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Stepping Forward to Realize this Wish

von

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Kapitel 4

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STEPPING FORWARD TO REALIZE THIS WISH
 

Kapitel IV

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Willst du...

Willst du mir eine Chance geben?

Eine...

Eine Chance...

Eine Chance geb-

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„Axel.“
 

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„Deine Wohnung gefällt mir!“

„Hm?“

„Deine Wohnung. Ich meine, sie ist so…, sie ist so... so...“

„… unpersönlich?“

„… Ähm… !“

„Sie ist genauso unpersönlich wie der Rest dieses Schlosses.“

„Ich… Nein! Ich meine… Ich wollte nicht…“

„Schon in Ordnung. Du wolltest wahrscheinlich nur etwas Nettes sagen, um von deinem Unbehagen abzulenken.“

„…“

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„Axel!“
 

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„Möchtest du... irgend etwas trinken?“

„Ähm... nein, danke.“

„Das ist gut, ich habe nicht wirklich viel hier... Es ist ja auch nicht so, als ob ich oft Besuch bekommen würde, hehe.“

„Ich glaube, keiner von uns bekommt viel Besuch hier… Und die meisten von ihnen aus gutem Grund. Oder hättest du Lust, deine Freizeit mit Saix oder Xigbar zu verbringen?“

„Haha, hör mir auf damit… Das ist ja gruselig!“

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„AXEL!“
 

„Hm, äh, ja?“
 

Axel zuckte ein wenig zusammen und warf Saix einen verlegenen Blick zu. Er hatte es schon wieder getan. Verflucht, er durfte sich das wirklich nicht zur Gewohnheit werden lassen. Und Saix hatte es mitbekommen, ausgerechnet Saix, der doch keine Gelegenheiten ausließ, Gerüchte in die Welt zu setzen und sich bei Xemnas wichtig zu machen.
 

„Ich habe das Gefühl, du bist nicht ganz bei der Sache.“ Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem gemeinen Lächeln. „Soll ich Xemnas fragen, ob er für dich einspringt?“
 

„Nein danke!“ erwiderte Axel gereizt. „Ich denke, ich halte noch eine Weile durch!“
 

„Bist du dir sicher, Axel?“ Oh, wie er diese geheuchelte Besorgnis verabscheute. „Ich hätte wirklich kein Problem damit-“
 

„Das lässt du schön bleiben!“ knurrte Axel und beugte sich tiefer über den Bericht, den er seit einer halben Stunde zu lesen versuchte.
 

„Ist da etwa jemand sauer?!“ entgegnete Saix mit provokant unschuldiger Miene. „Mein lieber Freund, du solltest wirklich lernen, dein Temperament zu zügeln. Wenn du Xemnas so behandeln würdest -“
 

„Halt endlich dein verfluchtes Maul!!!“
 

Axel rollte mit den Augen. Er hasste es, mit Saix arbeiten zu müssen. Lästiger Arschkriecher, bildete sich ein etwas Besseres zu sein nur weil er nach den sechs Gründungsmitgliedern die Nummer Sieben in der Organisation war. Früher war es ein unglaublicher Ego-Trip für ihn gewesen, gleich sechs weitere Niemande unter sich zu haben und auf einer freundlichen Basis mit Xemnas und den anderen zu sein. Nun allerdings, wo diese alle bis auf Axel, Demyx und Luxord, die Nummern Acht bis Zehn in der Organisation, entweder tot oder, in Roxas` Fall, verschwunden waren, fürchtete Saix mehr denn je, mit diesen dreien auf eine Stufe gestellt zu werden. Er bangte um seine Position, und war noch viel unausstehlicher geworden als ohnehin schon.
 

Axel blickte kurz aus dem Fenster hinaus. Die Wetteraussichten für den weiteren Tagesverlauf: Regen. Regen, Regen, Regen. Morgen treffen sich die Tiefs Nass und Kalt im Bereich der zweiten Turmspitze links, woraufhin sie sich in Schauern entladen werden. Ach, und regnen soll es auch noch! Welch eine Überraschung.
 

