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Snowdrops and Chocolate

Die Fortsetzung des gleichnamigen Doujinshi
von

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Die Miss auf der Brücke

Die Miss auf der Brücke
 

Es war tiefdunkle Nacht geworden. Wo beim Café noch Laternen und beleuchtete Häuser etwas Licht gespendet hatten, herrschte jetzt absolute Dunkelheit. Zwei der insgesamt fünf Straßenlaternen, die am Rand des schmalen Waldwegs standen, waren defekt. Schon seit mehreren Wochen, vielleicht sogar Monaten. Da der Weg nachts so gut wie nie benutzt wurde, kümmerte das niemanden.

Vor vielen Jahren war hier eine junge Frau einem Verbrechen zum Opfer gefallen. In einer Neumondnacht wurde sie von mehreren Männern überfallen, die ihr irgendwo im Wald aufgelauert hatten. Ein sehr tragischer Fall, von dem lange Zeit alle Medien beherrscht worden waren. Seit damals ermahnten alle Eltern ihre Kinder, sich von diesem Waldweg fernzuhalten, vor allem wenn es dunkel wurde. Wahrscheinlich folgten auch die Herren von der Stadtverwaltung noch heute diesem Rat und konnten so niemals sehen, dass die Laternen im Dunkeln nicht brannten.
 

Sogar Ryu hatte immer wieder von seiner Mutter gehört, dass er sich lieber einen anderen Weg suchen sollte. Aber das interessierte ihn heute nicht mehr als damals. Und so folgte er mit selbstbewussten Schritten dem Waldweg, dem kürzesten Weg zum Ratsgebäude, Sleipnir an seiner Seite. Vielleicht war die schaurig-düstere Atmosphäre, die dem Waldstück anhaftete, sogar genau die richtige Einstimmung auf das folgende Abenteuer.

Ryu wusste nicht wirklich, was ihn in dieser Nach noch erwarten würde. Meister Adoy hatte am Telefon nicht viel erzählt. Vermutlich war er wütend gewesen, weil er eigentlich Lan für den Auftrag haben wollte und Ryu sich quergestellt hatte. Aber Ryu hatte oft genug miterlebt, wie Lan Konzerte, Jobs oder Shows abbrechen musste. Außerdem waren Aufgaben für Lan meistens auch Aufgaben, die Ryu an seiner Stelle übernehmen konnte. Ein Esel war zwar kein Pferd, aber diesem zumindest einigermaßen ähnlich.
 

Ryami Hisui würde vor dem Ratsgebäude auf ihn warten und ihm die Details erklären, hatte Meister Adoy gesagt. Es würde wohl keine außergewöhnliche oder besonders schwierige Mission werden.

Dafür sprach, dass Meister Adoy relativ schnell mit Ryu als Vertretung einverstanden gewesen war. Dagegen allerdings, dass er Zalei des vierten und dritten Ranges schicken wollte. Das wies normalerweise auf eine doch recht anspruchsvolle Aufgabe hin.

Aber Ryu würde ja ohnehin gleich erfahren worum es ging.
 

„Guten Abend, Fuyutaka-san!“ begrüßte ihn die junge Frau, die unter dem Efeu bewachsenen Torbogen wartete. Sie trug Jeans und ein schlichtes T-Shirt. Aber ihre Haare warten kunstvoll hochgesteckt und ihr Gesicht wies noch Rückstände des starken Make-ups auf, das Ryami bei der Arbeit trug. Offensichtlich hatte Meister Adoy auch ihr nicht viel Zeit gelassen.

„Guten Abend.“

Mit einer Mischung aus Schnurren und Miauen wünschte auch Ryamis Carn einen schönen Abend. Aurora saß auf der halbhohen Mauer vor dem Tor. Dort war sie mit ihrem schwarzen Fell fast unsichtbar, hätten ihre Katzenaugen nicht im Mondlicht geleuchtet.

„Ich bin überrascht. Eigentlich hatte ich mit Lan gerechnet.“

„Er hat einen Auftritt.“

„Du hast ihm nicht gesagt, dass der Meister angerufen hat, oder? Macht nichts. Für solche Aufträge bist du mir sowieso lieber.“ lächelte Ryami.

„Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Worum geht´s denn?“
 

Ryami erzählte Ryu unterwegs von Meister Adoys Auftrag. Sie verließen das Ratsgebäude auf demselben Weg, auf dem Ryu gekommen war. Durch den dunklen Wald, begleitet von unheimlichem Rascheln links und rechts neben ihnen und von Schreien, die sie nur schwer verschiedenen Tieren zuordnen konnten. Als sie den Waldweg verlassen hatten und in die breitere Staatsstraße an dessen Ende einbogen, waren die Tierlaute fast vollkommen verstummt. Der Rat hatte sich seinen Sitz fern der eigentlichen Stadt nicht grundlos ausgesucht. Mancher Mensch konnte sich wohl durch das Heulen von Wölfen und den Gesang exotischer Vögel etwas in seiner Nachtruhe gestört fühlen. Nicht wenige Zalei waren schon mehrmals wegen nächtlicher Ruhestörung angezeigt worden oder hatten Besuch von der Polizei bekommen.
 

Meister Adoys Aufgabe für diese Nacht klang recht einfach.

Eine Frau, die er schlicht „Miss“ nannte, würde sich an der Ludwig-Brücke mit jemandem treffen, der ihr Informationen überbringen würde. Miss hatte kinnlanges, dunkel gelocktes Haar und würde vermutlich einen Mantel tragen. Sie würde um halb zwei Uhr nachts allein auf der Brücke warten. Über ihren Boten hatte Ryami keine Angaben. Die Informationen, die er hatte, sollten aber anscheinend die Zalei betreffen. Das hatte Meister Adoy zumindest auf Ryamis Nachfrage versichert.

