblick überlegen, ehe sie etwas entgegnete: "Unabhängig davon möchte ich dir aber auch gerne noch etwas sagen. Sei bitte vorsichtig, ja? Rin hat vorhin so eine Frage gestellt, die mich auch sehr erschreckt hat. Nach dieser Sache mit Tôya hat sie Angst, dass auch dir etwas zustößt."

Sesshoumaru hatte in gewisser Hinsicht schon vermutet, dass etwas in dieser Richtung irgendwann mal zur Sprache gekommen wäre, dementsprechend hielt sich seine Überraschung eher in Grenzen. Doch er hatte nicht vor, etwaigen Befürchtungen zusätzliche Nahrung zu geben.

"Ich habe nicht vor, im bevorstehenden Kampf zu unterliegen", stellte er klar. "Wenn jemand vorsichtig sein sollte, dann ist es Akuma, aber das wird ihn nicht davor bewahren, letztendlich durch meine Hand zu sterben."

Typisch. Bloß keine Schwäche zeigen, das passte zu ihm. Aber im Grunde war es genau das gewesen, was Kimie in gewisser Hinsicht wieder ein wenig beruhigte, obwohl natürlich ein Rest Unsicherheit blieb...

Nachdem sie sich kurz darauf schlafen gelegt hatte, trat Sesshoumaru erneut möglichst lautlos auf die Veranda hinaus, die er auch von seinem Schlafgemach aus erreichen konnte.

Der bewölkte Himmel gab neben dem Mond nur einige wenige Sterne durch den einen oder anderen Riss in der Wolkendecke preis. Da entdeckte Sesshoumaru auf dem Hof Kakeru, welcher gerade aus den Eingangstüren des Schlosses getreten war. Mit ruhigen Schritten ging er vorwärts, als sein Körper nach und nach in einem Wirbelwind verschwand. Es war erstaunlich, wie vergleichsweise ruhig alles dabei blieb.

Nachdem der Wind wieder nachgelassen hatte, stand Kakeru in seiner wahren Gestalt auf dem Hof. Sein Fell schimmerte im blassen Mondlicht silbern und die dichte Mähne, welche um seine Schultern lag, leuchtete nunmehr in einem hellen Weiß auf.

In dieser Gestalt ging Kakeru noch ein paar Schritte, dann sprang er über die Schlossmauer und lief in den Wald hinein. Schließlich verschwand er aus Sesshoumarus Sicht in der Dunkelheit der Nacht.

Gedanken

Alles war still...

Noch immer war es Nacht, als Ashitaka nach einigen Stunden ins Schloss zurückkehrte. Langsam schritt er über den Hof und auf die Eingangstüren zu. Den Blick die ganze Zeit über zu Boden gerichtet, ging er durch die dunklen Gänge. In seinen Gedanken fand sich noch immer keine Ordnung, stattdessen war alles nur ein einziges quälendes Chaos.

Als Ashitaka letztendlich vor seinem Zimmer stehen blieb, bemerkte er aus dem Seitenwinkel das schwache Schimmern einer einzelnen Lichtquelle. Als er aufschaute, entdeckte er seine Mutter, die ihr Zimmer verlassen hatte und mit einer kleinen Öllampe in der Hand nun auf ihn zukam.

"Mutter..."

Sakura blieb vor ihrem Sohn stehen. Es erschreckte sie, ihn in so einem Zustand zu sehen. Ashitaka wirkte so, als wäre er gar nicht wirklich anwesend gewesen. Sein Blick war leer, seine Stimme leise und unsicher. Zwar wusste Sakura nicht, wo er sich bis eben rumgetrieben hatte, aber angesichts seiner Kleidung wollte sie sich besser nicht ausmalen, was er in der Zwischenzeit gemacht hatte. Stellenweise war sein Kimono zerrissen und im Gesicht hatte er einige Kratzer. Vielleicht war er auf andere Dämonen getroffen und hatte kämpfen müssen, aber danach wollte sie ihn nicht ausfragen. Seine körperlichen Verletzungen waren im Grunde kaum der Rede wert gewesen. Vielmehr Sorgen machte sie sich um die Wunden in seiner Seele.

"Komm bitte mit mir", bat Sakura ihren Sohn schließlich und führte ihn in ihr Zimmer. Dort angekommen, ließ sie ihn zunächst auf dem Boden Platz nehmen, während sie selbst zu einem kleinen Tisch ging, auf dem eine Schüssel und daneben ein Krug mit Wasser stand. Sie goss etwas Wasser in die Schüssel und tränkte ein kleines Tuch darin, welches sie anschließend Ashitaka reichte. "Hier. Für dein Gesicht."

Wortlos nahm Ashitaka das Tuch an sich und wischte sich damit einige Male über das Gesicht. Die angenehme Kühle vermochte ihn zumindest für wenige Sekunden etwas Linderung zu verschaffen.

Sakura setzte sich neben ihren Sohn.

"Schon wieder...", sagte dieser plötzlich, ohne sie dabei jedoch anzusehen. "Es ist genau wie damals. Vater hat mich weggeschickt, kurz bevor er sich seinem letzten Kampf gestellt hatte, und Tôya... Beide Male bin ich weggelaufen und habe sie beide sterben lassen. Meinen Vater und meinen besten Freund... Verdammt!" Ashitakas rechte Hand, in welcher er das Tuch hielt, begann zu zittern.

Sakura nahm ihrem Sohn das Tuch wieder ab und ergriff sanft seine Hand. "Dein Vater wollte, dass du lebst", begann sie ruhig. "Nur deshalb schickte er dich damals fort. Oder glaubst du, er hätte gerne dabei zugesehen, wie sein einziger Sohn in den sicheren Tod rennt? Außerdem warst du doch damals noch sehr jung und unerfahren. Du hättest ihn in diesem Kampf gar nicht beistehen können. Tôya war dein bester Freund und er wollte dich und auch die anderen ebenfalls nur beschützen."

"Aber zu welchem Preis?", fragte Ashitaka schon beinahe vorwurfsvoll. "Was wird jetzt aus Miyuki-chan? Tôya war für sie die wichtigste Bezugsperson. Er war ihre ganze Familie! Und jetzt wird er nie wieder zu ihr zurückkommen..."

Sakura seufzte leise auf. Sie kannte es ja selbst nur zu gut wie es war, wenn man jemanden verlor, den man sehr geliebt hat und der einem wie fast kein anderer nahe stand. Behutsam legte sie ihre Hand an die Wange ihres Sohnes und drehte sein Gesicht zu sich. "Ihr beide teilt den selben Schmerz. Sie verlor ihren Bruder und du deinen besten Freund. Gebt euch gegenseitig Halt. Denk nicht mehr über das nach, was sie in ihrer Wut und Trauer zu dir gesagt hat. Dich trifft an dieser Geschichte keine Schuld."

"Mh... Aber ich..." Egal, wie sehr seine Mutter ihm auch gut zuredete, Ashitaka konnte seine Schuldgefühle nicht ablegen. Das wäre innerhalb dieser kurzen Zeit wohl auch etwas zu viel verlangt gewesen, dessen war sich auch Sakura bewusst. Dennoch wollte sie natürlich nicht, dass sich ihr Sohn ewig diese Vorwürfe machte. Sie konnte nur hoffen, dass er es irgendwann selbst einsehen würde.

"Lass es für heute gut sein. Ruh dich lieber aus und versuch, ein wenig zu schlafen", riet Sakura Ashitaka letztendlich. Dieser nickte nur schwach, ehe er das Zimmer seiner Mutter danach wieder verließ und in sein eigenes Zimmer zurückging. So hörte er nicht, wie Sakura nach seinem Verschwinden eines der Fenster etwas aufschob und zum dunklen Himmel hinaufblickte. Noch immer versperrte eine dichte Wolkendecke die Sicht auf die meisten Sterne. Auch der Mond war hinter einigen Wolkenfetzen verborgen. Sakura seufzte leise. "Als du damals fort gingst, versprach ich mir selbst, für uns beide zu leben und auf unseren Sohn zu achten. Doch merke ich nun ein weiteres Mal, wie schwer das manchmal sein kann. Akira..."

Noch einige Minuten stand sie so am Fenster, dann schloss sie dieses wieder.
 

Feuer. Ein total verwüstetes Schlachtfeld... Rauch, der sich in dicken Säulen seinen Weg in den Himmel bahnte...

Kimie riss die Augen auf und setzte sich ruckartig kerzengerade auf. Hastig sah sie sich in Sesshoumarus Schlafgemach um, aber alles war ruhig. Ein Seufzen entwich ihr, als sie erkannte, dass sie nur geträumt hatte. Draußen schien gerade die Sonne aufzugehen.

Kimie öffnete ihren Yukata etwas, weil sie durch den Schrecken ein wenig schwitzte. Sie blickte zur Seite, als sie merkte, dass sich Sesshoumaru nun ebenfalls aufrichtete und sie fragend ansah.

"Was ist mit dir?"

Kimie schüttelte kaum merklich den Kopf. "Nichts, schon gut. Ich... habe nur geträumt."

Trotzdem hatte sie das Gefühl, als würde ihr irgendetwas die Kehle zuschnüren. Sie brauchte frische Luft, also stand sie nach einem Moment auf und trat nach dem Öffnen der Schiebetür auf die Veranda hinaus. Da es noch sehr früh am Morgen war, war es dementsprechend zwar noch etwas frisch, aber nicht kalt. Ein wenig half die klare Luft ihr, ihre Gedanken wieder etwas mehr zu ordnen. Bei einem Blick auf den Hof entdeckte Kimie einige von Sesshoumarus Leuten, die sich bereits dort aufhielten. In ihrem Traum hatte sie zwar nicht Genaueres sehen können - mal ganz abgesehen davon, dass sie an so was wie spontane Zukunftsvisionen eh nie so recht geglaubt hat - aber trotzdem wurde ihr mit einem Mal wieder unwohl, als sie daran zurückdachte.

Irgendwann spürte Kimie, wie sich zwei Hände von hinten auf ihre Schultern legten.

"Du wirkst ein wenig durcheinander. Was hast du denn geträumt?", fragte Sesshoumaru.

Kimie seufzte leise, während sie sich etwas auf das Geländer der Veranda abstützte. "Ach, eigentlich war es nichts... Mag sein, dass der Vorfall von gestern mich ein wenig aus der Bahn geworfen hat."

Dass Tôya tot war, war für sie noch immer etwas schwer zu begreifen gewesen. Für Sesshoumaru war das nur allzu verständlich gewesen, auch wenn er selbst dazu schwieg. Es hätte ohnehin keine passenden Worte gegeben, die er im Moment hätte sagen können. Stattdessen kreisten seine Gedanken nun wieder darum, was Kakeru wohl vorgehabt hatte. Mitten in der Nacht ohne der Erwähnung eines klaren Anliegens oder eines Zieles einfach so das Schloss zu verlassen... Gut, Kakeru war zwar schon immer ein etwas rätselhafter Youkai gewesen, aber dennoch hatte er nie irgendjemanden einen Anlass oder einen Grund dafür geliefert, ihm zu misstrauen oder dergleichen. Im Gegenteil, Kakeru war seinem Clan stets ein loyales und zuverlässiges Mitglied gewesen und das schon lange, bevor Sesshoumaru überhaupt in diesem Schloss zur Welt gekommen war.

Sesshoumaru würde sich in Geduld üben. Er wusste, dass er Kakeru vertrauen konnte und dass dieser früher oder später ins Schloss zurückkommen würde. Mit was für Neuigkeiten und Erkenntnissen auch immer...

"Sesshoumaru? Was ist denn?", fragte Kimie, nachdem sie mitbekommen hatte, dass der Youkai irgendwie abwesend gewirkt hatte.

"Es ist nur wegen Kakeru." Sesshoumaru lies wieder von ihr ab und kehrte ins Zimmer zurück. "Er hat heute Nacht das Schloss verlassen, aber er sagte mir nicht, was er vor hat."

"Was? Kakeru ist weg? Und er ist ganz allein weggegangen?" Kimies Stimme klang schon beinahe erschrocken, als sie das erfahren hatte, und sie folgte Sesshoumaru zurück in das Zimmer. "Aber ist das nicht zu gefährlich? Könnte ihm nicht etwas passieren? Kakeru ist doch... Ich meine, ist er denn gar nicht im Nachteil, wenn er angegriffen werden sollte? Wegen..." Sie scheute sich irgendwie davor, es auszusprechen, doch Sesshoumaru hatte sie gleich verstanden.

"Er ist ein Youkai, und als solcher weiß er mit gewissen körperlichen Einschränkungen viel besser umzugehen, als etwa ein Mensch", entgegnete er. "Mag sein, dass du dir das nur schwer vorstellen kannst, aber in dieser Hinsicht sind deine Sorgen unbegründet. Kakeru weiß mitunter wohl am besten, was und wie viel er sich zumuten kann."

Sicher, nur hatte Kimie gerade nicht daran gedacht. Sie nickte schwach. "Hast ja Recht. Ich dachte ja nur..."

Da es zu diesem Thema erst mal nicht weiter zu bereden gab, beließ jeder der beiden es zunächst dabei.

Nachdem sie sich wieder ihre gewohnte Kleidung angelegt hatten, gab es zumindest für Kimie gleich eine Sache, die sie erledigen wollte, weshalb sie sogleich zur Tür ging.

"Wohin gehst du?" Auf diese Frage von Sesshoumaru hin blieb sie noch einmal kurz stehen.

"Ich wollte noch mal bei Takeshi vorbeischauen", antwortete Kimie, registrierte dann aber seinen skeptischen Gesichtsausdruck. "Ist was? Passt dir daran etwas nicht?"

"Darum geht es nicht", entgegnete er in gewohntem Tonfall. "Aber trotzdem werde ich dich wohl begleiten. Es gibt da nämlich noch etwas, was ich ihn fragen möchte."

"Was denn?"

"Das siehst du dann."

Na, das war ja wieder mal typisch für ihn gewesen! Bloß nicht zu viel ausplaudern. Aber Kimie ging nicht näher darauf ein. Sie würde ja ohnehin gleich erfahren, was Sesshoumaru von Takeshi wollte.

Nebeneinander schritten sie durch die Gänge, ohne dabei in irgendeiner Form miteinander zu sprechen. Es gab zur Zeit im Grunde auch nicht wirklich etwas, worüber sie hätten reden können.

Als Kimie mitbekam, dass Sesshoumaru nach einer Weile plötzlich stehen geblieben war, war sie doch etwas verwundert. "Was ist los?" Aber als sie ihren Blick wiederum nach vorne richtete, entdeckte sie den Grund. Am Ende des Ganges stand Touran mit dem Rücken zur Wand gelehnt. Es schien, als hätte sie auf jemanden gewartet. Kimie vermutete gleich, dass sie wohl auf Sesshoumaru gewartet hatte. "Ich geh schon mal vor", meinte das Mädchen nach einem Moment und ging sogleich weiter. Als sie an Touran vorbeikam, warfen sie sich beide nur kurz jeweils ihre Blicke zu, dann war Kimie auch schon an der Panther-Dämonin vorbeigegangen und hinter der nächsten Biegung verschwunden.

"Was gibt es?", fragte Sesshoumaru, kaum, dass er und Touran unter sich gewesen waren.

Touran kam ein wenig auf ihn zu.

"Versteh mich nicht falsch, Sesshoumaru Ich wollte dir nur noch mal persönlich sagen, dass es mir sehr Leid tut, was gestern passiert ist. Schließlich hast du einen deiner besten Leute verloren."

Sesshoumaru hatte die Arme so vor der Brust verschränkt, dass seine Hände jeweils in den Ärmeln seines Kimonos verborgen waren. "Warum kommst du deswegen extra zu mir? Ich hatte bisher nicht den Eindruck, als hättest du dich sonderlich gut mit Tôya verstanden. Oder hast du deine Meinung inzwischen etwa wieder geändert?"

"Darum geht es nicht", erwiderte Touran ruhig, aber betont. "Ich finde jedoch, es ist nur anständig, dir das zu sagen. Außerdem... Tôya hat mich vorher vor einem feindlichen Angriff beschützt, doch konnte ich mich dafür nicht mehr bei ihm bedanken."

"Dann plagen dich also Schuldgefühle?" Es hatte schon fast etwas höhnisch geklungen, doch ging Touran darauf nicht ein.

"Nenn es wie du willst", meinte sie nur. "Was ich sagen wollte, habe ich gesagt. Mehr wollte ich nicht." Sie ging an ihm vorbei, doch blieb sie nach einigen Metern wieder stehen. "Sesshoumaru... Wegen unserem Treffen vor einiger Zeit... Vergiss es am besten."

Sesshoumaru hatte sich zu Touran umgewandt und auch sie hatte sich zu ihm umgedreht, sodass sich ihre Blicke nun trafen. Mit der für ihn typischen Selbstsicherheit und als wäre es vollkommen selbstverständlich gewesen entgegnete er: "Keine Sorge. Das habe ich bereits."

"Hm! Dann ist ja gut." Touran lächelte leicht. Es war allerdings kein gewöhnliches Lächeln gewesen, sondern ein für ganz typisches, das Selbstbewusstsein und Sicherheit ausstrahlte.

Als sie danach ihren Weg wieder fortsetzte, tat Sesshoumaru es ihr gleich und machte sich auf den Weg in die Kerker.
 

Indes war Kimie bereits in den Kerkern bei Takeshis Zelle angekommen, nur blieb sie dieses Mal draußen und unterhielt sich mit ihm durch die Gitterstäbe hindurch. Dabei wurden die beiden genauestens von den beiden Wachen beäugt, die sich ansonsten aber nicht in das Gespräch einmischten. Auch dann nicht, als Kimie auf das zu sprechen kam, was sich am Abend zuvor zugetragen hatte.

Takeshi wirkte in gewisser Hinsicht überrascht, aber auch zum Teil verunsichert. Zwar hatte der junge Ryû-Youkai schon die beiden Wachen darüber sprechen hören, dass einer ihrer Kameraden jüngst im Kampf gefallen war, aber auf etwaige Nachfragen von ihm hatten sie ihm immer nur die kalte Schulter gezeigt und waren auch sonst überhaupt nicht auf ihn eingegangen. Doch endlich erfuhr Takeshi Genaueres.

"Tôya?", fragte er noch einmal nach. "Ist das nicht ein Freund von diesem Ashitaka gewesen? Der, den ich kontrolliert hatte?"

Kimie nickte. "Ja. Außerdem war er Miyukis älterer Bruder."

"Hmm..." Takeshi richtete den Blick leicht zu Boden. "Tut mir Leid für euch. Gegen wen hat er denn gekämpft?"

"Wir vermuten, dass es Toba war, zumindest sprechen die Hinweise dafür. Aber was genau passiert ist, wissen wir nicht."

"Und Toba?"

Sie schüttelte den Kopf. "Ich kann es dir nicht sagen. Wir wissen nicht mehr." Diese Geschichte machte Kimie noch immer sehr zu schaffen, aber wenn sie daran dachte, wie es erst Ashitaka oder Miyuki gehen musste, war es wohl eher lächerlich, was sie selbst im Moment empfand. In diesem Zusammenhang kam sie nun noch eine andere Sache in den Sinn. Anfangs zögerte sie noch, Takeshi darauf anzusprechen, tat es dann aber doch: "Sag mal, glaubst du, dass Akuma versuchen wird, dich zu befreien? Ich meine, immerhin seid ihr Brüder."

Zuerst schien Takeshi etwas überrumpelt von dieser Frage gewesen zu sein, hatte er im Augenblick schließlich überhaupt nicht damit gerechnet, aber dann antwortete er, wenn auch mit einem leichten Schulterzucken: "Wir teilen zwar das gleiche Blut, aber das heißt in seinen Augen offenbar noch lange nicht, dass wir uns aneinander gebunden fühlen müssen..."

"Dann... traust du ihm zu, dass er dich im Stich lässt?"

"Ich weiß nicht, was ich denken soll." Mit einem kaum hörbaren Seufzen umfasste Takeshi mit der rechten Hand einen der Gitterstäbe. "In letzter Zeit vermag ich Akuma gar nicht mehr so wirklich einschätzen zu können. Zugegeben, er war schon immer irgendwie schwierig, aber jetzt..."

Kimie war zugegebenermaßen schon etwas erschrocken gewesen, auch wenn sie es nicht unbedingt zeigte. Vielmehr tat ihr Takeshi Leid. Als ob er es nicht schon schwer genug gehabt hätte und dann hatte er auch noch offensichtlich Stress mit seinem Bruder, der für ihn dem Anschein nach keinen Finger krumm machen wollte. Das konnte sie einfach nicht verstehen.

Anfangs zögerte Kimie zwar etwas, umfasste dann aber doch sanft Takeshis rechte Hand, die noch eine der Gitterstäbe umfasste. "Eigentlich... fühlst du ihm gegenüber doch schon so etwas wie eine brüderliche Verbundenheit, oder?"

"Nun, er ist ja schließlich auch mein Bruder", erwiderte Takeshi mit einem leichten, wenn auch etwas gequält wirkenden Lächeln. Diese ganze Situation zog schon ziemlich an seinen Nerven.

Gerade wollte Kimie wieder das Wort ergreifen, als sie mitbekam, wie die beiden Wachen sich leicht vor jemanden verbeugten. Als sie sich umdrehte, entdeckte sie nur gut zwei Meter von sich entfernt Sesshoumaru stehen. Da sie so sehr in ihr Gespräch mit Takeshi vertieft gewesen war, hatte sie ihn überhaupt nicht kommen hören.

Als Sesshoumaru sich der Zelle weiter näherte, trat Kimie einen Schritt zur Seite. Er hatte vorhin ja schon angekündigt, dass er mit Takeshi sprechen wollte, aber sie war nun doch ziemlich gespannt darauf, worum genau es dabei gehen sollte. Takeshi beobachtete den Inu-Youkai ganz genau, als dieser sich ihm gegenüberstellte.

"Dir mag ich vorerst Gnade gewährt haben, aber ich stelle von vornherein klar, dass ich nicht die Absicht hege, Akuma gegenüber in irgendeiner Form mit Zurückhaltung zu begegnen", sagte Sesshoumaru sogleich zu allererst im üblichen Ton. Anhand dieser Aussage vermutete Kimie stark, dass er zuvor mitbekommen haben musste, wie sie mit Takeshi über Akuma gesprochen hatte. Sesshoumaru sprach weiter: "Bis der Kampf vorbei sein wird, wirst du hier bleiben. Dann entscheide ich über dein Schicksal."

Takeshi blieb zunächst stumm. Sein Blick war leicht gesenkt, als wüsste er nicht, was er dazu sagen sollte. Aber dann ergriff er doch noch das Wort: "Ich weiß, ich bin nicht in der Position, Euch gegenüber irgendwelche Bitten oder gar Forderungen zu äußern, aber hört mich dennoch bitte an." Es entstand eine kurze Pause, ehe er mit erhobenem Blick fortfuhr: "Wenn in naher Zukunft der entscheidende Kampf beginnt, dann möchte ich mich mit Eurer Erlaubnis dem anschließen."

Sesshoumaru schien über diese Ankündigung nicht minder überrascht gewesen zu sein wie Kimie, wenngleich man es ihr sofort ansehen konnte, auch anhand ihrer nun folgenden Frage: "Moment mal! Soll das etwa heißen... du willst... gegen deinen Bruder kämpfen?"

Takeshi nickte kaum merklich. "Ich tue es nicht gerne, aber das mag vermutlich die einzige Möglichkeit sein, die mir noch bleibt, um ihm zu helfen."

"Was meinst du damit?", fragte Sesshoumaru äußerst prüfend.

"Akuma ist eigentlich gar nicht so", antwortete Takeshi. "Gut, er war zwar schon immer sehr ehrgeizig und zielstrebig in seinen Vorhaben, und hat dafür auch schon Leben ausgelöscht, aber trotzdem... Da ist etwas in seinem Charakter, das vorher nicht da gewesen ist. Ich kann es nicht erklären, aber so wie er jetzt ist... das ist er nicht!"

Kimie tauschte einen flüchtigen Blick mit Sesshoumaru aus, ehe sie sich erneut an Takeshi wandte: "Uhm... Sei mir jetzt bitte nicht böse, Takeshi, aber... das kann ich mir ehrlich gesagt nicht so recht vorstellen."

"Es liegt an diesem Naraku", sagte der junge Ryû-Youkai und in seiner Stimme lag ein Unterton von Wut. "Sein Einfluss macht Akuma blind für die Wahrheit. Naraku hetzt ihn auf, treibt ihn, Renhou und die anderen immer tiefer in diesen Krieg hinein... Ich muss alles versuchen, damit das endlich aufhört!"

Erneut kreuzten sich Kimies und Sesshoumarus Blicke. Nach einem Moment richtete Sesshoumaru wiederum das Wort an Takeshi: "Du willst also an der Seite von mir und meiner Leute kämpfen, wenn ich dich richtig verstehe. Meinst du das auch so oder erzählst du es bloß?"

Takeshi schaute nun nicht minder fragend drein als Kimie. Was meinte Sesshoumaru damit?

"Was wäre, wenn Akuma Kimie mal wieder angreifen würde und du würdest direkt daneben stehen? Was würdest du in diesem Fall tun?", fragte Sesshoumaru mit derart kühler und durchdringender Stimme, dass es einem schon beinahe unangenehm gewesen war, überhaupt nur neben ihm zu stehen.

Kimie jedoch fuhr ihm sofort aufgebracht dazwischen: "Sesshoumaru, das ist jetzt aber wirklich nicht fair!" Mal ganz abgesehen davon wollte er sie doch bei dem Kampf eh nicht dabei haben, also was sollten diese Fragen?

Ungeachtet ihrer Einwände behielt Sesshoumaru jedoch seine selbstsichere Haltung, während seine Aufmerksamkeit nach wie vor auf Takeshi ruhte. "Es würde mich eben einfach nur interessieren, wie seine Einstellung dazu ist. Also? Wie lautet deine Antwort?"

Takeshi antwortete nicht sofort, als müsste er erst noch darüber nachdenken, was er darauf hätte erwidern können. Sein Gesicht hatte dabei die ganze Zeit über einen sehr ernsten Ausdruck, bis er schließlich mit fester Stimme zu sprechen begann: "Darüber habe ich schon oft nachgedacht. Im Grunde bin ich Akuma bereits in den Rücken gefallen, von daher hätte ich ohnehin nicht mehr viel zu verlieren. In diesem Fall würde ich natürlich versuchen, Kimie zu helfen. Allerdings würde ich dabei nicht so weit gehen, meinen Bruder zu töten, sofern ich die Möglichkeit hätte, dies zu verhindern."

Kimie war verblüfft. Takeshis selbstbewusste Antwort und der feste Blickkontakt, den er mit Sesshoumaru hielt, erstaunten sie. Als sie kurz zu Sesshoumaru schaute, um herauszufinden, wie er eventuell reagieren würde, konnte sie anhand seines Gesichtsausdrucks jedoch nicht erahnen, was er wohl gerade dachte. Und ohne überhaupt etwas auf Takeshis Worte entgegnet zu haben, machte er stattdessen auf einmal kehrt und verschwand. Kimie verabschiedete sich noch hastig von Takeshi, ehe sie Sesshoumaru folgte. Als die beiden die Kerker letztendlich wieder verlassen hatten, ergriff sie ihn am linken Ärmel seines Haori. "Sesshoumaru, warte mal! Was sollte das eben? Warum hast du Takeshi diese Fragen gestellt?"

Sesshoumaru blieb stehen und wandte sich zu ihr um. "Wie schon gesagt, es ist seine Einstellung gewesen, die mich interessiert hat. Zumindest war er ehrlich."

"Dann... lässt du ihn mitkämpfen?", fragte Kimie nach einem Moment zögerlich.

Sesshoumaru wandte den Blick wieder von ihr ab. Seine Stimme klang wiederum gewohnt kühl, als er ihr antwortete: "Ich werde darüber nachdenken."
 

Unschlüssig scharrte Subaru mit dem unteren Ende seines Bogens auf dem Boden herum, während er selbst eher teilnahmslos auf einem flachen Felsen saß. Hin und wieder schweifte sein Blick zu der Zielscheibe, die in einiger Entfernung aufgestellt war. Drei Pfeile steckten bereits darin, aber im Zentrum befand sich keiner von ihnen, wenngleich sie sich in der Nähe davon befanden. Für gewöhnlich war es nicht seine Art gewesen, sein Ziel zu verfehlen, aber irgendwie konnte sich Subaru heute nicht so wirklich konzentrieren. Noch immer dachte er an das Geschehen des vergangenen Tages zurück. Zwar konnte er von sich selbst nicht gerade behaupten, er wäre ein guter Freund von Tôya gewesen, aber Tôya war nichts desto trotz einer der wenigen innerhalb des Clans gewesen, der Subaru normal gegenübergetreten und ihm nicht etwa mit Abfälligkeit und Ignoranz begegnet war. Trotzdem verbarg Subaru seine Gedanken sogar jetzt, wo er allein war, weitestgehend hinter einer undurchsichtigen Miene.

"Was ist mit dir, Bruder? Deine Treffsicherheit scheint allmählich nachzulassen."

Subaru hatte sofort aufgehorcht, als er Seshirus Stimme vernommen hatte. Er warf einen flüchtigen Blick zur Seite und sah seinen älteren Bruder mit dem Rücken an der kleinen Mauer, die diesen Bereich vom Rest des Schlosses trennte, stehen.

Als Subaru ihm nicht antwortete, sprach Seshiru im für ihn gewohnten arroganten Tonfall weiter: "Wirklich eine bedauerliche Sache, das mit Tôya. Ist das der Grund dafür, weshalb du heute nicht ganz auf der Höhe zu sein scheinst?"

Subaru entwich ein leises Knurren. Es war dabei sowohl Seshirus Bemerkung an sich gewesen, als auch der Tonfall in seiner Stimme, was den Jüngeren so sehr reizte. Entschieden stand er von seinem Sitzplatz auf. "Was willst du eigentlich? Dich darüber auslassen, dass er sich nicht retten konnte? Dann verschwinde besser, sonst garantiere ich für nichts!"

Beschwichtigend hob Seshiru seine rechte Hand. "Immer mit der Ruhe! Du musst nicht gleich so feindselig werden."

"Und verschone du mich mit deinen Bemerkungen!", konterte Subaru erbost. Und als wollte er dem Ganzen noch eins draufsetzen, fuhr er nach einer kurzen Pause fort: "Sei doch ehrlich. Im Grunde wäre es dir doch ganz recht gewesen, wenn nicht Tôya, sondern ich zurückgeblieben wäre, oder?" Er zuckte wie gleichgültig mit den Schultern. "Nun, wer weiß, vielleicht hätte ich wirklich statt seiner kämpfen sollen. Dann wäre der Verlust bei weitem nicht so schwer gewesen."

Seshiru warf seinem Bruder einen leicht argwöhnischen Blick zu. "Was willst du damit andeuten?"

"Tu doch nicht so!", entgegnete Subaru mit einer abwertenden Handbewegung. "Als ob du auch nur eine Träne für mich übrig gehabt hättest. Und bei den meisten anderen gelte ich immer noch als der Bruder eines Verräters und Aufrührers. Im Gegensatz zu Tôya habe ich keine Familie oder enge Freunde, denen mein Verlust sonderlich nahe gegangen wäre."

Es ging Subaru nicht etwa darum, die Mitleidsschiene zu fahren oder dergleichen. Vielmehr wollte er lediglich Seshirus Reaktion austesten. Obwohl, eigentlich konnte es ihm auch herzlich egal sein, wie sein älterer Bruder über all das dachte. Von daher entschied sich Subaru schon nach wenigen Sekunden, erst gar nicht auf eine eventuelle Erwiderung von Seshiru zu warten und wollte sich stattdessen wieder anderen Dingen widmen, als er plötzlich mitbekam, wie er von hinten angegriffen wurde. Mit einem Satz wich Subaru einem Schwerthieb von Seshiru aus und landete in einigen Metern Entfernung wieder sicher auf dem Boden.

"Hey! Was sollte das?!", fragte Subaru empört über diesen hinterhältigen Angriff von Seiten seines Bruders, der jedoch nicht mal mit der Wimper zuckte.

"Was ist mit dir? Du hast doch eben selbst gesagt, du hättest gerne an Tôyas Stelle gekämpft." Mit diesen Worten zog Seshiru auch noch sein zweites Schwert. Nun hielt er in jeder Hand jeweils eines. "Dann zeig mir doch, ob du überhaupt eine Chance gehabt hättest! Es heißt ja schließlich, dass er gegen diesen Toba gekämpft hat. Hättest du gegen einen von Akumas besten Kriegern bestehen können? Dann beweise es!" Und sofort griff er ein weiteres Mal an.

Erneut wich Subaru mit einem Sprung aus und zog dabei gleichzeitig sein eigenes Schwert. Damit konnte er jedoch immer jeweils nur eines der beiden Schwerter seines Bruders abwehren und war dadurch gezwungen immer wieder auszuweichen, um einen ausreichenden Abstand zwischen sich und ihm einzuhalten. Subaru hatte im Grunde noch nie gegen seinen älteren Bruder gekämpft, doch wusste er durchaus um dessen Kraft und Fähigkeiten. Für ihn war das jedoch kein Grund dafür gewesen, sich zu ergeben. Wenn Seshiru unbedingt kämpfen wollte, dann sollte er es auch so haben!

Eine ganze Weile konnte sich Subaru gut gegen Seshiru behaupten, doch auf die Dauer sowohl die Angriffe des einen Schwertes zu parieren, als auch denen des anderen auszuweichen, war auch für ihn als Youkai irgendwann sehr anstrengend. So kam es wie es kommen musste: In einem kleinen unachtsamen Moment, in welchem Subaru etwas zu spät reagiert hatte, verspürte er bei einem Ausweichmanöver einen leichten Ruck an seinem Hinterkopf, ehe ihm sein nunmehr offenes Haar über die Schultern fiel. Bei dem Angriff hatte Seshiru das Haarband des Jüngeren erwischt und durchtrennt. Subaru hatte mehr als Glück gehabt. Wäre er nur etwas langsamer gewesen...

"Pass lieber etwas besser auf deinen Rücken auf!"

Subaru drehte sich zwar sofort um, nachdem er die Stimme seines Bruders vernommen hatte, doch diesmal hatte er wirklich zu spät reagiert und sah nur noch, wie eines von Seshirus Schwertern genau auf ihn zusteuerte. Im letzten Moment drehte Seshiru sein Schwert jedoch so, dass nicht mehr die Schneide, sondern der Schwertrücken auf Subaru gerichtet war, ehe dieser in der Magengegend einen fast schon betäubenden Schlag verspürte. Da Subaru im Gegensatz zu Seshiru seine Rüstung nicht trug, wurde die Wucht des Angriffs in keinster Weise abgeschwächt. Die Attacke ließ den Jüngeren keuchend auf die Knie sacken. Während er sich mit einer Hand auf dem Boden abstützte, hielt er sich mit der anderen den Bauch. Das Atmen fiel Subaru unglaublich schwer. Er hatte schon das Gefühl, jeden Augenblick das Bewusstsein zu verlieren, doch riss er sich mit viel Mühe noch zusammen. Nach einem Augenblick konnte er Seshirus Stimme sagen hören: "Du bist gut, Subaru, aber noch bist du weit davon entfernt, perfekt zu sein."

"Perfekt... Hör auf, so einen Mist zu reden!" Subaru hob seinen Blick und schaute seinen Bruder aus eiskalten Augen an. Seshiru stand einfach nur da, ansonsten tat er nichts. "Was ist? Wartest du auf etwas Bestimmtes?", fragte Subaru spöttisch. "Wenn du mich töten willst, dann hast du doch jetzt die ideale Gelegenheit dazu!"

Doch anstatt die Gelegenheit beim Schopfe zu ergreifen, steckte Seshiru seine beiden Schwerter nacheinander wieder ein. "Lassen wir es gut sein. Ich habe eigentlich nicht die Absicht, dich zu töten."

"Was ist los mit dir? Verspürst du auf einmal Bruderliebe, oder was?", fragte Subaru sogleich äußerst zynisch, während er sich wieder auf die Beine zwang. Seshiru entgegnete diesmal jedoch nichts darauf, sondern stand einfach nur so da und musterte seinen Bruder. Ein leises Knurren drang aus der Kehle des Jüngeren. "Was gibt's denn da zu gucken?! Bist du auf der Stelle festgefroren oder was ist plötzlich mit dir los?" Aber auch dieses Mal blieb Seshiru stumm. Stattdessen führte er nur seine Hände hinter seinen Kopf und löste das Band, das seine Haare zusammenhielt, während er zeitgleich näher auf Subaru zuging. Bei ihm angekommen, packte er ihn ohne jegliche Vorwarnung an den Schulter und drehte ihn mit Nachdruck so um, dass er mit dem Rücken zu ihm stand. Subaru jedoch wollte sich sofort wieder umdrehen. "Hey! Was...?!"

"Halt einfach still!", unterbrach Seshiru seinen Bruder. Anfangs wollte dieser sich zwar weiter wehren, ließ es dann aber bleiben, als er mitbekam, wie Seshiru vorsichtig das längere Haar des Jüngeren zusammensuchte. Argwöhnisch verfolgte Subaru genauestens mit, wie Seshiru seine Haare zusammenlegte und um diese anschließend sein dünnes Band wickelte, welches er schlussendlich mit einem Knoten versah. Dann gab er Subaru einen leichten Klaps auf den Rücken. "Offene Haare passen nicht zu dir, du siehst damit aus wie ein Mädchen. Du kannst das Band behalten." Es hatte zugegebenermaßen ein etwas lächerlicher Unterton in dieser Bemerkung gelegen.

Subaru wusste gar nicht, was er vom Verhalten seines Bruders halten sollte. Erst recht nicht, als dieser kurz darauf ohne ein weiteres Wort Anstalten machte, zu gehen. "Augenblick mal, Seshiru! Was soll das? Ist das wieder irgendeine Masche von dir?"

Der Ältere blieb nach diesem Nachruf zwar stehen, drehte sich aber nicht um. "Was soll die Frage? Bist du gerade in Plauderlaune, Brüderchen?"

"Mach dich nicht lustig über mich!", konterte Subaru spürbar gereizt. "Und spiel nicht so ein Theater, sondern gib es doch einfach zu! Wenn du gekonnt hättest, hättest du mich doch bereits letztens ohne mit der Wimper zu zucken getötet, nachdem ich dich herausgefordert hatte, oder?"

Anfangs blieb es still. Seshiru antwortete nicht und rührte sich auch nicht. Doch dann begann er zu sprechen: "Wie du es schon selbst erkannt hast, hätte ich auch jetzt die Gelegenheit dazu gehabt, dich zu töten." Und mit einem für ihn vollkommen untypischen ruhigen Tonfall fuhr er nach einer kurzen Pause fort: "Aber ich bin an ein Versprechen gebunden, dass ich jemanden vor langer Zeit gegeben habe. Zugegeben, ich bin kein Unschuldslamm und ich habe nicht sonderlich viel für die anderen hier übrig, aber so viel Ehrgefühl habe ich dennoch. Auch, wenn man es vielleicht nicht glauben mag."

"Ein Versprechen?" Das hatte Subaru gerade zum allerersten Mal gehört und er war nun doch mehr als verwirrt gewesen. Was hatte das schon wieder zu bedeuten gehabt? Anstatt, dass er Seshiru aber noch mal genauer danach fragte, ließ er diesen nun jedoch ohne weiteres wieder ziehen. Seine Verwirrung hingegen blieb. >Seshiru... Ich werde aus dir einfach nicht schlau. Was treibst du hier für ein Spiel? Was ist dein wahres Gesicht...?<
 

Der Tag schlich mehr oder weniger dahin und ging an den meisten fast unbemerkt vorüber. Bis zum Abend gab es keine besonderen Vorkommnisse.

Sesshoumaru hatte den Großteil des Tages damit zugebracht, sich weiterhin um den bevorstehenden Kampf so seine Gedanken zu machen. Es lag förmlich in der Luft. Allzu lange würde es nicht mehr dauern, dann würde sein Clan ein weiteres Mal dem Clan der Ryû-Youkai gegenüberstehen. Zahlenmäßig waren die Feinde zweifellos überlegen, nicht zuletzt durch die Verstärkung, die sie durch die Flugdrachen schon hatten, aber das war für Sesshoumaru kein Grund gewesen, sich in Zweifeln zu vergraben. Zugegeben, nach der Nachricht von Tôyas Verlust war die Stimmung im Schloss spürbar angespannt und bedrückt gewesen, doch ebenso groß war bei vielen auch der Wunsch nach Vergeltung. Sich allerdings kopflos in den Kampf zu stürzen, wäre ein fataler Fehler gewesen. Auf keinen Fall durften sich die Inu-Youkai zu unüberlegten Handlungen hinreißen lassen. Doch Sesshoumaru hatte sich vorgenommen, es dieses Mal wirklich zu beenden. Die Feinde sollten nicht nur zurückgeschlagen, sondern endgültig besiegt werden.

Irgendwann hatte Sesshoumaru seine Schriftrollen und Landkarten wieder zur Seite gelegt und hatte seine Privaträume verlassen. Sein Ziel war der Garten, in welchem sich nach seinem Kenntnisstand Kimie, Rin und Inuki aufhielten. Er wollte sie dazu auffordern, sich allmählich in das Schloss zu begeben, da es auch langsam aber sicher dunkel wurde. Als er jedoch an der Tür zum Garten ankam und diese schon etwas geöffnet hatte, hielt er in seiner Bewegung inne, als er Rin an Kimie gerichtet sagen hörte: "Sag mal, Kimie-san..."

"Ja? Was ist denn?"

"Was glaubst du? Wenn wir beide irgendwann mal sterben... wird Sesshoumaru-sama trotzdem ab und zu an uns denken und sich an uns erinnern?"

Sesshoumarus Gesicht nahm einen etwas verblüfften und zugleich auch unschlüssig wirkenden Ausdruck an. Für ihn als Youkai war es natürlich keine große Herausforderung gewesen, dem Gespräch zu lauschen, und in gewisser Hinsicht bereitete ihm Rins Frage schon ein merkwürdiges Gefühl.

Kimie, die auf der Bank unter dem Pavillon saß und die Arme auf das Geländer gelegt hatte, war momentan wohl nicht weniger verwirrt gewesen. Fragend schaute sie zu Rin, die mit Inuki am Teich hockte, runter. "Wieso fragst du das auf einmal?"

"Ich meine ja nur..." Rin senkte ihren Blick wieder Richtung Boden, während sie den rechten Zeigefinger leicht in das Wasser des Teiches tauchte. "Ich habe meine Eltern und meinen Bruder zwar nicht vergessen, seit sie damals von Banditen getötet wurden, aber es ist doch oft so, dass diejenigen, die sterben, nach einer Weile vergessen werden. Und Tôya-sama ist doch jetzt auch tot. Wird man ihn also auch vergessen?"

Kimie brauchte zunächst noch einen Moment für sich, um diese Fragen noch einmal zu verinnerlichen. Doch dann schüttelte sie mit einem leichten Lächeln den Kopf. "Nein. Bestimmt wird man ihn nicht vergessen. Und garantiert werden insbesondere Miyuki und Ashitaka immer an ihn denken. Tja, und was Sesshoumaru angeht... Ich will doch zumindest für ihn hoffen, dass er uns nicht vergisst. Denn sonst muss ich es wohl oder übel in Erwägung ziehen, im Jenseits einen Job als Poltergeist anzunehmen. Und dann werde ich stets persönlich dafür sorgen, dass er keine ruhige Minute mehr haben wird." Sie versuchte die Sache ein wenig mit Humor zu betrachten, auch, weil sie Rin natürlich nicht eventuell noch mehr verunsichern wollte.

Poltergeist... Das war mal wieder so eine typische Antwort von Kimie gewesen. Und Sesshoumaru konnte es sich sogar sehr gut vorstellen, dass sie diese "Drohung" allzu gerne wahr machen würde.

Kimie allerdings war im Nachhinein zugegebenermaßen schon etwas verblüfft. Obwohl Rin noch ein Kind war, hieß das in ihrem Fall offenbar noch lange nicht, dass man sich mit ihr nicht auch über ernste Themen unterhalten konnte, wenn natürlich auch in einem gewissen Maße.

"Manchmal träume ich heute noch davon, was damals passiert ist", sprach Rin nach einer kurzen Pause weiter. "Aber trotzdem... Seit ich Sesshoumaru-sama getroffen habe, ist wieder alles gut!"

"Du hast ihn wohl von Anfang an sehr gemocht, was?", fragte Kimie leicht lächelnd.

Das kleine Mädchen nickte. "Er war noch nie wütend auf mich oder hat mit mir geschimpft. Das war seit dem Tod meiner Familie mit den Leuten in dem Dorf, in dem ich lebte, noch anders. Oft hat da jemand mit mir geschimpft oder mich auch geschlagen. Sesshoumaru-sama würde das nie tun."

Es war schon irgendwie süß, wie Rin so über Sesshoumaru sprach. Bei Kimie erweckte dies sogar kurzzeitig den Eindruck, er könnte glatt ihr Vater sein, wenn er kein Youkai gewesen wäre.

Indes hatte Inuki die ganze Zeit über am Teich im Gras gelegen und dem Gespräch als stiller Zuhörer beigewohnt. Aber irgendwann bemerkte er, dass noch jemand anwesend war. Er hob seinen Kopf und wurde auf Sesshoumaru aufmerksam, der gerade den Garten betrat. Als Rin ihn entdeckte, lief sie sofort auf ihn zu. "Sesshoumaru-sama!"

Fast schon überschwänglich begrüßte sie ihn, als hätte sie ihn mehrere Tage lang nicht gesehen, aber es war doch niedlich anzuschauen gewesen. Behutsam legte Sesshoumaru dem kleinen Mädchen eine Hand auf den Kopf. "Es wird dunkel. Ihr solltet nicht länger draußen bleiben." Wenn er so etwas sagte, klang es meist mehr wie eine Anweisung, als etwa eine gewöhnliche Aufforderung, dennoch nickte Rin lächelnd und eilte bereits auf die Tür zu. Inuki folgte ihr dicht, und kaum, dass die beiden hinter der Tür verschwunden war, wandte sich Kimie an Sesshoumaru: "Woher kommt auf einmal diese fürsorgliche Ader? Es ist doch irgendwie ungewohnt, dass du sie so offen zeigst. Hm?" Als sie seinen doch recht nachdenklich Blick bemerkte, mit welchem er zur Tür sah, wurde sie stutzig. "Hast du was?"

"Nein. Es ist nichts", antwortete Sesshoumaru ohne weiteres, aber dennoch wirkte er auf Kimie etwas anders als sonst.

"Du siehst irgendwie etwas mitgenommen aus. Geht's dir nicht gut?", fragte sie von daher leicht besorgt.

Doch auch diesmal winkte er ab. "Nein. Ich habe nur eben über etwas nachgedacht, aber es ist nichts weiter."

"Hm..." Kimie wollte Sesshoumaru nicht nerven, deshalb unterließ sie es, ihn etwa noch weiter auszufragen, obwohl sie noch immer nicht schlauer war als vorher. Stattdessen kam sie kurz darauf auf etwas anderes zu sprechen, was sie ihn eigentlich schon den ganzen Tag über hatte fragen wollen, bisher aber irgendwie nicht dazu gekommen war: "Ich habe übrigens mitbekommen, dass Ashitaka wieder da ist. Hast du schon mit ihm gesprochen?"

Sesshoumaru wandte sich ihr zu um. "Nein, aber Sakura konnte heute Nacht kurz mit ihm reden, als er ins Schloss zurückkam. Allerdings weiß sie auch nicht, wo er gewesen ist."

"Und... wie geht es ihm?"

"Nicht allzu gut, aber das habe ich auch nicht erwartet." Sesshoumarus Gesichtsausdruck wurde wieder etwas ernster. "Das ist eine seiner Schwächen. Er lässt sich viel zu leicht von Gefühlen überwältigen und das beeinträchtigt sein Handlungs- und Denkvermögen. Andernfalls wäre er gestern nicht so überstürzt verschwunden."

"Nimmst du ihm das etwa übel?", fragte Kimie schon fast ein wenig vorwurfsvoll. "Ich meine, immerhin ist sein bester Freund gestorben. Lässt dich diese Sache etwa vollkommen kalt?"

"Das habe ich nicht gesagt", erwiderte Sesshoumaru ohne dabei aber wirklich auf ihre Frage geantwortet zu haben.

"Vielleicht nicht, aber es kam gerade so rüber", meinte Kimie etwas kleinlaut. Dabei wollte sie ihm jedoch nicht etwa Schuldgefühle einreden oder dergleichen.

In Anbetracht der Tatsache, dass Sesshoumaru ohnehin mehr der Typ war, der seine Gefühlsregungen nicht oder nur sehr selten zeigte, unterließ sie es nun allerdings, bezüglich dieses Themas noch weiter auf ihn einzureden. Das hätte sie wohl ohnehin nicht tun können, denn plötzlich hörten sie und Sesshoumaru die Stimme von Rin rufen: "Sesshoumaru-sama! Kimie-san! Wo bleibt ihr denn?" Das kleine Mädchen lugte mit dem Kopf aus einem Spalt hinter der Tür hervor und schaute abwartend zu den beiden rüber.

Kimie warf einen kurzen Blick auf Sesshoumaru, der ihr mit einem Nicken verdeutlichte, dass sie jetzt wohl besser auch wieder ins Schloss gehen sollten.

"Das eben war nicht so gemeint", sagte sie noch, ohne ihm zu folgen. "Versteh mich bitte nicht falsch, ja?"

Er blieb stehen und drehte sich leicht zu ihr um. "Mach dir darum keine Sorgen. Ich kenne dich und deine Art zu denken schließlich mittlerweile gut genug. Komm."

Sie nickte einmal und kam dann auf ihn zu.
 

Leere… Das war alles gewesen, was Miyuki im Moment fühlte. Die Trauer war noch allgegenwärtig, aber dieses beklemmende, leere Gefühl in ihrem Herzen spürte sie jetzt noch viel deutlicher als noch am Abend zuvor. Wie sie die letzte Nacht und den Tag überstanden hatte, wusste sie selbst nicht mehr. Geschlafen hatte sie die ganze Zeit über nicht, sondern einfach nur so in ihrem Zimmer gesessen, sich ihren Gedanken und Erinnerungen hingegeben. Vater und Mutter hatte sie schon sehr früh verloren. Beide starben in einer der zahlreichen Auseinandersetzungen mit feindlichen Youkai, kurz nach dem Tod von Inu no Taishou. Denn mit dem Ableben des großen Daiyoukai des Westens und dem Fortgehen seines Sohnes hatten viele niedere aber auch sehr mächtige Youkai ihre Chance sofort beim Schopfe ergriffen und wollten den zu diesem Zeitpunkt führerlosen Clan der Inu-Youai vernichten, um sich anschließend die westlichen Länder anzueignen. Ein Kampf folgte dem nächsten. Zwar hatten die Feinde immer wieder zurückgeschlagen werden können, aber jede weitere Schlacht forderte immer neue Opfer. Auch Tôya hatte damals stets an der Seite seiner Kameraden mitgekämpft, doch war er dabei immer ohne schwere Verletzungen davongekommen. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, sich um Miyuki zu kümmern, und ihr dabei praktisch noch Vater und Mutter ersetzt. Tôya selbst befand sich zu dieser Zeit längst im erwachsenen Alter, von daher konnte er der Verantwortung durchaus gerecht werden und das wurde er auch. Er war stets der Einzige gewesen, zu dem Miyuki immer hatte gehen können. Immer war er für sie da gewesen, und jetzt... Es war alles auf einen Schlag vorbei. Jetzt war sie ganz allein...

"Nii-sama..." Miyuki zog ihre Beine eng an ihren Körper und vergrub ihr Gesicht in ihren Armen. Sie konnte es nicht vermeiden, dass sie ein weiteres Mal durch ihr eigenes Schluchzen zu zittern begann...

Abrupt schreckte Miyuki hoch, als sie ein zaghaftes Klopfen an ihrer Tür vernahm und eine Stimme, die zögerlich zu sprechen begann: "Miyuki-chan? Kann ich reinkommen?"

>Ashitaka...< Miyuki wischte sich die Tränen aus den Augen. "Ja, komm rein..."

Nach dieser Aufforderung öffnete Ashitaka die Tür und betrat den Raum. Er sah sofort, dass Miyuki geweint hatte, und fühlte sich gleich wieder um einiges schlechter. Trotzdem versuchte er, möglichst gefasst zu wirken, als er auf sie zukam. "Darf ich... mich zu dir setzen?"

Miyuki nickte nur stumm, ohne Ashitaka dabei anzusehen. Auch, als er sich setzte, schaute sie nicht auf.

Ashitaka zögerte. Eigentlich war er hergekommen, um mit Miyuki zu sprechen, aber wie sollte er jetzt am besten anfangen?

"Ich hätte bei ihm sein sollen...", sagte Miyuki plötzlich leise und riss Ashitaka wieder aus seinen Gedanken. Ihm war gleich klar gewesen, was sie gemeint hatte.

"Rede nicht so", entgegnete er ruhig. "Du hättest nichts tun können."

"Darum geht es doch gar nicht!", widersprach Miyuki nunmehr energischer und schaute Ashitaka diesmal direkt an. "Ich hätte trotzdem bei ihm sein sollen! Nii-sama war ganz allein, als er..." Sie stoppte. Sie konnte es einfach nicht aussprechen, weil sie es einfach noch immer nicht so wirklich wahrhaben wollte. Als sie abermals ihren Blick senkte, verbargen ihre Haare ihr Gesicht. "Das ist so ungerecht..."

Es war nur ein Flüstern gewesen, aber Ashitaka hatte sie genau verstanden. Ja, es war ungerecht, aber was sollten sie dagegen tun? Sie konnten nichts machen.

"Nein", ergriff Ashitaka mit einem Mal das Wort. "Nicht du hättest da sein sollen. Vielmehr hätte ich da bleiben und ich hätte auch zusammen mit Tôya kämpfen sollen. Aber ich bin geflohen... Du hattest schon Recht, als du mir deswegen Vorwürfe gemacht hast, warum ich nicht bei ihm geblieben bin." Obwohl Tôya ihn und die anderen ausdrücklich darum gebeten hatte, zu gehen, fühlte sich Ashitaka trotzdem wie ein Feigling, der davongelaufen war. Der Gedanke, dass er eventuell hätte helfen und somit Schlimmeres hätte verhindern können, machte ihn fast wahnsinnig.

Auf seine letzte Aussage hin hatte Miyuki wiederum aufgeschaut. Zuerst wirkte sie etwas erschrocken, doch dann nahm ihr Blick einen reumütigen Ausdruck an. "Das wegen gestern... Es tut mir Leid, das war nicht so gemeint."

Aber Ashitaka schüttelte den Kopf. "Du musst dich nicht entschuldigen. Ich verstehe dich und mache dir keine Vorwürfe."

"Hm..."

Wieder herrschte Schweigen.

"Und... was hast du jetzt vor?", fragte Miyuki nach einer Weile vorsichtig. "Ich meine, was willst du tun?"

Ashitaka antwortete nicht sofort, obwohl ihm klar war, was sie gemeint hatte. Es ging darum, ob und wie er sich noch weiter an diesem Kampf beteiligen wollte.

"Ich werde kämpfen", antwortete er mit einem Mal. "Wenn es so weit ist, dann werde ich wieder kämpfen. Noch einmal laufe ich nicht weg!" Und in der Tat war Ashitaka fest entschlossen, sich nicht länger gehen zu lassen. Das konnte er sich zudem auch gar nicht leisten.

Miyuki jedoch wirkte sehr erschrocken. Zwar hatte sie in gewisser Hinsicht schon mit so etwas gerechnet, aber trotzdem überkam sie mit einem Mal wieder diese Angst.

"Nein! Du darfst nicht kämpfen!", rief sie plötzlich verzweifelt aus und klammerte sich an ihn. "Bitte kämpfe nicht! Du darfst nicht weiterkämpfen! Bitte tu es nicht!!"

"Miyuki-chan...?" Ashitaka war so überrumpelt gewesen, dass er gar nicht wusste, wie er reagieren sollte.

"Ich will nicht, dass du weiterkämpfst!", beharrte Miyuki indes mit tränenerstickter Stimme hartnäckig weiter, ohne ihn dabei loszulassen. "Was interessiert es dich denn überhaupt, was damals passiert ist? Genau wie Nii-sama hast du damit doch eigentlich überhaupt nichts zu tun! Und ich will auch nicht, dass es dir am Ende genau so ergeht wie ihm!" Ihre Hände, mit denen sie Ashitaka an den Oberarmen festhielt, begannen leicht zu zittern. "Das ist so schrecklich...", flüsterte sie. "Ich könnte das einfach nicht ertragen. Ich will das nicht... Ich will das nicht!"

"Miyuki-chan..." Gerne hätte Ashitaka sie ein wenig beruhigt, aber er wusste nicht, was er ihr hätte sagen können. Was wäre der Situation gerecht geworden?

Es war schließlich Miyuki, die weiter sprach: "Ich habe Angst, dass du wirklich nicht wieder zurückkommst. Ich... weiß nicht, ob du es weißt, aber... ich mag dich nämlich sehr. Nicht nur als guten Freund..." Ohne eine Reaktion von seiner Seite abzuwarten, ließ sie wieder von ihm ab, ehe sie leise fortfuhr: "Ich kann mich zwar nicht mehr an dich erinnern, als du die westlichen Länder zum ersten Mal verlassen hast. Aber als du vor einem Jahr zurückgekommen bist, hatte ich von Anfang an irgendwie das Gefühl, dass... Na ja... Ich meine, ich... Ich habe mich schon damals in dich verliebt... aber... ich habe mich bisher nicht getraut, dir etwas davon zu sagen. Und diese Sache letztens am Teich war nur... Du hast mich immer nur als ein kleines Mädchen bezeichnet und deshalb..." Miyuki stoppte. Je länger sie sprach, umso mehr hatte sie das Gefühl, dass nur Unsinn dabei herauskam. Und dass sie ausgerechnet jetzt mit einer Liebeserklärung ankam... Zögerlich hob sie ihren Blick, um anhand von Ashitakas Gesichtsausdruck seine Reaktion abschätzen zu können. "Ähm... Stört dich das, was ich dir eben gesagt habe?"

Ashitaka schüttelte mit einem leichten Lächeln den Kopf. "Nicht doch! Überhaupt nicht! Im Gegenteil, ich fühle mich sehr geschmeichelt." Aber er war doch etwas überrascht gewesen. Zwar hatte er sich immer wieder mal seine Späße mit Miyuki erlaubt und sie mit der Behauptung aufgezogen, sie wäre in ihn verliebt, aber das dem wirklich so gewesen war...

"Ich habe Angst...", sagte sie nach einer kurzen Pause und schaute zu Boden. "Ich will nicht, dass dir das Gleiche passiert, wie Nii-sama. Ich will dich nicht auch noch verlieren, Ashitaka! Sonst... sonst bin ich am Ende wirklich ganz allein. Ich habe doch sonst niemanden mehr..." Ihre Hände, die auf ihrem Schoß ruhten, zitterten leicht. Das hörte erst auf, als Ashitaka seine rechte Hand beruhigend auf ihre legte.

"Miyuki-chan. Hilft es dir, wenn ich dir hoch und heilig etwas verspreche?" Als sie seinen Blick wieder hob und ihn ansah, sprach er weiter: "Wenn dieser Kampf vorbei ist, werde ich dir auf das, was du mir gesagt hast, eine Antwort geben. In Ordnung? Das heißt ja schließlich auch, dass ich am Leben bleiben muss, sonst kann ich dir ja wohl schlecht antworten."

"Ashitaka..."

Da war er wieder gewesen, dieser leichte Funken von seiner gelassenen Art, obwohl man ihm insbesondere bei der folgenden Aussage die Ernsthaftigkeit anmerkte: "Und außerdem bin ich es Tôya schuldig, dass ich auf dich aufpasse. Ein weiterer Grund für mich, in den Kampf zu ziehen. Denn erst, wenn die Gefahr gebannt ist, ist es hier wieder sicher. Auch für dich. Wie sieht's aus? Ist das okay?"

Miyuki zögerte anfangs, nickte dann aber schwach, ehe sie sich von Ashitaka tröstend in den Arm nehmen ließ. >Bitte, Ashitaka... halte dein Versprechen.<
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Eine Woche verging. Weitere Konfrontationen mit den Ryû-Youkai blieben während dieser Zeit aus. Ob der Feind sich auf den entscheidenden Schlag vorbereitete und sich deshalb so ruhig verhielt? Zudem war Kakeru noch immer nicht ins Schloss zurückgekehrt.

"Ich mache mir Sorgen", sagte Kimie, als sie zusammen mit Sesshoumaru auf der Veranda vor seinen Privaträumen stand. "Ob ihm doch etwas passiert ist? Was meinst du?"

Doch Sesshoumaru schien ihre Sorgen nicht zu teilen. "Ich sagte dir doch, Kakeru weiß, wann er sich wie zu verhalten hat. Zerbrich dir nicht zu sehr den Kopf."

"Aber es ist bereits eine Woche vergangen", gab sie zu bedenken. "Du hast doch sogar selbst zugegeben, dass er dir gegenüber keinerlei Angaben darüber gemacht hat, was er vor hat und wohin er überhaupt gegangen ist. Wir haben keine Nachricht erhalten, nicht mal das kleinste Lebenszeichen. Hältst du es denn nicht für möglich, dass er eventuell von den Ryû-Youkai angegriffen wurde?" Wenn diese Befürchtung der Wahrheit entsprach, Kimie wollte sich in diesem Fall lieber nicht ausmalen, was unter diesen Umständen mit Kakeru geschehen war, und schon gar nicht nach dieser Geschichte mit Tôya. Vielleicht hatten die Ryû-Youkai ihn gefangen genommen, wenn sie ihn nicht auch schon getötet hatten.

"Wenn ihm etwas zugestoßen wäre, hätten wir es erfahren", entgegnete Sesshoumaru nach einem Augenblick. "Mach dir keine Sorgen. Kakeru konnte Situationen immer sehr gut einschätzen und dementsprechend handeln. Er begibt sich nicht in unnötige Gefahr."

Aber Kimie war nach wie vor etwas unschlüssig. So recht wollte dieses merkwürdige Gefühl nicht von ihr weichen, doch schließlich nickte sie. "Na gut, wenn du meinst..."
 

Gut zwei Stunden später hatte sich Kimie mit Kagome, Inu Yasha und den anderen vor dem kleinen, überdachten Gebäude zusammengesetzt, der Ah-Un und Toutousais Ochsen als Unterstand diente.

"Es ist schon eine Woche her...", bemerkte Sango nachdenklich. "Ich kann immer noch nicht so recht glauben, was eigentlich passiert ist."

"Zumindest scheint es Miyuki-chan und Ashitaka-kun wieder etwas besser zu gehen. Aber natürlich scheinen sie noch nicht darüber hinweg zu sein", meinte Kagome, wenn auch mit einem nach wie vor bedrückten Unterton in der Stimme.

Miroku schaute leicht zu Boden. "Das kann man wohl auch nicht unbedingt von ihnen erwarten. Schließlich sind die Erinnerungen noch immer frisch."

"Und was ist mit Sesshoumaru?", fragte Inu Yasha, wobei er sich weitestgehend an Kimie gewandt hatte. "Hat er noch irgendetwas gesagt? Zum Beispiel darüber, wo Kakeru abgeblieben ist?"

Doch Kimie schüttelte den Kopf. "Nein. Ich habe ihn zwar darauf angesprochen, dass ich mir Sorgen um Kakeru mache, aber Sesshoumaru scheint es dabei nicht genau so zu gehen."

"Tse! Typisch!" Der Hanyou verschränkte die Arme vor der Brust. "Das passt mal wieder zu ihm! Dem geht wohl alles am Arsch vorbei."

"Inu Yasha!", sprach Kagome ihn sofort mahnend mit seinem Namen an, aber Inu Yasha blickte sie nur ungerührt an.

"Was denn? Es stimmt doch, Kagome! Oder hast du bei Sesshoumaru auch nur irgendeine Spur von Bedauern entdecken können, als er das mit Tôya erfahren hat? Er hat sich ja nicht mal die Mühe gemacht, seinen Körper zu suchen, um eventuell mit Tenseiga noch etwas tun zu können."

Zugegeben, da war was Wahres dran gewesen. Diese Frage stellte sich nach dieser Bemerkung so ziemlich jeder in der Gruppe. Nur zwei schienen sich davon zu distanzieren, und zwar Toutousai und Myouga. Letzterer, hatte die ganze Zeit auf Inu Yashas Schulter gesessen und mischte sich nun in das Gespräch ein: "Sprecht nicht so abfällig, Inu Yasha-sama! Sesshoumaru-sama hatte seine guten Gründe, weshalb er nichts unternommen hat."

Ungläubig starrte der Hanyou den Flohgeist an. "Gute Gründe?! Du willst mich wohl verarschen, Myouga-jijii!? Was soll er denn bitte für Gründe gehabt haben, he?"

Bevor Myouga aber etwas auf diese aggressive Frage hatte antworten können, wandte sich Kimie mit deutlich ruhigerer Stimme an ihn: "Aber Inu Yasha hat schon Recht. Im Ernst jetzt, Myouga, warum hat Sesshoumaru es nicht in Erwägung gezogen, dass er Tôya mit Tenseigas Hilfe wieder hätte lebendig machen können? Ich meine, wenn sein Körper erhalten geblieben ist, dann hätte er doch bestimmt..." Doch als Myouga nur bedrückt den Kopf zu schütteln begann, verstummte sie sogleich wieder.

"Nein. Das wäre nicht möglich gewesen", entgegnete der Flohgeist. "Um jemanden mit Tenseiga wieder zum Leben zu erwecken, reicht es nicht, wenn der Körper eines Toten erhalten bleibt. Es darf zudem seit dem Zeitpunkt des Todes nicht allzu viel Zeit vergangen sein, und selbst, wenn Tôya-samas Körper hier hergebracht worden wäre, es hätte nichts genützt."

"Oh..." Kimie senkte den Blick, und auch Inu Yasha schwieg nun. Er hatte verstanden und sagte dementsprechend nichts mehr zu diesem Thema.

"Wer weiß, vielleicht ist Kakeru-sama deshalb fort gegangen, um Tôyas Körper wenigstens angemessen zu bestatten", vermutete Miroku nach einem Moment. Der Gedanke war zwar nachvollziehbar gewesen, aber bei genauerer Überlegung kamen wiederum die Fragen hoch, weshalb Kakeru noch immer nicht zurückgekehrt und warum er überhaupt allein gegangen war. Je mehr Vermutungen es gab, umso mehr schienen sich auch die Fragen und Widersprüche zu häufen.

"Wir können nichts tun, außer abwarten", sagte Toutousai schließlich, ehe er etwas zum Himmel hinaufsah. "Noch ist es ruhig, aber ich denke, es dauert nicht mehr lange, dann beginnt der entscheidende Kampf. Es ist, als würde sich die Geschichte, die sich vor 1000 Jahren ereignet hat, nun wiederholen. Wie es wohl diesmal ausgehen wird...?"

"Wie schon? Wir mähen diese ganze Meute von Lederhäuten nieder!", verkündete Inu Yasha entschlossen. "Dieser Akuma und sein Drachenpack sollen sich warm anziehen!"

"Sofern Sesshoumaru uns überhaupt mitkämpfen lässt", warf Shippou ein. "Ich meine, Kimie hat er es ja wohl verboten, und es ist wohl mehr als klar, dass er Rin da auch raushalten wird."

"Nun, ich bezweifle, dass sich seine Fürsorge in der Hinsicht auch auf uns übertragen lässt...", meinte Miroku trocken und erntete von so ziemlich allen Seiten befürwortendes Nicken.

"Aber er könnte es uns verbieten", warf Kagome ein. "Immerhin wollte er es uns letztens sogar untersagen, dass wir uns noch einmal in diesen Kampf einmischen."

"Pah! Mir doch egal, was der entscheidet! Ich kämpfe auf jeden Fall!", stellte Inu Yasha unbeirrt klar.

"Was anderes hätte uns auch sehr gewundert", kommentierte Sango mit einem leichten Lächeln.

"Ach! Das ist doch Mist!", maulte hingegen Kimie mit einem Mal auf. "Ich meine, während ihr euch alle in Gefahr begebt, soll ich hier dumm herumsitzen? Das ist doch nicht fair!"

Inu Yasha stützte den Kopf auf die linke Hand. "Hör doch einfach nicht auf Sesshoumaru. Wäre ja schließlich nicht das erste Mal, dass du das machen würdest."

"Guter Einwand... Nur würden wir uns dann wohl nur wieder streiten...", entgegnete Kimie trocken.

"Da würde ich mir an deiner Stelle nicht allzu große Gedanken machen", meinte Shippou nun. "Immerhin streiten Kagome und Inu Yasha auch oft genug miteinander, aber trotzdem raffen sie sich am Ende immer wieder zusammen."

"Shippou-chan..." Kagome seufzte leise auf. Für einen Augenblick ging gar ein kurzes Kichern durch die Runde, als wäre wenigstens für jetzt die gewohnte Normalität innerhalb der Gruppe wieder zurückgekehrt. Aber normal war hier in Wahrheit schon lange nichts mehr...
 

Auf einem kleinen Hügel etwas abseits der Schlossmauern saß Miyuki im Schatten der sich im sanften Wind wiegenden Blätter eines Baumes und gab sich ihren Gedanken hin. Früher war sie öfters mit Tôya hier gewesen. Mit diesem Ort verband sie viele schöne Erinnerungen. Oft hatten die beiden stundenlang hier gesessen und miteinander geredet. Und wenn Miyuki mal traurig gewesen war und sich hierher geflüchtet hatte, hatte ihr Bruder sie immer aufgesucht und ihr Trost gespendet.

>Nii-sama... Ich vermisse dich so. Warum musste das passieren...? Warum musstest du nur sterben?<

Miyuki konnte es nicht verhindern, dass eine einzelne Träne über ihre Wange lief, obwohl sie sich die ganze Zeit darum bemüht hatte, nicht mehr zu weinen. Zusätzlich zu ihrer noch andauernden Traue kam die Angst um Ashitaka. Nach wie vor wollte Miyuki nicht, dass er weiterkämpfte, aber ebenso bewusst war ihr auch, dass sie ihn wohl nicht davon abhalten konnte. Sie hoffte nur darauf, dass er sich an sein Versprechen halten würde, sofern es in seiner Macht stand, und dass er sich nicht unnötig in Gefahr begeben würde.

Plötzlich wurde Miyuki aus ihren Gedanken herausgerissen, als sie die Anwesenheit einer fremden Person wahrnahm. Kaum, dass sie den Blick leicht nach hinten umgewandt hatte, sah sie schon diesen Feuerstrahl direkt auf sich zukommen. Ein beherzter Sprung verhinderte Schlimmeres und als das Feuer auf den Boden traf, loderte es sogleich in unheilvoller Größe auf. Der Rauch löste bei Miyuki sogleich einen Hustenreiz aus, doch glücklicherweise verschwand das Feuer bereits nach wenigen Augenblicken genau so überraschend wie es zuvor aufgelodert war.

>Feuermagie!?<, schoss es Miyuki sofort durch den Kopf. Es war ihr gleich klar, dass sie jemand böswillig angegriffen hatte und dieser Jemand kam kurz darauf hinter einer noch leichten Wand aus Rauch zum Vorschein. Ein Blick genügte und Miyuki hatte ihren Feind erkannt. "Du bist doch Rokou! Was soll das? Warum greifst du mich an? Was willst du?"

Mit eiskalter Miene schulterte Rokou sein Naginata, dessen Klinge im Sonnenlicht kurz aufblitzte. "Ich bin hier, um mich zu rächen!"

"Rächen? Aber wofür denn?"

