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Vampirdämon

Untergang der Schattenfürsten
von

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Die Begegnung

Die Dämmerung brach über die Stadt herein und kühler Wind war ihr unaufhaltsamer Begleiter.

Mireylle fröstelte und beschleunigte ihren Schritt. In der Nacht fiel es ihr viel schwerer, die Schatten aus ihrem Geist auszusperren. Sie zog mechanisch ihren dünnen Mantel enger, um wenigstens einen Teil der Wärme einzufangen. Ihr Blick löste sich nur widerwillig von dem Schatten eines Geschöpfes, das langsam ihren Weg kreuzte und in einer Mauer verschwand. Es gehörte ganz offensichtlich nicht in ihre empirisch erforschte Welt und doch konnte sie es eindeutig sehen. Sie sah ein lebendes Wesen mit einer Aura, die einem Kraftstrom gleich den schwer erkennbaren Körper des Wesens umwaberte. Und doch war sie sich dessen nicht gewiss. Seit ihrer Kindheit nahm sie derartige Wesen wahr und noch nie war es ihr gelungen, eines von ihnen zu berühren oder anzusprechen.

Undeutlich klangen der Spott ihrer Altersgenossen und die mit Abscheu erfüllte Stimme ihrer Mutter bei dem Gedanken an eine Parallelwelt in Mireylle nach und der Teil ihres Verstandes, der für den Selbstschutz zuständig war, hielt sie an, sich abzuwenden und das gesehene zu verdrängen. Vielleicht war sie ja wirklich verrückt, so wie alle es ihr gesagt haben.

Alles in ihr begann zu schreien, als sie einen Moment zu lange verharrte. Der ängstliche Aufschrei einer gepeinigten Seele. Die Ungewissheit zerriss sie innerlich, umso mehr, da der schwache Nachgeschmack eines endzeitlich- bedrohlichen Schattens auf solche Begegnungen folgte. Und wider ihren Willen geriet sie erneut in Sorge um eine Welt, an die nur ein verwirrter Funken Hoffnung in ihr glaubte. Eine namenlose Angst um eine schwindende Welt. Eine Welt, die sie nicht kannte.

Plötzlich lief Mireylle los. Sie wollte so schnell wie möglich von hier verschwinden. Hier begann sie wieder sich Gedanken zu machen. Auf dem gepflasterten Weg hallten ihre einsamen Schritte ihr weit voraus und ihr rascher Atem klang im Rauschen des Windes nach. Mireylles einziger Wunsch war es, dem Zweifel zu entkommen.

Der Mond stand schon grell am Himmel, als Mireylle innehielt, um sich zu orientieren. Augenblicklich fragte sie sich, was sie in diese Gegend getrieben hatte. Ihrer guten Nachtsicht dankend entschied sie sich, die einst so vertrauten Straßen nach Hause zu nehmen. Nun schlenderte Mireylle gemächlich den Weg entlang. Zwar sah sie in der Nacht häufiger seltsame Schattengeschöpfe, doch andererseits beruhigte die Einsamkeit, die die Dunkelheit ihr bot.

Der Wind erfasste eine Strähne ihres Haares und ließ die rubinrote Farbe im Licht der entfernten Laterne silbrig schimmern. Möglicherweise sollte sie die Färbung erneuern. Ihre Mutter hasste die weiß-silbrige Haarfarbe, mit der Mireylle zur Welt gekommen war, und so fühlte sie sich noch heute, da sie allein lebte, mit ihrer natürlichen Färbung unwohl. Zudem bildete Rot einen faszinierenden Kontrast zum hellblau-türkisen Ton ihrer Augen. Mireylles feminine Eitelkeit war trotz der Ablehnung, mit der man ihr seit jeher in der Gesellschaft begegnete, ein wichtiger Teil ihrer Persönlichkeit.