Der Auftrag bestand nun darin, das Gespräch unbemerkt zu belauschen und umgehend zum Rat zurückzukehren, sobald die beiden Personen sich getrennt hatten. Dort sollten sie Meister Adoy einen ausführlichen Bericht übergeben, der ihn wiederum seinem Auftraggeber übergeben würde. Bei letzterem handelte es sich anscheinend um ein Stadtratsmitglied. Genau erfuhr das niemand.
 

Die Ludwig-Brücke führte über die Autobahn etwa zwei Kilometer außerhalb der Stadt. Von der Staatsstraße aus musste man nur dreimal abbiegen und dann immer der Nase nach. Zu Fuß ein ordentlicher Marsch, definitiv nicht geeignet als ruhiger Abendspaziergang. Jetzt wusste Ryu jedenfalls warum Lan mitkommen sollte. Auf einem Pferd hätte man zu zweit wesentlich angenehmer reiten können als auf einem Esel.

Ryu überließ Ryami und Aurora den Platz auf Sleipnirs Rücken und legte selbst den größten Teil des Wegs zu Fuß zurück. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass Sleipnir seine Kraft noch für etwas anderes brauchen würde. So einfach anmutende Missionen endeten für gewöhnlich immer in einer rasanten Verfolgung.
 

Als sie die Brücke erreichten, war diese noch leer. Keine Menschenseele in der näheren Umgebung zu sehen. Das war etwa um ein Uhr.

Etwa fünfhundert Meter hinter der Brücke waren eine Reihe von Parkbuchten. Hinter den vorderen beiden stand ein kleiner Kiosk, hinter den anderen ein kleines Waldstück. Ein ideales Versteck. Ryu führte seinen Carn durch einen schmalen Wiesenstreifen in das dunkelgrüne Dickicht. Der Esel schnaubte etwas missmutig, legte sich dann aber brav hin und verschmolz mit der Dunkelheit.

Ryu selbst setzte sich direkt auf den Gehweg und lehnte sich gegen eine Laterne. Ein perfektes Bild, da er ohnehin noch immer seinen schwarzen Mantel und die Silberkette mit dem Kreuzanhänger trug. Noch eine leere Bierflasche, wie man sie haufenweise an einem Kiosk fand, daneben und er wirkte wie ein Partygänger, der den Heimweg nicht mehr geschafft hatte. Nichts, was einer Miss verdächtig vorkommen musste.

Ryami kniete sich neben ihn.

„Ryu? Erinnere mich doch bitte kurz. Warum machen wir diesen Unsinn nochmal?“

Ryu hob die Schultern und grinste zynisch. „Wir sind jung und brauchen das Geld?“

„Das muss es sein.“ Lachte sie leise.

Viertel nach eins. Ryami setzte sich nun ebenfalls und legte sich in Ryus Arm. Ganz klar: ein Pärchen, das gerade von einer Party gekommen und sturzbetrunken am Straßenrand eingenickt war. Offensichtlich.

Weniger offensichtlich war, dass Ryami in Auroras Körper schon fast die Ludwig-Brücke erreicht hatte.
 

Die Miss war überpünktlich. Ryami erkannte schon aus etwa hundert Meter Entfernung die dunkle Silhouette, die am höchsten Punkt der Brücke stand. Noch war sie allein. Sie stand direkt vor der Brüstung und starrte auf die Autobahn, die nach Norden führte.

Vorsichtig, trotz ihrer perfekten Tarnung, wagte sich Ryami Stück für Stück vor. Mit katzenhafter Geschmeidigkeit balancierte sie auf dem Stück hinter der Brüstung auf der Südseite der Brücke. Gerade in guter Sicht- und Hörweite von der Miss entfernt setzte sie sich und verbarg sich hinter einer der Säulen, die die Brüstung trugen.

Nicht ein einziges Mal sah sich die Miss um. Sie schien überhaupt keine Angst zu haben vor eventuellen Spionen oder Angreifern. Immerhin war es für eine Frau auch unter normalen Umständen nicht ganz ungefährlich, mitten in der Nacht allein an einer Autobahnbrücke zu warten. Doch ihre ganze Körperhaltung strahlte Selbstbewusstsein aus. Sie stand kerzengerade, das Kinn etwas angehoben, den Blick in die Ferne gerichtet. Die Hände hatte sie in die Taschen ihres dunklen Trenchcoats gesteckt. Der nächtliche Wind spielte in ihren Locken, blies sie mal in ihr Gesicht und warf sie gleich darauf wieder auf ihren Hinterkopf.

Halb zwei. Noch immer war die Miss allein und starrte in die Weite. Von ihrer Verabredung keine Spur. Doch das schien sie nicht zu stören. Sie warf nicht einmal einen Blick auf die Uhr.

Dreiviertel. Noch immer nichts.
 

Erst um zwei näherte sich mit schnellen Schritten eine Gestalt. Ein junger Mann in Jeans, Sportjacke und mit Baseballcap. Er war wohl schon ein ganzes Stück gerannt. Als er die Miss erreichte, beugte er sich zuerst vornüber und rang nach Luft.

Die Miss drehte sich währenddessen ganz langsam zu ihm um. Fast als sei jede ihrer Bewegungen zu edel, um sie jemandem wie ihm zu zeigen. Sie strahlte eine unbeschreibliche Würde aus, als sie mit kühler und ganz ungerührter Stimme feststellte: „Du bist zu spät.“.

„Ich weiß... Es tut mir Leid, dass Sie warten mussten... Ich bin aufgehalten worden.“ Keuchte er.

Ryami konnte sein Gesicht nicht erkennen. Die nächste Laterne auf der Brücke warf nur Licht auf das Gesicht der Miss. Die schien jedoch aus ihrer Identität kein Geheimnis machen zu wollen. Sie versuchte nicht einmal, ihr Gesicht zu verstecken. Allerdings kam Ryami dieses auch nicht bekannt vor.