"Für den Tod meines Bruders, den DEIN Bruder zu verantworten hat!" Rokou deutete mit der Klinge seiner Waffe auf das Dämonenmädchen, welches zögerlich einen Schritt zurückwich. Zuerst war Miyuki ziemlich überrumpelt, hatten zuvor weder sie noch die anderen erfahren, dass auch Toba tot war. Aber was genau wollte Rokou überhaupt von ihr?

Schon beinahe zynisch erwiderte sie auf seine Aussage hin: "Da kann ich dir aber leider nicht weiterhelfen, denn mein Bruder ist bei diesem Kampf ebenfalls gestorben."

"Ich weiß", entgegnete Rokou ungerührt. "Und meine Rache gebührt somit denen, die ihm am nächsten standen." Und ohne ein etwaiges Vorzeichen schoss er auf sie zu.

Zwar hatte Miyuki noch eiligst ihr Schwert gezogen, doch als Rokou nun zuschlug, war dieser Schlag so heftig gewesen, dass ihr einerseits sofort ihr Schwert aus der Hand gerissen und sie selbst zudem mehrere Meter weit weggeschleudert wurde. Unsanft schrammte sie über den Boden. "Au... Mist...!"

Mit bedrohlichen Schritten kam Rokou auf sie zu. "Ich schicke dich zu deinem verfluchten Bruder in die Hölle, du kleines Miststück!"

Doch so einfach wollte Miyuki sich nicht ergeben. Sie griff sich eines ihrer Wurfmesser an ihrer Hüfte und schleuderte es ihrem Feind entgegen. Von Rokous Seite bedurfte es aber nur einem leichten Neigen des Kopfes, um dem Messer auszuweichen.

"Lass es gut sein, Kleine", spottete er. "Akzeptiere einfach dein Schicksal, dann hast du es auch rasch hinter dir."

"Auf keinen Fall! Das kannst du vergessen!", keifte Miyuki entschieden, aber Rokou blieb nach wie vor unbeeindruckt.

"Dein Kampfgeist in allen Ehren, aber nichts desto trotz wirst du scheitern. Gleich ist es vorbei." Er erhob seine Waffe und erzeugte um die Klinge herum einen Feuerwirbel.

Miyuki rutschte auf dem Boden etwas weiter nach hinten, aber entkommen konnte sie auf die Weise auf keinen Fall. Angesichts des drohenden Angriffs und Rokous eiskaltem Blick konnte sie es nicht mehr vermeiden, dass sie nun doch die Angst überkam.

Letztendlich ließ Rokou sein Naginata einmal über seinem Kopf kreisen, sodass die Flammen einen feurigen Kreis erzeugten und ließ die Klinge anschließend mit aller Kraft auf den Boden niedersausen. "Das war's mit dir! Shakunetsu (Glut/Hitze, i. S. v. sengende Hitze)!!"

Reflexartig riss Miyuki die Arme nach oben und stieß einen erschrockenen Schrei aus, als sie das Feuer auf sich zurasen sah. Nur Sekundenbruchteile später war sie gänzlich von den Flammen umhüllt.

Rokou wohnte dem flammenden Inferno in einigen Metern Entfernung bei. "Ich habe es dir doch gleich gesagt, dein Widerstand war zwecklos. Und deine Freunde kommen auch noch an die Reihe. Hm?"

"Hast du noch nie etwas davon gehört, dass es sich für Männer nicht gehört, Mädchen gegenüber gewalttätig zu werden? Das ist nämlich ziemlich erbärmlich."

Also doch! Rokou hatte sich nicht getäuscht, als er plötzlich das Gefühl bekommen hatte, da wäre noch jemand gewesen. Als sich das Feuer kurz darauf wieder gelegt und der Rauch sich verzogen hatte, konnte er erkennen, wie Miyuki nun von Ashitaka auf den Armen getragen wurde. Miyuki selbst schien das Bewusstsein verloren zu haben, denn sie rührte sich in keinster Weise und hatte auch die Augen geschlossen.

>Gerade noch rechtzeitig...<, dachte Ashitaka als er einen Blick auf Miyuki warf. Sie war zwar etwas angeschlagen, aber weitestgehend unverletzt. Noch im letzten Augenblick hatte er einen schützenden Bannkreis errichten können, der Schlimmeres verhindert hatte. Seine Rettungsaktion stieß bei einem anderen aber auf eher wenig Begeisterung.

"Was soll das werden, du Köter? Bist du so begierig darauf, zu sterben?", fragte Rokou abfällig an Ashitaka gerichtet und schaute sich kurz um. "Hm! Zumindest bist du wohl ziemlich mutig, dass du allein hier aufkreuzt. Oder willst du es dir vielleicht doch noch einmal überlegen?"

"Ich bin schon einmal davongelaufen. Noch einmal werde ich nicht fliehen! Und wenn es sein muss, dann werde ich gegen dich kämpfen!", erwiderte Ashitaka aber nur betont, den Blick dabei fest auf seinen Gegner gerichtet. Bevor er sich jedoch dem Kampf stellte, legte er Miyuki im Schatten eines Baumes im Gras ab, sodass ihr Oberkörper an dem Stamm lehnte. Behutsam strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. >Tôya... Dir konnte ich nicht helfen, und was du nun nicht mehr tun kannst, werde ich an deiner Stelle übernehmen. Ich werde Miyuki-chan um jeden Preis beschützen!<

Letztendlich ließ Ashitaka wieder von ihr ab und stellte sich seinem Gegner gegenüber. Um Miyuki durch den bevorstehenden Kampf nicht etwa in Gefahr zu bringen, entschloss er sich dazu, das Ganze in einem "geschützten Bereich" stattfinden zu lassen und legte bei Hände so aneinander, dass die Handflächen nach oben zeigten.

"Ich will die anderen nicht belästigen. Diese Sache machen wir allein unter uns aus", sagte Ashitaka mit für ihn ungewohnt kühler Stimme, ehe sich wenige Sekundenbruchteile später ein Bannkreis wie eine Kuppel über ihn und Rokou aufbaute.

Rokou ließ seinen Blick schweifen. Die Umgebung sah noch genau so aus, wie zuvor, doch war ihm bei genauerer Betrachtung schnell klar gewesen, dass Ashitaka sie beide von der Außenwelt abgeschirmt hatte. Es war ähnlich, wie bei seinem Kampf gegen Inu Yasha und Sesshoumaru auf der anderen Seite des Knochenfresserbrunnens. Keiner würde hier zu ihnen vordringen können. Rokou jedoch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und erhob unbeeindruckt sein Naginata auf Brusthöhe. "Na schön. Dann mach ich dich eben zuerst fertig."

Leben und Tod

Der nur sehr begrenzte Platz, der Ashitaka wegen seines Bannkreises zur Verfügung stand, machte es ihm schwerer, den Angriffen von Rokou auszuweichen oder sie abzuwehren. Zu einem wirklichen Gegenschlag hatte er zudem noch gar nicht ausholen können, denn Rokou schien mit allen nur erdenklichen Mitteln dafür sorgen zu wollen, dass Ashitaka hier nicht mehr lebend herauskam, so verbissen konzentrierte er sich darauf, ihn zu töten.

"Du kannst nicht ewig davonlaufen! Früher oder später bist du erschöpft und dann werde ich es wahrlich genießen, dich langsam und qualvoll verrecken zu lassen!"

Ashitaka ließ es sich zwar nicht anmerken, aber er wusste nur zu gut, dass Rokou damit Recht gehabt hatte. Ewig konnte er so nicht weitermachen. Entweder, ihm fiel rasch etwas ein oder es wäre wirklich bald vorbei gewesen.

"Genug mit diesen Spielereien. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, mich mit dir abzugeben, Köter!" In einem für ihn günstigen Moment schnellte Rokou direkt auf Ashitaka zu und stieß ihn mit dem Stab seines Naginatas gegen einen nahe stehenden Baum. Anschließend schleuderte er ihm mit seiner freien linken Hand fünf kleine, aus Feuer bestehende Geschosse entgegen. Ashitaka wurde an verschiedenen Stellen seines Körpers getroffen. Drei bohrten sich im Bereich seines Oberkörpers in seine linke Schulter und in seine Brust, die beiden anderen trafen ihn jeweils einmal im Baum und ins rechten Bein. Zischend lösten sich die feurigen Geschosse auf und Ashitaka sank in die Knie. Er hustete und spuckte etwas Blut. Um nicht gänzlich in sich zusammenzusinken, musste er sich mit den Händen auf den Boden abstützen. Wieder hörte er Rokou sprechen: "Idiot! Du hättest dich nicht einmischen dürfen, dann wäre dir dieses erbärmliche Ende erspart geblieben."

Ashitaka hob etwas seinen Blick. Trotz seines schweren Atems rang er sich zu einer Gegenantwort durch: "Mag sein, aber es ist nicht meine Art, tatenlos dabei zuzusehen, wenn ein Mann versucht, einem Mädchen etwas anzutun."

Dieser freche Ausdruck in seinen Augen... Rokou ließ ein warnendes Knurren verlauten, während er so auf Ashitaka herabsah. Dieser Kerl hatte offenbar noch immer genug Kraft, um sich über ihn lustig zu machen. Aber das würde nicht mehr lange der Fall sein.

"Hm! Im Grunde kann es mir auch egal sein", meinte Rokou kaltschnäuzig. "Ob ich nun einen oder zwei von deiner Rasse zur Strecke bringe, ist unwichtig, denn dein Clan ist ohnehin dem Untergang geweiht! Und so gesehen, mache ich halt bei dir den Anfang!" Er erhob sein Naginata, um dessen Klinge sich ein feuriger Ring bildete, ehe er die Waffe kraftvoll auf den Boden niedersausen ließ. "Shakunetsu!!" (Die Attacke von Kyoura aus dem 4. Movie heißt übrigens "Shakunetsuchou" (Vogelsglut). Man beachte den kleinen, aber feinen Unterschied. XD)
 

Miyukis Kopf schmerzte ein wenig, als sie langsam wieder zu Bewusstsein kam und ihre Augen etwas öffnete. Was war passiert? Hatte sie geträumt? Nein, das war kein Traum gewesen! Dieser Rokou hatte sie vorhin angegriffen, aber wo war er jetzt?

Als Miyuki kurz zur Seite blickte, entdeckte sie diesen Bannkreis. Zuerst war sie sehr erschrocken, doch konnte sie sich denken, was das bedeutete. Ashitaka kämpfte da drinnen gegen Rokou!

Miyuki zwang sich wieder auf die Beine. Hilflos stand sie vor dem Bannkreis. Sie wusste nicht, was sie machen sollte. Sollte sie loslaufen und Hilfe holen? Aber was, wenn Ashitaka in der Zwischenzeit etwas zustieße? Beeinflussen können hätte sie das zwar eh nicht, aber trotzdem war Miyuki vollkommen hin- und hergerissen.

"Was soll ich nur tun? Ich weiß gar nicht, was ich jetzt machen soll..."

Wieder spürte sie diese Ängste in sich hochkommen. Tôya hatte bereits im Kampf gegen Rokous Bruder sein Leben verloren. Sollte Ashitaka das Gleiche bei Rokou widerfahren? Das durfte nicht passieren! Verzweifelt schaute sich Miyuki um. War denn niemand in der Nähe gewesen, der Ashitaka hätte helfen können?

"Hilfe! Hört mich jemand?! Bitte, wir brauchen Hilfe! Jemand muss uns helfen! Bitte!!"
 

Rokous Angriff hatte Ashitaka gerade noch so entrinnen können, aber die Einschränkung durch seine Wunden machte es ihm nun noch schwerer, diesen Kampf zu bestreiten. Aber er durfte nicht unterliegen, denn dann würde Rokou genau da weitermachen, wo er zuvor hatte abbrechen müssen, und Miyuki etwas antun. Das wollte Ashitaka unter allen Umständen verhindern. Und wenn er schon nicht vermeiden konnte, dass Rokou ihn tötete, dann würde er diesen zumindest mit sich nehmen und so an seinem Vorhaben hindern. Zwar würde er dann sein Versprechen gegenüber Miyuki brechen, doch wenn er keine andere Wahl hatte...

Plötzlich horchte Ashitaka auf und sogar Rokou hielt kurzzeitig in seinen Kampfhandlungen inne. Beide konnten ganz eindeutig von draußen Miyukis Stimme verzweifelt um Hilfe rufen hören.

"Hm! Die Kleine scheint ihr Schläfchen schon wieder beendet zu haben", bemerkte Rokou abfällig, ehe er sich wieder seinem Gegner zuwandte. "Aber sie kann rufen, so viel sie will, es wird weder ihr noch dir etwas nützen." Und kaum, dass er den Satz beendet hatte, schnellte er abermals auf Ashitaka zu, doch diesmal griff er ihn nicht von vorne an, sondern platzierte sich hinter ihm und schlug einmal mit seinem Naginata zu. Getroffen ging Ashitaka zu Boden, doch ein kräftiger Ruck an seinem Hinterkopf verhinderte, dass er niederfiel. "Nach deinem heroischen Auftritt vorhin hatte ich eigentlich erwartet, dass du mir etwas mehr Widerstand leisten würdest. Da habe ich dich wohl etwas überschätzt."

So weit ihm das möglich gewesen war, drehte Ashitaka seinen Kopf. Rokou hatte ihn grob an den Haaren gepackt und hielt ihn fest.

"Was soll das alles...?", fragte Ashitaka nach einem Augenblick mit geschwächter, aber dennoch fester Stimme. "Warum kämpfst du so verbissen? Und warum wolltest du ausgerechnet Miyuki-chan etwas antun?"

Mit der Spitze seiner Waffe deutete Rokou auf das Gesicht des Inu-Youkai. "Du weißt es nicht? Hm... Nun, da du ohnehin gleich sterben wirst, bin ich es dir wohl schuldig, dir zumindest das zu erklären, damit du nicht unwissend zur Hölle fährst. Gut, ich sage es dir. Mein Bruder hat gegen ihren Bruder, diesen Tôya gekämpft und wurde von ihm getötet. Deshalb bin ich hier, ich will Rache!" Seine zunächst gefasste Stimme wurde aggressiver. "Die Toten haben keine Chance mehr, sich an denen zu rächen, von denen ihnen ihr Leben genommen wurde. Deshalb erledigen das die Hinterbliebenen für sie und das nennt man Blutrache! Wenn ich dich erst erledigt haben werde, nehme ich mir deine Sippe vor, und anfangen werde ich wie schon anfangs geplant bei deiner kleinen Freundin! Der kleinen Schwester dieses Mistkerls, der meinen Bruder getötet hat! Sie soll leiden und einen qualvollen Tod sterben!"

Das war es also gewesen. Rokou wollte Rache. In gewisser Hinsicht konnte Ashitaka seine Gefühle zwar nachempfinden, aber trotzdem...

"Du... Halte gefälligst Miyuki-chan da raus, hast du gehört?!" Ashitaka wollte sich von Rokous Griff befreien, doch dieser hatte ihn fest in seiner Gewalt. Da fiel sein Blick auf sein Schwert, welches er noch in seiner rechten Hand hielt. Zeitgleich bekam er mit, wie Rokou seinerseits mit seinem Naginata ausholte.

"Reg dich nicht auf. Ich schicke dir die Kleine so rasch wie möglich in die Unterwelt nach. Das wird ja dann fast schon ein Familientreffen."

Ashitaka hatte keine andere Wahl, also führte er eiligst sein Schwert hinter seinen Kopf. Ein Schnitt genügte und er war wieder frei.

"Was zum...?!" Rokou war anfangs nur völlig perplex, als er noch einen gezielten Schlag von Ashitaka kassierte, der ihn um mehrere Meter zurückweichen ließ. "Mistkerl...!" Mit dem Handrücken wischte sich Rokou etwas Blut vom Mund. Mit einer solchen Aktion hatte er wirklich nicht gerechnet. Dass sich Ashitaka selbst die Haare abschneiden würde, um sich von seinem Griff zu befreien.

Ashitaka hatte sich indes auch wieder etwas von seinem Gegner entfernt und war auch wieder auf die Beine gekommen. In seinem Blick sah man die Entschlossenheit. "Auf keinen Fall... Ich werde es auf keinen Fall zulassen, dass du Hand an Miyuki-chan legst!"

"Spiel dich nicht so auf, du Köter!", entgegnete Rokou gereizt. "Du bist ja nicht mal mit ihr verwandt, also tu nicht so, als ob du ihr sonderlich nahe stehen würdest!"

"Du kapierst es einfach nicht, oder? Es mag stimmen, dass wir nicht miteinander blutsverwandt sind, aber seit ich denken kann war Tôya für mich schon immer so was wie ein großer Bruder. Und Miyuki-chan... Sie bedeutet mir mehr, als du es dir womöglich vorstellen kannst!"

"Halt endlich die Klappe! Dein dummes Gequatsche interessiert mich nicht die Bohne! Das Einzige, was ich will ist Blutrache für den Tod meines Bruders, und zwar hier und jetzt!"

Diesmal schwieg Ashitaka. Stattdessen erinnerte er sich nun an etwas aus seiner Vergangenheit. An ein Ereignis, dass er wohl niemals vergessen würde. >Ich weiß, wie du dich fühlen musst... Glaub mir, du bist garantiert nicht der Einzige, der in seinem Leben eine solche Erfahrung gemacht hat. Auch ich habe bereits in der Vergangenheit jemanden verloren...<
 

*~Rückblick~*
 

Ashitaka konnte sich sehr gut an seinen Vater erinnern. Als Bruder von Sesshoumarus Mutter, der Herrin der westlichen Länder, genoss Akira ebenfalls ein sehr hohes Ansehen. Zudem war er wohl einer der zuverlässigsten Gefolgsleute von Inu no Taishou.

Ashitaka ging es im Bezug auf seinen Vater wohl wie den meisten Söhnen. Stets hatte er mit Bewunderung zu ihm aufgesehen und ihm nachgeeifert, um irgendwann so zu sein wie er. Und nicht nur sein Vater, sondern auch Inu no Taishou und Sesshoumaru gehörten mit zu seinen Vorbildern. Besonders, als er noch klein gewesen war.

Akira war besonders im Bezug auf seine Gefährtin und seinem Sohn sehr fürsorglich. Nie hatte Ashitaka es miterlebt, dass er die Beherrschung verloren hätte oder ausfallend geworden wäre. Akira gehörte sogar zu den Youkai, die gegenüber Menschen eher neutral eingestellt waren, als ihnen mit Verachtung und Abfälligkeit zu begegnen. Doch eines Tages, vor gut 200 Jahren, lernte Ashitaka eine andere Seite an seinem Vater kennen...
 

"Eine Menschenfrau?! Das soll doch wohl ein schlechter Scherz sein, Oyakata-sama!?" Fassungslos starrte Akira seinen Herrn an. Was er da eben gehört hatte, konnte doch unmöglich stimmen!?

"Nein, es ist die volle Wahrheit, Akira", entgegnete Inu no Taishou jedoch mit erhabener Ruhe. "Ich liebe diese Frau. Ihr Name ist Izayoi."

Sein Gegenüber schüttelte ungläubig den Kopf. Noch immer glaubte er scheinbar an einen schlechten Scherz.

"Du bist der Bruder der Mutter meines Sohnes, deshalb kann ich von dir nicht verlangen, dass du mich verstehst", fuhr Inu no Taishou nach einer kurzen Pause fort. "Auch erwarte ich nicht, dass du es akzeptierst. Du hast jedes Recht darauf, mich zu verachten. Denn dadurch, dass ich mich in Izayoi verliebt habe, habe ich die Ehre meiner Gefährtin und deiner Schwester verletzt."

"Ihr habt Euch von ihr abgewandt und sie in den Dreck gezogen!", schrie Akira schon fast. "Deshalb ist sie auch fort gegangen, nicht wahr? DAS steckte dahinter!"

Inu no Taishou antwortete zunächst nicht darauf. "Izayoi erwartet von mir ein Kind. Es dauert nicht mehr lange, dann wird sie es zur Welt bringen."

Wie vom Blitz getroffen stand Akira einfach nur da, ehe er nach einem Moment abwertend den Blick von seinem Herrn abwandte. "Oyakata-sama... Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es in unserem Clan schon einmal einen derartigen Fall von Entehrung gegeben hat. Ich würde Euch ohne Umschweife zum Kampf herausfordern, um die Ehre meiner Schwester wieder herzustellen!"

"Doch du tust es nicht."

"Weil ich im Gegensatz zu Euch zu wissen scheine, was 'Verantwortung' bedeutet. Ich will nicht, dass man später mit dem Finger auf meine Gefährtin und meinen Sohn zeigt und sie beide als Familie eines Aufrührers bezichtigt werden!" Und ohne eventuell auf eine Erwiderung zu warten oder selbst noch etwas dazu zu sagen, verließ Akira die Privaträume von Inu no Taishou und schlug nicht gerade zimperlich die Tür hinter sich zu. Auf dem Gang begegnete er vollkommen unerwartet seiner Gefährtin und seinem Sohn. Während Sakura einen recht gefassten Eindruck machte, sah Akira in Ashitakas Gesicht diese Spur von Verwirrung. Sakura schickte ihren Sohn fort, weil sie kurz allein mit ihrem Gefährten sprechen wollte.

Nachdem Ashitaka gegangen war, schaute Akira spürbar verunsichert zu Sakura. "Sakura... Habt ihr beide alles mitbekommen?"

"Es war unmöglich zu überhören gewesen", antwortete sie ruhig, ehe sie nach einer kurzen Pause fortfuhr: "Bitte mach unserem Herrn keine Vorwürfe, Akira. Deine Schwester hat unseren Clan immerhin schon vor einer ganzen Weile verlassen. Sie wusste schon lange Bescheid."

Nach dieser Aussage war Akira sichtlich überrascht. "Woher weißt du davon? Hat sie mit dir gesprochen?"

"Ich sollte dir nichts verraten.", gestand Sakura etwas reumütig. "Sie hat gewusst, wie sehr du dich deswegen aufregen würdest. Deshalb ging sie fort, ohne dir die genauen Gründe gesagt zu haben. Verzeih mir bitte, aber ich musste ihr versprechen, dass ich schweige."

"Und... was ist mit Sesshoumaru-sama?"

"Er stellt sich nicht gegen seinen Vater, aber du weißt ja wie er ist. Einverstanden ist er mit dessen Beziehung zu dieser Menschenfrau natürlich nicht."

Akira schwieg. Noch immer wusste er nicht so recht, was er von alldem halten sollte. Bisher war ihm noch nie zu Ohren gekommen, dass jemand aus seinem Clan mal eine Bindung mit einem Menschen eingegangen wäre. Und dann auch noch ausgerechnet Inu no Taishou!

"Akira?"

"Was? Oh, entschuldige bitte. Ich war in Gedanken."

Sakura schüttelte leicht lächelnd den Kopf. "Schon gut. Ich wollte dich auch eigentlich nur bitten, dir diese Sache nicht allzu sehr zu Herzen zu nehmen, ja? Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan, aber trotzdem..."

Begeistert war er zwar nach wie vor nicht, aber dennoch nickte Akira nach einem Moment kaum merklich. Vielmehr machte er sich im Nachhinein seine Gedanken um Ashitaka, da er nicht abzuschätzen vermochte, wie sehr ihn dieser Zwischenfall eben geprägt haben könnte. Ashitaka war schließlich noch sehr jung, da konnte es leicht passieren, dass er einiges falsch verstehen würde. Vielleicht vermutete er gar, sein Vater wollte sich gegen Inu no Taishou stellen, doch das hätte Akira nie getan, obwohl er sich eben noch so aufgeregt hatte.

"Mach dir wegen Ashitaka keine allzu großen Sorgen", sprach Sakura ihren Gefährten schließlich an, als hätte sie anhand seines besorgten Gesichtsausdrucks seine Gedanken gelesen. "Vielleicht mag er sich ein wenig erschrocken haben, aber so leicht lässt er sich nicht beeinflussen. Du kennst ihn doch."

"Ja, aber trotzdem hätte ich es gerne vermieden, dass er etwas mitbekommt. Ich hätte mich besser unter Kontrolle halten sollen." Akira fuhr sich einmal mit der Hand durchs offene Haar. "Kümmerst du dich bitte um ihn, Sakura? Ich würde gerne ein wenig über all das nachdenken."

"Natürlich."

"Danke." Akira gab Sakura einen sanften Kuss, dann verabschiedete er sich von ihr. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch keiner von beiden, dass dies das letzte Gespräch zwischen ihnen gewesen sein sollte...
 

Akira verließ das Schloss mit unbekanntem Ziel. Ashitaka hatte ihn dabei beobachtet und war ihm heimlich gefolgt. Er hatte spürbare Mühe dabei gehabt, seinem Vater auf den Fersen zu bleiben, aber selbst, wenn er ihn mal kurz aus den Augen verloren hatte, hatte er ihn kurz darauf immer wieder entdeckt.

Als er irgendwann eine mit Gras bedeckte Ebene erreichte, blieb Akira stehen. Er hatte sich schon ziemlich weit vom Schloss entfernt, aber das sollte ihm nur recht sein. So war es zumindest relativ unwahrscheinlich gewesen, dass er hier jemandem aus seinem Clan begegnen würde. Zumindest in der Theorie...

"Vater?"

Akira horchte überrascht auf und drehte sich um. "Ashitaka! Was machst du hier? Bist du mir etwa gefolgt?"

Ein wenig unsicher nickte Ashitaka. "Bist du... deswegen jetzt böse auf mich?"

Sein Vater war nach dieser Frage doch ein wenig erschrocken gewesen. "Wie kommst du darauf? Ich bin doch nicht böse auf dich." Akira ging auf seinen Sohn zu und kniete sich zu ihm auf den Boden. Dabei musste er allerdings schon etwas hoch schauen, denn so klein war Ashitaka schließlich nicht mehr gewesen. "Es tut mir Leid, mein Sohn. Ich wollte nicht, dass du das mitbekommst. Ich meine das zwischen deinem Onkel und mir."

"Was ist denn eigentlich genau passiert?"

Akira schüttelte leicht den Kopf. "Es ist ein wenig kompliziert. Aber nichts desto trotz hätte ich mich ihm gegenüber nicht so verhalten dürfen. Ich werde mich später bei ihm entschuldigen."

"Ich glaube nicht, dass er wütend auf dich ist", meinte Ashitaka.

Auf Akiras Gesicht erschien ein Lächeln. Gerade wollte er etwas erwidern, da hörte er dieses verdächtige Geräusch. Auch Ashitaka hatte es wahrgenommen.

Langsam richtete sich Akira wieder auf. "Ashitaka, du solltest jetzt besser gehen", wies er seinen Sohn nun mit ungewohnt ernster Stimme an. Etwas war hier faul gewesen, er konnte es genau spüren.

Ashitaka jedoch war sich unsicher darin, was er tun sollte. "Warum? Was ist denn los?"

"Stell keine Fragen! Beeil dich lieber und geh!"

In diesem Moment hörte man ganz in der Nähe das laute Brüllen eines Dämons. Er war schon ganz nahe.

"Ashitaka, geh endlich, bevor er hier auftaucht!"

"Und was machst du?"

"Ich werde ihn aufhalten." Entschlossen zog Akira sein Schwert. Dabei wandte er sich noch mal an seinen Sohn. "Steh hier nicht so rum! Geh schon! Beeil dich!!"

"Aber ich..."

"Bitte, Ashitaka..." Akiras Stimme war wieder ruhiger geworden, aber dafür nicht minder eindringlich. "Du bist mein einziger Sohn. Ich will nicht, dass dir etwas zustößt. Also geh! Ich komme nach, sobald ich diesen Dämon getötet habe."

"Versprichst du es?"

Akira schaute seinen Sohn zunächst nur stumm an, doch dann antwortete er mit einem kaum merklichen Lächeln: "Ja."
 

*~Rückblick Ende~*
 

>Vater...<

Das war das letzte Mal gewesen, dass Ashitaka seinen Vater lebend gesehen hatte. Er starb kurz darauf im Kampf gegen den feindlichen Dämon, den er zuvor noch hatte töten können. Es hatte sich dabei um einen zweiköpfigen Schlangendämon gehandelt, der sein Territorium verlassen hatte und stattdessen in das westliche Gebiet eingedrungen war. Die Nachricht über Akiras Tod hatte das Schloss schon kurz darauf erreicht, aber trotzdem hatte Ashitaka noch die nächsten Tage darauf gewartet, dass sein Vater wieder zurückkam. Er hatte nicht glauben wollen, was alle anderen erzählten. Aber irgendwann hatte er endgültig begriffen, dass sein Vater nie wieder zurückkommen würde.

Ashitaka schloss kurz die Augen, als wollte er damit die Bilder aus der Vergangenheit wieder aus seinem Gedächtnis verbannen. Als er erfuhr, dass Tôya tot war... Das war das zweite Mal, dass er dieses Gefühl verspürt hatte. Es war, als wäre ihm bei lebendigem Leibe das Herz rausgerissen worden. Es war, als wäre auch das eigene Leben auf einen Schlag vorbei gewesen...

Ashitaka schaute wieder auf und blickte Rokou ernst ins Gesicht. "Ich verstehe dich und die Gründe für dein Handeln, das kannst du mir gerne glauben. Aber was du vor hast, bringt dir überhaupt nichts. Man kann sich nicht ewig hinter seiner Trauer verstecken und sie gar in Hass umschlagen lassen. Im Gegenteil, man muss versuchen, den Verlust zu überwinden. Nur so kann man damit fertig werden und nicht indem man Blutrache verübt oder dergleichen!"

"Halt endlich dein Maul! Ich will diesen Unsinn nicht länger hören!" Rokou hatte genug von alldem. Er wollte sich dieses Geschwätz nicht länger anhören und stattdessen diesen Kampf endlich beenden.

Um seinen Gegner endlich in seine Schranken zu weisen, erschuf Rokou eine Feuerwand, die Ashitaka wie in einem Kreis einschloss. Rokou war nun aus seiner Sicht verschwunden und konnte praktisch von überall her angreifen. Ashitaka konnte nur noch auf sein Gespür vertrauen, wollte er lebend aus dieser Flammenhölle herauskommen.

"Du entkommst mir nicht! Es ist aus!!" Direkt hinter Ashitaka sprang Rokou aus den Flammen, um ihm den tödlichen Schlag zu versetzen. Rasend schnell ließ er sein Naginata niedersausen, doch im selben Moment drehte sich Ashitaka mit erhobenem Schwert um. Die Waffen prallten kurz aufeinander, dann verharrten beide Kämpfer.

"Du..." Rokous Waffe glitt ihm aus der Hand und sackte auf die Knie, als Ashitaka sein Schwert wieder aus dessen Brust herauszog.

Ashitaka ließ nun seinerseits sein Schwert fallen, um Rokou aufzufangen und seinen Oberkörper zu stützen. In seinem Blick lag schon fast so was wie Reue. "Ich sollte das eigentlich nicht sagen... aber dennoch tut es mir Leid..."

Rokou glaubte zuerst, er habe sich verhört. Warum entschuldigte sich dieser Kerl jetzt auch noch?

"Idiot!", entgegnete Rokou mit geschwächter Stimme. "Wir sind schließlich Feinde und das hier war ein Zweikampf... Warum entschuldigst du dich also? Lass den Blödsinn...!" Seltsamerweise verspürte Rokou jedoch nicht mehr diesen starken Drang nach Rache. Etwa, weil er wusste, dass er verloren hatte? Oder gab es einen anderen Grund? Mit einem Mal fühlte er sich so komisch. Er versuchte, sich irgendwie zu bewegen, aber sein Körper gehorchte ihm nicht mehr.

"Was du vorhin gesagt hast...", begann er nach einer Weile leise. "...vielleicht war das doch nicht so blöd."

Ashitaka wirkte zwar überrascht, sagte aber nichts.

"Ich bin des Kampfes müde..." Rokou schloss die Augen. Er wusste es selbst, es war gleich vorbei. Am Schluss war da keinerlei Gefühl mehr von Hass oder Wut. Vielmehr fühlte er sich fast schon befreit. Löste sich sein Geist bereits von seinem Körper? Für Rokou war es so, als würde alles sehr langsam geschehen. Als würde er allmählich einschlafen. Er vermochte nicht zu sagen, ob er es sich nur einbildete, aber ihm war, als hörte er jemanden seinen Namen sagen. Eine wohlbekannte Stimme, die er immer wieder erkennen würde. Dann wurde es wieder still...

Ashitaka spürte, wie das Leben aus Rokous Körper wich und letztendlich verschwand. Es war vorbei. Vorsichtig legte er ihn auf den Boden ab, ehe er selbst versuchte, wieder aufzustehen. Das Atmen fiel ihm schwer und er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Auch die Energie seines Bannkreises hatte stark abgenommen. Ashitaka zwang sich zu einigen wenigen Schritten, doch dann versagten auch seine letzten Kräfte und er fiel zu Boden. Bevor er das Bewusstsein verlor, bemerkte er noch, wie sein Bannkreis sich allmählich aufzulösen begann.
 

Miyuki trat einige Schritte zurück, als der Bannkreis zu verschwinden begann. Der Kampf schien vorbei gewesen zu sein, aber wie war er ausgegangen? Ihr fiel gleich auf, dass es unheimlich still war und als sich der Bannkreis schließlich gänzlich aufgelöst hatte, entdeckte sie Rokou und Ashitaka regungslos auf dem Boden liegen.

"Ashitaka!" Sofort war Miyuki zu ihm geeilt. Vorsichtig richtete sie Ashitakas Oberkörper etwas auf. Ein erleichtertes Seufzen entwich ihr, als sie seine Atmung wahrnahm, auch wenn diese eher schwach war. Aber er lebte und das war für sie erst mal die Hauptsache gewesen. Und was war mit Rokou? Sie schaute in seine Richtung und erkannte rasch, dass er tot war. Ihre Erleichterung hielt sich jedoch spürbar in Grenzen, als sie zwischen den Bäumen plötzlich die Silhouette einer weiteren Person erkannte. Und der Geruch verriet ihr, dass es keiner aus ihrer Sippe war.

Kurz darauf war der Unbekannte am Ort des Geschehens angelangt. Miyuki musste schlucken. "Renhou..."
 

>Zu spät... Ich bin zu spät gekommen.< Bis zuletzt hatte Renhou noch gehofft, er würde noch rechtzeitig kommen und Rokou von seinem Vorhaben abbringen können. Doch sowohl er als auch die anderen hatten zu spät bemerkt, dass ihr Kamerad das Schloss verlassen hatte. Und was er vorgehabt hatte, war auch klar gewesen.

Renhou ließ kurz seinen Blick schweifen. Miyukis Augenmerk war die ganze Zeit über genauestens auf ihn gerichtet. Es war ganz klar, dass sie befürchtete, er würde sie und Ashitaka jeden Moment angreifen, doch er hatte anderes vor. Wortlos ging er rüber zu Rokous leblosen Körper und hob diesen vom Boden auf. Anschließend machte er ohne weiteres wieder kehrt und verschwand.

Miyuki war darüber zwar einerseits ziemlich irritiert, aber mehr noch war sie einfach nur froh und erleichtert darüber gewesen, dass nichts weiter passiert war. Allerdings musste sie sich jetzt irgendwie darum kümmern, dass für Ashitaka gesorgt werden würde. Aber wie? Sie hatte kein gutes Gefühl dabei, ihn allein hier liegen zu lassen und selbst zum Schloss zu gehen, um Hilfe zu holen. Doch musste sie sich zu ihrem Glück schon bald keine Gedanken mehr darum machen, denn auf einmal hörte sie sich jemand dem Ort des Geschehens näherte. Es waren einige der Inu-Youkai aus dem Schloss. Offenbar waren sie doch auf das aufmerksam geworden, was passiert war. Endlich kam die erhoffte Hilfe...
 

An einem kleinen Fluss, in ausreichender Entfernung zum Schloss der Inu-Youkai blieb Renhou irgendwann stehen. Anscheinend wurde er nicht verfolgt. Das konnte ihm nur recht sein, denn auf einen Kampf legte er im Moment nun wirklich überhaupt keinen Wert. Schweigend schaute er auf Rokou herab. Seine Gesichtszüge waren entspannt, als würde er lediglich schlafen, sah man von der tödlichen Wunde in seiner Brust ab. Der helle Stoff seiner Kleidung war an dieser Stelle mit Blut durchtränkt gewesen. In gewisser Hinsicht schlief er in der Tat, nur würde er nie wieder aus diesem Schlaf erwachen.

"Du hättest das nicht tun dürfen, Rokou. Damit hast du keinem einen Gefallen getan und am wenigsten dir selbst. Trotzdem..." Renhou wandte den Blick leicht von ihm ab. "...vergib mir bitte, dass ich rechtzeitig da war. Vielleicht hätte ich dich von deinem Vorhaben abbringen können."

Und nicht nur bei Rokou hatte Renhou das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen, sondern auch bei Toba. Er fragte sich, warum und wie es überhaupt so weit kommen konnte. Nicht, dass er schon so manchen seiner Kameraden im Kampf hatte sterben sehen, aber diese Opfer erschienen ihm so überflüssig und sinnlos, wie er es sonst nur bei wenigen empfunden hatte. Alles erschien ihm im Moment so falsch. Dieser ganze Kampf an sich und überhaupt.

Plötzlich spürte Renhou etwas auf seinem Gesicht und als er seinen Blick hob, erkannte er, dass sich am Himmel einige dunkle Wolken zusammengezogen hatten und es leicht zu regnen anfing. In diesem Moment begann sich Rokous Körper wie in einem hellen Licht aufzulösen. Es war also so weit. Nach und nach verschwand die Gestalt seines gefallenen Kameraden in Renhous Armen und viele kleine Lichter stiegen langsam nach oben. Letztendlich war Rokous Körper gänzlich verschwunden. Nur einige der kleinen Lichtquellen waren noch eine Zeit lang zu sehen gewesen, ehe auch diese allmählich am dunklen Himmel verblassten.

Noch lange war Renhous Blick dem Regen zugewandt. Seine Gedanken kreisten wie in einem Dämmerzustand um Toba und Rokou. In gewisser Hinsicht waren sie beide Opfer ihrer selbst geworden. Sie hatten sich unter anderem von Selbstüberschätzung und Rachedurst heraus zu diesen Kämpfen verleiten lassen, die sie schlussendlich das Leben gekostet hatten. Aber vielleicht würden sie beide dennoch irgendwann mal eine zweite Chance erhalten. In einem nächsten Leben...
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

"Hätte Ashitaka keinen Bannkreis errichtet, hätten wir viel früher mitbekommen, was los war!", meinte Inu Yasha schon beinahe tadelnd, bekam von Kagome aber sogleich ein Zeichen, dass er etwas leiser sprechen sollte. Zusammen mit den anderen, sowie im Beisein von Sakura und auch Sesshoumaru befanden sie sich momentan in Ashitakas Zimmer. Ashitaka lag noch bewusstlos auf seinem Schlaflager. Seine Wunden waren notdürftig versorgt worden, aber die Schwere seiner Verletzungen vermochte im Moment keiner so wirklich einzuschätzen.

"Können wir noch irgendetwas für ihn tun?", fragte Sango irgendwann vorsichtig an Sakura gewandt. Diese ließ ein leises Seufzen verlauten.

"Wir können jetzt eigentlich nur noch abwarten. Es wäre gut, wenn Kakeru hier wäre, aber..." Denn Kakeru war innerhalb des Clans derjenige gewesen, der am meisten von Heilkunst verstand. Aber noch immer gab es nichts, was auf seinen momentanen Aufenthaltsort hingedeutet hätte.

Miyuki, die neben Ashitaka auf dem Boden saß, hielt den Blick die ganze Zeit über gesenkt und schwieg. Was die anderen gerade besprachen, bekam sie nur teilweise mit. Sie wollte nichts von solchen Dingen hören, dass Ashitaka es vielleicht nicht schaffen würde oder so etwas. Stattdessen klammerte sie sich an die Hoffnung, dass es ihm bald wieder besser gehen würde.

"Ich frage mich, warum Renhou einfach so wieder verschwunden ist...", murmelte Kimie nach einer Weile in sich hinein. Von Miyuki hatten sie und die anderen zuvor erfahren, was nach dem Kampf geschehen war. Ihre Worte stimmten auch so manch anderen nachdenklich.

"Theoretisch hätte er kämpfen können", gab Kagome zu. "Aber vielleicht hatte er damit gerechnet, dass sich diesmal jemand einmischen würde und wollte kein Risiko eingehen."

"Oder er wollte nicht kämpfen", meinte Miroku. "Aber egal, was ihn letztendlich zum Rückzug bewegt hat, dieser Zwischenfall dürfte mit dafür sorgen, dass es sehr bald zum entscheidenden Kampf kommen wird."

"Glaubst du, Akuma will sich für das rächen, was passiert ist?", fragte Sango.

Bevor Miroku ihr darauf aber antworten konnte, was es Kimie, die erneut das Wort ergriff: "Ach! Akuma dürfte das alles so ziemlich egal sein! Sogar sein eigener Bruder ist ihm dem Anschein nach vollkommen gleichgültig. Als ob er sich dann seine Gedanken darum machen würde, was mit seinen anderen Leuten geschieht..." Da sie doch recht aufgebracht gesprochen hatte, obwohl sie sich Mühe gegeben hatte, sich zu zügeln, war nun so mancher überraschter Blick auf sie gerichtet.

"Warum regst du dich darüber so auf?", fragte Inu Yasha verständnislos. "Es kann dir doch eigentlich egal sein, warum Akuma wie handelt."

"Eh?" Abrupt wurde Kimie wieder still. Da hatte sie sich mal wieder von ihren Gefühlen leiten lassen. Wie hätte sie den anderen ihren Ausbruch auch erklären sollen? Sie wollte nicht schon wieder mit dieser Geschichte von Takeshis Liebesgeständnis ankommen, zumal bis auf Sesshoumaru ja keiner sonst davon wusste. Sie erklärte ihre Reaktion damit, dass sie Akuma ohnehin nicht ausstehen konnte und beließ es dann dabei. Bei einem flüchtigen Blick zu Sesshoumaru konnte Kimie nicht Ungewöhnliches an seinem Gesichtsausdruck feststellen. Es hätte ja sein können, dass er vermutete, sie wollte Takeshi mal wieder in Schutz nehmen, als sie sich so über dessen Bruder aufgeregt hatte. Aber selbst, wenn dem so gewesen wäre, Sesshoumaru schien sich nicht daran zu stören, zumindest zeigte er nichts dergleichen. Darüber war Kimie zugegebenermaßen schon recht erleichtert gewesen. Ansonsten hätte sie den Eindruck bekommen, er würde ihr bei jeder Kleinigkeit misstrauen. Oder verhielt er sich nur deshalb so ruhig, weil die anderen dabei waren? Doch im Grunde gab es im Moment Wichtigeres, als sich über so etwas Gedanken zu machen.

"Was mag nur mit Kakeru-sama passiert sein...?", fragte sich Kagome irgendwann mit besorgter Stimme. Nicht nur, weil er vermutlich der Einzige war, der Ashitaka womöglich hatte helfen können, auch in Anbetracht der ganzen jüngsten Ereignisse stiegen ihre Sorgen noch weiter.

Bevor jemand dazu eventuell etwas hätte erwidern können, klopfte es unvermittelt an der Tür. Sesshoumaru gestattete dem Besucher den Eintritt und einer seiner Leute schob daraufhin die Tür auf. Er verneigte sich leicht. "Verzeiht die Störung, Sesshoumaru-sama, aber es gibt Neuigkeiten. Kakeru-sama ist zurück."

Sofort waren alle wieder hellwach gewesen und schauten abwartend zu dem Youkai, der anscheinend noch etwas sagen wollte, aber irgendwie verunsichert wirkte.

"Was ist los? Sprich weiter!", forderte Sesshoumaru ihn auf.

"Ich denke, Ihr schaut es Euch am besten selbst an", entgegnete sein Gefolgsmann jedoch nur. Dann wandte er sich an Miyuki: "Miyuki, du solltest besser auch mitkommen."

"Was?"
 

Jedem war irgendwie merkwürdig zumute gewesen, während sie alle gemeinsam durch die Gänge schritten. War etwas mit Kakeru passiert? War er vielleicht verletzt? Diese und andere Fragen spukten den einzelnen im Augenblick durch den Kopf, bis sie endlich die Haupteingangstüren des Schlosses erreichten. Sesshoumaru öffnete ohne Umschweife beide Türen, die nach außen aufschwenkten und den Blick freigaben auf den großen Hof. Dort stand tatsächlich Kakeru, aber es schien ihm gut zu gehen. Vielmehr sorgte die Person, die in seiner Begleitung war sofort für fassungsloses Schweigen.

"Aber das... das kann doch nicht...!?", flüsterte Miyuki ungläubig. Wie versteinert stand sie auf der Stelle, als traute sie sich nicht, auch noch einen Schritt zu tun. Das konnte nicht sein! Das musste sie sich bloß einbilden! Aber dann ginge es ihr genau so wie allen anderen und das konnte wiederum auch nicht der Wirklichkeit entsprechen. Also musste es wahr sein. "Nii-sama...?"

Tôya, der bis eben schweigend neben Kakeru gestanden hatte, lächelte seiner Schwester sanft zu. "Ja. Du kannst es ruhig glauben, Miyuki."

Seine ruhige Stimme hallte wie in einem Traum in ihrem Kopf wieder. Miyuki war so, als wäre die Zeit zum Stehen gekommen. Noch einen Moment stand sie wie gebannt auf der selben Stelle, doch dann lief sie auf ihren Bruder zu und fiel ihm überglücklich in die Arme.

"Nii-sama, du lebst! Ich bin so froh! Und ich dachte die ganze Zeit, du wärst..." Ihre Stimme ging in einem nachfolgenden Schluchzen unter, doch weinte sie dieses Mal aus Freude. Noch immer konnte sie es nicht so wirklich fassen, aber es war wirklich wahr. Tôya lebte. Ihr Bruder war am Leben!

"Tut mir Leid, wenn du wegen mir Kummer gehabt hast", entschuldigte sich Tôya, während er Miyuki behutsam über das Haar strich. Sie hätte ihn wohl am liebsten gar nicht mehr losgelassen, so sehr, wie sie im Moment an ihm festhielt, als befürchtete sie immer noch, er würde verschwinden, sobald sie sich wieder von ihm lösen würde. Aber wer konnte Miyuki das schon verdenken? Viel größer war die allgemeine Überraschung und die Freude über dieses unerwartete Ereignis. Zwar sah man Tôya die Folgen des überstandenen Kampfes gegen Toba noch an, denn die Beschädigungen an seiner Rüstung und die Risse in seinem Kimono waren nach wie vor vorhanden gewesen. Auch machte er einen noch leicht geschwächten Eindruck, aber nichts desto trotz schien es ihm dennoch gut zu gehen.

"Tse! Und wegen dir haben wir uns eine Woche lang den Kopf zerbrochen, obwohl es dazu keinen Grund gab?", fragte Inu Yasha ruppig an den Youkai gewandt, wobei dies jedoch lediglich seine Art gewesen war, um zu sagen: "Schön, dass es dir gut geht."

Tôya hatte die Anspielung des Hanyou verstanden, weshalb er entsprechend ruhig reagierte. "Ich hätte euch allen gerne Bescheid gegeben, aber ich konnte nicht. Es tut mir Leid."

"Ach, nein! Entschuldigt Euch doch nicht, Tôya-san!", meinte Kagome erleichtert. "Die Hauptsache ist doch, es geht Euch gut. Das ist wirklich schön." Und da sprach sie wohl so ziemlich jedem aus der Seele.
 

Was die Anwesenden auf dem Hof im Moment nicht mitbekamen, war die Tatsache, dass sie alle beobachtet wurden.

"Hey, Leute! Schaut euch das mal an! Nee-san, du solltest auch mal kurz herkommen", rief Karan ihren Geschwistern zu, während sie selbst auf der Veranda vor ihrem Zimmer stand. Touran und ihre beiden anderen Geschwister gesellten sich zu ihr und waren nicht minder überrascht gewesen, als sie Tôya entdeckten.

"Verblüffend!", fand Shunran. "Wie hat er das geschafft? Wir dachten doch alle, er wäre tot."

"Tja, das war wohl ein Irrtum." Karan stützte sich mit den Ellenbogen auf das Geländer und schielte leicht in Tourans Richtung. Ein schelmisches Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. "Hey, Nee-san! Hast du dich nicht erst letztens noch darüber beklagt, dass du dich nicht bei ihm dafür bedanken konntest, dass er dich gerettet hat? Das kannst du jetzt ja nachholen."

Touran zog leicht eine Augenbraue hoch. "Worauf spielst du an, Karan? Und was soll überhaupt dieser Blick von dir?"

Karans Grinsen wurde noch etwas breiter. "Nichts, ich dachte ja nur... Da du Sesshoumaru ja inzwischen wieder aufgegeben zu haben scheinst, könntest du dir doch einen anderen Hund an Land ziehen, oder?"

Touran fiel fast aus allen Wolken, als sie das hörte, ebenso wie Shunran und Shuuran.

"Karan, hast du etwa Fieber?", fragte Shunran irritiert. "Du hast dich doch zuerst wahnsinnig darüber aufgeregt, dass Touran etwas von Sesshoumaru wollte, eben weil er ein Inu-Youkai ist, und jetzt kommst du mit so etwas an?"

Karan ließ ein müdes Gähnen verlauten. "Meine Güte, jetzt kommt mal wieder klar! Das war doch nur ein Scherz. Nehmt nicht gleich alles so ernst." Und mit diesen Worten verschwand sie wieder im Zimmer. Zurück blieben ihre drei Geschwister, die noch immer etwas dumm aus der Wäsche schauten.

"Immer, wenn ich glaube, ich würde sie kennen, überrascht sie mich aufs Neue...", murmelte Shuuran in sich hinein. Seine beiden Schwestern hüllten sich hingegen in ratloses Schweigen.
 

Indes hatte schon fast jeder seine Erleichterung darüber ausgedrückt, dass Tôya noch lebte. Nur Sesshoumaru hatte bis jetzt geschwiegen, schritt nun jedoch die Treppen vor dem Eingang hinunter und kam auf ihn und Miyuki zu. Als er direkt vor ihnen stand, ließ Miyuki zwar wieder etwas von ihrem Bruder ab, blieb aber dennoch dicht bei ihm. Tôya verneigte sich leicht vor seinem Herrn. "Ich bedaure diese ganzen Umstände wirklich sehr, Sesshoumaru-sama. Es lag nicht in meiner Absicht, dass..."

"Du brauchst nichts zu erklären, Tôya", unterbrach Sesshoumaru ihn. Obwohl es aus seinem Mund wie üblich wie eine Anweisung klang, bemerkte man bei genauerem Hinhören dennoch einen gewissen Unterton von Erleichterung. Ohnehin hatte keiner erwartet, er würde Tôya vor lauter Freude um den Hals fallen, denn dann hätten sie alle wohl ernsthaft an der Gesundheit von Sesshoumarus Geisteszustand gezweifelt.

"Aber was ist eigentlich passiert, Kakeru?", fragte Kimie schließlich. "Wo seid Ihr die ganze Zeit über gewesen? Wir haben uns große Sorgen gemacht."

"Das tut mir wirklich sehr Leid", entschuldigte sich Kakeru sogleich. "Ich bin jedoch gerne bereit, euch zu erzählen, was vorgefallen ist."

Darum baten alle. Immerhin war Kakeru eine ganze Woche fort gewesen. Doch da fiel es Miyuki abrupt wieder ein und sie sprach ihn an: "Uhm, Kakeru-sama? Es gibt da noch etwas. Könntet Ihr bitte mal nach Ashitaka schauen?"

"Warum? Was ist geschehen?"

"Er... ist verletzt worden, als er gegen Rokou kämpfte."
 

Der anfängliche Schock über diese Neuigkeit war besonders bei Tôya schnell einem Gefühl der Besorgnis gewichen, als sie sich alle wieder in Ashitakas Zimmer versammelt hatten. Kakeru besah sich die Verletzungen von Ashitaka genauestens und kümmerte sich sogleich darum, diese entsprechend zu versorgen.

"Wie ist das passiert?", fragte Tôya nach einer Weile. "Wie kam es, dass er gegen Rokou gekämpft hat?"

Miyuki senkte leicht den Blick. "Rokou ist plötzlich hier aufgetaucht und hat mich angegriffen. Bei dem großen Baum, zu dem ich immer gerne gehe, du weißt schon... Er wollte mich töten, weil er so Rache für Tobas Tod nehmen wollte. Und weil er auch wie wir alle glaubten, du wärst tot, Nii-sama, wollte er sich an denen rächen, die dir nahe stehen. Aber dann ist Ashitaka gekommen und hat sich ihm entgegengestellt. Von dem Kampf habe ich nichts mitbekommen, weil Ashitaka einen Bannkreis errichtet hatte. Und als alles wieder vorbei war, war er schwer verletzt und ohne Bewusstsein. Rokou hingegen ist tot. Renhou kam hinzu und hat ihn mitgenommen. Mehr weiß ich nicht..."

Tôya hatte seiner Schwester die ganze Zeit über aufmerksam zugehört. Es war schon irgendwie verrückt gewesen, wie sich alles so entwickelt hatte und was passiert war. Aber wer konnte in Zeiten des Kämpfens und des Krieges schon von Logik sprechen? Es war in solchen Zeiten schon immer stets reiner Zufall gewesen, wer überlebte und wer starb. Und Tôya selbst hatte wahnsinnig viel Glück gehabt, ansonsten wäre auch er jetzt nicht mehr am Leben.

"In Ordnung, das müsste erst mal genügen", lenkte die ruhige Stimme von Kakeru die Aufmerksamkeit der Anwesenden wieder auf Ashitaka zurück. "Ich habe getan, was ich konnte. Gönnen wir Ashitaka-dono ausreichend Ruhe, dann müsste es ihm bald wieder besser gehen."

"Danke, Kakeru", bedankte sich Sakura bei ihm für seine Mühen.

Ashitaka machte nach wie vor nicht unbedingt den Eindruck, als würde er so schnell wieder aufwachen, aber zumindest atmete er ruhig und gleichmäßig. Die anderen waren guter Hoffnung gewesen, dass er wirklich bald wieder gesund sein würde.

"Aber jetzt sag schon, Nii-sama, was ist mit dir passiert?", fragte Miyuki ihren Bruder. "Wie kann es sein, dass du lebst? Wir dachten, du wärst tot. Wie hast du überlebt?"

Die abwartenden Blicke der anderen genau auf sich spürend, antwortete Tôya: "Ich hatte großes Glück. Viel hat nicht mehr gefehlt und ich wäre wirklich gestorben."

"Aber warum bist du erst jetzt zurückgekommen? Was ist denn passiert?"

"Eine merkwürdige Frau", antwortete Kakeru nun an Tôyas Stelle. "Auf den ersten Blick schien sie ein Mensch zu sein, aber das Seltsame war, dass kein Leben in ihr steckte. Ich meine, sie hat sich bewegt und gesprochen, als wäre sie am Leben, doch sie war es nicht wirklich. Offenbar handelte es sich bei ihr um eine Miko."

"Was?! Eine Miko?", kam es sogleich wie aus der Pistole geschossen von Inu Yasha, da er schon so einen Verdacht gehabt hatte.

Kakeru nickte. "Ja, aber sie roch nicht nach einem Menschen, sondern nach Knochen und Graberde."

>Kikyou!?<, sah sich Inu Yasha sofort in einer anfänglichen Vermutung bestätigt und auch seine Freunde dachten im Moment genau das selbe. Mit Spannung lauschten alle nun dem, was Kakeru zu berichten gehabt hatte...
 

*~Rückblick~*
 

Der Morgen war schon längst angebrochen, als Kakerus Weg ihn schlussendlich direkt an einen Fluss geführt hatte. Auf das Rauschen der Strömung lauschend, war er dem Wasser eine ganze Weile in die entsprechende Richtung gefolgt. Irgendwann hatte er dabei eine Stelle erreicht, über der noch der Geruch von Blut in der Luft hing. Es war das Blut von zwei verschiedenen Youkai gewesen. Einmal das von Toba und das andere... Kakeru hatte es sofort als das von Tôya wieder erkannt. Aber bis auf den Geruch gab es hier nichts mehr, also hatte er seinen Weg fortgesetzt.

Das anfangs noch sehr starke Rauschen war jedoch nach und nach immer schwächer geworden. Der Fluss verjüngte sich zusehends. Eine unmittelbare Bedrohung existierte für Kakeru nicht. Zumindest konnte er keine feindliche Aura oder eine Witterung aufnehmen. Aber einen bekannten Geruch vernahm er bald von neuem. Dieser kam von der anderen Seite des Flusses. Kakeru überquerte mühelos den Fluss und legte seine dämonische Form wieder ab. Anschließend schritt er in den nahe gelegenen Wald hinein. Sich in dieser Gegend allzu lange aufzuhalten, war eigentlich recht riskant gewesen. Denn streng genommen befand sich Kakeru im Augenblick im feindlichen Gebiet, obwohl er weit von den Bergen entfernt gewesen war. Aber darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen, sondern folgte stattdessen weiter diesem Geruch. Es lag Blut darin, das war unverkennbar gewesen.

Je näher er kam, umso greifbarer schien auch diese schwache Aura zu werden, die er spürte. Noch eine Weile schritt Kakeru durch den Wald, bis er an einer Art Höhle ankam. Aus einem Reflex heraus öffnete er die Augen, schloss sie aber sogleich wieder mit einem leichten Kopfschütteln.

>Ich Narr... Dabei ist es doch schon lang genug her<, schalt er sich selbst. Er tastete sich etwas an der Wand der Höhle entlang, bis er den Eingang fand. Kein Zweifel, die Aura kam direkt aus ihrem Inneren. Vorsichtig betrat er die Höhle. Hier und da hörte er von der Decke vereinzelte Wassertropfen hinabfallen, ansonsten war da nur ein leichtes Echo, welches von seinen eigenen Schritten ausging, gewesen.

Plötzlich blieb Kakeru stehen und lauschte. Ganz schwach konnte er erschöpft klingende Atemlaute wahrnehmen. Er ging weiter, bis er endlich an seine Ziel ankam. Seine Vermutung hatte sich bestätigt. "Tôya..."

Obwohl er ihn nicht sehen konnte, so konnte Kakeru ganz genau spüren, dass dort tatsächlich Tôya auf dem Boden der Höhle lag. Allerdings schien er nicht bei Bewusstsein gewesen zu sein. Noch immer roch Kakeru Blut, aber die Wunden schienen in der Zwischenzeit von irgendjemanden behandelt worden zu sein. Vorsichtig kniete er sich zu Tôya nieder und berührte leicht dessen Gesicht. Tôya gab einen leisen Laut von sich und drehte den Kopf in Kakerus Richtung, ohne dabei aber aufzuwachen. Seine Kraft war fast vollständig aufgebraucht gewesen. Er konnte sich im Augenblick nicht mal mehr richtig bewegen.

>Unglaublich... Wie hat er überlebt?< Zwar hatte Kakeru es insgeheim gehofft, dass Tôya doch noch mit dem Leben davongekommen war, das war schließlich auch der Grund gewesen, weshalb er ohne genauere Angaben gemacht zu haben das Schloss verlassen hatte, aber dass er seinen Kameraden tatsächlich lebend vorfinden würde, damit hatte er nicht gerechnet. Die Erleichterung war allerdings sehr groß gewesen, trotz Tôyas bedenklichen Zustands.

Plötzlich nahm Kakeru diesen anderen fremdartigen Geruch war und konnte kurz darauf auch Schritte hören, die sich langsam aber sicher näherten. Er drehte sich nicht um, aber er spürte die Anwesenheit einer unbekannten Person.

"Ihr seid auch ein Inu-Youkai", hörte er schließlich die ruhig sprechende Stimme einer jungen Frau sagen. "Seid ihr Kameraden?"

Kakeru ließ wieder von Tôya ab und richtete sich auf. Dabei wandte er sich zu der jungen Frau um. "Mein Clan glaubt, Tôya wäre tot. Habt Ihr ihm geholfen?"

Er konnte es nicht wissen, aber diese junge Frau war eine Miko gewesen. Genauer gesagt, es war Kikyou. Sie erkannte sofort, dass der Youkai vor ihr seine Fähigkeit zu sehen verloren hatte, aber trotzdem war er nicht zu unterschätzen gewesen, denn sie nahm deutlich diese starke, dämonische Aura wahr, die von ihm ausging. Auf die vorangegangene Frage antwortete Kikyou schließlich mit einem Blick auf Tôya: "Als ich ihn nicht weit von hier am Flussufer fand, war er dem Tod näher als dem Leben. Obwohl er ein Youkai ist, hat es mich selbst gewundert, dass er noch am Leben war. Doch noch hat er es nicht geschafft." Kikyou ging an Kakeru vorbei und ging einmal um Tôya herum, um sich anschließend neben ihm auf den Boden zu knien. "Aber auch eine andere Sache überrascht mich", sprach sie weiter. "Eigentlich hatte ich den Eingang dieser Höhle mit einem schützenden Bann belegt, um feindliche Dämonen fernzuhalten. Doch Ihr konntet die Barriere anscheinend problemlos überwinden, was mich darauf schließen lässt, dass von Euch wohl in der Tat keine Gefahr ausgeht."

"Eine Barriere?", wiederholte Kakeru. In der Tat hatte er nichts dergleichen wahrgenommen, aber dafür wurde ihm nun etwas anderes klar. "Sagt mir, seid ihr eine Miko?"

"Ja, das ist richtig", bestätigte Kikyou ihn mit nach wie vor ruhiger Stimme.

"Wie kommt eine Miko dazu, einen Youkai zu pflegen?", wagte Kakeru nach einem Augenblick der Stille zu fragen.

Zuerst antwortete Kikyou nicht. Das lag aber nicht etwa an Unsicherheit oder dergleichen. "Ich gebe zu, ich war anfangs unschlüssig. Doch dann hörte ich ihn im Fiebertraum den Namen 'Miyuki' sagen. Wer auch immer sie ist, sie muss ihm sehr wichtig sein." Sie strich Tôya eine störende Haarsträhne aus dem Gesicht und befühlte seine Stirn. Das Fieber war noch immer bedenklich. Direkt neben ihr tropfte aus einer Stelle der Gesteinswand der Höhle etwas Wasser in eine kleine Mulde am Boden. Kikyou tränkte ein Tuch in dem klaren Wasser und legte das gekühlte Stück Stoff auf Tôyas Stirn.

Kakeru verfolgte mit seinen Ohren ihr Handeln. Sogar an der Schwelle zum Tod hatte Tôya nicht an sich selbst gedacht. "Miyuki ist seine jüngere Schwester", erklärte er Kikyou nach einem Moment.

"Verstehe", entgegnete diese. "Auch ich habe eine jüngere Schwester. Allerdings..."

"Hm?"

Kikyou schüttelte leicht den Kopf. "Unwichtig. Vergesst es." Kakeru konnte hören, wie sie wieder aufstand. "Er hat einen starken Willen. Mit etwas Glück wird er es vielleicht schaffen. Nehmt Ihr Euch ab jetzt seiner an?"

"Und was habt Ihr nun vor?"

"Es gibt noch eine Sache, die ich zu erledigen habe. Ein Ziel, das ich schon seit längerer Zeit verfolge... Bitte haltet mich nicht auf. Ich habe Euch genügend an Heilkräutern zurückgelassen, die Eurem Kameraden helfen werden. Und nun... lebt wohl." Kikyou nahm noch ihren Bogen und ihren Köcher mit den darin enthaltenen Pfeilen an sich, welche sie an der Höhlenwand abgelegt hatte, dann ging sie mit ruhigen Schritten an Kakeru vorbei. Als sie die Höhle verließ, versammelten sich sofort ihre Seelenfänger um sie herum und lautlos und geheimnisvoll verschwand sie letztendlich wieder.

Kakeru ließ sie ziehen. Warum hätte er sie auch aufhalten sollen? Immerhin konnte er sich ebenso um Tôya kümmern. Aber eines hatte er bezüglich Kikyou gleich bemerkt: den Geruch von Knochen und Graberde. Diese Miko... sie war bereits tot gewesen.
 

*~Rückblick Ende~*
 

"Kein Zweifel, das muss Kikyou-sama gewesen sein!", sagte Miroku, kaum, dass Kakeru mit seiner Erzählung am Ende angelangt war.

Kagome warf einen flüchtigen Blick auf Inu Yasha. An seinem Gesicht konnte sie regelrecht ablesen, wie sehr er gerade an Kikyou dachte. Bestimmt machte er sich Sorgen um sie, dass sie sich vielleicht in diesen Kampf einmischen könnte, sofern sie ebenfalls davon wissen sollte, dass Naraku bei alldem keine unwesentliche Rolle spielte.

"Entschuldigt bitte, dass ich euch allen keine Nachricht habe zukommen lassen, aber ich hatte nicht die Möglichkeit, euch zu benachrichtigen", entschuldigte sich Kakeru nach einem Moment der Stille. "Ich hoffe, ihr nehmt mir das nicht übel, aber Tôya ging es bis gestern noch nicht so gut, dass wir wieder hierher hätten zurückkommen können. Und ich wollte ihn nicht allein zurücklassen, weil wir immer damit rechnen mussten, dass wir von den Ryû-Youkai hätten entdeckt werden können."

"Es ist in Ordnung, Kakeru", entgegnete Sesshoumaru mit einem Nicken.

Die Gespräche kamen prompt zum Erliegen, als von Ashitaka ein kaum wahrnehmbares Seufzen zu hören war. Wachte er bereits wieder auf? Gespannt beobachteten ihn alle, als er nach einigen Sekunden langsam seine Augen öffnete. Zuerst schaute er nur aus halb geöffneten Augen stumm an die Decke, als wusste er nicht, wo er sich gerade befand, als er als erstes Sakura und Kakeru bemerkte, die bei ihm saßen. "Mutter... Kakeru? Du bist zurück? Was...?"

Bevor Ashitaka aber irgendeine Frage stellen konnte, hatte sich Tôya von der anderen Seite leicht zu ihm vorgebeugt. "Ashitaka?"

"Hm?" Ashitaka drehte den Kopf ein wenig zur anderen Seite. An seinem Gesicht konnte man deutlich die Irritation und die Verwirrung ablesen, als er seinen Freund entdeckte. "Tô... Tôya...? Aber das kann doch nicht... Ich meine, wie hast du...?"

"Überrascht?", fragte Tôya mit einem nunmehr überlegenen Lächeln auf den Lippen. "Ich sagte dir doch bereits vor einiger Zeit, dass du mich so schnell nicht loswerden würdest." Und als wollte er die Situation ein wenig auflockern, fügte er noch neckisch hinzu: "Wie siehst du überhaupt aus? Kaum bin ich mal eine Woche weg, schon finde ich dich in einem solchen Zustand vor."

"Na, du musst gerade reden, so abgerissen wie du im Moment aussiehst...", entgegnete Ashitaka nicht minder aufziehend, ehe sich ein erleichtertes Lächeln auf seine Lippen stahl. "Aber ich bin froh, dass du lebst. Vergib mir, dass ich dir nicht vor Freude um den Hals falle, aber du siehst ja selbst…"

Tôya nickte einmal. Eigentlich hätten sich die beiden noch viel sagen können, aber jeder wusste bereits vom jeweils anderen, was er sagen wollte.

"Tôya, ich würde vorschlagen, dass du dich noch ausruhst", meinte Kakeru letztendlich.

"Gut. Dann zieh ich mich erst mal um und mach mich wieder etwas hübsch", scherzte Tôya und stand auf. Miyuki machte schon Anstalten, ihn begleiten zu wollen, doch er selbst legte ihr nahe, dass sie ruhig bei Ashitaka bleiben konnte.

Nachdem Tôya das Zimmer verlassen hatte, zogen sich auch Inu Yasha, Kagome und die anderen zunächst wieder zurück. Ashitaka sollte sich in Ruhe erholen können. Lediglich Sakura und Miyuki blieben bei ihm.
 

In seinem Zimmer angekommen, schaute Tôya sich zunächst nur etwas um. Im Grunde war er nur eine Woche fort gewesen, trotzdem kam es ihm irgendwie merkwürdig vor, jetzt wieder hier zu stehen. Um ein Haar hätte er nicht mehr hierher zurückkommen können.

Nachdem er sich so weit wieder mit seiner Umgebung vertraut gemacht hatte, wusch er sich zunächst das Gesicht und entledigte sich seiner Rüstung und seiner alten Kleidung, um sich einen neuen Kimono anzulegen. Obwohl seine Wunden schon zu einem großen Teil verheilt waren, spürte er bei manchen Bewegungen noch diesen leichten Schmerz. Auch die Verletzung, die er sich selbst zugefügt hatte, um Toba auszuschalten, machte ihm noch zu schaffen. Obwohl er sich dabei sein Schwert selbst durch die Brust gestoßen hatte, hatte er dabei dennoch sein Herz verfehlt. Eine Tatsache, die zweifellos mit dafür verantwortlich gewesen war, dass er nicht gestorben war. Ein paar Tage würde er sich aber wohl noch Ruhe gönnen müssen.

Ein überraschendes Klopfen an der Tür ließ Tôya aufhorchen. "Ja, bitte?" Als die Tür daraufhin langsam aufgeschoben wurde, staunte er nicht schlecht, als er Touran entdeckte. "Du? Was machst du denn hier?"

"Wonach sieht es denn aus? Ich wollte mich erkundigen, wie es dir geht", entgegnete Touran wie selbstverständlich.

Tôya hob skeptisch eine Augenbraue. "Eine Panther-Dämonin sorgt sich um mein Befinden... Und ich dachte, ich hätte schon so einiges erlebt."

"Bilde dir bloß nichts ein! Ich wollte die Gelegenheit lediglich nutzen, um mich noch persönlich bei dir dafür bedanken, dass du mich gerettet hast." Da war sie wieder gewesen, diese leicht angespannte Atmosphäre zwischen den beiden, aber eine Feindseligkeit direkt gab es diesmal nicht. Und nach einem Moment fragte Touran mit deutlich ruhigerer Stimme weiter: "Geht es dir denn so weit gut?"

Tôya nickte nur. Er erwartete, dass sie jetzt eigentlich wieder gehen würde, aber das tat sie nicht.

"Hm... Aber warum hast du das überhaupt gemacht?", fragte sie stattdessen weiter. "Du hättest mir nicht helfen müssen. Du hattest keinen Grund dazu."

"Und hast du sonst nichts, worüber du dir den Kopf zerbrechen könntest?" Tôya verschränkte gelassen die Arme vor der Brust. "Hör mal, ich kann zwar nicht unbedingt behaupten, dass ich viel für deinen Stamm übrig hätte, aber momentan sind wir Verbündete. Und was wäre ich außerdem für ein Mann, wenn ich selbst feige die Flucht ergreifen und währenddessen eine Frau allein dem Kampfgetümmel überlassen würde?"

Auf Tourans Gesicht erschien ein etwas amüsiert wirkendes Lächeln. "Hm! Ihr Männer müsst euch wohl immer wieder beweisen, selbst, wenn es euch Kopf und Kragen kostet, was?"

"Und so was muss ich mir von einer Katze anhören, die selbst gerne mal auf gut Glück ins offene Messer zu rennen scheint?", konterte Tôya unbeeindruckt.

Touran behielt ihr Lächeln bei, während sie sich wieder umwandte. "Wie auch immer. Was ich sagen wollte, habe ich gesagt. Ich lasse dich nun wieder in Ruhe. Bis dann!" Damit verließ sie das Zimmer wieder und schloss die Tür hinter sich.

Tôya kam nicht drum herum, im Nachhinein doch ein wenig verwirrt dreinzuschauen. "Aus der soll mal einer schlau werden..."

Unterdessen machte sich Touran wieder auf den Weg zu ihrem Zimmer. Doch sie war am Ende des Ganges kaum um die Ecke gebogen, da traf sie auf bereits Karan, die ihre Schwester offenbar schon erwartet hatte. Ein freches Grinsen erschien dem Gesicht der rothaarigen Panther-Dämonin. "Ui! Touran, du lässt wohl wirklich nichts anbrennen, oder?"