Plötzlich spürte Mireylle eine Woge der Dunkelheit erschreckend nahe an sich vorbeiziehen. Sie erstarrte in ihrer Bewegung und wartete angespannt auf das Ende der Empfindung. Schlagartig wurden ihre Hände eiskalt. Mit einem Mal erschien der Wind ihr viel kälter und die Dunkelheit manifestierte sich in den Ecken ihres Bewusstseins. Ängstlich stolperte sie rückwärts und bemühte sich, die Finsternis hinweg zu blinzeln, die immer dichter wurde und langsam Gestalt annahm.

Gebannt starrte sie die Stelle an und erkannte darin zwei wirbelnde Gestalten, die sich einen hitzigen Kampf lieferten. Obwohl beide menschliche Züge aufwiesen, empfand Mireylle ihr ständig in Rauch und Dunkelheit zerfallendes Erscheinungsbild als fremdartig.

Es dauerte nur einige Momente, in denen Mireylle sich nicht vom Anblick der beiden Wesen lösen konnte, bis eines der Wesen einen entscheidenden Schlag ausführte und das Andere in Schatten zerfallend verschwand.

Der Sieger hatte innegehalten und starrte von Mireylle abgewandt in die Ferne. Das Mädchen schien er gar nicht zu bemerken. Mireylle hatte nun Zeit zu erkennen, welche seiner Wesenszüge ihr befremdlich erschienen.

Nicht sein hüftlanges, schwarzes Haar, sondern die spitz zulaufenden Ohren und seine schlanke, aber muskulös wirkende Gestalt, die vom Hals ab vollkommen in Schwarz gehüllt war. An der einen Hand hatte er die Krallen noch ausgefahren. Bedrohliche, rasiermesserscharf glitzernde Mordinstrumente, von denen schwarzes Blut tropfte.

Mit einem plötzlichen Ruck drehte sich die Gestalt zu ihr um und starrte sie durchdringend aus scharfen Augen mit schlitzartigen Pupillen an. Erst jetzt realisierte Mireylle, dass sie laut und stoßweise atmete. Ihr Gegenüber kippte den Kopf leicht zur Seite und betrachtete das gerade mal 1,53 Meter große Mädchen jetzt geradezu neugierig aus der zwei Köpfe höheren Position. Die Pupillen weiteten sich dabei ein wenig und nun bemerkte Mireylle auch die intensive Aura des verschlagen und gefährlich wirkenden Mannes. Doch ihre Neugier war stärker als ihre Angst und so nahm sie all ihren Mut zusammen und hob leicht die Hand als Zeichen der Begrüßung.

Ihr Gegenüber hob eine Augenbraue, verharrte einen Moment, und ging dann, sie mit einem nahezu hypnotischen Blick fesselnd, in raschen Schritten auf sie zu.

„Ich bin erfreut, Eure Bekanntschaft machen zu dürfen, Lady.“ Mit diesen Worten ergriff er Mireylles Hand, kniete sich leicht hin und gab ihr einen Handkuss. Verwirrt stolperte Mireylle einen Schritt zurück.

„Ihr braucht mich nicht zu fürchten, Lady. Mein Name ist Remon Shahaan, zu Ihren Diensten.“ Er verbeugte sich leicht. Sein furcht einflößendes Äußeres wollte so gar nicht zu dieser freundlich-höflichen Art passen. Mireylle riss sich zusammen, nur um etwas zu schnell „Ich fürchte Euch nicht“ zu antworten. Er lächelte einnehmend und zog dabei spöttisch eine Augenbraue hoch. „Wirklich? Ich bin ein Lord der Vampirdämonen, Lady. Dieser Tatbestand pflegt für gewöhnlich, eine gewisse Angst zu verursachen.“ Entsetzt starrte Mireylle ihn an. Doch alleine, dass er mir ihr redete, versetzte ihre Seele mit einer ungeheueren Ruhe und Sicherheit, einer Sicherheit, auf die sie 18 Jahre gewartet hatte.

Mit einem Mal ließ der Gedanke daran, was ein Vampirdämon wohl mit ihr vorhatte, ihr beinahe das Blut gefrieren. Dieser Blick! Dieser fesselnde, durchdringende Blick, der ihr kaum zu Blinzeln erlaubte. Plötzlich hatte sie das Gefühl, nicht nur schutzlos, sondern auch splitternackt vor ihm da zu stehen. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck und Blut schoss ihr heiß ins Gesicht. Unwillkürlich hoben sich ihre Arme, um die Brust zu verbergen.