Er ließ seinen Blick erneut über den Bericht gleiten. Die Resultate der Erinnerungen- Experimente in den weißen Räumen auf Korridor Dreizehn.
 

Das Einzige, das Axel langweiliger fand als die Arbeit auf Korridor Dreizehn an sich waren Berichte über die Arbeit auf Korridor Dreizehn. Er fand das alles einfach… bedeutungslos. Was interessierten ihn die Erinnerungen anderer Menschen oder Niemande, wenn er selbst keinerlei Erinnerungen an seinen Jemand besaß? Oh, ja, natürlich war es schon ganz faszinierend, dass man die Erinnerungen der Menschen löschen oder manipulieren konnte, und dass man in den weißen Räumen eine Welt aus Erinnerungen nachzustellen imstande war, in welchen man die Gefangenen dann fest hielt. So wie sie es damals bei Sora und seinen Freunden getan hatten, als sie in das Schloss des Entfallens eingedrungen waren. Man musste sie einfach in einen der weißen Räume locken, ihr Gedächtnis löschen und sie in ein künstliches Koma setzen. Das war interessant… Aber es interessierte Axel nicht.
 

Was Axel wirklich und als Einziges interessierte war Kingdom Hearts, das große und geheimnisumwobene Herz aller Welten. Er erinnerte sich daran, am gestrigen Abend mit Demyx darüber gesprochen zu haben.
 

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„Was denkst du, hat es mit Kingdom Hearts auf sich?“ fragte er den blonden Sitarspieler.
 

„Na ja... Ich weiß nicht recht...“ antwortete dieser. „Ich weiß nicht wirklich viel über Kingdom Hearts. Man...“ Er zögerte unmerklich. „Man hält es nicht für nötig, mich mit Details zu versorgen...“
 

„Nun, falls es dich tröstet..., ich weiß auch nicht sehr viel über Kingdom Hearts, und noch weniger über Xemnas` Pläne und das alles.“
 

„Ja...“ sagte Demyx. „Er lässt uns ziemlich im Dunkeln darüber.“ Sie schwiegen für eine Weile.
 

„Axel?“ brach Demyx das Schweigen und suchte Axels Blick. „Glaubst du... Glaubst du, Kingdom Hearts gibt uns unsere Herzen zurück?“
 

Axel erwiderte Demyx` Blick nachdenklich. „Das hoffe ich…“ sagte er nach einer Weile. „Es ist zumindest das, was Xemnas uns versprochen hat.“
 

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Axel lächelte in sich hinein.
 

Sein Gespräch mit Demyx war eher kurz gewesen, keiner von beiden hatte wirklich gewusst, worüber er reden konnte. Axel hatte nicht gewusst, ob er Demyx so weit vertrauen konnte, ihm von seinen Träumen und Ängsten zu erzählen, und Demyx nicht, ob es Sinn hatte, Axel darauf anzusprechen. Er hatte nicht das, was gerade eben erst entstanden war, sofort wieder zerstören wollen.
 

Also hatten die beiden über das Wetter geredet, über Bücher, über die Organisation und die Welt des Lichts, einfach über dies und das, von einem Thema zum nächsten springend, froh darüber, jemanden zu haben mit dem sie reden konnten, nur um des Redens Willen. Das eigentliche Thema war dabei nebensächlich gewesen, es ging darum, die Stille auszuschließen, es ging darum, sich lebendig zu fühlen, es ging darum, für einen kurzen Augenblick die Einsamkeit zu bekämpfen, die von jeher Teil eines Niemands ist.
 

Trotzdem hatten beide darauf aufgepasst, die Gesprächsthemen so allgemein und oberflächlich wie möglich zu halten. Die eigene Meinung, die eigenen Gefühle über eine bestimmte Sache wurden so gut es ging außen vorgelassen. Es war kaum mehr als das Offensichtliche ausgesprochen worden.
 

Wie könnte man das, was einen ausmacht, denn schon jemandem anvertrauen, von dem man so gut wie nichts weiß und mit dem man vor dem Zeitpunkt dieses Gesprächs nie mehr als ein paar Worte gewechselt hatte? Axel konnte sich nicht vorstellen, dass so etwas möglich war.
 