Touran blieb mehr als perplex stehen. "Was soll das, Karan? Spionierst du mir etwa hinterher?"

"Ich muss doch wissen, was meine große Schwester so treibt."

In Erinnerung an Karans Bemerkung von vorhin, war Touran sofort klar gewesen, worauf ihre Schwester wohl hinaus wollte. Doch ließ sich die Ältere nicht beirren. "Denk doch, was du willst. Aber eines kannst du dir merken: Es ist nicht so, wie du denkst!"

Karan hob prüfend eine Augenbraue. "So? Was denke ich denn?"

Anstatt jedoch darauf zu antworten, ging Touran nur mit einem etwas genervten Aufseufzen an ihr vorbei und setzte ihren Weg fort. Es konnte ihr ja auch eigentlich egal sein, was in den Köpfen der anderen vorging. Was sie hatte tun wollen, hatte sie getan und damit war das Thema für sie so weit erst mal abgehakt.
 

Gegen Abend hatte Kimie sich dazu entschieden, noch einmal bei Takeshi vorbeizuschauen, auch, um ihn von den neuesten Ereignissen zu berichten. Ihm jedoch sagen zu müssen, dass zwei Krieger aus seinem Clan tot waren, fiel ihr trotz allem nicht wirklich leicht.

"Toba ist also wirklich tot? Und Rokou auch?" Takeshi wirkte in gewisser Weise wie vor den Kopf gestoßen. Damit hatte er nicht unbedingt gerechnet.

"Ja, tut mir Leid. Hast du dich denn gut mit den beiden verstanden?", fragte Kimie vorsichtig. Takeshi wandte sich ein wenig ab. "Nicht besser oder schlechter, als mit den meisten anderen. Aber trotzdem klingt es für mich irgendwie nicht so recht vorstellbar... Hat Renhou denn noch etwas gesagt, bevor er wieder fort ging?"

Sie schüttelte den Kopf. "Nein. Miyuki sagte, er habe lediglich Rokous Körper mitgenommen und sei ohne ein Wort gesagt zu haben wieder verschwunden."

Takeshi seufzte einmal leise, während er mit einer Hand einen der Gitterstäbe umfasste. "So weit ist es also schon gekommen. Und trotzdem scheint Akuma nicht aufgeben zu wollen... Warum? Es kann doch nicht sein, dass Naraku ihn wirklich schon so sehr für sich eingenommen hat!?"

"Nun... Kagome und die anderen haben mir erzählt, dass Naraku es fast wie kein Zweiter versteht, andere zu manipulieren und für seine Zwecke auszunutzen. Und am Ende profitiert meistens er allein von allem." Und wie heimtückisch Naraku sein konnte, hatte Kimie selbst schließlich auch schon mitbekommen dürfen.

Takeshi hatte den Blick zu Boden gerichtet. Es schien, als dachte er im Moment sehr intensiv über etwas nach, ehe er schließlich wieder aufschaute. "Kimie, ich hätte da eine Bitte an dich." Als er unbewusst mit seiner Hand durch die Gitter langte und ihre Hand ergriff, spürten sowohl er als auch sie gleich diese prüfenden Blicke der beiden Wächter auf sich ruhen.

Normalerweise hätte sie sich wohl etwas zurückgehalten, aber diesmal hielt Kimie nicht den Mund. "Ist was? Was gibt's denn da zu gucken?"

Mit einer knappen Entschuldigung wandten sich die Wächter wieder ab und schwiegen.

>Wow, das war ja leicht<, dachte Kimie mit einem kleinen Gefühl des Triumphs, ehe sie wieder auf Takeshis ursprünglich gestellte Frage zurückkam: "Entschuldige. Worum geht es denn? Um was möchtest du mich bitten?"

Takeshi hielt nach wie vor ihre Hand. Es schien ihm etwas schwer zu fallen, seine Bitte zu äußern. "Vielleicht verlange ich auch zu viel, aber... könntest du bitte mit Sesshoumaru sprechen und ihm nahe legen, mich hier endlich raus zu lassen? Ich schwöre, ich habe nichts Unrechtes vor!"

Wirklich überrascht war Kimie im Nachhinein nicht gewesen. Sie hatte sogar selbst schon mal mit dem Gedanken gespielt, Sesshoumaru zu bitten, Takeshi aus der Zelle zu lassen, sich bisher aber nicht so recht dazu durchringen können. Vielleicht hätte er es falsch verstanden oder so, doch jetzt war sie von Takeshi selbst gebeten worden. Und sie konnte ihn schlecht im Stich lassen.

"Nun, ich glaube dir, aber ich weiß nicht, wie es bei ihm aussieht. Aber ich kann ihn ja mal darauf ansprechen", entgegnete Kimie nach einem Moment mit einem leichten Lächeln.

Takeshi erwiderte dieses dankbar. "Ich danke dir."

"Schon gut. Eigentlich ist das ja wohl auch das mindeste, was ich für dich tun kann."

Als sie ihn so ansah, hätte er sie trotz der Trennung durch die Gitterstäbe am liebsten an sich gezogen. Im Moment wünschte er sich nichts mehr, als sie zu umarmen und zu küssen. Aber das durfte er nicht. Sesshoumaru hätte ihn dafür sofort getötet, sobald er davon erfahren hätte.

"Hm... Wie wäre es wohl gewesen, hätten wir uns unter anderen Umständen kennen gelernt?", fragte Takeshi nach einem Moment und mit diesem etwas bedauerlichen Unterton in der Stimme.

Kimie wusste gleich, worauf er ansprach und senkte etwas den Blick. "Tut mir Leid. Ich..."

"Nein, du musst dich nicht entschuldigen. Ich weiß ja, woran ich bei dir bin." Er lächelte wieder ein wenig. "Es mag dumm von mir sein, dass sich sogar jetzt noch davon spreche, aber dennoch werde ich dich nicht so einfach aufgeben."

"Bitte sag das nicht, Takeshi", entgegnete Kimie etwas unsicher. "Deine Gefühle... sie schmeicheln mir wirklich, aber ich kann das nicht. Ich liebe Sesshoumaru und daran wird sich nichts ändern. Das soll nicht heißen, dass du mir völlig egal bist. Im Gegenteil, ich schätze dich sehr, aber auch nur als einen guten Freund. Vielleicht klingt es merkwürdig, aber ich sehe dich inzwischen wirklich nicht mehr als Feind, sondern eben als einen Freund, aber leider ist da auch nicht mehr. Und bestimmt wirst du ein Mädchen finden, das besser zu dir passt als ich."

"Ich würde nur ungern jemand anders kennen lernen", erwiderte Takeshi. "Und das wäre immerhin auch nur dann möglich, sofern ich überlebe. Denn es ist nicht sicher, dass ich nach diesem Kampf noch am Leben sein werde. Besonders dann nicht, wenn ich wirklich gezwungen sein werde, gegen Akuma zu kämpfen..."

"Sprich nicht so, Takeshi", bat Kimie.

"Entschuldige..." Langsam ließ er ihre Hand wieder los. "Es ist schon spät. Du solltest jetzt wohl besser wieder gehen."

Kaum merklich nickte sie einmal, ehe sie sich noch von ihm verabschiedete und die Kerker anschließend wieder verließ.

Auf ihrem Weg durch das Schloss dachte Kimie noch lange über ihr Gespräch mit Takeshi nach. Eigentlich konnte sie ja nichts dafür und obwohl er ihr ja deshalb auch keinen Vorwurf machte, tat es ihr noch immer irgendwie Leid, dass sie ihm nicht das geben konnte, was er sich insgeheim wünschte; ihre Liebe. Kimie war so sehr in ihre Gedanken vertieft gewesen, dass sie beinahe Rin, Jaken und Inuki übersehen hätte, die ihr auf ihrem Weg entgegenkamen. Erst Rins freudige Begrüßung holte sie wieder zurück in die Realität: "Hallo, Kimie-san!"

"Rin! Wo kommt ihr drei denn gerade her?"

"Wir waren bei Sesshoumaru-sama. Er hat sich schon gefragt, wo du bleibst."

"Was auch immer das heißen mag...", murmelte Jaken finster in sich hinein. Es war unverkennbar gewesen, dass ihm diese ganze Situation immer noch mehr als gegen den Strich ging. Dass sein Herr sich wirklich auf ein gewöhnliches Menschenmädchen eingelassen hatte. Als ob es nicht schon gereicht hätte, dass Rin da war und jetzt gab es da noch einen Menschen.

Jakens etwas miese Stimmung verleitete Kimie hingegen zu einer kleinen Idee. Nachdem sie sich noch verabschiedet und allen eine gute Nacht gewünscht hatte, verschränkte sie die Arme hinter dem Kopf und ging weiter. "Na, dann werde ich mich lieber mal beeilen und zu ihm gehen. Wer weiß? Vielleicht spielen wir beide dann wieder ein kleines, unanständiges Spiel."

Während Rin diese Anspielung nicht verstanden hatte, war dies bei Jaken ein ganz anderer Fall gewesen, wie es sich auch anhand seiner Reaktion verdeutlichte. "Ah! Wie kannst du es wagen, so etwas zu sagen?! Du sündige Verführerin!", meckerte er aufgebracht.

Ihr breites Grinsen konnte Jaken zwar nicht mehr sehen, aber innerlich hätte Kimie am liebsten laut losgelacht. Zu gerne hätte sie sich noch einmal umgedreht und sich Jakens Gesicht angesehen. Mit solchen Anspielungen konnte man ihn immer so herrlich aufziehen. Bestimmt würde sie das in Zukunft noch öfters machen.

Nachdem Kimie hinter der nächsten Ecke verschwunden war, schaute Rin fragend zu Jaken. "Du, Jaken-sama? Was hat Kimie-san denn eben gemeint?"

"Als ob mich das interessieren würde!", wetterte der Krötendämon sofort los. "Und jetzt hör auf, mich danach zu fragen!" Damit marschierte er wieder weiter und ließ das Mädchen und Inuki einfach so stehen.

Rin legte den Kopf etwas schief. "Was hat Jaken-sama denn auf einmal?"

Indes hatte Kimie Sesshoumarus Privaträume erreicht. Bevor sie jedoch eintrat, ging sie gedanklich noch mal das durch, worum Takeshi sie gebeten hatte und wie sie es am besten anfangen sollte. Dann öffnete sie dir Tür.

"Da bin ich wieder", kündigte sie sich an, als sie das Zimmer betrat.

"Wo bist du gewesen?", kam es sogleich von Sesshoumaru.

"Bei Takeshi", antwortete Kimie bereitwillig. "Ich habe ihm erzählt, was passiert ist. Schließlich hatte er ein Recht darauf, es zu erfahren."

Zwar schien er nicht wirklich begeistert gewesen zu sein, er sagte aber nichts dazu.

Kimie ahnte zu diesem Zeitpunkt schon, dass es vielleicht nicht ganz einfach werden würde, aber sie würde es trotzdem versuchen. "Sesshoumaru? Ich hätte da eine kleine Bitte an dich."

"Hm?"

"Nun... Es geht um Takeshi. Wäre es möglich, dass du ihn aus seiner Zelle lässt? Bitte! Er hat mir geschworen, dass er nichts anstellen wird, was uns in irgendeiner Form schaden würde. Und ich finde auch, dass wir ihm nicht länger misstrauen sollten, nachdem, was er getan hat." Kimie bemühte sich um ein nettes Lächeln, doch angesichts von Sesshoumarus skeptischer Miene konnte sie dieses auf die Dauer nicht aufrecht erhalten. "Eh... Ist was?"

"Warum?"

"Hä? Warum was?"

"Gibt es einen besonderen Grund, weshalb du dich so sehr um Akumas Bruder sorgst?", fragte Sesshoumaru nunmehr mit recht ernster Stimme.

"Wie soll ich die Frage verstehen?", fragte Kimie zuerst nur zurück, ehe sich dieses freche Grinsen auf ihre Lippen stahl. "Aber hallo! Du bist doch nicht etwa eifersüchtig, oder? Gerade du?"

"Das ist keine Antwort auf meine Frage."

Kimie seufzte auf. "Meine Güte, krieg dich wieder ein, ja? Und etwas mehr Vertrauen, wenn ich bitten darf. Oder bin ich deiner Ansicht nach wirklich so wenig vertrauensselig?" Bei dieser Frage geizte sie keinesfalls mit einem beleidigten Unterton herum, wurde kurz darauf aber wieder ruhiger in ihrer Stimmlage. "Hör mal, er hat mich darum gebeten, dass ich mit dir darüber spreche. Ich kann verstehen, wenn du nicht wirklich begeistert bist, aber immerhin hast du es doch auch schon in Erwägung gezogen, ihn an diesem Kampf mitwirken zu lassen. Also könntest du ihn doch bis dahin auch aus dieser Zelle raus lassen, oder? Was ist nun? Lässt du ihn frei?"

Sesshoumaru antwortete nicht sofort, sondern schritt stattdessen zunächst nur zum Fenster. Schließlich sagte er: "Ich werde ihn nicht direkt frei lassen. Von mir aus kann er ab morgen aus der Zelle, aber er darf das Schloss nicht eigenmächtig verlassen. Und sollte er es dennoch wagen, seine Spielchen mit uns zu spielen, werde ich keine Gnade mehr zeigen."

Innerlich atmete Kimie erleichtert auf. Auch, wenn Sesshoumarus letzte Äußerung einen etwas bitteren Beigeschmack hatte, zumindest hatte sie erreicht, was sie wollte. Ab morgen würde Takeshi nicht länger in seiner Zelle hocken müssen. Doch sie hoffte, dass er wirklich nichts Dummes tun würde, womit er Sesshoumarus Missgunst auf sich ziehen könnte.

Nach anfänglichem Zögern näherte sich Kimie ihm und ergriff seinen Arm. "Danke."

Sesshoumaru schaute sie an, ehe er nach einem Moment behutsam seine Arme um sie legte. Nur, weil sie ihn darum gebeten hatte, hatte er sich dazu entschieden, Takeshi aus seiner Zelle zu lassen. Andernfalls hätte er ihn wohl noch länger da drin ausharren lassen. Störend war nach wie vor der Gedanke, dass Takeshi Kimie liebte. Und wenn er ab morgen sozusagen frei wäre, könnte er sich ihr ohne Probleme nähern. Es war nicht Kimie gewesen, der Sesshoumaru misstraute, es war Takeshi. Dieser war zwar kein Idiot und wusste durchaus, wo seine Grenzen waren, aber das musste nicht wirklich was heißen. Sesshoumaru würde ihn auf jeden Fall im Auge behalten.
 

Als Ashitaka erwachte, war es in seinem Zimmer fast völlig dunkel. Nur eine einzelne kleine Öllampe spendete ein wenig Licht. Doch er war nicht allein, wie er rasch erkannte, als er seinen Kopf kurz zur Seite drehte. Neben seinem Schlaflager lag Miyuki schlafend auf dem Boden. Eine Decke hielt sie warm. Ashitaka vermutete, dass seine Mutter ihr diese umgelegt haben musste, bevor sie sich selbst für die Nacht zurückgezogen hatte. Noch spürte Ashitaka zwar die Folgen des Kampfes gegen Rokou, doch fühlte er sich trotzdem wieder etwas besser. Als er wieder zu Miyuki schaute, musste er leicht lächeln. Sie sah schon sehr süß aus, wie sie so da lag.

Eine Weile beobachtete er sie einfach nur, bis sie sich irgendwann regte und verschlafen ihre Augen öffnete. Kaum, dass sie Ashitaka direkt ins Gesicht geblickt hatte, setzte sie sich auf.

"Oh! Ich muss eingeschlafen sein." Es klang schon beinahe wie eine Entschuldigung.

"Du solltest besser auf dein Zimmer gehen, Miyuki-chan", schlug Ashitaka ihr vor. "Hier ist es doch zu ungemütlich für dich. Ich meine, so auf dem blanken Boden."

Doch Miyuki winkte ab. "Nein, schon gut. Ich hätte sonst eh nicht schlafen können. Aber sag mal, wie geht es dir denn inzwischen?"

"Besser." Er wollte sich vorsichtig aufsetzen, da war sie schon dabei gewesen, ihn daran zu hindern.

"Ashitaka, beweg dich besser nicht! Bleib lieber liegen!"

"Schon gut. Mach dir keinen Kopf." Zwar spürte er noch hier und da ein leichtes Ziehen, welches von seine Verletzungen ausging, aber es war erträglich gewesen. Dennoch bedurfte es noch eines kleinen Augenblickes, bis dieses unangenehme Gefühl wieder nachließ, nachdem er sich aufgesetzt hatte.

"Komisch..."

"Was ist?" Ashitaka war etwas verwirrt. Miyukis Äußerung wusste er zunächst überhaupt nicht einzuordnen.

"Nichts, aber es ist nur etwas ungewohnt. Ich meine deine Haare", erklärte sie ein wenig verschüchtert.

Ashitaka fuhr sich kurz mit einer Hand über den Nacken, der nach wie vor von seinen Haaren bedeckt war. Es fehlte eben lediglich der lange Zopf. Ein wenig merkwürdig war es zwar auch für ihn gewesen, aber lieber ein paar Haare geopfert, als etwas anderes. "Eigentlich hat es auch etwas Gutes."

"Hm?"

"Na, du kannst mich nicht mehr an meinen Haaren ziehen." Dieses freche Grinsen... Anscheinend hatte Ashitaka zumindest seinen Humor nicht verloren. Und noch amüsierter wirkte er, als er diesen leicht beleidigten Gesichtsausdruck von Miyuki wahrnahm. Aber eigentlich wollte er sie diesmal nicht aufziehen. Vielmehr gab es etwas anderes, was er mit ihr hatte bereden wollen. Und dieser Augenblick erschien im als der richtige. "Das mag sich jetzt zwar etwas komisch anhören, aber erinnerst du dich noch, Miyuki-chan? Ich hatte dir noch etwas versprochen. Ich schulde dir noch eine Antwort."

Miyuki war nun doch etwas überrascht, obwohl sie wusste, worauf Ashitaka anspielte. "Aber... der Kampf ist doch noch gar nicht vorbei. Du meintest doch, du wolltest warten, bis alles vorbei wäre."

Er zuckte wie beiläufig mit den Schultern. "Okay, wenn du das so siehst, kann ich auch gerne noch warten. Kein Problem!"

"Ey, du bist fies!", beschwerte sie sich sofort. "Du weißt doch ganz genau, dass du mich jetzt neugierig gemacht hast. Das ist Folter, wenn du jetzt einen Rückzieher machst!"

Wieder musste Ashitaka leicht lächeln. Er hatte sie mal wieder erwischt. Nichts desto trotz wollte er sie natürlich nicht länger auf die Folter spannen und sie hörte ihm auch sehr aufmerksam zu, als er zu sprechen begann: "Hör mal, für mich ist das Ganze ein wenig schwierig und ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel. Du bist immerhin die kleine Schwester meines besten Freundes, und genau das ist ein Grund, weshalb ich persönlich es vorgezogen hätte, wäre auch unsere Beziehung eine rein platonische Freundschaft geblieben. Ansonsten hätte ich immer ein etwas merkwürdiges Gefühl bei alldem. Denn Tôya ist für mich wie ein Bruder, verstehst du?"

Diese Aussage traf Miyuki schon sehr hart. Das hieß wohl, Ashitaka fühlte anders als sie. Sie liebte ihn zwar, aber er sie nicht. Dennoch bemühte sie sich um Fassung. "Ich... verstehe. Es ist schon okay, ich verstehe schon. Schließlich kann ich dich unter diesen Umständen wohl kaum dazu zwingen, dass du dich ebenfalls in mich verliebst... Dann bleiben wir eben einfach nur Freunde. Damit bin ich auch zufrieden..." Doch nicht nur sie, sondern auch Ashitaka wusste, dass das so im Grunde nicht stimmte.

"Das war aber nicht alles. Es gibt da noch etwas", fuhr er nach einer kurzen Pause fort.

Miyuki, die inzwischen nur noch zu Boden blickte, wagte kaum nachzufragen: "Und... was soll das sein?"

"Ich habe mich eben wohl etwas ungeschickt ausgedrückt. Dann spreche ich jetzt Klartext: Auch, wenn Tôya für mich fast so was wie ein Bruder ist, bedeutet das nicht gleichzeitig, dass ich dich als eine Art kleine Schwester betrachte. Das habe ich nie, und für mich bist du inzwischen auch weitaus mehr, als bloß eine Freundin. Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass ich mir doch ein wenig Sorgen mache."

Miyuki war verwirrt. So sehr, dass sie zunächst nur im Bezug auf Ashitakas letzte Äußerung fragte: "Aber... aber warum? Warum machst du dir Sorgen?"

"Hey! Wenn du unter solchen Umständen wegen mir mal schlechte Laune haben solltest, kriege ich von Tôya garantiert 'nen Mordsärger. Du bist doch schließlich so was wie sein Augapfel. Ich wäre also ziemlich schlecht bedient, sollte ich mal etwas anstellen, was dir missfällt. Denn so gesehen wird er mich in Zukunft wohl sehr genau im Auge behalten", antwortete er, obwohl er Tôya nie einen Anlass dafür geben würde, ihn ins Gebet nehmen zu müssen.

Nichts desto trotz war Miyuki noch immer leicht verunsichert. "Und... was heißt das jetzt genau?"

Ashitaka lächelte. Anscheinend wollte sie es ganz genau wissen. Den Gefallen konnte er ihr gerne tun. Behutsam nahm er ihre Hand. "Ich hätte es dir schon eher sagen sollen, denn fast wäre ich nicht mehr dazu gekommen. Aber versprochen ist versprochen und ich bin froh, dass ich noch leben darf, um dir antworten zu können." Und dann sagte er endlich das, worauf sie so sehnsüchtig gewartet hatte: "Daisuki... Miyuki-chan."

Miyukis Augen weiteten sich leicht, als wäre das für sie eben völlig überraschend gekommen. Und in gewisser Weise hatte sie befürchtet, sie hätte Ashitaka falsch verstanden, aber dem war nicht so. Er hatte es wirklich gesagt!

Ashitaka wartete noch einen Augenblick, dann beugte er sich ein wenig zu ihr vor, so dass er ihre Lippen sanft mit seinen berühren konnte. Erstaunt riss Miyuki zunächst nur völlig perplex die Augen auf, entspannte sich aber sogleich wieder und ließ es einfach geschehen. Sie schloss ihre Augen, während sie noch immer Ashitakas Lippen auf ihren spürte. Sie waren so angenehm weich und warm. Zu gerne hätte sie jetzt die Zeit angehalten, um diesen Augenblick noch möglichst lange genießen zu können...

Was die beiden zu diesem Zeitpunkt nicht wussten war, dass Tôya direkt vor dem Zimmer stand. Eigentlich hatte er noch mal nach Ashitaka und auch nach Miyuki schauen wollen, doch was er von deren Gespräch mitbekommen hatte und die darauf folgende Stille waren für ihn Hinweise genug gewesen. Im Moment würde er wohl eher stören, also kehrte Tôya mit einem leichten Lächeln auf den Lippen wieder in sein Zimmer zurück und ohne auf sich aufmerksam gemacht zu haben.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Nachdem Renhou allein in Akumas Schloss zurückgekehrt war, war allen sofort klar gewesen, was passiert war. Zudem hatte Yu das Erlöschen von Rokous Chi bereits im Vorfeld gespürt. Akuma hatte sich diesbezüglich jedoch genau so unbeeindruckt gezeigt, wie schon bei Tobas Tod, und hatte sich in seine Privaträume zurückgezogen. Renhou, Yu und Jin hingegen beschäftigte diese Sache auch im Nachhinein noch.

"Nun sind also bereits zwei der fünf Hüter besiegt worden..." Yu richtete nachdenklich den Blick in Richtung Boden.

"Tse! Als ob ich es geahnt hätte." Jin verschränkte die Arme vor der Brust. "Das musste irgendwann ja mal so kommen! Tja, stellt sich wohl die Frage, wen von uns es als nächstes erwischen wird, was?"

Diese eher beiläufig gemachte Äußerung schürte in Renhou unbeabsichtigt das Gefühl von Wut und ebenso aggressiv war auch der Ton gewesen, mit welchem er Jin nun ansprach: "Jin! Weißt du was? Du... Ach, vergiss es!" Renhou rauschte an ihm vorbei, ohne darauf zu achten, dass er ihn beinahe umgerannt hätte.

Neben einem verächtlichen Schnaufen hatte Jin mal wieder einen abfälligen Kommentar parat gehabt: "Wie ist der denn drauf? Seid wann ist Renhou denn zu so einem Sensibelchen mutiert? Oder sollte ich besser Weichei sagen?"

Yu schwieg dazu. Stattdessen machte er sich sogleich daran, Renhou zu folgen, sodass Jin letztendlich als Einziger zurückblieb.

"Tse! Was habt ihr denn auf einmal alle für ein Problem?" Jin konnte dieses ganze Theater nicht so wirklich nachvollziehen. Was brachte es denn schon, sich über Rokous Tod groß aufzuregen? Die Situation würde sich dadurch schließlich auch nicht ändern, obwohl Jin für sich selbst zugeben musste, dass auch ihn die ganze Sache inzwischen nachdenklich stimmte. Wer konnte schon voraussehen, was als nächstes geschehen würde?

Yu fand Renhou in dessen Zimmer vor. Die Schiebetür war halb offen gewesen, weshalb er ohne großes Zögern eintrat, nachdem er sich bemerkbar gemacht hatte. Renhou stand mit dem Rücken zu ihm an der Wand und hatte sich mit einer Hand leicht an dieser abgestützt.

"Renhou?"

"Es war meine Schuld. Ich hab's verbockt", sagte Renhou sogleich.

Yu wagte nun, sich ihm weiter zu nähern. "Mach dich nicht für das verantwortlich, was mit Toba und Rokou passiert ist. Dich trifft keine Schuld."

"Ich bin zu spät gekommen und nur deshalb ist Rokou jetzt auch tot."

"Es ist nicht klar, ob du was hättest tun können."

"Vielleicht nicht, aber ich hätte es zumindest versuchen können. Aber nicht mal dazu kam ich..." Mit einem leichten Aufseufzen drehte er sich zu Yu um. "Als Anführer der Hüter trage ich die Verantwortung. Aber anscheinend bin ich nicht dazu in der Lage, meine Leute zu schützen..."

"Jeder von uns ist selbst für das verantwortlich, was er tut", entgegnete Yu. "Toba und Rokou haben ihre eigenen Entscheidungen getroffen und haben die Konsequenzen für ihr Handeln zu spüren gekriegt. Es wäre falsch, wenn du dir weiter Vorwürfe machen würdest."

Renhou entgegnete nicht sofort etwas darauf, als brauchte er erst einen Augenblick, um sich zu sammeln. "Vielleicht hast du ja Recht, Yu, aber trotzdem... Ich werde den Gedanken einfach nicht los, dass es nicht so weit hätte kommen müssen." Wieder seufzte er leise. "Takeshi-sama hatte vermutlich Recht. Wir begehen womöglich einen großen Fehler, wenn wir diesen Kampf weiterführen..."

"Was willst du dagegen tun?", fragte Yu.

"Ich werde mit Akuma-sama sprechen", antwortete Renhou, nun wieder mit diesem Ton von Entschlossenheit in der Stimme. Und ohne eventuell noch groß zu zögern schritt er an seinem Kameraden vorbei und verließ den Raum.

"Was? Renhou! Aber was willst du ihm denn sagen?" Doch darauf erhielt Yu keine Antwort mehr, denn Renhou war bereits fort gewesen.

Zielstrebig durchquerte er die Gänge des Schlosses bis er letztendlich an Akumas Privaträumen angelangt war. Nachdem er angeklopft hatte und von seine Herrn hinein gebeten worden war, betrat Renhou das Zimmer. "Verzeiht, aber ich muss dringend mit Euch sprechen, Akuma-sama."

"Um was geht es?", fragte Akuma kühl.

"Es geht um diesen Krieg gegen Sesshoumarus Clan", stellte Renhou ohne Scheu von vornherein klar. "Akuma-sama, haltet Ihr es wirklich für eine gute Idee, wenn wir so weitermachen? Bedenkt doch bitte die weiteren möglichen Folgen."

Ein wenig überrascht schien Akuma nun doch gewesen zu sein. "Seit wann machst du dir so viele Gedanken um die Folgen eines Kampfes, Renhou? Das hier ist doch schließlich nicht der erste Krieg, an dem du teilnimmst."

"Das ist wahr, aber das ist erste Mal, dass ich diese Zweifel in mir spüre." Sein Blick senkte sich leicht. "Ich weiß nicht genau, woran es liegt, aber ich habe ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache. Toba und Rokou hätten nicht sterben müssen. Es wäre vermeidbar gewesen."

"Das hier ist ein Krieg, Renhou. Da kann man es sich nicht aussuchen, wer stirbt und wer nicht." Akuma verspürte keine große Lust, diese Unterhaltung noch allzu sehr ausschweifen zu lassen. Überhaupt kam ihm Renhous Verhalten mehr als merkwürdig vor. Das war eigentlich nicht seine Art gewesen oder er hatte sie bisher schlichtweg gut verborgen.

"Es ist ja nicht nur wegen Toba und Rokou", ergriff Renhou wieder das Wort. "Bei allem Respekt, ich werde inzwischen einfach den Eindruck nicht los, dass Ihr diesen Krieg gegen die Inu-Youkai nur deshalb wieder aufgenommen habt, weil dieser Naraku Euch beeinflusst hat. Erst, als er hier aufgetaucht ist, habt Ihr doch wirklich wieder damit begonnen, Euch wegen der Inu-Youkai Eure Gedanken zu machen. Sonst hättet Ihr den Kampf doch schon wesentlich früher wieder aufnehmen können!"

Renhou wusste es selbst, er forderte Akuma mit seinen direkten Aussagen wenn nicht sogar indirekt heraus, aber was sollte er tun? Er hatte seine Meinung über Naraku lange genug für sich behalten.

"Willst du damit etwa andeuten, ich ließe mich von einem dahergelaufenen Hanyou allzu leicht kontrollieren?", fragte Akuma seinen Gefolgsmann prüfend.

"Ich will lediglich sagen, dass ich Naraku nicht traue", erwiderte Renhou entschieden. "Dieser Kerl treibt ein falsches Spiel mit uns! Man kann ihm nicht vertrauen! Auch Euer Bruder war schon lange dieser Ansicht."

Soeben schien Akuma etwas auf diese Aussage erwidern zu wollen, da bemerkten sowohl er als auch Renhou an der noch offenen Tür eben jenen Hanyou, um den es gerade ging. Aufmerksam schaute Naraku einmal von einer Person zur anderen. "Komme ich gerade ungelegen?"

Von Renhous Seite hörte man sofort dieses mahnende Knurren. "Was willst du hier?"

"Renhou, ich denke, das reicht erst mal", mischte sich Akuma plötzlich ein. "Ich bin durchaus dazu in der Lage, selbst darüber zu bestimmen, was ich tue. Wenn du willst, können wir unsere Unterhaltung später noch fortsetzen, doch jetzt würde ich es vorziehen, wenn du gehst."

Zuerst wollte Renhou dem energisch widersprechen, doch er wusste, dass dies nichts bringen würde. Also verneigte er sich nur vor seinem Herrn, ehe er spürbar widerwillig das Zimmer verließ. Als er dabei an Naraku vorbeikam, warf er diesem diesen überaus finsteren Blick zu, doch Naraku konterte nur mit seinem üblich hinterhältigen Lächeln.

Nachdem Renhou gegangen war, betrat Naraku den Raum. "Renhou scheint ein wenig schlecht gelaunt zu sein. Hängt das mit dem zusammen, was jüngst geschah? Mir ist da nämlich zu Ohren gekommen, dass ein weiterer deiner Krieger gefallen ist."

"Stimmt, aber ich glaube kaum, dass du hier bist, um mir dein Beileid auszusprechen, Naraku", entgegnete Akuma schon beinahe zynisch.

Naraku jedoch behielt seine ruhige Ausdrucksweise. "Zugegeben, das ist wahrlich nicht der Grund, weshalb ich hier bin. Aber es gibt da etwas anderes. Wenn du es gestattest, Akuma, würde ich gerne eine kleine Bemerkung verlauten lassen."

"Um was geht es denn?"

"Dein Bruder Takeshi... Mir scheint, er hat deinen Clan und dich verraten."

Sofort hatte Akuma aufgehorcht. "Das ist eine schwere Anschuldigung, die du da erhebst, Naraku. Ich hoffe für dich, dass du sie beweisen kannst, ansonsten garantiere ich dir nicht, dass du diese Räumlichkeiten wieder lebend verlassen wirst. Warum sollte Takeshi mich verraten?", entgegnete er mit bedrohlicher Ruhe. Es grenzte schon an eine bodenlose Unverschämtheit, dass dieser Hanyou es wagte, eine derartige Behauptung aufzustellen.

"Der Grund dafür ist ganz einfach", antwortete Naraku, ohne sich in irgendeiner Form beunruhigt zu zeigen oder dergleichen. "Dein Bruder hat sich offensichtlich in das Mädchen namens Kimie verliebt. Er war es auch, der Sesshoumaru davon berichtet hat, wo genau sich dein Schloss befindet. Nur deshalb kam er her, um sie zurück zu holen. Und Takeshi hat das Mädchen auch besucht, als sie hier war. Hat er dir davon berichtet?"

In der Tat, das hatte Takeshi nicht getan. Akuma wirkte nun doch in gewisser Weise verunsichert. Sein Bruder sollte sich allen Ernstes in dieses Menschenmädchen verliebt haben? In Sesshoumarus Gefährtin? Das war doch absurd! Doch da fiel ihm wieder ein, dass sich Takeshi merkwürdig besorgt gezeigt hatte, während Kimie hier im Schloss gewesen war. War an Narakus Anschuldigungen also doch etwas dran gewesen?

>Takeshi... Hast du deinen Clan wirklich für ein normalsterbliches Mädchen hintergangen?<
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Kimie erwachte im Laufe der Nacht. Sie bemerkte gleich, dass Sesshoumaru nicht mehr neben ihr lag. Als sie sich aufsetzte, entdeckte sie ihn auf der Veranda stehen. Sein Blick war nachdenklich zum Sternenhimmel hinaufgerichtet.

Nachdem sie aufgestanden war und ihren Yukata etwas gerichtet hatte, stellte sich Kimie an die Tür. "Sesshoumaru? Es ist mitten in der Nacht. Was ist los?"

"Ich habe eine Entscheidung getroffen", antwortete er und wandte sich zu ihr um. "Noch weiß ich zwar nicht, ob es mir in irgendeiner Form nützen wird, aber dennoch werde ich es versuchen."

"Was denn?" Kimie war neugierig geworden. Was mochte sich Sesshoumaru überlegt haben?

Nach einem kurzen Moment der Stille sprach er weiter: "Ich werde versuchen, mehr über das zu erfahren, was damals beim Kampf meines Clans gegen die Ryû-Youkai passiert ist. Zu diesem Zweck werde ich zum Grab meines Vaters gehen."

"Zum Grab deines Vaters?!" Kimie fiel aus allen Wolken. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet...

Alte Bürden

Ein wenig unschlüssig stand Renhou nun vor Akuma, nachdem dieser ihn noch mitten in der Nacht zu sich bestellt hatte. Dass, was Renhou von seinem Herrn in den letzten paar Minuten erfahren hatte, stimmte ihn nachdenklich.

"Glaubt Ihr wirklich, dass Euer Bruder Euch verraten hat, Akuma-sama?"

"Auf jeden Fall befindet er sich wohl schon seit einiger Zeit in Sesshoumarus Schloss", entgegnete Akuma ernst. Er saß am geöffneten Fenster auf der Fensterbank. Das bleiche Mondlicht fiel von hinten auf ihn und seine Gestalt hob sich angesichts der leicht entfalteten Schwingen wie ein unheimlicher Schatten vom Nachthimmel ab. "Nachdem Takeshi verschwunden war, habe ich zwar auch mal in Erwägung gezogen, dass er in Gefangenschaft geraten sein könnte, aber dass er sich auf die andere Seite schlägt..."

"Und wenn Naraku Euch in der Hinsicht belogen hat?", gab Renhou zu bedenken. "Warum sollte sich Takeshi-sama gerade in dieses Mädchen verliebt haben?"

"Nun, er zeigte sich schon in gewisser Weise besorgt, während wir sie hier gefangen hielten." Akuma faltete die Hände auf dem Schoß. "Aber nun gut, Renhou, wenn du willst, kannst du gerne versuchen, Näheres herauszufinden. Und außerdem schuldest du Sesshoumaru ohnehin noch eine Revanche, nicht wahr?"

Renhou wirkte ein wenig verunsichert. Wollte Akuma etwa, dass er zum Schloss der Inu-Youkai ging?

"Sesshoumaru plant dem Anschein nach, das Grab seines Vaters zu besuchen", erklärte Akuma nach einem Augenblick der Stille. "Und dieses liegt bekanntlich an der Grenze zwischen Dies- und Jenseits. Eine nahezu perfekter Ort für die letzte Ruhe des jungen Erben, meinst du nicht auch?"

Renhou ballte seine Hand zur Faust. "Sagt mir, ist das auch alles ein Plan von Naraku?"

"Kein Plan, von ihm habe ich lediglich die Informationen", antwortete Akuma gleichgültig. Es schien, als wartete er auf eine Reaktion seines Gefolgsmannes, aber diese blieb zunächst aus.

"Was ist aus Euch geworden? Ich erkenne Euch gar nicht mehr, Akuma-sama." Renhou blickte seinem Herrn ernst in die Augen. "Früher hättet ihr einem so windigen Kerl wie diesem Naraku doch niemals auch nur ansatzweise zugehört! Liegt es an den Juwelensplittern, die er Euch versprochen hat? Er wird sich doch niemals an diese Abmachung halten! Wollt Ihr wirklich auf die Worte dieses Hanyou vertrauend Euren Clan direkt in den Untergang führen?!" In diesem Moment hatte sich Renhou nicht mehr zurückhalten können. Zu lange schon hatte er dem Treiben von Naraku nur stumm zugesehen, ohne Akuma je auch nur etwas von seinen Zweifeln zu erzählen. Doch jetzt war das Maß voll! Takeshi war in feindliche Gefangenschaft geraten, Toba und Rokou waren tot, und das alles nur, weil Naraku sein infames Spiel schon zu lange hatte spielen können. Das musste aufhören!

Angespannt wartete Renhou auf Akumas Reaktion. Er hatte die Autorität seines Herrn diesem Gegenüber von Angesicht zu Angesicht angezweifelt und das stand ihm eigentlich nicht zu. Akuma jedoch blieb die erste Zeit über merkwürdig ruhig. Unheimlich ruhig...

"Renhou, ich weiß, dass du kein Idiot bist. Trotzdem scheine ich dich daran erinnern zu müssen, dass, so lange ich hier das Sagen habe, Treulosigkeit stets mit dem Tode bestraft wird." Er stand auf und kam auf Renhou zu, ehe er ihn grob am linken Handgelenk packte und dieses auf Augenhöhe hochhielt. "Es gibt da etwas, was du besser nicht vergessen solltest. Einst hast du nämlich einen Schwur geleistet. Du versteckst es zwar, aber trotzdem kannst du davor nicht davonlaufen!" Akuma verstärkte seinen Griff etwas. "Also, kümmere dich darum, dass Sesshoumaru und jeder, der eventuell mit ihm zum Grab von Inu no Taishou gehen sollte, nicht mehr hierher in diese Welt zurückkehren kann!"

Endlich ließ er wieder von Renhou ab. Dieser schwieg anfangs nur und es schien, als wollte er zuerst Anstalten machen, zu widersprechen, doch dann verneigte er sich leicht. "Wie Ihr befiehlt, Akuma-sama." Und ohne dem noch etwas hinzuzufügen, verließ er die Privaträume seines Herrn nun wieder. Renhou folgte dem dunklen Gang bis zum Ende, dann blieb er stehen.

//Es gibt da etwas, was du besser nicht vergessen solltest//, hallte in seinem Kopf die Stimme von Akuma wider. //Einst hast du nämlich einen Schwur geleistet. Du versteckst es zwar, aber trotzdem kannst du davor nicht davonlaufen!//

Nachdenklich ruhte Renhous Blick auf der Innenseite seines Handgelenks. Der Schoner verbarg das, was ihn stets an seinen Eid erinnern sollte. Seine Bürde... Als er damals seinen Schwur ablegte, hätte er zu diesem Zeitpunkt nie gedacht, dass er es vielleicht mal bereuen würde.

"Renhou."

Als Renhou aus seinen Gedanken gerissen aufschaute, stand Yu nur wenige Schritte von ihm entfernt. Anhand des Blickes seines Kameraden, wusste Renhou sofort, dass er diesem nichts mehr erklären musste.

"Ich tue es nicht gerne, aber ich habe keine andere Wahl", sagte Renhou. "Ich werde so bald wie möglich aufbrechen. Dazu brauche ich deine Hilfe, Yu. Du musst für mich ein Tor öffnen, das mich an die Grenze zum Dies- und Jenseits bringt."

"Wenn du das so möchtest", entgegnete Yu nur mit gewohnter Ruhe, obwohl man einen Unterton von Ernsthaftigkeit in seiner Stimme hatte heraushören können. Und da war nach noch mehr gewesen. Zweifel... "Renhou, du sagtest eben, du tust das nicht gerne. Spielst du etwa mit dem Gedanken, dich Akuma-sama zu widersetzen?"

Renhou schüttelte kaum merklich den Kopf. "Wenn, dann würde ich das nur tun, um ihm und unseren Clan zu helfen. Aber ich kann es nicht... Das weißt du."

"Aber dein Vorhaben... Wenn das schief geht, dann kommst du womöglich nicht mehr zurück."

"Ja, ich weiß. Doch wie gesagt, ich habe keine andere Wahl. Du weißt ja, was ansonsten passieren würde, und dann könnte ich gar nichts mehr tun. Weder für unseren Herrn noch für unseren Clan." Er ging an Yu vorbei, verharrte für einen Augenblick aber noch mal. "Jin hat von alldem keine Ahnung. Es ist sein Streben, mich eines Tages im Kampf zu besiegen und an meiner Stelle Anführer der Hüter zu werden, aber er weiß nicht, was das für ihn bedeuten würde. Jin ist jemand, dem seine Freiheit und Unabhängigkeit praktisch über alles geht. Und er glaubt, wenn er stärker wird, kann er sich diese am besten erhalten. Doch wenn er an meiner Stelle wäre... dann wäre er im Grunde nur ein Gefangener. Es ist schändlich, dass ich selbst das erst jetzt so richtig begreife." Und ohne dem noch etwas hinzuzufügen, ging Renhou wieder seinen Weg.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

"Wie bitte?! Sesshoumaru will zum Grab von seinem und Inu Yashas Vater?" Kagome war nicht minder überrascht gewesen, als der Rest der Gruppe, nachdem Kimie mit den neuesten Neuigkeiten rausgerückt war. Sie alle hatten sich vor den Eingangstüren des Schlosses auf der Veranda versammelt.

"Das hat er zumindest so gesagt", entgegnete Kimie. "Ich frage mich ja auch, was er damit bezweckt. Er meinte, er wolle in Erfahrung bringen, was vor tausend Jahren genau passiert ist."

Shippou kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Aber mit Toten kann man doch nicht sprechen. Wie will er denn da was herausfinden?"

"Tse! Ich wusste doch schon immer, dass der Typ schräg drauf ist!", blaffte Inu Yasha schnippisch. "Und wie will er überhaupt zu dem Grab kommen? Also, ich helfe ihm bestimmt nicht! Das kann er gleich knicken!"

"Ihr könntet ihm sowieso nicht helfen, Inu Yasha-sama", mischte sich Myouga, auf der Schulter des Hanyou sitzend, ein. "Eure schwarze Perle hat immerhin ihre Funktion erfüllt und ist somit schon lange verschwunden. Sesshoumaru-sama muss also einen anderen Weg finden, um zum Grab Eures verehrten Vaters zu gelangen."

"Na, dann soll er das mal versuchen. Mir ist das nämlich vollkommen egal!"

"Wie könnt Ihr nur so reden?! Immerhin sprechen wir hier immerhin vom Grab Eures hoch verehrten Vaters!"

Mit einem entnervten Aufseufzen schnippte Inu Yasha den Flohgeist von seiner Schulter fort. In diesem Moment öffneten sich die Türen des Schlosses und eine glücklich lächelnde Miyuki trat hinaus. "Hallo! Guten Morgen, Freunde!"

"Äh... Ja, guten... Morgen, Miyuki-chan...", erwiderte Sango nur ziemlich perplex, als das Dämonenmädchen auch schon fröhlich summend an der Gruppe vorbeigegangen und um die nächste Ecke gebogen war. "Oh... Es hat sie aber wirklich schlimm erwischt."

"Was meinst du damit, Sango? Ist sie etwa krank oder hat sie sich was eingepfiffen?", fragte Inu Yasha ahnungslos, woraufhin sofort dieses bedauernswerte Seufzen durch die Gruppe ging.

"Siehst du das etwa nicht, Inu Yasha?", fragte Kagome schon beinahe tadelnd. "Dabei liegt es doch klar auf der Hand: Miyuki-chan ist bis über beide Ohren verliebt!"

"Hä? Und in wen bitteschön?"

Kagome konnte es nicht glauben. So blind konnte doch nicht mal Inu Yasha sein!? "Na, in wen wohl? In Ashitaka-kun natürlich! Hast du das die ganze Zeit über etwa wirklich nicht mitgekriegt?"

Der Hanyou hob skeptisch eine Augenbraue. "Und du bist dir sicher, dass das nicht einfach nur ihre noch anhaltende Freude darüber ist, dass Tôya noch lebt?"

"Ich geb's auf...", stöhnte das Mädchen auf und ließ es damit gut sein.

Kimie blickte ein wenig verträumt zum Himmel hinauf. "Tja, der Frühling ist zwar schon seit einiger Zeit vorbei, aber entsprechende Gefühle blühen eben immer wieder neu auf." Ein kaum hörbares Seufzen entwich ihr, als sie ihren Kopf auf ihre Hand abstützte. "Beneidenswert... Ashitaka und Miyuki haben die Möglichkeit, so unendlich viel Zeit miteinander zu verbringen... Wenn ich mir dagegen uns Menschen so ansehe..."

Kagome tippte ihrer Cousine neckend auf die Schulter. "Tja, wer weiß? Vielleicht entdecken wir hier in ein paar Jahren ja einen Jungbrunnen oder so was. Wäre doch toll, oder?"

"Und vor allen Dingen äußerst praktisch!", lachte Kimie.

Inu Yasha jedoch verstand irgendwie nur Bahnhof. So richtig kam er bei den heutigen Gesprächsthemen nicht so ganz mit. Da hörte er Kagome ihn nach einem Moment

fragen: "Aber sag mal, Inu Yasha, möchtest du die Gelegenheit nicht nutzen und auch noch mal zum Grab deines Vaters gehen?"

"Hä? Und wozu soll das bitte gut sein?"

Sie zuckte leicht mit den Schultern. "Es ist nur so ein Gefühl, aber ich glaube, es wäre gut für dich."

Der Hanyou gähnte einmal gelangweilt. "Du und dein Gefühl... Na, das ist ja mal ein Argument."

Kagomes Augen blitzten leicht auf. "Was willst du damit sagen?", fragte sie prüfend.

Inu Yasha machte eine abwinkende Handbewegung. "Dass du dich zu sehr in Dinge einmischst, die dich nichts angehen, zum Beispiel." Doch als er sie ansah, wünschte er sich, er hätte besser nicht den Mund aufgemacht, allerdings war es da bereits zu spät gewesen.

"Osuwari!"

Und so fand dieses Gespräch ein jähes Ende...
 

Indes hatte sich Sesshoumaru bezüglich seines Vorhabens zu einer Unterredung mit Kakeru verabredet. In Kakerus Privaträumen saßen sie sich gegenüber und berieten sich darüber.

"Das Grab Eures Vaters?"

"Ja. Ich möchte von dir wissen, ob es eine Möglichkeit gibt, dorthin zu gelangen. Ich kann es mir nicht leisten, Zeit zu verlieren. Es muss rasch gehen." Sesshoumaru machte keinen Hehl daraus, dass er auf Teufel komm raus so schnell wie möglich das Grab besuchen wollte.

Kakeru ließ sich das alles noch mal durch den Kopf gehen. "Erhofft Ihr Euch auf diesen Weg etwas herauszufinden, was uns im Kampf helfen könnte?"

"Ich habe inzwischen so ziemlich jede schriftliche Aufzeichnung bezüglich der Ryû-Youkai und diesen Kampf damals mehrmals gelesen", erklärte Sesshoumaru ernst. "Aber ich habe noch immer nicht das Gefühl, als wüsste ich alles."

Kakeru schwieg zunächst. "Sesshoumaru-sama... Kann es sein, dass es noch einen anderen Grund für Euer Vorhaben gibt?"

Der junge Lord schaute auf. "Was meinst du damit?"

"Ich mag meine Sehkraft verloren haben, aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich nicht mitbekomme, was die Personen in meinem Umfeld beschäftigt. Im Gegenteil, inzwischen wage ich sogar zu behaupten, dass meine Wahrnehmung in der Hinsicht geschärfter ist als dies früher der Fall war." Er machte eine kurze Pause. "Sesshoumaru-sama, Ihr hättet Euren verehrten Vater in letzter Zeit gerne mehr als einmal um Rat gefragt, nicht wahr?"

Es schien, als käme sich Sesshoumaru im Moment ein wenig ertappt vor, doch sagen tat er erst mal nichts. In der Tat hatte er sich besonders in der jüngsten Vergangenheit oft vorgestellt, was sein Vater wohl getan hätte, der im Gegensatz zu ihm immerhin schon gegen Akumas Clan gekämpft hatte. Damals standen sich Inu no Taishou und Akumas Vater als Gegner gegenüber, und dieses Mal würden ihre beiden Söhne den Kampf fortführen.

"Hm! So weit bin ich also bereits?", fragte sich Sesshoumaru ein wenig zynisch. "Früher hätte ich meinem Gegner ohne großes Zögern oder gar Zweifel den Tod beschert."

"Doch die Ryû-Youkai sind keine gewöhnlichen Gegner", sagte Kakeru. "Selbst Euer Vater vermochte ihren damaligen Anführer nicht zu töten." Nach diesem Satz bekam er mit, wie sich Sesshoumaru aufrichtete.

"Akuma wird dieses Glück nicht haben", sagte er entschlossen. "Er hat sich genug erlaubt, es ist höchste Zeit, dass ich ihm seine Grenzen aufzeige. Bei unserer nächsten Konfrontation werde ich ihn töten!"

"Vermutlich kommt dieser Augenblick früher als Ihr ahnt." Kakerus Stimme war um einiges ernster geworden, ehe er sein Haupt etwas senkte. "Bald ist es so weit. Ein dunkler Schatten erstreckt sich vom Norden her immer weiter über das Land. Der entscheidende Kampf rückt unaufhaltsam näher."

Sesshoumaru setzte sich wieder. "Kakeru? Wie hast du den Kampf damals miterlebt?"

Kakeru hob kaum merklich eine Augenbraue, aber dann musste er doch leicht lächeln. Irgendwie erinnerte ihn das an die vielen Male, in denen er Sesshoumaru, als dieser noch ein Kind war, auf alle möglichen Fragen eine Antwort präsentieren musste. Oft hat er sich diesbezüglich mit Inu no Taishou ausgetauscht, denn wenn der eine Mal keine Antwort parat hatte, wurde eben schnell mal der andere gefragt. Nur waren die Hintergründe für Sesshoumarus Wissbegierde damals noch ganz andere...

"Wie habe ich ihn miterlebt...", wiederholte Kakeru wie zu sich selbst. "Nun, mag sein, dass der Kampf gegen die Ryû-Youkai einer der wenigen ist, an die ich mich noch sehr genau erinnern kann. Vielleicht liegt es daran, dass unser Clan damals viele Krieger verloren hat. Andere wurden so schwer verletzt, dass sie an den Folgen starben, und von denjenigen, die dennoch überlebten, waren viele von da an nicht mehr in der Lage, zu kämpfen. Ich will ehrlich zu Euch sein, Sesshoumaru-sama. Ich verabscheue den Krieg und den Kampf. Und seit jenem Tag noch mehr denn je."

Sesshoumaru konnte nicht verbergen, dass diese Worte für ihn recht unvorhergesehen gekommen waren. Aber er unterbrach Kakeru nicht, sondern wartete geduldig.

"Ich hatte Glück, meine Verletzungen waren nicht sehr schwerwiegend. Aber Euer Vater hatte in diesem Kampf seine ganze Kraft gebraucht, um Akumas Vater zu besiegen und ihn zum Rückzug zu zwingen. Drei Tage lang war unklar, ob unser Clan vielleicht sogar einen neuen Anführer bestimmen musste."

Sesshoumaru bewahrte zwar seine Haltung, doch eine gewisse Unsicherheit kam nun in ihm hoch. Von diesem Vorfall hatte er auch in den zahlreichen Schriftrollen gelesen, aber das alles noch mal direkt aus Kakerus Mund zu hören, war doch wieder eine etwas andere Sache gewesen.

"Sesshoumaru-sama? Ist alles in Ordnung?"

Sesshoumaru horchte auf. "Ja... Ja, doch. Ich war nur in Gedanken."

Einen Moment lang herrschte wieder Stille.

"Es gäbe da einen Weg", sagte Kakeru plötzlich, womit er wieder auf das eigentliche Anliegen seines jungen Herrn zurückkam. "Es gibt eine Möglichkeit, wie Ihr zum Grab Eures Vaters gelangen könntet. Wollt Ihr denn noch heute dort hin?" Als Sesshoumaru die Frage bejahte, fuhr Kakeru fort: "Gut, aber es könnte noch ein wenig dauern, bis alles so weit bereit sein wird. Ich kümmere mich darum und gebe Euch dann Bescheid."
 

Nachdem er mit Kakeru alles so weit geregelt hatte, hatte Sesshoumaru Kimie aufgesucht, um ihr den neuesten Stand der Dinge mitzuteilen. Sie hatte sich sofort dazu bereit erklärt, ihn zu begleiten und wartete nun mit Spannung und einem Funken Ungewissheit auf diesen Augenblick. Natürlich hatte sie Kagome und den anderen gleich von allem erzählt. Es bedurfte zwar noch des einen oder anderen Arguments von Kagome, aber letztendlich schien auch Inu Yasha damit einverstanden gewesen zu sein, das Grab seines Vaters ein weiteres Mal aufzusuchen.

Wieder zurück in ihrem Zimmer wuselte Kimie unter den aufmerksamen Augen von Inuki ein wenig in dem Raum herum. Für den Besuch am Grab von Inu no Taishou brauchte sie im Grunde nichts mitzunehmen, trotzdem peilte sie zur Sicherheit noch mal die Lage. Ihr Schwert würde sie wohl auch nicht brauchen. Bis sie sich zusammen mit Sesshoumaru, Kagome und Inu Yasha jedoch auf den Weg machen würde, dauerte es immerhin noch ein wenig, weshalb sie die verbliebene Zeit dafür nutzen wollte, um ein wenig aufzuräumen.

Ein Klopfen an ihrer Tür ließ Kimie letztendlich inne halten. "Ja? Wer ist da?" Und als sich die Tür öffnete, war sie doch sichtlich überrascht gewesen. "Takeshi! Hat man dich also aus der Zelle gelassen?"

Takeshi nickte. "Ja, auf Anweisung von Sesshoumaru. Als ich ihm dankte, verwies er mich auf dich. Deshalb bin ich hier. Also, vielen Dank, dass du mit ihm geredet hast."

Ein wenig verlegen winkte Kimie ab. "Ach, du musst mir nicht danken. Es ist schon in Ordnung. Du kannst übrigens ruhig reinkommen. Du musst da nicht stehen bleiben."

Ihrer Aufforderung folgend, betrat Takeshi nun das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Für einen kurzen Moment fiel sein Blick auf Inuki, der jedoch nach wie vor ruhig auf dem Boden lag. Indes huschte Kimie immer wieder von einer Seite des Zimmers zur anderen.

"Was machst du da?"

"Ich vertreibe mir die Zeit", antwortete sie im Vorbeigehen. "Sesshoumaru, Kagome, Inu Yasha und ich wollen nämlich nachher zum Grab von Sesshoumarus und Inu Yashas Vater. Bis dahin sorge ich hier ein wenig für Ordnung."

Als Kimie daraufhin im Nebenzimmer verschwand, folgte Takeshi ihr nach kurzem Zögern. "Ihr wollt... zum Grab von Inu no Taishou?", fragte er noch mal nach, als wollte er sicher gehen, dass er nichts falsch verstanden hatte.

Kimie nickte und ließ ihre Tätigkeiten zunächst etwas ruhen, um sich besser mit Takeshi unterhalten zu können. "Ja. Allerdings habe ich noch keine Ahnung, wie wir da hinkommen sollen. Angeblich befindet sich das Grab in so einer Art Zwischendimension. Irgendwas mit der Grenze zum Dies- und Jenseits, das hat Sesshoumaru mir zumindest so erzählt. Er selbst war ja wohl schon mal da, ebenso wie Inu Yasha und Kagome. Wir können jetzt jedoch nicht mehr auf den selben Weg dort hingelangen, wie sie damals. Aber Kakeru hat offensichtlich schon eine andere Idee."

Takeshi wirkte ein wenig verunsichert. "Was erhofft ihr euch denn von diesem Besuch an dem Grab?"

"So genau weiß ich das auch nicht, aber Sesshoumaru will wohl versuchen, etwas über diesen Kampf vor 1000 Jahren herauszufinden." Wie genau er das jedoch anstellen wollte, war Kimie noch ein absolutes Rätsel gewesen. Sie war sich nicht mal sicher, ob Sesshoumaru selbst es überhaupt wusste. Allerdings brachten sie die ganzen Überlegungen bezüglich des Besuches des Grabes von Inu no Taishou nun auf etwas anderes und sie fragte Takeshi: "Sag mal, darf ich dich was fragen, Takeshi? Wie war dein Vater denn eigentlich so?"

Der junge Ryû-Youkai wirkte anfangs zwar etwas überrascht über diese Frage, dennoch antwortete er nach einem Moment, wenn auch mit leicht gesenktem Blick: "Ehrlich gesagt, ich habe ihn gar nicht wirklich gekannt. Mag sein, dass ich seine Erwartungen nicht ausreichend genug erfüllt habe, weshalb er nie ein wirkliches Interesse an mir zeigte. Anders als bei meinem Bruder..." Ein kaum merkliches, etwas bitter wirkendes Lächeln erschien auf seinen Lippen.

Kimie hingegen hatte nach dieser

Antwort nachdenklich zu Boden geschaut. "Das ist unfair! Ein Vater sollte doch eigentlich für jedes seiner Kinder da sein."

"Nun ja, sein Interesse beschränkte sich mehr darauf, aus Akuma einen würdigen Nachfolger für die Position des Anführers unseres Clans zu machen. Ein wirkliches Vater-Sohn-Verhältnis hatte wohl keiner von uns beiden zu ihm. Dennoch hätte unser Vater mir vermutlich etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt, wäre ich ein wenig mehr wie Akuma gewesen."

"Wünsch dir das besser nicht", widersprach Kimie jedoch sofort. "Sei lieber froh, dass du nicht auch so ein skrupelloser, arroganter, rücksichtsloser..." Sie brach ab, als sie Takeshis irritiertes Gesicht sah, und wirkte nun doch ein wenig peinlich berührt. "Ähm... Entschuldigung. Ich wollte eigentlich nur sagen, eifere Akuma in der Hinsicht besser nicht nach. Dein Charakter ist schon ganz in Ordnung. Und dieses brutale Gehabe passt ohnehin nicht zu dir."

"Und genau das ist meine Schwäche..." Nach dieser Bemerkung war es nun Kimie gewesen, die etwas irritiert wirkte, weshalb Takeshi ihr sogleich zu erklären versuchte: "In meinem Clan herrschen raue Sitten. Wer nicht stark genug ist, hat so gut wie keine Chancen, sich zu behaupten. Neben der Tatsache, dass ich der jüngere Bruder des Anführers des Clans bin, bin ich der Einzige unter uns, der die Fähigkeit hat, vom Körper und Geist eines anderen Besitz zu ergreifen. Das schreckt die anderen ab und schützt mich deshalb in gewisser Hinsicht vor potenziellen Angriffen. Andernfalls wäre ich wohl bestimmt schon längst tot."

Nachdem er geendet hatte, stand Kimie einfach nur so da, als hätte sie eben der Schlag getroffen. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. "Meine Güte... Was sind denn das bitte für Zustände? Auf die Dauer kann man so doch nicht leben!"

Takeshi zuckte wie beiläufig mit den Schultern. "Man gewöhnt sich daran. Besonders, wenn man es nie anders kennen gelernt hat."

Kimie schwieg nun eine Weile und ließ sich das alles noch mal durch den Kopf gehen. Wie konnte jemand, der im Grunde eine so sanfte Natur hatte, in einer derartigen Umgebung überleben, ohne dabei auf die Dauer verrückt zu werden? Und so wie Takeshi sich geäußert hatte, hatte es irgendwie so geklungen, als hätte er bisher mit praktisch niemanden wirklich reden können. Nach einigem Zögern wagte sie eine weitere Frage an ihn zu richten: "Mh... Und was ist mit deiner Mutter?"

"Sie starb kurz nachdem ich geboren wurde. Ich habe sie nie kennen gelernt", antwortete Takeshi ausgeglichen, wenngleich doch so was wie heimlicher Kummer in seiner Stimme mitschwang.

Bedauernd schaute Kimie zu Boden. "Tut mir Leid, diese Erinnerungen bei dir geweckt zu haben. Es fällt dir bestimmt schwer, darüber zu reden."

"Nein, ist schon gut", entgegnete er mit einem schwachen Lächeln. "Du konntest es ja schließlich nicht wissen. Mach dir nichts draus."

Es kehrte eine Phase der Stille ein, als hätten die beiden nicht gewusst, was sie als nächstes hätten sagen können. Kimie drehte sich zum Fenster um und öffnete es ein wenig. Eine leichte Brise wehte in den Raum hinein. Plötzlich spürte sie, wie Takeshi sich dicht hinter sie stellte und ihr seine Hände auf die Schultern legte. "Takeshi...?"

"Bitte sag nichts", unterbrach er sie. "Ich weiß, es ist falsch, aber bitte... Nur für diesen einen Augenblick. Mehr will ich nicht..."

Kimie erwiderte nichts darauf. Stattdessen ließ sie ihn nach anfänglichem Zögern gewähren. Takeshi tat ja im Grunde auch nichts weiter, er hielt sie lediglich fest. Ihr war zwar trotzdem nicht ganz wohl dabei, aber ebenso unbehaglich wäre ihr zumute gewesen, hätte sie ihn von sich gewiesen.

Innerlich tat es Takeshi Leid, dass er Kimie jetzt allzu offensichtlich in Bedrängnis brachte, aber er konnte im Moment einfach nicht anders. Sie und er waren allein in diesem Raum. Endlich wurden sie mal nicht beobachtet, wie die Wächter es immer getan hatten, wenn sie ihn mal wieder besuchen gekommen war. Ihr so nahe zu sein, war für ihn unbeschreiblich. Er hätte sie nur umzudrehen brauchen und er hätte sie küssen können, doch er tat es nicht. Er durfte nicht noch weiter gehen. Andererseits hätte für ihn zwar auch die Möglichkeit bestanden, die Kontrolle über ihren Geist zu übernehmen. Zumindest würde sie sich im Nachhinein nicht mehr an das, was in der Zwischenzeit passiert war, erinnern, doch diese Möglichkeit kam für ihn von vornherein nicht in Frage! Es wäre hinterhältig und absolut schäbig, auf solche Mittel zurückzugreifen. So kam es, dass Takeshi schließlich, ohne noch was getan zu haben, wieder von Kimie abließ und einen Schritt zurücktrat.

"Verzeih mir bitte", sagte er nach einem Moment. "Ich weiß, ich dürfte mich dir so eigentlich nicht nähern, aber zu meiner Schande muss ich mir wohl eingestehen, dass ich in der Hinsicht wohl doch zu schwach bin..."

Kimie schüttelte leicht den Kopf. "Nein, schon gut..." Das war alles, was sie gerade sagen konnte, auch wenn es ein wenig seltsam klang. Dennoch würde sie Sesshoumaru davon wohl nichts erzählen. Sie wollte einfach verhindern, dass Takeshi deswegen vielleicht Schwierigkeiten bekam, obwohl er im Grunde nichts gemacht hatte.

Unschlüssig standen sie beide im Moment einfach nur so rum, ohne sich anzusehen oder etwas zu sagen. Es war schließlich Takeshi, der als erster den Mut aufbrachte, das Wort zu ergreifen: "Kimie? Kann ich... dich etwas fragen?"

"Was denn?"

"Nun..." Er senkte leicht den Blick. "Es mir ein schon ein wenig unangenehm, aber könntest du... könntest du dir vielleicht vorstellen, mich auf einen kleinen Spaziergang zu begleiten? Einfach nur so..."

Kimie taute wieder ein wenig auf. "Du meinst durch den Garten?"

Takeshi schüttelte den Kopf. "Nein, außerhalb."

Abrupt wurde sie wieder unsicher. "Ich glaube, das ist keine so gute Idee. Sesshoumaru will nicht, dass du das Schloss verlässt."

"Und... wenn du mich begleitest?"

"Hm... Ich weiß nicht recht..."

"Bitte. Und wenn du Probleme kriegen solltest, nehme ich alles auf meine Kappe." Es lag nicht in Takeshis Absicht, Kimie etwa in Schwierigkeiten zu bringen. Das wäre nun wirklich das letzte, was er vorgehabt hätte. Allerdings stand es wohl außer Frage, dass er sie mit seine Bitte eben genau in diese Ecke trieb. Da tat es ihm schon wieder Leid, dass er überhaupt den Mund aufgemacht hatte.

Takeshi wollte sich gerade entschuldigen und sein Anliegen zurücknehmen, als Kimie jedoch sagte: "Na gut, okay. Aber nur kurz, ja? Vielleicht so zehn oder fünfzehn Minuten."

Er nickte einverstanden. "Soll mir recht sein. Danke."

Als Takeshi ohne Umschweife auf die Veranda hinaustrat, war Kimie aber doch ein wenig irritiert gewesen. "Äh, Takeshi? Die Tür ist doch..."

"Wir brauchen keine Tür", entgegnete er aber nur lächelnd.

"Wie? Was hast du denn vor?"

"Warte ab. Sag mal, hast du Höhenangst?"

Kimie zuckte leicht mit den Achseln. "Nicht direkt... Warum fragst du?"

"Wirst du gleich sehen. Leg deine Arme um meine Schultern." Er drehte ihr den Rücken zu und spreizte seine Schwingen zu den Seiten aus. Nachdem Kimie nach kurzer Überlegung getan hatte, was Takeshi ihr gesagt hatte, ging er leicht in die Knie. "Halt dich gut fest, ja?" Und mit einem Satz stieß er sich vom Boden.

Kimie entfuhr ein kurzer Schrei. Vor Schreck hatte sie die Augen zugekniffen und sich noch mehr an Takeshi geklammert. Sie wollte etwas sagen, doch traute sie sich anfangs gar nicht, irgendetwas zu tun. Hätte sie das vorher gewusst, hätte sie sich wohl gar nicht erst darauf eingelassen. Als sie sich irgendwann doch noch traute, ihre Augen leicht zu öffnen, zuckte ein grelles Licht direkt vor ihr auf, weshalb sie gleich wieder wegsah. Kimie vermochte nicht zu sagen, wie hoch Takeshi bereits flog und wo genau sie beide sie sich eigentlich gerade befanden.

"Du musst keine Angst haben. Mach die Augen auf, Kimie."

Kimie zögerte, aber dann kam sie der Aufforderung nach. Erst da bemerkte sie, dass Takeshi sich in einen Drachen verwandelt hatte, und sie schon seit geraumer Zeit relativ sicher auf seinem Rücken saß. Genauer gesagt, saß sie knapp vor den Ansätzen seiner Schwingen, und hatte ihre Arme um seinen Hals geschlungen.

"Ist alles in Ordnung?", fragte Takeshi nach einem Augenblick und wandte seinen Kopf leicht zu dem Mädchen um.

Kimie wagte es nun, sich aufrecht hinzusetzen. "Du scheinst mir da was verschwiegen zu haben... Du hast von einem Spaziergang geredet, aber nicht von einem Spazierflug."

"Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht erschrecken", entschuldigte er sich.

Nachdem sie sich ein wenig an das Fliegen gewöhnt hatte, schaute Kimie sich etwas genauer um. Sie flogen nicht allzu hoch, trotzdem erschien der Wald unter ihnen wie ein einziges, grünes Meer aus Blättern. In einiger Entfernung konnte man noch das Schloss erkennen. Takeshi schien bewusst darauf zu achten, sich nicht allzu weit davon zu entfernen. In regelmäßigen Abständen schlug er mit seinen Schwingen. Dabei hallte stets ein dumpfer Laut in der Luft wider. Das Sonnenlicht fiel auf die dünne Membran der Flügel, wodurch sie fast durchsichtig erschien, und im Schein der Sonne schimmerten Takeshis Drachenschuppen wie Herbstlaub in einem leuchtenden, rötlichbraunen Glanz.

"Wow! Das ist toll! Fantastisch!", staunte Kimie. Mittlerweile genoss sie den Flug richtig. Es gab einem irgendwie das Gefühl von Freiheit. Sie fand es beneidenswert, dass Takeshi dieses Gefühl stets erleben konnte, wann immer er es wollte.

"Ich hörte, die Inu-Youkai können auch fliegen", bemerkte er.

"Ja, stimmt", bestätigte sie ihn. "Allerdings bin ich mit Sesshoumaru immer nur mit Ah-Un zusammen geflogen."

Takeshi flog eine weite Kurve. "Kimie? Was willst du eigentlich später machen? Ich meine, wenn dieser Krieg vorbei sein wird."

Diese Frage überraschte Kimie im ersten Moment, stimmte sie dann jedoch nachdenklich. "Nun ja... Ich würde gerne hier bleiben. Aber natürlich muss man erst abwarten, was noch passieren wird..."

"Wirst du mitkämpfen, wenn es so weit ist?"

"Sesshoumaru will nicht, dass ich mich an diesem Krieg beteilige. Er würde mich wohl am liebsten aus allem raushalten." Ein leichter Unterton von Trotz lag in ihrer Stimme.

"Das ist doch gut", meinte Takeshi jedoch. "Dann kommst du zumindest nicht in Gefahr."

"Aber wenn alle anderen kämpfen und ich sitze nur dumm rum, komme ich mir so idiotisch vor. Wie ein kleines Kind, auf das man immer aufpassen muss."

"Aber du hast mit dieser Sache doch ohnehin nichts zu tun. Das ist eine Angelegenheit, die allein meinen Clan und die Inu-Youkai etwas angeht."

"Mag ja sein, aber es scheint, als ob Inu Yasha, Kagome und die anderen auch mitkämpfen werden, und dann geht mich das doch auch etwas an!", widersprach Kimie. Und wenn alle anderen sich tatsächlich an diesem Kampf beteiligen würden, wollte sie auch auf jeden Fall ihren Teil leisten.

Takeshi schwieg diesmal. Ihm wäre es eigentlich auch viel lieber, würde Kimie sich aus alldem raushalten. Aber es stand nicht in seiner Macht, ihr etwas zu verbieten.

Die Zeit verging im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug, als Takeshi zum Schloss zurückkehrte. Schon von weitem sah er Sesshoumaru auf dem Hof stehen. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sein Blick zeugte nicht gerade von großem Wohlwollen, als er Takeshi bei seinem Landeanflug beobachtete. Nachdem Kimie abgestiegen war, verwandelte sich der Ryû-Youkai wieder zurück.