Ein Flackern ging durch die Augen des Dämons und Mireylle spürte tiefe Erregung in sich aufblitzen. Er lächelte wieder, nur um einiges breiter. Er hatte sie unter seiner Kontrolle. Um seinen Triumph zu demonstrieren, zog er ihr Kinn mit einer Hand zu sich und näherte sich ihrem Mund. Mit einem inneren Aufschrei von Wut und Angst schaffte Mireylle es, eine Träne hervor zu pressen. Schlagartig stockte der Dämon in seiner Bewegung und ließ sie los. Erneut kniete er sich halb hin und senkte dabei den Blick. Alle Macht, die er auf sie ausgeübt hatte, hörte mit dem Verlust des Blickkontaktes auf, zu wirken.

„Verzeiht mir, Mylady. Ein Laster der Vampirdämonen. Ich bitte Euch um Vergebung.“

Es war eine klare Machtdemonstration gewesen und Mireylle wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Den Blick starr auf den schwarzen Schopf gerichtet, fragte sie sich abermals, was das Ganze zu bedeuten hatte. „Was wollt Ihr von mir, Lord?“, brachte sie nun endlich hervor.

Er richtete sich auf und betrachtete sie charmant von oben. „Es ist Neugier, Mylady. Ihr habt eine ungewöhnliche Gabe. Sie muss euch bisher sehr verwirrt haben, oder?“ Er beobachtete ihr Gesicht, während der innere Wahnsinn der letzten 15 Jahre sich vor ihrem geistigen Auge abzeichnete. „Mein Wissensdurst lässt mich verharren. Ich bitte Euch um Freundschaft und biete Euch als Freundschaftsbeweis meine Hilfe an. Mit anderen Worten: Ihr dürft nach mir rufen, ich erfülle euch jeden Wunsch, welcher Art er auch sein mag.“

Mireylles Herz machte einen Satz. Endlich hatte sie die Möglichkeit, etwas über diese Parallelwelt zu erfahren. Über die Bedeutung ihrer Visionen. „Ich nehme das gerne an, Lord“, antwortete sie mit sicherer Stimme.

Er lächelte wieder atemberaubend. „Sehr gut. Es ist mir eine Freude. Für Euch übrigens einfach Shahaan, Mylady.“ Er legte eine Hand auf die Brust und verbeugte sich leicht. „Ich habe jetzt leider nur wenig Zeit. Aber Ihr könnt mich jederzeit rufen. Ich werde so schnell kommen, wie es geht. Ich empfehle mich.“

Er verbeugte sich noch ein Mal und Mireylle schaffte gerade noch „Ich heiße Mireylle“ einzuwerfen, ehe er sich in Dunkelheit auflöste und verschwand.
 

Mireylle hatte nicht geahnt, dass sie sich schon so bald dazu durchringen würde, jemand so unberechenbares zu sich zu rufen. Doch auf ihrem Heimweg passierte etwas, was ihr schon seit langem nicht passiert war.

Sie spürte sie, noch ehe sie da waren. Wie fauler Gestank breitete sich ihre Aura der Arroganz und selbstgerechter Schadenfreude in der engen, dunklen Gasse aus. Mireylle erkannte sie sofort. Es war die Bande eines ehemaligen Mitschülers von Mireylle, Simon Alterd, der sich besonders gerne über Mireylle lustig gemacht hatte. Die vier Jungs hatten ihr schon oft aufgelauert um sie zu schikanieren.

Wie früher schon kam Simon provokant auf sie zu: „Na, wen haben wir denn da? Die Durchgeknallte, die meint, sich als was Besonderes aufspielen zu müssen. Wo geht’s hin, zu so später Stunde?“, ein böswilliges Grinsen durchzog sein ausgemergeltes Gesicht, als er sich vor ihr aufbaute. „Hast vielleicht ein paar Tiere für ein kleines Opferritual gesucht, du Geistesgestörte?“ Ohne, dass er ihnen einen Wink zu geben brauchte, blockierten die anderen die Gasse. Ungutes ahnend versuchte sie sich zu retten, indem sie sich unerschrocken an Simon vorbei drückte.

