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Einzelposting: Logik und Ideen


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Von:    murx 01.03.2012 14:33
Betreff: Logik und Ideen [Antworten]
Dies ist eine ausgelagerte Diskussion aus diesem Thread

Studl
>Anders gesagt, meines Verständnis nach enthalten die 'erweiterten'
>logischen Systeme widerspruchsfrei die vorangegangenen Systeme.
>Ganz so, wie die Algebra der rationalen Zahlen ebenfalls die der
>natürlichen widerspruchsfrei enthält und selber im System der
>imaginären Zahlen enthält ist.

Wie Gödel zeigte, sind die alle hinreichend mächtigen
formalen Systeme dergestalt, dass sie Widersprüche zulassen.
Bedeutet beispielsweise du kannst innerhalb eines
Systems (zum Beispiel der Zahlentheorie) einen Satz ableiten,
nennen wir ihn 'x'. Er steht mit allen anderen Sätzen des
Systems im Einklang, widerspricht also keinem. Allerdings
kannst du auch die Verneinung des Satzes ableiten, also 'nicht x'.
Auch dieser ist mit den anderen Sätzen im Einklang, aber
natürlich stehen 'x' und 'nicht x' im Widerspruch. Es ist
innerhalb des Systemes dann unentscheidbar, welcher stimmt.

Das System ist 'unvollständig', weil es die Ableitung von Sätzen
erlaubt, die sich widersprechen und keine Entscheidung möglich
ist.

Es gibt bereits Beispiele für solche Fälle - so kann der Zermelo-
Fraenkel-Mengenlehre ein Satz, das 'Auswahlaxiom' hinzugefügt werden.
Das System bleibt dann weiterhin widerspruchsfrei und kann
angewandt werden (und wird ZFC, C für Choice, genannt). Allerdings
kannst du auch die Verneinung des Auswahlaxioms zur ZF dazu
nehmen, auch dann bleibt sie widerspruchsfrei. Es ist nicht
entscheidbar, ob ZF mit oder ohne Auswahlaxiomnun richtig
oder falsch ist. In allen formalen Systemen lassen sich solche Beispiele bilden (nur
hat das ZFC bekannte Implikationen, zum Beispiel das Paradox
von Banach und Tarski...)

Überhaupt (und das hat mit dem vorigen jetzt nicht direkt
zu tun) finde ich es immer furchtbar überholt, wenn Leute
noch klassische Logik benutzen, wo doch deren Grundlagen,
wie beispielsweise der 'Satz vom ausgeschlossenen Dritten'
bereits experimentell (seit 100 Jahren!) widerlegt sind...

murx
@Studl
Ich danke für dieses wunderbare Hirnfutter.

Zuerst allerdings befürchte ich, du hast mich ein bisschen missverstanden.
Was ich meinte war, das wenn ich z.B. die Predikaten oder Aussagelogik in einem komplexeren Logiksystem darstelle dann keine Widersprüche zwischen den Aussagen des einfachen und des komplexen sind.
In dem Moment aber wo ich nur noch Sätze beachte, die in beiden Systemen betrachtet werden können - dann fehlt es aber dem betrachteten Teil an ausreichender Mächtigkeit um Gödel anzuwenden (vgl. Gödels Vollständigkeitssatz).

Das zweite Missverständnis ist, das ich weder behauptet habe, das betrachtete Logiksysteme 'absolut' widerspruchsfrei oder vollständig sind. Auch nicht das sich dies für einfache Systeme beweisen liesse noch das sich durch diese dann die komplexeren 'beweisen' liessen.
Tatsächlich bin ich bisher immer davon ausgegangen, das Logiksysteme auf Axiomen basieren, die 'gesetzt' sind, deren Wahrheitsgehalt nicht überprüfbar ist. Auch nicht aus dem System selbst heraus.

Für den 'Alltagsgebrauch' möchte ich allerdings auf folgendes Zitat hinweisen:

„Die Tatsache, dass ZFC seit Jahrzehnten untersucht und in der Mathematik benutzt wird, ohne dass sich ein Widerspruch gezeigt hat, spricht aber für die Widerspruchsfreiheit von ZFC.“

– Ebbinghaus u.a., Kap.VII, §4



Desweiteren, Gödels Unvollständigkeitssatz ist kompliziert - zugegeben nach langer 'mathematikfreier' Pause versteh ich die allgemeine Beweisfolge kaum, am Beispiel des Berry-Paradoxon jedoch durchaus.

Ich habe aber den begründeten Verdacht, das es sich um ein Scheinparadoxon handelt, da eine unzulässige Annahme gemacht wird.
Nämlich die Annahme, das ein System quantitativer Logik Aussagen über qualitative Sätze machen kann.
Der Beweis geht mMn. auch schnell:

1+1 = 2
ist quantitativ wahr
aber qualitativ falsch
denn es sind:
3 Identitäten = 1 Identität
(und selbst wenn man gleiche Identitäten nur einmal zählt, dann ist 1+3 = 4 quantitativ wahr und qualitativ falsch)

Aus Falschem folgt Beliebiges, daher nicht entscheidbar.
Und genau das ist, was 'beobachtet' wird.