Sesshoumarus prüfender Blick wanderte von einer Person zur anderen, ehe er letztendlich Kimie anschaute. "Also? Ich warte auf eine Erklärung."

Gerade wollte sie zum Sprechen ansetzen, als Takeshi ihr jedoch zuvor kam: "Es war meine Schuld. Ich habe sie dazu überredet, dass..."

"Mit dir habe ich nicht geredet!", unterbrach Sesshoumaru ihn scharf. "Du hast nur dann zu sprechen, wenn du gefragt wirst! Ist das klar?"

"Jetzt mach Takeshi doch nicht so an, Sesshoumaru!", mischte sich Kimie nun ein. "Es war nur ein kleiner Spazierflug, und nicht etwa so, als hätte er mich gekidnappt."

Zuerst entgegnete Sesshoumaru nichts auf ihren Einwand. Stattdessen gab er Takeshi mit einem Nicken zu verstehen, dass er gehen und sie beide allein lassen sollte. Nur widerwillig kam Takeshi dieser Anweisung nach und verschwand im Schloss.

Schließlich wandte sich Sesshoumaru wieder an Kimie: "Wie kann man nur so unbesonnen sein? Was glaubst du, was hier für ein Chaos geherrscht hat, nachdem der Kerl mit dir so auf und davon geflogen ist? Alle sprachen anfangs sogar von einer Entführung. Nur, weil ihr beide stets vom Schloss aus zu sehen gewesen ward, habe ich es abgelehnt, jemanden hinter euch her zu schicken. Auch, wenn du nicht so fühlst wie er, ich sehe es dennoch nicht gerne, wenn ihr euch zu nahe kommt."

Kimie seufzte einmal leise. "Du tust ja fast schon so, als hätten wir beide sonst was angestellt... Hatten wir nicht erst letztlich über Vertrauen gesprochen?"

"Dir vertraue ich schon, aber bei ihm ist das eine andere Geschichte."

"Er wird schon nicht über mich herfallen, wie ein wildes Tier. Dafür ist er einfach nicht der Typ."

"Man sollte seine Feinde nicht vorschnell beurteilen."

"Jetzt hör aber mal auf! Takeshi ist kein Feind!" Allmählich hatte Kimie genug. Diese Diskussion ging ihr spürbar gegen den Strich, aber davon ließ sich Sesshoumaru nicht beirren.

"Sei nicht so naiv!", entgegnete er ernst. "Er ist immer noch ein Ryû-Youkai und noch dazu Akumas Bruder."

Kimie verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. "Wow, das sind ja voll die Beweise für seine Boshaftigkeit..." Das letzte Wort hatte sie übermäßig sarkastisch betont. "Wenn es nach solchen Dingen ginge, müsste ich dir doch auch misstrauen. Immerhin warst du früher nicht gerade für deine Fürsorglichkeit und Liebenswürdigkeit bekannt."

Sesshoumaru hob nach dieser Ansage kaum merklich eine Augenbraue. "Du solltest dich lieber daran gewöhnen, bestimmte Regeln zu beachten. Du besitzt zwar durchaus deine Freiheiten, aber trotzdem kannst du dir nicht alles erlauben."

"Und behandel du mich nicht so, als wäre ich dein Eigentum! Das bin ich nämlich nicht, kapiert? Muss ich dich etwa wegen jedem kleinkarierten Mist erst um Erlaubnis fragen und darf mich nicht mal einem anderen Mann nähern, ohne dass gleich praktisch von Ehebruch gelabert wird? Mag ja sein, dass die Denkweise in dieser Ära hier ein wenig verstaubt ist, aber bei aller Liebe, DEM passe ich mich nicht an! Da musst du mich wohl schon einsperren!" Wütend stapfte Kimie an ihm vorbei, teilweise schon mit diversen Gedanken daran, dass sie vielleicht wieder mal etwas überreagiert hatte, aber es fiel ihr eben immer noch irgendwie schwer, sich in solchen Dingen zurückzuhalten. Da spürte sie einen Griff an ihrem rechten Handgelenk und blieb abrupt wieder stehen.

"Wer weiß? Vielleicht wäre das gar keine so schlechte Idee, dich einzusperren", meinte Sesshoumaru mit diesem etwas merkwürdigen Unterton in der Stimme.

Kimie wandte ihren Blick von ihm ab, versuchte aber nicht, sich von ihm loszureißen. "Versuch's doch! Aber dann bist du mich bei der ersten Gelegenheit schneller wieder los, als du gucken kannst!"

Eigentlich erwartete sie, dass er darauf mit einem entsprechenden Konter antworten würde, doch stattdessen zog er sie nur an sich und legte seine Arme um sie.

"Dummkopf. Glaubst du wirklich, ich würde dich irgendwo einsperren?" Als sie ihm darauf nicht antwortete, sprach Sesshoumaru weiter: "Und außerdem wolltest du dich doch eigentlich nicht mehr streiten. Das hast du selbst gesagt."

"Ich weiß, was ich gesagt habe!", entgegnete Kimie noch mit diesem leichten Hauch von Trotz in der Stimme, aber sie traute sich irgendwie nicht so recht, sich gewaltsam wieder von ihm zu lösen. Ihr anfänglicher Ärger verflog allmählich wieder. "Entschuldige...", murmelte sie letztendlich in seinen Kimono hinein. "Zugegeben, ich hätte dir wohl besser Bescheid sagen sollen, dass ich etwas mit Takeshi unterwegs war, aber ich bezweifle, dass du uns einfach so deinen Segen gegeben hättest."

"Wäre das für dich so verwunderlich gewesen?" Sesshoumaru hatte diese Frage schon so wissend gestellt, als hätte er genau vorausgesehen, dass Kimie sie verneinen würde. Zwar schüttelte sie nur den Kopf, aber auch das war schließlich eine Antwort gewesen.

"Ich mache es dir wirklich nicht gerade leicht, was?", fragte sie und schaute zu ihm hoch. Auf Sesshoumarus Lippen erschien ein etwas geheimnisvoll wirkendes Lächeln.

"Zumindest wird es so nie langweilig", meinte er, ehe er sich leicht zu Kimie hinunterbeugte und ihr einen sanften Kuss gab, den sie nur zu gern erwiderte.

Unbemerkt von den beiden hatte sich Takeshi zuvor hinter der Tür versteckt, nachdem er ins Schloss gegangen war, und hatte das weitere Gespräch von dort aus mitverfolgt. Durch einen kleinen Spalt beobachtete er die Szene zwischen Sesshoumaru und Kimie. Die beiden in so inniger Umarmung zu sehen, stimmte ihn wehmütig und versetzte seinem Herzen einen Stich. Aber er hatte ja schon von Anfang an gewusst, auf was er sich da eingelassen hatte. Dass das Mädchen, das er liebte, bereits einem anderen gehörte. Es war ein für ihn aussichtsloses Unterfangen, und dennoch wollte und konnte er nicht so einfach aufgeben. In einem gewissen Sinne war er ein Gefangener seiner eigenen Gefühle.

>Hm... Ich bin wirklich ein Idiot...<, schalt Takeshi sich selbst, ehe er sich von der Tür entfernte und den einsamen Gang entlang schritt.
 

Zwei Stunden vergingen. Mit gemischten Gefühlen standen die einzelnen Personen nun in diesem Raum, in welchem sich außer einem großen Gegenstand, der unter einem schwarzen Tuch verborgen war, nichts befand. Inu Yasha, Kagome und ihre Freunde, ebenso wie Sesshoumaru, Kimie, Rin und Jaken blickten stumm zu Kakeru, der direkt neben diesem geheimnisvollen, verhüllten Gegenstand stand. Er entfernte schließlich das Tuch nun und enthüllte damit einen Spiegel. Das Merkwürdige war, dass seine Oberfläche gänzlich schwarz gewesen war und er zeigte auch keine Spiegelbilder. Eingefasst war er in einem kunstvollen, goldenen Rahmen, der oberhalb mit dem Motiv eines Drachen und unterhalb mit dem eines Phönix, dessen ausgebreitete Flügel links und rechts einen Teil es Rahmens ausmachten, verziert gewesen war. Die Darstellung des Drachens war die eines typisch asiatischen Drachens gewesen, mit dem ungeflügelten, schlangenartigen Körper. Die Blicke der Anwesenden ruhten lange auf dem Spiegel.

"Dieser Spiegel ermöglicht es, je nach Wunsch in eine andere Welt zu gelangen", erklärte Kakeru ruhig. "Dazu muss man nur an die jeweilige Welt denken, dann öffnet sich ein entsprechendes Tor. Natürlich muss man eine Vorstellung von dem Ort haben, an den man gelangen will, sonst kann es passieren, dass man irgendwo im Nichts landet, ohne die Chance, wieder zurückkehren zu können." Er wandte sich an Sesshoumaru: "Sesshoumaru-sama, wenn Ihr an Eurem Vorhaben nach wie vor festhaltet, dann deutet mit Tenseiga genau auf den Spiegel."

Als Sesshoumaru daraufhin nach vorne trat und Tenseiga zog, nahm er gleich das leichte Pulsieren seines Schwertes war. Auch der Spiegel schien darauf zu reagieren, denn es war so, als würde von ihm ausgehend ein leichter Wind in den Raum dringen. Sesshoumaru hob Tenseiga auf Augenhöhe, während er auf die Oberfläche des Spiegels deutete. Dabei dachte er an den Ort, wo sich das Grab seines Vaters befand. Der Ort, der die Grenze zwischen dem Dies- und dem Jenseits darstellte. Der anfänglich schwache Wind wurde nun etwas stärker und als die Klinge von Tenseiga aufzuleuchten begann, passierte das Gleiche mit der Oberfläche des Spiegels. Einige wandten geblendet ihre Blicke ab, bis das Licht schon nach wenigen Sekunden wieder verschwand. Stattdessen wurde das Bild im Spiegel allmählich heller, bis man letztendlich so was wie Nebel erkennen konnte. Als Tenseigas Klinge nicht mehr leuchtete, steckte Sesshoumaru sein Schwert wieder ein.

"Und?", fragte Kimie neugierig und trat nach vorne. "Hat es funktioniert?"

"Ja. Das Tor ist geöffnet",

antwortete Kakeru. "Nun könnt ihr in die Welt zwischen dem Dies- und dem Jenseits gelangen. Doch ihr habt nur genau eine Stunde Zeit, um euch dort aufzuhalten. Wenn ihr nicht rechtzeitig zurückkommt, seid für immer in dieser Welt gefangen."

"Ein Zeitlimit? Auch das noch..." Doch trotz dieser Aussichten war Kimie nach wie vor entschlossen, mitzugehen. Auch Inu Yasha und Kagome blieben bei ihrer Entscheidung. Bevor es jedoch losging, verabschiedeten sie sich noch von den anderen.

"Passt gut auf euch auf", bat Sango ihre Freunde. "Und kommt wohlbehalten wieder zurück."

"Keine Sorge, Sango-chan, es wird schon gut gehen", entgegnete Kagome optimistisch.

Inu Yashas Nörgeln lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn: "Hey, Kagome! Kommst du jetzt mit oder nicht? Es war ja schließlich deine tolle Idee, dass wir beide da auch hingehen, obwohl ich ja gar keinen Bock dazu habe!"

"Ach, und warum gehst du trotzdem?"

"Weil du mich genervt hast!"

"Wenn ihr endlich fertig seid, dann lasst uns gehen!", unterbrach Sesshoumaru den aufkeimenden Streit der beiden, ehe er einen Arm um Kimie legte und gemeinsam mit ihr zuerst durch den Spiegel ging.

"Komm endlich, Inu Yasha!", forderte Kagome den Hanyou auf, nachdem dieser nur missmutig vor sich hingemurmelt hatte, und war schon im Spiegel verschwunden. In diesem Moment wurde Inu Yasha wieder hellwach.

"Kagome! Jetzt warte gefälligst!" Frechheit! Erst trödelte sie und dann wartete sie nicht mal auf ihn! Eiligst sprang Inu Yasha ihr hinterher und fand sich sogleich in einer Art Dimensionstunnel wieder, wo um ihn herum alles aussah wie eine Art Strudel. Nur wenige Meter vor sich entdeckte er Kagome und bekam sie gerade noch zu fassen, ehe sie den Tunnel hinter sich gelassen hatten und sich mitten in der Luft wieder fanden. Unter sich sahen sie nur diese friedhofsgleiche Landschaft, über welche hier und da dichter Nebel hing. Wie schon bei ihrem allerersten Besuch an diesem Ort kam gleich eines dieser vogelartigen, fast gänzlich skelettierten Geschöpfe angeflogen, auf dessen Rücken Kagome und Inu Yasha sicher landeten. Und als hätte dieses Wesen ganz genau gewusst, wo sie hinwollten, flog es zielstrebig in eine bestimmte Richtung.

Indes schaute sich Kagome suchend um. "Wo sind denn Kimie und Sesshoumaru? Sind sie etwa schon beim Grab?"

"Nein, sie sind da vorne", beantwortete Inu Yasha die Frage des Mädchens und deutete nach vorne. Da entdeckte auch Kagome die beiden, allerdings bedienten sie sich nicht der gleichen Fluggelegenheit wie sie und Inu Yasha, sondern es war Sesshoumaru selbst, der sich und Kimie zum Ziel brachte. Kagome rief einmal nach ihrer Cousine, die sich sogleich umdrehte. Es dauerte nicht lange, dann hatten die beiden Nachzügler den Anschluss wieder gefunden.

"Ist bei euch alles in Ordnung?", fragte Kimie sofort, wobei sie aber etwas unschlüssig auf das merkwürdige Wesen starrte, auf dessen Rücken Kagome und Inu Yasha momentan ritten.

Kagome nickte. "Ja, aber das hier ist für uns auch nichts Neues. Wir waren ja immerhin schon einmal hier."

"Wir müssten auch gleich da sein", fügte Inu Yasha hinzu, wenngleich es aber etwas gelangweilt klang. Nach wie vor verspürte er keine große Lust darauf, wieder im Grab seines Vaters rumzustolpern, immerhin gab es hier nichts mehr für ihn, was ihm einen Grund dafür gegeben hätte, sich hier aufzuhalten. Schon beim ersten Mal war er ja nur widerwillig hergekommen und Sesshoumaru hätte sich die Antworten auf seine Fragen auch allein holen können.

Dem Gespräch der drei hörte Sesshoumaru mehr wie nebenbei zu. Sein Blick war die ganze Zeit über aufmerksam nach vorne gerichtet, als er schließlich etwas entdeckte. "Da vorne ist es."

"Hm?" Kimie hatte sich gleich zum ihm umgewandt und entdeckte hinter einigen dünnen Nebelschleiern ein riesenhaftes Skelett. "Was ist das denn?"

"Mein Vater."

Ungläubig schaute sie ihn an. "Was?! Diese gewaltigen Gebeine dort sind dein Vater?" Für Kimie war das alles kaum vorstellbar gewesen. Sie empfand ja schon Sesshoumaru als ziemlich groß, wenn er seine dämonische Gestalt angenommen hatte, aber das Skelett seines Vaters sprengte ja fast schon jegliche Vorstellungskraft. "Und... was tun wir jetzt?"

"Wir fliegen rein", erklärte Sesshoumaru.

Kimie schwieg nun. Während sie sich immer weiter dem Skelett näherten, wurde ihr immer mulmiger zumute. Und als es dann letztendlich durch das geöffnete Maul des Schädels geradewegs ins Innere der Gebeine ging, klammerte sie sich noch mehr an Sesshoumaru und kniff die Augen zu, als befürchtete sie etwa, die Gruppe würde gleich von einer Horde wild gewordener Geister attackiert werden. Sie öffnete ihre Augen erst wieder, als Sesshoumaru sie dazu aufforderte, und da hatten sie den Boden schon fast erreicht. Nach der sicheren Landung flog das vogelähnliche Geschöpf, welches Inu Yasha und Kagome hergetragen hatte, sogleich wieder davon und verschwand.

"Da kommen in mir gleich wieder die Erinnerungen an unseren ersten Besuch hier hoch...", murmelte Kagome nachdenklich, während sie sich umsah. Die Spuren der damaligen Auseinandersetzung zwischen Inu Yasha und Sesshoumaru waren hier und da noch immer erhalten geblieben. Dem Mädchen kam es so vor, als wäre das Ganze erst gestern passiert.

Auch Kimie schaute sich ein wenig um. Einerseits empfand sie das alles als äußerst imposant, aber irgendwie war es auch gruselig. Besonders beim Anblick der vielen Totenschädel, die auf dem Boden verstreut herumlagen. Kimie kniete sich hin und nahm einen davon in die Hand. Sie ließ ihn jedoch gleich wieder fallen, nachdem sie eine Weile in diese unheimlich dunklen Augenhöhlen geblickt hatte.

"Das hier kommt mir mehr vor wie ein Gruselkabinett...", bemerkte sie trocken. "Seid ihr sicher, dass wir hier etwas finden werden, was uns weiterhilft?"

"Frag Sesshoumaru. Der tut ja schließlich immer so schlau und außerdem war es ja sein toller Einfall, herzukommen", meinte Inu Yasha sarkastisch.

"Ich habe dich nie dazu aufgefordert, mich zu begleiten, Inu Yasha", entgegnete Sesshoumaru kühl. "Und anstatt dich zu beklagen, solltest du dich lieber nützlich machen. Vergiss nicht, wir können uns hier nicht ewig aufhalten."

"Lass diese Klugscheißerei! Ich bin ja schließlich nicht bescheuert!", motzte der Hanyou und wandte sich ab.

Bei genauerer Betrachtung schien es aber in der Tat nicht so zu sein, als könnte die Gruppe hier auf etwas Wichtiges stoßen. Das Einzige, was irgendwie Aufmerksamkeit erregte, war der goldene Sockel, in welchem einst Tessaiga steckte, aber mehr als eine Sitzgelegenheit schien er inzwischen auch nicht mehr gewesen zu sein.

"Das ist ja wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen...", seufzte Kimie irgendwann auf und ließ sich für einen Moment auf jenen Sockel nieder. "Was genau suchen wir eigentlich, Sesshoumaru? Wir haben ja nicht mal eine Vorstellung davon, wonach wir Ausschau halten müssen. Wie sollen wir nach etwas suchen, von dem wir nicht mal wissen, was es eigentlich ist und wie es aussieht?"

"Das Einzige, wonach ich suche, sind Antworten auf meine Fragen", erklärte Sesshoumaru nochmals, aber wirklich weiterhelfen tat das auch nicht.

"So weit war ich auch schon, aber WIE willst du diese Antworten denn bekommen?" Abwartend schaute Kimie zu dem Youkai hoch, doch diesmal schwieg er. Wusste er sich im Augenblick etwa selbst keinen Rat?

"Schauen wir uns draußen noch etwas um", schlug Kagome schließlich vor. "Vielleicht finden wir ja dort etwas."

Inu Yasha war damit einverstanden gewesen, aber bevor er sich mit Kagome auf den Weg machte, wandte er sich noch mal an Kimie: "Kommst du auch mit oder willst du lieber hier bleiben?" Denn Sesshoumaru schien sich seinerseits hier noch etwas umsehen zu wollen, allerdings glaubte Kimie nicht so recht, dass sie ihm im Moment groß helfen könnte, also sagte sie zu, Kagome und Inu Yasha zu begleiten.

"Und was ist mit dir?", fragte sie aber noch an Sesshoumaru gerichtet.

"Ich werde mich hier noch etwas umsehen", entgegnete dieser, was Inu Yasha aber nur recht sein konnte.

"Auch gut. Dann gehst du uns wenigstens nicht auf den Keks", meinte er nur, wobei er das ein wenig genervte Aufseufzen von Kagome und Kimie praktisch zu überhören schien. Dann machte er sich mit den beiden Mädchen auf den Weg nach draußen.

Kaum, dass die drei gegangen waren, schaute sich Sesshoumaru abermals um. Auch für ihn sah es nicht so aus, als könnte er hier irgendwelche Antworten finden, aber andererseits hatte er so ein merkwürdiges Gefühl, als hielte ihn hier etwas zurück. Letztendlich blieb sein Blick an dem goldenen Sockel hängen. Dieser Sockel... Etwas war eigenartig an ihm.

Sesshoumaru trat näher heran und betrachtete ihn genau. Die Kerbe von Tessaigas Klinge war in der Mitte noch immer gut zu sehen gewesen. Eigentlich war nichts Auffälliges an diesem Sockel, aber irgendwie hatte Sesshoumaru den Eindruck, als wäre da doch etwas. Mehr oder weniger unbewusst legte er eine Hand auf die glatte Oberfläche und stutzte. War das etwa eine Platte gewesen? War dieser Gegenstand etwa hohl und in seinem Inneren befand sich etwas? Diesen Fragen wollte Sesshoumaru sofort nachgehen. Er brauchte gar keinen sonderlich großen Druck auszuüben, denn die Platte ließ sich praktisch von selbst wegschieben. Doch kaum, dass Sesshoumaru einen schmalen Spalt freigelegt hatte, strahlte ihm dieses grelle Licht entgegen und er wich wieder zurück. Er hatte bereits seine Hand an Toukijin gelegt, doch bemerkte er schnell, dass von diesem Licht keine Gefahr für ihn ausging. Vielleicht war das sogar der Hinweis, auf den er gehofft hatte.

Sesshoumaru wartete bis das Licht wieder etwas blasser wurde. Aber anstatt, dass es verschwand, wurde nach und nach ein Bild sichtbar. Zuerst konnte man nur schemenhaft etwas erkennen, aber als alles nach und nach klarer wurde, stutzte er etwas. Sesshoumaru sah sich selbst jemandem gegenübersitzen, den er gar nicht kannte. Es war ein Junge von schätzungsweise 17 Jahren

gewesen, wenn man allein nach seiner äußeren Erscheinung ausging, aber dieser Junge war ein Hanyou! Seine weißen, aufrecht stehenden Ohren verrieten ihn. Und dennoch sah er Sesshoumaru vom Gesicht her irgendwie ähnlich, besonders durch das halbmondförmige Zeichen auf der Stirn. Aufmerksam beobachtete der Youkai nun das Geschehen...
 

* ~ ~ *

"Du wolltest mich sprechen, Vater?"

Auf die Frage seines Gegenübers hin nickte Sesshoumaru. "Ja, das ist richtig. An unseren Grenzen treiben sich in letzter Zeit einige Youkai herum. Ich möchte, dass du dir das mal ansiehst, Katô, und herausfindest, ob sie etwas im Schilde führen."

Katôs Gesicht spiegelte eine gewisse Unsicherheit wieder. "Ganz allein?"

"Hast du etwa ein Problem damit?", fragte Sesshoumaru prüfend, woraufhin sein Sohn sofort beschwichtigend die Hand hob.

"Nein, das ist es nicht. Ich war nur etwas überrascht." Und nach einer kurzen Pause fragte er weiter: "Und... wann soll ich mich auf den Weg machen?"

"Nach Möglichkeit jetzt gleich."

"In Ordnung." Katô neigte den Kopf wie zu einer Verbeugung leicht nach vorne, dann nahm er sein Schwert zur Hand und stand vom Boden auf.

"Darf ich ihn begleiten, Vater?", hörte man aus dem Hintergrund plötzlich eine jugendliche, männliche Stimme fragen.

Sesshoumaru, der ebenfalls aufgestanden war, wandte sich um. "Nein, Seiji, du wirst hier bleiben. Dein Bruder wird das mit Sicherheit auch allein schaffen."

Seiji, der mit dem Rücken an der Wand lehnte, zuckte die Achseln. "Na gut. Aber dann begleite ich ihn noch wenigstens bis zu den Toren."

Katô, der schon an der Tür stand, warf seinem Bruder einen skeptischen Seitenblick zu. "Sehe ich so aus, als bräuchte ich dich als Babysitter?"

"Nein, aber du solltest vielleicht öfter mal lächeln", entgegnete der Jüngere vergnügt. "Lachen ist schließlich gesund, das sagt Mutter doch immer."

"Lächeln und lachen unterscheiden sich in gewisser Hinsicht voneinander", bemerkte Katô trocken und ohne seinen Bruder dabei anzusehen.

Seiji verschränkte mit einem Seufzen die Arme hinter dem Kopf. "Mann! Du bist ja vielleicht 'ne Spaßbremse..."

"Und von dir würde ich es sehr begrüßen, wenn du dich mal deinem Alter entsprechend benehmen würdest."

Sesshoumaru machte bereits Anstalten, sich in die Diskussion seiner Söhne einzumischen, als ihm jemand das jedoch abnahm.

"Jetzt lasst es doch gut sein, ihr zwei!"

"Mutter!" Seiji trat einen Schritt zur Seite, als Kimie sich zwischen ihn und seinen Bruder stellte.

"Kein Tag vergeht, an dem ihr euch nicht mindestens ein Mal in die Haare kriegt." Sie seufzte erschöpft. "Aber zumindest trachtet ihr nicht danach, euch gegenseitig die Köpfe einzuhauen, wie Inu Yasha und euer Vater es in der Vergangenheit gerne mal praktiziert haben." Als sie Sesshoumaru diesen verstohlenen Seitenblick zuwarf, schaute dieser wie zufällig weg, ohne dabei aber eine Miene zu verziehen.

Seiji grinste vergnügt. "Ach, keine Sorge, Mutter! Im Grunde haben wir beide uns doch lieb, oder?"

Katô verdrehte nur leicht die Augen, als sein Bruder ihm einen Arm um die Schulter legte. Er ersparte es sich, dazu noch etwas zu sagen, sonst hätte er wohl noch bis zum nächsten Tag hier herumgestanden und auf Seijis Kommentare geantwortet.

Nach einem Moment wandte sich Kimie an ihren älteren Sohn: "Wie dem auch sei... Sei bitte vorsichtig, Katô, ja?"

Er nickte mit einem leichten Lächeln. "Ja, Mutter. Keine Sorge, ich pass schon auf."

Katô wollte gerade das Zimmer verlassen und war schon so gut wie im Flur, als er hinter sich Seiji nach ihm rufen hörte: "Nii-san?"

"Was ist denn jetzt schon wieder, Seiji?" Katô hatte sich kaum umgedreht, da sprang sein Bruder wie über einen Bock über ihn rüber und stürmte den Gang entlang. Katô hatte gerade so verhindern können, dass er gefallen wäre.

"Los! Wer zuerst auf dem Hof ist!", lachte Seiji.

"Du spinnst doch! Hey, bleib stehen!" Sogleich nahm Katô die Verfolgung seines Bruders auf, und beide waren schon nach wenigen Sekunden an der Treppe angekommen und außer Sichtweite gewesen.

Sesshoumaru wirkte ein wenig verloren, wie er nun so in dem Zimmer stand und auf die offene Tür starrte. Noch immer konnte man die Stimmen von Katô und Seiji hören. Ein leises Seufzen entwich ihm.

Kimie wandte sich um. "Stört dich etwas oder warum seufzt du so schwer?"

"Die beiden sind praktisch erwachsen und benehmen sich des Öfteren immer noch, als wären sie Kinder. Besonders Seiji."

"Besser, als würden sie den ganzen Tag nur mit einer ernsten Miene rumlaufen. Sie sind schließlich bei weitem noch viel zu jung, um sich wie alte Griesgrame aufzuführen." Sie schwieg einen Augenblick, ehe sie weiter sprach: "Übrigens, Sesshoumaru... Nimm Katô nicht zu hart ran. War es überhaupt nötig, dass du ihn ganz allein losgeschickt hast?"

"Es ist eine Art Prüfung für ihn", entgegnete Sesshoumaru. "Katô ist ein guter Kämpfer, aber sein Problem ist, dass er in mancher Hinsicht noch zu unentschlossen ist. Da ist Seiji wiederum anders."

"Ja, aber dafür hat Seiji die schlechte Angewohnheit, gerne mal übereilt zu handeln."

"Das sind typisch menschliche Eigenschaften. Daran erkennt man ein weiteres Mal, dass sie Hanyou sind."

Als Kimie diesen Seitenblick von Sesshoumaru mitbekam, kreuzte sie sofort ihre Zeigefinger vor sich. "Jetzt schau nicht mich an! Du wusstest doch schließlich von Anfang an, worauf du dich einlässt. Oder schämst du dich etwa für die beiden, weil sie 'nur' Hanyou sind?"

"Unsinn! Das habe ich nie behauptet und schon gar nicht gedacht", rechtfertigte sich Sesshoumaru sofort.

Kimie verschränkte mit einem kecken Grinsen die Arme vor der Brust, wobei sich die langen Ärmel ihres Kimonos bis zu ihren Ellenbogen nach hinten schoben. "Gut! Ansonsten hättest du nämlich ganz schön Ärger mit mir bekommen, mein Lieber."

Er räusperte sich kurz. "Nun, wie dem auch sei, Katô wird später immerhin mal meinen Platz einnehmen. Da kann er es sich nicht leisten, unsicher zu sein."

"Hm... So lange du es nicht übertreibst..."

Ohne etwas darauf zu erwidern, warf Sesshoumaru einen Blick aus dem geöffneten Fenster. Soeben gingen Katô und Seiji über den Hof, wobei sie von einem schwarzen, wolfsähnlichen Hund begleitet wurden, bei dem es sich um Inuki handelte. Am Torbogen wechselten die beiden Brüder noch ein paar Worte, dann gab Seiji Katô noch einen leichten Klaps auf die Schulter, ehe sich ihre Wege trennten. Katô verließ das Schlossgelände und verschwand irgendwo inmitten der Bäume.

Sesshoumaru hatte sich kaum wieder von dem Fenster abgewandt, da hörte er von Kimies Seite ein leises Aufseufzen. "Geht es dir nicht gut?"

"Ich habe nur nachgedacht", antwortete sie, ohne ihn dabei anzusehen. "Irgendwie kommt mir das falsch vor. Eigentlich hätte ich kein Recht mehr darauf, hier zu sein. Schon lange nicht mehr..."

Dass sie gerade jetzt mit so was anfing, überraschte Sesshoumaru etwas, und er ging auf sie zu. "Was redest du da? Wärst du denn lieber tot?"

Kimie schüttelte den Kopf. "Nein, natürlich nicht! Aber je mehr ich darüber nachdenke... Vielleicht zerbreche ich mir auch nur zu sehr darüber den Kopf, aber an manchen Tagen habe ich irgendwie das Gefühl, dass ich im Grunde schon lange tot bin, aber andererseits auch wieder nicht. Ich kann es nicht erklären, aber es ist irgendwie... Ich weiß auch nicht so recht. Es ist, als hätte jemand meine Zeit zum Stillstand gebracht."

Ihre Worte waren verwirrend, selbst für Sesshoumaru. Er vermochte nicht zu erahnen, was genau gerade in ihr vorging.

"Du sagtest, du fühlst dich manchmal so, als wärst du tot...", wiederholte er und legte ihr von hinten sanft die Hände auf die Schultern. "Empfindest du es als so wenig lebenswert, was dir zugute gekommen ist?"

Kimie lehnte sich etwas an ihn. "Nein, das ist es nicht. Es liegt ja nicht daran, dass ich mich etwa unglücklich fühlen würde..." Sie seufzte einmal. "Aber vielleicht ist das auch einfach nur eine Macke, mit der ich auskommen muss für das, was mir gewährt worden ist."

Als sich für einen Augenblick Stille über den Raum legte, zog Sesshoumaru Kimie näher an sich heran. "Anstatt dir darüber den Kopf zu zerbrechen, solltest du dich lieber glücklich schätzen, dass du diese Chance bekommen hast. Ich verstehe, dass es dir noch ab und zu schwer fällt, dich daran zu gewöhnen. Aber andererseits bietet sich dir auch vieles, was anderen Menschen verwehrt bleibt."

"Aber warum ausgerechnet ich? Ich bin doch eigentlich genau so normal wie jeder andere Mensch und nichts Besonderes."

Da drehte Sesshoumaru Kimie zu sich um, um ihr direkt ins Gesicht blicken zu können. Vorsichtig strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Das sehe ich ein wenig anders." Dann gab er ihr einen sanften Kuss auf die Stirn.

Kimie lächelte kaum merklich und schmiegte sich an ihn. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass sie diese merkwürdigen Gedanken gehabt hatte, aber dafür beschäftigten sie sie jedes Mal aufs Neue. Trotzdem war sie froh und glücklich mit ihrem Leben, so wie es war...

Nach einer Weile ließ sie wieder von Sesshoumaru ab. "Hör mal, ich ziehe mich ein wenig zurück, in Ordnung?"

Er nickte einverstanden. "Ist gut. Wie du willst."

Nachdem Kimie ins Nebenzimmer gegangen war, machte sich Sesshoumaru selbst auf den Weg nach unten. Bei den Eingangstüren angekommen, entdeckte er wie erwartet Seiji draußen auf den Treppen sitzen. Bei ihm saß Inuki, der Sesshoumaru sogleich begrüßte, als dieser nach draußen getreten war. "Seiji, ich habe dir etwas mitzuteilen."

"Ja? Was ist, Vater?"

"Ich möchte, dass du auf dein Zimmer gehst und dein Schwert holst. Wir treffen uns gleich im Trainingsraum. Da ich Katô ja mit einer anderen Aufgabe betraut habe, werde ich heute mit dir trainieren."

Seiji wirkte ein wenig überrumpelt. Denn für gewöhnlich kam es eher selten vor, dass er im Training gegen seinen Vater antrat. Wenn überhaupt, dann hatte sich stets Katô mit Sesshoumaru gemessen und ansonsten hatten die beiden Brüder immer zusammen trainiert. Dementsprechend reagierte Seiji auch ein wenig zögerlich auf die Aufforderung seines Vaters. "Aber... gegen dich zu kämpfen, ist irgendwie anders, als gegen Nii-san..."

"Man kann sich seine Gegner eben nicht immer aussuchen", entgegnete Sesshoumaru sogleich, ehe er sich wieder zum gehen umwandte. "Beeil dich, ich gehe schon mal vor."

Letztendlich nickte sein Sohn zustimmend. "Okay. Ist gut, Vater."

Nachdem Sesshoumaru wieder gegangen war, begann Seiji sich bereits so seine Gedanken zu machen. Seine zwischen seinen Haaren hervorschauenden Ohren hatten sich schon ein wenig zu den Seiten geneigt. "Hm... Warum nur habe ich das dumme Gefühl, das könnte heftig werden...?" Noch einmal streichelte er Inukis Kopf, ehe er von den Treppenstufen aufstand und sich einmal streckte. "Ach, was soll's... Von nichts kommt bekanntlich nichts. Dann gehen wir die Sache mal an!" Danach verschwand er wieder im Schloss.

* ~ ~ *
 

Genau im selben Moment verschwanden auch die Bilder und das Grab war wieder genau so wie zu Anfang. Nichts deutete mehr auf das hin, was eben geschehen war.

Sesshoumaru schaute sich kurz um, ehe er sich das, was er eben gesehen hatte, noch einmal durch den Kopf gehen ließ. War das eben eine Vision gewesen? Ein Blick in die Zukunft? Aber es irritierte ihn, dass Kimie da gewesen war. Und sie war jung geblieben! Wie konnte das sein? Eigentlich hätte sie längst nicht mehr am Leben sein dürfen!

Als er sich selbst dabei ertappte, wie ihm das durch den Kopf schoss, ballte Sesshoumaru leicht die Faust. Abermals wurde er daran erinnert, wie kurz ein Menschenleben im Grunde war. Aber in dieser Vision war von einer Chance die Rede gewesen, die Kimie offenbar eingeräumt worden war. Aber was genau hatte das zu bedeuten gehabt und wie war es dazu gekommen? Es war einfach nur merkwürdig gewesen...

"Ich hätte nicht gedacht, dass du noch mal hier herkommen würdest."

Sesshoumaru horchte sofort auf. Er kannte diese Stimme nur zu gut, aber konnte das wirklich sein? Er wandte sich zur Seite um und zuerst konnte er nicht glauben, was oder besser wen er da sah. "Vater...?"

Es kam nicht gerade oft vor, dass Sesshoumaru verwirrt oder überrascht war. Eigentlich konnte man diese Moment locker an einer Hand abzählen, aber dieses Mal war er wirklich überrascht und auch verwirrt, als er tatsächlich seinem schon lange verstorbenen Vater gegenüberstand. Doch man sah gleich, dass es sich dabei um eine geisterhafte Erscheinung handelte, denn die Gestalt von Inu no Taishou war umgeben von einem blassen Licht.

"Es ist viel Zeit vergangen, Sesshoumaru", sprach der ehemalige Daiyoukai des Westens mit ruhiger Stimme. "Ich bin froh, dich zu sehen, mein Sohn."

Sesshoumarus Überraschung wich allmählich wieder und er fand zu seiner gewohnten Ausdrucksweise zurück, wenngleich man jedoch einen respektvollen Unterton in seiner Stimme wahrnehmen konnte als er entgegnete: "Ich hatte nicht damit gerechnet, noch einmal mit Euch sprechen zu können, verehrter Vater."

"Ich habe auch nicht viel Zeit. Aber ich weiß, dass du nicht allein hier bist." Inu no Taishou lächelte wissend. "Du hast also doch jemanden gefunden, den du beschützen willst. Und nicht nur eine Person."

Sesshoumaru war gleich klar gewesen, dass sein Vater auf Rin und Kimie ansprach. Er wusste also Bescheid. "Diese Vision eben... Stammt die von Euch?"

"Hm... Ich blicke nicht in die Zukunft, Sesshoumaru, und das habe ich auch nie. Es hängt ja außerdem auch von dir ab, ob diese Zukunft für dich auch wirklich eintritt. Was du gesehen hast, ist ein möglicher Weg, der sich dir bietet. Einer von vielen weiteren, abhängig davon, was du letztendlich für dich entscheiden wirst." Inu no Taishou wurde ernster. "Ich weiß jedoch, weshalb du hergekommen bist. Die Ryû-Youkai bedrohen erneut unseren Clan."

Sesshoumaru ertappte sich in diesem Moment selbst dabei, wie er sein eigentliches Vorhaben kurzzeitig außer Acht gelassen hatte. Denn er war ja eigentlich hergekommen, um etwas mehr über den damaligen Kampf zu erfahren. Auf die Worte seines Vaters hin nickte er nun einmal. "Akuma führt sie jetzt an. Und sie sind offenbar stärker als es damals der Fall war, obwohl er bereits zwei seiner besten Krieger verloren hat. Tôya und Ashitaka konnten sie töten und wären dabei fast selbst umgekommen. Sie haben sich inzwischen wieder erholt."

Nachdenklich senkte Inu no Taishou leicht den Blick. "Ashitaka... Damals war er noch sehr jung, aber er scheint was aus sich gemacht zu haben." Unwillkürlich musste er gerade an das letzte Gespräch zurückdenken, welches er mit Ashitakas Vater geführt hatte. Dass sie beide damals im Streit auseinander gegangen waren, bedauerte Inu no Taishou noch immer.

"Verehrter Vater, ich kam her in der Hoffnung, etwas mehr über den Kampf vor 1000 Jahren zu erfahren", ergriff Sesshoumaru nach einem Moment wieder das Wort. "Dass ich die Gelegenheit dazu bekommen habe, mit Euch zu sprechen, ist mehr, als ich erwartet hatte. Deshalb möchte ich die Antworten auf meine Fragen nun von Euch persönlich erfahren."

Inu no Taishou nickte. "Ich werde dir vermutlich nicht viel Neues erzählen können, aber dennoch versuchen, dir diese Antworten zu geben, Sesshoumaru. Und das bin ich sowohl dir, als auch dem ganzen Clan schuldig. Denn dadurch, dass ich Akumas Vater damals nicht habe töten können, sind die Ryû-Youkai nun wieder in unseren Ländereien aufgetaucht. Vielleicht hätten sie sich ansonsten wieder auf den Kontinent zurückgezogen und wären nicht hier geblieben."

"Wer war Akumas Vater?"

"Khan... Ein kaltblütiger und ebenso starker Daiyoukai. Einer, der nicht zögerte, selbst seine eigenen Leute zu opfern, wenn er dadurch an seine Ziele gelangen konnte. Damals gelang es unserem Clan dennoch, die Ryû-Youkai zum Rückzug zu zwingen. Ich schaffte es, Khan eine schwere Verletzung zuzufügen. Danach war er nicht mehr im Stande, den Kampf weiterzuführen. Zuerst vermutete ich, er würde so bald wie möglich einen erneuten Versuch wagen, uns anzugreifen, aber dem war nicht so. Deshalb dachten wir alle, er und sein Clan wären wieder auf den Kontinent zurückgekehrt. Ein Trugschluss, wie wir nun wissen..." Es entstand eine kurze Pause, ehe Inu no Taishou sehr ernst weiter sprach: "Du musst sehr vorsichtig sein, Sesshoumaru. Ich bin mir sicher, sein Sohn Akuma ist nicht minder gefährlich, auch, wenn dieser es bisher nicht allzu offensichtlich gezeigt haben sollte."

In der Tat. Wenn Sesshoumaru an die vergangenen Konfrontationen mit Akuma zurückdachte, hatte dieser nie wirklich mit vollem Einsatz gekämpft. Ohne Zweifel stand da noch ein harter Kampf bevor.

Plötzlich zerriss die laute Stimme von Inu Yasha die gerade herrschende Stille: "Hey, Sesshoumaru! Bist du da unten eingepennt, oder was?"

Sesshoumaru hätte wohl am liebsten laut aufgeseufzt, aber dass Inu Yasha sich des Öfteren benahm wie ein Trampeltier, kannte er ja schon. Er schaute eher wie beiläufig nach oben, denn sein Halbbruder sowie Kagome und Kimie befanden sich noch oberhalb des riesenhaften Skeletts. Kagomes Stimme war als nächstes zu hören gewesen, als sie Inu Yasha ermahnte: "Inu Yasha, jetzt sei doch nicht immer so ordinär! Bring uns lieber wieder runter!"

"Ja, ja! Mecker' nicht schon wieder rum!"

Einige Sekunden später konnte Sesshoumaru erkennen, wie sich Inu Yasha mit geschickten Sprüngen dem Boden näherte. Dabei hielt er Kagome und Kimie jeweils mit einem seiner Arme fest. Kurz bevor sie jedoch den Boden erreicht hatten, passierte dem Hanyou ein kleines Missgeschick und Kimie entglitt ihm aus seinem Griff.

"Uah! Inu Yasha, pass doch auf, du...!", rief das Mädchen noch, doch da war es schon zu spät gewesen und Kimie fiel aus gut einem Meter Höhe mit einer etwas unsanften Landung auf ihren Hintern, mitten in die vielen Totenschädel. Zuerst kam sie auch gar nicht mehr hoch, weil sie bei ihren Versuchen, wieder aufzustehen, anfangs immer wieder auf den glatten Oberflächen der Schädel ausrutschte. Kagome hingegen wurde von Inu Yasha vorsichtig auf den Boden abgesetzt.

"Was ist mit dir, Kimie?", fragte er ein wenig belustigt. "Hast du etwa Probleme mit dem Gleichgewicht?"

Kimie funkelte den Hanyou mahnend an, als sie endlich wieder auf die Beine gekommen war. "Witzbold! Du hast mich doch eben ohne jede Vorwarnung fallen gelassen!"

Inu Yasha hob leicht eine Augenbraue. "Reg dich ab! Als ob ich das absichtlich gemacht hätte..."

"Ach, halt den Schnabel! Osuwari!!" Nach diesem Ausruf zuckte der Hanyou deutlich sichtbar leicht in sich zusammen, aber es passierte nichts. Kimie wartete noch einen Augenblick, dann stemmte sie die Hände in die Hüften. "Hm! Dieses Privileg scheint wirklich nur Kagome vergönnt zu sein..."

"Tse! Als ob das nicht schon von Anfang an klar gewesen wäre!", motzte Inu Yasha besserwisserisch. Vermutlich wäre diese Diskussion noch eine Weile weitergegangen, hätte sich Sesshoumaru im Hintergrund nicht einmal diskret geräuspert, um die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu lenken. Die kleine Gruppe war im ersten Moment nur vollkommen irritiert, als sie neben ihm die geisterhafte Erscheinung von Inu no Taishou entdeckte.

Inu Yasha kamen bei seinem Anblick gleich die Bilder aus seinem Traum wieder in den Sinn. Und obwohl er niemals das Gesicht seines Vaters hatte erkennen können, war ihm trotzdem sofort klar gewesen, dass er diesen jetzt vor sich hatte. Ja, er erkannte ihn wieder...

Inu no Taishou ließ kurz seinen Blick schweifen, ehe sein Hauptaugenmerk auf seinen jüngeren Sohn fiel. "Inu Yasha..."

Der Hanyou schwieg. Er fühlte sich auf einmal so komisch und wusste nicht, was er machen sollte. Irgendwie war er gerade überfordert.

Auch Kagome und Kimie waren anfangs irritiert. Zwar hatten auch sie Inu no Taishou selbstverständlich nie persönlich gegenübergestanden, sah man von dem einen Mal ab, als auch Kagome ihn nach dem Kampf gegen Sou'unga kurz gesehen hatte, doch wussten die Mädchen nach kurzer Überlegung gleich, dass sie hier seinen Geist vor sich hatten. Sie hatten ja mit allem Möglichen gerechnet, aber das hätten sie wirklich nicht erwartet. Doch dann war Kagome sofort zur Stelle und gab Inu Yasha einen ermutigenden, sanften Schubs. "Los! Das ist deine Chance, Inu Yasha! Nun geh schon zu ihm!"

Eigentlich war es ja nicht Inu Yashas Art gewesen, zurückhaltend zu sein, aber dieses Mal war es doch etwas anderes gewesen. Erst nach weiterem guten Zureden seitens Kagome näherte er sich seinem Vater mit vorsichtigen Schritten, bis er letztendlich vor ihm stand. "Uhm... Vater...?"

Auf Inu no Taishous Gesicht erschien ein sanftes Lächeln. "Inu Yasha. Die Umstände sind zwar etwas ungewöhnlich, aber dennoch freut es mich, dich zu treffen und mit dir sprechen zu können. Nach all der Zeit..."

Inu Yasha schaute leicht zu Boden. "Nun ja, was soll ich sagen...? Du bist ja direkt nach meiner Geburt gestorben. Wie hätten wir uns da kennen lernen sollen?" Obwohl er genau wusste, weshalb sein Vater gestorben war, hörte man in der Stimme des Hanyou dennoch einen schwachen vorwurfsvollen Unterton heraus. Inu Yasha wusste im Moment einfach nicht, was er von alldem halten sollte. Da stand er nun hier rum und redete mit der Seele seines schon lange verstorbenen Vaters. Mit einem Geist! Das war schon ziemlich merkwürdig für ihn.

Inu no Taishou hingegen konnte es schon verstehen, dass sein Sohn so reagierte. "Du und deine Mutter, ihr hattet es bestimmt sehr oft schwer. Es tut mir Leid, mein Sohn. Ich wäre gerne da gewesen, um euch beiden beizustehen."

Inu Yasha schaute kurz auf, dann verschränkte er die Arme vor der Brust, wobei er seine Hände in den Ärmeln seines Kimonos verbarg. "Ach, wir sind ja trotzdem ganz gut zurechtgekommen", entgegnete er, als wollte er doch in gewisser Weise sagen: "Mach dir keine Sorgen. Du konntest ja nichts dafür."

Während dieses Gesprächs hielt sich Sesshoumaru im Hintergrund, ebenso wie Kagome und Kimie, die noch etwas abseits standen. Besonders gespannt verfolgte Kagome die Unterredung von Inu Yasha mit seinem Vater. Zwar wirkte der Hanyou noch immer etwas versteift und wortkarg, aber eine gewisse Nähe zu seinem Vater schien er dennoch zu empfinden.

Kimie hingegen versuchte, Inu no Taishou nicht allzu offensichtlich anzustarren, aber er machte schon so einen imposanten Eindruck auf sie. Wie musste er dann erst zu Lebzeiten gewirkt haben?

Mit einem Mal jedoch standen Kagome und Kimie da, als hätten sie einen Stock verschluckt, als sie bemerkten, dass Inu no Taishou nun sie wiederum ansah. Nur sagen tat er im ersten Moment noch nichts. Die Mädchen warfen sich unsichere Blicke zu.

"Was... machen wir jetzt?", flüsterte Kimie ihrer Cousine zu, die aber nur kaum merklich mit den Schultern zuckte.

"Keine Ahnung... Vielleicht lächeln...?" Genau das tat Kagome dann auch, allerdings begleitet von einer abwinkenden Handbewegung. "Ähm... Achtet einfach nicht auf uns. Redet ruhig weiter, ja? Komm, Kimie! Wir gehen lieber etwas nach hinten, damit wir nicht stören."

Die Mädchen hatten sich noch gar nicht wirklich umgedreht, da hörten sie auch schon Inu no Taishou sagen: "Das ist nicht nötig. Kommt bitte näher, ihr zwei."

Nach anfänglichem Zögern kamen Kagome und Kimie der Aufforderung nach, doch sah man ihnen die Unsicherheit nach wie vor an, als sie letztendlich vor Inu no Taishou standen. Was sollten sie sagen?

Kagome war schließlich die Erste, die etwas tat. Mit einer respektvollen Verbeugung grüßte sie den Youkai: "Nun... Es ist uns wirklich eine Ehre, Euch kennen zu lernen."

Kimie tat es ihrer Cousine gleich und verbeugte sich ebenfalls, doch keine von beiden schaute als Erste wieder auf.

"Ihr braucht nicht so förmlich zu sein. Bitte schaut mich an", forderte Inu no Taishou die Mädchen schließlich auf und nachdem sie sich endlich wieder aufgerichtet hatten, schaute er sie abwechselnd an. "Ich würde gerne eure Namen erfahren."

Sofort stellten sich Kagome und Kimie mit ihren Namen vor. Sie waren noch immer etwas nervös, wobei sich das bei Kimie noch dadurch verdeutlichte, dass sie hinter ihrem Rücken schon die ganze Zeit mit ihren Fingern rumknibbelte.

Inu no Taishou jedoch lächelte warm, ehe er sich an seine Söhne wandte: "Und diese Mädchen sind also eure Angetrauten, darf ich annehmen?"

Während Sesshoumaru schwieg, als wollte er damit die Frage bejahen, wirkte Inu Yasha hingegen unschlüssig mit dem, was er darauf antworten sollte. Zwar wurde er leicht rot im Gesicht, aber sagen tat auch er letztendlich nichts dazu. Auch Kagome und Kimie äußerten sich nicht, stattdessen stieg ihnen nach dieser Frage von Inu no Taishou ebenfalls nur die Röte in die Wangen.

"Ich muss gestehen, ich bin ehrlich überrascht", meinte Inu no Taishou schließlich. "Dass ich mal gleich zwei Menschenmädchen meine Schwiegertöchter nennen würde..."

Die Mädchen wurden daraufhin nur noch röter, und Kimie versuchte etwas zu sagen: "Äh... Nun ja, noch hat hier ja niemand so wirklich geheiratet. Also, eigentlich gar nicht..."

"Na, dann kannst zumindest du es dir ja immer noch überlegen, Kimie", warf Inu Yasha ein. "Ansonsten machst du dich womöglich für den Rest deines Lebens unglücklich. Bei einem wie Sesshoumaru hält's doch keine Frau auf die Dauer aus, sonst wäre er doch schon längst verheiratet." Keine Sekunde später bekam er von der Seite einen Totenschädel an den Kopf gefeuert, und obwohl es aussah, als hätte er gar nichts gemacht, war dem Hanyou sofort klar, dass Sesshoumaru ihn gerade unter Beschuss genommen hatte. Wütend knurrte Inu Yasha seinen Halbbruder an. "Hey! Was sollte das denn schon wieder?!"

"Hüte lieber deine Zunge, Inu Yasha, sonst könnte es beim nächsten Mal dein eigener Kopf sein, der hier herumfliegt", entgegnete Sesshoumaru jedoch üblich kühl.

Kimie hingegen seufzte leise auf. Konnten sich die beiden etwa nicht mal in der Gegenwart ihres Vaters normal benehmen? Wobei, diese gegenseitigen Anfeindungen waren ihren Maßstäben entsprechend wohl als normal einzustufen gewesen.

"Peinlich... Sind wir hier etwa im Kindergarten...?", murmelte Kagome in sich hinein.

Relativ gelassen schien hingegen Inu no Taishou die ganze Angelegenheit zu betrachten. Zumindest gingen seine Söhne nicht mit ihren Schwertern aufeinander los, das war ja schon mal ein großer Fortschritt. Aber dann lenkte er das Gespräch wieder auf das eigentlich Thema zurück und wandte sich an seine Söhne: "Sesshoumaru, Inu Yasha. Es tut mir Leid, aber ich kann nicht mehr viel für euch tun. Diesen Kampf müsst ihr selbst bestreiten. Ich kann euch nicht sagen, wie er enden wird, aber ich wünsche euch, dass ihr siegreich sein werdet. Und achtet auf diejenigen, die euch wichtig sind." Dabei schaute er in die Richtung von Kagome und Kimie. Diese blieben zwar stumm, wussten aber genau, was der ehemalige Daiyoukai des Westens damit gemeint hatte, ebenso wie Inu Yasha und Sesshoumaru.

Doch plötzlich bemerkten die beiden Brüder etwas Ungewöhnliches. Irgendetwas kam näher, und zwar von draußen!

"Was ist los?", fragte Kagome und lief auf Inu Yasha zu. "Inu Yasha?"

"Eine starke, dämonische Aura...", antwortete der Hanyou. "Sie kommt immer näher."

"Einer von den Ryû-Youkai", fügte Sesshoumaru nun hinzu.

Auch Inu no Taishou hatte es gemerkt. Er kannte diese Aura noch von damals, doch war sie da noch nicht so stark wie jetzt. "Er kommt genau hierher."

Inu Yasha zog Tessaiga aus der Schwertscheide. "Tse! Dann empfangen wir ihn auch gebührend!"
 

Draußen bot sich der Gruppe ein unheimlicher Anblick.

"Du meine Güte! Was ist denn das?" Kimie starrte wie gebannt zum Himmel hinauf. Da war ein schwarzer Strudel, so was wie ein Portal. Allerdings wirkte er mehr wie ein alles verschlingendes Tor zur Hölle. Und dicht darunter flog ein riesenhafter, schwarzer Drache, dessen Schuppen in einem dunklen, grünen Schein schimmerten. Stetig näherte er sich der Erde.

"Ist das... Akuma?", fragte Kagome verunsichert und hielt sich an Inu Yasha fest.

"Nein. Akuma ist das nicht", stellte Sesshoumaru fest, aber bevor eventuell jemand genauer nachfragen konnte, verschwand er schon in einem gigantischen Wirbelwind. Als er wieder zum Vorschein kam, befand er sich in seiner wahren Gestalt und lief dem sich nähernden Drachen geradewegs entgegen. Als er diesem nahe genug gekommen war, sprang Sesshoumaru nach oben und riss ihn mit sich zurück auf die Erde. Der Boden bebte, als die beiden Dämonen in einer Wolke aus Staub, Steinen und Knochensplittern verschwanden.

"Argh! Dieser Bastard! Immer will er den ganzen Spaß für sich allein haben!", knurrte Inu Yasha, während er zusammen mit Kagome und Kimie im Augenblick nur zusehen konnte.

Sesshoumaru und der Drache tauchten wieder aus dem Staub auf und gingen abermals aufeinander los. Der Drache drehte sich einmal blitzschnell und die eigene Achse und verpasste seinem Gegner einen kräftigen Hieb mit seinem peitschenartigen Schwanz. Sich davon aber in keinster Weise sonderlich beeindrucken lassend, war Sesshoumaru rasch wieder auf die Beine gekommen. Und als der Drache leicht den Oberkörper hob, nutzte Sesshoumaru die Gunst der Stunde und rammte ihn mit aller Kraft den Kopf gegen die Brust. Wieder wurden Unmengen von Staub durch die Luft gewirbelt, während die beiden Dämonen versuchten, den jeweils anderen zu Boden zu drücken. Da wurde es plötzlich still...

"Was ist passiert? Wo sind sie?" Angestrengt versuchte Kimie, etwas zu erkennen, aber der Staub machte es ihr praktisch unmöglich. Da sprangen aus dem Schutt auf einmal zwei Schatten heraus. Sesshoumaru und... Renhou! Sie beide hatten ihre wahren Formen wieder abgelegt, aber die Folgen der Treffer, die sie sich gegenseitig zugefügt hatten, spürten sie noch immer.

"Du hast ganz schön viel Kraft. Respekt", meinte Renhou, die linke Hand auf seiner Brust ruhend.

Sesshoumaru zuckte nicht mal mit der der Wimper, als er erwiderte: "Ich könnte auch was zu deinem Angriff sagen, aber den Atem erspare ich mir."

"Soll mir recht sein." Renhou straffte die Schultern. Obwohl er bis eben noch etwas angeschlagen gewirkt hatte, zeigte er dies nun in keinster Weise mehr. Als hätte er niemals diesen heftigen Schlag einstecken müssen.

Inu Yasha trat einen Schritt vor. "Hey! Was hast du hier zu suchen und was willst du überhaupt

von uns?"

Renhous Blick wanderte zu der etwas abseits stehenden Gruppe. "Ich will Antworten auf meine Fragen", erwiderte er. "Und zwar will ich wissen, was aus Takeshi-sama geworden ist."

"Ach! Und das soll alles sein?", fragte der Hanyou patzig.

Kimie schaute kurz in Sesshoumarus Richtung.

"Er befindet sich bei uns im Schloss", antwortete der Inu-Youkai nach einem Moment der Stille. "Noch geht es ihm gut, aber es hängt von ihm ab, ob dies auch so bleibt. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass das der einzige Grund ist, weshalb du hergekommen bist. Wozu also der ganze Aufwand?" Er schaute kurz zu dem schwarzen Strudel am Himmel hoch. Im Grunde konnte sich Sesshoumaru schon denken, was Sache war, doch er wollte es von Renhou selbst hören.

"Ich habe einen Auftrag", antwortete dieser schließlich emotionslos und stieß das stumpfe Ende seiner Lanze in den Boden. "Deshalb kann ich euch nicht gestatten, diesen Ort wieder zu verlassen."

Ein merkwürdiges Geräusch, dass sich ein wenig wie ein weit entferntes Donnern anhörte, richtete die Aufmerksamkeit aller abrupt abermals zum Himmel hinauf. Das Portal, durch welches Renhou zuvor gekommen war, begann sich langsam zu verkleinern. Während Inu Yasha, Kagome und Kimie sich nun daran erinnerten, dass ihnen selbst kaum noch Zeit blieb, um wieder ins Diesseits zurückzukehren, wies Sesshoumaru wie gewohnt diese eiskalte Ruhe auf, als er sich an Renhou wandte: "Hm! Akuma hat dich also beauftragt, uns hier festzuhalten. Aber auch dir bleibt nicht unendlich viel Zeit, oder täusche ich mich da? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass du letztendlich ebenfalls hier gefangen bleibst."

Die anderen horchten auf. Es war also so was wie ein Spiel auf Zeit und entweder würde es am Ende einen Sieger geben oder aber alle würden verlieren und hier festsitzen. Unschlüssigkeit griff um sich.

"Aber das ist doch kompletter Wahnsinn!", rief Kimie Renhou plötzlich entgegen. "Bedeutet das etwa, Akuma hat dir befohlen, dich zu opfern? Und du machst da auch noch mit?!"

Der Ryû-Youkai antwortete nicht sofort darauf, doch als er es tat, sprach er äußerst ruhig und beherrscht: "Ich habe meinem Herrn gegenüber einen Treuschwur geleistet und diesen werde ich auch halten."

"Aber Akuma wird doch nur von Naraku benutzt! Genau wie Euer ganzer Clan!", warf Kagome ein.

Stille...

"Doch vermag Akuma-sama dies nicht zu sehen", entgegnete Renhou ernst. "Selbst seinen eigenen Leuten glaubt er nicht mehr. Stattdessen lässt er sich von Naraku den Verstand vergiften und sich von ihm immer weiter in diesen Krieg hineintreiben." Seine Stimme war zum Ende hin stetig bitterer geworden und auch sein Griff um seine Lanze wurde fester. Dies und auch seine Aussage stimmten die anderen nachdenklich.

"Renhou...", wandte sich Kimie schließlich wieder an den Ryû-Youkai. "Du scheinst diesen ganzen Kampf doch genau so abzulehnen wie wir es im Grunde tun. Gibt es denn nicht die Möglichkeit, dass du vielleicht an unserer Seite kämpfst? Takeshi hat schließlich auch..."

"Hä? Sag mal, spinnst du, Kimie?!" Inu Yasha glaubte zuerst, er habe sich verhört. Hatte Kimie das eben etwa ernst gemeint? Dass Renhou an der Seite der Freunde gegen die Ryû-Youkai kämpfen sollte?

Renhou selbst schien nach der Frage des Mädchens jedoch nachdenklich geworden zu sein. Dennoch erwiderte er nach einem Moment der Stille: "Nein. Selbst, wenn ich es wollte, für mich wird es nie die Möglichkeit geben, dass ich mich auf eure Seite schlage."

Ratlosigkeit machte sich innerhalb der Gruppe breit. Was sollte das denn schon wieder bedeuten?

"Einst schwor ich Akuma-sama die bedingungslose Treue. Ihm mit meinem Leben zu dienen und meine Fertigkeiten unter seinen Befehl zu stellen." Renhou streifte von seinem linken Handgelenk den Schoner ab. Auf der Innenseite wurde dabei der Blick frei auf eine Art Tätowierung, in Form eines schwarzen Drachenkopfes. "Als Anführer der fünf Hüter musste ich einen besonderen Eid leisten. Meine Kraft gleicht in etwa der von Akuma-sama. Um zu unterbinden, dass ich mich doch mal gegen ihn auflehne, ließ er mich auf mein Blut schwören, ihn niemals zu verraten. Sollte ich es dennoch tun, würde ich meine Kräfte verlieren und über kurz oder lang sterben. Und mein Geist wäre dazu verdammt, auf ewig keine Ruhe zu finden. Und dieses Zeichen bindet mich bis zum Tage meines Todes an meinen Schwur... Ich kann meinem Herrn nicht den Rücken zukehren."

Abermals wurde es still.

Renhou streifte sich den Handgelenkschoner wieder über. "Es ist meine Pflicht und gleichzeitig mein Fluch. Kampflos werde ich es euch nicht gestatten, diesen Ort hier wieder zu verlassen!"

Kimie blickte zögerlich in Sesshoumarus Richtung. Es war klar, was nun folgen würde.

"Dann bleibt uns nur eine Möglichkeit." Mit erhabener Ruhe zog Sesshoumaru Toukijin. "Ich werde dich töten und uns somit den Weg frei machen. Wir beide haben ohnehin noch eine Rechnung zu begleichen."

"Sieht ganz danach aus", entgegnete Renhou und ließ seine Lanze einmal in seiner Hand kreisen. "Dann soll es so sein!"

Als sich beide Kontrahenten kampfbereit machten, machte Kimie reflexartig einen Schritt nach vorne, doch da hielt sie jemand zurück.

"Warte!"

Plötzlich spürte sie einen sanften, kaum merklichen Druck auf ihrer rechten Schulter. Als sie sich umdrehte, erblickte sie Inu no Taishou.

"Lass Sesshoumaru das allein regeln. Vertrau ihm. Er weiß, was er tut."

Inu Yasha schnaubte. "Keh! Aber wenn wir wegen ihm nicht mehr von hier wegkommen, hau ich ihn eigenhändig in Stücke!"

Kimie jedoch nickte nur auf Inu no Taishous Worte hin. Sie hätte eh nichts tun können, und so blieb ihr und den anderen nichts weiter übrig, als abzuwarten. Aber die Zeit arbeitete gegen sie alle...

Requiem

Dass sich Sesshoumaru und Renhou gegenseitig etwas schenkten, konnte man wirklich nicht behaupten. Beide gingen immer wieder mit einer derartig gewaltigen Kraft aufeinander los, dass die anderen jedes Mal in sich zusammenzuckten. Staub wirbelte auf, Splitter von Felsen und Knochenreste flogen wild durch die Gegend.

Als Inu Yasha schlussendlich von einem vorbei fliegenden Totenschädel am Kopf getroffen wurde und sich dann auf seinen vier Buchstaben wieder fand, ließ er ein wütendes Knurren verlauten und zog er abermals Tessaiga. "Jetzt reicht's! Die kommen heute zu keinem Ergebnis mehr! Ich hau sie alle beide mit der Windwunde weg und mach uns so den Weg frei!"

"Osuwari!", mischte sich Kagome sofort ein und wies den Hanyou damit gleich von vornherein in seine Schranken. "Das ist kein Spiel, Inu Yasha! Also rede nicht so ein dummes Zeug daher!"

"Kein Spiel?", fragte Inu Yasha grimmig. "Hältst mich für etwa so blöd, dass ich das nicht schon längst selbst geschnallt hätte, Kagome?! Aber Tatsache ist nun mal, dass wir fast keine Zeit mehr haben!"

In der Tat, da hatte er Recht. Die Stunde war fast um, und wenn dieser Kampf zwischen Sesshoumaru und Renhou noch lange so weitergehen würde, wären sie alle verloren und säßen hier für immer fest. Doch was sollten sie tun? Außer abwarten blieb Inu Yasha und den anderen ansonsten nichts, was sie tun könnten. Und sich heimlich davonstehlen, während Sesshoumaru und Renhou kämpften, konnten sie auch nicht. Aber was war das überhaupt für ein Kampf? Renhou kämpfte nicht von sich heraus, er handelte nur auf Akumas Befehl, wohl in dem Wissen, dass es falsch war. Doch er konnte sich nicht dagegen wehren, denn damit hätte er sein eigenes Leben verwirkt. Ob er nun wollte oder nicht, Renhou musste gegen Sesshoumaru kämpfen. Und Sesshoumaru musste ihn besiegen, um der Gruppe den Weg zurück in die diesseitige Welt frei zu machen.

"Das ist nicht richtig...", sprach Kimie leise und wie zu sich selbst.

Und nicht nur Kimie plagten allerlei Gedanken, auch Sesshoumaru war in seinem Inneren nicht so ruhig und ausgeglichen, wie es nach außen hin den Anschein machte. Seit dem ersten Kampf gegen Renhou war nicht allzu viel Zeit vergangen. Sesshoumaru zeigte es zwar nicht, aber er war sich nicht sicher, ob er gegen ihn bestehen konnte. Doch wenn er schon nicht gegen Renhou ankam, wie sollte er dann erst gegen Akuma kämpfen?

Sesshoumaru hatte aber bereits keine Zeit mehr, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn Renhou ging mit emporgehobener Lanze zum direkten Angriff über. Sofort riss Sesshoumaru sein Schwert hoch, um zu kontern. Die Lanze glitt zwar an Toukijins Klinge ab, doch bekam Renhou Sesshoumaru mit der linken Hand am Hals zu fassen und drückte ihn mit dem Rücken gegen einen stalagmitförmigen Felsen. Sesshoumaru packte Renhous Handgelenk und wollte sich mit seiner Giftklaue von dem Griff befreien. Renhou bemerkte jedoch vorher schon, was Sesshoumaru vor hatte und ließ von sich heraus wieder von ihm ab, aber nur, um erneut zu einem Angriff mit seiner Lanze auszuholen. Diesmal riss Sesshoumaru Toukijin so nach oben, dass die Lanze an der Klinge abprallte. Da schaute Renhou ihm mit ungerührter Miene direkt ins Gesicht.

"Keine Chance..."

"Wie bitte?", fragte Sesshoumaru kalt.

"Wenn du gedenkst, so gegen Akuma-sama zu kämpfen, wirst du gegen ihn verlieren."

Die Tatsache, dass Renhou ihm das so klar und deutlich von Angesicht zu Angesicht gesagt hatte, irritierte Sesshoumaru im ersten Moment doch ein wenig. Als ob es nicht schon genug war, dass er selbst mit sich haderte, jetzt rieb ihm auch noch Renhou unter die Nase, dass seine Fähigkeiten vermutlich nicht ausreichten. Dennoch sah man in Sesshoumarus Augen nach wie vor nur diese abweisende Kälte. "Maße dir lieber nicht an, über mein Können urteilen zu wollen!" Und mit einem kräftigen Stoß mit seinem Schwert, schlug er Renhou zurück. Der Ryû-Youkai entfaltete seine Schwingen und kam in einigen Metern Entfernung sicher und leichtfüßig wieder auf dem Boden auf.

"Du hast Recht. Ich sollte mir kein Urteil über dich erlauben. Jedenfalls nicht so." Mit diesen Worten ließ Renhou seine Lanze wie auch schon beim letzten Mal verschwinden und zog stattdessen sein Schwert. "Sehen wir mal, ob sich seit unserem letzten Treffen dennoch etwas verändert hat."

"Hm! Du willst es wohl unbedingt wissen, wie?", fragte Sesshoumaru herablassend.

In diesem Moment hörte man Inu Yasha aufgebracht aus dem Hintergrund brüllen: "Verdammt noch mal! Kommt mal in die Gänge, ihr zwei Vollidioten! Mittlerweile ist es mir fast schon egal, wer von euch gewinnt! Nur macht endlich mal, dass ihr fertig werdet!"

"Wenn Renhou Sesshoumaru besiegt, sitzen wir hier erst recht fest, Inu Yasha...", gab Kagome zu Bedenken, woraufhin der Hanyou abrupt wieder ganz ruhig wurde.

Aber ohne etwa was auf die Bemerkung seines Halbbruders zu erwidern oder gar der Unterhaltung weitere Beachtung zu schenken, widmete sich Sesshoumaru wieder Renhou zu. Dieser ging nun in Kampfposition und erhob sein Schwert so, dass die Klinge zusammen mit seinem Arm eine gerade Linie bildete. Einige Sekunden lang verblieb er in dieser Position, dann schnellte er ein weiteres Mal auf Sesshoumaru zu. Laut klirrend prallten die Schwertklingen aufeinander. Dabei ging Renhou so dermaßen in die Offensive, dass Sesshoumaru fast nur parieren konnte, aber selbst einen günstigen Moment, um anzugreifen, fand er nicht.

"Was ist denn mit ihm los? Seit wann kämpft Sesshoumaru so lasch?", fragte sich Inu Yasha. Da er bei Sesshoumarus erstem Kampf gegen Renhou nicht mit dabei gewesen war, war es für den Hanyou schon recht verwunderlich gewesen, dass sich sein Halbbruder scheinbar so mühelos von seinem Gegner in Schach halten ließ. Kagome und Kimie hingegen stand die Unsicherheit ins Gesicht geschrieben.

"Können wir sie denn nicht aufhalten?", fragte Kimie. "Ich meine... Dieser Kampf ist doch so was von sinnlos! Was soll denn dabei rauskommen? Im schlimmsten Fall hat am Ende keiner von uns etwas erreicht!"

Ein Knall lenkte die Aufmerksamkeit aller wieder abrupt auf das Kampfgeschehen. Sesshoumaru hatte versucht, Renhou mit dem Souryuuha entgegenzuwirken, doch hatte dieser die Attacke einfach mit einem Gegenangriff gekontert und so unschädlich gemacht. Renhou ließ sein Schwert einmal in seiner Hand kreisen und ließ es dann mit einer fließenden Bewegung in die linke Hand überwechseln. Zuerst schien es so, als wollte er etwas sagen, doch stattdessen griff er nach einem Moment wieder unvermittelt an. Den ersten Schlag konnte Sesshoumaru noch abwehren, aber beim zweiten Mal gelang ihm das nicht. Die Spitze von Renhous Schwert bohrte sich in Sesshoumaru Fell hindurch bis zu seiner Schulter. Sesshoumaru wurde mit dem Rücken gegen eine Steinwand gedrückt. Kimie hielt vor Schreck die Luft an.