Dennoch hatte ihm die Anwesenheit des anderen gut getan, und er hatte sich mit dem Versprechen verabschiedet, das Gespräch am nächsten Abend fortzusetzen. Und erstaunlicherweise freute er sich aufrichtig darauf. Er hatte das seltsame Verlangen, Demyx wieder zu sehen.
 

„Axel!!! Bist du mit dem Bericht fertig?!“
 

„Ääähm, ja, Saix, warte, nur noch eine Sekunde...“
 

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Zwei Stunden später kam Axel nass geschwitzt von seinem Kampftraining mit Xigbar zurück in seine Wohnung. Er schälte sich aus seinem Umhang und warf diesen achtlos zu Boden. Er nahm eine heiße Dusche, band sich ein Handtuch um die Hüften und legte sich auf sein Bett. Er fühlte sich ruhig und entspannt. Eine angenehme Müdigkeit zog an seinen Augenlidern, und mit einem letzten Gedanken an sein Treffen mit Demyx am heutigen Abend ließ er sich in den Schlaf gleiten.
 

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Wenn es doch nicht so dunkel wäre, dann könnte er sie sehen. Dann hätte er wenigstens eine geringe Chance gegen seine Feinde haben, sich verteidigen können. Doch seine Feinde konnten in der Dunkelheit sehen, wohingegen er selbst aufpassen musste, auf dem unebenen Grund nicht auszurutschen und sich den Knöchel zu brechen.
 

Ein leises Kollern drang an sein Ohr. Er fuhr herum und starrte aus angstvoll geweiteten Augen in die Dunkelheit. Seine Handflächen wurden feucht vor Schweiß. Aber er sah nichts. Natürlich nicht.
 

Er rannte weiter, nur weiter, weiter, immer weiter. Wer sich umdreht, verliert, wer sich umdreht, verliert, wer sich umdreht… Er wiederholte diese Worte in seinem Kopf wie ein stummes Gebet.
 

Er spürte, dass sich ihm etwas von hinten näherte, irgendetwas, mit einer unglaublichen Geschwindigkeit, die Arme weit von sich gestreckt mit zu Krallen gekrümmten Klauen. Es war fast heran, es hatte ihn, gleich hatte es ihn...
 

Auf einmal stand Roxas vor ihm, umhüllt von einem gleißenden Licht. Er streckte ihm die Hand entgegen, er sagte „Komm mit mir, Axel. Nimm meine Hand.“ Axel versuchte, seine Hand zu nehmen, aber er konnte sich nicht bewegen, er schien erstarrt zu sein. „Roxas, bitte hilf mir!“ flehte er. „Ich schaffe es nicht alleine...“
 

Aber das gleißende Licht verschwand, und Roxas mit ihm. Er drehte sich um, und das Monster aus seinen Träumen war heran.
 

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Demyx sprang sofort auf, als es an der Tür klopfte.
 

Axel hatte sich verspätet. Schon nachdem der vereinbarte Zeitpunkt um fünf Minuten überschritten war, hatte Demyx nicht mehr daran geglaubt, dass Axel überhaupt noch erscheinen würde. Umso überraschter und erfreuter war er nun, und er schalt sich in Gedanken für sein mangelndes Vertrauen in Axel. >Er hat versprochen, zu kommen, also kommt er auch. Wirklich, Demyx...<
 

Er eilte zur Tür und öffnete sie. „Hallo Ax-“ begann er, doch die Worte blieben ihm praktisch im Mund stecken als er sah, wie blass sein Gegenüber war. Axel sah aus, als hätte er einen Geist gesehen.
 