Der Bote dagegen hatte sein Cap tief ins Gesicht gezogen und den Kragen seiner Jacke aufgestellt. Ryami kannte seine Stimme, auch wenn sie jetzt nicht sagen konnte woher. Aber von seinem Gesicht sah sie überhaupt nichts. Das Stück, das nicht von Kleidung verdeckt war, verhüllte die Nacht. Das einzige, was sie erkennen konnte, waren seine hell- bis mittelbraunen Haarsträhnen, die unordentlich über den Kragen seiner Jacke fielen.

So sehr Ryami ihre Katzenaugen auch anstrengte, sie konnte nicht erkennen wer der junge Mann war. Dabei hätte sich sein Name in ihrem Bericht zweifellos sehr gut gemacht. Meister Adoy würde sicher enttäuscht sein.

„Hast du denn eine Antwort für mich?“ fragte die Miss genauso ruhig wie eben.

„Natürlich. Ich soll Ihnen das hier geben...“ der junge Mann zog einen Umschlag aus der Tasche an der Innenseite seiner Jacke und hielt ihn der Miss hin. Die Frau senkte den Blick auf das Papier, ohne eine Miene zu verziehen. Hatte sie das erwartet? War sie überrascht? Wütend? Erfreut?

Keine Ahnung. Ihr Gesicht war völlig ausdruckslos.
 

Ryami war jedenfalls überhaupt nicht erfreut. Das würde der sinnloseste Bericht aller Zeiten werden. Keine Namen und jetzt auch noch keine Botschaften. Meister Adoy hatte sie ermahnt, auf jeden Fall unerkannt zurückzukommen. Unentdeckt zu bleiben war diesmal wichtiger als die Botschaft zu bekommen. Also nichts riskieren. Den Umschlag würde sie sicher nicht bekommen.

Ryami seufzte leise und klappte ihre Katzenohren enttäuscht nach hinten.
 

„... Und ich soll Ihnen etwas ausrichten.“

Jetzt spitzte Ryami ihre Katzenohren wieder. Ihr Blick haftete fest an der Stelle des Jackenkragens, hinter der sie den Mund des jungen Mannes vermutete.

„Was hat er gesagt?“ fragte die Miss unterkühlt.

„Er dankt Ihnen für die Kooperation. Sie können sich auf seine Hilfe und seine Verschwiegenheit verlassen. Mit Ihrer Vergütung ist er einverstanden. Näheres schildert er Ihnen in diesem Schreiben.“

Die Miss nickte, noch immer scheinbar völlig emotionslos. Langsam zog sie ihre Rechte aus der Manteltasche, nahm den Brief an sich und schob ihre Hand sofort mit dem ungelesenen Brief in die Tasche zurück.

Schweigen. Das war also die unspektakulärste Übergabe einer Geheimbotschaft, die sich Ryami vorstellen konnte. Die Miss und der Bote standen sich noch gegenüber und starrten einander einen Moment an.

Dann ergriff der junge Mann wieder das Wort.
 

„Da hinten sind zwei Betrunkene. Aber sonst hab ich niemanden gesehen. Ich weiß nicht, ob wir unbeobachtet sind oder...“

„Das ist mir egal.“ erwiderte die Miss kalt. Und Ryami, die plötzlich wie elektrisiert hochgeschreckt war, sank wieder auf ihren Katzenhintern zurück. So ein Schreck!

„Ich habe meine Antwort, dein Herr hat mein Wort. Damit steht unser Deal. Was darüber hinausgeht, geht mich nichts an.“

Der junge Mann sah aus wie vor den Kopf gestoßen. Doch die Miss wandte sich zum Gehen. Über die Schulter bat sie den jungen Mann noch, seinem Herrn einen Gruß auszurichten. Er nickte stumm.

Dann verschwand die Miss in die Richtung, die noch weiter aus der Stadt führte. Der junge Mann blieb noch eine Weile wie versteinert stehen. Doch dann kehrte er auch um und ging zurück in die Stadt, aus der er gekommen war. Ryami duckte sich unwillkürlich, als er an ihr vorbeitrat.
 

„Was für eine unspektakuläre Mission!“ dachte sie. Und genau das sagte sie wieder und wieder, während sie mit Ryu zusammen zum Ratsgebäude zurückkehrte.

„Keine Botschaft, keine Namen, keine Gesichter... Wir sind nicht einmal entdeckt worden! Keine Flucht, keine Schießerei... Was für eine Zeitverschwendung!“

Ryu lachte von Zeit zu Zeit kurz auf, wenn Ryamis Wut ihren nächsten Höhepunkt erreichte.

„Du hast gut Lachen! Du konntest ja ein gemütliches Nickerchen machen, während ich völlig umsonst gelauscht hab.“

Das stimmte natürlich nicht. Ryu hatte zwischen Kieselsteinen, Ameisenkolonie und Glasscherben kein Auge zumachen können. Und zu allem Überfluss war dann auch noch eine Polizeistreife vorbeigekommen. Ziemlich anstrengend, die beiden eifrigen Beamten wieder loszuwerden. Aber er hatte sie in weniger als einer dreiviertel Stunde von ‚Wir bringen euch in die Ausnüchterungszelle‘ über ‚ Wir fahren euch nach Hause und wollen mit euren Eltern sprechen‘ bis ‚Ach so! Dann nehmt euch nächstesmal lieber ein Taxi, wenn kein Bus mehr fährt‘ gebracht.

„Wie langweilig... Jetzt bin ich erst so richtig müde... Mit Lan hätte das mehr Spaß gemacht. Der hätte sicher versucht, den Brief zu bekommen, wetten?“

„Bestimmt. Gut, dass er nicht dabei war.“

Noch bevor Ryu diesen Satz beendet hatte, kam ihm ein Gedanke. Ein Gedanke, den er nicht wagte, laut auszusprechen. Wäre genau das Meister Adoys Absicht gewesen? Wollte er deshalb unbedingt Lan schicken?
 

Ryami schrieb ihren Bericht. Immerhin eine halbe DIN A4-Seite Text ohne brauchbaren Inhalt, Ryu ergänzte eine Zeile über den spannenden Heimweg. Dann unterschrieben beide und übergaben das Werk etwa gegen vier Uhr Meister Adoy.