"Hört doch bitte auf! Hört auf zu kämpfen!!", schrie sie verzweifelt, obwohl sie selbst das Gefühl gehabt hatte, ihre Stimme würde jeden Augenblick versagen.

Mit der freien linken Hand umfasste Sesshoumaru die Schwertklinge, um sie wieder herauszuziehen. Dabei schnitt die scharfe Schneide in seine Hand. Trotzdem schaffte er es und zog die Waffe mit einem Ruck wieder aus seiner Schulter. Direkt danach brachte er sich mit einem Sprung nach hinten erst mal etwas außerhalb von Renhous Reichweite. Sesshoumarus Fell war an der Stelle, wo Renhou das Schwert hindurch gestoßen hatte, mit Blut durchtränkt. Dennoch verzog Sesshoumaru keine Miene, sondern behielt seinen gewohnt kühlen Blick.

"Es scheint sich nicht viel verändert zu haben, seit wir uns zuletzt gegenüberstanden", sagte Renhou.

"Zieh lieber keine voreiligen Schlüsse. Das könnte dir am Ende sonst sehr schnell Leid tun", entgegnete Sesshoumaru hingegen ohne eine sichtbare Spur von Unruhe. Allerdings machte er sich nach wie vor seine Gedanken. Auch, wenn er es nicht gerne zugab, aber im Moment hatte er keine wirkliche Idee, wie er gegen Renhou kämpfen sollte. Erschwerend kam der Zeitdruck hinzu, der auf ihnen allen lastete. Ein Blick zum Himmel genügte, um sich dessen noch einmal bewusste zu werden. Das Dimensionsportal, durch welches Renhou in die Welt zwischen Dies- und Jenseits gelangt war, schrumpfte stetig und der Spiegel, der Sesshoumaru und den anderen den Zugang gewährt hatte, würde sich vermutlich ebenfalls bald schließen.

"Wenn ich mir das noch mal so durch den Kopf gehen lasse, scheint Akuma ja ein ziemlicher Feigling zu sein", meinte Sesshoumaru plötzlich. "Anstatt, dass er sich selbst dem offenen Zweikampf gegen mich stellt, schickt er dich hierher, um mich an diesem Ort festzuhalten. Eine wirklich erbärmliche Art und Weise, sich einer drohenden Niederlage zu entziehen."

"Versuchst du, mich zu provozieren?", fragte Renhou unbeeindruckt.

Auf Sesshoumarus Gesicht erschien ein kaltes Lächeln. "Das habe ich nicht nötig. Es überrascht mich nur, dass jemand wie du, der angeblich so stark sein und fast auf einer Stufe mit Akuma stehen soll, ohne wenn und aber bei so einer Sache mitmacht. Bezüglich Stolz und Ehrgefühl scheint ihr Ryû-Youkai ja nicht gerade großzügig beschenkt worden zu sein. Ein Haufen hinterhältiger Feiglinge, das seid ihr und nichts weiter!"

Die anderen wohnten dem Gespräch mit wachsender Verunsicherung bei. Besonders Inu Yasha war irritiert. "Was soll das werden? Bezweckt Sesshoumaru damit irgendwas Bestimmtes? Wenn ja, dann sollte er sich besser beeilen!"

Hingegen schien Renhou sich von Sesshoumarus Worten nicht sonderlich beeindrucken zu lassen. "Bist du jetzt fertig? War das alles, was du mir noch sagen wolltest? Dann könnten wir vielleicht endlich mal zum Schluss kommen."

Aber insgeheim machte er sich doch so seine Gedanken. Was machte er hier überhaupt? Anstatt hier an diesem friedhofsgleichen Ort einen Kampf zu bestreiten, sollte er sich besser diesen elenden Naraku vorknöpfen. Diesen verfluchten Hanyou, der mit seinen fadenscheinigen Versprechungen drauf und dran war, den Clan der Ryû-Youkai zum stupiden Werkzeug seiner eigenen Interessen zu machen. ER war der wahre Feind! Aber anstatt ihn aufzuhalten, kämpfte Renhou hier im Auftrag seines Herrn gegen den Anführer der Inu-Youkai, um diesen auch auf eigenes Risiko an diesem Ort gefangen zu halten. Doch was würde dann geschehen? Dann stünden Naraku praktisch alle Türen offen. Und wenn Akuma es nicht endlich erkennen würde, gäbe es ansonsten keinen, der Naraku noch aufhalten könnte. Es stimmte, die Inu-Youkai und die Ryû-Youkai waren Feinde, doch hatten sie im Grunde nicht einen gemeinsamen Widersacher, den man eigentlich bekämpfen sollte?

Dass Renhou zwar vorher noch diese Ansage gemacht, aber danach nichts weiter getan hatte, außer einfach nur so dazustehen, machte Sesshoumaru seinerseits etwas nachdenklich. Er hatte schon immer den Eindruck gehabt, dass Renhou anders war als die meisten seiner Kampfgefährten. Und dieses Mal schien dem Ryû-Youkai etwas ganz anderes durch den Kopf zu gehen, nur eben nicht der noch andauernde Kampf.

"Akuma-sama... Er wird euch schon sehr bald angreifen. Womöglich schon morgen."

Sichtlich überrascht schaute Sesshoumaru Renhou an, und auch die anderen tauschten im Hintergrund untereinander irritierte Blicke aus.

"Was soll das?", fragte Sesshoumaru nun äußerst prüfend. "Warum erzählst du uns das auf einmal? Soll das eine Finte sein, um mich zu einer unüberlegten Handlung zu verleiten?"

"Keine Finte. Nur eine Warnung", entgegnete Renhou ruhig und hob seinen Blick. "Im Grunde kann ich ohnehin nicht mehr viel tun und habe auch nichts mehr zu verlieren. Und zum jetzigen Zeitpunkt erscheint es mir als besser, euch zu sagen, was Akuma-sama vor hat. Das tue ich auch für Takeshi-sama... Denn Akuma-sama wird keinen von euch verschonen wollen. Auch nicht seinen eigenen Bruder..."

"Und warum sollte Akuma seinen eigenen Bruder töten wollen?"

"Wegen Naraku. Er redete ihm ein, Takeshi-sama wäre ein Verräter, der zu deinem Clan übergelaufen ist. Weil er..."

"Weil er sich in Kimie verliebt hat."

Nun sah man in Renhous Augen eine Spur von Überraschung, aber dann lächelte er kaum merklich. "So... Du weißt es also bereits."

"Takeshi hat es mir gegenüber selbst gestanden", erklärte Sesshoumaru ungerührt.

"Und du hast ihn am Leben gelassen?"

"Ich wurde darum gebeten." Für einen kurzen Augenblick schaute er zu Kimie rüber, in deren Augen er im Moment nicht abzulesen vermochte, was gerade in ihr vorging. Es hatte etwas von Betroffenheit, aber auch Unsicherheit an sich gehabt.

"Das alles soll jedoch nicht bedeuten, dass ich dich und deine Kameraden nun doch so einfach ziehen lasse!", stellte Renhou sofort wieder klar. "Wie schon gesagt, wenn du nicht mal in der Lage bist, mich zu töten, dann wirst du gegen Akuma-sama erst recht nicht bestehen können."

Ungerührt musterte Sesshoumaru den Ryû-Youkai. "Dann betrachte ich all das eben als eine Art Test. Obwohl es mir im Grunde egal sein kann. Denn ich habe in keinster Weise vor, vor dir meine Waffe niederzustrecken!"

Renhou nickte einmal. "Gut, dann bringen wir es hier und jetzt zu Ende."

Indes waren sich die anderen mittlerweile überhaupt nicht mehr sicher darin gewesen, was sie von der ganzen Sache halten sollten.

"Ich blick gar nicht mehr durch... Auf wessen Seite steht dieser Renhou jetzt eigentlich?", fragte sich Inu Yasha irritiert.

"Ich denke, er steht nach wie vor zu seinem Clan...", vermutete Kagome vorsichtig. "Aber es scheint auch irgendwie so zu sein, dass er nicht will, dass wir hier alle gefangen bleiben."

"Dann soll er uns doch einfach gehen lassen!"

"Aber dann würde er seinen Clan verraten, und das würde ihn töten! Das hat er doch vorhin selbst gesagt."

"Aber hat er ihn denn nicht schon verraten, indem er Sesshoumaru erzählt hat, was Akuma plant? Oder zählt das etwa nicht, wenn man dem Feind solche Informationen mitteilt?" Diese Frage hatte fast schon was Sarkastisches an sich gehabt. Darauf wusste Kagome nichts zu erwidern. Diese ganze Situation erschien so festgefahren. Keiner konnte im Moment wirklich sagen, was richtig war und was nicht. Nur in einer Sache war sich zumindest Kimie sicher gewesen: Dieser ganze Kampf, wie er gerade stattfand, war falsch! Dem musste Einhalt geboten werden. Aber wie?

Die Auseinandersetzung zwischen Sesshoumaru und Renhou ging in der Zwischenzeit unbarmherzig weiter. Immer wieder prallten die Klingen ihrer beiden Schwerter aufeinander, und es machte den Eindruck, als ginge insbesondere Renhou nun noch unerbittlicher vor als noch vorhin. Und das hatte seinen Grund: Seine besonderen Fähigkeiten, die er als einer der fünf Hüter inne hatte, hatten nachgelassen. Ganz deutlich konnte Renhou spüren, wie ihn seine Kräfte nach und nach verließen. Schon als er sich auf den Weg in diese unwirkliche Welt gemacht hatte, hatte er es bemerkt. Von daher konnte er es sich nicht leisten, weitere Zeit zu verlieren.

Als Renhou Sesshoumaru schließlich weit genug in die Enge getrieben hatte, holte er zum Schlag aus, doch hielt er noch im selben Moment abrupt inne. Sein Arm... Sein linker Arm war plötzlich taub! Nur einen Sekundenbruchteil später schoss dieses Brennen vom Handgelenk bis hinauf zur Schulter. Renhous Konzentration ließ für diesen Augenblick nach. Sesshoumaru bemerkte dies und nutzte sofort die Gunst, die sich ihm bot und schlug mit Toukijin zu. Mit einem gezielten Hieb erwischte er Renhou auf der Höhe der Brust und zerschnitt den Stoff seines Hemdes. Eine blutige Schnittwunde blieb zurück. Nur, weil Renhou doch noch hatte ausweichen können, war ihm Schlimmeres erspart geblieben.

Doch dieser kleine Triumph über seinen Gegner verleitete Sesshoumaru nicht etwa dazu, gleich ein weiteres Mal anzugreifen. Vielmehr richtete er nun eine skeptische Frage an den Ryû-Youkai: "Was sollte das eben? Du hättest mich mit Leichtigkeit angreifen können. Außerdem hast du bei deinem Ausweichmanöver wieder unnötig Zeit vertan. Bildest du dir etwa ein, du müsstest mir dabei helfen, mein Gesicht zu wahren?" Aber da fiel ihm etwas auf. Renhou war nach wie vor unkonzentriert, außerdem hatte sich seine Aura verändert. Wenn Sesshoumaru es nicht besser gewusst hätte, hätte er glatt vermutet, sie würde ohne jeglichen äußeren Einfluss nach und nach schwächer werden.

Und natürlich hatte auch Renhou selbst es bemerkt. Obwohl er gehofft hatte, dass er es noch etwas länger hätte herauszögern können...

"Es liegt nicht in meiner Absicht, dir in irgendeiner Form einen Gefallen zu tun", entgegnete er nun auf Sesshoumarus Frage. "Ich habe mich lediglich verkalkuliert. Das ist alles..."

"Hm! Dein Schwur fordert also bereits sein Opfer", erkannte Sesshoumaru mit üblich kühler Stimme. Es musste daran gelegen haben, dass Renhou Akumas Absichten preisgegeben hatte und außerdem ohnehin nicht mit dem einzigen und festen Willen darum kämpfte, die Gruppe um jeden Preis hier festzuhalten. "Bilde dir aber trotzdem nicht ein, ich würde mich jetzt deshalb zurückhalten. Ich habe nach wie vor die Absicht, dich zu töten!"

"Ich erwarte keine Zurückhaltung von dir", erwiderte Renhou noch ruhig, ehe dieses Mal Sesshoumaru seinerseits zum Angriff überging und sich abermals die Klingen kreuzten.

Plötzlich überkam Kimie so ein komisches Gefühl. Bei Sesshoumarus letzter Aussage war ihr auf einmal dieser eiskalte und unheimliche Schauer über den Rücken gelaufen, obwohl er schon von Anfang an deutlich gemacht hatte, dass er Renhou töten wollte. Irgendetwas war da in seinen Worten gewesen, was sie ängstigte. Es war dieser Unterton gewesen... Voller Ungnade und... Kälte.

In diesem Moment hallte ein heller Klang in der Luft wider. Wieder waren die beiden Schwerter aufeinander geprallt. Doch sowohl im Austeilen als auch im Parieren hatte sich das Gleichgewicht der Kräfte nun auf beide Kontrahenten etwa gleichmäßig verteilt. Als Renhou irgendwann einen Satz nach hinten sprang und dann zu einem kinetischen Angriff mit seinem Schwert ausholte, machte sich Sesshoumaru schon dafür bereit, dem zu kontern. Kaum, dass Renhou seinen Angriff gestartet hatte, schwang Sesshoumaru Toukijin genau in dessen Richtung. "Souryuuha!"

Ein blauer Lichtblitz, der Ähnlichkeit hatte mit der Form eines Drachen, löste sich aus der Klinge und steuerte genau auf direktem Konfrontationskurs mit Renhous Angriff zu. Sesshoumarus Souryuuha neutralisierte diesen und hatte selbst danach noch genug Kraft, um auch Renhou selbst noch schwer zu treffen. Durch das grelle Licht des Blitzes war dieser kurzzeitig geblendet worden und bemerkte zu spät, dass die Attacke genau auf ihn zusteuerte. Mehrere Meter wurde Renhou zurückgeworfen und schrammte nach einem harten Aufprall über den mit Knochen übersäten Boden. Danach blieb er ohne jegliche Regung liegen.

"Der Kampf ist entschieden. Es ist vorbei", hörte Kimie Inu no Taishou, der während des ganzen Kampfes über geschwiegen hatte, nun sagen. Die anderen wirkten irritiert. War es wirklich schon vorbei?

Stille breitete sich aus, als sich Renhou wieder rührte. Es bereitete ihm sichtlich Mühe, sich wieder aufzurichten, obwohl er es schließlich trotzdem schaffte. Allerdings blieb er dennoch auf dem Boden sitzen, als wüsste er auch selbst, dass es vorbei war. Sesshoumarus Angriff hatte ihn heftig erwischt. Sein Körper war mit Wunden übersäht und es schien sogar so, als wäre einer seiner Flügel gebrochen, ebenso wie sein Kampfgeist. Tatsächlich, es schien vorbei gewesen zu sein. Aber angesichts dieses Bildes, wie Sesshoumaru jetzt auf Renhou zuging und dann vor ihm stehen blieb, verspürte Kimie abermals dieses beklemmende Gefühl in sich.

"Bitte nicht...!", flüsterte sie mit zitternder Stimme, während Sesshoumaru seinen Gegner nur mit diesem kühlen Blick beäugte.

"Deine Zeit ist gekommen! Stirb!"

Zugegeben, einen ohnehin schon geschwächten Feind zu töten, wäre zwar keine ausreichende Genugtuung für ihn gewesen, aber um derartige Dinge konnte sich Sesshoumaru zum jetzigen Zeitpunkt keine Gedanken machen. Immerhin wartete in der Gestalt von Akuma der wahre Gegner, den er zu töten gedachte, auf ihn. Mit Renhou würde er sich so gesehen nur ein lästiges Hindernis, das ihm den Weg versperrte, vom Hals schaffen.

Sesshoumaru erhob erneut sein Schwert, um Renhou den Todesstoß zu versetzen. Doch plötzlich warf sich ihm jemand entgegen, hielt sich an ihm fest und verhinderte somit sein Vorhaben.

"Nein! Sofort aufhören!!"

Von einem Moment auf den anderen war es still geworden. Sichtlich irritiert starrte Sesshoumaru nun auf Kimie herab.

"Was willst du? Lass mich los!", befahl er ihr, doch sie hörte nicht auf ihn.

"Es reicht! Hör endlich auf damit! Das bringt doch alles nichts!" Bittend schaute Kimie zu ihm hoch. "Der Kampf ist entschieden! Was willst du denn noch?! Renhou kann doch gar nicht mehr kämpfen!"

"Den Feind zu töten ist ein natürlicher Bestandteil einer solchen Auseinandersetzung. Er hätte das Gleiche auch mit mir gemacht. Also misch dich da nicht ein!" Da war er wieder; dieser eiskalte Ton seiner Stimme und dieser unbarmherzige Blick. Für einen kurzen Augenblick bekam Kimie Angst, trotzdem ließ sie nicht von Sesshoumaru ab.

"Ich bitte dich...", flüsterte sie schon beinahe flehend. "Bitte töte ihn nicht! Werde nicht wieder... so grausam und erbarmungslos wie früher..."

Nun war es Sesshoumaru gewesen, der sie mit diesem merkwürdigen Gesichtsausdruck ansah. Hatte sie Angst? Etwa vor ihm?

Noch einmal unschlüssig in Renhous Richtung blickend, ließ er Toukijin letztendlich sinken. Als sie erkannte, dass er nichts weiter zu tun gedachte stieß Kimie erleichtert den Atem aus. "Danke..."

Wortlos steckte Sesshoumaru indes sein Schwert wieder ein.

Renhou hatte all das mehr oder minder bewusst mitbekommen. Er war zuvor schon an einem Punkt angekommen, an dem er nicht in der Lage gewesen war zu sagen, ob er richtig gehandelt hatte oder nicht. Was hätte er vielleicht anders machen können? Hätte er Sesshoumaru und dessen Begleiter bereits von Anfang ohne jeglichen Kampf ziehen lassen sollen? Was hätte das schließlich für einen Unterschied für ihn selbst gemacht, ob er nun in dieser Welt gefangen geblieben, von Sesshoumaru besiegt worden oder an den Folgen dieses verdammten Fluches gestorben wäre? Ein bitter wirkendes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.

"Welcher Teufel... hat mich nur geritten...?" Dann sank Renhou mit seinem Körper zur Seite.

Ruckartig hatten sich die anderen sogleich zu ihm umgewandt.

"Was ist mit ihm? Ist er... tot?", fragte Kagome sichtlich verunsichert, während Inu Yasha etwas näher an den Ryû-Youkai herantrat.

"Sieht nicht so aus. Aber er ist bewusstlos."

"Mh... Und jetzt? Sollen wir ihn mitnehmen?"

Unschlüssiges Schweigen machte die Runde. Doch Sesshoumaru brauchte nur einmal kurz in Kimies Richtung zu blicken und schon schien die Entscheidung gefällt worden zu sein. Allein ihr bittender Blick sagte ihm mehr als genug. Von daher schritt er nun auf Renhou zu und hob dessen Körper vom Boden auf. "Wir nehmen ihn mit. Inu Yasha, du kümmerst dich währenddessen um Kimie und bringst sie an meiner Stelle zurück in unsere Dimension."

Trotzig verschränkte Inu Yasha die Arme vor der Brust. "Wenn ich dir einen Gefallen tun soll, musst du schön 'bitte' sagen."

Aber darauf erwiderte Sesshoumaru nicht mal etwas, als wäre ihm seine Stimme dafür zu schade. In unmittelbarer Nähe der Gruppe landete nun wieder eines dieser geflügelten Wesen, welches zuvor schon Inu Yasha und Kagome zum Grab getragen hatte. Bevor sie sich alle jedoch auf den Weg machten, wandte sich noch einmal der Geist von Inu no Taishou an sie. Dessen Gesicht zierte ein warmes Lächeln. "Es ist so weit. Für euch wird es Zeit, nun wieder zu gehen. Und auch ich muss mich nun von euch verabschieden, obwohl ich gerne noch ein wenig länger mit euch gesprochen hätte. Sesshoumaru, Inu Yasha... Passt auf euch auf und auch auf die, die euch wichtig sind."

Kaum, dass er das gesagt hatte, begann die geisterhafte Erscheinung in einem hellen Licht zu verschwinden, sodass die anderen ihre Blicke abwenden mussten.

"Vater, warte!", rief Inu Yasha noch, aber da war Inu no Taishou schon verschwunden, ebenso wie dieses Licht. Als wollte sie versuchen, ihm zumindest etwas Halt zu geben, legte Kagome eine Hand auf die Schulter des Hanyou. Einen Moment lang sagte niemand etwas, bis sich Sesshoumaru schließlich zum Gehen umwandte.

"Kommt! Wir haben keine Zeit mehr, um uns hier noch länger aufzuhalten."
 

"Das dauert zu lange! Wo bleiben sie denn?" Unruhig lief Shippou in dem Zimmer auf und ab und schaute dabei immer wieder auf den Spiegel. Auch bei den anderen machte sich langsam aber sicher Unruhe breit und in der Zwischenzeit war auch Takeshi mit dazugekommen. Die Neugier hatte ihn hergetrieben, jedoch hielt er sich stets etwas abseits von den anderen auf, die ihm ab und an flüchtige Blicke zuwarfen.

"Jaken-sama? Sesshoumaru-sama und die anderen kommen doch wieder, oder?", fragte Rin den Krötendämon erwartungsvoll.

"Blöde Frage! Natürlich!", antwortete dieser bestimmt. "Sesshoumaru-sama würde es schließlich niemals vermasseln! Es kann sich nur noch um wenige Augenblicke handeln." Allerdings musste Jaken für sich selbst zugeben, dass auch er allmählich unsicher wurde. Warum dauerte das so lange?

>Nur noch wenige Minuten<, dachte Kakeru besorgt. Es musste etwas passiert sein, andernfalls konnte er sich nicht erklären, warum Sesshoumaru und die anderen nicht schon längst zurückgekehrt waren.

Auch Takeshi wurde unruhig, traute sich aber nicht, eventuell etwas zu sagen. Plötzlich schien sich jedoch etwas zu tun. Der Nebel im Spiegel lichtete sich. Abwartend waren sämtliche Blicke auf ihn gerichtet, als kurz darauf Inu Yasha mit Kagome und Kimie im Schlepptau aus dem Spiegel hervorkam. Der Hanyou atmete erleichtert aus, als er den sicheren Boden unter seinen Füßen verspürte. "Puh! Haben wir es doch noch rechtzeitig geschafft."

"Was ist passiert?", fragte Sango sofort. "Ist alles okay? Geht es euch gut?"

Kagome nickte. "Ja, Sango-chan. Keine Sorge, es ist alles in Ordnung."

"Aber wo ist Sesshoumaru-sama?", fragte Rin sofort sichtlich besorgt, als der Youkai nur einen Augenaufschlag später ebenfalls wieder in dem Zimmer stand. Stille breitete sich unter den Anwesenden aus, als sie Renhou entdeckten. Besonders Takeshi wirkte erschrocken, angesichts des schlechten Zustandes seines Kameraden.

"Renhou?! Aber was... was ist passiert?"

"Er wurde von Akuma geschickt, um uns daran zu hindern, wieder hierher zurückzukommen", antwortete Sesshoumaru ungerührt und warf einen kurzen Blick auf Renhou. Dieser schien gerade wieder zu Bewusstsein zu kommen.

"Renhou!" Takeshi zögerte nicht mehr und ging auf ihn zu, wodurch Sesshoumaru es nun Akumas Bruder überließ, sich um Renhou zu kümmern. Takeshi kniete sich auf den Boden, während er Renhous geschwächten Körper festhielt. "Renhou, kannst du mich hören? Sag etwas!"

Langsam öffnete Renhou seine Augen etwas. Er hatte seinen jungen Herrn gleich wieder erkannt. "Takeshi-sama... Es... es tut mir Leid..."

Takeshi stutzte. "Was? Was tut dir Leid?"

"Es ist alles außer Kontrolle geraten...", antwortete Renhou ungenau. "Von Anfang an... sollte es wohl so kommen."

Noch immer verstand Takeshi nicht, was genau sein Kamerad eigentlich meinte. Aber darum machte er sich rasch keine Gedanken mehr, als er sich dessen Verletzungen ansah. "Darüber können wir auch später noch reden, Renhou. Zuerst müssen wir deine Wunden..."

Doch da schüttelte Renhou bereits leicht den Kopf. "Nein. Lasst es... Es ist vorbei..."

"Was...?" Takeshi war ratlos. Warum gab Renhou so einfach auf? Man konnte ihm doch noch helfen! Zugegeben, er war zwar schwer verletzt, aber trotzdem hätte man ihm immer noch irgendwie helfen können. Merkwürdig jedoch war, dass Renhous Lebenskraft von Sekunde zu Sekunde zu schwinden schien. Das konnte aber nicht allein durch seine Verletzungen verursacht worden sein. Takeshi konnte es spüren, irgendetwas stimmte hier nicht. Da fiel sein Blick auf Renhous linken Arm. Unter dem Handgelenkschoner waren merkwürdige Male wie von Brandwunden zum Vorschein gekommen. Hastig streifte Takeshi den Schoner ab und erschrak. Die Tätowierung an Renhous Handgelenk... sie war blutrot und die eigenartigen Wundmale schienen ihm allmählich seine Kräfte und seine Lebensenergie zu entziehen. Aber warum trug er überhaupt diese Tätowierung? Takeshi war sie bisher nie aufgefallen. Auch hatte Renhou nie etwas gesagt.

"Was passiert hier? Renhou!"

Renhou brauchte einen Augenblick, ehe er so weit in der Lage gewesen war, etwas zu sagen. "Ich wollte es eigentlich vermeiden, aber nun habe ich es doch getan... Ich habe Euren Bruder hintergangen... weil ich sein Vorhaben an seine Feinde weitergegeben habe. Ich habe mein Leben verwirkt..."

"Sag das nicht!", rief Takeshi aus. "Es gibt bestimmt einen Weg, dir zu helfen! Sag mir doch, was ich tun kann, Renhou!"

"Nichts mehr für mich... aber vielleicht für unsere Kameraden." Renhou musste kurz stoppen, weil ihn abermals dieser brennende Schmerz heimsuchte. "Takeshi-sama... Wenn das so weitergeht... ist unser Clan dem Untergang geweiht. Euer Bruder... er sieht es nicht..."

Während Takeshi nur hilflos mit ansehen konnte, wie sein Kamerad langsam aber sicher sein Leben aushauchte, standen die anderen stumm daneben. In ihren Gesichtern spiegelte sich Unsicherheit. Da ergriff Kimie Sesshoumaru am Ärmel seines Kimonos. "Sesshoumaru! Kannst du nicht etwas tun? Vielleicht mit Tenseiga...?"

Doch Sesshoumaru schüttelte bereits den Kopf. "Nein. Tenseigas Kraft dient nicht dazu, einen solchen Fluch aufzuheben. Ihm kann niemand mehr helfen."

Betroffen senkte Kimie den Blick und schaute wiederum zu Takeshi und Renhou. Letzterer griff nun in die Seitentasche seiner Hose und holte etwas Kleines aus dieser zum Vorschein, was er an Takeshi übergab. Dieser stutzte zunächst. "Was ist das?"

"Diese Perle... hat die Macht, Tote wieder ins Leben zurückzuholen", erklärte Renhou. "Man kann sie... nur einmal verwenden. Außerdem muss derjenige, der sie gebraucht, es sich selbst auch wirklich von Herzen wünschen, dass der Verstorbene wieder lebt. Ansonsten bringt er sich selbst in tödliche Gefahr. Gebraucht sie bitte klug..."

Kaum, dass er das gehört hatte, rief Takeshi aus: "Aber... aber dann verwenden wir sie doch für dich!"

"Nein, Takeshi-sama! Bitte... Vertraut mir einfach. Wenn es nötig sein sollte, helft damit einer Person, die Euch nahe steht... aber nicht mir."

Takeshi hatte sichtlich Mühe damit, abermals das Wort zu ergreifen: "Renhou... Ich weiß nicht, was ich für unseren Clan tun kann, aber ich schwöre dir, ich werde tun, was in meiner Macht steht, um das Schlimmste zu verhindern!" Nur wusste er zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht, wie er das bewerkstelligen sollte. Aber er musste es wenigstens versuchen.

Auf Renhous Gesicht zeichnete sich ein schwaches Lächeln ab. "Ich hätte Euch gerne dabei geholfen. Vergebt mir bitte..."

Renhous Augen schlossen sich, und als sein Körper nach seinem letzten Atemzug keinerlei Regung mehr zeigte, war Takeshi klar, dass es vorbei war. Er sagte kein Wort, sondern verharrte nur stumm auf seinem Platz. Auch dann noch, als sich Renhou Gestalt allmählich wie Nebelschleier in einem blassen Licht aufzulösen begann, welches langsam in dem Raum emporstieg. Die geisterhafte Erscheinung nahm kurzzeitig die schemenhafte Kontur eines Drachen an und es schien, als würde dieser noch einmal kurz auf Takeshi herabblicken, ehe er allmählich verblasste. Ein sanfter Hauch wie von einer Brise war noch zu spüren gewesen, dann war das Licht wieder verschwunden und mit ihm Renhou. Das Einzige, was zurückgeblieben war, war sein Schwert gewesen, das er stets bei sich getragen hatte.

Takeshi streckte seine Hand nach der Waffe aus. Lange ruhte sein Blick auf ihr, ebenso wie auf der kleinen Perle in seiner anderen Hand. Sie schimmerte in einem rötlichen Schein, wie die untergehende Sonne. "Nein... Ich müsste dich um Vergebung bitten, Renhou. Weil ich nichts tun konnte..."

Besonders Kimie wurde bei dem Anblick, wie Takeshi da so auf dem Boden kniete, schwer ums Herz. Gerne hätte sie ihm einige tröstende Worte geschenkt, aber sie wusste nicht, was sie hätte sagen können.

Urplötzlich zerriss ein lautes Klirren die Stille. Als die Anwesenden ihr Blicke umwandten, sahen sie den Spiegel in tausende Stücke zersprungen. Er hatte seinen Dienst erfüllt...
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Auch den Ryû-Youkai waren die jüngsten Geschehnisse nicht verborgen geblieben.

"Renhous Chi erlosch in dieser Welt. Vermutlich haben Sesshoumaru und seine Begleiter ihn mitgenommen", erklärte Yu gegenüber Akuma und Jin. Während Jin sich dazu in Schweigen hüllte, wirkte Akuma nicht wirklich überrascht. Beinahe schon gelassen ließ er stattdessen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand über den Rand einer etwa hüfthohen Vase kreisen. Diesmal hatte auch er selbst mitbekommen, dass Renhou tot war. Er hatte gespürt, dass sich der Bann, dem sein Gefolgsmann unterlag, freigesetzt worden war. Demnach hatte Renhou seinen Tod selbst herbeigeführt.

"So ergeht es Verrätern. Obwohl es in gewisser Hinsicht schon etwas bedauerlich ist." Akuma stieß die Vase mit einem Fingerschnippen um, woraufhin diese klirrend zerbrach. "So schnell kann's gehen. Er ist selbst Schuld an seinem Schicksal."

"Und... was habt Ihr nun vor?", wagte Jin nach kurzem Zögern zu fragen.

Akuma wandte sich zum geöffneten Fenster um. Die Sonne ging allmählich unter und warf rötliche Schimmer auf die am Himmel stehenden Wolken. "Wir sollten dem Ganzen so langsam ein Ende bereiten. Es bleibt bei dem, was wir bereits beredet haben. Renhous Tod ändert nichts daran." Akuma wandte sich wieder zu seinen Gefolgsleuten um. "Jin! Du kümmerst dich darum, dass sich unsere Krieger vorbereiten und dass die Flugdrachen bereit sein werden. Bei Morgengrauen machen wir uns auf den Weg. Die Zeit für kindische Spielereien ist vorbei! Egal, wer von dieser verfluchten Hunde-Sippe auch unseren Weg kreuzen mag, es wird sich nicht zurückgehalten! Schlachtet alle nieder!"

"Und was ist mit Sesshoumaru?", fragte Yu.

Akumas Antwort fiel klar und deutlich aus: "Den nehme ich mir persönlich vor, ebenso wie meinen werten Bruder. Und ansonsten gilt das, was ich bereits sagte. Wir werden alle töten, ganz gleich, um wen oder was es sich dabei handelt. Es werden keine Gefangenen mehr gemacht!"

Nach dieser Ansage verließen Jin und Yu die Privaträume ihres Herrn wieder. Schweigend schritten sie nebeneinander den Gang entlang.

"Was für eine Geschichte...", meinte Yu irgendwann. "Schau uns nur an, wo wir jetzt stehen. Von uns fünf Hütern sind nur noch wir beide übrig geblieben."

"Pech. Daran können wir nichts mehr ändern", entgegnete Jin nur kaltschnäuzig und klang dabei auch ein wenig gereizt, was Yu nicht verborgen blieb. Er hatte auch schon so eine ungefähre Ahnung, worin Jins Stimmung begründet war.

"Sag mal, Jin, ich dachte eigentlich immer, du würdest Renhou hassen. Warum aber habe ich dann den Eindruck, dass sein Tod dich doch so sehr zu beschäftigen scheint?"

Nach dieser allzu direkten Frage war Jin abrupt stehen geblieben. Doch schaute er Yu zu keinem Zeitpunkt ins Gesicht, als dieser weiter sprach: "Im Grunde kannst du dich doch eigentlich glücklich schätzen. Jetzt bist du derjenige, der in Sachen Kampfkraft nach Akuma-sama innerhalb unseres Clans auf Rang Nummer 2 steht. Im Übrigen bin ich gerne bereit, dir die leitende Position unter den Hütern zu überlassen. Für so was interessiere ich mich nämlich nicht. Ob du angesichts der Tatsache, dass nur noch wir beide übrig sind, damit allerdings überhaupt noch etwas anfangen kannst, sei dir überlassen."

Wiederum blieb Jin stumm. Yu wartete noch ein wenig, dann machte er Anstalten, seinen Weg fortzusetzen.

"Yu!", rief Jin seinem Kameraden plötzlich nach. "Wie denkst du über all das? Tun wir das Richtige?"

Ein wenig überrascht schien Yu nun doch gewesen zu sein, als er sich wieder zu Jin umwandte. "Wer bestimmt schon darüber, was richtig ist und was nicht?", fragte er dann mysteriös zurück. "Aus unserer Sicht tun wir das Richtige für uns, doch sehen wir die Lage aus der Sicht unserer Gegner, so tun diese für sich auch nur das Richtige. Wobei, können wir uns wirklich sicher sein, dass wir im Recht sind, und dass wir aus eigenem Antrieb heraus handeln?"

Jin wirkte sichtlich irritiert. "Drück dich klarer aus, Yu! Sprich nicht in Rätseln!"

"Ich habe dir nur gesagt, was ich denke. Das wolltest du doch schließlich hören, oder?"

"Du... du meinst also, was wir tun, ist falsch."

"Das habe ich so nicht gesagt. Aber kannst du für dich selbst mit Sicherheit sagen, dass es auf jeden Fall richtig ist, was wir tun?" Aber ohne etwa auf eine Antwort von Jin zu warten, kehrte Yu ihm nun wieder den Rücken zu und ging weiter.

Jin machte keine weiteren Versuche, seinen Kameraden aufzuhalten. Stattdessen kam er ziemlich ins Grübeln. Sowohl über den bevorstehenden Kampf, als auch über Renhou. Dessen frühzeitiger Tod hatte Jin jegliche Chance genommen, sich wiederum mit ihm im Kampf zu messen. Nun würde er nie erfahren, ob er es jemals geschafft hätte, aus dem Schatten der Nummer 2 des Clans zu treten.

Ein etwas bitter wirkendes Lächeln erschien auf Jins Gesicht. "Tja, Renhou... Die Antwort auf diese Frage wirst du mir also schuldig bleiben..."
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Inzwischen war es dunkel geworden. Takeshi saß auf der Schlossmauer beim Garten und blickte nachdenklich in den Sternenhimmel hinauf. Schon seit einigen Stunden war er hier und hatte dabei kein einziges Mal Renhous Schwert aus der Hand gelegt. Es wollte ihm einfach nicht in den Kopf. Renhou hatte nie eine andere Wahl, als für die Ryû-Youkai zu kämpfen und zu sterben. Anders als er war Takeshi nicht an einen Fluch gebunden. Er hatte sich frei entscheiden können, seinem Bruder den Rücken zuzukehren, um das zu tun, was er für richtig hielt. Takeshi seufzte leise.

"Takeshi..."

Als er seinen Namen gehört hatte, drehte sich Takeshi um und entdeckte Kimie unterhalb der Mauer stehen. Er gesellte sich zu ihr nach unten. "Kimie. Was machst du um die Zeit noch hier draußen?"

"Ich wollte nur mal nach dir schauen", erklärte sie ihm, ehe ihre Stimme einen etwas bedauernden Unterton annahm, als sie das Schwert in seiner Hand entdeckte. "Das mit Renhou... Es tut mir sehr Leid."

Zuerst wirkte Takeshi zwar etwas verblüfft, schüttelte dann aber leicht den Kopf. "Das muss es nicht. Es ist in Ordnung..." Er lehnte sich mit dem Rücken an die steinerne Mauer.

"Du und er... Ihr ward gute Freunde, oder?", fragte Kimie nach einem Moment.

Takeshi nickte knapp. "Ich konnte mit ihm stets über alles reden. Egal, was mich beschäftigte, er hat mir immer zugehört und mir auch den Rücken gestärkt, wenn es erforderlich war. Im Grunde... war er praktisch der große Bruder für mich. Akuma gegenüber habe ich mich nie so wirklich getraut zu sagen, was ich denke. Renhou hat sich meiner angenommen, als meine Mutter und dann auch mein Vater verstarb. Ich war damals noch klein."

Abermals legte sich kurz Stille über den Garten. Schließlich war es Kimie gewesen, die als Erste wieder das Wort ergriff: "Takeshi... Du meintest mal, Akuma wäre eigentlich nicht so, wie er jetzt ist. Was genau hast du damit gemeint?"

Er zuckte kurz die Achseln. "Zugegeben, vieles kenne auch ich nur aus Erzählungen. Aber wie es scheint, hat unser Vater die Niederlage gegen Inu no Taishou nie verwunden. Damals fügte ihm dieser nämlich eine Wunde zu, die ihn für den Rest seines Lebens beeinträchtigt hatte. Unser Vater konnte danach nie wieder richtig kämpfen, stattdessen kümmerte er sich von da an besonders um die Ausbildung und das Training von Akuma. Und Akuma entwickelte wohl rasch ungeahnte Kräfte. Sogar unserer Mutter soll er mit der Zeit unheimlich geworden sein. Und je länger Akuma mit unserem Vater zusammen war, umso mehr wurde er wie er. Trotzdem gab es einen Unterschied. Diese eiskalte Ignoranz, die unseren Vater so sehr ausgezeichnet hat, die hat bei ihm wiederum... Ich will nicht sagen 'gefehlt', aber sie war halt nicht so ausgeprägt. Erst seit Naraku aufgetaucht ist, ist Akuma so..." Takeshi hielt inne und atmete einmal tief durch. Als versuchte er, seine Erinnerungen etwas zu ordnen, hatte er die Augen geschlossen. Als er sie wenig später wieder öffnete, war sein Blick entschlossener denn je. "Egal, was ich dafür tun muss, ich werde alles versuchen, damit Akuma wieder zur Vernunft kommt und endlich die Wahrheit erkennt!" Dann schaute er auf und sah Kimie ernst in die Augen. "Und auch, wenn du nicht mitkämpfen wirst, ich werde dennoch versuchen, dich so gut es geht zu beschützen, indem ich dabei helfe zu verhindern, dass Akuma sich die Herrschaft über die westlichen Länder aneignet!"

Kimie blieb stumm. Sie hätte ohnehin nicht gewusst, was sie darauf hätte erwidern können. Nur eines war ganz klar gewesen: Takeshi war in jeder Hinsicht fest entschlossen. Eine Seite, die sie so bisher noch nicht an ihm gesehen hatte.

"Kimie?", fragte er nach einem Moment, nun wieder mit etwas weicherer Stimme und kam ein wenig näher. "Kann ich dich etwas Persönliches fragen?"

Sie nickte. "Sicher. Worum geht es denn?"

"Nun... Es mag sich womöglich etwas dreist anhören, aber... man kann schließlich nie wissen, wie so ein Kampf ausgehen wird." Takeshi stoppte kurz. "Wenn es dazu kommen sollte, dass ich sterbe... wärst du dann traurig?"

Kimie war überrascht. Was sollte diese Frage? Trotzdem antwortete sie nach einem Moment ehrlich: "Ich müsste lügen, wenn ich 'Nein' sagen würde. Sicher wäre ich traurig."

Takeshi ließ sich das noch mal kurz durch den Kopf gehen. Dann atmete er noch einmal tief aus. "Aber ich möchte nicht, dass du dann eventuell um mich weinst. Versprich mir bitte, dass du nicht weinen wirst."

Jetzt schaute Kimie doch sichtlich perplex drein. "Boah! Du hast ja vielleicht Wünsche... Sonst noch was?", fragte sie leicht sarkastisch, war sich aber durchaus der Ernsthaftigkeit seiner Worte bewusst gewesen. Dann seufzte sie leise. "Tut mir Leid, Takeshi, aber das ist ein Versprechen, dass ich dir so nicht geben kann. Ich kann... dir nur so viel versprechen, dass ich es versuchen werde, aber... so gesehen möchte ich, dass du mir ebenfalls etwas versprichst." Sie sah ihm fest in die Augen. "Pass auf dich auf. Und bitte riskier nicht Kopf und Kragen, wenn es nicht unbedingt sein muss, ja?"

Takeshi lächelte nun etwas. "Ich versuche es. Aber wenn ich morgen wirklich sterben sollte, dann tue ich das mit bestem Gewissen. Weil ich versuchen werde, das zu beschützen, was ich liebe."

Kimie setzte dazu an, etwas zu sagen, ließ es dann aber. Sie war unschlüssig in dem, was sie jetzt tun sollte.

Takeshi entging ihre leichte Unsicherheit natürlich nicht. Offenbar hatte er sie in Verlegenheit gebracht. Womöglich würde er sich wieder etwas zu viel erlauben, aber nach kurzem Zögern trat er wiederum etwas näher an sie heran. "Mh... Darf ich?"

Takeshi legte behutsam die Arme um Kimie. Als er sie sanft an sich drückte, hielt Kimie kurzzeitig die Luft an, aber nach einigen Sekunden entspannte sie sich langsam wieder und legte dann auch ihre Hände auf seinen Rücken. Aus ihrer Sicht sollte es eine rein freundschaftliche Umarmung sein und vielleicht auch so was wie tröstender Beistand für Takeshi. Denn auch, wenn er an der Seite der Inu-Youkai gegen seinen Clan und seinen Bruder kämpfen würde, er war dennoch ein Fremder im praktisch feindlichen Lager. Und Kimie konnte ihm auch nicht mehr bieten als ihre Freundschaft und nicht etwa die von ihm womöglich erhoffte Liebe. Doch Takeshi spürte es schon anhand ihrer Umarmung, dass sich bei ihr nichts geändert hatte. Sie liebte ihn nicht so, wie er es bei ihr tat und würde es wohl auch nie. Einerseits war ihm das bewusst, andererseits widerstrebte es ihm, sie aufzugeben. Aber was konnte er schon tun? Takeshi konnte Kimie nicht dazu zwingen, ihn zu lieben und er wollte das auch nicht. Nicht so. Dennoch würde er morgen auch für sie kämpfen. Denn egal, was passieren würde, seine Gefühle ihr gegenüber würden sich nicht ändern.

Während sie sich so in den Armen lagen, bekamen die beiden zunächst nicht mit, dass sie schon seit einiger Zeit beobachtet wurden, bis Takeshi es als Erster bemerkte und wieder von Kimie abließ als Sesshoumaru nun aus dem Hintergrund auf die beiden zutrat.

Kimie wirkte leicht erschrocken und befürchtete, er könnte etwas missverstanden haben. "Sesshoumaru! Es ist alles ganz anders! Das... das war nur..."

"Ich weiß", unterbrach er sie ruhig. "Keine Sorge, ich denke nichts Falsches."

Sein ungerührter, aber dennoch streng wirkender Blick richtete sich nun auf Takeshi.

"Sofern du nach wie vor mit mir und meinen Leuten morgen gegen deinen Clan in den Kampf ziehen willst, solltest du dich jetzt besser zurückziehen. Ich kann keine Kämpfer gebrauchen, die auf dem Schlachtfeld drohen, einzuschlafen."

Obwohl er klar und deutlich gesagt hatte, dass er keinen falschen Eindruck bezüglich Kimie und Takeshi bekommen hatte, so schien Sesshoumaru den Ryû-Youkai trotzdem gerne außerhalb von Kimies Reichweite haben zu wollen. Takeshi bekam diese verborgen gehaltene Anweisung durchaus mit. Um Sesshoumaru nicht doch noch zu verärgern, widersetzte er sich dem nicht, sondern wünschte Kimie nur noch eine gute Nacht, ehe er an seinem "Gastgeber" vorbei und zurück ins Schloss ging.

"Du hättest ihn auch netter wegschicken können...", meinte Kimie trocken, nachdem Takeshi fort war. "Die Ansage eben war ja nicht gerade freundlich."

"Warum soll ich nett zu jemanden sein, den ich nicht mag?", fragte Sesshoumaru ganz direkt zurück.

Kimie seufzte auf. "Du magst doch praktisch niemanden so wirklich, außer vielleicht dich selbst..."

Kaum merklich zuckte Sesshoumarus rechte Augenbraue, er verkniff sich aber einen Kommentar zu ihrer Bemerkung, da diese ohnehin begleitet gewesen war, von einem leicht sarkastischen Unterton. Allerdings hatte es schon etwas Trotziges an sich Gehabt, als er nach einem Moment die Arme vor der Brust verschränkte.

Nachdem er sich nicht mehr dazu geäußert hatte, seufzte Kimie erneut auf. "Sesshoumaru... Takeshi ist einige hundert Jahre jünger als du. Das wäre ja fast schon so, als wäre ich eifersüchtig auf Rin." Okay, der Vergleich hinkte zwar reichlich, aber was Besseres war ihr gerade nicht eingefallen. Auch Sesshoumaru schien nicht ganz überzeugt gewesen zu sein.

"Mal abgesehen davon, dass das etwas ganz anderes ist, ist Rin im Gegensatz zu Takeshi noch ein Kind", entgegnete er. "Und überhaupt hätte ich ihn ohnehin schon längst getötet, hättest du dich nicht für ihn eingesetzt, was mir nach wie vor nicht so wirklich in den Kopf will."

"An dein Erinnerungsvermögen: Ohne ihn hättest du mich nicht aus Akumas Schloss befreien können. Schließlich hat Takeshi dir gesagt, wie du dort hinkommst, und dass ich überhaupt noch lebe."

Diesmal blieb Sesshoumaru stumm. Er wusste ja, dass sie Recht gehabt hatte und dennoch gefiel ihm der Gedanke nicht, in gewisser Hinsicht in Takeshis Schuld zu stehen. Ausgerechnet ihm!

Kimie wartete noch einen Augenblick, dann trat sie etwas näher an ihn heran. "Aber sag mal, seit wann hat der große Sesshoumaru-sama es denn eigentlich nötig, auf jemanden eifersüchtig zu sein?", neckte sie ihn. "Ich dachte immer, du würdest über so etwas stehen. Wo du dich doch selbst auch immer für so einen tollen Hecht gehalten hast, hm?"

Für den winzigen Bruchteil einer Sekunde sah man eine Spur von Irritation ins Sesshoumarus Gesicht. Ein weiteres Mal gab ihm Kimies Ausdrucksweise Rätsel auf. Was hatte denn ausgerechnet ein Hecht jetzt mit dieser ganzen Sache zu tun? Allerdings konnte sich Sesshoumaru nicht allzu lange seine Gedanken dazu machen, als Kimie ihn nämlich auf einmal umarmte, ohne wirklich abgewartet zu haben, was er vielleicht zu sagen gehabt hätte.

"Was ist mit dir?", fragte er sie sogleich, da er schon vermutete, es ginge ihr womöglich nicht so gut.

Kimie jedoch schüttelte den Kopf. "Nichts. Halt mich bitte einfach nur etwas fest." Als Sesshoumaru daraufhin seine Arme um sie legte, schmiegte sie sich sogleich näher an ihn. So hätte sie gerne noch länger stehen bleiben können. "Wie... geht es eigentlich deiner Verletzung?"

"Es ist alles in Ordnung. Nicht der Rede wert."

"Gut..."

Für einen kurzen Augenblick wurde es wieder still.

"Als du mich davon abgehalten hast, Renhou zu töten...", begann Sesshoumaru mit einem Mal. "...da habe ich mich im ersten Moment gefragt, warum du das getan hast. War es, weil er ein Freund von Takeshi war? Oder weil er uns von Akumas Absichten erzählt hat? Dachtest du, wir wären ihm was schuldig? Immerhin war er so oder so dem Tode geweiht."

Zuerst erwiderte Kimie nichts darauf, als müsste sie überlegen, was sie ihm darauf antworten sollte. Nach einer Weile löste sie sich wieder aus der Umarmung. "Ich weiß es nicht genau... Aber ich hatte so ein Gefühl, dass es falsch gewesen wäre, ihn zu töten. Er ist ja im Grunde kein schlechter Kerl gewesen, sonst hätte er schon damals, als wir ihm im Wald gegenübergestanden haben, mit allen Mitteln kämpfen können, um dich zu besiegen. Aber er hat es nicht getan... Außerdem konnte ich ja auch mal mit ihm sprechen, als ich in Akumas Schloss war. Nein, Renhou war nicht einer von diesen grausamen Dämonen, die andere zum eigenen Vergnügen quälten und töteten."

"So wie ich, meinst du."

Obwohl oder gerade weil er das wie selbstverständlich gesagt hatte, hatte Kimie sofort zu Sesshoumaru aufgeschaut. Leichte Verwirrung spiegelte sich in ihren Augen wieder, ehe ihr klar zu werden schien, worauf er damit vermutlich hatte ansprechen wollen.

Sesshoumaru wartete noch kurz, dann hob er ihr Kinn ein wenig an, so dass sie den Blick nicht von ihm abwenden konnte. "Hältst du mich wirklich für so grausam und erbarmungslos?"

"Nein, das war doch nur, weil... Ich habe doch nur auf das ansprechen wollen, wie du früher mal drauf warst. Weil ich... weil ich nicht möchte, dass du wieder so wirst. Ich hatte einfach Angst. Als ich deine Augen gesehen habe, habe ich wieder diese Kälte darin gesehen. Davor hatte ich Angst..."

Sesshoumaru konnte nicht unbedingt verbergen, dass ihn Kimies Aussage nachdenklich stimmte. Das Letzte, was er schließlich vorgehabt hatte, war, dass sie Angst vor ihm hatte. Anstatt jedoch etwas darauf zu erwidern, strich er ihr nur sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. "Es ist spät. Gehen wir rein."

Kimie nickte nur einverstanden.
 

Seit sie wieder zurück gewesen waren, hatte Inu Yasha kaum ein Wort gesprochen. Kagome machte sich allmählich Sorgen, scheute sich aber auch irgendwie ein wenig davor, ihn von sich heraus anzusprechen. Vielleicht brauchte Inu Yasha auch einfach mal Momente, in denen er für sich allein sein und nachdenken konnte. Deshalb stand das Mädchen schon eine ganze Weile nur unschlüssig vor dem Zimmer des Hanyou, ohne bisher angeklopft zu haben. Sie war schon drauf und dran gewesen, wieder zu gehen, gab sich dann aber doch noch einen Ruck und klopfte zweimal zaghaft an. "Inu Yasha? Darf ich reinkommen?"

Keine Antwort. Kagome stutzte und versuchte es noch einmal, das Ergebnis blieb jedoch das selbe. Schließlich schob sie die Tür ohne jegliche Aufforderung auf und entdeckte Inu Yasha an der geöffneten Tür, die auf die Veranda hinausführte, sitzen und nachdenklich zu den Sternen hinaufblicken.

Kagome trat ein und schloss hinter sich die Zimmertür wieder. "Inu Yasha..."

Endlich wurde der Hanyou auf das Mädchen aufmerksam. "Kagome? Ist etwas passiert?"

Sie schüttelte den Kopf. "Nein, ich wollte nur mal nach dir sehen. Geht's dir gut?"

"Hm? Ja, klar. Alles okay." Inu Yasha richtete seinen Blick wieder nach draußen.

Kagome wartete noch einen Moment, dann kam sie näher und setzte sich zu ihm auf den Boden. "Mh... Ich störe dich doch nicht, oder?"

Inu Yasha verneinte die Frage knapp. Er war noch immer so wortkarg. Unschlüssig zupfte Kagome ein wenig am Zipfel ihres Rocks herum. Einerseits kam sie sich hier ein wenig fehl am Platz vor, andererseits suchte sie in gewisser Hinsicht das Gespräch mit Inu Yasha. Stellte sich nur die Frage, ob er auch eventuell reden wollte...

"Du... hättest gerne noch ein wenig länger mit deinem Vater gesprochen, oder?", begann Kagome irgendwann vorsichtig. Die Vermutung lag nahe, dass Inu Yashas Verhalten etwas mit dem Treffen mit seinem Vater zu tun gehabt hatte.

"Hmm..." Das war alles, was Inu Yasha als Antwort zu bieten gehabt hatte. Auch drehte er sich erst wieder zu Kagome um, als diese vorsichtig ihre Hand auf die seine legte.

"Das war wirklich eine Überraschung", sprach sie mit einem Lächeln weiter. "Ich hätte nicht gedacht, deinen Vater wirklich mal zu sehen. Aber jetzt verstehe ich umso besser, weshalb sein Clan ihn so sehr verehrt hat und es noch immer zu tun scheint. Er war bestimmt ein sehr gütiger und ehrenhafter Herrscher. Hättest du ihn gerne noch einiges gefragt?"

Inu Yasha zuckte kaum merklich die Achseln. "Hm... Weiß nicht. Was hätte ich ihn denn fragen sollen?"

"Na ja, vielleicht, wie er deine Mutter kennen gelernt hat", meinte Kagome nach kurzer Überlegung. "Zugegeben, ich weiß zwar nichts davon, aber irgendwie stelle ich es mir sehr romantisch vor."

Diesmal schwieg Inu Yasha wieder. Auch, wenn er es nicht aussprach, hatte er sich dennoch so seine Gedanken gemacht. Und eben auch darüber, wie sich seine Eltern wohl kennen gelernt haben mochten. Denn seine Mutter hatte ihm nie etwas davon erzählt, wohl auch deshalb nicht, weil er zu diesem Zeitpunkt noch zu klein gewesen war, um es wirklich zu verstehen. Sicher, es hätte vieles gegeben, was er seinen Vater hätte fragen können...

Als Inu Yasha plötzlich ein leichtes Gewicht an seiner Schulter verspürte, schaute er überrascht auf. Kagome hatte sich mit ihrem Kopf leicht an ihn gelehnt. "Was hast du, Kagome?"

"Nichts", flüsterte sie und schloss ihre Augen. "Ich bin einfach nur froh, dass ich bei dir sein kann."

"Hä? Woher kommt das jetzt auf einmal?" Inu Yasha war zwar leicht irritiert, aber das legte sich rasch wieder und dann stahl sich auch auf seine Lippen ein leichtes Lächeln. In diesem Moment erinnerte er sich wieder an die Worte seines Vaters, als dieser sich zuletzt noch an seine beiden Söhne gewandt und gesagt hatte, sie sollten auf das aufpassen, was ihnen wichtig war. Und genau das wollte Inu Yasha auf jeden Fall tun. So lange es ihm möglich sein sollte, würde er Kagome immer beschützen. Auch mit seinem Leben.
 

Obwohl sie sich schon vor einer ganzen Weile hingelegt hatte, lag Kimie von Anfang an hellwach neben Sesshoumaru und starrte an die Wand. Wie lange sie schon einzuschlafen versuchte, vermochte sie nicht zu erahnen. Ihr kamen selbst wenige Minuten wie eine halbe Ewigkeit vor. Vielleicht war erst eine Stunde vergangen oder auch mehr. Sie wusste es einfach nicht. Unruhig drehte sie sich auf den Rücken und seufzte leise.

"Kannst du nicht schlafen?"

Sesshoumarus plötzliche Frage ließ Kimie kurz in sich zusammenzucken, aber nachdem er sich zu ihr umgedreht hatte, antwortete sie mit dem Blick zur Decke: "Nein. Ich muss immer an morgen denken..."

Nach einem weiteren Moment drehte sich Kimie zu Sesshoumaru um und legte ihren Kopf auf seine Brust.

"Ich werde verhindern, dass Akuma und seine Leute bis hierher vordringen können. Wir fangen sie an unseren Grenzen ab, damit der Kampf weit abseits des Schlosses stattfindet. Du musst dir keine Sorgen machen. So lange du hier bleibst, bist du sicher."

Aber eben genau diese Tatsache stieß Kimie ein wenig sauer auf. Dass sie im Schloss bleiben und Däumchen drehen sollte, während Sesshoumaru und die anderen sich in den Kampf stürzten.

Plötzlich richtete Kimie sich auf. "Lass mich mitkommen! Ich möchte mit dir und den anderen zusammen kämpfen!"

Diese fest entschlossene Ansage war sogar für Sesshoumaru recht überraschend gekommen. Auch er setzte sich nun auf.

"Auf keinen Fall!", stellte er klar, wobei man trotz der ruhigen Art und Weise wie er sprach die Ernsthaftigkeit in seiner Stimme vernahm. "Ich erlaube es nicht, dass du dich daran beteiligst! Du hast keine Ahnung davon, was es bedeutet, in einem Krieg von solchen Ausmaßen mitzuwirken. Es ist etwas völlig anderes, als würdest du etwa einem einzelnen Gegner gegenüberstehen. Von allen Seiten droht Gefahr und wenn du nur einen einzigen Moment unaufmerksam bist, könntest du schon tot sein. Es gibt bei so etwas keine Regeln. Du kommst nicht mit und das ist mein letztes Wort!"

Wie er das gesagt hatte... Als wäre er ihr Vater gewesen...

"Aber Kagome und den anderen verbietest du es doch auch nicht!", versuchte Kimie weiter auf Sesshoumaru einzureden. Dann senkte sie etwas den Blick und sprach mit leiserer Stimme weiter: "Was du eben gesagt hast, mag ja stimmen. Ja, ich habe keine Ahnung vom Krieg und darüber bin ich ja im Grunde auch ganz froh. Aber ich kann und will nicht untätig herumsitzen, während ihr alle euch in Gefahr begebt... Ich verstehe ja deine Beweggründe, aber kannst du meine denn nicht auch verstehen?"

Sesshoumaru schwieg. Doch, er verstand Kimies Beweggründe, aber nur deshalb konnte er ihr doch nicht erlauben, dass sie sich ins Kriegsgetümmel stürzte! Und auch, wenn sich in bisherigen Auseinandersetzungen ganz gut gehalten hatte, das, was ihnen allen bevorstand, war nicht mit den vorangegangenen Kämpfen vergleichbar gewesen.

"Was würdest du denn an meiner Stelle tun wollen?", fragte Kimie plötzlich, nachdem Sesshoumaru ihr noch immer nicht geantwortet hatte. "Würdest du dich einfach so irgendwo hinsetzen und abwarten können?"

"Das ist doch was ganz anderes!", entgegnete er betont.

"Finde ich nicht!", widersprach Kimie energisch und sah ihn wieder direkt an.

"Und wenn du an meiner Stelle wärst?", konterte Sesshoumaru daraufhin mit gewohnt seriöser Ruhe und diesmal sagte Kimie nichts dazu. Die Situation war festgefahren.

"Dann geh ich wieder nach Hause!", meinte sie mit einem Mal trotzig. "Wenn du mich morgen nicht mitnimmst, schnapp ich mir Ah-Un und bin weg!"

Doch Sesshoumaru blieb unbeeindruckt. "Dann hol ich dich eben wieder zurück."

"Ich komm dann aber nicht wieder mit dir mit! Dann müsstest du schon Gewalt anwenden!"

Im Grunde war das eine leere Drohung gewesen. Kimie wollte lediglich abschätzen, wie er reagierte. Und wie sie es sich eigentlich schon hatte denken können, ging Sesshoumaru nicht auf ihren Bluff ein. Enttäuscht wandte sie den Blick von ihm ab.

"Bitte...", flüsterte sie. "Ich stehe dir auch bestimmt nicht im Weg rum oder so was. Ich möchte doch einfach nur nicht so untätig bleiben!"

"Es geht mir nicht darum, ob du mir im Weg bist. Das müsstest du eigentlich wissen."

"Ja, ich weiß!", rief Kimie schon beinahe aus, doch nicht etwa aus Wut, sondern mehr schon fast aus Verzweiflung. "Aber trotzdem! Ich..." Als sie ihn wiederum ansah, bemerkte Sesshoumaru diesen gewissen bittenden Ausdruck in ihren Augen. Wollte sie wirklich so sehr mitkommen? War ihr die Gefahr denn vollkommen egal?

Mit einem Mal schlang Kimie ihre Arme um seinen Hals und legte ihre Lippen auf die seinigen. Nun doch reichlich überrumpelt, tat Sesshoumaru in den ersten zwei, drei Sekunden gar nichts, war sich sogar unsicher darin, was er tun sollte. Aber dann legte er seine Arme um sie und erwiderte ihren Kuss.

Kimie übte leichten Druck auf Sesshoumarus Lippen aus, sodass dieser sich letztendlich nach hinten auf das Lager niederließ. Als sie sich wieder von ihm löste, blieb sie ihm dabei noch so nahe, dass er ihren Atem wahrnehmen konnte.

"Hm... Versuchst du immer noch, mich zu überreden?", fragte Sesshoumaru plötzlich, wobei es eigentlich mehr als Scherz gemeint gewesen war. Kimie nahm ihm diese Frage aber anscheinend trotzdem übel, wie man es an ihrem Gesichtsausdruck erkennen konnte.

"So denkst du also über mich? Hm... Gut zu wissen... Auf die Idee, dass dir vielleicht einfach nur nahe sein wollte, kommst du erst gar nicht, was?" Kimie wusste bei alldem selbst nicht so genau, ob sie enttäuscht war, verärgert oder doch ängstlich. Das alles, diese gesamte Situation nagte an ihr.

Obwohl Sesshoumaru ihr ansah, dass er sie wohl etwas vor den Kopf gestoßen hatte, blieb er seinerseits gelassen. Immerhin konnte er gewisser Hinsicht nachvollziehen, dass Kimie so dachte wie sie eben dachte. Und er war sich sicher, dass sie im Grunde auch verstand, dass er sie schlichtweg aus Sorge nicht an dem Kampf teilnehmen lassen wollte.

"Steht dein Entschluss fest?" Als Kimie diese Frage hörte, wandte sie den Blick wieder zu Sesshoumaru um. Er führte seine Hand an ihre Wange. "Auch, wenn ich dagegen bin... Wenn du es trotzdem so sehr willst, dann erlaube ich es dir, dass du mitkommst."

Zuerst machte Kimie einfach nur große Augen. Gerade wollte sie etwas erwidern, aber da drehte Sesshoumaru sie auf einmal auf den Rücken, wobei er sie an den Handgelenken festhielt. Dann legte er seine Lippen auf ihre und küsste sie nun seinerseits erneut. Zuerst vorsichtig, dann leidenschaftlich.

Nach anfänglicher Überraschung schloss Kimie wohlwollend ihre Augen und ließ sich voll und ganz auf ihn ein. Es war, als wollte sie diese Nacht insgeheim noch einmal intensiv mit Sesshoumaru erleben. Noch einmal vor diesem letzten schweren Kampf, der ihnen bevorstand...

Plötzlich überkam Kimie diese Angst. Sollte das womöglich ihre letzte gemeinsame Nacht sein? Diesen Gedanken wurde sie trotz aller Bemühungen nicht mehr los.

Sesshoumaru hielt kurz inne, als er den salzhaltigen Geruch von Tränen wahrnahm. Als er aufblickte, sah er, wie eine einzelne Träne langsam über Kimies Wange lief. Jedoch brauchte er sie nicht nach dem Grund danach zu fragen, denn er wusste ihn bereits. Sie hatte Angst vor dem, was die Zukunft bringen würde. Behutsam wischte er ihr die Träne fort und hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Lippen, als wollte er auf diese Weise ihre Ängste zerstreuen.

Kimie ließ sich nun fallen und gab sich ganz ihren Gefühlen hin. Vergessen wollte sie ihre Unsicherheit und ihre Angst. Wenigstens für kurze Zeit.

"Ich liebe dich...", flüsterte sie, ehe sie beide wiederum in einem leidenschaftlichen Kuss versanken. Kimie erinnerte sich wieder an etwas, was Sesshoumaru mal zu ihr gesagt hatte. Er sagte ihr mal, sie gehöre ihm. Eigentlich klang das ziemlich Besitz ergreifend, aber es mochte etwas Wahres dran gewesen sein. Denn sie wollte ihm gehören; sowohl mit ihrem Körper, als auch mit ihrem Geist. In dieser Nacht... und auch in Zukunft.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Während bei den Ryû-Youkai die Vorbereitungen auf den entscheidenden Kampf im vollen Gange waren, verblieb Naraku die ganze Zeit über im Beisein seiner beiden Abkömmlinge Kagura und Kanna in einem separaten Raum. Ein hinterhältiges Lächeln zierte sein Gesicht. "Es ist so weit. Die Steine sind ins Rollen gekommen."

"Und was nun?", fragte Kagura mit unterkühlter Stimme.

"Wir warten ab", antwortete Naraku und ließ das fast komplettierte Shikon no Tama etwas auf seiner Handfläche hin- und herrollen. "Mit etwas Glück vernichten sie sich am Ende alle gegenseitig. Das heißt, Inu Yasha und seine lästigen Freunde, sowie Sesshoumaru werden morgen ihren letzten Tag erleben. Ich bin schon sehr gespannt darauf."

Kagura schwieg einen Augenblick, ehe sie weiterfragte: "Und was ist mit deiner Abmachung mit Akuma?"

"Kagura..." Naraku lachte leise. "Muss ich dir wirklich darauf antworten? So gut solltest du mich eigentlich kennen."

Natürlich kannte sie ihn gut genug. Eigentlich hatte sie diese Frage auch nur beiläufig gestellt. Es war von vornherein klar gewesen, dass Naraku Akuma niemals einige Splitter des Juwels überlassen würde, schließlich brauchte er jedes einzelne noch so kleine Bruchstück selbst. Sobald er sein Ziel erreicht hätte, würde er sich wieder unbemerkt davonmachen. Es war wie immer ein abgekartetes Spiel gewesen. Und der Sonnenaufgang rückte mit jeder weiteren Stunde näher...
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Das ganze Schloss war im Grunde schon vor Sonnenaufgang auf den Beinen gewesen. Alle wussten, dass heute der entscheidende Kampf gekämpft werden würde und nur einer der beiden Youkai-Clans würde letztendlich triumphieren.

Subaru hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Neben der Ungewissheit darüber, was ihn und seine Kameraden heute alles erwarten würde, hatten ihn auch die Gedanken an Seshiru keine wirkliche Ruhe gelassen. Seit ihrem letzten Treffen hatten die beiden Brüder kein Wort mehr miteinander gewechselt.

Subaru trat auf die Veranda hinaus. Vereinzelt standen noch einige wenige Sterne am Himmel, während man in östlicher Richtung am Horizont den schmalen rötlich schimmernden Streifen der aufgehenden Sonne erkennen konnte. Auf dem Hof hatten sich bereist zahlreiche Krieger eingefunden und etwas abseits von ihnen entdeckte Subaru auch seinen älteren Bruder. Er lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen mit dem Rücken an der Mauer und würdigte keinen Anwesenden auch nur eines Blickes. Und noch immer war sich Subaru nicht sicher, was er von Seshiru halten sollte. Spielte er ein doppeltes Spiel? Was waren seine wahren Absichten? Möglicherweise sollte er die Antwort heute erhalten und die Wahrheit erfahren.

Noch einen Augenblick verblieb Subaru auf der Veranda, dann kehrte er in sein Zimmer zurück und griff sich seine Waffen, ehe er den Raum schlussendlich verließ.
 

"Bald ist es so weit... Ich bin gespannt, wie das alles ausgehen wird", meinte Ashitaka nachdenklich, und auch Tôya, der sich mit ihm in seinem Zimmer aufhielt, wirkte leicht angespannt, wenngleich nach außen hin einen weitestgehend ruhigen Eindruck machte.

"Und du fühlst dich fit genug, um mitzukämpfen?", fragte der Ältere. "Immerhin liegt dein Kampf gegen Rokou gerade mal zwei Tage zurück. Bist du nicht noch erschöpft?"

"Mach dir um mich mal keine Gedanken, Tôya. Ich bin wieder voll und ganz einsatzfähig", entgegnete Ashitaka zuversichtlich.

Tôya nickte stumm. Er selbst hatte die letzten zwei Tage auch weitestgehend dazu genutzt, um sich auszuruhen und mittlerweile fühlte auch er sich wieder stark genug.

"Sag mal, hast du schon mit Miyuki-chan gesprochen?", fragte Ashitaka plötzlich. "Ich meine, sie will doch sicher auch mitkommen, nicht wahr?"

"Sicher, aber das habe ich ihr gleich wieder ausgeredet, und letztendlich hat sie auch nachgegeben."

"Gut." Zwar konnte sich Ashitaka gut vorstellen, wie trotzig Miyuki auf die Anweisung ihres Bruders reagiert haben dürfte, aber es war doch besser gewesen, wenn sie im Schloss bliebe. Dass ihn Tôya jedoch mit einem Mal so merkwürdig beäugte, irritierte Ashitaka ein wenig. "Ist was? Warum schaust du mich so an?"

"Ach, ich warte nur darauf, dass du endlich mit der Sprache rausrückst, mein Freund", entgegnete Tôya mit diesem wissenden Lächeln auf den Lippen. Als Ashitaka jedoch nur ratlos mit den Schultern zuckte, hakte Tôya nach. "Tu nicht so, Ashitaka! Ich habe dich und Miyuki vorgestern Nacht doch gehört."

Plötzlich fiel es Ashitaka wie Schuppen von den Augen, aber was meinte Tôya mit "gehört"? Hastig riss Ashitaka abwehrend die Hände nach oben. "Gehört?! Aber was willst du denn gehört haben? Es ist doch gar nichts...!"

"DAS habe ich ja auch gar nicht gemeint", entgegnete Tôya gelassen und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. "Ich rede von eurem Gespräch. Ich wollte nämlich nach dir schauen und habe es zufällig mitbekommen."

"Ach so. Dann weißt du es bereits..." Ashitaka schaute seinen Freund etwas verunsichert an. Eigentlich hatte er vorgehabt, ihm selbst zu sagen, dass er nun mit Miyuki zusammen war, aber dass Tôya selbst und auf so eine Weise dahinter gekommen war...

Angesichts von Ashitakas leicht hilflosen Gesichtsausdruck konnte sich Tôya ein kurzes Lachen nicht verkneifen. "Nun guck nicht so entgeistert! Es ist ja schließlich nicht so, als wollte ich dir jetzt den Kopf abreißen. Im Gegenteil, ich freue mich für euch beide. Ich weiß ja nicht, wie lange du es schon weißt, aber ich habe Miyuki schon eine Weile angesehen, dass sie dich sehr mag."

"Wie? Und du hast nichts gesagt?"

"Weil das eine Sache ist, die nur euch beide was angeht. Ich wollte mich da raushalten. Und außerdem hätte Miyuki mich wohl in Grund und Boden gestampft, wenn ich es dir gesagt hätte. In der Hinsicht macht sie nicht mal vor ihrem großen Bruder Halt."