„Axel, was ist mit dir?“ fragte Demyx erschrocken. Das riss Axel aus seinen Gedanken, und er bemühte sich um ein fröhliches Lächeln, welches kläglich misslang. „Es ist alles in Ordnung, Demyx!“
 

Demyx glaubte Axel kein Wort, doch er wollte ihn nicht dazu drängen, ihm davon zu erzählen. „Wenn du das sagst...“ meinte er und zuckte die Achseln. „Komm doch rein!“
 

Axel war Demyx sehr dankbar, dass dieser ihn nicht weiter behelligte. Das schätzte er an Demyx, er bot seine Hilfe bereitwillig an, doch er drängte sich ihm nicht auf. Er gab bereitwillig, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Axel hatte so etwas selten erlebt.
 

Er trat ein und machte es sich auf Demyx` Sofa bequem. Demyx setzte sich zögerlich neben ihn auf das andere Ende. An die Gesellschaft anderer musste er sich noch gewöhnen. Nach kurzem Überlegen erhob er sich wieder und holte eine Flasche Wein und zwei Gläser aus einem Wandschrank.
 

„Möchtest du ein Glas trinken?“ fragte er Axel und deutete auf die Flasche. Dieser zuckte die Schultern. „Ja... Warum eigentlich nicht.“
 

Zufrieden mit dieser Antwort füllte Demyx die Gläser und reichte eines davon Axel. Wein konnte Wunder wirken, hatte er einmal einen Mann in einer Kneipe irgendwo in der Welt des Lichts sagen hören. Und Axel schien ein Wunder dringend nötig zu haben. Es war einen Versuch wert.
 

„Wie war dein Tag?“ fragte Demyx den Rothaarigen. „Genauso spannend wie meiner?“
 

Axel verzog das Gesicht. „Nun, wenn du unter spannend verstehst, dir stundenlang belanglose Berichte durchzulesen und dabei Saix` unaufhörlichen Redeschwall über dich ergehen zu lassen... Ja, mein Tag war sehr spannend.“
 

Demyx lachte. „Nun, ich schätze, das kann ich nicht überbieten.“
 

„Was machst du denn so den ganzen Tag lang?“ fragte Axel und nippte an seinem Wein. „Ich meine... Auf viele Missionen wirst du nicht geschickt, und auch hier im Schloss bekommt man dich nicht häufig zu Gesicht...“
 

Demyx spielte verlegen mit dem Glas in seiner Hand. „Na ja, das stimmt wohl... Ich... Ich mache nichts Besonderes. Ich vertreibe mir die Zeit... Ich spiele auf meiner Sitar. Ich spiele Lieder, die ich selbst geschrieben habe, und Lieder, die ich in der Welt des Lichts gehört habe.“
 

Er blickte zu Axel hinüber, welcher seinen Blick nachdenklich erwiderte. „Ich beobachte die Menschen...“ fuhr Demyx fort. „Ich versuche möglichst viel über sie zu erfahren und ich versuche, sie zu verstehen...“ Er schwieg kurz. Er musste noch irgend etwas sagen, irgend etwas, um nicht Gefahr zu laufen, dass dieses Gespräch in den Abgründen der Seifenoperdramatik versank. „Natürlich kämpfe ich auch ab und zu, wider Erwarten!“ sagte er und grinste.
 

Axel grinste in sich hinein. „Tatsächlich?“ fragte er. „Du erstaunst mich, Demyx. Das sind ja ganz neue Seiten an dir.“
 

Beide lachten.
 

Es ist verblüffend, wie nahe sich Menschen innerhalb kürzester Zeit kommen können, wenn sie etwas verbindet. Das muss nicht einmal eine spezielle Verbindung sein, die man fassen oder erklären kann. Manchmal reicht es völlig aus, sich dem anderen auf einer höheren, geistigen Ebene verbunden zu fühlen. Manche Menschen kennt man sein Leben lang, und trotzdem kennt man sie nicht richtig. Man kennt die Oberfläche, man weiß, welche Zigarettenmarke sie rauchen und was sie sich zu Weihnachten wünschen. Aber es bleibt eine Distanz. Man kennt den Menschen, aber man kennt nicht das, was diesen Menschen ausmacht.
 