„Das lässt du mal schön bleiben, Zwerg!“ Mit einem Mal packte er sie grob am Oberarm und schleuderte sie gegen die Mauer links vom Weg. „Wir sind noch nicht fertig“.

Mireylle spürte, wie eine Träne heiß über ihre Wange lief, doch sie gab keinen Ton von sich. Mit dem Hinterkopf war sie auf etwas Hervorstehendes gestoßen und nun rannte unverkennbar ein dünnes Rinnsal Blut über ihren Nacken. Ihr Schädel dröhnte. Als die vier Bedroher einen weiten Halbkreis um sie gebildet hatten, wuchs ihre Angst noch an. Was hatten sie vor? Ob sie sie diesmal totschlagen wollten? Was hatte sie ihnen je getan? Sie hasste die Menschen dafür, dass sie ihren Frust brutal an anderen ausließen.

Simon trat wieder einen Schritt auf sie zu. „Was ist jetzt? Haste Schiss bekommen? Solltest du auch.“

In einem impulsiven Anflug von Verzweiflung brachte sie ungewollt „Shahaan!“ hervor. Die hasserfüllten Reaktionen der Bande beobachtend betete sie innerlich, er würde tatsächlich kommen.

Nur wenige Augenblicke später erschien er tatsächlich. Mit einem Mal hockte er schief grinsend neben ihr an der Mauer und beobachtete das Spiel des irrationalen Hasses auf Simons Gesicht. „Soll ich sie für Euch erledigen, Lady? Es wäre ein Leichtes.“

Vor Schrecken atmete Mireylle zischend ein. „Nein, Shahaan, lasst sie.“

Belustigt hob dieser eine Braue, als Simon schon ruckartig den Arm ausstreckte, um Mireylle zu schlagen. „Bis auf uns ist keiner hier!!!“ Noch ehe er fertig ausgeholt hatte, stand Shahaan schon vor ihm und hielt seinen Arm fest umklammert. Vor Überraschung schrie Simon auf, seine Augen weiteten sich in Angst.

„Da wäre ich mir nicht so sicher“, stellte Shahaan in ruhigem, bedrohlichem Ton fest. Simon schrie jetzt wie am Spieß und versuchte sich los zu winden, doch Shahaans Griff war stählern und zerdrückte langsam, aber sicher den Unterarm. Simons Leute flohen, ohne zurück zu blicken.

Schlagartig sprang Mireylle auf und fasste Shahaan am Arm. „Nein, bitte!!! Lasst ihn laufen. Er hat seinen Schrecken weg!!!“ Dabei zerrte sie unsicher an dem Griff.

Shahaans Gesicht war einen Moment lang unergründlich, ehe er losließ und wieder leichte Belustigung zur Schau stellte. Simon war innerhalb kürzester Zeit außer Sichtweite. „Das ist großmütig, aber nicht besonders klug von Euch. Er kommt mit Sicherheit wieder.“

„Ich denke nicht. Er wird fürchten, dass Ihr mir zur Hilfe kommt.“

„Vielleicht…“. Sein Blick war immer noch starr in die Richtung gerichtet, in die Simon geflohen war, ganz so, als könnte er ihn noch sehen. „Ihr blutet, Mylady Mireylle“

Mireylle tastete ihren Hinterkopf mit den Fingerspitzen ab. Die Wunde war nicht besonders groß. Mit einem Mal wurde ihr klar, dass sie neben einem Blutsauger stand, und ein Schauer überlief sie. Ob Blut ihn um den Verstand brachte, wie die Geschichten es erzählten?

Ohne sie an zu blicken, reichte er ihr ein schwarzes Taschentuch. „Wischt es bitte ab“.
 