In diesem Moment fühlte sich Ashitaka wieder daran erinnert, wie Miyuki wohl reagiert haben mochte, als ihr tot geglaubter Bruder plötzlich wieder mit Kakeru zusammen vor der Tür gestanden hatte. Er lächelte leicht. "Ich habe zwar nicht alles mitgekriegt, aber Miyuki-chan war sicherlich sehr froh, als sie dich gesehen hat. Und ich bin es auch."

"Hm..." Tôyas Gesicht nahm einen etwas ernsteren Ausdruck an. "Ich wollte euch das nicht antun. Keinem von euch... Ich selbst habe ja auch gedacht, ich hätte keine Chance mehr." Aber dann stahl sich wieder ein leichtes Lächeln auf seine Lippen und er stieß Ashitaka neckisch mit dem Ellenbogen in die Seite. "Und? Stehen schon irgendwelche Zukunftspläne fest?"

"Hm?" Ashitaka brauchte zwar einen kurzen Augenblick, aber dann war ihm klar, worauf Tôya angesprochen hatte. "Also, darüber nachzudenken, dazu ist es wohl noch etwas zu früh, besonders für Miyuki-chan. Aber ich könnte mir schon gut vorstellen, mein Leben mit ihr zu verbringen. Und was ist mit dir? Mir fällt jetzt erst ein, dass ich dich noch nie zusammen mit einem Mädchen gesehen habe."

"Habe ich etwa die Pflicht, dir jede meiner Affären vorzustellen, oder was?", fragte Tôya scherzend.

Ashitaka machte große Augen und tat bestürzt. "Affären? Tôya, so einer bist du also? Du erschreckst mich!"

"Ach, halt doch die Klappe!", entgegnete Tôya und gab ihm eine nicht ernst gemeinte und auch mehr angedeutete Kopfnuss. Als es plötzlich an der Tür klopfte und kurz darauf Miyuki das Zimmer betrat, wurden beide wieder etwas ernster.

"Miyuki, was ist?", fragte Tôya seine kleine Schwester, die leicht den Kopf schüttelte.

"Nichts. Ich wollte euch beide nur noch mal sehen, bevor ihr geht." Sie senkte etwas den Blick. "Wollt ihr... wirklich mitkämpfen? Ihr habt euch doch schon genug in Gefahr begeben..."

"Mag ja sein, aber deshalb können wir unsere Kameraden ja nicht hängen lassen", entgegnete Ashitaka mit einem aufmunternden Lächeln, als er auf Miyuki zuging. "Mach dir keinen Kopf. Ich pass schon auf deinen Bruder auf."

"Pah! Pass mal lieber auf dich selbst auf!", meinte Tôya scherzend.

Ashitaka lachte kurz, dann wandte er sich wieder zu Miyuki um und gab ihr einen zarten Kuss auf die Wange. "Bis später." Und um die ganze Situation etwas aufzulockern, fügte er dem noch grinsend hinzu: "Und wenn ich wieder zurück bin, machen wir es uns heute Nacht etwas gemütlich, okay?"

"Hä?!" Miyuki lief sofort knallrot an. Obwohl sie im Grunde wusste, dass Ashitaka nur scherzte, war sie doch sehr peinlich berührt. Besonders, weil zudem noch Tôya mit im Raum stand, doch zeigte dieser bezüglich Ashitakas Bemerkung keinerlei nennenswerte Reaktion, sondern lächelte stattdessen nur etwas verschmitzt.

Nachdem Ashitaka das Zimmer verlassen hatte, um sich zu den anderen auf den Hof zu gesellen, spürte Miyuki wieder diese Unruhe in sich aufsteigen. Besonders, als sie wieder zu ihrem Bruder schaute. "Nii-sama... Bitte pass auf dich auf, ja? Ich will... ich will dich nicht noch einmal verlieren..."

Ihre Angst war für Tôya sehr gut nachvollziehbar gewesen. Und bestimmt plagte sie das gleiche Gefühl im Bezug auf Ashitaka. Er kam auf sie zu und umarmte sie sanft. "Keine Sorge. Diesmal werde ich dir nicht wieder solche Sorgen bereiten. Versprochen."

"Mh... Versprich aber bitte nichts, was du nicht halten kannst..."

Tôya löste die Umarmung wieder und bedachte seine kleine Schwester nun mit einem warmen Lächeln. "Hab keine Angst. Vertrau mir, Miyuki, und vertrau auch Ashitaka und den anderen. Es wird alles gut."

Zwar konnte er nicht alle ihre Sorgen zerstreuen, aber Miyuki nickte schließlich dennoch. Gerne wäre sie mitgekommen, aber wollte sie insbesondere Tôya und Ashitaka nicht eventuell im Wege stehen, zumal Tôya sie noch am Abend zuvor inständig darum gebeten hatte, im Schloss zu bleiben und zu warten. Also würde sie warten und darauf hoffen, dass alles gut ausgehen würde.
 

Immer wieder gingen Kimie diese Gedanken durch den Kopf, während sie spürbar nervös durch das Zimmer tigerte und Sesshoumaru auf dem Boden saß und sich noch mal seine beiden Schwerter besah. Da er auf Tenseiga als Waffe nicht bauen konnte, nahm er insbesondere Toukijin in Augenschein, doch das Schwert war bestens geschärft und bereit, um zum Einsatz zu kommen.

"Und du willst immer noch mitkommen?", fragte Sesshoumaru irgendwann an Kimie gerichtet, die daraufhin stehen blieb.

"Sicher! Sonst hätte ich dir schon Bescheid gesagt."

"Du wirkst aber sehr nervös." Er wandte sich zu ihr um.

"Ach... Das ist nur das Adrenalin", versuchte sie abzuwinken.

Sesshoumaru hatte sie zwar nicht so ganz verstanden, unterließ es aber, eventuell noch mal nachzufragen, was genau sie gemeint hatte. Schließlich nahm er seine Schwerter an sich und wollte gerade wieder aufstehen, als er jedoch mitbekam, dass Kimie direkt hinter ihm stand und sich ungefragt an seinem Haar zu schaffen machte.

"Du solltest dir die Haare zurück binden, sonst könnten sie im Kampf stören." Obwohl sie sehr ruhig gesprochen hatte, schien sie dennoch keine Widerworte zu dulden. Zwar wusste Sesshoumaru nicht, wozu das gut sein sollte, denn bisher hatten seine Haare ihn schließlich auch nie gestört, aber wenn es Kimie damit besser ging...

Als sie fertig war, gab sie ihm zu seiner Verwunderung einen leichten Klaps auf den Kopf. "So! Das wär's. Und so erinnerst du wieder etwas mehr an deinen Vater." Kimies scheinbare Lockerheit verflog allerdings rasch wieder. Abermals dachte sie mit wachsender Nervosität an den bevorstehenden Kampf. Wie würde er wohl enden?

Sesshoumaru spürte ihre Hände, die auf seinen Schultern ruhten. Er merkte Kimie nach wie vor an, dass sie sehr intensiv über den Kampf nachdachte. Gerne hätte er sie aus alldem herausgehalten, doch würde er es ihr wiederum verbieten, sich einzumischen, würde sie wohl von sich heraus auf dem Schlachtfeld aufkreuzen, und wenn sie bis dorthin hätte kriechen müssen.

"Kimie?"

Sofort horchte sie auf. "Ja?"

Sesshoumaru stand nun wieder auf, wobei er ihr eines seiner beiden Schwerter entgegenhielt. "Ich möchte, dass du Tenseiga bei dir trägst. Es wird dich beschützen, wenn ich nicht in deiner Nähe sein sollte."

Kimies etwas verwunderter Blick wechselte von Sesshoumaru zu Tenseiga und wieder zurück. "Und... was ist mit dir?"

"Ich kann wohl guten Gewissens behaupten, dass ich gut auf mich selbst aufpassen kann", entgegnete er gewohnt seriös und legte ihr das Schwert in die Hände. "Bei einem Kampf dieser Größe kann man leicht den Überblick verlieren. Ich werde mich besonders darauf konzentrieren, Akuma auszuschalten. Ohne einen Anführer werden die Ryû-Youkai weitaus verwundbarer sein und vielleicht geben sie dann sogar auf."

"Und was hast du dann mit denen vor, die sich ergeben?", fragte Kimie vorsichtig.

Sesshoumaru wartete einen Augenblick mit der Antwort. "Ich werde versuchen, sie dazu zu bewegen, dass sie das Land verlassen. Doch wenn sie nicht gewillt sind, werde ich auch sie töten lassen. Alles andere wäre zu riskant."

"Und Takeshi?" Kimies Stimme war noch unsicherer geworden.

Irgendwie hatte Sesshoumaru geahnt, dass diese Frage kommen würde. Doch wieder dauerte es einen Moment, ehe er antwortete: "Sofern er nach diesem Kampf noch am Leben sein wird, schicke ich ihn mit seinen überlebenden Kameraden nach China zurück. Hier werde ich ihn nicht mehr dulden."

"Hm..." Kimie senkte ein wenig den Blick. So was in der Art hatte sie sich schon gedacht. Klar, warum sollte Sesshoumaru auch anders über Takeshi urteilen? Doch was, wenn Takeshi nicht nach China gehen wollte? Würde Sesshoumaru dann auch ihn töten? Oder würde er versuchen, ihn gewaltsam zu vertreiben?

"Du magst ihn", bemerkte Sesshoumaru plötzlich, was Kimie etwas erschrocken aufschauen ließ.

"Wie?"

"Ich müsste schon sehr blind sein, würde ich das nicht bemerken. Du magst Takeshi und in gewisser Hinsicht liebst du ihn auch. Als guten Freund."

Kimie war einerseits leicht irritiert, andererseits aber auch überrascht darüber, dass Sesshoumaru so sprach. Obwohl... Es war wohl durchaus etwas Wahres dran gewesen. Ja, sie mochte Takeshi sehr, aber eben wirklich nur als guten Freund. Und das war der Grund, weshalb sie um ihn bangte und darum, was aus ihm werden würde.

Sesshoumaru beobachtete Kimie noch ein wenig, dann führte er seine Hand unter ihr Kinn, sodass sie ihm ins Gesicht blickte. Ihre Vertrautheit mit Takeshi sagte ihm zwar nicht zu, aber ebenso wenig konnte und wollte er ihr den Umgang mit ihm verbieten. Denn würde er das tun, würde er Kimie damit zwangsläufig von sich entfremden. Das wollte er jedoch auf jeden Fall vermeiden.

Während Sesshoumaru sie so ansah, schaute Kimie aufmerksam zu ihm hoch. "Mh... Hast du was?"

Er schüttelte leicht den Kopf. "Nein. Es ist nichts."

Doch im Geheimen hatte Sesshoumaru an das gedacht, was er in dieser Vision beim Grab seines Vaters gesehen hatte, und er dachte dabei auch an die Worte von Inu no Taishou. Dass das Eintreten eben dieser Zukunft, wie Sesshoumaru sie gesehen hatte, auch davon abhängt, was er letztendlich selbst für sich entscheiden wird. Zuallererst musste er natürlich den heutigen Kampf überleben und dafür sorgen, dass die Ryû-Youkai endgültig besiegt werden würden. Keine leichte Aufgabe, und die Wahrscheinlichkeit war groß, dass es ein genau so blutiges Ende nehmen würde, wie schon vor tausend Jahren. Die Tatsache, dass er Kimie allen Ernstes erlaubt hatte, sich doch noch an alldem zu beteiligen, kam Sesshoumaru wiederum mehr als absurd vor. Das war doch kompletter Wahnsinn!

"Es wäre mir lieber, du würdest doch besser hier bleiben", sagte er schließlich ruhig, aber bestimmt.

So etwas in der Art hatte Kimie schon erwartet. Sie lächelte und umarmte ihn. "Ja, ich weiß. Aber keine Sorge, ich pass schon auf mich auf. Versprochen!"

Es hätte wohl keinen Sinn gehabt, weiterhin zu versuchen, es ihr auszureden. Also beließ Sesshoumaru es dabei und legte behutsam seine Arme um Kimie. Hätte er die sichere Gewissheit gehabt, dass diese Vision im Grab seines Vaters eine Zukunftsgarantie gewesen war, hätte ihn das ohne Zweifel beruhigt. Sesshoumaru hatte Kimie bisher nichts von dieser Vision erzählt und hatte das eigentlich auch nicht vor. Irgendwie hatte er das Gefühl, er würde sie dann vielleicht unbewusst beeinflussen, was er allerdings umgehen wollte. Sie sollte sich deshalb nicht etwa dazu genötigt fühlen, etwaige Erwartungen seinerseits erfüllen zu müssen. Wenn irgendwann die Zeit dafür gekommen war, würde er ihr alles erzählen.

Ein Klopfen an der Tür ließ Sesshoumaru und Kimie aufhorchen. Sesshoumaru bat den Besucher herein, der sich als Kakeru entpuppte. Er betrat den Raum und verneigte sich leicht. "Es ist Zeit, Sesshoumaru-sama."

"Ja." Sesshoumaru schickte Kimie schon mal nach draußen, während er selbst noch kurz mit Kakeru reden wollte.

"Sind die Krieger bereit?", fragte Sesshoumaru, nachdem Kimie die Tür hinter sich geschlossen hatte.

"Sie haben sich bereits auf dem Hof versammelt", antwortete Kakeru. "Und genau, wie viele von ihnen schon einst Eurem Vater gefolgt waren, so werden sie heute auch Euch folgen. Und sei es in den Tod."

Sesshoumaru nahm dies ohne sonderliche Gefühlsregungen zu zeigen zur Kenntnis, obwohl er genau wusste, dass seine Leute im Grunde nur auf ihn blicken würden. Eine erfolgreiche Beendigung dieses Kampfes hing zu einem großen Teil von seinen Führungsqualitäten ab. Er musste das zu Ende bringen, was sein Vater einst begonnen hatte.

Sesshoumaru trat auf Kakeru zu. "Kakeru. Ich übergebe Rin in deine Obhut. Achte gut auf sie."

Kakeru nickte. "Das werde ich."

Dann sprach Sesshoumaru das aus, was so noch nie gesagt hat und wohl nie wieder sagen würde: "Und nur für den Fall, dass wir unterliegen... In diesem Fall verlässt du mit denjenigen, die hier zurückbleiben das Schloss und diese Ländereien. Ich vertraue dir das Wohlergehen der Überlebenden an."

"Gut. Wie Ihr wünscht."

Und auch, wenn Sesshoumaru den schlimmsten Fall mit einberechnet hatte, er hatte in keinster Weise vor, ihn Wirklichkeit werden zu lassen. Es gab ihm einfach nur ein besseres Gefühl, für jeden Fall entsprechende Vorkehrungen getroffen und Anweisungen gegeben zu haben. Keine Frage, sollten seine Krieger unterliegen, wären die westlichen Länder verloren. Keiner, der mit den Inu-Youkai in Verbindung gestanden hatte, wäre in dieser Gegend dann noch seines Lebens sicher gewesen.

"Ich bedaure es sehr, Euch nicht besser helfen zu können, Sesshoumaru-sama", sagte Kakeru plötzlich. "Es wäre mir eine Ehre gewesen, wie schon an der Seite Eures verehrten Vaters ebenso an Eurer Seite zu kämpfen. Doch nichts desto trotz werde ich natürlich dafür Sorge tragen, Euch von hier aus so gut es geht zu unterstützen, falls es notwendig sein sollte."

"Ja. Ich weiß", entgegnete Sesshoumaru ruhig. Als er letztendlich an Kakeru vorbei schritt, um zur Tür zu gehen, berührte er ihn kurz und wie zum Abschied an der Schulter, dann verließ er das Zimmer. Kakeru hörte nur noch, wie die Tür sich wieder schloss, dann wurde es still.

"Ich wünsche Euch viel Glück, Sesshoumaru-sama. Euch und auch allen anderen..."
 

Auch Kagome und die anderen waren wie erwartet schon auf den Beinen und bereit für den bevorstehenden Kampf.

"Das dürfte mit Abstand unsere bisher schwerste Herausforderung werden.", meinte Miroku ernst und schaute dabei auf seine rechte Hand. Ob sich Naraku in dieser Auseinandersetzung auch endlich zu erkennen geben würde? Und wenn ja, was würde er tun?

"Geben wir einfach unser Bestes", sagte Kagome. "Wir haben immerhin schon so viele schwierige Kämpf hinter uns gebracht. Wenn wir zusammenhalten, dann schaffen wir auch das hier!"

"Kagome-chan hat Recht!", pflichtete Sango, die sich bereits ihre Taijiya-Uniform angelegt hatte, ihrer Freundin bei. Auch Shippou wollte dem nicht hinterher stehen und hatte schon im Voraus angekündigt, dass er ebenfalls mitkämpfen wollte. Nur herumzusitzen, während sich seine Freunde in größte Gefahr begaben, kam für den kleinen Kitsune auf keinen Fall in Frage! Schließlich hatte er bisher auch immer mitgekämpft.

"Gut! Dann nehmen wir die Sache mal in Angriff!", meinte Inu Yasha entschlossen, den Griff seiner linken Hand dabei fest um Tenseigas Schwertscheide geschlossen.

Dann sollte er also beginnen... der letzte Kampf.

Der letzte Kampf

Es mussten inzwischen gut zwei Stunden vergangen sein, seit die Inu-Youkai auf dieser Wiese nahe an der Grenze ihrer Ländereien auf die Ryû-Youkai warteten. Keiner sprach ein Wort, und wenn geredet wurde, dann nur sehr leise.

Inu Yasha und seine Freunde hatten sich für sich separat zurückgezogen und beobachteten die Inu-Youkai aufmerksam. Einer von ihnen hatte in seiner wahren Form etwas abseits Stellung bezogen, um die anderen zu warnen, sobald er eine Gefahr wahrnahm. Am Himmel hatte sich eine dichte Wolkendecke gebildet, während in der Ferne ein dumpfes Donnern zu vernehmen gewesen war.

"Eine bedrückende Atmosphäre...", meinte Miroku und auch er spürte die Anspannung in sich. Kagome und dem Rest der Gruppe ging es da nicht viel anders. Nur Inu Yasha fiel mal wieder aus dem Rahmen und ließ alle anderen an seiner offensichtlichen Langeweile sogleich teilhaben, indem er ein lautes Gähnen verlauten ließ.

"Uaaaah... Ist das hier öde! Wie lange sollen wir hier denn noch rumhocken?"

"So lange wie es eben dauert", meinte Sango nur, während man im Hintergrund einige der Inu-Youkai miteinander tuscheln hören konnte.

Nach einem Moment trat Sesshoumaru in den Vordergrund. "Damit eines von vornherein klar ist, Inu Yasha: Hier habe ich die absolute Befehlsgewalt. Wage es also nicht, mir in irgendeiner Form in die Quere zu kommen!"

Aus dem Seitenwinkel schielte Inu Yasha eher minder beeindruckt zu seinem Halbbruder. "Und so sprach der große Anführer... Komm mal wieder runter von deinem hohen Ross!"

Kagome seufzte kaum hörbar auf. Da fiel ihr auf, dass Shippou, der neben ihr im Gras saß, schon die ganze Zeit leicht zitterte. "Was ist mit dir, Shippou-chan? Wenn du Angst hast, dann geh lieber wieder zurück zum Schloss."

Doch der kleine Kitsune schüttele vehement den Kopf. "Das geht nicht! Das würde meine Ehre verletzten. Schließlich kann ich mich doch nicht feige verkriechen, während ihr alle hier euer Leben aufs Spiel setzt."

"Shippou-chan..." Kagome lächelte sanft angesichts von Shippous Entschlossenheit.

Indes schweifte Kimies Blick rüber zu Takeshi. Dieser stand etwas abseits von allen anderen und schaute dabei immer wieder nervös zum Himmel hinauf. So manch einer warf ihm misstrauische Blicke zu, die er im Moment selbst jedoch gar nicht wahrnahm. Als Kimie zu ihm ging und ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter legte, schreckte er kurz hoch, ehe er das Mädchen erkannte. "Oh... Du bist es..."

"Geht es dir gut?", fragte sie besorgt.

"Ich bin nur... etwas nervös." Takeshi schlang die Arme um seinen Körper. "Ich habe so ein eigenartiges Gefühl... Es ist irgendwie beklemmend."

"Verständlich, wenn du dich unwohl fühlst. Da geht es uns allen wohl ähnlich, auch, wenn es einige nicht so sehr zeigen." Dabei schaute Kimie kurz in Sesshoumarus Richtung. "Sag mal, Takeshi, hast du eigentlich die Perle, die Renhou dir gegeben hat, noch bei dir?"

"Ja, in meiner Hosentasche. Warum fragst du?"

Sie schüttelte den Kopf. "Nur so. Kein besonderer Grund."

Takeshi schwieg einen Augenblick lang. "Obwohl ich wüsste, für wen ich sie verwenden würde, hoffe ich dennoch inständig, dass ich sie nicht gebrauchen muss..."

"Hm..." Kimie hatte zwar mitbekommen, dass Takeshi zudem Renhous Schwert bei sich trug, aber ob er es im Kampf benutzen wollte? Da sie sich etwas davor scheute, ihn danach zu fragen, ließ es von daher besser sein. Er würde diesbezüglich schließlich schon wissen, was er sich dabei gedacht hatte.

Beide bekamen im Augenblick nicht mit, wie Sesshoumaru sie aus dem Seitenwinkel ein wenig beobachtete. Er hatte schon die ganze Zeit über bemerkt, dass Takeshi sehr nervös gewesen war, aber im Moment schien er sich wieder ein wenig zu beruhigen. Kimie gab ihm wohl genügend Halt.

"Du siehst nachdenklich aus. Machst du dir Sorgen?"

Sesshoumaru hatte sich auf diese Frage hin sogleich in die andere Richtung umgewandt, als Touran nun auf ihn zukam und sich an seine Seite gesellte.

"Du scheinst mir noch schweigsamer geworden zu sein, ebenso wie deine Männer", bemerkte sie, ehe auch sie kurz rüber zu Kimie und Takeshi blickte. "Nur scheint es bei dir noch einen anderen Grund dafür zu geben, außer den bevorstehenden Kampf."

"Es gibt nichts mehr, was nicht geklärt ist", stellte Sesshoumaru kurz und knapp klar und schaute dann wieder geradeaus.

Auf Tourans Lippen zeichnete sich ein leichtes Lächeln ab. "Wenn das so ist..."

Und obwohl Sesshoumaru sich dazu nicht weiter äußerte, nahm er ihre Bemerkung doch zur Kenntnis. Er sah auch keinen Grund darin, Touran wieder wegzuschicken, denn sie hatte ihm gegenüber immerhin schon deutlich gemacht, dass das, was zwischen ihnen beiden vorgefallen war, keine Rolle mehr spielte. Und man sollte bekanntlich keine alten Geschichten wieder aufwärmen. Es gab Wichtigeres zu tun.

Nur schien sich noch immer partout nichts einstellen zu wollen. Wenngleich sie nicht scharf darauf war, sich in den Kampf zu stürzen, kam es Kimie doch allmählich merkwürdig vor, dass von Akuma und den Ryû-Youkai noch immer nichts zu sehen gewesen war. Sie klammerte die Möglichkeit, sie hätten sich eventuell alle aus dem Staub gemacht, schon von vornherein aus. Ob Renhou sich vielleicht geirrt hatte?

Mitten in ihren Gedankengängen bekam Kimie plötzlich mit, wie Takeshi kurz in sich zusammenzuckte. Auch sein Blick hatte sich abrupt verändert. Er hatte etwas Ängstliches an sich gehabt. Besorgt wandte sie sich an ihn. "Takeshi? Was ist denn?"

Takeshi antwortete nicht sofort. Erst nach einigen Sekunden flüsterte er kaum hörbar: "Sie kommen..."

In diesem Moment hallte das wolfsgleiche Heulen des Wachpostens über das Gebiet hinweg. Eine Warnung an alle, dass der Feind sich näherte.

Kaum waren alle in Bereitschaft gewesen, brachen aus der dichten Wolkendecke die ersten Flugdrachen hervor. Auf dem Leittier saß natürlich Akuma, dicht gefolgt von seinem gesamten Gefolge. Während sich die Ungetüme der Erde näherten, kamen immer weitere Flugdrachen zum Vorschein, einige mit und andere ohne Reiter. Kein Zweifel, wie schon damals waren die Ryû-Youkai auch nur anhand der Anzahl ihrer Krieger bemessen in der Überzahl gewesen. Doch für Sesshoumaru kam eine Kapitulation schon von vornherein auf keinen Fall in Frage! Dieses Mal sollte es endlich entschieden werden und zwar hier an diesem Ort, wo schon einst sein Vater die erste Schlacht gegen Khan, Akumas Vater, geschlagen hatte.

Die Erde erzitterte, als Akumas Flugdrache schließlich landete. Ein lautes Brüllen hallte über das Gebiet hinweg, als versuchte das Monster, seine Feinde einzuschüchtern. Kaum, dass Akuma von seinem Reittier abgestiegen war, zuckte Kagome zusammen, allerdings nicht nur angesichts der bedrohlichen Gegenwart der Feinde.

"In der Klinge von Akumas Schwert befindet sich ein Juwelensplitter!", sagte sie und zupfte Inu Yasha am Ärmel. Ganz deutlich konnte sie durch die Schwertscheide von Akumas Schwert hindurch das Schimmern des Splitters erkennen.

Von Inu Yashas Seite hörte man sofort ein Knurren. "Tse! Den hat der Dreckstyp garantiert von Naraku!"

Das waren ja tolle Aussichten gewesen... Als ob die ganze Sache nicht schon schwierig genug werden würde...

"Was tun wir jetzt?", fragte Kimie verunsichert. Sesshoumaru deutete ihr und den anderen an, an Ort und Stelle zu warten. Ashitaka und Tôya hingegen gab er die Stille Anweisung, ihm zu folgen. Dann gingen dir drei direkt auf die Ryû-Youkai zu.

Auch von der anderen Seite näherten sich nun drei Personen; es waren Akuma, Jin und Yu. Mit einem Abstand von gut vier Metern zueinander trafen die beiden Parteien schließlich in der Mitte aufeinander. Anfangs hüllte sich jeder nur in eisiges Schweigen.

"Genau hier standen sich vor 1000 Jahren schon unsere Väter gegenüber", begann Akuma schließlich an Sesshoumaru gerichtet. "Ich werde dafür Sorgen, dass heute alles anders ausgehen wird als damals. Es wird mir ein besonderes Vergnügen sein, dir das Leben aus dem Leib zu reißen."

"Dazu wird es nicht kommen", entgegnete Sesshoumaru kalt. "Du solltest dir lieber Gedanken um dein eigenes Leben machen."

Akuma konterte nur mit einem heimtückischen Lächeln, ehe sich sein Blick auf Tôya richtete. "Sag mal, du bist doch der Kerl, der gegen Toba gekämpft hat, nicht wahr? Du hast also überlebt..." Weil Tôya nur eisern schwieg, wandte sich Akuma gleich weiter an Ashitaka. "Und du hast Rokou ausgeschaltet." Letztendlich traf sein Blick wieder mit dem von Sesshoumaru zusammen. "Und das mit Renhou ist ja wiederum mehr oder weniger dir anzurechnen. Dann hätten wir hier ja das glorreiche Trio versammelt, das sich damit schmücken kann, drei der fünf Hüter besiegt zu haben." Die letzte Aussage war begleitet gewesen von einem unüberhörbarem Unterton von Zynismus. Doch zeigte keiner der drei Inu-Youkai auf diesen indirekten Versuch einer Provokation irgendeine entsprechende Reaktion. Die nächste Person, die Akuma dann ins Auge stach, war sein Bruder gewesen. "Takeshi!"

Takeshi konnte nicht verhindern, erschrocken zusammenzuzucken. Akumas Stimme traf ihn fast schon wie eine heftige Ohrfeige. Er versuchte zwar, nach außen hin einen gefassten Eindruck zu machen, aber in seinen Augen sah man diesen Funken von Unsicherheit. Besonders dann, als Akuma weiter sprach: "Ich könnte dich jetzt fragen, was das für ein Gefühl ist, wenn man seinen Clan und den eigenen Bruder hintergeht. Aber dann müsste ich dir ja ein gewisses Interesse daran vorgaukeln und dazu lasse ich mich nicht herab. Im Grunde ist es mir auch vollkommen egal, warum du zu diesen Hunden übergelaufen bist, aber eines sei dir gewiss: Du wirst noch heute, hier auf diesem Schlachtfeld durch meine Hand den Tod finden und ich werde diesen Augenblick wahrlich genießen! Es ist wirklich eine Schande, dass in unser beider Adern das gleiche Blut fließt! Und du willst mein Bruder sein?! Das gehört ab jetzt der Vergangenheit an!"

Takeshi ballte die Hand zur Faust, während sein Blick nach wie vor zu Boden gerichtet war. Kimie verspürte in diesem Moment eine unbändige Wut in sich und schrie Akuma entgegen: "Mistkerl! Der Einzige hier, der ein schlechter Bruder ist, bist ja wohl ganz allein du! Und so einer maßt sich an, schlecht über andere zu reden?!"

Anstatt, dass er aber etwas auf ihre Worte erwiderte, wandte sich Akuma nur wieder an Sesshoumaru. "Was hat denn deine Konkubine hier verloren?"

"Wen nennst du hier eine Konkubine, du Großmaul?!", hörte man abermals Kimie über das Gelände hinwegbrüllen, nachdem Inu Yasha ihr zugeflüstert hatte, was Akuma gesagt hatte. "Und überhaupt, wenn du mir was zu sagen hast, dann sag es mir gefälligst ins Gesicht! Oder bist du dafür doch zu feige?"

"Beruhige dich doch bitte wieder, Kimie...", versuchte Kagome auf ihre aufgebrachte Cousine einzureden, die mir ihrem drohenden Tobsuchtsanfall schon so manchen irritierten Blick auf sich gezogen hatte.

Akuma jedoch ließ sich von dem Ausbruch des Mädchens eher minder beeindrucken. "Hm! Da haben sie schon so ein lächerlich kurzes Leben und stürzen sich trotzdem in jede Gefahr... Menschen sind wirklich unverbesserliche Lebewesen." Dann grinste er Sesshoumaru hinterhältig ins Gesicht. "Von mir aus, dann erledige ich das Weib eben direkt vor deinen Augen! Den Spaß werde ich mir sicher nicht nehmen lassen."

"Wir werden sehen", erwiderte Sesshoumaru nur kalt, ehe er Ashitaka und Tôya die Rückkehr zu den anderen anwies. Akuma tat es ihm gleich.

"Es geht los. Macht euch bereit!", sagte Sesshoumaru an die Umherstehenden gewandt und drehte sich dann wieder in die Richtung der Ryû-Youkai um. Einige der Flugdrachen schlugen mit ihren mächtigen Schwingen und fauchten bedrohlich. Es bedurfte nur eines einzigen kleinen Signals, dann würde der Kampf entbrennen...

Fast zeitgleich zogen Sesshoumaru und Akuma ihre Schwerter. Angespannte Stille breitete sich nun über dem Gelände aus.

Mitten in dieser beklemmenden Atmosphäre ergriff Inu Yasha plötzlich Kagomes Hand. "Kagome... Ganz gleich, was ab jetzt passiert, bleib in meiner Nähe. Ich werde dich beschützen!"

Sie nickte dankend, aber auch entschlossen, ihr Bestes zu geben, und drückte seine Hand etwas fester.

Sango und Miroku hatten sich indes auf Kiraras Rücken platziert, um den Kampf von der Luft aus zu unterstützen. Ihre entschlossenen Blicke trafen sich noch einmal, während Miroku der jungen Frau eine Hand auf die Schulter legte. Und während Shippou noch versuchte, sein Zittern unter Kontrolle zu bringen, zog auch Kimie ihr Schwert. Tenseiga hatte sie ebenfalls links an ihrer Hüfte am Gürtel befestigt. Auch Takeshi schien nunmehr bereit gewesen zu sein, doch ließ er Renhous Schwert in dessen Schwertscheide ruhen und bediente sich stattdessen des Einsatzes seines Naginata. In seinen Augen konnte Kimie eine gewisse Unsicherheit erkennen, was für sie aber nicht weiter verwunderlich gewesen war. Wer kämpfte schon gerne auf Leben und Tod gegen den eigenen Bruder und die ehemaligen Kameraden?

"Zeigt keine Gnade", hörte man Sesshoumaru plötzlich mit ruhiger Stimme sagen. "Denn auch uns wird garantiert keine Gnade entgegengebracht werden."

"Sesshoumaru..." Kimie ergriff ihn zögerlich am Ärmel. "Wie auch immer das alles ausgehen wird… Ich bereue es nicht, damals in diesen Fluss gefallen zu sein."

Als er sich zu ihr umwandte, trafen sich ihre Blicke für einen kurzen Augenblick. Auch ihm war ihre allererste Begegnung auch noch sehr wohl im Gedächtnis geblieben. Und auf jeden Fall sollte heute nicht der letzte Tag sein, an dem sie sich daran erinnern sollten.

Schließlich erhob Sesshoumaru fast zeitgleich mit Akuma sein Schwert. Angespannte Sekunden des Wartens stellten sich ein, dann ließen sie beide die Klingen gleichzeitig niedersausen. Es hatte begonnen...
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Im Schloss der Inu-Youkai saßen Kakeru, Sakura und Miyuki, sowie Rin, Jaken, Toutousai und Myouga in einem Zimmer zusammen. Auch Inuki war bei ihnen gewesen. Kimie hatte ihn nicht mitnehmen wollen, deshalb war er im Schloss geblieben. Zur allgemeinen Beruhigung hatte Sakura Tee serviert, doch als Kakeru sich irgendwann zu den geöffneten Fenstern umwandte, waren sämtliche Blicke auf ihn gerichtet.

"Was ist los, Kakeru-sama?", fragte Miyuki sogleich und die Antwort, die sie erhielt, beunruhigte sie sehr.

"Nur so ein Gefühl... Mir scheint, es hat soeben begonnen."

Myouga seufzte auf. "Beten wir, dass Inu Yasha-sama und den anderen nichts passieren wird. Was anderes können wir ohnehin nicht tun."

"Außer eben abwarten...", fügte Toutousai nachdenklich hinzu.

Besorgt schaute Miyuki nun ebenfalls zum geöffneten Fenster hinaus. "Hoffentlich geht alles gut..."

"Keine Sorge! Sesshoumaru-sama und die anderen kommen ganz bestimmt wieder zurück", meinte Rin zuversichtlich. Ihr Vertrauen in Sesshoumaru konnte halt so leicht nichts erschüttern. Zu gerne hätte Miyuki diesen Optimismus geteilt, aber gelingen wollte ihr das nicht. Dennoch nickte sie mit einem schwachen Lächeln.

Und auch Sakura ging es nicht viel besser. Insbesondere die Sorgen um Ashitaka waren für sie kaum zu ertragen gewesen. Zuvor hatte sie nur noch kurz mit ihrem Sohn sprechen können. Inständig hatte sie ihn darum gebeten, vorsichtig zu sein, denn ihn etwa vom Kämpfen abhalten, hätte sie ohnehin nicht gekonnt. Als Sakura mit einem Mal eine Hand von Kakeru auf ihrer eigenen verspürte, schaute sie auf. Er schien genau zu ahnen, was ihr gerade durch den Kopf ging.

"Habt Vertrauen, Sakura-dono. Alles wird gut werden", sagte er, und Sakura erwiderte sein sanftes Lächeln.

"Ja... Ja, du hast wohl Recht, Kakeru." Nicht desto trotz betete sie natürlich auch weiterhin für einen guten Ausgang dieser Geschichte. Und dabei dachte sie auch an ihren verstorbenen Gefährten. >Akira... Ich flehe dich an! Bitte wache über unseren Sohn...<
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Die Erde bebte unter dem donnernden Aufprall des massiven Körpers von einem der Flugdrachen, den Sango mit einem gezielten Bumerangwurf soeben vom Himmel befördert hatte. Im selben Moment musste Kirara allerdings schon wieder Ausweichmanöver fliegen, als sie gleich von drei anderen dieser fliegenden Bestien in die Zange genommen wurde. Nur wenige der Flugdrachen wurden noch von Reitern gelenkt, die meisten kämpften unter eigener Kontrolle gegen die Feinde. Der Himmel war verdunkelt von mächtigen Schwingen.

Als Kagome einem der Flugdrachen einen Pfeil entgegen schoss, hatte sie es aber übergangen, die Sehne des Bogens ausreichend genug zu spannen, weshalb der Pfeil zum Einen zu wenig Schwung bekam und zum Anderen nach einem relativ kurzem Flug im hohen Bogen und ohne jeglichen Schaden angerichtet zu haben wieder nach unten fiel. Sogar der Drache selbst schien anfangs ein wenig bedröppelt dreinzublicken, ehe er wiederum zum Angriff überging. Aber da erledigte nun ein Pfeil von Subaru das fliegende Ungetüm. Kagome bemerkte, dass der Inu-Youkai sie zuvor wohl beobachtet hatte und angesichts ihrer doch eher bescheidenen Leistung leise aufseufzte. Peinlich berührt rang sie sich zu einem Lächeln durch. "Äh... Das eben war nur zum Aufwärmen. Ab jetzt wird es besser! Hehe..."

Und es wurde tatsächlich besser. Einen Pfeil nach dem anderen schoss Kagome den Angreifern aus der Luft entgegen. Sie trat ihre Ziele nunmehr stets mit sicherer Präzision und durch die magische Kraft ihrer Pfeile konnte sie so immer mehrere Gegner auf einen Schlag zur Strecke bringen. Aber gerade, als sie erneut einen Pfeil auf die Sehne ihres Bogens spannen wollte, rutschte ihr der Pfeil aus den Fingern. Im selben Moment steuerte wieder einer dieser Flugdrachen geradewegs auf sie zu. Vor Schreck kniff Kagome die Augen zusammen.

"Kaze no Kizu!", hallte der Ruf von Inu Yasha über die Ebene und keinen Augenaufschlag später war das angreifende Ungetüm Geschichte und Kagome in Sicherheit. Sie atmete erleichtert aus, als Inu Yasha zu ihr eilte. "Kagome! Ist alles in Ordnung?"

"Ja. Vielen Dank, Inu Yasha!"

"Und? Kannst du weiterkämpfen?"

"Sicher! Kein Problem!"

"Gut!" Doch Inu Yasha wollte auf jeden Fall in Kagomes Nähe bleiben.

Indes rannte Shippou ziemlich planlos und in Panik über das Schlachtfeld, stets darum bemüht, nicht ins Visier der Feinde zu geraten. Ein Frontalzusammenstoß zwang in jedoch schließlich zum Anhalten und als er aufblickte, sah er direkt ins Gesicht von einem von Akumas Kriegern.

"Ki... Kitsunebi!", versuchte Shippou sich irgendwie zu wehren, aber durch seine Angst konnte er gar nicht wirklich angreifen, weshalb sein Kitsunebi am Ende nichts weiter als eine kleine Flamme war.

"Mach 'ne Fliege, du Zwerg!", knurrte der Ryû-Youkai und holte mit seinem Naginata aus. Nur, weil er sich noch rechtzeitig geduckt und sich anschließend rasch wieder aus dem Staub gemacht hatte, war dem kleinen Kitsune nichts Schlimmeres passiert. Auch machte der Ryû-Youkai keine Anstalten, Shippou zu verfolgen. Offenbar war es selbst Akumas Kriegern zu umständlich, sich um einen so kleinen Gegner zu kümmern.

Hingegen hatte Sesshoumaru kaum Probleme, sich gegen seine Gegner zu behaupten, aber im Grunde hatte er es nur auf einen von ihnen abgesehen. Deshalb hielt er sich nie lange mit seinen verschiedenen Widersachern auf, sondern war hauptsächlich damit beschäftigt, Ausschau nach seinem wahren Gegner zu halten; Akuma! Doch wo war er? Egal, wie sehr Sesshoumaru sich auch umsah, er konnte ihn nicht entdecken. Hielt Akuma sich etwa irgendwo am Himmel auf? Wartete er darauf, bis seine Feinde so weit geschwächt wären, dass er selbst kaum noch was hätte tun müssen?

"Suchst du mich?"

Sofort drehte sich Sesshoumaru um und riss im selben Moment Toukijin nach oben, als hätte er geahnt, dass Akuma seinerseits sofort mit seinem Schwert zuschlagen würde. Die Klingen prallten aufeinander.

"Du verdammter Feigling! Kannst du nur gewinnen, wenn du dich von hinten an mich heranschleichst?!", knurrte Sesshoumaru und stieß Akuma wieder von sich fort. Dieser benutzte seine Schwingen dazu, um sich sicher in der Luft zu halten, ehe er schließlich einige Meter von Sesshoumaru entfernt landete.

"Oh, bist du etwa verärgert? Dabei wollte ich die Sache doch nur etwas interessanter gestalten", höhnte der Akuma mit einem hinterhältigen Lächeln. Doch Sesshoumaru behielt seine kühle Miene.

"Du hast wohl immer einen drittklassigen Spruch parat. Du langweilst mich!"

"Der große Lord des Westens. Humorlos wie eh und je... Aber egal! Wenn du dich so sehr langweilst, Sesshoumaru... dann schaffen wir dieses Problem doch einfach aus der Welt!"

Mit diesen Worten stieß sich Akuma vom Boden ab und flog nach oben. Als er sein Schwert erhob, entflammte sich die Klinge durch die Feuermagie des Youkai und zog eine glühend rote Flammenlinie, als er auf Sesshoumaru zuschnellte und mit dem Schwert zuschlug. Zwar wehrte Sesshoumaru den Angriff wiederum ab, doch da schien das Feuer auf ihn übergreifen zu wollen und er musste mit einem Satz nach hinten ausweichen. Sogar an der Klinge von Toukijin züngelten sich noch kurzzeitig einige Flammen entlang, ehe sie wieder erloschen. Schon von Anfang an hatte Sesshoumaru geahnt, dass ein Kampf gegen Akuma nicht einfach werden würde, doch nichts desto trotz wollte er die Sache zu ende bringen. Er musste seinen Feind besiegen und töten. Und so griff Sesshoumaru nun seinerseits an.

Akuma wich dem Angriff mit einem Sprung aus und hielt sich mit seinen Schwingen in der Luft, als er Sesshoumarus rechtes Handgelenk ergriff, sodass dieser ihn erst mal nicht noch mal attackieren konnte. "Sesshoumaru! Weißt du, warum du heute verlieren wirst? Weil du deine Zeit damit verschwendest, für Schwächere zu kämpfen!"

"Falsch! Denn ich kämpfe stets einzig und allein für mich, Akuma!", widersprach Sesshoumaru und schlug seinen Gegner von sich fort.

Akuma verweilte abermals für einen Augenblick in der Luft, ehe er mit seinem Schwert ausholte und die Klinge direkt in Sesshoumarus Richtung schwang. "Hafuu Retsuzan (etwa: schneidender Wind)!!"

Ein Windstoß, der wie eine scharfe Klinge über den Erdboden schnitt, bahnte sich seinen Weg zu Sesshoumaru, der mit einem Gegenschlag mit Toukijin die Attacke zum Erliegen brachte.

Ein heimtückisches Lächeln stahl sich auf Akumas Lippen. "Hm! Mir scheint, das könnte in der Tat noch dauern."
 

Auf dem Rücken seines Flugdrachens überflog Jin das Schlachtfeld und hielt Ausschau nach einem Gegner, bei dem es sich lohnen würde, dass er ihm in irgendeiner Form Aufmerksamkeit zukommen ließ. Mit Kagome hätte er dabei wohl nicht mal in seinen wirrsten Träumen gerechnet. Aber spätestens, nachdem einer ihrer Pfeile nur haarscharf an ihm vorbeigeschossen war, galt ihr sein Augenmerk.

Kagome musste schnell handeln, wenn der Fehlschuss von eben nicht noch irgendwelche schwerwiegenden Konsequenzen für sie haben sollte. Gerade wollte sie Jin einen neuen Pfeil entgegen schießen und ihn samt seinem Flugdrachen vom Himmel holen, da hatte der Ryû-Youkai seinerseits schon mit seinem Schwert zum Angriff ausgeholt und feuerte eine Art Blitz in die Richtung des Mädchens. "Tenryû Shinrai (Donnerschlag des Himmelsdrachen; eigentlich eine Attacke von Ryûra aus dem 4. Movie *g*)!"

Laut krachend und in einem gleißenden Licht explodierte die Attacke auf dem Boden. Jin schien Kagome dabei absichtlich knapp verfehlt zu haben, doch von der Wucht wurde sie dennoch weit zurückgeschleudert, sehr zum Entsetzen von Inu Yasha. "Verdammt! Kagome!!"

Doch bevor dem Mädchen etwas hatte passieren können, war Shippou schon zu Stelle gewesen. Eiligst verwandelte er sich mit einem "POFF" in den pinkfarbenen, fliegenden Ball mit den übergroßen Augen und den vier kleinen Beinchen und fing Kagome sicher auf.

Nach der weichen Landung atmete das Mädchen erleichtert auf. "Vielen Dank, Shippou-chan!"

"Geht es dir gut, Kagome?"

"Ja, alles in Ordnung."

Doch viel Zeit, um sich weiter zu unterhalten, blieb den beide nicht mehr, denn Jins Flugdrache machte Anstalten, genau auf die beiden zuzusteuern. Noch lange, bevor er sie erreicht hatte, feuerte er eine Energiekugel aus seinem Maul. Eiligst verwandelte sich Shippou in einen Vogel und flatterte so schnell er konnte aus der Schusslinie. Das Geschoss prallte unter einer lauten Explosion auf den Boden, richtete aber ansonsten keinen weiteren Schaden an.

"Gute gemacht, Shippou-chan!", lobte Kagome den kleinen Kitsune. "Das war eine tolle Idee von dir, dich in eine Möwe zu verwandeln!"

"Ich bin doch ein Adler...", gab Shippou ein wenig deprimiert zur Kenntnis.

Jin jedoch ließ sich von alldem eher minder beeindrucken. "Tse! Was für ein albernes Kindertheater! Schluss mit den Spielchen!"

Abermals befahl er seinem Flugdrachen den Angriff auf Kagome und Shippou. Das Ungetüm riss sein Maul auf und kleine Blitze begannen aus diesem rauszuzucken. Dann feuerte es eine Energiekugel auf die beiden ab. Mit hastigen Flügelschlägen versuchte Shippou, sich und Kagome abermals aus der Schusslinie zu manövrieren, aber diesmal war er zu langsam.

Inu Yasha bemerkte die ernste Situation, in der seine Freunde sich befanden und holte zum Gegenangriff aus. "Shippou! Flieg zur Seite! Bakuryuuha!!"

Shippou war Inu Yashas Anweisung sofort gefolgt und hatte eine scharfe Kurve geflogen. Kagome konnte sich gerade noch so festhalten, während Inu Yashas Angriff bereits mit dem von Jins Flugdrachen aufeinander prallte und die Attacke wieder an ihren Urheber zurückschickte.

Jin sprang nun vom Rücken seines Reittieres ab und entfaltete seine Schwingen, um sich in der Luft zu halten. Dass das Bakuryuuha genau auf ihn zusteuerte, schien ihn dabei gar nicht zu stören. Stattdessen holte er nun mit seinem Schwert aus. Als Inu Yashas Attacke ihn fast erreicht hatte, ließ er die Klinge blitzschnell niedersausen. "Ryûshosen (Blitz des fliegenden Drachen)!"

Ein greller Blitz erhellte den Himmel, ehe ein lauter Knall folgte. Inu Yasha blickte wieder zum Himmel hinauf und erschrak. "Wah! Was zum...?! Mein Bakuryuuha kommt zurück!?"

Es sah aus, als würde ein aus den Energien der Angriffe entstandener Drache nun direkt auf den Boden zusteuern. Inu Yasha verwarf die Möglichkeit gleich wieder, noch einmal ein Bakuryuuha zu benutzen, als er Miroku vom Himmel aus rufen hörte: "Geht in Deckung! Na los!!"

Da traf die Energie auch schon auf den Boden und gefolgt von einer lauten Explosion erzitterte die Erde kurzzeitig unter heftigen Stößen. Staub wirbelte in wilden Kaskaden auf und ab, Splitter von Holz und Steinen flogen durch die Luft. Dann trat für wenige Augenblicke eine geisterhafte Stille ein...

Als der Staub sich letztendlich wieder zu legen begann, wurde das ganze Ausmaß dieser Attackenkonfrontation deutlich. Ein gewaltiger Graben zog sich nun mehrere hundert Meter durch die Erde, doch schien wie durch ein Wunder niemand direkt durch den Angriff in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein. Alle hatten sich noch rechtzeitig in Sicherheit gebracht.

Kimie hatte zuvor nur noch so viel mitbekommen, dass sie jemand zur Seite und zu Boden gerissen hatte. Nur zögerlich wagte sie sich nun wieder zu rühren, nachdem es wieder still geworden war.

"Kimie! Bist du in Ordnung?", hörte sie Takeshi plötzlich fragen, und wandte sich um. Er hatte sich über sie gebeugt und sie somit beschützt.

"Ja, es geht mir gut. Danke...", murmelte sie noch immer etwas erschrocken und setzte sich wieder auf, nachdem er von ihr abgelassen hatte. Da landete Shippou mit Kagome auf dem Rücken unmittelbar neben ihnen. Nachdem das Mädchen abgestiegen war, verwandelte sich der kleine Kitsune wieder in seine normale Gestalt zurück.

"Kimie! Geht es dir gut?", fragte Kagome sofort.

"Ja, alles klar. Mir... ist nur das Herz ein bisschen in die Hose gerutscht..."

"Kein Wunder..." Kagome blickte zum Himmel hinauf. >Das ist also die Kraft von Jin... Dass er Inu Yashas Bakuryuuha so einfach...< Sie stockte. "Inu Yasha! Inu Yasha! Wo...?!" Da entdeckte sie den Hanyou nur etwas weiter entfernt mit dem Gesicht im Gras liegen. Er war gerade dabei gewesen, sich wieder aufzurappeln. Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte Kagome wohl mit Sicherheit angefangen zu lachen. Denn aus Inu Yashas Mund lugte ein großes Büschel Gras heraus, was er nun angewidert wieder ausspuckte.

"Buärks! Igitt! Widerliches Grünzeug!", fluchte er, schien aber ansonsten in guter Verfassung gewesen zu sein.

Indes richtete sich Sesshoumarus Aufmerksamkeit auf das eben Geschehene. Der zuvor noch andauernde Kampf gegen Akuma war durch Inu Yashas und Jins spontanem Kräftemessen unterbrochen worden. Akuma hatte sich erst mal wieder aus Sesshoumarus unmittelbarer Reichweite zurückgezogen. Aber anstatt sich gleich wieder seinem Feind zuzuwenden, warf Sesshoumaru nun einen mehr als mahnenden Blick in die Richtung seines Halbbruders. "Inu Yasha! Noch so eine Aktion und du bist der Nächste, den ich mir vornehmen werde! Denk gefälligst vorher nach, bevor du planlos mit Tessaiga zuschlägst!"

"Ach, halt 's Maul, du arroganter Großkotz!", knurrte Inu Yasha wütend, da bekam er schon die nächste verbale Kopfnuss verpasst und zwar von Jin, der von oben herab zu ihm sprach: "Attacken einfach zurückzuschicken, wird dich nicht retten, Hanyou. Du bist nämlich nicht der Einzige, der so etwas kann."

"Schnauze! Dir zeig ich's schon noch!", drohte Inu Yasha mit emporgehobener Faust, aber wie genau er seinen Worten Taten folgen lassen wollte, wusste er selbst noch nicht so recht.

Jin hingegen lächelte nur abfällig. "Oh! Du machst mir Angst, Hanyou. Ich habe schon ganz weiche Knie."

Angesichts dieser allzu offensichtlichen Verhöhnung lief Inu Yasha knallrot an wie eine überreife Tomate. Sein roter Kimono konnte da kaum noch gegen seine Gesichtsfarbe ankommen. "Grr! Du eingebildeter Flattermann! Komm doch runter, wenn du dich traust! Dann prügel‘ ich dir dein Gebiss aus deinem elenden Schandmaul, und sei es mit der bloßen Faust!"

"Du willst, dass ich zu dir komme, Hanyou? Von mir aus! Mach dich bereit!" Und schon stürzte sich Jin im Sturzflug Richtung Erde.

Kaum, dass Inu Yasha sich hatte bereit machen wollen, hielt er jedoch inne. Jins Gestalt verschwand mit einem Mal in einem gigantischen Flammenwirbel. Noch bevor er so richtig begriffen hatte, was gerade passierte, sah sich Inu Yasha auch schon der Furcht erregenden Gegenwart eines riesigen Drachen, dessen Schuppenpanzer in einem silbernen Licht schimmerte, gegenüberstehen. Mit lauten Donner und Getöse kam der Drache auf dem Erdboden auf und nahm den Hanyou zwischen den Klauen seines rechten Vorderlaufes in die Mangel, indem er ihn zu Boden drückte. Inu Yashas krampfhafte Versuche, sich zu befreien, blieben erfolglos. Er konnte nicht mal mehr Tessaiga einsetzen.

"Was ist los mit dir, Hanyou?", knurrte Jin hämisch. "Kannst du dich nicht bewegen? Auch gut! Dann reiße ich dir jetzt deinen kleinen Kopf ab!" Der Drache gab seine Furcht einflößenden scharfen Zähne preis. Da traf ihn ein Geschoss begleitet von einem hellen Licht seitlich am Kopf und er hielt inne.

"Dass lasse ich nicht zu! Lass Inu Yasha sofort frei!", rief Kagome mit bereitgehaltenem Pfeil und Bogen und zielte erneut auf den Drachen.

Jin richtete sich zu bedrohlicher Größe auf. "Kleine Göre... Verschwinde!"

Kagome erstarrte, als sie sah, wie der Drache eine gewaltige Flamme aus seinem Maul direkt in ihre Richtung schickte. Aber sie riss sich zusammen und versuchte dem Angriff mit einem Bogenschuss entgegen zu wirken. Der Pfeil verschwand in einem glühenden Licht, traf mit Jins Flamme frontal aufeinander und wurde regelrecht von dem Feuer verschluckt, ehe alles in einer ohrenbetäubenden Explosion endete.

Nachdem sich der Rauch wieder verzogen hatte, wurde der Blick frei auf den Krater, der sich durch den Zusammenprall von Kagomes Pfeil und Jins Feuer in den Erdboden gebrannt hatte.

Jin schnaubte verächtlich, wobei kleine Flammen aus seiner Nase schlugen.

"Wow! Was für eine Leistung für ein angeblich so supertolles Schuppentier wie dich!", höhnte Inu Yasha und fing sich von dem Drachen gleich einen stechenden Blick ein.

"Deine freche Zunge wird dir schon noch im Halse stecken bleiben, du billige Promenadenmischung!"

"Laber mich nicht voll, du Abklatsch eines zu groß geratenen Salamanders! Du...!" Inu Yasha brach abrupt ab, als Jin plötzlich von ihm abließ und ihn mit den Zähnen am Kragen seines Kimonos packte. Der Drache warf ihn wie ein Bündel Lumpen nach oben und machte sich im selben Moment bereit, den Hanyou noch praktisch im Freiflug zu rösten. Inu Yasha konnte dem nur entgegen wirken, wenn er frontal zurückschlug. Als Jin mit einem erneuten Feuerstrahl angriff, konterte Inu Yasha mit der Windwunde. Die Angriff trafen zusammen und nur einen Augenaufschlag später ertönte wiederum eine gewaltige Explosion, deren gewaltiger Druck auch noch nachhaltig zu spüren war. Während sich die anderen, die in unmittelbarer Reichweite gestanden hatten, sich eiligst zurückgezogen hatte, hatte Takeshi sich Kimie geschnappt und war mit ihr außer Reichweite in den Himmel empor geflogen.

"Furchtbar... Mir klingeln die Ohren...", beklagte sich Kimie unter einem Seufzen, während sie von Takeshi auf dessen Armen getragen wurde.

"Das ist eben Jin", erwiderte er monoton. "Er hat von Konversationen noch nie etwas gehalten, stattdessen handelt er lieber."

"Nette Umschreibung..."

Kimie beobachtete noch, wie sich Jin nach dem fehlgeschlagenen Versuch, Inu Yasha zu erledigen, vom Boden abstieß und wutschnaubend davonflog. Als sie den Blick danach für einen Moment zur Seite umwandte, blieb ihr fast die Luft weg. Gleich drei Flugdrachen steuerten nun genau auf sie und Takeshi zu. Natürlich hatte auch der Ryû-Youkai die Gefahr längst bemerkte und brachte sich und Kimie rasch aus der Gefahrenzone. Eigentlich hatte er vorgehabt, möglichst schnell wieder zu landen, doch immer neue Annäherungen der Feinde machten dieses Vorhaben fast schon unmöglich.

"Mist!", fluchte Takeshi leise. "So wird das nichts! Die lassen uns nicht durch!" Da kam ihm eine Idee, aber ob Kimie da so einfach mitmachen würde? Aber eine andere Wahl hatte er im Moment nicht, also fragte er sie plötzlich: "Vertraust du mir?"

"Was?"

"Vertraust du mir?", wiederholte er, dieses Mal deutlich energischer.

Kimie stutzte zuerst. Was sollte das auf einmal?

"Äh... Ja...?" Doch kaum, dass sie geantwortet hatte, ließ er sie plötzlich los. Ein erschrockener Schrei entwich ihr, während sie über ihrem Kopf so was wie Blitze wahrnahm und nur wenig später einen großen Schatten erkennen konnte, der über sie hinweg flog. Eine nicht gerade weiche Landung bereitete Kimies Fall ein jähes Ende.

"Alles okay?"

Verdutzt schaute Kimie auf. Erst beim zweiten Mal Hinsehen registrierte sie, dass sie auf dem Rücken eines Drachen saß. Auf Takeshis Rücken!

"Tut mir Leid, wenn ich dich erschreckt habe, aber hätte ich dich ganz direkt gefragt, ob ich dich mal kurz fallen lassen könnte, hättest du dem wohl kaum einfach so zugestimmt", entschuldigte er sich.

"Wohl nicht...", gab sie ein wenig kleinlaut zu, klammerte sich aber gleich mit aller Kraft an seinen Hals, als er eine scharfe Linkskurve flog, um einem entgegenkommenden Flugdrachen auszuweichen.

"Halt dich gut fest, Kimie!"

"Ich werd 's versuchen...", war die etwas trockene Antwort. Und Kimie hatte schon so ihre Mühe, sich gut genug an Takeshi festzuhalten. Wie auf einem ungesattelten Pferd im vollen Galopp presste sie mit aller Kraft ihre Beine gegen seinen Körper, um sich zusätzlichen Halt zu verschaffen, ansonsten wäre sie hoffnungslos hin- und hergeschleudert worden, bei den heftigen Flugmanövern, die er zeitweise hinlegte. Dabei achtete Takeshi schon peinlich genau darauf, Kimie nicht zu viel zuzumuten, aber wenn er langsamer fliegen würde, wären sie rasch zur Zielscheibe geworden. Gerne hätte er sie zurück auf die Erde gebracht, aber es war ihm momentan unmöglich, auch nur in die Nähe des Erdbodens zu kommen. Ständig musste er Angriffen ausweichen oder gar selbst attackieren, um sich den Weg freizumachen.

"Leg dich in die Kurve! Nach links!", rief er Kimie zu, als er abermals ausweichen musste.

Kimie tat wie ihr geheißen und passte sich Takeshis Bewegungen an. Allmählich bekam sie den Dreh raus, trotzdem konnte sie es nicht verhindern, dass ihr langsam aber sicher mulmig wurde in der Magengegend. Aber sie nahm sich zusammen und unterdrückte dieses unangenehme Gefühl.
 

Von unten aus beobachtete Akuma die Flug- und Ausweichmanöver seines Bruders. >Takeshi... Du wirst mir nicht entkommen!<

Er steckte sein Schwert ein und legte seine Hände so zusammen, dass beide Mittel- und Zeigefinger aneinander lagen. Dann erschuf er um sich herum eine Art Feuerwirbel, der ihn komplett einschloss, ehe er immer größer wurde. Nach wenigen Sekunden verschwand das Feuer wieder und gab Akuma in der Gestalt eines großen schwarzen Drachens preis. Seine Augen glühten in einem unheimlichen Rot und mit diesen fixierte er nun seinen Bruder am Himmel. Dann stieß er sich mit den Beinen ab und erhob sich unter kräftigen Flügelschlägen und mit unglaublich hoher Geschwindigkeit in die Lüfte. Es bedurfte nur des Zeitraums von ein paar Augenaufschlägen, dann hatte Akuma sein Ziel erreicht.

Als Kimie sich umdrehte, entdeckte sie diesen großen, schwarzen Drachen hinter sich und Takeshi. "Äh... Takeshi! Hinter uns ist jemand!"

Takeshi musste sich nicht umdrehen. Er wusste sofort, wer sie verfolgte. "Das ist Akuma!"

Kimie blieb die Stimme regelrecht im Halse stecken. "Er wirkt nicht gerade belustigt..."

"Kimie, du musst dich ab jetzt besonders gut festhalten!"

"Was hast du vor?"

In diesem Moment öffnete Akuma sein Maul. Takeshi wusste gleich, was nun kommen würde. "Keine Zeit für Erklärungen! Tu einfach, was ich gesagt habe!"

Kimie konnte nichts mehr darauf erwidern, denn Takeshi flog abermals eine scharfe Kurve, als Akuma einen gewaltigen Feuerstrahl in ihre Richtung schickte. Gerade noch rechtzeitig war Takeshi das Ausweichen gelungen, und als ob er versuchte, seinen Bruder damit in die Irre zu führen, verschwand er augenblicklich in der dichten Wolkendecke. Akuma blieb den beiden jedoch dicht auf den Fersen. Kurze Zeit später tauchte Takeshi wieder aus den Wolken auf, schlug Haken, drehte Pirouetten und forderte nicht nur von sich, sondern eben besonders von Kimie so einiges.

Vom Boden aus verfolgten die anderen das Luftspektakel mit und natürlich auch Sesshoumaru. Wenn er gekonnt hätte, hätte er natürlich schon längst irgendwie eingegriffen, um Akuma zu stoppen, aber es war viel zu unsicher gewesen, etwa einen Angriff zu starten. Die Drachen bewegten sich viel zu schnell in der Luft, als dass Sesshoumaru wirklich wirkungsvoll hätte einschreiten können, und am Ende hätte er womöglich noch Kimie verletzt, was er um jeden Preis vermeiden wollte. Außerdem gab es hier auf dem Boden auch noch einen Kampf zu kämpfen. Sesshoumaru tat es nicht gerne, aber er musste es zunächst weiterhin Takeshi überlassen, auf Kimie zu achten.

Als Akuma den beiden einmal gefährlich nahe kam, schlug Takeshi mit seinem Schwanz nach ihm aus und traf ihn dabei knapp unterhalb des rechten Auges. Dadurch fiel Akuma wieder etwas zurück. Wie ein Pfeil schoss Takeshi abermals in den Himmel empor, ehe er eine wiederum eine scharfe Kurve flog und dann geradewegs auf die Erde zusteuerte. Knapp über dem Boden drosselte er sein Tempo und bremste mit seinen Schwingen ab, ehe er landete. Takeshi selbst schien schon ziemlich erleichtert gewesen zu sein, als er wieder festen Boden unter den Füßen verspürte. Er drehte seinen Kopf gleich zu Kimie, die nunmehr wie benommen auf seinem Rücken lag. "Kimie! Geht es dir gut?"

Zuerst antwortete sie nicht, aber dann brachte sie nach erneuter Nachfrage wie unter zu viel Alkoholeinfluss lallend hervor: "Uh... Meuterei im Zwölffingerdarm. Ich glaub... ich muss kotzen..."

Takeshi senkte reumütig den Kopf. "Tut mir Leid... Ich wollte dir nicht schaden."

Von Kimie kam diesmal nur ein unverständlicher Laut zurück, ehe sie sich langsam von Takeshis Rücken hinab gleiten ließ. Ihre Knie fühlten sich an wie Pudding, als sie den Erdboden unter ihren Füßen spürte, und noch immer schwirrte ihr der Kopf. Beinahe wäre sie umgekippt, aber Takeshi stützte sie mit seinem Kopf. "Geht es wieder?"

Sie nickte einmal, nachdem sie wieder einigermaßen sicher stand. "Das war... ein ziemlich krasser Ritt..."

"Du hast dich aber gut gehalten. Ich bin beeindruckt."

"Danke für die Blumen, aber noch mal mach ich so was nicht...", entgegnete sie aufseufzend und musste sich dann doch erst mal kurz hinsetzen.

Und dass Akuma gerade so einladend seine Kreise am Himmel zog, ehe er an diesem verharrte und zu den anderen hinunterblickte, verleitete indes Inu Yasha zu einem Grinsen. "Ha! So, jetzt brate ich diesem Schuppenvieh kräftig was mit der Windwunde über!"

Doch der Hanyou hatte sich kaum bereit gemacht, da versperrte ihm Takeshi den Weg. "Nicht, Inu Yasha! Dich will er nicht als Gegner... Sondern mich."

Da hallte Akumas tiefes Brüllen in der Luft wider und er fixierte seinen Bruder mit seinen glühend roten Augen. Ganz klar: Es war eine Herausforderung an Takeshi gewesen. Und obwohl Takeshi wusste, dass er wohl keine Chance gegen Akuma hatte, wollte er auf diese Herausforderung eingehen.

"Moment, Takeshi! Tu das besser nicht!", versuchte Kimie ihn noch umzustimmen, doch der Drache schüttelte nur den Kopf.

"Es ist okay. Wirklich..." Und noch bevor sie eventuell wieder etwas hatte sagen können, war Takeshi schon los geflogen. Von seinem Bruder wurde er bereits erwartet und er empfing ihn mit einem starken Feuerstrahl. Takeshi konterte mit dem selben Angriff und als beide Feuerattacken aufeinander trafen, entsandt ein glühend heißer Feuerball, der sich in einer Explosion entlud. Die Sicht war kurzzeitig beeinträchtigt, deshalb gelang es Takeshi gerade so ein Ausweichmanöver, als Akuma mitten durch das Feuer hindurchgeprescht war, um seinen Bruder anzugreifen. Wieder gab es eine wilde Verfolgungsjagd in der Luft. Dabei griffen sich die Drachen immer wieder gegenseitig mit Feuerattacken an, ohne den jeweils anderen dabei jedoch zu treffen. Akuma knurrte wütend und beschleunigte sein Tempo etwas, wobei er wiederum angriff. Diesmal hätte er Takeshi fast erwischt. Nur, weil dieser rechtzeitig abgebremst hatte, hatte der Angriff ihn verfehlt, aber für den Bruchteil einer Sekunde war er unachtsam. Es war eine Sache von bestimmt nicht mal einer Sekunde gewesen und schon hatte Akuma den Hals seines Bruders mit seinen scharfen Zähnen gepackt. Takeshis Brüllen, einem Todesschrei gleich, hallte über die Ebene. Aber so einfach wollte er es seinem Bruder nicht machen und schlug mit seinem peitschenartigen Schwanz zu. Dreimal hieb er auf den Kopf von Akuma ein, bis dieser seinen Biss etwas lockerte, aber loslassen tat er nicht. Stattdessen zog er Takeshi nun mit sich, als er sich im Sturzflug dem Erdboden näherte. Zuletzt brachte sich Akuma wieder in die Waagerechte, warf zuvor aber noch seinen Bruder im Vorbeiflug und mit aller Gewalt auf den Boden nieder. Donnernd stürzte Takeshi auf die Erde und sein Körper verschwand inmitten einer gigantischen Staubwolke. Indes war Akuma wieder in den Himmel empor geflogen und nach einer scharfen Kurve landete er in einiger Entfernung wieder auf dem Boden.

Allmählich legte sich der Staub wieder, doch nicht der massive Körper eines Drachens lag dort auf dem Boden, sondern Takeshi in seiner menschlichen Gestalt. Doch er bewegte sich nicht...

Panisch lief Kimie zu ihm, schon mit dem Schlimmsten rechnend als sie sich zu ihm auf den Boden kniete. Doch entwich ihr ein Stoßseufzer der Erleichterung, als sie sah, dass er noch lebte. Aber er war dem Anschein nach schlimm verletzt. "Takeshi!"

Ein wenig rührte sich Takeshi. Im ersten Moment rang er nach Luft, ehe er einmal hustete und dabei Blut spuckte. Mühsam versuchte er seinen Oberkörper mit den Armen hochzustemmen.

"Warte! Beweg dich lieber nicht!", mahnte Kimie ihn, doch er schüttelte kaum merklich den Kopf.

"Schon gut... Es geht schon..."

"Aber du bist schwer verletzt!"

"Keine Sorge...", keuchte Takeshi mühsam. "So schnell sterbe ich nicht..."

Endlich schaffte er es, sich aufzusetzen, blieb allerdings schwer atmend und mit gesenktem Kopf auf den Boden sitzen. Noch immer rang er nach Luft, während vereinzelte Blutstropfen auf die Erde fielen. Takeshi befühlte seinen Hals. Ein Brennen durchzog seinen Körper als er seine Wunden berührte. Er hatte wirklich großes Glück gehabt, dass er nicht schon tot war. Nur, weil er in seiner Gestalt als Drache einen relativ starken Schutzpanzer besaß, war er noch am Leben. Trotzdem verlor er stetig Blut und war durch den Kampf gegen seinen Bruder schon sehr geschwächt. Auch seine Stimme war sehr leise.

"Ich bewundere deinen Mut, Takeshi. Oder sollte ich besser sagen 'Dummheit'?", war die höhnisch klingende Stimme von Akuma zu hören gewesen. Kimie warf ihm einen verachtenden Blick zu, doch richtete sich ihre Aufmerksamkeit sofort wieder auf Takeshi, als dieser wieder zu Boden ging.

"Takeshi, bleib liegen! Du kannst so nicht mehr kämpfen. Überlass das von nun an den anderen, ja?", redete sie auf ihn ein. Er hatte genug getan und musste sich jetzt unbedingt ausruhen.

Wieder drang Akumas verhöhnende Stimme zu ihnen durch: "Wie rührend! Freunde, die sich gegenseitig zu beschützen versuchen."

Kimie schaute auf. "Worauf willst du jetzt schon wieder hinaus?"

"Ihr wärt um einiges stärker, wenn ihr euch nicht so sentimentalen Gefühlen wie Freundschaft hingeben würdet. Das ist es, was letztendlich die wahre Schwäche ausmacht."

"Halt 's Maul!" Mit bereitgehaltenem Schwert stand Kimie wieder auf. "Mir reicht 's! Du arroganter Großkotz gehst mir tierisch auf den Zeiger! Verschwinde endlich mitsamt deiner Bande von hier und geht gefälligst dorthin zurück, wo ihr hergekommen seid!"

Doch Akuma schnaubte nur verächtlich, wobei kleine Flammen aus seiner Nase schossen. "Wie töricht du bist! Du weißt, dass du keine Chance hast und willst trotzdem kämpfen. Ist es Mut oder Furcht, was dich antreibt? Aber wie du willst! Dann fahrt ihr beide gemeinsam zur Hölle!"

Mit einem kräftigen Flügelschlag erhob er sich wieder in die Lüfte.

Takeshi zwang seinen Blick wieder in die Richtung seines Bruders und erschrak. Ein unheilvolles Glühen drang nun aus dem Inneren von Akumas bereits geöffnetem Maul. Er würde jeden Augenblick angreifen! "Kimie! Lauf weg!!"

"Auf keinen Fall! Ich lass dich nicht im Stich!"

"Sei doch nicht so dumm! Lauf weg!!"

"Nein!", widersprach Kimie entschieden, den Blick dabei stets auf Akuma gerichtet. Sie hatte sich oft genug beschützen lassen. Es wurde Zeit, dass sie endlich mal selbst etwas leistete.

>Ist sie wahnsinnig?<, schoss es Sesshoumaru durch den Kopf, als er gerade wieder einen Angreifer neidergestreckt hatte. Was Kimie da veranstaltete, glich reinem Selbstmord! Er musste sich einmischen, ehe es vielleicht zu spät gewesen wäre!