Anderen Menschen kann man auf der Straße begegnen, man streift sich flüchtig, hebt seinen Blick, und der erste Blick in die Augen der anderen Person genügt, diese Verbindung zu erkennen, und das erste Gespräch mit dieser Person gibt einem das Gefühl, diese schon immer gekannt zu haben.
 

Axel hatte eine solche Verbundenheit gespürt, als er Roxas zum ersten Mal in die Augen geblickt hatte... Und er spürte sie auch jetzt und hier, während diesem Gespräch mit Demyx, und er hatte sie auch gestern schon gespürt, vielleicht hatte er sie sogar in dem Augenblick gespürt, in dem er Demyx auf dem Korridor hatte stehen sehen. Er konnte sich nicht erklären, warum er sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht gespürt hatte. Überhaupt wusste Axel so wenig, so wenig über sich selbst und die Menschlichkeit in ihm, die er vorher immer verleugnet hatte, und die ihm nun das Gefühl gab, verletzlich zu sein.
 

Sie drifteten erneut von Thema zu Thema, und mit jedem Wort, mit jedem Blickkontakt, mit jedem Lächeln und mit jedem Glas Wein stieg das Vertrauen zwischen den beiden, und dieses innere Verständnis.
 

Eine zweite Flasche Wein ersetzte die erste, unbemerkt, und das Gespräch, welches zuvor noch konstruiert gewesen war, fast erzwungen, nahm seinen freien Lauf, es wurde geredet und geredet, erzählt und gelacht und philosophiert, und es fühlte sich gut an, es fühlte sich richtig an, es fühlte sich menschlich an.
 

Als die dritte Flasche Wein angebrochen wurde, hatten sich Axels Barrieren so weit gelöst, dass er Demyx von seinen Träumen erzählte. Sie waren an dem Punkt angelangt, welchen Anne Rice in einem ihrer Romane einmal als den „Goldenen Moment“ bezeichnet hatte, einem Punkt vollständigen inneren Verständnisses, der ihnen beiden neu war. An diesem Punkt machte alles einen Sinn, die simpelsten oder diffusesten Gesprächsthemen konnten plötzlich eine vorher nie da gewesene Bedeutung enthalten.
 

„Und dann hatte ich eine Art Panikattacke und wollte nur noch fort... Verstehst du, es schien als würde sich das Zimmer auf einmal mit Dunkelheit füllen, ich spürte die Augen meiner Verfolger auf mir ruhen...“
 

„Ja,“ sagte Demyx und sah Axel mitfühlend an. „Ich weiß genau, was du meinst!“
 

„Die Wände kamen auf mich zu, und ich... Ich hatte solche Angst. Angst vor der Dunkelheit! Ich!“ Axel lachte frustriert auf und nahm einen großen Schluck Wein.
 

„Das ist nur verständlich, Axel!“ bekräftigte Demyx. „Du brauchst dich nicht dafür zu schämen!“
 

„Ich glaube, sie lauerten wirklich da, in den dunklen Ecken. Meine Alpträume, meine ich...“
 

„Ja, vielleicht.“ Stimmte Demyx nachdenklich zu. „Vielleicht taten sie das...“
 

„Und ich... Ich wollte nur noch raus, ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen!“
 

„Ja, irgendwann wächst einem alles über den Kopf. Wenn du jede Nacht Träume dieser Art hast, dann ist irgendwann der Punkt erreicht an dem du es einfach nicht mehr aushältst!“
 

„Genau! Genau das meine ich!“ Axel blickte Demyx aus alkoholgetrübten, glänzenden Augen an.
 

„Und deshalb bist du zu mir gekommen!“ fuhr Demyx fort. „Weil du dich an mein Angebot erinnert hast.“ Er nickte, wie um sich selbst zuzustimmen. „Ja, genau deshalb. Weil du die Einsamkeit nicht mehr ertragen konntest!“
 

Vielleicht hätte Axel diese in einem Aussagesatz versteckte Frage unter anderen Umständen ignoriert oder verneint. Aber unter dem Einfluss des Alkohols, in diesem goldenen Moment, kam ihm die Wahrheit ganz leicht über die Lippen. „Ja.“ Sagte er. „Ja, die Einsamkeit. Und die Schatten. Ich dachte, ich werde verrückt!“
 

Axel blickte Demyx direkt in die Augen. Nichts als Verständnis und Mitgefühl spiegelten sich in ihnen wieder. Augen, so blau wie es der Himmel hier niemals sein könnte.
 