(Nebenbei angemerkt eine interessante Assoziation:
Es ist „unmöglich, zugleich dessen Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit zu beweisen“
Dies erinnert mich an die Heisenbergsche Unschärferelation.
Insbesondere angesichts (Gödel) "beweisen die Grenzen formalistischen Denkens und die Grenzen unseres Erkenntnisvermögens" und zeigen eine „absolute Grenze“ der formalen Logik".
Im Vergleich dazu "Die Unschärferelation ist nicht die Folge von Unzulänglichkeiten eines entsprechenden Messvorgangs, sondern prinzipieller Natur.")


Zum ZFC und dem PnBT - Logiksysteme sind Theorien, die mehr oder weniger zuverlässig die Realität abzubilden versuchen. Da das PnBT im ZFC möglich ist heisst das nur, das das ZFC als Theorie die Realität nicht vollständig abbildet.
Angenommen die Planck-Länge 'existiert' dann ist sofort ersichtlich, das Volumen aus einer endlichen Punktmenge beschrieben werden muss - und PnBT nicht mehr möglich ist.

(Hierzu - vereinfacht, nicht alles was denkbar ist, ist real, die interessantere Frage ist, ist alles was real ist denkbar.)


Zuletzt zur 'furchtbaren' klassischen Logik, diese harsche Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Zum einen gehört das Verstehen der klassischen Logik mMn. zum Basisverständnis der nicht-klassischen oder erweiterten Logiksysteme und wird üblicherweise auch heute noch in Vorlesungen an Universitäten vermittelt/behandelt. (Krabbeln bevor man laufen kann?)
Der Bezug zum ausgeschlossenen Dritten entzieht sich mir. Ebenso das Experiment (hab ausgiebig gesucht aber nicht gefunden). Falls du dich damit auf Logiksysteme beziehst, die diesen Satz nicht als Axiom benötigen (oder auch ganz ablehnen, er Widersprüche im System erzeugen würde), dann denke ich hat sich die Frage allerdings erledigt.

Bezieht sich das 'Furchtbare' der klassischen Logik auf die Implikationen für soziales Verhalten oder sind sie nur auf die Mathematik bezogen?


Studl
Hmmm...

Ich bin nicht sicher, ob wir uns genau verstehen...
Ich schrieb ja ebenfalls, dass ZFC zu keinem Widerspruch
führt, bloss dass eben auch die Negation davon zu keinem
Widerspruch führt. Du kannst also nicht entscheiden,
ob das Auswahlaxiom falsch oder richtig ist. Damit ist dein
System zumindest unvollständig - denn sonst würde ich erwarten,
dass du alle richtigen, aber keine falschen Sätze ableiten kannst.

Den Satz:

„Die Tatsache, dass ZFC seit Jahrzehnten untersucht und in der
Mathematik benutzt wird, ohne dass sich ein Widerspruch gezeigt
hat, spricht aber für die Widerspruchsfreiheit von ZFC.“

möchte ich einfach mal spasshalber ersetzen durch:

"Die Tatsache, dass die klassische Mechanik seit Jahrhunderten
angewandt wird und noch kein Experiment sie als fehlerhaft
beweisen konnte, spricht für die Richtigkeit derselben."

Ich denke, bloss weil etwas eine zeitlang funktionierte,
muss es noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein...


Deine 1+1=2 Überlegung finde ich interessant...
Immerhin würden viele Quantenmechaniker sagen, dass
die Gleichsetzung (wie du sagst qualitativ) falsch ist
und sich das Gleichzeichen als Interpretation eines
"bestehen aus" verbietet. Du lehnst also, soweit ich
dir folgen kann, diese Interpretation des Symboles "="
ab: Die Zahl 2 besteht aus den Zahlen Eins und Eins.
Oder habe ich deinen Einwand falsch verstanden? Denn
genau dann finde ich, ist er kein Pseudoproblem mehr,
sondern ein interpretatorisches - so wie doch eigentlich
alle Mathematik... ^__^

Ich bin mir nicht sicher, ob die Unschärfe- (oder sagen
wird doch lieber: Unbestimmtheits-)Relation mit dem
Gödelschen Unvollständigkeitsprinzip viel gemein hat,
aber ich will das nicht ausschliessen.

Ich glaube auch nicht, dass das PnBT ein Problem der
Physik ist (in einigen Papern dazu wird auch explizit
auf diesen Umstand hingewiesen), sondern der Mathematik.
Diese geht ja nicht von einem atomistisch-diskreten Aufbau
ihrer Körper aus (anders als die moderne Naturwissenschaft),
daher ist das PnBT ein echtes Paradox in der Mathematik.
In der Physik wird man sich natürlich leidlich schwer tun,
aus einer Kugel zwei (oder unendlich viele) gleich große zu
machen.

Und der Satz des ausgeschlossenen Dritten ist doch mit der
elementarsten Quantenmechanik widerlegt...

Laut TND ist ein Elektron entweder im Zustand Spin-up oder im
Zustand Nicht-Spin-up (also Spin-down). Bereits bei einfachster
QM gibt es aber Systeme, die sowohl in einem Zustand, als
auch gleichzeitig nicht in diesem Zustand vorliegen...
Damit ist doch das TND in jeder Anwendung auf die reale
Welt gefallen (außer natürlich als äußerst hilfreiche und
sinnvolle Näherung!).

Schön, dass hier mal wieder über Dinge diskutiert wird!

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