In diesem Moment griff Akuma mit einem vernichtenden Feuerstrahl an.

>So nicht!<, dachte Kimie, dem Angriff dabei immer noch direkt entgegenblickend. >Ich bin doch nicht hergekommen, um mir am Ende von einem größenwahnsinnigen Youkai das Licht auspusten zu lassen! Verdammt noch mal! Ich habe noch was mit meinem Leben vor!<

Keine zwei Sekunden später prallte der Feuerstrahl auf die Erde und baute sich zu einem gigantischen kugelähnlichen Gebilde auf. Kagome schrie erschrocken auf, doch war sie unfähig, den Blick abzuwenden. Sesshoumaru stoppte in seinem Rettungsversuch und verharrte auf der Stelle! Er hatte es nicht mehr rechtzeitig geschafft. Doch wich der anfängliche Schock rasch einem leichten Gefühl von Verwirrung. Irgendetwas ging da vor...

Akuma war sich mehr als sicher, dass er Kimie und Takeshi zur Hölle geschickt hatte, doch er stutzte, als mit einem Mal eine Art Blitz aus dem Feuer ausbrach und geradewegs auf ihn zusteuerte. Noch vollkommen perplex verpasste es Akuma, dem auszuweichen und wurde knapp unterhalb seines rechten Auges getroffen. Im selben Moment brach das Feuer auseinander und gab Kimie und Takeshi weitestgehend unversehrt wieder preis. In der linken Hand hielt Kimie schützend Tenseiga vor sich. Sie hatte dieses einerseits als Schutz gegen den Angriff benutzt und ihr eigenes Schwert wiederum für eine eigene Attacke eingesetzt.

Das Mädchen holte noch einmal tief Luft, dann grinste sie Akuma frech ins Gesicht. "Na? Wie war das? Für einen einfachen Menschen war das doch gar nicht mal so übel, oder?"

Der schwarze Drache konnte es nicht fassen. Sie hatten beide überlebt?! Ein wütendes Knurren drang aus seiner Kehle. "Du kleine Ratte!"

Hingegen schienen die anderen von dieser unvorhergesehenen Aktion ziemlich überrascht gewesen zu sein. Auch Sesshoumaru, hatte er Kimie nicht unbedingt zugetraut, dass sie Tenseiga so gezielt einsetzen würde. Er hatte eigentlich erwartet, sie würde sich ohnehin auf den Schutz des Schwertes verlassen, ohne es zu verwenden. Und dass sie in Kombination dazu auch noch ihr eigenes Schwert für einen Gegenangriff verwendet hatte...

"Ihr Menschen begreift Niederlagen wohl immer erst dann, wenn ihr nicht mehr aufrecht stehen könnt!?", knurrte Akuma von oben herab.

Indes stand Kimie wieder auf und schulterte ihr Schwert. "Ich bin nur etwas dickköpfig, das ist alles. Außerdem bin ich eine extrem schlechte Verliererin!"

Akumas Augen glühten auf vor Zorn. Dieses unverschämte Weib führte ihn geradezu vor! Ihn, einen Daiyoukai! Er bemerkte den beobachtenden Blick von einem der Flugdrachen. Kurzerhand beförderte Akuma diesen in einem Anflug von unkontrollierter Wut mit einem Feuerangriff vom Himmel. Donnernd prallte der brennende Körper auf die Erde und blieb regungslos liegen. Dann fuhr Akuma die anderen Drachen und seine Leute an: "Was glotzt ihr so?! Habt ihr nichts Besseres zu tun?!"

Die Einschüchterung schien ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben, aber auch auf der Seite der Inu-Youkai herrschte nach diesem Zwischenfall kurzzeitig fassungslose Stille.

"Er attackiert seine eigenen Mitstreiter... Dieser Kerl scheint wirklich keine Gnade zu kennen", erkannte Sango, die sich zusammen mit Miroku auf Kiraras Rücken weiterhin in der Luft befand.

Der junge Mönch nickte ernst. "Ja. Aber hast du seine Augen gesehen, Sango? Dieser Blick... Er denkt nicht mehr klar. Er ist in eine Art Rausch verfallen."

"Wenn das so ist, müssen wir uns bestimmt auf noch mehr gefasst machen. Wer einmal Blut geleckt hat, kommt davon nicht mehr los..."

Miroku schaute sich ein wenig um. Da traf sein Blick plötzlich mit dem von Yu zusammen und der Mönch verspürte auf einmal dieses eigenartige Gefühl, als würde eine Eiseskälte sein Herz umklammern. Yu hatte ihn, sowie Sango und Kirara genau fixiert. Und er machte sich bereit für einen Angriff...

"Sango! Wir müssen hier weg! Schnell!", rief Miroku noch, aber es war schon zu spät. Plötzlich wurde Kirara am rechten Hinterlauf gepackt, und zwar von der Ranke einer aus der Erde gewachsenen Pflanze, die vom Boden aus von Yu gesteuert wurde. Sango visierte den Ryû-Youkai sofort an und wollte ihn mit einem Wurf ihres Bumerangs ausschalten, doch da wurde Kirara schon wie eine Strohpuppe von der Ranke zur Seite gerissen, so dass die Dämonenjägerin und auch Miroku von ihrem Rücken geschleudert wurden. Für beide wäre dieser Sturz garantiert tödlich geendet, wären sie nicht von zwei von Sesshoumarus Leuten rechtzeitig aufgefangen worden. Nur Kirara traf es schlechter, denn sie wurde mit voller Wucht auf den Boden geworfen und blieb danach nur regungslos liegen. Entsetzen spiegelte sich in Sangos Augen wieder.

"Kirara!!" So schnell sie konnte lief Sango zu ihrer Dämonenkatze. Kirara lebte, aber sie war schwer verletzt. Kämpfen konnte sie auf keinen Fall mehr. Die Tatsache, dass sie im Augenblick sogar kaum in der Lage war, sich zu rühren, trieb Sango die Tränen in die Augen. "Kirara! Bitte halt durch! Lass mich nicht allein!"
 

Aus sicherer Entfernung hatte Subaru ebenso wie viele andere das eben Geschehene mitverfolgt. Fieberhaft überlegte er, ob und wie er Yu Einhalt gebieten konnte. Sollte er einfach auf ihn schießen? Doch diese Möglichkeit verwarf er gleich wieder. Bestimmt würde Yu den Angriff bemerken und ihn dann entsprechend abwehren. Aber irgendetwas musste man doch tun können!

"Ich kann mir denken, was du dir gerade überlegst."

Kaum, dass er Seshirus Stimme vernommen hatte, hatte sich Subaru zu seinem Bruder umgewandt, der nun an seine Seite trat.

"Dieser Yu kämpft nur auf Distanz", sprach Seshiru weiter, ohne darauf einzugehen, dass Subaru noch etwas hatte sagen wollen. "Mit diesen Ranken hält er seine Gegner weit genug von sich fern, damit er selbst keine Treffer einstecken muss, aber dafür immer wieder aus sicherer Entfernung welche austeilen kann. So macht er es und fast unmöglich, ihm zu nahe zu kommen."

"Hm... Und? Was schlägst du vor?", fragte Subaru nach kurzem Zögern. Ihm war, als hätte Seshiru mit seiner Aussage andeuten wollen, dass er eine Idee gehabt hatte. Und die hatte er allem Anschein nach tatsächlich.

"Keine Ahnung, ob es klappen wird, aber wir haben nichts zu verlieren. Ich lenke ihn ab und wenn er kurz unaufmerksam ist, schlägst du zu!"

"Das ist gefährlich! Was, wenn er dich erwischt?" Subaru schwieg abrupt. Eigentlich hatte er das mehr aus einem inneren Impuls heraus gesagt.

Seshiru jedoch verzog nach außen hin keine Miene. Im Gegenteil, er lächelte sogar etwas belustigt. "Was ist denn mit dir los? Entdeckst du im Angesicht des beinahe sicheren Todes etwa doch noch deine brüderliche Zuneigung mir gegenüber?" Anstatt jedoch auf eine Antwort zu warten, schritt Seshiru schon zur Tat und schnellte auf Yu zu. "Onmyo Kosa (Licht- und Schattenkreuzung)!"

Seshiru kreuzte seine Schwerter vor seinem Körper und schickte jeweils einen hellen und einen dunklen Blitz in Yus Richtung. Wie gedacht, sah der Ryû-Youkai den drohenden Angriff kommen, wich den Attacken aus und versuchte sich Seshiru mit den Ranken vom Leib zu halten. Zwar gelang es Seshiru, den Attacken seines Feindes auszuweichen, doch bereitete ihm das schon nach kurzer Zeit ungeheure Schwierigkeiten. Die Angriffe schienen von überall her zu kommen und noch immer war er Yu nicht wirklich nahe gekommen. Aber das musste er auch gar nicht. Letztendlich stand Yu mit dem Rücken zu Subaru. Das war die ideale Chance!

"Subaru! Jetzt!!", rief Seshiru und sofort schoss Subaru einen Pfeil auf Yu ab. Dieser hörte zwar das Zischen des herannahenden Pfeils, machte aber keinerlei Anstalten, sich dem irgendwie zu entziehen.

Plötzlich sah Subaru etwas von der rechten Seite auf sich zuschnellen. Es war eine dieser Ranken gewesen! Sie traf ihn im Gesicht, wodurch er kurzzeitig drohte, sein Gleichgewicht zu verlieren, ehe kurz darauf einen Stoß in seinen Rücken vernahm. Was war das gewesen? Ein Schlag? Hatte ihn jemand von hinten angegriffen?

Seshiru hatte das eben Geschehene fassungslos mitverfolgt. "Verdammte Scheiße! Subaru!!"

Das konnte doch nicht wahr sein!? Sogar, als er abgelenkt gewesen zu sein schien, hatte Yu es trotzdem geschafft, durch die Lenkung einer seiner Ranken, Subaru außer Gefecht zu setzen. Dessen Rücken war von der Ranke durchstoßen worden. Im selben Moment war Yu dem Pfeil so ausgewichen, dass dieser danach direkt auf Seshiru zugesteuert war. Ein hauchdünner Einschnitt auf dessen linker Wange zeugte vom gescheiterten Vorhaben der beiden Brüder.

Kaum, dass sich Yus Gewächs wieder aus Subarus Rücken zurückzog, wurde er von einer anderen Ranke schon am linken Bein gepackt, nach oben geworfen und mit voller Wucht auf direkten Konfrontationskurs mit Seshiru geschleudert. Zum Ausweichen blieb diesem keine Zeit mehr und Subarus Körper prallte mit aller Kraft gegen den seines Bruders. Die Sinne vollkommen vernebelt und reglos blieben beide nach einer harten Landung im Gras liegen.

Nach getaner Arbeit zog Yu seine Ranken erst mal wieder zurück. Wie Schlangen wanden sie sich auf dem Boden entlang. "Der Versuch war zwar nicht schlecht, aber da habt ihr euch wohl doch etwas überschätzt."

Subaru und Seshiru waren ausgeschaltet worden. Hass und Verachtung ergriffen Sango, als sie zu Yu blickte. Nach wie vor kniete sie neben der schwer verletzten Kirara. Für das, was er ihrer treuen Gefährtin angetan hatte, sollte dieser Kerl bezahlen! In blinder Wut griff sich Sango ihren Bumerang und schleuderte ihn auf den Ryû-Youkai. "Rache für Kirara! Nimm das!!"

Aber Yu hatte das Vorhaben der Dämonenjägerin schon von vornherein durchschaut. Von daher war es für ihn ein leichtes gewesen, ihre Waffe mit einer Ranke abzuwehren, während er eine andere dazu benutzte, Sango nun an einem ihrer Beine zu ergreifen und sie nach oben zu schleudern. Als Miroku ihr zur Hilfe eilen wollte, ging Yu ähnlich vor, wie schon bei Subaru und Seshiru und schleuderte den Körper der jungen Frau einfach auf den des Mönchs. Von der gewaltigen Wucht des Aufpralls blieb beiden kurzzeitig die Luft weg, ehe sie mehrere Meter über den Boden geschleudert wurden. Aufstehen war für Sango und Miroku danach kein Thema mehr gewesen. Als Miroku dennoch versuchte, sich aufzusetzen, sank er gleich wieder zurück ins Gras. Der direkte Aufprall mit Sango hatte ihm bestimmt mindestens zwei Rippen gebrochen.

Auch Sango ging es nicht viel besser. Auch sie hatte mindestens eine gebrochene Rippe und noch dazu musste ihr linker Knöchel zumindest angebrochen gewesen sein. Von dem Gefühl unbändiger Hilflosigkeit übermannt, kamen Sango abermals die Tränen. So konnte es doch nicht enden!
 

Angesichts dessen, was sie gerade mit hatte ansehen müssen, war Kagome vor Schock wie gelähmt. Niemals hätte sie es für möglich gehalten, in einem Kampf mal so sehr drohte zu verzweifeln. Ihre magischen Pfeile hatte sie bereits alle aufgebraucht, sie konnte also nicht mehr viel tun. Shippou, der dicht bei ihr stand, war so erschöpft, dass er sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Nur Inu Yasha war unter den Gefährten der Einzige gewesen, der noch genug Kraftreserven hatte, um ernsthaft zu kämpfen. Und wo war Kimie? Kagome hatte sie aus den Augen verloren. Gerade, als sie wieder die Panik überkam, bekam Kagome mit, wie Kimie sich an ihre Seite gesellte.

"Kagome! Ist bei dir alles okay?"

Die Jüngere nickte zögerlich. "Ja, aber..." Sie stockte, als ihr Kimies linker Arm auffiel. Eine blutige Schnittverletzung zog sich fast über ihren gesamten Oberarm. "Wie ist das...?"

"Hab gerade eben nicht aufgepasst", antwortete Kimie ohne sich sonderlich anmerken zu lassen, wie sehr die Verletzung sie beeinträchtigte. Allerdings hielt sie ihr Schwert nicht mehr mit beiden Händen, sondern nur noch mit der rechten Hand fest. "Mist! Wir bräuchten eine Art Wunder... Im Moment sehe ich eher schwarz für uns."

Und so ungern sie es sich auch eingestehen wollte, Kagome musste ihrer Cousine da zustimmen. Obwohl schon mehrere dieser Flugdrachen und auch von Akumas Leuten hatten ausgeschaltet werden können, sie waren einfach zu viele! Die Kämpfer auf Seiten der Inu-Youkai mussten sich alle doppelt und dreimal so viel reinhängen, wohingegen dies bei den Ryû-Youkai nicht der Fall gewesen war. Es sah wirklich nicht gut aus...

Doch aufgeben wollte keiner, egal wie angeschlagen sie alle auch gewesen waren. Nachdem er einen der Flugdrachen noch hatte niederschlagen können, sackte Ashitaka erschöpft auf die Knie. Wegen einer tiefen Schnittwunde oberhalb des linken Auges konnte er seine Umgebung nur noch eingeschränkt sehen, da das hinab laufende Blut seine Sicht beeinträchtigte.

"Ashitaka! Geht's noch?", hörte er Tôya fragen.

"Ja... Mir geht's gut. Ich halt schon durch..." Ashitaka zwang sich wieder auf die Beine. Er und Tôya stellten sich nun Rücken an Rücken, um sich gegenseitig besser unterstützen zu können. "Im Ernst, ich hätte nicht gedacht, dass es mal so enden würde..."

"Enden? Dann gibst du also auf?"

Auf Ashitakas Gesicht stahl sich ein etwas bitter wirkendes Lächeln. "Nein, aber du musst zugeben, es sieht übel für uns aus."

"Mag sein, doch ich habe nicht vor, hier und heute zu sterben!", stellte Tôya klar. "Ich habe nämlich ein Versprechen einzulösen! Miyuki baut darauf, dass wir beide zurückkommen werden!"

Im ersten Augenblick wandte sich Ashitaka nur leicht zu Tôya um. Aber dann nahm sein Blick diese Entschlossenheit an und er nickte zustimmend. "Nun denn! Ein Mann, ein Wort! Geben wir unser Bestes, damit wir uns nachher nicht zu schämen brauchen!"
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Kakeru stand auf der Veranda und ließ sich den leichten Lufthauch um das Gesicht wehen. Die anderen waren in dem Zimmer verblieben und versuchten irgendwie, auf andere Gedanken zu kommen. Er bemerkte, wie Inuki irgendwann an seine Seite trat und sich auf die Hinterbeine stellte, um über das Geländer blicken zu können. Mit den Vorderpfoten stützte er sich darauf ab.

Ein Lächeln stahl sich auf Kakerus Lippen. "Du machst dir Sorgen, nicht wahr?"

Inuki schaute den Inu-Youkai an, senkte dann aber etwas den Kopf und ließ auch seine Ohren etwas hängen. Dabei gab er leise, winselnde Laute von sich, als wollte er ihm antworten.

"Ja, ich weiß. Es geht mir nicht viel anders...", erwiderte Kakeru und seufzte innerlich.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Wie lange kämpften sie schon? Eine Stunde? Zwei Stunden? Oder gar länger? Das Zeitgefühl war bei allen schon lange verschwunden. Nur anhand des Grades der Erschöpfung vermochte man zu erahnen, wie lange sie sich alle schon dieser foltergleichen Schinderei ausgesetzt hatten. Sowohl bei den Ryû-Youkai als auch bei den Inu-Youkai und bei Inu Yasha und den anderen war die Erschöpfung inzwischen mehr als offensichtlich gewesen. Von den Freunden war Inu Yasha gar noch der Einzige, der aufrecht stand, wenngleich er sich inzwischen an Tessaiga abstützen musste. Auch Touran und ihren Geschwistern ging es nicht viel besser. Shunran war mittlerweile sogar so erschöpft, dass sie keinen einzigen Illusionszauber mehr einsetzen konnte. Sie benötigte den Schutz ihrer Geschwister, die sich inzwischen auch nur noch irgendwie darauf konzentrieren konnten, in ihrem angegriffenen Zustand nicht etwa von einem der Feinde überrascht und getötet zu werden.

Langsam kam Subaru wieder zu Bewusstsein, aber er war noch immer wie betäubt. Er nahm den Geruch von frischen Blut wahr. Sein Blut! Da erinnerte er sich wieder. Yu hatte ihn mit einer Ranke regelrecht aufgespießt. Als Subaru seine Augen zu öffnete, stutzte er. Sein rechtes Auge... Er konnte darauf nicht richtig sehen! Stattdessen spürte er, wie ihm warmes Blut das Gesicht hinunterlief. Subaru versuchte, sich aufzusetzen, doch er schaffte es lediglich, sich mit den Unterarmen abstützend den Oberkörper ein wenig aufzurichten. Er hustete und spuckte Blut. Sogleich sank er zurück ins Gras. Subaru hatte beim besten Willen keine Kraft mehr. Yus Angriff hatte ihn auf Anhieb so schwer erwischt, dass er nicht mehr fähig gewesen war weiterzukämpfen.

"Was ist los mit dir, Subaru? Gibst du etwa schon auf?"

Subaru versuchte, seinen Blick etwas zu heben. Er entdeckte Seshiru, der an seiner Seite kniete und sich dabei auf eines seiner Schwerter abstützte. "Seshiru..."

"Überanstreng dich nicht. Bleib liegen. Ich erledige den Rest."

Subaru war verwirrt. "Seshiru... Was... was erzählst du da...?"

Obwohl Seshiru spürte, dass er selbst auch so einiges abbekommen hatte, ließ er sich seine Erschöpfung nicht anmerken, als er mit fester Stimme erwiderte: "Ich sagte es dir doch schon einmal... Ich habe jemandem etwas versprochen und dieses Versprechen werde ich auch halten. Um jeden Preis!" Seshiru nahm eines seiner Schwerter wieder zur Hand.

Unter einigen Anstrengungen schaffte Subaru es nun doch, sich zumindest wieder aufzusetzen. "Was machst du? Was hast du vor?"

Noch einmal wandte sich Seshiru zu seinem Bruder um. Er hob eine Hand und berührte mit dieser vorsichtig Subarus Gesicht unterhalb seines verletzten rechten Auges. "Da bleibt garantiert eine Narbe zurück. So gesehen, haben wir letztendlich wohl doch etwas gemeinsam, kleiner Bruder."

Subaru wurde aus dem Verhalten des Älteren nicht ganz schlau. "Seshiru... Was ist los? Warum redest du auf einmal so merkwürdiges Zeug?"

Seshiru schloss für einen Moment die Augen. "Du kleiner Idiot... Egal, was in der Vergangenheit auch geschehen sein mag, du und ich sind und bleiben Brüder. Es wurde mal an der Zeit, dass ich dir ein wahrer großer Bruder bin. Und wie gesagt, ich muss noch ein Versprechen einlösen."

"Das erwähntest du letztens bereits, aber... was meinst du damit?"

"Es ist ein Versprechen, dass ich einst unserem Vater gegeben habe. Er hat mich gebeten, im entscheidenden Moment auf dich aufzupassen und dich zu beschützen. Das war auch der Grund, weshalb ich wieder hierher zurückgekommen bin. Der wahre Grund..."

"Vater hat...?" Subaru konnte nicht glauben, was er da eben gehört hatte.

"Ob du's glaubst oder nicht, Vater hat dich sehr geliebt. Aber besonders nach Mutters Tod konnte er keine solchen Gefühle mehr zeigen. Dass du schlussendlich darunter zu leiden hattest, tat ihm sehr Leid." Seshiru lächelte schwach als er wieder in Subarus Gesicht blickte. "Kümmere dich bloß darum, dass mein Einsatz nicht für die Katz sein wird, sonst kann ich Vater unmöglich noch unter die Augen treten. Der würde mir sogar noch in den tiefsten Gefilden der Unterwelt die Hölle heiß machen..."

Subaru schüttelte den Kopf. "Was soll das heißen? Was hast du vor? Du willst doch nicht etwa...?!" Aber bevor er seinen Satz hatte zu Ende sprechen können, spürte er diesen dumpfen Schlag in seinem Nacken. Ihm wurde schwarz vor Augen und er sackte bewusstlos in Seshirus Armen zusammen.

"Entschuldige, kleiner Bruder, aber hier endet unsere Unterhaltung. Und fang nachher bloß nicht an zu heulen." Seshiru behielt die ganze Zeit über sein Lächeln bei, dass trotz allem dieses für ihn typische, leicht Herablassende an sich gehabt hatte. >Es tut mir Leid, Subaru... Ich wünschte, dass zumindest wir beide in der Vergangenheit einen besseren Draht zueinander gehabt hätten.<

Behutsam legte er Subarus Körper im Gras ab. Gleich drei von Akumas Kriegern näherte sich nun den beiden Brüdern. Ihre Gesichter zierte ein teuflisches Lächeln, als einer von ihnen sagte: "Sieht so aus, als gäbe es heute Abend Hundefleisch süß-sauer. Hättet ihr's lieber mit Reis oder Gemüse?"

"Danke, ich verzichte gänzlich!", entgegnete Seshiru und stand auf. Er musste seinen Bruder irgendwie beschützen. In seinem momentanen Zustand war er ein allzu leichtes Ziel für feindliche Angriffe gewesen. Seshiru war sich zwar nicht sicher, ob er Jin die Stirn bieten konnte, aber er konnte schlecht einfach so aufgeben. Und wenn er schon sterben sollte, dann ehrenvoll im Kampf und nicht wie ein jämmerlicher Feigling. Entschlossen griff er die Feinde an.
 

Als Sesshoumaru sich umsah, wurde auch ihm ein weiteres Mal bewusst, dass es schlecht um ihn und seine Mitstreiter stand. Viele waren am Ende ihrer Kräfte angelangt, konnten kaum noch mehr aufrecht stehen, aber dennoch gaben sie alle weiterhin ihr Bestes. Trotzdem, so wurde das nichts! Unabhängig davon, wie viele von den Ryû-Youkai noch übrig gewesen waren, Sesshoumaru musste Akuma aus dem Weg räumen! Ohne ihren Anführer gab es zumindest die Chance, dass sie sich danach ergeben würden. Es war die einzige Möglichkeit, die Sesshoumaru und seinen Mitstreitern noch eine reale Chance bot.

Sesshoumaru entdeckte Akuma in dessen Drachengestalt am Himmel entlang fliegen. Ohne weiter groß zu zögern, steckte er sein Schwert wieder ein und verschwand in einem Wirbelwind. Nachdem dieser sich wieder aufgelöst hatte, stand Sesshoumaru in seiner wahren Form auf dem Schlachtfeld und fiel Akuma sofort ins Auge. Es bedurfte keiner Worte, allein ihre Blicke vermittelten dem jeweils anderen das, was sie gerade dachten. Es sollte sich jetzt entscheiden. In einem Zweikampf auf Leben und Tod.

Akuma ließ ein ohrenbetäubendes Brüllen verlauten, dann stürzte er sich im Sturzflug auf Sesshoumaru. Dieser sprang seinem Kontrahenten geradewegs entgegen und riss ihn zu Boden. Sämtliche andere Kampfhandlungen waren abrupt zum Erliegen gekommen. Alle Aufmerksamkeit galt nun den beiden Daiyoukai, die sich aus einer Wolke aus Staub wieder erhoben. Mit rot glühenden Augen musterten sie sich gegenseitig. Als Akuma schließlich seine scharfen Zähne zeigte, machte es den Anschein, als grinste er Sesshoumaru frech ins Gesicht.

"Die Starken überleben, die Schwachen unterliegen. Davon hast du sicherlich auch schon mal gehört, nicht wahr, Sesshoumaru?"

"Schon möglich. Aber dann muss ich mir ja keine Sorgen machen."

"Warte es ab. Davon wirst du nicht mehr so überzeugt sein, wenn du unter meinen Krallen dein Leben aushauchst."

"Willst du mich zu Tode quatschen oder deinen leeren Worten auch mal Taten folgen lassen?"

"Hm! Du hast es wohl eilig... Soll mir recht sein. Stirb!"

Mit einem Satz sprang Akuma auf Sesshoumaru zu, doch anstatt, dass er sich ihm direkt entgegen warf, bremste er vorher ab, drehte sich zur Seite und verpasste ihm einen kräftigen Hieb mit seinem peitschenartigen Schwanz. Sesshoumaru wurde genau ihm Gesicht getroffen und war kurzzeitig ein wenig benommen, aber ebenso schnell packte er Akumas Schwanz mit seinen Zähnen und hielt ihn fest. Akuma versuchte sich von dem Biss zu befreien, aber ohne Erfolg. Er knurrte und funkelte Sesshoumaru bedrohlich an, ehe er sein Maul öffnete und eine heiße Flamme auf ihn abfeuerte. Sesshoumaru ließ wieder von Akuma ab und brachte sich mit einem Sprung zur Seite aus der Schusslinie. In der Zwischenzeit war Akuma mit einem Flügelschlag wieder in den Himmel emporgestiegen. Als er seine Schwingen weit ausbreitete, ahnte Sesshoumaru bereits, dass er wieder einen Angriff vorbereitete. Und tatsächlich, kaum, dass Akuma damit begonnen hatte, mit seinen Schwingen zu schlagen, steuerte eine Art schneidender Wind direkt auf Sesshoumaru zu. Dabei schien Akuma ihn aber absichtlich zu verfehlen, als spielte er lediglich mit ihm. Wütend knurrend schaute Sesshoumaru wieder zu Akuma hoch.

"Du Feigling! Komm gefälligst her und stell dich mir, ohne, dass du dich am Himmel verstecken musst!"

Akumas Augen spiegelten eine gewisse Form von Abfälligkeit wider. Aber dann flog er wieder geradewegs in Richtung Erdboden und direkt auf Sesshoumaru zu. Dieser brachte sich erneut mit einem Sprung aus Akumas Reichweite, ehe er seinerseits nun einen Angriff startete und sich im langen Hals des Drachen verbiss. Dabei bot der starke Schuppenpanzer jedoch ein hartnäckiges Hindernis. Zudem hatte Akuma noch genug freien Bewegungsraum, um auch seinerseits nicht untätig zu bleiben. Er drehte seinen Kopf so in Sesshoumarus Richtung, dass ihre beiden Blicke sich unmittelbar trafen.

"Na, Sesshoumaru? Soll ich dich fressen?" Da schlug Akuma schon seine scharfen Zähne in Sesshoumarus linke Schulter. Kurzzeitig war Sesshoumaru versucht, wieder von Akuma abzulassen, doch ignorierte er das Gefühl von Schmerz und verstärkte stattdessen seinen eigenen Biss. Mit seinem ganzen Gewicht stemmte er sich dann gegen Akuma, um ihn zu Fall zu bringen, was ihm nach einigen Versuch dann auch letztendlich gelang. Dadurch musste Akuma nun seinerseits von Sesshoumaru ablassen, während dieser seinen Feind auf den Boden festnagelte. Sesshoumaru löste seinen Biss nur deshalb für einen Augenblick, um Akuma sogleich an dessen Kehle zu packen. Sollte es ihm nun gelingen, den harten Schuppenpanzer zu überwinden, hätte er zweifellos die Oberhand.

Doch Akuma dachte nicht daran, es Sesshoumaru so leicht zu machen. Stattdessen packte er ihn mit seinen Vorderklauen am Oberkörper und fügte dem Inu-Youkai mit den Krallen einer seiner Hinterläufe eine tiefe Wunde in der Seite zu. Als Sesshoumaru dennoch nicht von ihm abließ, stemmte Akuma seine Vorderklauen gegen dessen Brust und drückte ihn mit aller Kraft gewaltsam von sich runter und rappelte sich danach selbst rasch wieder auf. Anders, als es zunächst vielleicht den Eindruck hätte machen können, hatten Sesshoumarus Attacken Akuma doch sehr zugesetzt. Denn während er den Drachen auf dem Boden gehalten hatte, hatte er ihm im Bauch- und Brustbereich mehrere tiefe Kratzwunden zugefügt, die stark bluteten.

Nur für einen kurzen Augenblick hatte Sesshoumaru am Boden gelegen, nachdem Akuma ihn von sich weggestoßen hatte. Nun standen sie sich abermals gegenüber, aber ohne, dass einer von beiden wieder einen Angriff unternahm. Beide atmeten schwer und mühsam. Zudem schwächte sie der stetige Blutverlust. Ob es eventuell jeden Augenblick vorbei sein konnte? Sobald einer von beiden entkräftet zu Boden gehen würde?

Eine Zeit lang tat sich nichts. Doch da brachen beide Kontrahenten fast zeitgleich in sich zusammen. Ihre Körper verschwanden in einem hellen Licht, dass sie letztendlich wieder in ihrer menschlichen Form preisgab. Sesshoumaru und Akuma lagen beide auf dem Boden, doch wahren beide darum bemüht, sich wieder aufzurichten. Was sie in ihrer Auseinandersetzung hatten einstecken müssen, konnten sie auch voreinander nicht verbergen. Noch immer atmeten beide schwer und waren fast am Ende ihrer Kräfte gewesen. Trotzdem schaffte es Akuma als Erster wieder auf die Beine zu kommen, während Sesshoumaru noch auf dem Boden kniete. Als er wieder einigermaßen sicher stand, spuckte Akuma auf den Boden und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. "Du zwingst mich nicht zum Rückzug... Dieses Mal... bringen wir die Sache ein für alle Mal zu einem Ende!"

Sesshoumaru hielt sich die stark blutende Wunde an seiner linken Schulter. Wenn er es nicht schaffte, wieder aufzustehen, hätte er verloren...

"Akuma!", hallte plötzlich Takeshis Stimme über das Schlachtfeld hinweg. "Akuma! Ich bitte dich! Hör auf damit! Das ist doch alles kompletter Wahnsinn!"

Sämtliche Blicke waren nun auf den jungen Ryû-Youkai gerichtet, der mit letzter Kraft und abgestützt an seinem Naginata versuchte, zu seinem Bruder vorzudringen. Doch Akuma war nach wie vor nicht gewillt, Takeshi zuzuhören.

"Schweig, du verdammter Dummkopf!", schrie Akuma ihn stattdessen an. "Was bildest du dir eigentlich ein, mir noch unter die Augen zu treten?! Verliebst dich in eine niedere Menschenfrau und hintergehst für sie deinen Clan und deinen eigenen Bruder!"

"Ich habe dich nicht hintergangen, Akuma! Und das war auch nie meine Absicht gewesen! Aber was wir hier tun ist falsch! Sieh es doch endlich ein, ich bitte dich! Auch du musst doch so langsam die Sinnlosigkeit hinter alldem erkennen!? Warum beendest du diese unsinnige Fehde nicht endlich?! Was bringt uns denn dieser Kampf?!"

"Was er uns bringt? Eben genau das, was uns rechtmäßig zusteht!"

Takeshi musste einsehen, dass er so nichts bei seinem Bruder erreichen würde. Aber irgendetwas musste er doch tun können! Vielleicht...

"Siehst du das hier, Akuma? Erkennst du das wieder?" Takeshi hatte Renhous Schwert samt Schwertscheide aus seinem Gürtel gezogen und hielt es Akuma entgegen. "Dieses Schwert gehörte Renhou! Es ist sein Vermächtnis, das er zurückließ, als er in meinem Beisein für unseren Clan starb!"

Als sein jüngerer Bruder das Schwert ins Gras warf, so dass es nur wenige Meter vor Akuma liegen blieb, schaute dieser zunächst nur stumm auf die Waffe. Unter den anderen Ryû-Youkai machte sich leichte Unsicherheit breit.

"Für unseren Clan gestorben?", fragte Akuma abfällig. "Erzähl mir doch keine Märchen! Renhou war zwar ein hervorragender und loyaler Kämpfer, aber nichts desto trotz hat er mich am Ende verraten. Und dafür wurde er bestraft!"

Takeshi schüttelte ungläubig den Kopf. "Verraten? Bestraft? Das ist doch der blanke Hohn! Renhou hat dir und unserem Clan noch bis zuletzt die Treue gehalten! Ich versprach ihm noch, alles zu versuchen, was in meiner Macht stünde, um das Schlimmste zu verhindern! Denn nur, weil du so blind bist und die Wahrheit nicht sehen willst, sind wir doch erst an diesem Punkt angelangt, an dem wir jetzt stehen! Sieh dich doch um! Ist es das, was du erreichen wolltest? Nichts als Blut, Schmerzen und Tod?!"

Ein Raunen machte die Runde. Einerseits wirkten die Krieger auf Seiten Akumas irritiert, andererseits nachdenklich angesichts dieser Aussagen des jüngeren Bruders ihres Herrn. Nur Akuma selbst wollte sich scheinbar keine Gedanken bezüglich Takeshis Worte machen. "Erst hintergehst du mich... und jetzt maßt du dich auch noch dazu an, mit derartige Vorträge zu halten? Mit reicht 's!" Er zog sein Schwert und deutete mit der Klinge direkt auf Takeshi. "Wenn du es unbedingt so sehr darauf anlegst, noch vor Sesshoumaru durch mein Schwert zu sterben, Takeshi... dann erfülle ich dir diesen Wunsch mit dem größten Vergnügen!"

In der Klinge erkannte man kurzzeitig ein schwaches Schimmern, welches durch den Juwelensplitter begründet gewesen war, ehe Akuma auf seinen Bruder zuschnellte.

"Takeshi! Geh da weg!!", schrie Kimie noch erschrocken auf, doch Takeshi machte keine Anstalten, irgendetwas zu tun. Stattdessen ließ er nur seine Waffe zu Boden fallen. Der sanfte Hauch eines Lächelns erschien auf seinem Gesicht.

"Akuma... Was auch passiert, wir bleiben doch trotz allem immer Brüder, nicht wahr...?", flüsterte Takeshi noch, dann schloss er seine Augen, wobei jeweils eine vereinzelte Träne in seinen Augenwinkeln sichtbar wurde. Dann ging alles auf einmal ganz schnell...
 

Kimie hatte reflexartig den Blick abgewandt, als Akuma zum Schlag ausgeholt hatte. Als sie wieder aufschaute, stockte ihr der Atem. Das Schwert... es hatte Takeshis Brust durchstoßen, doch noch stand er auf seinen Beinen. Das Bild wirkte wie angehalten, bis Akuma seine Waffe wieder zurückzog und einige Schritte zurücktrat.

Als Takeshi danach auf die Knie sackte, eilte Kimie sofort zu ihm, um seinen Oberkörper zumindest noch aufzufangen. Blut lief aus Takeshis Mundwinkel und sein Körper war vollkommen kraftlos. Kimie befürchtete schon das Schlimmste, jedoch hatte der junge Ryû-Youkai den Angriff seines Bruder überlebt und war nach einem Moment sogar dazu in der Lage gewesen, seine Augen wieder zu öffnen.

"Takeshi! Takeshi!"

"Uh... Kimie... Bist... du das...?" Als er Gefahr lief, sein Bewusstsein zu verlieren, redete sie sofort wieder auf ihn ein.

"Bleib da! Mach die Augen wieder auf und schau mich an! Sprich mit mir! Bleib da, Takeshi!" Nachdem er sie wieder aus halb geöffneten Augen ansah, schaute Kimie erschrocken auf ihre Hand, welche auf seiner Brust geruht hatte. Überall war Blut... "Oh Gott... Du Idiot! Was sollte der Quatsch? Wieso bist du nicht ausgewichen? Wieso?!"

"Es... war die einzige Möglichkeit..."

"Für was?"

Als Takeshi daraufhin seinen Blick in Akumas Richtung umwandte, war Kimie kurzzeitig verwirrt. Akuma... Er wirkte plötzlich so... anders. Als stünde er irgendwie neben sich.

"Aber... aber wieso...? Was habe ich getan?" Akuma wirkte wie unter Schock stehend, während sein ungläubiger Blick auf Takeshi ruhte. Als dieser in das Gesicht des Älteren sah, lächelte er.

"Na also. Ich wusste doch, dass du wieder zu Sinnen kommen würdest... Dann habe ich ja mein Ziel erreicht."

"Takeshi..." Akuma glitt sein Schwert aus den Händen. Dabei fiel der Juwelensplitter aus der Klinge und landete im Gras. Er leuchtete nicht, sondern war dunkel getrübt.

Alles war mit einem Mal zum Stillstand gekommen. Keiner setzte den Kampf weiter fort, als hätte jemand den ganzen Verlauf abrupt zum Erliegen gebracht.

Wie in Trance stand Akuma nach wie vor auf der selben Stelle, den Blick wie erstarrt auf Takeshi gerichtet. Als er Anstalten machte, sich zu nähern, fuhr ihn Kimie sofort an: "Bleib da stehen! Komm ihm nicht zu nahe, du Mistkerl!" Doch da spürte sie Takeshis Hand auf ihrer und verstummte.

"Schon gut...", flüsterte er.

Dennoch blieb Akuma zunächst an Ort und Stelle stehen. Seinen jüngeren Bruder so zu sehen und mit so schwacher Stimme sprechen zu hören, verursachte in ihm ein Gefühl, das er so bisher noch nicht gekannt hatte. Er fühlte sich einfach nur hilflos und wusste nicht, was er tun sollte. Schon regelrecht vorwurfsvoll fragte er Takeshi: "Takeshi... Was sollte das? Warum bist du meinem Angriff nicht ausgewichen?"

"Weil das... die einzige Möglichkeit gewesen ist, dich wieder zurückzuholen", antwortete Takeshi leise. Er wollte gleich weiter sprechen, brauchte aber einen Moment, um entsprechende Kraft aufzubringen. "Dieser Naraku... er hat uns von Anfang an nur betrogen. Wir waren für ihn nur Mittel zum Zweck... Seine Marionetten. Du... hast es nicht gesehen oder nicht sehen wollen. Deshalb... habe ich das getan..."

"Sprich nicht weiter! Du musst dich schonen!", riet Akuma seinem Bruder und kniete sich an dessen Seite. Die noch immer misstrauischen Blicke von Kimie nahm er dabei durchaus wahr, aber waren sie für ihn unbedeutend.

Takeshi schüttelte den Kopf. "Das brauche ich nicht, und das weißt du genauso gut wie ich. Aber mach dir keine Sorgen... Es geht mir gut." Nach wie vor lächelte er, als er seine Hand etwas hob, die Akuma sogleich ergriff. Dieser konnte ganz genau spüren, wie sein Bruder mit jedem weiteren Atemzug schwächer wurde. Dennoch sprach Takeshi nach einer kurzen Pause mit nunmehr ernsterer Stimme weiter: "Akuma... Bitte beende diesen Kampf. Er war von Beginn an... vollkommen überflüssig. Mach nicht den gleichen Fehler wie unser Vater. Diese Rache... bringt niemandem von uns etwas. Schau dich doch einfach nur mal um... Wohin hat uns dieser ganze Krieg... dieser ganze Hass getrieben?"

Zuerst schaute Akuma nur zu Boden. Dann schweifte sein Blick über das Schlachtfeld hinweg. Überall gab es Tote und zum Teil Schwerverletzte auf beiden Seiten. Hier und da begannen einige tote Körper sich bereits wie geisterhaft in Luft aufzulösen. Zuletzt blickte Akuma zu Sesshoumaru. Dieser war inzwischen wieder auf die Beine gekommen und bedachte den Ryû-Youkai nur mit seinem gewohnt kühlen Blick, ohne aber etwas zu sagen. Dann schaute er wieder zu Takeshi. Mit einem Mal fühlte sich Akuma so merkwürdig. Auf einmal erschien ihm das alles so... absurd. Aber warum? War das alles wirklich allein Narakus Schuld gewesen? Hatten seine Worte und Versprechungen Akuma wirklich so bedingungslos blind gemacht?

"Hey, jetzt guck nicht so hilflos... Das passt nicht zu dir", scherzte Takeshi unter einem schwachen Lächeln.

"Takeshi... Es tut mir so Leid." Akuma wandte den Blick von seinem Bruder ab, als traute er sich nicht länger, ihn anzusehen. "Ich war so ein verdammter Idiot! Ich hätte dir von Anfang an mehr vertrauen sollen. Eben wie es sich für einen Bruder gehört..."

"Nicht doch... Wir waren beide Idioten. Hätten sich echte Brüder denn sonst wirklich so schnell und so sehr misstraut...?"

Akuma schaute Takeshi wieder an. "Was redest du da nur?!", fragte er schon regelrecht vorwurfsvoll. In seiner Stimme lag der ungewohnte Klang von wachsender Verzweiflung. "Ganz gleich, was vorgefallen ist oder was ich vorhin zu dir gesagt habe, du bist mein Bruder! Das warst du immer und du wirst es auch immer sein! Und deshalb... deshalb..." Seine Stimme begann zu zittern und er brach kurz ab. "Oh, Takeshi, bitte vergib mir... Könnte ich doch nur... die Zeit zurückdrehen... Ich würde so vieles anders machen."

Takeshi drückte die Hand seines Bruders ein wenig. "Noch ist es nicht zu spät. Noch kannst du es beenden. " Für einen Moment schloss Takeshi seine Augen und atmete noch einmal so gut es ihm möglich war durch. Nach wie vor lächelte er, als er danach Akuma wieder ansah. "Akuma... Es erleichtert mich, dass wir uns am Ende doch verstehen. Ich bin wirklich froh und dankbar dafür... dass ich dein Bruder sein durfte..."

Akuma war nicht dazu in der Lage gewesen, etwas darauf zu erwidern, aber das brauchte er auch nicht. Allein der Ausdruck in seinen Augen war Takeshi genug, als er dann zu Kimie, die ihn noch immer festhielt, blickte. Er nahm die Tränen in ihren Augen war. "Bitte nicht... Ich habe dich doch gebeten, nicht zu weinen."

"Aber ich..." Kimie versagte die Stimme. Ihr kam das alles vor wie ein böser Traum. Das konnte doch nicht Wirklichkeit sein! "Takeshi, ich bitte dich... Halte durch! Ich will nicht, dass du stirbst!"

Doch Takeshi schüttelte nur leicht den Kopf. "Tut mir Leid... aber das habe ich nun nicht mehr in der Hand..."

Zuerst setzte Kimie dazu an, wieder etwas zu sagen, aber sie schluckte die Worte hinunter und unterdrückte ein aufkommendes Schluchzen.

Takeshi ließ nun Akumas Hand los und legte seine eigene wiederum auf die von Kimie, welche nach wie vor auf seiner Brust ruhte. "Hör auf zu weinen, Kimie... Das steht dir nicht. Und außerdem... bin ich dennoch glücklich... denn ich habe erreicht, was ich wollte." Er war froh, als sie ihn nun wieder ansah. Denn bei dem, was er ihr noch zu sagen hatte, wollte er ihr unbedingt in die Augen schauen. "Ich wünsche dir viel Glück für dein Leben. Mach was draus... Ich bin sehr froh und dankbar dafür... dass wir uns beide... begegnen... durften..."

Zum Ende hin war Takeshis Stimme immer leiser geworden. Der Glanz in seinen Augen war verblasst und als er diese letztendlich schloss und seine Hand zu Boden glitt, war klar, dass es vorbei gewesen war. Kimie schüttelte ungläubig den Kopf.

"Takeshi, nein...! Bitte... Wach wieder auf!", flüsterte sie, aber er reagierte nicht auf ihr Flehen. Da konnte sie ihre Trauer nicht mehr zurückhalten. "Oh nein... NEEEIIIN! TAKESHI!!"
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Inzwischen hatte es zu regnen angefangen.

Reglos lag Takeshi auf dem Boden. Seine Züge waren entspannt, als würde er lediglich schlafen. Noch immer hörte man Kimie weinen, während Sesshoumaru versuchte ihr Trost zu spenden, so gut es ihm möglich gewesen war. Als wollte sie nicht, dass jemand sie so sah, hatte sie ihr Gesicht in seinem Fell vergraben und hielt sich dabei so sehr an ihm fest, als befürchtete sie, sie könnte auch ihn jeden Augenblick verlieren.

Indes stand Akuma nur schweigend und mit dem Rücken zu allen anderen etwas entfernt. Sein Blick war zu Boden gerichtet und es war nicht klar, was ihm gerade durch den Kopf ging.

"Akuma-sama..." Ein wenig hilflos wirkte Jin, als er nach einigen erfolglosen Versuchen, seinen Herrn anzusprechen, zu Yu blickte. Doch dieser schüttelte nur den Kopf. Akuma würde jetzt mit niemanden reden. Allerdings konnte Yu ganz deutlich etwas spüren. Akumas Gemütszustand hatte sich verändert. Es war seltsam, aber zum allerersten Mal schienen seine Gefühle nicht von Rache oder Bosheit geprägt gewesen zu sein. Stattdessen glaubte Yu, etwas im Herzen seines Herrn vorzufinden, was er so bisher nie von ihm gekannt hatte; Zweifel... und Trauer.

"Wie ist es nur so weit gekommen...?", flüsterte Kagome kopfschüttelnd, während sie versuchte, sich ein wenig um Sango zu kümmern. Die Dämonenjägerin hatte es lediglich geschafft, sich in etwas gebeugter Haltung aufzusetzen, zu sehr durchzog dieser stechende Schmerz von ihren Verletzungen ihren Körper, als dass sie hätte aufstehen können. Ähnlich ging es auch Miroku.

"Täuschungen, Lügen und Intrigen... Das ist mal wieder typisch Naraku!", bemerkte der Mönch voller Abscheu. "Eine ähnliche Nummer hat er schon mit Inu Yasha und Kikyou-sama und auch mit Sango und Kohaku abgezogen."

"Und egal, was am Ende dabei herausgekommen ist, es war mal wieder so ein Plan gegen uns alle", fügte Sango schlussendlich noch hinzu.

Inu Yasha ließ ein Knurren verlauten, welches seinem tiefen Hass gegenüber Naraku Ausdruck verleihen sollte.

Währenddessen schienen die verschiedenen Mitglieder der beiden Youkai-Clans nicht ganz zu wissen, was sie nun machen sollten. Der Kampf schien beendet gewesen zu sein, zumindest machten weder Akuma noch Sesshoumaru Anstalten, irgendwelche Befehle zu erteilen, die etwas anderes hätten vermuten lassen. Aber was sollte man jetzt tun?

"Was ist denn mit euch allen los? Wisst ihr etwa nicht mehr weiter?"

Alle hatten sofort aufgehorcht, nachdem sie diese Stimme vernommen hatten. Und diejenigen, die mit ihr bereits vertraut gewesen warn, wussten gleich, wem sie gehörte: Naraku! Und eben genau jener intrigante Hanyou erschien nun verhüllt unter seinem Pavianfell zwischen einigen Bäumen am Waldrand.

"Irgendwie enttäuschend. Ich hatte eigentlich gehofft, das ganze amüsante Spektakel würde etwas länger dauern", höhnte er hinter seiner Maske. Da trat Inu Yasha in den Vordergrund und deutete mit Tessaigas Klinge auf seinen Erzfeind.

"Dass du dich überhaupt so dreist hierher traust, du Bastard! Oder versteckst du dich nur wieder hinter einer deiner Puppen, du mieser Feigling?!"

"Na, na! Wir wollen doch nicht gleich so ausfallend werden, Inu Yasha", tadelte Naraku sein Gegenüber gelassen. Indes flog einer seiner Saimyousho nun auf die Wiese und schnappte sich den Juwelensplitter, der zuvor aus Akumas Schwert gefallen war, nur um diesen sogleich zu seinem Meister zu bringen. Mit einem wohlwollenden Lächeln fing Naraku den Splitter auf. "Genau, wie ich es mir gedacht habe, Akuma... Du hast dein Schwert gegen dein eigen Fleisch und Blut gerichtet und durch das tiefe Gefühl von Hass und Rachedurst mit dazu beigetragen, dass dieser kleine Splitter hier durch das Böse in deinem Herzen besudelt wird und an Schönheit gewonnen hat. Zugegeben, ein wenig hatte der ohnehin schon negative Einfluss des Splitters auf dich und somit auf dein Handeln einen gewissen Einfluss, aber wie gesagt, das meiste kam von dir selbst." Er hob die andere Hand, in welcher der fast komplettierte Rest des Shikon no Tama ruhte, doch war dessen Glanz getrübt. Als Naraku dann den Splitter mit seinem Rest des Juwels in Berührung brachte, fügten sich die beiden Teile zusammen und seine Farbe verdunkelte sich um ein Vielfaches. "Und nur, weil du dich so problemlos hast verleiten lassen, habe ich somit wieder mehr Macht erlangt. Ich muss mich bei dir bedanken."

Jedes dieser Worte traf Akuma wie einen Stich in die Brust und schürte seine Wut und seinen Hass gegenüber Naraku. Akumas Augen glühten rot auf, als er sich nach seinem Schwert bückte. "Dann entspricht es also wirklich der Wahrheit... Du hast alles von Anfang an nur für deine Zwecke eingefädelt! Aber da hast du dir die falschen Opfer ausgesucht, Naraku! Du wirst jetzt dafür büßen, was du getan hast! Ich werde meinen Bruder an dir rächen und dich eigenhändig in Stücke reißen!"

Auch die anderen Ryû-Youkai fixierten den Hanyou nun, jederzeit bereit, ihn anzugreifen. Doch Naraku ließ sich in keiner Weise aus der Ruhe bringen. "Rächen?", fragte er stattdessen nur unschuldig. "Du scheinst da etwas zu verdrängen, Akuma. Nicht ich habe Takeshi getötet, sondern du. Du allein hast ihn umgebracht!" Und als er merkte, dass er Akuma damit kurzzeitig aus der Fassung gebracht hatte, fuhr er sogleich fort: "Und nicht nur ihn hast du auf dem Gewissen. Toba, Rokou und Renhou, sowie viele andere deiner Leute hast ganz allein du in den Kampf und damit in den Tod geschickt! Ich hingegen habe zu keinem Zeitpunkt Hand an irgendjemanden von ihnen gelegt."

"Du verfluchter...!" Akuma drückte den Griff seines Schwertes so fest, dass die Lederriemen, mit denen er umwickelt war, zu knirschen begannen. Am liebsten hätte er Naraku sofort an Ort und Stelle den Kopf abgerissen, aber da rief er sich dessen Worte noch einmal ins Gedächtnis. Alles, was geschehen war... Konnte er all das wirklich allein auf Naraku abwälzen? Nein, nicht allein Naraku trug die Verantwortung für das, was geschehen war. Akuma war ebenso schuldig, er hatte sich allzu leichtfertig täuschen lassen. Die Gier nach Macht und der Wunsch nach Rache hatten ihn blind gemacht und unter anderem seinem einzigen Bruder das Leben gekostet. Er hatte Takeshi und seinen gesamten Clan an diesen verlogenen Hanyou verraten.

Kraftlos sackte Akuma mit einem Mal auf die Knie. Der Wunsch nach Vergeltung war mit einem Mal einem tiefen Gefühl der Leere gewichen. Sein Kampfgeist schien gebrochen zu sein.

"Hm! Mit Youkai scheint es letztendlich doch nicht viel anders zu sein, als mit Menschen", bemerkte Naraku spöttisch. "Sofern man es richtig anstellt, kann man sie alle gleichermaßen für seine Zwecke ausnutzen. Mein Ziel war es von Anfang an, dass ihr euch alle gegenseitig zur Hölle schickt. Dann wäre ich einerseits meine hartnäckigsten Widersacher losgeworden und hätte mir andererseits dabei nicht mal die Finger schmutzig machen müssen. Aber sich von niederen Gefühlen leiten zu lassen, scheint auch unter Youkai eine gewisse Verbreitung zu haben. Sich für andere zu opfern, sogar für sie in den sicheren Tod zu gehen oder aber auch das totale Gegenteil zu tun, nämlich diejenigen, die einem am nächsten stehen zu hintergehen, zu betrügen und zu verraten... Das alles sind Eigenschaften, die insbesondere die Menschen auszeichnen, aber auch ihr alle, die ihr hier versammelt seid, habt dieses Verhalten an den Tag gelegt. Das ist eure größte Schwäche und machte euch zu den perfekten Kandidaten für mein Vorhaben. Und nun seid ihr alle dermaßen erschöpft, dass ihr keine ernstzunehmenden Gegner mehr für mich darstellt!"

Da legte Naraku seine Maskerade auf einmal ab und unter dem weißen Pavianfell erhob sich eine unheimliche Erscheinung bestehend aus Narakus Oberkörper und dazu einer grotesken Ansammlung von Körperteilen und Gliedmaßen vieler verschiedener Dämonen. Die Umherstehenden wichen ein wenig zurück.

"Nicht nur mit dem Juwel, auch durch die Absorbierung der Kräfte von Youkai vermag ich meine Kräfte zu stärken. Aber wenn ich mich hier so umsehe... Ich denke, ich werde mir nur noch diejenigen einverleiben, die noch nicht halbtot sind."

Dieser Ton von Hohn und Spott in der Stimme dieses heimtückischen Hanyou ließ Jin, der sich schon vor geraumer Zeit wieder zurückverwandelt hatte, bedrohlich aufknurren. "Was soll das?! Ist das Gewirr da etwa deine wahre Gestalt, du Missgeburt?"

"Meine wahre Gestalt? Nein, was ihr hier seht, ist nur ein kleiner Teil von mir. Mein Körper besteht aus vielen verschiedenen Youkai. Und wie schon gesagt, meine Kraft nimmt zu, wenn ich neue Kräfte anderer Youkai in mich aufnehme." Sein Blick blieb an dem Ryû-Youkai hängen. "Und mit dir werde ich beginnen!"

Naraku langte mit einem seiner Tentakelarme nach Jin. Er bekam ihn auch tatsächlich zu fassen und schlang seinen Arm sofort um den Körper seines ersten ausgewählten Opfers. Doch hatte Jin nicht vor, es Naraku so leicht zu machen. "Du willst mich verschlingen?! Du hast sie wohl nicht mehr alle, du dreckiger Abschaum!" Der Ryû-Youkai konzentrierte sich und ließ die Tentakel nur einen Augenaufschlag später in Flammen aufgehen, wodurch er sich rasch wieder befreien konnte. Naraku jedoch wirkte trotz des Misserfolgs seines Vorhabens unbeeindruckt.

"Die Kraft der fünf Elemente... Gerne hätte ich sie mir gänzlich zu Eigen gemacht, aber ich gebe mich auch gerne mit den zwei verbliebenen zufrieden."

"Pah! Träum weiter, du Idiot!", erwiderte Jin nur kaltschnäuzig. Er hatte in keinster Weise die Absicht als Futter für Naraku zu enden und baute um sich herum einen Flammentornado auf, der nach und nach immer mehr in die Höhe stieg. Mit einem Schlag brach er schließlich wieder auseinander und ein riesiger Drache erhob sich. "Lächerlicher Hanyou! Du leidest wohl unter Größenwahn, wenn du dir ernsthaft einbildest, du könntest hier noch mal lebend rauskommen! Fahr zu Hölle!" Der Drache öffnete sein Maul, aus welchem bereits dieses rötliche Licht drang. Nur wenige Augenblicke später spie Jin Naraku einen gewaltigen Feuerstrahl entgegen. Alles, was sich in unmittelbarer Nähe befand, wie etwa Bäume und Steine, wurde restlos verbrannt und zerfiel zu Asche. Die große Hitze hatte alle anderen, die zu dicht dabeigestanden hatte, dazu gezwungen, sich hastig etwas weiter zurückzuziehen. Doch als das Feuer wieder erlosch, war Naraku vollkommen unversehrt geblieben.

"Narakus Bannkreis hat Jins Feuer standgehalten!?", erkannte Kagome erschrocken.

Naraku hingegen lachte nur leise und heimtückisch. "Ihr seht, ich bin ein Gegner, den ihr besser nicht unterschätzen solltet."

"Schnauze!", fauchte Jin. "Bring mich nicht zum Lachen, du Witzfigur! Du kannst dich schließlich nicht ewig verschanzen. Und dann wirst DU es sein, der verschlungen wird! Und zwar von mir!!"

"Warte, Jin!", hielt Akumas Stimme ihn plötzlich zurück. Der Anführer der Ryû-Youkai war wieder auf die Beine gekommen und fixierte Naraku mit seinem durchdringenden Blick. "Das ist meine Aufgabe. ICH werde Rache üben!" Sein Augenmerk wanderte kurzzeitig zum toten Körper von Takeshi. Wenn er schon nicht ungeschehen machen konnte, was passiert war, so wollte er doch zumindest dafür Sorge tragen, dass aus alldem nicht doch ein Sieg für Naraku werden würde. Das würde Akuma zwar nicht von seiner schweren Schuld erlösen, die auf seinen Schultern lastete, aber er hätte sich auch selbst niemals vergeben können, würde er ihn jetzt ungeschoren davonkommen lassen. Egal, was es ihn auch kosten sollte, Akuma wollte Rache!

"Naraku!", fauchte Akuma voller Hass in der Stimme. "Es stimmt, ich habe selbst genug mit dazu beigetragen, dass alles so gekommen ist. Aber dennoch... Ich werde nicht tatenlos dabei zusehen, wie du den Genuss deines so genannten Sieges auskostest! Vorher werde ich dich töten! Ryûzu Kûzan (Drachenkopf-Wirbel)!!" Als Akuma sein Schwert in Narakus Richtung schwang, erzeugte er damit einen Tornado, der direkt auf Naraku zusteuerte. Aber wieder errichtete Naraku seinen Bannkreis und verhinderte damit, dass der kraftvolle Angriff ihm irgendwie Schaden zufügen konnte.

"Akuma! Zugegeben, du bist stark, aber nichts desto trotz wirst du an mich nicht herankommen. Ich verschlinge jeden Einzelnen von euch!"

"Nicht, wenn ich deine verfluchte Barriere vorher zerstöre!", rief Inu Yasha plötzlich aus. Tessaigas Klinge verfärbte sich glühend rot, als der Hanyou nun seinerseits Naraku angriff. "Friss das! Kaze no Kizu!!"

Wie erwartet schaffte es dieser Angriff, Narakus Barriere zu überwinden, wodurch der Feind nunmehr ungeschützt war.

"Ha! Jetzt hast du wohl nicht mehr so eine große Klappe, was?"

"Inu Yasha... Du müsstest mich besser kennen. Glaubst du wirklich, ich wäre so leicht zu besiegen?" Im selben Moment holte Naraku mit weiteren seiner langen Tentakelarme aus und bekam sowohl Yu als auch Tôya zu fassen. Versuche der beiden, sich wieder zu befreien, blieben ohne Erfolg. Gerade wollte Naraku die Youkai seinem Körper einverleiben, da durchtrennte ein Blitzschlag seine Tentakelarme, sodass sich Tôya und Yu wieder frei kamen. Narakus Blick war sofort auf Kimie gerichtet, die den Angriff gestartet hatte. "Kleines Miststück...!"

"Das Kompliment gebe ich gerne zurück!", entgegnete Kimie bissig. "Naraku! Du bist wirklich verabscheuungswürdig! Das ist die Rache für Takeshi und alle anderen, denen du geschadet hast, du verfluchter Mistkerl!"

"Sei nicht dumm! Ein normalsterbliches Mädchen wie du kann mich nicht besiegen. Auch nicht, wenn du dich eines magischen Schwertes bedienst."

"Bla, bla, bla! Dieses ganze Gerede von Normalsterblichkeit und dem ganzen Kram kotzt mich mittlerweile so dermaßen an! Hör auf rumzulabern und kämpfe gefälligst, du Feigling! Nimm das! Raigeki!!" Mit aller Kraft schwang Kimie ihr Schwert in Narakus Richtung. Abermals löste sich ein Blitz aus der Klinge, steuerte genau auf Naraku zu... und traf. Kurzzeitig verschwand die Umgebung in einem gleißenden Licht. Erst nach und nach schwächte es wieder ab. Doch obwohl der Angriff eine solche Wucht gehabt hatte, war Naraku weitestgehend unversehrt geblieben, sah man von dem einen oder anderen Verlust eines Körperteils ab.

"Netter Versuch, aber genau so wirkungslos wie alles andere", spottete er mit einem teuflischen Lächeln.

In Kimies Augen erkannte man die Verachtung gegenüber dem Hanyou. "Du verfluchter...!"

Anstatt dem Mädchen jedoch weitere Beachtung zu schenken, richtete sich Narakus Augenmerk wiederum auf Akuma. "Akuma! Ich werde dich mir einverleiben! Deine Kräfte als Daiyoukai werden mir auf einen Schlag mehr Macht geben!"

Zuerst zeigte Akuma keinerlei Reaktion. "Hm! In einem Punkt hast du Recht. Ich bin ein Daiyoukai und als solcher lasse ich es garantiert nicht zu, dass niedriger Abschaum wie du über mich triumphieren wird!" Gerade wollte er sich zum Angriff bereit machen, da hielt er abrupt inne. Er spürte etwas. >Was ist das? Diese Aura...<

Naraku wollte diesen kurzen Augenblick von Akumas Unaufmerksamkeit nutzen und ihn angreifen. Akuma schaute auf, als er seine Leute warnend seinen Namen rufen hörte und riss gerade sein Schwert nach oben, als sich direkt vor ihm eine gewaltige Energie aufbaute, die ihn vor Narakus Angriffsversuch abschirmte. Naraku hatte keine Wahl, er musste zurückweichen, damit diese Kraft ihn nicht erreichen konnte.

Akuma hingegen stutzte. Er kannte diese Kraft und bei einem raschen Blick zur Seite entdeckte er Renhous Schwert, welches noch immer im Gras lag. Ihm war, als käme diese Kraft von dort. >Aber das kann doch nicht...!?<

Aber auch Jin und Yu hatten es bemerkt. Auch ihnen war diese Energie wohlbekannt gewesen. Aber konnte das überhaupt sein? Oder war all das nur die Macht ihrer Einbildung gewesen?

Mit einem Mal verdichteten sich die Wolken. Donner grollte, der Himmel verdunkelte sich; es sah aus, als kündigte sich ein nahendes Unheil diabolischen Ausmaßes an.

"Was... was passiert jetzt?", fragte Shippou ängstlich, aber keiner vermochte ihm darauf eine Antwort zu geben.

Indes erschien es so, als würde etwas aus der dichten Wolkendecke hervorbrechen. Mancher glaubte, für einen Augenblick die wie aus Wolken geformte schemenhafte Gestalt eines Drachen zu erkennen. Angesichts dessen verlor sogar Naraku kurzzeitig seine Selbstsicherheit. Erst recht, als er plötzlich etwas aufblitzen sah und nur einen Sekundenbruchteil später eine kalte Klinge mitten in seinem Oberkörper spürte. Als Naraku an sich herabsah, erkannte er Renhous Schwert aus seiner Brust ragen. Wie von Geisterhand war es auf einmal auf ihn zugeschnellt. Er konnte es nicht fassen. Trachtete ihm dieser Ryû-Youkai etwa selbst im Tod noch nach dem Leben? Und als ob sich Narakus Ahnung bestätigen sollte, sah er sich nun auch noch von dieser mysteriösen Erscheinung in die Mangel genommen. Als wäre er eingeschlossen in einem undurchdringbaren Nebel. Zusätzlich dazu spürte er, wie ihm das Schwert die Kräfte zu entziehen begann, als wollte es ihn somit von innen heraus vernichten. Naraku musste handeln, ansonsten wäre er verloren gewesen! Doch konnte er sich nicht gegen diese Attacke zur Wehr setzen. So blieb ihm im Grunde nur noch eine Wahl. Sein Körper verschwand in einem dichten Rauch aus Miasma. Zwar sah es so aus, als würde sein Fluchtversuch scheitern, aber letztendlich schaffte er es dennoch, sich aus dem Klammergriff seines unsichtbaren Widersachers zu befreien.

"Halt! Bleib hier, du Mistkerl!", rief Inu Yasha noch und wollte Naraku aufhalten, doch dieser war bereits außer Reichweite gewesen. Seine Wolke aus Miasma schwebte über dem Schlachtfeld.

"Mag sein, dass mein Plan misslungen ist, aber das war nur ein kleiner Rückschlag. Nichts desto trotz ward ihr alle nur Figuren in meinem Plan. Es war ein Leichtes, euch gegeneinander auszuspielen. Ganz egal, ob Youkai oder Mensch, in ihren Herzen tragen sie alle gleichermaßen Ängste und andere Schwächen." Und begleitet von einem hinterhältigen Lachen löste sich das Miasma allmählich in Luft auf.

Der eine oder andere Donner grollte noch, aber auch der Himmel schien sich nach einem Moment wieder etwas zu lichten. Die dunklen Regenwolken aber blieben auch nachhaltig. Yu schaute nach oben. Diese Energie war genau so schnell und mysteriös wieder verschwunden, wie sie zuvor aufgetaucht war.

Auch Kimie hatte den Blick zum Himmel gewandt, auch, als Naraku schon lange verschwunden war. "Wieder ist er geflohen... Verflucht! Das kann doch nicht wahr sein..."

Kagome trat etwas näher an ihre Cousine heran. "Kimie?"

Kimies Griff um ihr Schwert wurde fester, dass ihre Hand zu zittern begann. Dann schrie sie voller Verzweiflung und Verachtung zum Himmel hinauf: "NEEEIIIN!! KOMM ZURÜCK UND KÄMPFE!!"

Doch natürlich verhallte ihr Ruf von Naraku ungehört.

Kimie sackte auf die Knie und hieb mit der Faust auf den Boden ein. "Verdammt!" Ein stechender Schmerz durchzog ihren verletzten linken Arm, aber das war es nicht gewesen, was ihr abermals die Tränen in die Augen trieb. Denn Naraku war mal wieder davongekommen, ohne für das gebüßt zu haben, was er getan hatte. Und als ihr bei einem Blick zur Seite wiederum Takeshi ins Auge fiel, wie er reglos auf dem Boden lag, schüttelte sie den Kopf. "Warum...? Warum nur? Das ist nicht fair..."

"Kimie..." Kagome wollte auf ihre Cousine zutreten, hielt dann aber inne, als stattdessen Sesshoumaru zu ihr ging und sich zu ihr auf den Boden kniete. Als er Kimie behutsam eine Hand auf den Rücken legte, schaute sie zu ihm auf. Doch sagen tat keiner von beiden etwas. Es bedurfte auch keinerlei Worte, als Sesshoumaru seine Arme um Kimie legte. Wenngleich er selbst nach außen hin keine sonderliche Gefühlsregung zeigte, so wollte er ihr dennoch den momentan so nötigen Halt zu geben. Dieser ganze Kampf hatte ein gänzlich anderes Ende genommen, als alle sich das wohl ursprünglich gedacht hatten. Es schien zwar alles vorbei gewesen zu sein... aber zu welchem Preis...?

Die Reise geht weiter

Der Regen hatte nachgelassen und war inzwischen zu einem kaum mehr nennenswerten schwachen Schauer abgeschwächt. Eine bedrückende Stille herrschte über dem bis eben noch so hart umkämpften Schlachtfeld. Was gerade geschehen war, war für viele noch gar nicht wirklich greifbar gewesen. Dass sie alle im Grunde nur Spielsteine eines intriganten Hanyou gewesen waren, stimmte sowohl die Youkai aus den Reihen von Akumas Clan, so wie die aus Sesshoumarus Clan wütend. Und nicht zuletzt ging es Inu Yasha und seinen Freunden ähnlich. Egal, was Naraku auch anfing, am Ende schien er immer irgendwie zu triumphieren.

Doch nun war Naraku fort und niemand wusste, wohin er sich schon wieder verzogen hatte. Man konnte so gesehen nicht mehr viel tun, außer die Verletzten, die dieser Kampf gefordert hatte, so weit dies momentan möglich gewesen war, zu versorgen.

Inzwischen war auch Subaru wieder zu Bewusstsein gekommen. Was zuletzt passiert war, hatte er von einigen seiner Kameraden erzählt bekommen, woraufhin er sich gleich nach Seshiru umgesehen hatte. Aber er hatte ihn nicht gefunden. Auch konnte ihm keiner der anderen irgendetwas sagen. Es schien fast schon so, als hätte sich sein Bruder in Luft aufgelöst. Er war einfach weg.

>Seshiru...< Subaru musste wieder an das denken, was sein Bruder zuletzt zu ihm gesagt hatte. Eigentlich hätte er nach dieser Sache gerne noch mal mit ihm gesprochen, aber diesen Gefallen schien Seshiru ihm nicht tun zu wollen. Was auch immer mit ihm geschehen war…

Schon seit geraumer Zeit versuchte Kagome auf Kimie einzureden, die nur schweigend im Gras saß und dabei immer wieder zu Takeshi rüberblickte. Akuma kniete neben dem toten Körper seines Bruders.

“Vergib mir bitte, Takeshi. Es tut mir alles so Leid…”, flüsterte er voller Reue in der Stimme. Aber dafür schien es nun ohnehin zu spät gewesen zu sein. Egal, wie sehr Akuma diese ganze Geschichte bereute, er konnte nichts mehr daran ändern.

Kimie schaute zu Sesshoumaru hoch, der unmittelbar neben ihr stand. “Sesshoumaru… Kannst du nicht etwas tun?”

Er wandte seinen Blick zu ihr um. Ihm war gleich klar, dass sie ihn auf Tenseiga angesprochen hatte. Doch um jemandem mit diesem Schwert retten zu können, musste Sesshoumaru auch selbst das Leben dieser Person retten wollen. Aber Takeshi war nicht gerade einer von denen gewesen, bei dem dies der Fall gewesen wäre. Noch dazu würde er ja auch noch Akuma einen Gefallen damit tun. Zwar könnte Sesshoumaru allein um Kimies Willen versuchen, Takeshi zu helfen, aber er bezweifelte, dass er unter solchen Umständen Erfolg haben würde.

“Kannst du es nicht wenigstens versuchen?”, bat Kimie ihn weiter.

Schließlich ließ sich Sesshoumaru doch dazu hinreißen, es zumindest zu versuchen. Aber kaum, dass er sein Schwert gezogen hatte, steckte er es wieder ein.

“Ich kann sie nicht sehen. Die Diener aus der Unterwelt”, erklärte er knapp.

“Da zeigt sich mal wieder, wie kaltherzig du eigentlich bist…”, bemerkte Inu Yasha trocken.