Der Meister saß wie fast zu jeder Tages- oder Nachtzeit im runden Sitzungssaal des Zaleirates. Schnappi lag schlafend wie ein Stein auf seinem Schoß. Ryami und Ryu standen in der Mitte des kreisrunden Saals, während der Meister den Bericht las.

Ryami gähnte laut, streckte sich und tippte unruhig mit dem Fuß auf dem Boden. Ryu starrte aus einem der großen Fenster.

Meister Adoy las den Bericht einmal, zweimal. Dann gab er ein langgezogenes „Hmh...“ von sich.

„Das sehr wenig Informationen sind. Aber gut. Dass ihr unentdeckt bleibt wichtiger ist, habe ich gesagt.“

Er legte das Blatt zur Seite. Dass er nicht sehr zufrieden war, war offensichtlich. Aber unzufrieden schien er auch nicht direkt. Eher so, als hatte er mit diesem Ergebnis gerechnet.

Einen Moment legte sich Stille über den Saal. Meister Adoy strich langsam über Schnappis Panzer. Er schien nachzudenken. Ryus Aufmerksamkeit galt nun nicht mehr dem Fenster, sondern dem Meister.
 

Doch zur Enttäuschung aller Anwesenden, war das Ergebnis seines Denkprozesses nur „Seinen Bericht bekommt unser Auftraggeber, wie vereinbart. Ihr scheint müde. Ins Bett ihr jetzt gehen solltet. Wir treffen uns bald wieder.“
 

Ryami und Ryu wünschten Meister Adoy eine gute Nacht und verließen den Sitzungssaal. Außerhalb des Saals waren im ganzen Gebäude die Lichter gelöscht. Nur ein paar kleine Lampen in den Gängen spendeten schwaches Licht. Normalerweise wurde auch das nachts nicht benötigt, denn das Gebäude sollte leer sein. Nur Meister Adoy befand sich Tag und Nacht im Ratsgebäude.

Ryami sehnte sich schon nach ihrem Zuhause und ihrem weichen Bett. Sie konnte ihr Gähnen kaum für ein paar Minuten unterdrücken. Kein Wunder, denn sie hatte schon um acht Uhr morgens angefangen zu arbeiten, um eine erkrankte Kollegin zu vertreten.

Sie traten gerade die breite Treppe hinunter, die vom ersten Stock in die Eingangshalle führte. Nachdem sie etwa ein Viertel der Stufen hinter sich gelassen hatten, gab das Mauerwerk den Blick auf die Halle und das Eingangstor frei.

Überraschung! Ryami und Ryu waren doch nicht allein. In der Eingangshalle, direkt vor dem schweren Tor hatte sich Lan gegen die Wand gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt. Er schien auf die beiden zu warten.

„Was treibst du denn hier?“ rief Ryami durch die ganze Halle.

„Ich bin auch Ratsmitglied, Frau Kollegin! Ich darf hier sein.“ lachte er.

„Aber auch Ratsmitglieder sollen gerüchteweise noch ein zu Hause haben.“

Ryami und Ryu hatten die Treppe hinter sich gelassen, die Halle durchquert und standen jetzt fast bei Lan.

„Ach, ich war neugierig... Ryu! Wieso hast du mir nicht gesagt, dass Adoy einen Auftrag hatte?!“ Lan schien böse.

„Weil du ein Konzert hattest.“ Erwiderte Ryu ganz ruhig. „Und der Auftrag war so leicht, dass ich ihn auch für dich erledigen konnte.“

Ryami nickte zustimmend.

„Pft! So wie ich das sehe, habt ihr den Auftrag aber nicht erledigt. Oder kennt ihr die Botschaft? Wirklich dumm, dass ich erst so spät davon erfahren habe.“

„Das bringt uns zur nächsten Frage. Woher weißt du von dem Auftrag, seinem Inhalt und dem Ergebnis?“ wunderte sich Ryu, konnte sich die Antwort aber eigentlich schon denken. Lan grinste frech.

„Ich bin eben nicht auf den Kopf gefallen.“
 

Lan wandte sich zum Eingangstor um und verließ das Ratsgebäude. Ryami und Ryu sahen einander kurz an und folgten ihm dann. Sleipnir und Onyx, die beiden Carn warteten geduldig auf dem Vorplatz. Nachdem sie auch die Gartenanlagen und das efeubewachsene Tor in der Grundstücksmauer passiert hatten, blieben sie stehen.

„Ich hol mir den Brief.“ bemerkte Lan ganz beiläufig. Er hatte sich schon Onyx´ Zügel gegriffen und wollte losmarschieren. Doch Ryu hielt ihn auf.

„Lan! Unser Auftrag war vor allem, unbemerkt zu bleiben. Du kannst den Brief nicht holen, ohne die Miss merken zu lassen, dass irgendwas nicht stimmt. Spätestens wenn der Brief weg ist, wird sie misstrauisch werden.“

„Wetten?“

„Das ist kein Spiel!“

„Doch, ist es! Und ich hab noch ein paar Züge nachzuholen.“

Ryu atmete laut aus. Ebenso wie es sinnlos war, mit ihm Rededuelle zu führen, war es völlig aussichtslos, Lan von einer seiner Ideen abzubringen. Alles, was er hier noch betreiben konnte, war Schadensbegrenzung. Er konnte nur noch aufpassen, dass Lan unterwegs nichts passierte. Aufhalten konnte er ihn nicht.

„Ryami. Du solltest nach Hause gehen. Du bist müde und deine Schwester macht sich sicher Sorgen, wenn du so lange weg bist. Ich gehe mit Lan.“

Ryami nickte dankbar. Sie war jetzt seit fast 20 Stunden auf den Beinen, noch dazu in einem Beruf tätig, der körperlich sehr anstrengend war.
 