Mit ausdauernder Beharrlichkeit verschloss Mireylle sämtliche Sicherheitsschlösser und Riegel ihrer Tür, bevor sie Ihren Rucksack achtlos in eine Ecke des engen Flurs fallen ließ und in den Wohnraum ihres Appartements schlenderte, um sich auf die Schlafcoach zu werfen.

Mireylle war klar, wie früh sie am nächsten morgen aus dem Haus musste, doch sie konnte nicht aufhören, über ihre geheimnisvolle Begegnung mit einem Lord der Vampirdämonen nachzudenken, was immer Vampirdämonen sein mochten.

Beim zweiten Mal hatte er sie bis vor die Haustür begleitet, war stumm neben ihr her gegangen mit Schritten, die keine Geräusche verursachten. Auch das Flattern seines Umhangs ließ kein leises Knistern verlauten. Mireylle hatte sich gefragt, inwiefern er Teil ihrer Welt war, ob er es nicht für nötig hielt, sich so weit in ihrer Wirklichkeit zu materialisieren, dass er auch Geräusche erzeugte. Neben dem Haus war er stehen geblieben und hatte den Bruchteil einer Sekunde innegehalten, den Blick fest auf das Haus gerichtet. Mireylle hatte die leichte Schwingung in der Luft gespürt, die er in diesem Moment ausgesandt hatte. Ohne einen Ton hatte Shahaan sich daraufhin verbeugt und war in Schatten zerfallen.

Ruhelos wälzte Mireylle sich hin und her, sich mit jeder Sekunde weniger sicher, ob es wirklich geschehen war. Ein beharrlicher Teil ihres Wesens versuchte immer energischer, ihr ein zu reden, es wäre nur Einbildung gewesen, ein weiteres Hirngespinst einer Wahnsinnigen. Und der letzte Funke von Hoffnung schrie in ihr, schrie auf vor Schmerzen. Mireylle schützte ihn vor den Angriffen des so genannten klaren Menschenverstandes, barg ihn sicher umhüllt tief in ihrer Seele, sich vollkommen bewusst, dass dieser Funke des Hoffens ihren Geist in Verzweiflung ertränkte.
 

Als Mireylle am nächsten Morgen aus unruhigem Schlaf erwachte, fühlte sie sich völlig zerschlagen. Doch wie jeden Morgen war sie der Sklave ihres Weckers, erhob sich unterwürfig und schlich langsam ins Bad, um die Tiefe ihrer Augenringe zu bewundern. Entgegen ihren Hoffnungen hatte sich nichts verändert. Sie war nicht mit einem Gefühl der Sicherheit aufgewacht. Sie hatte eher begonnen, an ihrem Verstand zu zweifeln.

Nur halbherzig schmierte sie sich ein Brot für die Mittagspause. Vielleicht würde sie ja noch Hunger kriegen. Augenblicklich schien ihr Magen beschlossen zu haben, sich bei dem bloßen Gedanken an Essen umzudrehen, reagierte so empfindlich wie immer auf ihren emotionalen Zustand.

In der Straßenbahn versuchte Mireylle jeglichen Gedanken aus zu blenden und all ihre Wahrnehmung in einem inneren Rauschen zu ersticken. Hoffnung war so verdammt hartnäckig. Sie merkte kaum, wie ihre Füße sie den bekannten Weg zur Arbeit trugen und brauchte auch eine ganze Weile, um die rundliche Frau mittleren Alters vor sich als ihre Chefin zu erkennen. Nur langsam realisierte sie, wie die typischen Züge einer aufgeschlossenen Frohnatur sich bei ihrem Anblick zu müder Resignation verzogen. Einen Augenblick beobachtete Mireylle, wie in ihrer Aura Mitleid und Ärger sich einen Kampf lieferten, nur um einer Depression zu weichen, die nicht so recht zu dem freudigen, unbekümmerten Wesen der Älteren passen wollte. Ein Gedanke an die Ungerechtigkeit der Welt, der sich vor langer Zeit in einem entfernten Winkel ihrer Persönlichkeit eingenistet hatte und in der vagen Hoffnung, es möge nur eine Laune sein, energisch von Lebensfreude übertüncht wurde.