Kimie hingegen schaute abermals zu Boden, hatte sie schließlich ihre ganze Hoffnung in diesen Versuch gesteckt. Gab es denn wirklich keinen Weg?

Plötzlich fiel ihr etwas ein. “Vielleicht…” Als sie aufstand und direkt auf Akuma und Takeshi zuging, trat eine abwartende Stille ein. Unter den aufmerksamen Blicken von Akuma und den anderen, griff Kimie nach kurzem Zögern in Takeshis Hosentasche und fand sehr bald, wonach sie gesucht hatte. Die kleine rote Perle, die Renhou ihm überlassen hatte... Wie war das noch mal? Diese Perle hatte die Macht, Tote wieder zurück ins Leben zu holen? Aber wie?

Kagome trat näher an ihre Cousine heran. “Was hast du da, Kimie? Ist das die Perle von Renhou?”

“Ja. Takeshi hat mir vorhin noch gesagt, dass er sie bei sich hat.”

“Hm… Aber was bringt uns das?” Doch da fiel es Kagome wie Schuppen von den Augen. “Moment mal! Willst du sie etwa verwenden?”

“Es wäre zumindest eine Chance!”

Ein Raunen machte die Runde. Unter den skeptischen Blicken der Umherstehenden trat Yu nun in den Vordergrund. “Du scheinst über die Wirkung dieser Perle informiert zu sein. Aber was du vor hast, ist gefährlich”, warnte er das Mädchen. “Wenn dein Wunsch nicht wirklich wahr und uneigennützig ist, dann wird diese Perle dich töten. Sie besitzt zwar eine sehr wirksame, aber dafür auch umso heimtückischere Magie.”

Kimie schaute den Ryû-Youkai schweigend an.

“Überleg es dir gut. Willst du das Risiko trotzdem eingehen?”

“Jetzt mach mal nicht so einen Alarm!”, mischte sich Inu Yasha wieder ein. “Wenn ihr wirklich was passieren sollte, haben wir ja immer noch unseren Großmeister in Sachen 'Seelen-aus-der-Unterwelt-zurückholen'. Auch, wenn er für euren Kollegen nicht sonderlich viel übrig zu haben scheint, bei Kimie wird er sich ja wohl noch überwinden können.” Dabei blickte er in Sesshoumarus Richtung, der sich einen etwaigen Kommentar zu dieser Bemerkung ersparte.

“Vergiss es, Hanyou!”, war nun jedoch der Einwand von Jin zu hören gewesen.

“Was?”

“Glaubst du wirklich, das wäre so einfach?”, fragte der Ryû-Youkai abfällig. “In diesem Fall würde praktisch Magie auf Magie treffen und das kann riskant werden. Der Erfolg ist nie garantiert. Diese Perle stammt aus unserer Heimat. Ich bezweifle, dass du oder einer deiner Freunde schon mal Kontakt mit so etwas gehabt hat. Also rede nicht so leichtfertig über Dinge, von denen zu keine Ahnung hast!”

Inu Yasha knurrte missmutig, wohingegen Shippou nur der Kopf schwirrte.

“Oje… Das ist mir zu hoch…”, jammerte der kleine Kitsune.

Kimies nachdenklicher Blick ruhte weiterhin auf der Perle in ihrer Hand. Sollte sie es wagen? Takeshi hatte ihr mehr als einmal so sehr geholfen. Eigentlich war sie es ihm schuldig, es zumindest zu versuchen. Aber was, wenn es nicht gelang?

Entschlossen schloss Kimie ihre Hand und drehte sich zu Sesshoumaru um. “Lass es mich bitte versuchen, Sesshoumaru! Bitte! Ich bin mir sicher, es wird funktionieren.”

Doch Sesshoumaru wirkte unsicher. Sollte er Kimie dieser Gefahr aussetzen? Wenn er Yu Glauben konnte, dann bestand die Wahrscheinlichkeit, dass er Kimie nicht mal mehr selbst helfen könnte, sollte ihr was passieren. Andererseits sah auch nicht so aus, als würde sie sich von ihrer Entscheidung abbringen lassen wollen.

Auch, wenn er es nicht gerne tat, so antwortete Sesshoumaru schließlich: “Wenn du es tun möchtest, dann tu es.”

Erleichterung spiegelte sich in Kimies Augen wieder, als sie das hörte. “Danke…”

“Warte noch, Kimie!”, hielt Kagome ihre Cousine jedoch zurück. “Musst unbedingt du das machen?”

“Darum geht es hier nicht, Kagome! Aber Takeshi hat mir schon so oft geholfen. Ich möchte wenigstens versuchen, auch was für ihn tun zu können. Verstehst du? Ich weiß, es ist gefährlich, aber auch er hat schon so viel riskiert. Wenn ich es nicht versuche, würde ich mir bestimmt ein Leben lang Vorwürfe machen”, versuchte Kimie ihr zu erklären.

Kagome dachte noch kurz darüber nach, dann nickte sie. “Okay, wie du meinst…”

Kimie lächelte leicht, ehe sie sich Takeshi zuwandte. Dann schaute sie noch mal auf die Perle in ihrer Hand. Obwohl sie einen solchen Zauber noch nie angewendet hatte, war ihr so, als wüsste sie dennoch, was sie tun musste. Es war ihr unerklärlich, aber zum Nachdenken war im Augenblick nicht der richtige Zeitpunkt gewesen. Noch einmal atmete Kimie tief ein, dann schob sie sich die Perle in den Mund. Sie zuckte sie kurz zusammen, als sich eine kalte Flüssigkeit sich auf ihre Zunge legte. Inständig betete Kimie dafür, dass es funktionieren würde. Dann beugte sie sich über Takeshi und legte ihre Lippen auf die seinen.

Eine abwartende Stille hatte Einzug gehalten. Es vergingen schier endlose Sekunden des angespannten Wartens.

Kimies Hand ruhte auf Takeshis Brust. Noch wagte sie nicht, sich wieder aufzurichten, denn noch immer zeigte Takeshi keine Reaktion. Kimie schickte ein Stoßgebet in den Himmel.

>Takeshi... Ich bitte dich, wach wieder auf!<

Plötzlich glaubte sie, etwas zu vernehmen. Takeshis Herz… Schlug es? Oder war das nur Einbildung gewesen? Aber Kimie war sich sicher. Sie richtete sich auf und schaute auf ihn herab. Ihr war, als vernahm sie einen schwachen Atemzug.

Es vergingen noch einige wenige Sekunden. Noch war es still, aber als Takeshi schließlich langsam seine Augen öffnete, machte ein Raunen die Runde.

“Was ist? Hat es geklappt?”, fragte Shippou voller Neugier.

Kimie blickte Takeshi ins Gesicht. “Takeshi? Hörst du mich?”

Der junge Ryû-Youkai schaute das Mädchen an und wirkte sichtlich verwirrt, als er sich vorsichtig aufsetzte. “Ki… Kimie…? Aber… wie kann das sein? Ich bin doch…” Jedoch konnte Takeshi seinen Satz gar nicht mehr beenden, denn Kimie fiel ihm gleich um den Hals und heulte wie ein Schlosshund. “A-Aber Kimie, was…?” Takeshi sah sich um. Alle starrten ihn an. “Was ist denn hier überhaupt los? Sind wir etwa alle… tot?”

“So ein Quatsch!”, antwortete ihm Inu Yasha harsch. “Bist du etwa so schwer von Begriff? Alle, die hier stehen, leben noch. Der Kampf ist vorbei und du bist auch wieder unter den Lebenden.”

Takeshi kam anfangs überhaupt nicht mit. Doch da schoss ihm mit einem Mal dieser Gedanke durch den Kopf und er griff in seine Hosentasche. Die Perle… Sie war weg! Er sah Kimie an, die inzwischen wieder von ihm abgelassen und sich auch ein wenig beruhigt hatte. “Die Perle… Hast du… sie etwa benutzt?”

Sie nickte bestätigend und lächelte dabei. Wieder kamen ihr die Tränen, doch sie waren begleitet von einem unendlichen Gefühl der Erleichterung. “Takeshi… Ich bin so froh, dass du lebst.”

Takeshi war schon sehr gerührt, als er ihre Worte vernahm. Aber was war überhaupt geschehen? Warum war der Kampf vorbei?

Nachdem man ihm die Situation geschildert hatte, sah er wieder klarer. “Dann ist Naraku also geflohen… Aber wovor? Wovor musste er so plötzlich fliehen?”

“Das war Renhou”, antwortete ihm Yu, der in der Zwischenzeit das Schwert seines verstorbenen Kameraden an sich genommen hatte. “Bevor er starb, muss er einen Teil seiner Seele in seinem Schwert versiegelt haben. Und so war es ihm möglich, uns auch noch über den Tod hinaus zur Seite zu stehen.” Er betrachtete das Schwert einen Augenblick lang. “Nun ist sein Geist aber endgültig ins Jenseits eingekehrt.”

“Dann hat sein Geist uns also wirklich beigestanden…”, bemerkte Kagome nachdenklich.

Bei diesen Worten senkte Takeshi seinen Blick. “Er war… also die ganze Zeit über da…”

Wieder wurde es kurz still.

“Mh… Takeshi?”

Als Takeshi Akumas Stimme vernahm, schaute er auf. Sein Bruder stand etwas abseits, als traute er sich nicht näher heran.

“Takeshi, ich... Es tut mir Leid. Ich habe alles falsch gemacht. Ich… war dir kein sonderlich guter großer Bruder.” Akuma schaute reumütig zu Boden.

Takeshi stand nun wieder auf und ging auf seinen Bruder zu. Ein verschmitztes Lächeln stahl sich auf seine Lippen. “Was redest du denn da, du Idiot? Du wirst immer mein großer Bruder sein! Ganz egal, was passiert.”

Akuma schaute auf. Er hatte Takeshi kurz zuvor fast das Gleiche gesagt. Als Takeshi ihm die Hand hinhielt, ergriff Akuma diese nach kurzem Zögern dankbar. Es erleichterte ihn ungemein, dass sein Bruder ihm verzieh.

“Nun, ich denke, für uns gibt es hier nichts mehr zu tun”, sagte Akuma schließlich, wobei er zu Sesshoumaru und dessen Gefolge blickte. “Ich schlage vor, wir belassen es dabei. 1000 Jahre der Feindschaft müssten selbst unter Youkai eigentlich genug sein.”

“Ja, so sehe ich das auch”, stimmte Sesshoumaru dem zu, wenngleich es wie üblich kühl klang. “Aber was genau bedeutet das nun für dich und deinen Clan? Was habt ihr jetzt vor?”

Auf diese Frage hin schwiegen die Ryû-Youkai zunächst, bis Akuma erneut das Wort ergriff: “Ich denke, es ist das Beste, wenn wir wieder nach Hause gehen.”

“In die nördlichen Gebirge?”, fragte Takeshi seinen Bruder, der jedoch mit einem leichten Lächeln den Kopf schüttelte.

“Nein. Wir gehen wieder zurück in unsere wahre Heimat. Zurück nach China.”
 

Was keine der beiden Parteien mitbekommen hatte, war die Tatsache, dass ganz in der Nähe Kikyou dem Kampf beigewohnt hatte. Umringt von ihren Seelenfängern beobachtete sie die anderen aus sicherer Entfernung.

“Naraku ist wieder fort... Dann beginnt die Suche also einmal mehr aufs Neue.”

Noch einen Augenblick lang verweilte die Miko an Ort und Stelle, dann setzte sie mit einem letzten Blick auf Inu Yasha ihre andauernde Reise abermals fort.
 

Akumas Plan, zurück nach China zu gehen, wurde von seinen Kriegern mit einstimmigem Einverständnis aufgenommen. Nur Takeshi wirkte unschlüssig. Denn die Rückkehr nach China bedeutete zugleich, dass er Abschied nehmen musste von Kimie. Und das fiel ihm nicht gerade leicht. Bevor es jedoch so weit sein würde, musste er noch einmal das Gespräch mit ihr suchen, also trat er nach einigem Zögern auf sie zu. “Kimie? Kann ich bitte kurz mit dir sprechen?”

Kimie, die bei Kagome und den anderen stand, wollte ihm gerade antworten, da schnitt ihr Sesshoumarus durchdringende Stimme schon im Ansatz das Wort ab: “Kimie! Ich möchte nicht, dass du mit ihm sprichst!” Und als sie gerade dazu ansetzte, ihm zu widersprechen, fügte er ruhiger hinzu: “Zuerst möchte ich mit ihm sprechen.”

Kimie und Takeshi schauten kurz einander an, dann machte Sesshoumaru dem jungen Ryû-Youkai mit einem Nicken deutlich, dass er ihm folgen sollte. Ein wenig unsicher kam Takeshi dieser Aufforderung nach.

Nachdem sich die beiden etwas von den anderen entfernt hatten, begann Sesshoumaru zu sprechen: “Damit eines klar ist: Kimie hat dir aus rein freundschaftlichen Motiven heraus geholfen. Dessen solltest du dir bewusst sein.”

Takeshi war natürlich sofort klar, worauf genau Sesshoumaru damit angesprochen hatte. Kimie hatte ihn ja schließlich sozusagen geküsst, daran hatte er sich im Nachhinein wieder erinnern können. Er nickte. “Das hättet Ihr mir nicht extra sagen müssen. Ich weiß es.” Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: “Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, um sie zu kämpfen. Aber mir scheint, es hätte ohnehin keinen Sinn gemacht.”

Sesshoumaru bedachte Takeshi mit einem abschätzenden Blick. “Hättest du mich ernsthaft herausgefordert, hätte ich dich getötet. Die Tatsache, dass du noch so jung bist, interessiert mich dabei nicht im geringsten.”

Takeshi nahm diese Bemerkung mit einem Lächeln zur Kenntnis. Was anders hatte er auch nicht erwartet.

Sesshoumaru wartete noch einen Augenblick. Aber eigentlich hatte er bereits alles gesagt, was er hatte sagen wollen. Er wandte sich zum gehen um. “Ich sage Kimie, dass sie jetzt mit dir reden kann.”

Während Sesshoumaru wieder zurückging, verblieb Takeshi an Ort und Stelle. Gedanklich malte er sich schon aus, was er Kimie wohl sagen würde. Immerhin würde das ihr letztes Gespräch werden. Er bemerkte sie, als sie ihm von hinten eine Hand auf die Schulter legte.

“Hey! Und? Worüber habt ihr beide geredet?”, fragte Kimie neugierig, doch Takeshi schüttelte den Kopf.

“Unwichtig. Er wollte nur was klarstellen.”

“Hm…” Kimie fragte nicht weiter nach, als sie sich an seine Seite gesellte. “Und? Bist du schon gespannt auf China?”

“Ich weiß es nicht”, antwortete Takeshi ehrlich und klang dabei auch verunsichert. “Anders als Akuma und die anderen bin ich ja schließlich hier geboren. Obwohl… So wirklich zu Hause habe ich mich hier auch nie gefühlt. Aber andererseits möchte ich auch nicht weg von hier.”

“Na ja… Ich würde dich ja fragen, ob du nicht vielleicht hier bleiben möchtest, aber…”

“Ich weiß schon. Es ist in Ordnung. Und wenn ich bleiben würde, wäre das für mich im Endeffekt auch keine Lösung.” Takeshi seufzte leise, ehe er seinen Blick gen Himmel richtete. “China... Das wird das erste Mal sein, dass ich es sehen werde.”

“Freu dich doch. So lernst du endlich mal deine ursprüngliche Heimat kennen”, versuchte Kimie ihn ein wenig aufzumuntern, obwohl auch ihr bei dem Gedanken an den bevorstehenden Abschied etwas schwer ums Herz wurde.

Takeshi spürte ihre Gefühlsregungen ganz genau. Und auch in ihm sah es nicht viel anders aus. “Kimie, ich... Also... Was du für mich getan hast… Vielen Dank.”

Begleitet von einem schwachen Lächeln schüttelte Kimie den Kopf. “Schon gut. Das war das Mindeste, was ich tun konnte. Ich bin froh und glücklich darüber, dass es funktioniert hat.”

Takeshi nickte. Er liebte sie nach wie vor, aber bei ihr hatte sich nichts geändert. Jedoch hatte er das inzwischen längst akzeptiert. So blieb ihm im Grunde nur noch eines, was er tun musste. “Bevor wir uns verabschieden, möchte ich dir gerne etwas geben.”

Kimie schaute auf. Takeshi holte unter seinem Oberteil eine Kette mit einem Anhänger hervor. Dieser bestand aus einer dunkelblauen Kugel, um welche sich eine Drache gelegt hatte und sie mit seinen Klauen festhielt.

“Das hier trage ich schon seit längerer Zeit mit mir herum. Ich wollte es dir schon vorher geben, aber irgendwie wollte sich nie so wirklich der richtige Zeitpunkt ergeben. Jedenfalls möchte ich dir das gerne schenken. Als Erinnerung, damit du mich nicht vergisst. Bitte nimm es an, ja?”

Als er ihr die Kette überreichte, blieb Kimie zunächst stumm, während sie den Anhänger betrachtete. Er war wirklich hübsch anzusehen gewesen. Kimie lächelte. Auch, wenn er ihr nicht dieses Geschenk gemacht hätte, hätte sie auch so stets an Takeshi erinnert. “Vielen Dank! Ich werde es in Ehren halten”, sagte sie und legte sich die Kette um.

Takeshi freute es sehr, dass sie sein Geschenk angenommen hatte. Ihm war nun doch irgendwie leichter zumute. “Tja, ich denke, es ist nun Zeit, auf Wiedersehen zu sagen. Also…” Er trat auf sie zu und nahm sie noch ein letztes Mal in die Arme. “Leb wohl. Ich hoffe, du wirst glücklich.”

“Danke. Das wünsche ich dir auch. Alles Gute für dich und deinen Clan. Hm… Tu mir aber bitte einen Gefallen…”

Als er ihren bittenden Blick sah, stutzte er kurz. “Was denn?”

“Wenn du in China mal ein Mädchen kennen lernst”, begann Kimie vorsichtig, “dann lass sie nicht gleich wieder fallen wie eine heiße Kartoffel. Das scheint in deinem Clan ja schließlich in den meisten Fällen so üblich zu sein. Zumindest hat Renhou mal so was in der Art erwähnt.”

Kurzzeitig war Takeshi doch ein wenig perplex. Mit so was hätte er nun nicht unbedingt gerechnet, doch nahm er Kimies Worte mit einem wohlwollenden Nicken zur Kenntnis. “In Ordnung. Ich werde daran denken.”
 

Es dauerte noch ein wenig, aber letztendlich waren die Ryû-Youkai so weit, sich auf den Weg zu machen. Die Flugdrachen waren bereit und wer von den Kriegern selbst fliegen würde, hatte seine Drachengestalt angenommen.

Akuma hielt seinen Flugdrachen an den Zügeln, als er sich noch einmal an Sesshoumaru wandte. “Dann endet es also hiermit. Nun gut… Wir werden uns vermutlich nicht mehr wieder sehen.”

“Meine Trauer hinsichtlich dessen hält sich in Grenzen, wie du dir wohl denken kannst.”

Akuma lächelte angesichts dieser unterkühlten Antwort. “Hm! Was anderes hätte mich auch sehr gewundert.” Gerade wollte er auf den Rücken seines Reittieres steigen, da trat Yu noch einmal an seine Seite.

“Akuma-sama. Was machen wir hiermit?” Yu hielt seinem Herrn Renhous Schwert entgegen. Akuma nahm es ihm ab und betrachtete es. Recht schnell hatte er eine Entscheidung getroffen und reichte das Schwert an Takeshi weiter.

“Nimm du es, Takeshi. Ich denke, das wäre es auch gewesen, was Renhou gewollt hätte.”

Takeshi nahm das Schwert von seinem Bruder entgegen. Ein weiteres Mal wurde ihm klar, wie sehr Renhou ihm und auch seinem Clan immer geholfen hatte. Sogar jetzt noch… Takeshi konnte es sich nicht erklären, aber er hatte das Gefühl, als hätte Renhou in diesem Moment genau neben ihm gestanden. Er lächelte leicht. >Renhou… Ich danke dir für alles.<

Akumas Stimme riss ihn wieder aus seinen Gedanken. “Komm jetzt. Wir haben einen langen Weg vor uns.”

Takeshi nickte, steckte das Schwert in seinen Gürtel und bestieg seinen Flugdrachen. Noch einmal traf sein Blick mit dem von Kimie zusammen. Sie lächelte und nickte ihm zu. Er erwiderte ihre Geste, da begannen die ersten Drachen bereits in die Lüfte emporzusteigen. Als Akuma seinem Drachen den Befehl zum Abflug gab, schloss sich Takeshi dem sogleich an, ebenso wie Yu und Jin und die restlichen Ryû-Youkai. Kräftige Windstöße, verursacht durch die mächtigen Schwingen, wehten vorüber. Akuma führte seinen Clan in Richtung des Meeres, auf dessen anderer Seite ihre Heimat lag.

Lange standen die Inu-Youkai, sowie Inu Yasha und seine Freunde noch auf der Wiese.

“Eigenartig…”, meinte Shippou irgendwann. “Sie waren zwar unsere Feinde, aber jetzt am Ende fällt es mir trotzdem irgendwie schwer, sie so gehen zu lassen.”

Kagome nickte zustimmend. “Ja. Ich weiß, was du meinst, Shippou-chan.”

Wie viele andere, so hatte auch Kimie noch so lange zum Himmel hinaufgeschaut, bis die Ryû-Youkai aus ihrer Sicht verschwunden waren. Letztendlich trat sie auf Sesshoumaru zu. “Und was machen wir jetzt, Sesshoumaru?”

Er antwortete ihr nicht sofort, aber als er es nach einem Moment tat, wandte er sich damit auch an seine Leute. “Das Gleiche wie Akuma und sein Clan. Wir gehen nach Hause.”
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Geschunden, aber siegreich waren sie an jenem Abend ins Schloss zurückgekehrt, und obwohl die Freude und Erleichterung bei den Zurückgebliebenen groß gewesen war, wurde darüber hinaus nicht vergessen, sich um die Verletzten zu kümmern. Während sich die Inu-Youkai und auch Inu Yasha, Kirara und Shippou verhältnismäßig rasch erholten, brauchten Kagome, Kimie und speziell Sango und Miroku spürbar länger, um sich auszukurieren. Aber auch, wenn ihre Körper ihnen noch einige Probleme machten, im Geiste waren sie spätestens seit dem Morgen ihrer Rückkehr wieder genesen gewesen. Zwar würden Sango und Miroku wegen ihrer Verletzungen noch lange sehr darauf achten müssen, sich nicht zu viel zu bewegen, und Sango hatte wegen ihres verletzten Fußes zudem einige kleinere Probleme beim Laufen, aber schlug ihnen das nicht so sehr aufs Gemüt, als dass sie sich von den überschwänglichen Siegesfeiern, die inzwischen Einzug gehalten hatten, ferngehalten hätten. Gleiches galt für Kimie, die ihren linken Arm in einer Schlaufe tragen musste, um ihn zu schonen. Es war schon irgendwie verwunderlich, dass Youkai auch so ausgiebig feiern konnten, zumal es inzwischen der dritte Tag gewesen war.

Im Beisein von Kagome, Inu Yasha und ihren Freunden saß Kimie zusammen, während direkt neben ihnen auf dem Boden eine umgefallene und leere Sakeflasche lag und direkt daneben eine dazugehörige geleerte Schale in welcher Myouga schon vor einer ganzen Weile eingepennt war, nachdem er sturzbesoffen von Inu Yashas Schulter gefallen war.

In einem Teil des Raumes unterhielt sich Kakeru mit Sakura, Ashitaka ärgerte Miyuki mal wieder etwas, und selbst Tôya konnte seiner kleinen Schwester nicht beistehen, weil er kurz zuvor den Raum verlassen hatte, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Auch Subaru war da gewesen, allerdings hielt er sich aus dem größten Getümmel eher raus und blieb mehr für sich. Jedoch wurde er nicht etwa gemieden, wie es für gewöhnlich der Fall gewesen war. Ab und an wechselte er auch das eine oder andere Wort mit jemanden, wenn er angesprochen wurde.

Kimie schreckte hoch, als plötzlich ein ziemlich beduselter Jaken an ihr und den anderen vorübertorkelte und dabei in ziemlich schrägen Tönen zu singen versuchte. Ganz klar, der war voll bis obenhin und trug somit ausreichend zur allgemeinen Belustigung bei. Aber wo war Sesshoumaru überhaupt? Kimie hatte ihn irgendwann aus den Augen verloren, als sie mal zu sehr in ein Gespräch mit Kagome vertieft gewesen war.

“Der ist vorhin weggegangen”, erklärte Inu Yasha, nachdem er von Kimie nach dem Aufenthaltsort seines Bruders gefragt worden war. “Er hatte Rin bei sich. Ich glaube, sie ist eingeschlafen. Und Inuki ist auch mitgegangen.”

“Ach so.” Kimie nahm das so hin. Sesshoumaru würde schließlich schon wieder auftauchen. Nach einer Weile tippte sie Kagome auf die Schulter. “Du, Kagome? Ich geh kurz etwas raus, okay?”

Die Jüngere nickte. “In Ordnung. Bis gleich.”

Nachdem Kimie aufgestanden war, schweifte Kagomes Blick rüber zu Subaru. Er wirkte sehr nachdenklich und sie hatte so eine Ahnung, woran das lag. Schließlich stand Kagome auf und ging zu ihm rüber. “Entschuldigt? Darf ich mich zu Euch gesellen?” Nachdem er ihr mit einem Nicken sein Einverständnis erklärt hatte, setzte sie sich zu ihm. “Eure Wunden scheinen gut verheilt zu sein. Aber wie geht es Eurem Auge?”

“Meine Sehkraft auf dieser Seite hat ein wenig nachgelassen, aber ansonsten ist alles in Ordnung. Und was die Narbe angeht…” Subaru legte eine Hand auf sein rechtes Auge. “Ich nehme sie einfach als eine Art Andenken hin.”

Kagome schwieg einen Augenblick lang. “Seid ehrlich, Subaru-san. Als Ihr letztens Euren Pfeil und Euren Bogen gegen Euren Bruder gerichtet habt, habt Ihr das doch eigentlich nur getan, um zu verhindern, dass ihm im Kampf gegen Sesshoumaru etwas zugestoßen wäre, nicht wahr? Weil Ihr befürchtet habt, er könnte wie schon vor 200 Jahren im Kampf unterliegen und dass ihm diesmal schlimmere Konsequenzen widerfahren wären.”

Zunächst war Subaru doch ein wenig überrascht über diese Vermutung des Mädchens. Aber nachdem er sich ihre Worte noch einmal durch den Kopf hatte gehen lassen, zuckte er wie beiläufig mit den Schultern. “Teilweise... Damit magst du Recht haben.”

“Habt Ihr inzwischen eigentlich erfahren können, was aus Eurem Bruder geworden ist?”

Er schüttelte den Kopf. “Keiner konnte mir etwas sagen. Ich weiß nicht mal, ob er tot oder doch einfach nur still und heimlich abgehauen ist.“

“Einfach so? Ohne etwas zu sagen?”

“Seshiru war schon immer etwas eigen. Ehrlich gesagt, würde es mich nicht wundern, wenn er wirklich wieder fort gegangen ist.” Subaru lächelte schwach. “Ich kann es mir selbst nicht so recht erklären... Einerseits habe ich mich nie mit Seshiru verstanden, aber andererseits mag es zwischen uns doch so etwas wie eine brüderliche Bindung gegeben haben.” Und obwohl er nicht wusste, was nun letztendlich aus Seshiru geworden war, so überwog in Subaru doch der Verdacht, dass sein Bruder noch lebte. Das sagte ihm sein Gefühl, und wenn er es sich eingestand, war er froh darüber.

“Und?”, fragte Subaru schließlich an Kagome gerichtet. “Was haben du und deine Freunde als Nächstes vor? Ihr seid doch eigentlich nur hergekommen, um uns im Kampf zu unterstützen, doch dieser ist ja jetzt schließlich beendet und dieser Naraku hat auch das Weite gesucht.”

“Nun, wir werden uns wohl auch wieder auf den Weg machen”, meinte Kagome, wenngleich es noch nicht feststand, wann genau der Zeitpunkt zur Weiterreise gekommen sein würde.
 

Zur selben Zeit stand Kimie draußen auf der Veranda und atmete die frische Nachtluft ein. Die drinnen herrschenden Gespräche vernahm sie nur noch dumpf.

“Ist es dir da drinnen etwa zu laut geworden?”

Kimie schreckte hoch und wandte sich zur Seite um. Einige Meter von ihr entfernt stand Touran. Offenbar befand sie sich schon seit geraumer Zeit hier draußen, doch hatte Kimie sie überhaupt nicht bemerkt.

Die Panther-Dämonin setzte ein geheimnisvolles Lächeln auf, während sie Kimie so beobachtete. “Du und deine Freunde... Ihr habt euch im Kampf gut bewährt. Ich muss zugeben, ich bin beeindruckt. Vor allem von eurer Entschlossenheit. Sesshoumarus Leute denken übrigens genau so.”

“Woher willst du das wissen?”, fragte Kimme etwas skeptisch. Ihr war nicht ganz klar, was Touran von ihr gewollt haben könnte. Schließlich hatten die beiden nie das Gespräch miteinander gesucht.

“Ich habe einige von ihnen reden hören”, antwortete Touran auf die Frage. “Sie scheinen euch nun mit anderen Augen zu betrachten.”

“Hm…”

Touran entging die Skepsis, mit der Kimie ihr begegnete nicht. “Du musst dir keine Sorgen machen. Ich stelle mich dir nicht in den Weg. Außerdem kehren meine Geschwister und ich morgen sowieso wieder in unsere Heimat zurück.”

“In den Weg stellen? Was willst du damit sagen?”

“Weißt du das wirklich nicht?”

Doch, Kimie wusste es, aber eben genau deshalb hatte sie noch mal nachgefragt. Denn so wirklich schlau wurde sie aus Tourans Verhalten nach wie vor nicht.

Die Panther-Dämonin lehnte sich mit den Unterarmen auf das Geländer. “Es wundert mich nicht, dass du mir gegenüber etwas misstrauisch zu sein scheinst. Aber ehrlich gesagt, habe ich Sesshoumaru bereits in dem Augenblick aufgegeben, als mir klar wurde, dass er bereit war, für dich sogar ganz allein zu Akumas Schloss zu gehen. Obwohl er gewusst haben muss, dass es selbst für ihn ein fast aussichtsloses Unterfangen gewesen war, dort wieder unversehrt herauszukommen. Wenn jemand wie er das für einen anderen tut, heißt das schon was. Vermutlich kennst du Seiten an ihm, die ich nie gesehen habe.”

Kimie blieb stumm, während Touran erzählte. Sie war überrascht und irritiert zugleich. Besonders auch darüber, dass Touran so ruhig von dieser Sache sprach. Es lag kein Funken von Feindseligkeit oder ähnlichem in ihrer Stimme.

Gerade wollte Kimie etwas erwidern, doch da, machte die Dämonin Anstalten zu gehen. “Ich ziehe mich zurück. Gute Nacht.”

“Mh... Ja, gute Nacht”, war das Einzige, was das Mädchen letztendlich hatte sagen können.

Warum sie überhaupt so offen mit Kimie über ihre Einstellung gesprochen hatte, vermochte Touran am Ende selbst nicht mehr so genau zu sagen. Vielleicht war es ihr einfach ein unbewusstes Bedürfnis gewesen, reinen Tisch zu machen. Zumindest konnte sie die Geschichte nun als endgültig abgeschlossen ansehen.

Als Touran am Ende des Weges um die Ecke bog, verharrte sie kurz auf der Stelle. Einige Meter weiter stand Tôya. Auf das Geländer gestützt schaute er zum Sternehimmel hinauf. Als er Touran bemerkte, wandte er den Blick zu ihr um.

“Na? Hast du es da drinnen nicht mehr ausgehalten?”, fragte er sie neckend.

Touran jedoch schaute nur etwas zu Boden.

“Was ist denn los mit dir? Sonst bist du doch so schlagfertig”, sprach Tôya sie wieder an, aber außer stummem Augenkontakt bekam er keine Antwort. Er wechselte das Thema. “Ich habe gehört, du und deine Geschwister werdet morgen wieder abreisen.”

Sie nickte.

“Hey, einen Mund hat man für gewöhnlich auch zum Sprechen. Natürlich kannst du mir auch weiterhin mit irgendwelchen Gestiken antworten, aber auf die Dauer wird das doch eintönig.”

“Gerade du willst von mir, dass ich etwas zu dir sage?”, fragte Touran nun.

Tôya zuckte mit den Schultern. “Wenn wir schon miteinander reden… Aber wenn du nicht möchtest…”

“Nein, nein! Darum geht es nicht”, widersprach sie sofort, obwohl es mehr ein Reflex gewesen war. Warum rechtfertigte sie sich überhaupt vor ihm? Dazu hatte sie doch gar keinen Grund!

Tôya lächelte etwas verschmitzt. “Nun, wenn du doch reden möchtest… Ich hatte vor, noch ein Weilchen hier stehen zu bleiben.”

Touran überraschte diese indirekte Aufforderung, dass sie ihm ein wenig Gesellschaft leisten konnte, zwar schon sehr, aber sie hatte auch nicht wirklich was dagegen, weshalb sie sich letztendlich an seine Seite gesellte.
 

Nachdem Touran gegangen war, hatte sich Kimie kurz darauf entschlossen, nach Sesshoumaru zu suchen. Sie vermutete, dass er entweder bei Rin oder in seinem Zimmer sein musste. Zuerst wollte sie in Rins Zimmer vorbeischauen. Gerade, als sie die Treppen hinaufsteigen wollte, kam ihr Sesshoumaru jedoch entgegen.

“Wolltest du zu mir?”, fragte er Kimie.

“Ich wollte nur nachsehen, wo du bleibst, aber das hat sich ja jetzt erledigt. Was ist eigentlich mit Rin? Inu Yasha meinte, sie wäre vorhin eingeschlafen.”

“Stimmt. Ich habe sie auf ihr Zimmer gebracht. Inuki ist bei ihr geblieben.”

In diesem Moment drang das ziemlich schiefe Gejaule eines gewissen Krötendämons zu den beiden vor. Kimie schaute den Gang entlang. “Ich glaube, dass ist Jaken, der da so jault... Der hat ja wohl eindeutig zu tief ins Glas geschaut. Schon den ganzen Abend geht das so.”

“Und wie geht es dir?”

“Was?” Kimie verstand Sesshoumarus Frage erst so wirklich, als er sich ihren linken Arm besah, welcher in der Schlaufe um ihren Hals ruhte.

“Ich schätze, es wird eine Narbe zurückbleiben”, vermutete er.

"Ach, das stört mich nicht”, meinte sie jedoch unbesorgt. “Mh... Oder hast du damit etwa ein Problem?"

"Schätzt du mich so ein?"

“War nur ein Witz! Jetzt guck nicht gleich wieder so streng!”, lachte sie, ehe sie den Gang entlang deutete. “Und? Gehen wir zu den anderen zurück?”

Sesshoumaru nickte einverstanden. "Du hast übrigens gut gekämpft. Für einen Menschen."

Ein wenig überrascht bliebt Kimie noch einmal stehen. "Sollte das etwa ein Kompliment sein?", fragte sie neckisch, erwartete jedoch keine Antwort von Sesshoumaru. Stattdessen lächelte sie nur vergnügt, während sie nun mit ihm zusammen zu den anderen zurückkehrte.
 

* ~ * ~ * ~ * ~ *
 

Nach einem Monat war es dann so weit und sowohl Inu Yasha und seine Freunde als auch Sesshoumaru machten sich bereit, ihre Wege wieder fortzusetzen auf der Suche nach Naraku. Der bevorstehende Abschied bereitete Inu Yasha und seinen Freunden doch irgendwie Kopfzerbrechen. Denn während der Zeit nach dem Kampf waren die Inu-Youkai ihnen spürbar offener und freundlicher entgegengetreten. Inu Yasha wurde von manchen nun sogar mit dem sehr respektvollen Suffix "-sama" angesprochen. Für ihn zwar etwas ungewohnt, aber es störte ihn auch nicht wirklich, zumal er merkte, dass es ihnen ernst damit gewesen war.

Kimie ging es da als offizielle Gefährtin von Sesshoumaru da nicht viel anders, nur mit dem Unterschied, dass sie sich bei alldem immer etwas merkwürdig vorkam. Aber anstatt sich zu sehr damit zu beschäftigen, hatte sie lieber damit angefangen, die Namen der einzelnen Inu-Youkai auswendig zu lernen. Immer nur "Hey, du!" rufen zu können, klang schließlich auf die Dauer ein wenig blöd. Zu diesem Zweck hatte sie mit ihrer Polaroid-Kamera von jedem ein Foto geschossen, diese passbildgerecht zurechtgeschnitten und alle Bilder in ein Heft geklebt und entsprechend beschriftet. Irgendwie musste sie ja eine sichrere Quelle parat haben, auf die sie je nach Bedarf zurückgreifen konnte, wenngleich besonders Sesshoumaru ihr Tun immer wieder mit etwas Skepsis beobachtet hatte. Allerdings war er ihre zuweilen etwas merkwürdige Art inzwischen ja schon gewohnt.

Überhaupt hatten alle die vergangene Zeit für sich am Besten genutzt. So hatte etwa Kagome im Training mit Subaru ihre Künste im Bogenschießen noch etwas verbessern können, und Sango und Miroku waren nicht zuletzt dank Kakerus Dazutun wieder kerngesund. Shippou hatte die meiste Zeit im Beisein von Kirara friedlich im Garten gesessen, und Inu Yasha konnte in einigen ausgiebigen Gesprächen mit Kakeru noch mehr über seinen Vater in Erfahrung bringen und auch, wie sich seine Eltern überhaupt kennen gelernt hatten.

Was Jaken anging, so hatte dieser nach wie vor alle Hände damit voll zu tun gehabt, auf Sesshoumarus Anweisung hin auf den kleinen Wildfang Rin aufzupassen. Meistens jedoch hatte das kleine Mädchen mit Inuki gespielt oder den einen oder anderen Inu-Youkai in ein Gespräch verwickelt, bei dem sie meistens ununterbrochen massig Fragen zu stellen gewusst hatte.

Nebenbei waren Kagome und Kimie zwischendurch auch mal wieder bei sich zu Hause gewesen, wobei sie natürlich von Inu Yasha und Sesshoumaru begleitet worden waren.

Momentan liefen die Vorbereitungen für den baldigen Aufbruch auf Hochtouren. Kimie war gerade dabei, noch die letzten Dinge in ihrem Rucksack zu verstauen, während Sesshoumaru an der offenen Tür zur Veranda stand.

“So! Ich wäre dann so weit”, eröffnete sie ihm schließlich und trat zu ihm. Doch machte sie sein ernster Gesichtsausdruck, während er so nach draußen schaute, stutzig. “Sesshoumaru? Hast du was?”

Wortlos trat Sesshoumaru auf die Veranda hinaus. Kimie tat es ihm nach einem Moment gleich.

“Kimie?”

“Ja?”

“Sag, gefällt es dir hier eigentlich?”

Seine Frage irritierte sie anfangs doch ein wenig. Vor allem, weil er ausgerechnet jetzt damit anfing. Doch antwortete sie nach einem Augenblick: “Ja, doch. Sehr sogar. Besonders seit dieser Kampf vorbei ist, fühle ich mich hier richtig wohl. Es hat hier alles so was Friedliches…” Kimie trat an das Geländer und ließ ihren Blick wein wenig schweifen.

“Wir kehren zurück, sobald ich Naraku getötet haben werde”, sagte Sesshoumaru. “Dann gibt es auch keinen Grund mehr, weiter durch das Land zu ziehen.”

“Apropos… Sag mal, warum bist du nach dem Tod deines Vaters eigentlich von hier weggegangen? Damals existierte Naraku schließlich noch nicht.”

“Ich wollte meine Fertigkeiten verbessern. Zu diesem Zweck bereiste ich das Land.”

Kimie zog eine Augenbraue hoch. “Wie kann man 200 Jahre ziellos durch die Gegend ziehen...? Wurde dir da mal nicht irgendwann langweilig?“ Doch bevor Sesshoumaru eventuell auf die Frage hätte antworten können, hörte man vom Hof das Gezeter von Jaken, der gerade wieder dabei gewesen war, Inuki zu beschimpfen, weil dieser ihm mal wieder den Kopfstab geklaut hatte. Kimie seufzte leise. “Obwohl... Langeweile wäre wohl der falsche Ausdruck. Auch, wenn du Jaken mal das Leben gerettet hast, hast du dir nicht mal überlegt, dass etwa eine scharfe Gangsterbraut besser zu dir als Begleitung gepasst hätte?´”

Sesshoumaru schwieg jedoch zu dieser im Scherz gestellten Frage.

“Sag mal, wenn wir schon dabei sind… Wie viele Frauenbekanntschaften hattest du eigentlich schon?”, fragte Kimie nach einem Moment weiter.

“So etwas zähle ich nicht an den Fingern ab”, war Sesshoumarus ungerührte Antwort. So ganz wusste Kimie allerdings nicht, wie sie das einordnen sollte.

“Du Casanova... Da stellt sich mir glatt die Frage, ob du mir in den einem Jahr, in dem ich weg war, auch wirklich treu geblieben bist.”

Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, ihn mit dieser Bemerkung doch ein wenig aus der Bahn geworfen zu haben. Zumindest hätte sein Gesichtsausdruck darauf schließen lassen können. Jedoch schien Sesshoumaru ebenso geahnt zu haben, dass dies lediglich ein Scherz gewesen war, weshalb er auch nicht weiter darauf einging.

“Wenn wir wieder hierher zurückkehren”, sprach er schließlich weiter, “dann muss ich mir auch allmählich Gedanken um einen Erben machen.” Sesshoumaru schaute Kimie wieder direkt an. “Ich möchte von dir, dass du mir dann diesen Erben schenkst.”

“Eh?! Du sprichst jetzt schon von Kindern?!”

Im ersten Moment wirkte Kimie wie versteinert. Sie stand einfach nur da und starrte Sesshoumaru mit großen Augen an. Das war das erste Mal gewesen, dass er ihr gegenüber eine derartig klare Ansage hinsichtlich der Zukunftsplanung gemacht hat.

“Hm… Wenn ich dich jetzt so reden höre, denke ich irgendwie automatisch an Miroku…”, war das erste gewesen, was sie zunächst dazu sagte, aber eigentlich war das nicht unbedingt die Antwort gewesen, die Sesshoumaru eventuell hatte hören wollen. Deswegen schob Kimie schnell noch etwas hinterher, wenngleich es wieder ein wenig ablenkend klang: “Du weißt aber schon, dass diese Nachkommen, von denen du eben gesprochen hast, in diesem Fall Hanyou wären? So wie Inu Yasha eben.”

“Doch werden sie weitaus mehr Potenzial besitzen”, entgegnete Sesshoumaru selbstsicher. Es stand wohl außer Frage, wer dann dafür sorgen würde, dass dieses Potenzial auch wirklich vorhanden wäre. Aber die Idee bezüglich Nachwuchs sagte Kimie bei genauerer Überlegung durchaus zu.

“Aber eines will ich klarstellen!”, warf sie dann noch ein. “Ich möchte ein Mitspracherecht dabei haben, wann ich denn bei der Familienplanung mitzumachen gedenke. Auf jeden Fall tut sich da nichts, bevor ich nicht 20 bin!”

“Warum gerade 20?”, fragte Sesshoumaru ein wenig verständnislos.

“Weil meine Mutter mir sonst damit in den Ohren liegen würde, dass ich als Minderjährige schon ein Kind in die Welt gesetzt hätte…”, erklärte Kimie trocken. “Außerdem wollte sie nie allzu früh Großmutter werden. Da kriege sie angeblich Depressionen. Und abgesehen davon würde ich mir auch gerne noch etwas Zeit lassen.”

Zugegeben, mit ausgerechnet so einer Erklärung hatte Sesshoumaru nicht unbedingt gerechnet. Das hieße, er musste sich noch mindestens gut zwei Jahre lang gedulden. Aber das war in Ordnung für ihn, zumal er Kimie auch nicht zu irgendetwas zwingen wollte. Überhaupt stand ja zuerst noch die Sache mit Naraku im Raum, bevor ernsthaft über die Zukunft nachgedacht werden konnte. Es war Zeit für den Aufbruch…
 

Auf dem Hof hatten sich bereits Inu Yasha und seine Freunde eingefunden, sowie die Inu-Youkai, die nicht nur ihren Herrn, sondern eben auch dessen Halbbruder und seine Gemeinschaft verabschieden wollten. Lediglich Ashitaka und Tôya wollten sie noch bis zu den Grenzen ihrer Ländereien begleiten.

Doch angesichts des bevorstehenden Abschied, schniefte Miyuki doch ein wenig traurig. “Ihr… Ihr müsst unbedingt alle mal wieder herkommen, ja?”

“Sicher, Miyuki-chan. So bald wie möglich”, erwiderte Kagome, woraufhin Miyuki ihre Hände ergriff.

“Genau! So bald wie möglich!”

Ashitaka und Tôya mussten nun doch ein wenig lächeln.

Als Kagome sich noch einmal umsah, entdeckte sie Subaru in einiger Entfernung. Er schien sich allerdings nicht weiter nähern zu wollen, weshalb sie ihm nur noch einmal zuwinkte. Zu ihrer Freude erwiderte er ihre Gestik.

“Ich wünsche euch viel Glück”, gab Kakeru den Reisenden noch mit auf den Weg. “Und ich hoffe, dass ihr euer Ziel erreichen und Naraku besiegen werdet.”

“Damit eines klar ist: ICH werde es sein, der Naraku zur Hölle schicken wird!”, wollte Inu Yasha sofort wieder klar stellen, wobei er sich unmissverständlich an Sesshoumaru gewandt hatte.

“Wie wäre es denn damit? Im entscheidenden Moment haut ihr beide einfach gleichzeitig zu, dann erledigt ihr ihn eben zusammen?”, schlug Kimie vor, aber der Hanyou war nicht gewillt, sich diesem Vorschlag zu beugen.

“Das kannst du vergessen! Mit DEM da arbeite ich nicht zusammen.”

“Ausnahmsweise sprichst du mir mal aus der Seele, Brüderchen”, stimmte Sesshoumaru dem unterkühlt zu.

Kagome seufzte leise. “Was ist bisher nur alles geschehen? Und dennoch... Irgendwie bleibt doch alles beim Alten…”

Man verabschiedete sich noch voneinander, dann machten sich alle auf den Weg. Die Krieger aus Sesshoumarus Clan hatten eine Gasse gebildet, welche ihr Herr und dessen Begleiter nun durchschritten. Sie verbeugten sich respektvoll, als die Reisenden an ihren vorübergingen bis sie letztendlich das Tor passiert hatten.

“Es ist anders als damals, als Sesshoumaru-sama uns zum ersten Mal verlassen hat”, bemerkte Sakura, die sich an Kakerus Seite gesellt hatte.

Kakerus Gesicht zierte ein zufriedenes Lächeln. “Es ist einiges anders als damals. Und ich bin mir sicher, er wird sehr bald wieder zurückkommen.”
 

Als sie schließlich eine Wiese erreicht hatten und damit auch die Grenzen der westlichen Länder, war es auch für Ashitaka und Tôya an der Zeit, sich zu verabschieden.

“Das hier sind die Grenzen unserer Ländereien. Ab hier werden wir euch nicht weiter begleiten”, erklärte Ashitaka.

“Schade eigentlich. Aber das verstehen wir schon”, erwiderte Sango einverstanden.

“Nichts desto trotz könnt ihr gerne mal wieder vorbeischauen, wenn ihr mögt”, meinte Tôya. “Und wenn ihr Hilfe brauchen solltet, könnt ihr euch ebenfalls melden.”

“Sehr freundlich von euch. Das ist gut zu wissen”, bedankte sich Miroku und verneigte sich leicht.

Der Abschied war eine relativ kurze Angelegenheit gewesen, deshalb aber nicht weniger freundschaftlich. Überhaupt war es wie üblich vorrangig Sesshoumaru gewesen, der sich nicht mit allzu vielen Worten oder dergleichen aufhielt.

Als Ashitaka und Tôya letztendlich wieder gegangen waren, standen die beiden Gruppen von Sesshoumaru und Inu Yasha noch einem Moment in trauter Zweisamkeit zusammen.

“So! Dann wären wir also wieder am Anfang angelangt. Wohin gehen wir?”, fragte Inu Yasha seine Freunde.

“Ich würde sagen, wir gehen erst mal wieder in Richtung des Dorfes”, schlug Sango vor, was mit einstimmigem Einverständnis aufgenommen wurde.

Kimie wollte sich gerade an Sesshoumaru wenden, doch dort, wo er eigentlich hätte stehen sollen, war keiner mehr. Stattdessen war er einfach schon mal fort gegangen, ohne zuvor ein Wort gesagt zu haben. Sogar Rin und Jaken hatten nichts mitbekommen.

“Wartet doch! Sesshoumaru-sama!”, rief Rin und heftete sich eiligst an Sesshoumarus Fersen, dicht gefolgt von Jaken, der Ah-Un an den Zügeln hinter sich her zog. Inuki schaute abwartend zu Kimie hoch.

“Und, Kimie? Was machst du jetzt? Noch hast du die Wahl”, meinte Miroku, obwohl ihm und auch den anderen klar war, was Kimie wohl machen würde. Dennoch wirkte sie zugleich ein wenig unschlüssig.

“Na los! Nun geh schon, Kimie-chan!”, ermutigte Sango sie. “Sicherlich treffen wir uns auf unseren Wegen mal wieder. Und außerdem musst du doch genau wie Kagome-chan hin und wieder in eure Zeit zurück, oder?”

Kimie lächelte dankbar und nickte. “Danke, Leute! Passt auf euch auf.”

“Ja, du auch. Und stell nichts Blödes an, klar? Besonders nicht mit diesem Kerl”, warf Inu Yasha noch ein, was ihm von Kimie einen mehr als prüfenden Blick bescherte.

“Wie soll ich das denn bitte verstehen?”

“Ich meine ja nur…”

“Kimie?”, sprach Kagome ihre Cousine noch einmal an. “Wegen unserer Unterhaltung neulich... Möchtest du...?”

Aber Kimie schüttelte den Kopf. Sie wusste gleich, worauf Kagome angesprochen hatte. “Nein, Kagome. Ich glaube nicht, dass dies der richtige Weg wäre. Aber ich danke dir für das Angebot.”

Kagome nickte und holte aus ihrer Tasche einen der Juwelensplitter hervor, “Na gut, aber nimm trotzdem einen davon mit. Für den Fall, dass wir mal nicht gleichzeitig zu Hause vorbeischauen, und damit du garantiert ohne Probleme wieder hierher zurückkommen kannst.”

“In Ordnung. Danke, Kagome!” Kimie steckte den Splitter in ihre Hosentasche. Dann umarmte sie ihre Cousine zum Abschied, ebenso wie Sango und Shippou. Nachdem sie sich auch noch von Inu Yasha und Miroku verabschiedet hatte, rief sie Inuki zu sich. “Also, Leute, macht's gut! Wir sehen uns!” Und als sie der Gruppe noch einmal gewunken hatten beeilte sich Kimie, den Anschluss an Sesshoumaru und dessen Gruppe nicht zu verlieren, während sich Inu Yasha, Kagome und die anderen nun auf den Weg zum Dorf am Knochenfresserbrunnen machten.

“Ich denke, wir sehen sie sicherlich bald wieder”, meinte Inu Yasha optimistisch, wobei er mehr von Kimie sprach, als von Sesshoumaru.

“Vermutlich spätestens dann, wenn Naraku wieder auftaucht”, vermutete Sango. “Sein Plan wurde diesmal zwar wieder durchkreuzt, aber er selbst ist noch immer irgendwo in diesem Land.”

“Ja, und wir werden ihn garantiert früher oder später finden. Und dann kann er sich warm anziehen!” Inu Yashas kämpferische Ansage hinterließ bei seinen Freunden bleibenden Eindruck und übertrug sich auch auf sie. Jeder von ihnen war entschlossener denn je, den Erzfeind endlich in seine Schranken zu weisen. Doch dann schien Inu Yasha etwas einzufallen und er fragte an Kagome gewandt: “Aber sag mal, Kagome? Worum ging's denn eigentlich gerade bei deinem Gespräch mit Kimie? Worüber habt ihr neulich geredet?”

Aber Kagome winkte ab. “Ach, das erzähle ich euch mal bei Gelegenheit.”

“Hä? Warum denn nicht jetzt sofort?”

“Weil ich zuerst wissen möchte, ob sie damit einverstanden wäre, wenn ihr davon erfahrt. Ich frage sie dann, wenn wir uns wieder sehen.”

“Aber das ist unfair!”

“Jetzt sei nicht so neugierig!”

“Bin ich doch gar nicht! Ich will nur klare Antworten! Also, komm! Jetzt spuck's endlich aus! Mach schon!”

Kagome bedachte den Hanyou anfangs nur mit einem prüfenden Blick. “Inu Yasha?”, lächelte sie dann mit einer engelsgleichen Unschuldsmiene, ehe sie ebenso weiter sprach: “O-su-wa-ri!”

Nur einen Augenaufschlag später fand sich Inu Yasha mit dem Gesicht im Gras wieder. Und auch, wenn sein Ego einmal mehr einen Kratzer erlitten hatte, so hatte zumindest Sesshoumaru das nicht mehr mit angesehen. Es schien wirklich so ziemlich alles wieder beim Alten gewesen zu sein…
 

~*Awai sora ga utsushita

~*omoigakezu me ni tobikonde kita houseki

~*hokori kabutta mama no

~*zutto nemutteta kokoro ga madarete yuku

~*Kemuri no naka

~*sagashi motometa koi no antena

~*negai komete kumorizora wo tsukinukete

~*hikari wo sashita

~*Dare mo shiru koto no nai aoi hoshi wo

~*yurayura oyoideku

~*kedakaku mo habataku tori no you ni

~*jiyuu sae moteasobu kurai no kiseki
 

(~*Der klare Himmel spiegelte sich

~*in einem Edelstein, der meinen Blick plötzlich einfing.

~*Dies ließ mein längst eingestaubtes Herz

~*wieder schier bis zur Ekstase erstärken.

~*Bis dahin verlief meine Suche nach Liebe

~*wie blind tastend im Nebel.

~*Doch dann brach sie aus der Wolkendecke und fing fieberhaft damit an,

~*voller Licht zu strahlen.

~*Auf diesem allen unbekannten blauen Stern

~*schwimme ich unbekümmert,

~*wie ein Vogel, der edelmütig mit den Schwingen schlägt.

~*Ein wunderschönes, irres Gefühl, als wäre die Freiheit selbst ein Spiel.)
 

~*Jareru ka no you ni warau

~*kimi no manazashi ni tokimeki wo oboetayo

~*kimi ni deaeta koto wa

~*heibon na boku no naniyori mo no mirai de

~*Kusatteita nurui kisetsu ni yokotawari

~*sabotteita ukemi darake no seikatsu ja

~*nani mo kawaranai

~*Soredemo kitto

~*fuan ya kanashimi wo keseyashinai keredo

~*Samayoi nagara mo aoi hoshi wo

~*yurayura oyoideku

~*kedakaku mo habataku tori no you ni

~*jiyuu sae moteasobu kurai no kiseki
 

(~*Das spitzbübische Grinsen in deinen Augen

~*setzt Schmetterlinge in meinem Bauch frei.

~*Die Begegnung mit dir verhieß für einen

~*Menschen wie mich die bestmögliche Zukunft.

~*Ich schob Entscheidungen immer wieder und

~*faulenzte in dieser trüben, lauwarmen Zeit, aber dieses apathische Alltagsleben

~*führte nirgendwohin.

~*Diese Erkenntnis wird sicherlich

~*nicht meine Unsicherheit und meine Angst wegzaubern, und dennoch...

~*Auf diesem blauen Stern schwimme ich weiterhin unbekümmert,

~*auch wenn mein Weg mal schwankt.

~*Wie ein Vogel, der edelmütig mit den Schwingen schlägt.

~*Ein wunderschönes, irres Gefühl, als wäre die Freiheit selbst ein Spiel.)
 

Kimie drehte und wendete den Juwelensplitter einige Male hin und her und hielt ihn ab und zu in das Sonnenlicht, wodurch er hell glitzerte. Zugegeben, die Versuchung war da, diesen Juwelensplitter zu verwenden und somit eventuell in der Lage sein zu können, mehrere Menschenleben zu überdauern und dabei gar nicht alt zu werden, auch wenn dieser Gedanke zugleich befremdlich war. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass der Kampf um das Shikon no Tama bisher nur Schlechtes zu Tage gefördert hatte, erachtete es Kimie als besser, wenn sie nicht zu diesem Mittel greifen würde. Vielleicht gab es ja noch einen anderen Weg, der sich ihr irgendwann öffnen würde.

Sesshoumaru bemerkte, wie nachdenklich Kimie war, während sie den Juwelensplitter betrachtete. “Was hast du?”

Sie schaute auf und schüttelte mit einem Lächeln den Kopf. “Ach, es ist nichts. Ich war nur in Gedanken.” Dann steckte sie den Splitter wieder in ihre Hosentasche. “Sesshoumaru?”

“Was ist?”

Kimie hakte sich in seinem Arm ein. “Danke, dass ich bei dir sein darf.” Und es gelang ihr sogar, ihm ein kurzes Lächeln zu entlocken.

Rin beobachtete ebenso wie Jaken die beiden ein wenig. Während das kleine Mädchen jedoch sichtlich vergnügt zu sein schien, grummelte Jaken nur vor sich hin. “Hm… Hoffentlich muss ich mir das nicht allzu häufig ansehen…”

Aus dem Seitenwinkel schaute Kimie zu dem Krötendämon rüber. Obwohl sie nicht verstanden hatte, was er gesagt hatte, so stand für sie dennoch außer Frage, dass er sich mal wieder beschwert hatte.

“Hey, Inuki!”, rief Kimie ihren Hund zu sich, der ihrem Aufruf gehorsam Folge leistete. Dann deutete sie mit dem rechten Zeigefinger auf Jaken und befahl ihrem Hund mit einem fiesen Lächeln in dessen Richtung: “Fass!”

Und schon war Inuki auf den Krötendämon zugesprungen, wohl bemerkt aus rein spielerischer Absicht, doch für Jaken war dies trotzdem Grund genug, eiligst die Flucht zu ergreifen. Dabei trabte Inuki stets mehr hinter dem Krötendämon her, als dass er ihn wirklich jagte.

Kimie streckte zufrieden die Arme nach oben. “Hach! Ich habe mich schon lange nicht mehr so gut gefühlt.”

Während sie weiterging, blieb Sesshoumaru nun für einen Moment stehen. Er spürte das Aufwehen einer leichten Brise und blickte noch einmal in jene Richtung zurück, in welche die westlichen Länder lagen. Vor 200 Jahren war er fort gegangen, nachdem sein Vater für eine Menschenfrau sein Leben gelassen hatte. Und nun würde er selbst in naher Zukunft wohl mit einer Menschenfrau an seiner Seite dorthin zurückkehren. War es das gewesen, was Menschen als Ironie des Schicksals bezeichnet hätten? Vielleicht, doch bereuen tat Sesshoumaru seine jüngste Entscheidung nicht. Und mittlerweile konnte er auch seinen Vater in dessen Handlungsweise verstehen und dadurch endlich mit dieser alten Geschichte abschließen.

Sesshoumaru verblieb noch etwas an Ort und Stelle, dann schloss er wieder zu seiner Gruppe auf.
 

-ENDE-


Nachwort zu diesem Kapitel:
So! Dieses Mal gebe ich meinen Senf zum Schluss dazu. *g*
Wow, kaum haben wir mal ein Kapitel, in dem sich die Charas nicht hauptsächlich wahllos rumkloppen, komme ich mit einer Masse an anderweitigen Problemen um die Ecke. Ich hab's halt gerne kompliziert und verfahren. XD
Wie dem auch sei, ich hoffe ihr hattet trotz der vielleicht einen oder anderen Kleinigkeit euren Spaß beim Lesen. ;)
Bis zum nächsten Kapitel!
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Ende. Nee, Quatsch! XD
Ein drittklassiger Scherz meinerseits, es geht natürlich noch weiter.
Mir wurde übrigens schon öfters mal die Frage gestellt, wie ich es in letzter Zeit hinkriege, innerhalb relativ kurzer Anstände stetig neue Kapitel hochzuladen. Na ja, so genau kann ich das auch nicht sagen. Ich bin irgendwie gut drauf und da fällt das Schreiben einem irgendwie viel leichter. Außerdem habe ich zu jedem noch folgenden Kapitel bereits grob die Dialoge und die Handlung festgelegt und aufgeschrieben. Wenn ich mich daran orientieren kann, geht es automatisch relativ fix. Dennoch werde ich es unterlassen, etwa bereits im Voraus aus dem Nähkästchen zu plaudern, was die weitere Handlung anbelangt. *g*
Nur so viel: Es werden am Ende wohl insgesamt 30 Kapitel werden. ;)
So! Ich hoffe, ihr hattet ansonsten Spaß beim Lesen, und bis zum nächsten Kapitel! ^-^
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Nachwort zu diesem Kapitel:
So! Eine kleine Zwischenmeldung an dieser Stelle: Sofern alles geklappt hat, müsste bereits das nächste Kapitel mit freigeschaltet worden sein. Ich habe wirklich lange mit mir gerungen, ob ich ein Adult-Kapitel schreiben soll. Nachdem von einigen Seiten bezüglich dessen entsprechende Bitten geäußert wurden, habe ich mich letztendlich dazu breittreten lassen. XD
Meine Güte... Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich das Kapitel umgeschrieben habe und kurz davor stand, doch noch alles hinzuschmeißen. *g*
Das ist übrigens das erste Mal, dass ich ein Adult-Kapitel verfasst habe, also nehmt mich diesbezüglich bitte nicht allzu sehr in die Mangel... ^^'
Also: Fortsetzung folgt ein Kapitel weiter. *Wegweiser aufstell*
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Nachwort zu diesem Kapitel:
*vorsichtig hinter einer Ecke hervorlugt*
Okay... Schmeißt jetzt bitte nicht mit irgendwelchen Gegenständen nach mir, ich leide ja schon selbst heftig genug... T____T
Glaubt aber bloß nicht, dass mir das leicht gefallen ist, meine eigenen Charas um die Ecke zu bringen, das hat mich echt ein ganz schönes Stück an Überwindung gekostet! Aber wenn alles immer so glimpflich ausgehen würde, wäre es doch auch wieder "öde", zumindest empfinde ich das so... Blöde Ausrede, ich weiß... *drop*
Wie auch immer, ich hoffe dennoch, dass ihr mir aufgrund dessen aus Protest jetzt nicht alle abspringt... ^^'
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Noch ein kleines Schlusswort: Ja, ich weiß. Die schwarze Perle von Inu Yasha gibt es nicht mehr, also können sie auf diesem Weg nicht zum Grab. Wie sie das letztendlich doch noch anstellen, erfahrt ihr im nächsten Kapitel. Und dass Tôya wieder zurückkommt, hatte ich schon von Anfang an so geplant. Es war also keine kurzfristige Entscheidung, weil mir sein Verlust etwa zu nahe gegangen wäre, sonst müsste ich ja alle wiederbeleben, die ich um die Ecke bringe. XD
Tja, dafür habe ich nun auch Rokou von der Bildfläche verschwinden lassen... Die eigenen Charas abtreten zu lassen ist natürlich in gewisser Weise hart, aber es können halt nicht immer alle überleben.
Na gut, ich warte einfach mal eure Reaktionen ab. Bis zum nächsten Kapitel! ^^
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja... Ende des Kapitels. ^^'
Vielleicht nur noch eine kleine Bemerkung zum Schluss: Bevor jetzt irgendwelche Fragen auftauchen, ich habe nicht etwa vergessen zu erwähnen, was denn nun aus Seshiru geworden ist, sondern das wird erst im letzten Kapitel geklärt werden. Das wollte ich nur noch rasch loswerden. Also, bis dann! *wink*
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Cut! Schluss! Aus! So, das war's! XD
Hui! Das war bisher mein längstes Projekt und zugleich auch das, was mir bislang den größten Spaß, aber auch die meiste Arbeit bereitet hat. Es erleichtert mich schon sehr, festzustellen, dass die Fortsetzung von "Abenteuer im Mittelalter" sich einer doch recht großen Beliebtheit erfreuen konnte. Mit Fortsetzungen ist's ja schließlich immer eine etwas heikle Sache... ^^’
Mir gegenüber wurde zwar schon öfters die Bitte geäußert, die Geschichte noch in einem dritten Teil weiterzuführen, aber ich bin diesbezüglich doch eher skeptisch, weil ich einfach vermeiden möchte, dass irgendwann die Luft raus ist und dann vielleicht doch noch so Sprüche kommen wie: "Boah! Wann ist endlich mal Schluss...?" *g*
Das soll schließlich keine Endlosstory werden und wenn's am Schönsten ist, soll man ja bekanntlich gehen. Außerdem wüsste ich auch gar nicht, worum es in einem dritten Teil gehen sollte, und etwa nur über das Zusammenleben von Sesshoumaru und Kimie zu schreiben, erscheint mir dann doch etwas flach. *sich verbeugt*
Tja, was ist nun mit Seshiru…? Ich hab zwar ‘nen kleinen Tipp abgegeben, aber den Rest überlasse ich ganz eurer Fantasie. ;)
Sorry, aber das musste irgendwie sein. Nehmt es mir bitte nicht zu krumm. *sich noch mal verbeugt*
Ach ja! Bevor ich’s vergesse… Da ich im Moment ein wenig knapp bei Kasse bin (Wer ist das nicht? XD) - nicht zuletzt wegen einer Neuanschaffung namens Laptop und einem “All-in-One“-Gerät mit Drucker, Scanner und Kopierer in einem -, und weil ich ohnehin mal ein wenig Ordnung schaffen muss, habe ich eine kleine Verkaufsaktion laufen. Hier ist der Link: http://animexx.onlinewelten.com/forum/?forum=2&kategorie=63&thread=180410
Sofern einer von euch eventuell Interesse an einem der Artikel haben sollte, schreibt dies bitte in den Thread hinein und bitte NICHT unbedingt in die Kommentare, ja? ^^’
Bezüglich der Preise würde ich u. U. auch noch mal mit mir reden lassen.
So, und nach dieser kleinen, nicht ganz dem Thema entsprechenden Geschichte komme ich wieder auf mein eigentliches Schlusswort zurück, das schon wieder länger geworden ist, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte. Ich quatsche halt einfach zu viel… XD
Jedenfalls möchte ich euch an dieser Stelle recht herzlich für eure Treue und Ausdauer danken. Und natürlich für eure Kommentare, die ihr mir immer so fleißig geschrieben habt. Selbstverständlich gilt mein Dank auch allen anderen, die die FF mitverfolgt haben. Und danke auch dafür, dass ihr es mir nie krumm genommen habt, wenn ich euch mal wegen verschiedenster Gründe etwas länger hab warten lassen. Vielleicht höre ich ja von dem einen oder anderen von euch mal wieder in einer zukünftigen FF. Aber jetzt mache ich erst mal etwas Pause.
Also, noch mal ein kräftiger Dank an euch alle und bis bald! ~.^
*euch alle knuddelz*
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Von:  Ookami-no-Tenshi
2017-02-11T12:17:52+00:00 11.02.2017 13:17
So ich muss nun auch einmal meinen Senf dazugeben ;). Das ist eine der besten Ffs auf Animexx. Habe den zweiten Teil sicher schon 5 mal gelesen. Ich würde mich freuen wenn du am dritten Teil noch weiterschreiben würdest. Es ist soo spannend.
Lg. Ookami-chan
Von:  Hotaru-chan_
2017-01-07T23:24:47+00:00 08.01.2017 00:24
Hach ja. Ich hab schon so oft deine ffs gelesen. Allerdings mit einem alten Profil und mit diesem hier habe ich glaub ich nicht oft einen Kommentar hinterlassen... ^^

Aber bei diesem Kapitel kann ich nicht anders... Ich muss wirklich sagen, deine FFs sind meine absoluten Favoriten. <3 Dein Schreibstil, die Storys, wie du die Charaktere rüberbringst... Und deine eigenen Charas noch dazu, einfach eine Mega Leistung!

Und auch, wenn Rokou ein Feind war.... Ich war echt traurig, als er starb, aber kein Wunder bei dem wie du es geschrieben hast u.u Ich mag die Ryû-yokai total!

Und es ist wirklich schön, dass Tōya doch lebt. :3 Dazu ist das mit Ashitaka und Miyuki total niedlich, die beiden passen einfach zusammen! :D

Wer mir noch Leid tut ist Takeshi..xD Nicht nur dass mit Kindern, nee... Alles drum rum, er ist echt in einer miesen Lage...

Muss gestehen, dass ich die letzten Kapitel damals schon immer nur überflogen habe (ich bin zu sensibel :D)... Aber ich werde sie jetzt doch nochmal komplett lesen! ;)


Und an dieser Stelle... Danke für diese tolle FF! <3

glG
Von:  Hotaru-chan_
2016-11-22T10:32:02+00:00 22.11.2016 11:32
Hach. Ich habe deine Ffs schon mehrmals gelesen - doch es ist jedes mal wieder toll! 😍
Rumiko sollte darauf basierend mal eine Fortsetzung für ihren Manga machen *gg*
Wirklich, es ist toll... Ich freue mich schon, gleich den 3. Teil weiter zu lesen. Vielen Dank für diese tolle Story, die vollgepackt mit Drama, Humor und auch Romantik und Spannung ist! ❤️


LG
Von:  Yashi2506
2016-09-11T10:27:22+00:00 11.09.2016 12:27
Ich muss heulen! 😭 Wieso musste die FF jetzt nur enden!? Was fange ich jetzt mit meinem Leben an 😭😔
Ich hoffe ich finde noch einen 3. Teil..
Du bist klasse!
Von:  Yashi2506
2016-08-16T08:16:00+00:00 16.08.2016 10:16
Ich hätte mich gefreut wenn das kapitel davor auch für minderjährige zulässig gewesen wäre. Ich bin 17 und kann wegen einem Jahr ein ganzes Kapitel nicht lesen. Das ist doch scheiße :@ :(
Von:  Yashi2506
2016-08-16T06:59:40+00:00 16.08.2016 08:59
Ich bin gerade voll der Fan von Takeshi :D
Ich hoffe er stirbt am ende nicht sondern bleibt bei den guten :(
Von:  Yashi2506
2016-08-15T23:03:57+00:00 16.08.2016 01:03
Also erstmal..Wow! Einfach nur Wow!! Dieses Kapitel ist der Hammer die Geschichte kann einfach nur besser werden! *-*
Das Geständnis von Takeshi *luftsprung* *-*
Ich wünschte mir jetzt insgeheim das die Geschichte anders verlöuft und Kimie mit Takeshi zusammen kommt :D aber sessi bleibt trotzdem heiß :P
Von:  love-tsundere
2014-03-06T20:36:32+00:00 06.03.2014 21:36
Hammer geile Story. Den ersten Teil habe ich auch schon gelesen und fand ihn einfach nur super. Du hast echt Talent zum schreiben und ich bin so froh, dass es eine Vorsetzung gab. Danke, Danke, Danke. Kimie finde ich super und die Anderen sind dir auch voll gut gelungen.

Lg, love-tsundere
Von:  Swee
2014-01-27T19:10:01+00:00 27.01.2014 20:10
Jaaaaa, Oyakata-sama!

das ist ne voll schöne idee von dir ihn vorkommen zu lassen.
Von:  Swee
2014-01-27T10:22:04+00:00 27.01.2014 11:22
Das Toya tot ist...

Ich könnte heulen und tu es auch Miyuki und Ashitaka tun mir ehrlich leid.


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