Diesen Plan setzten die drei in die Tat um. Ryami verabschiedete sich, wünschte den Jungs viel Erfolg und kehrte nach Hause zurück.

Lan und Ryu machten sich auf den Weg. Erst durch den Wald in die Stadt, dann der Bundesstraße entlang in Richtung Ludwig-Brücke. Ryu hatte keine Ahnung, was Lan vorhatte. Aber der schien ganz genau zu wissen, wohin er ging.

Unterwegs zündete sich Lan eine Zigarette an und erklärte Ryu wie er von dem Auftrag erfahren hatte. Nach dem Konzert hatte die Band geholfen, den Saal aufzuräumen. Eigentlich hatten sie zuerst nur ihre Instrumente abgebaut und sie im Transporter von Shin, dem Schlagzeuger, verstaut. Danach wollten Lan und Jake, der Bassist, sich sofort aus dem Staub machen und nach Hause fahren. Aber der super gewissenhafte Shin hatte sie zurückgepfiffen und sie zum Aufräumen verdonnert. So war das. Wenn Shin sich unbedingt etwas einbildete, was Gott sei Dank nicht allzu oft vorkam, war weder lauter noch stummer Protest hilfreich. Sogar Lan hatte sich nach einer halben Stunde geschlagen geben müssen und (mehr oder weniger) brav Tische getragen. Jake hatte Shins Schimpftiraden ignoriert und war einfach gegangen, was sicher noch ein Nachspiel haben würde. Nur Miyuki, so was wie eine kleine Schwester für Shin, auf die er immer gut aufpasste, war von der Arbeit stillschweigend bereit gewesen.

Jedenfalls war natürlich auch Ryamis jüngere Schwester Taki noch da gewesen und hatte gearbeitet. Lan hatte sich etwas mit ihr unterhalten, auch über Ryami. Und dann hatte Taki gesagt, sie habe Angst um ihre Schwester, weil die gerade irgendwas für Adoy erledigen musste. So hatte Lan von dem Auftrag erfahren.

Dass es um eine Botschaft an die Miss ging und die Beauftragten den Brief nicht bekommen hatten, hatte er durch seine üblichen Methoden herausgefunden. An dieser stelle fragte Ryu nicht weiter nach. Lans ‚übliche Methoden‘ kannte er zu Genüge. Wahrscheinlich würde er auch versuchen, den Inhalt des Briefs auf diese Weise zu erfahren.
 

„Wir könnten Pierre fragen, ob er mitkommt.“ Überlegte Lan. „Antoinette wäre super als Spion.“

„Theoretisch. Aber erstens wird Pierre nicht mitkommen, wenn kein offizieller Auftrag von Meister Adoy vorliegt. Zweitens wird er nicht mitkommen, wenn du dabei bist... Und drittens wird er sauer, wenn du seinen Schönheitsschlaf störst.“

„Der soll sich nicht immer so haben. Vorschriften sind da, um gebrochen zu werden. Außerdem... Ich hab kein Problem damit, dass er mich nicht mag. Aber dass er deswegen jede Art von Zusammenarbeit ablehnt, ist auf Dauer ganz schön anstrengend.“
 

Gerade hatten Ryu und Lan den Kiosk hinter sich gelassen, bei dem Ryu auf Ryami gewartet hatte. Jetzt gingen sie genau auf die Ludwig-Brücke zu. Bis auf ein paar Autos, die sie hin und wieder überfuhren, war die Brücke noch immer ganz leer. Die Miss war, natürlich, schon seit Stunden weg. Ryu hatte nicht die geringste Ahnung, warum Lan ausgerechnet hierher kam.

Aber die Frage musste er gleich zurückziehen. Lan wollte gar nicht auf der Brücke nach ersten Anhaltspunkten suchen. Er bemerkte nur, dass diese Brücke ein recht merkwürdiger Treffpunkt für heimliche Treffen war. Immerhin war sie von allen Seiten gut einsehbar. Dabei überquerte er sie ohne stehen zu bleiben.
 

Auch hinter der Brücke folgten Lan und Ryu weiter der Bundesstraße. Noch etwa einen halben Kilometer bis zur Stadtgrenze. Die Wohnhäuser nahmen schon jetzt immer weiter ab. Stattdessen erstreckten sich rechts neben der Straße große Wiesenflächen und kleine Wälder. Der Himmel hatte sein nächtliches Schwarz bereits gegen ein blasses Dunkelblau getauscht. Und im Osten lugten schon die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont.

„Nur um mal gefragt zu haben... Wo gehen wir eigentlich hin?“

Lan grinste und steckte sich seine zweite Zigarette in den Mund. „Ins Gewerbegebiet. Dort sollten wir die Miss antreffen.“

„Woher weißt du das schon wieder?“

„Tja... Ich bin eben schlau.“
 

Das Gewerbegebiet lag etwa drei Kilometer außerhalb der Stadt. Zwei Kreuzungen hinter der Autobahnauffahrt.

Vor etwa fünf Jahren hatte die Stadt begonnen, mehrere hohe Bürogebäude zu errichten und auf weiten Freiflächen ein paar große Unternehmen anzusiedeln. Was sich dort genau befand, wusste Ryu gar nicht. Ein Zulieferer für Autoteile hatte dort einen Betrieb eröffnet, das wusste er aus den Zeitungen. Der Betrieb hatte einige Startschwierigkeiten gehabt. Aber von den anderen ansässigen Gewerben hörte man so gut wie nie etwas. Es hatte vor drei oder vier Jahren auch Verhandlungen der Stadtverwaltung mit einem Forschungsinstitut für Psychologie und Medizin gegeben. Viele Bürger hatten ihre Bedenken bezüglich Versuchen mit Menschen und Tieren geäußert. Aber wie die Verhandlungen ausgegangen waren, hatten die wenigsten mitbekommen.

In den vielen Bürogebäuden dagegen konnten sich Hinz und Kunz einmieten. Auf Briefköpfen von öffentlichen und privaten Unternehmen las man die Adresse recht häufig.