Wie schon so oft in einer solchen Situation, zwirbelte Margaret Barchle einige Sekunden lang an einer ihrer brünetten Locken, bevor sie zu dem Entschluss kam, Verdrängung sei auch für Mireylle die beste Lösung aller Probleme. Schließlich kannte sie das Mädchen schon seit zwei Jahren und war daher überzeugt, gegen diese Art von Unsicherheit, sie betrachtete die Flucht in eine eingebildete Parallelwelt als Zeichen der Unsicherheit, half nur Verdrängung und gute Laune. Entschlossen, das Selbstvertrauen des Mädchens zu stärken, reichte sie ihr nach einem herzlichen „Guten Morgen“ die Schlüssel zum Blumenladen und deutete an, kurz noch etwas besorgen zu müssen.

Gehorsam reagierte Mireylle auf den stummen Befehl, straffte die Schultern, deutete ein augenblicklich wieder verschwindendes Lächeln an und machte sich daran, den Laden zu öffnen. Die freundliche Behandlung, ein stummer, aufrichtiger Versuch Trost zu spenden, wirkte auch bei ihr immer wieder Wunder. Ehrlich bemüht, sich auf das Wesentliche, momentan ihre Arbeit, zu konzentrieren, begann sie Eimer mit Wasser für die frische Ladung Schnittblumen vor zu bereiten. Dabei umging sie bewusst die Stelle, an der sie aus irgendeinem Grund ständig über einen nicht vorhandenen Stein stolperte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Hoellenhund
2008-02-11T07:57:27+00:00 11.02.2008 08:57
[Fanwork - Comment for Comment Zirkel]

Hier ist also endlich der Kommentar von mir, du hast lange darauf warten müssen^^

Also erst einmal möchte ich sagen, dass mir das erste Kapitel schon sehr gut gefallen hat.
Ich mag deine Art zu beschreiben, wie du Stilmittel einsetzt. So wirken deine Beschreibungen sehr lebendig und sind angenehm zu lesen, was auch nötig ist, da dein Text sehr beschreibungslastig ist.
Das möchte ich dir ein klein wenig ankreiden, denn dadurch wirkt das Kapitel vor allem am Anfang etwas träge. Du schaffst es zwar, durch deine schönen Beschreibungen Stimmung aufkommen zu lassen, ABER: Show, don't tell! Du erzählst sehr ausführlich, was Mireylle widerfährt, wie sie lebt. Wieso entscheidest du dich nicht gleich zu Beginn für eine Szene, die genau das zum Ausdruck bringt? Eine Szene aus ihrem alltäglichen Leben, die aufzeigt, was du so lang erklärst.
Im Anschluss würde ich die Beschreibung ruhig noch nachschieben, denn sie ist sehr stimmungsvoll, aber gerade zum Einstieg würde eine Handlung den Leser meines Empfindens nach besser ins Geschehen führen.

Aber nach dieser leicht mühseligen Einführung geht es höchst interessant weiter, man wird endlich ins Geschehen eingelassen und erfährt mehr über das Leben und Aussehen von Mireylle.
Hier hat mir vor allem die Kampfszene zugesagt, die hast du wirklich hinreißend beschrieben; das liegt dir wirklich gut. Davon könnte ich mir eine Scheibe abschneiden *gg* Es ist wirklich fesselnd.

Auch die Beschreibung von Mireylles Empfindungen und Gedanken gefällt mir besonders gut. Man kann sich richtig gut in sie hineinfühlen und mitfiebern. Das habe ich nur selten bei Geschichten und auch Büchern erlebt, weshalb es mich besonders fasziniert. Zwar erinnert mich deine Art zu Beschreiben sehr an meine eigene, ich glaube aber, du kriegst es besser hin *g* In jedem Fall gelingt es dir sehr gut.

In der Szene, in der Myrille zusammengeschlagen wird, würde ich mir noch ein paar dieser Empfindungsbeschreibungen wünschen, vor allem, bevor sie mit dem Kopf gegen wie Wand schlägt.