Bedeutete die Tatsache, dass die Miss hier sein würde, dass sie Unternehmerin war?
 

„Ryu?“ Lan ließ seinen Zigarettenstummel auf den Boden fallen und trat ihn aus.

„Was denn?“

„Vor ein paar Tagen hat mich dein Vater angerufen. Er hat etwas erfahren über diese Sache.“

„Ach ja?“ murmelte Ryu gleichgültig.

„Ja. Wenn er recht hat, haben wir wirklich gut daran getan, was zu unternehmen. Es sieht viel übler aus als ich bisher befürchtet hatte. Bei Gelegenheit erzähl ich dir mal mehr darüber.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass er irgendwas rausgefunden hat, was uns weiterhelfen würde. Und wenn doch, würde er uns sicher nicht einweihen.“

Ryus Blick hatte sich etwas verfinstert. Lan beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Immer dasselbe! Kaum, dass er Ryus Vater erwähnte, wurde der total bockig. Dabei konnten sie seine Hilfe wirklich brauchen, sollten sie ihr Ziel weiter verfolgen.

„Wieso hast du nur so eine schlechte Meinung von ihm? Er ist ein großartiger Zalei und ein guter Mensch. Wir haben das gleiche... oder zumindest ein ähnliches Ziel. Warum sollten wir nicht zusammenarbeiten?“

„Hmh... Meine Definition von ‚guter Mensch‘ unterscheidet sich offensichtlich grundlegend von deiner.“
 

Etwa um sechs Uhr erreichten Lan und Ryu das Gewebegebiet. Der Himmel war schon taghell. Vögel sangen. Auch die Zahl der Autos auf der Bundesstraße nahm immer weiter zu. Die Stadt wurde langsam wach.

Etwas umständlich betraten die beiden Zalei die Siedlung. Man musste zuerst eine Abzweigung nach links einschlagen, dann eine kleine Parallelstraße zur Bundesstraße und dann konnte man praktisch ‚rückwärts‘ auf das Gelände, auf dem sich die Bürogebäude erhoben.

Aber hier war auch Lan ratlos. Er hatte herausbekommen, dass die Miss in einem Betrieb im Gewerbegebiet zu finden sein würde. Aber wo genau dieser Betrieb war, wusste auch er nicht. Er war zum ersten Mal hier.

So blieb ihm und Ryu nicht anderes übrig, als die Adressschilder jedes einzelnen Gebäudes zu überprüfen. Lan wollte aber auch nach mehrmaliger Nachfrage nicht sagen, nach was sie genau suchten. Sonst hätte er den schönen Überraschungs-Effekt ruiniert, wie er meinte.

Die Suche dauerte fast eine Stunde. Fündig waren sie danach jedoch nicht geworden. Keines der Bürogebäude trug ein Schild, das auf die Miss hinwies.

Lan atmete laut aus und steckte sich eine dritte Zigarette an.

„Wenn das so ist, haben sie offensichtlich kein gesondertes Verwaltungsgebäude. Dann sind die Büros und offensichtlich auch im Zentrum.“

„Was für ein Zentrum?“

Lan antwortete nicht. Er grinste nur und zeigte nach Osten. Dort, wo sich die großen Grundstücke mit den großflächigen Gewerbebetrieben befanden.
 

Also wieder raus aus der Bürosiedlung, die Straße zurück und zu den anderen Betrieben. Den Autoteilezulieferer ließen sich hinter sich. Ryu hätte es auch gewundert, wenn die Miss hier gewesen wäre. Bei der Einfahrt danach betraten sie das Grundstück.

Hier stand ein großer Komplex aus mehreren drei- bis vierstöckigen Häusern, die sich weitlaufend über das Grundstück erstreckten.

Von der Einfahrt führte links eine Auffahrt zu einem Parkplatz. Hier stand schon ein Schild mit dem Namen des Unternehmens. Und der gleiche Name prangte auch auf einem unübersehbaren Schild am ersten der Gebäude. ‚K.R.O.S.S.‘ lasen Lan und Ryu in gigantischen, schwarz-silbern glänzenden Buchstaben.

„Das ist nicht dein Ernst...“

„Wenn ich jemals ernst gewesen wäre, dann jetzt.“ bestätigte Lan Ryu, der ganz entgeistert auf den Schriftzug vor ihnen sah.

„Unsere Miss nennt sich ‚Obscure‘. Ihren richtigen Namen kenne ich nicht. Sie ist nicht nur einfach ein Mitglied von K.R.O.S.S., sondern keine geringere als die Chefin persönlich.“

„Das ist verrückt... Aber noch verrückter bist du! Du kannst doch nicht ins K.R.O.S.S.-Hauptquartier einbrechen!“

Lan lachte lauf auf. Das konnte nur eines bedeuten: er war verrückt. Und er wollte sich tatsächlich den Brief von der K.R.O.S.S.-Chefin aus dem K.R.O.S.S.-Gebäude holen. Ryu überlegte schon, ob er ihn vielleicht überwältigen und wieder nach Hause bringen sollte.
 

Gleich das erste der Gebäude, das mit dem Schriftzug, entpuppte sich als das Verwaltungsgebäude. Die anderen waren demnach die Forschungsinstitute. Irgendwo in diesem ersten Gebäude musste also die Miss und damit auch die Botschaft sein.

Die Eingangstür war verschlossen. Um diese Uhrzeit wunderte die beiden das aber auch nicht.

Fragte sich nur, wie sie unter diesen Umständen an den Brief kommen sollten.
 

„Kein Problem. So einfache Besuche durch die Eingangstür sind mir sowieso zuwider.“ Lachte Lan.

Er hatte schon einen Plan. Ryu sollte Onyx und Sleipnir vor der Auffahrt zu den Stellplätzen postieren und bei ihnen warten. Er selbst würde die Botschaft holen und dann gleich wiederkommen.

„Gleich?“ wiederholte Ryu skeptisch.

Lan zog ein zerknittertes Blatt Papier aus seiner Hosentasche und nickte grinsend. Ryu erkannte auf dem Zettel neben einer schematischen Skizze von irgendwas nur eine Menge Wörter in Lans unleserlicher Sauklaue. Er wurde, mit anderen Worten, nicht schlau daraus. Aber Lan versicherte ihm, damit würde er in weniger als einer Stunde mit der Botschaft wieder hier sein.

Ryu befolgte Lans Anweisungen. Bisher war noch jeder von Lans unmöglichen Plänen irgendwie aufgegangen. Manchmal auch erst nach einer stuntreichen Flucht, aber immerhin.

Ihre Handys würden beide auf Vibrationsalarm einstellen. Nur für den Fall der Fälle.
 

Dann lief Lan los. Nach einem kurzen Kontrollblick auf seinen Spickzettel und die Fassade des Gebäudes, ging die neue Mission los. Lan stieg erst auf die Leiste mit den Adressschildern, von dort aus auf das Glasdach über der Eingangstüre und schließlich auf den Sims unter den Fenstern im ersten Stock. Hier balancierte er langsam von der Front zur linken Außenmauer des Gebäudes. Dann verschwand er aus Ryus Sichtfeld.

Ryu hatte sich inzwischen mit den beiden Carn außerhalb des Grundstücks versteckt. Lan hatte ihn zwar gebeten, bei den Stellplätzen zu warten. Jedoch konnten sie sich etwas weiter draußen hinter einer Reihe von Büschen verbergen. Langsam kamen nämlich einige Mitarbeiter des Instituts an, die den Parkplatz anfuhren und zu Fuß wieder verließen. Ryu wäre ohne Zweifel entdeckt worden. Und auf klägliche Erklärungsversuche hatte er nach dem Zusammentreffen mit der Polizei in der Nacht keine Lust mehr.
 

Eine halbe Stunde verging. Eine Stunde. Eineinhalb Stunden. Lan war weder zu hören, noch zu sehen. Aber auch das Handy schwieg. Also war entweder alles in Ordnung oder so nicht in Ordnung, dass Lan Ryu nicht mehr verständigen konnte.

Einmal bei diesem Gedanken angekommen, wurde Ryu ihn nicht mehr los. Fast eine halbe Stunde zwang er sich noch, ruhig zu warten. Dann hielt er es nicht mehr aus und rief Lan an. Der nahm fast sofort ab und meldete sich flüsternd.

„Alles ok bei dir? Deine Stunde ist schon lang um.“

„Ja, alles klar. Ich hab´s gleich. Die gute Frau wollte ihr Büro einfach nicht verlassen. Sieht aus als sei sie ein ganz furchtbarer Workaholic.“

„Und das geht dir gegen den Strich?“

„Und wie!... Ich hab den Brief schon gesehen. Aber lesen konnte ich ihn noch nicht.“

„Schaffst du´s?“

„Natürlich. Ich bin doch schlau. Bin in einer viertel Stunde wieder da.“

„Gut. Bis gleich.“

Piep.
 

Auch diesmal hielt Lan seinen Zeitplan natürlich nicht ein. Doch übermäßig viel zu spät kam er auch nicht. Nach etwa fünfundzwanzig Minuten kam er angelaufen.

„Hey! Eine gute und eine schlechte Nachricht.“

„Die schlechte?“

„Zwei Security-Männer haben mich gesehen und sind gleich da.“ Lachte er.

Ryu atmete laut aus und schwang sich auf Sleipnirs Rücken. „Das hab ich mir fast gedacht. Und die gute?“

„Ich hab die Botschaft.“ Jetzt saß auch Lan auf dem Rücken seines Carn und stieß ihm in die Flanke.

Die Security-Männer waren tatsächlich nicht weit hinter ihm gewesen. Aber zu Pferd, beziehungsweise zu Esel, konnten sie sie bald abhängen. Schon bevor sie das Gewerbegebiet verlassen hatten, waren die Männer nicht mehr zu sehen.

Trotzdem bevorzugten beide auf ihrem Rückweg kleine, unauffällige Straßen.
 

Lan wollte Ryu erst zu Hause von der Botschaft erzählen. Denn er hatte darüber hinaus auch noch etwas anderes, über das er reden wollte. Anscheinend das, was er vorhin schon in Bezug auf Ryus Vater angedeutet hatte. Das schloss Ryu aus Lans Schweigen nach seiner Nachfrage.

„Wirst du Meister Adoy die Botschaft sagen?“

„Adoy? Auf keinen Fall! Ich werde auch niemand anderem sagen, dass ich sie hab… Du siehst dann schon warum.“
 

Lan wohnte in einer Wohngemeinschaft im alten Ortskern. Das Haus befand sich etwa auf halbem Weg zwischen der Ortsgrenze und Ryus Zuhause, ein bisschen mehr als einen Kilometer davon entfernt.

Die Carn brachten sie in den kleinen Garten. Normalerweise war Onyx nicht hier untergebracht. Er hatte seinen Stall im Fairy Tales Park. Aber diesen Umweg wollte Lan um diese Zeit nicht mehr machen.

„Hast du den Boten gesehen?“ fragte Lan, nachdem er die Tür seines Zimmers hinter sich geschlossen hatte.

„Eher nicht. Er hat sein Cap ziemlich weit ins Gesicht gezogen. Aber Ryami sagt, sie kannte seine Stimme.“

„Ja, das glaub ich. Hier!“

Er reichte Ryu einen Zettel, fast ebenso zerknittert wie sein Spickzettel. Aber die Schrift war leserlicher. Lan schmierte nur so furchtbar, wenn keiner außer ihm den Inhalt lesen durfte.

Ryu las den Text einmal, dann noch einmal. Und noch ein drittes Mal.

Lan hatte sich auf einen Sessel in der hinteren Zimmerecke fallen lassen und sich eine Zigarette angezündet. Gespannt, und gleichzeitig amüsiert beobachtete er Ryus Reaktion.
 