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Insgesamt hat mir das Kapitel also sehr gut gefallen: Es ist fesselnd geschrieben, man kann sich sehr gut in die Charaktere hineinversetzten und vor allem die Einblicke in das Empfinden von Mireylle im Bezug auf die Aura anderer Menschen hat mich beeindruckt.
Das einzige, was mir nicht gefallen hat, waren die genannten Kleinigkeiten und, dass mir die Geschichte etwas holter-die-polta beginnt. Du bringst zwar am Anfang zum Ausdruck, dass Mireylle schon sehr lange so lebt und erst plötzlich dieser Vampirdämon erscheint, doch beim Lesen bekommt man diesen Eindruck irgendwie nicht richtig. Es scheint, als würde alles damit beginnen und daher wirkt es irgendwie etwas hals über Kopf. Auch aus diesem Grund würde ich empfehlen noch eine kleine Szene vor die Erläuterung am anfang zu schieben, einfach um dem Leser ein besseres Zeitgefühl zu geben. Und natürlich wegen "show, don't tell!"^^
Es gefällt mir sehr, dass du nicht gleich alles aus Mireylles Leben voranstellst sondern ihren Alltag ganz allmählich aufdeckst. Dadurch bleibt es interessant und ich liebe deine schönen Beschreibungen und deinen Schreibstil allgemein.
Ich kann nur sagen: Weiter so!

Ich werde die Geschichte weiterlesen, denn sie gefällt mir wirklich richtig gut, vor allem den Vampirdämon finde ich zum "anbeißen" *g* Aber dann nicht im Namen des Zirkels sondern ganz privat ^.~
Die Geschichte kommt direkt zu meinen Favouriten. Mal schauen, wann ich weiterlese =)

Kleinigkeiten:

>"eine Welt, die sie nicht einmal aussperren konnte"
Diese Formulierung finde ich seltsam gewählt. Eine Welt kann man ja schließlich so oder so nicht aussprechen ;) Vielleicht solltest du stattdessen so etwas wie "beschreiben" sagen^^

>"Zwar waren zu dieser Zeit mehr Schrecken der anderen Welt unterwegs, doch andererseits war sie ihnen egal"
Bezug ist schwer zu erkennen. Wer war wem egal? (Das Problem entsteht glaube ich vor allem dadurch, dass man beim Lesen automatisch den Eindruck hat, dass es sich nicht auf "Schrecken" beziehen kann, weil einem Schrecken normalerweise nichts egal sein kann)

>"nerviger Beobachter"
Das Wort "Nervig" scheint hier nicht zu passen, da du dich sonst sehr gewählt ausdrückst. Vielleicht lieber "lästig" oder "aufdringlich"

>"ohne ein Geschöpf oder ein Lebewesen ihrer Welt zu erblicken."
Der Begriff "Lebewesen" schließt "Geschöpfe" schon mit ein^^

>"seinem Gegner einen entscheidenden Schlag verpasste"
Hier wieder ein Wort, das aus dem Wortschatz zu springen scheint, weil es umgangssprachlich wirkt. Vielleicht lieber "versetzen" statt "verpassen"^^

>"dass er mir ihr redete"
Wieder das^^ ich würde evtl. "sprach" statt "redete" verwenden^^

[Fanwork - Coment for Coment Zirkel]
Von:  Armida
2007-07-23T13:25:33+00:00 23.07.2007 15:25
Hi,
das kapi hat mir lust auf mehr gemacht,
warte schon gespannt auf das nächste,
wobei eine Frage hätte ich da noch, in welcher Zeit spielt denn die FF? Weil die beiden am Anfang so altmodischen reden hab ich erst gedacht sie spielt so ein paar Jahrhunderte zurück, aber als dann die Ex-Klassenkamaraden aufgetaucht sind, ging das wieder in die heutige Zeit.

Von:  YuMorino
2007-07-16T19:54:41+00:00 16.07.2007 21:54
Hi!!^^
das kapi ist echt super!!
dein schreibstill ist echt super udn du bist echt super in detai gegangen!!
ich hoffe du schreibst schnell weiter!!


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