„Das… ist nicht wahr.“ Flüsterte Ryu schließlich heiser, immer noch fassungslos auf den Zettel in seiner Hand starrend.

Lan sah ihn ernst an. Er beugte sich vor, so dass seine Ellenbogen die Knie berührten.

„Doch. Ich fürchte, das sind die Tatsachen… Willst du jetzt hören, was Taro gesagt hat?“
 


 

***
 

Ihr seht: da laufen so eine Dinge im Hintergrund ab. Langsam bekommen wir eine kleine Ahnung von den bösen Verschwörungen...

(Ich hoffe nur, dass SaC nicht genauso endet wie Aisia. Die Geschichte musste ich abbrechen, weil ich mich mit meinen ganzen Komplotten selbst total verwirrt hab. *lol*).
 

Im nächsten Kapitel wird endlich das große Geheimnis um die Klassenfahrt nach Paris gelüftet und was es mit den Fotos auf sich hat. Ich fürchte, da wird Kei wieder etwas leiden müssen. *fies lach*
 

Bis dann! ^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (18)
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Von: abgemeldet
2006-09-16T10:35:25+00:00 16.09.2006 12:35
Hi^^
Hab erst deinen Dou und dann die FF gelesen und finde deinen Ideen super!^0^
Freu mich auf das nächste Kapi,
vlg,
deine Shu-chan
Von:  sandy325
2006-08-12T09:27:41+00:00 12.08.2006 11:27
AH!!! *schrei*
Ich werde noch wahnsinnig mit dir. Du kannst doch nicht so einfach aufhören. Hier an dieser Stelle.
Nun komm schon. Sag mir was in diesem Brief steht. Und wer war der Bote?
Oh bitte ich zerkaue schon die Arbeitsplatte meines Tisches vor ungeduld.

lG
Sandy
Von:  Yujianlong
2006-08-11T20:30:49+00:00 11.08.2006 22:30
OH-oh!! Was steht da wohl in dem Bericht?? *gespannt ist*
Und Spannung ist jetzt echt genug drin!!! Ich hab mich richtig davor gefürchtet, dass Lan etwas passieren könnte!! Warum "mag" Pierre Lan nicht?? Im Dojinshi sah es so aus als ob sie mal richtig gute Freunde gewesen wären.
Überhaupt hat es da so einige Dinge die ich noch nicht verstehe, aber ich denke, dass du die noch aufklären wirst!!
Das Kapi ist auf jeden Fall super geworden. Freue mich schon total auf das nächste!! Bitte schnell weiter schreiben, ja? *gaaanz lieb guck*

Grüsschen Yuji

PS: Schaust du mal bei meinen FF's vorbei? *Werbung macht* Bitte!! Hab noch keinen einzigen Kommi. *treurig desu*
Von:  Shunya
2006-08-01T12:06:16+00:00 01.08.2006 14:06
Wow, der Zusatz zu dem Kapitel gefiel mir echt gut!!! ^-^
Lan war ja ganz schön abenteuerlustig, dass er sich einfach so ins K.R.O.S.S.-Hauptquartier geschlichen hat, der war wohl echt lebensmüde. Zu blöd, dass er dabei auch noch von der Security erwischt wurde. Mich würde jetzt aber echt mal interessieren, was da in dem Brief der Miss geschrieben stand. Und was das alles auch noch mit Ryus Vater zu tun haben soll. Uwah, das wird immer spannender!!!!! XD
Von: abgemeldet
2006-08-01T11:48:03+00:00 01.08.2006 13:48
hey, das war ein richtig gutes Kapitel!! Fast schon Romanverdächtig ;) ernsthaft, ich hab jede Pause die ich hatte einlegen müssen (beim lesen) echt bereuen müssen!!

achja.. und Action muss nicht immer gleich action sein ;) Dein Schreibstil gefällt mir ausgesprochen gut!
Von: abgemeldet
2006-07-31T15:05:00+00:00 31.07.2006 17:05
aaarrrgghhh
du bist grausam!! :<
ich will wissen was in der botschaft steht!!!!!!
und ich glaube ihc muss auch nochmal alle kapizel lesen..
ich komme schon durcheinander u.u
aber alles in allem ein tolles kapitel :)
lg
Von:  Schauku
2006-07-30T22:31:07+00:00 31.07.2006 00:31
Nun weis man endlich wo er gesteckt hat *gg*
der zweite teil ist auch klasse, frag mich nur was in der Botschaft steht und was Ryus Vater denn nu gesagt hat, bin gespannt bin gespannt, *winkü* bis zum nächsten chap *g*
=^-^=
lg die Schauku
Von:  Yumielle
2006-07-29T06:00:13+00:00 29.07.2006 08:00
Woooooooooow,
das ist ja mal eine Wendung...
Schnell schnell weiter wenn du es schon so spannend machen willst. :)
Von:  CherryBella
2006-07-26T11:43:07+00:00 26.07.2006 13:43
ich finde du schreibst hammer geil!
ich freu mich schon aufs nächste kapitel...
was da in paris wohl passiert ist? *grübl*
naja jedenfalls fin dich die geschichte super!
also mach schnell... damit wir alle wissen wie es weiter geht!!!
bai
Sayuri-Chaan^^
Von:  Shunya
2006-07-24T20:15:44+00:00 24.07.2006 22:15
Das neue Kapitel fand ich gar nicht mal so übel! ^-^
Es war toll, dass du die Miss so gut beschrieben hast. Man konnte sie sich so richtig vorstellen, wie sie an der Brücke stand. Auch Ryamis Wut, darüber dass sie keine Informationen zu Meister Adoy bringen konnten, fand ich lustig. XD Mich würde mal brennend interessieren was in dem Brief stand und wieso die Miss ihn nicht vorher durchgelesen hat?! Ich hätte das an ihrer Stelle getan. Ich freue mich auch schon auf das nächste Kapitel und was es mit den Fotos auf sich hat. >.<


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