Demyx wagte sich einen Schritt weiter. „Du... Du vermisst ihn.“ Er meinte natürlich Roxas, doch er war unfähig, diesen Namen auszusprechen, und er wusste auch nicht, wie Axel auf ihn reagieren würde. „Deshalb ist es so schwer für dich. Und ich glaube, das ist auch der Grund für deine Alpträume.“
 

Axels offene Miene versteinerte sich schlagartig. Seine Hand verstärkte ihren Griff um sein Glas. Er wich Demyx` Blick aus.
 

Demyx seufzte. „Axel... Ich weiß, dass es so ist. Und ich weiß auch, dass du nicht darüber reden willst, aber glaub mir... Nicht darüber zu reden macht alles nur noch schlimmer.“
 

Axel starrte gedankenverloren in sein Glas. Die schwachen Lichtstrahlen der gedämpften Deckenlampen brachen sich auf der dunkelroten Flüssigkeit und verliehen ihr einen hellen Glanz.
 

Hatte er Demyx nicht gestern aus genau diesem Grund aufgesucht? Hatte er nicht mit ihm reden wollen, über seine Träume, über Roxas? Er hielt es nicht länger aus, nicht darüber zu reden... Er wurde nicht länger mit all dem fertig...
 

Axel seufzte gequält und suchte erneut Blickkontakt zu Demyx. „Vielleicht hast du recht...“ murmelte er, und nach kurzem Zögern setzte er entschlossener hinzu: „Ja, du hast recht.“
 

Also schüttete Axel dem blonden Niemand sein sprichwörtliches Herz aus. Es fiel ihm unglaublich schwer, seine Gefühle in Worte zu fassen, Gefühle, die ihm fremd erschienen und deren Namen er nicht kannte. Er erzählte, wie es sich angefühlt hatte, als er Roxas zum ersten Mal gesehen hatte, er beschrieb die wenigen Momente, welche die beiden miteinander verbracht hatten, wie es sich angefühlt hatte, von ihm verraten zu werden, und wie sehr er ihn jetzt vermisste.
 

Und Demyx hörte zu, schweigend folgte er Axels brüchiger Beschreibung. Und seine Augen füllten sich mit Tränen, einerseits weil Axel ihm so leid tat, und andererseits, weil er nicht wusste, wie er Axel helfen konnte. Und er spürte noch etwas anderes in seiner Brust, ein schleichendes, nagendes Gefühl, das er nicht richtig einzuordnen wusste.
 

„Ich kann ihn einfach nicht vergessen.“ flüsterte Axel am Ende seiner Beschreibung. „Ich habe mich vorher niemandem so verbunden gefühlt wie ihm... Ich hatte.. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass er anders ist als alle anderen. Er war mir wichtig. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihm auch wichtig bin...“
 

Und noch während er diese Worte aussprach, erkannte er den Fehler in ihnen. Er blickte in Demyx` klare Augen. Ein seltsamer Ausdruck lag in ihnen. Unter diesem Blick kam Axel sich schutzlos und nackt vor. Alles drang von außen auf ihn ein, Müdigkeit, Verwirrung, Hoffnungslosigkeit, Angst, Überdruss...
 

Was war mit Demyx? Fühlte er sich ihm nicht ebenso verbunden? War er nicht auch anders als die anderen? Und war Axel es? Und was bedeutet es überhaupt, anders zu sein?
 

> Ich bin verwirrt, was passiert nur mit mir... Ich weiß gar nichts mehr, gar nichts. Niemande haben kein Recht, so zu fühlen. Ich wünschte ich wäre nicht anders, ich wünschte ich wäre genau so, wie man es von mir erwartet... Ich wünschte, ich wüsste, wer ich eigentlich bin und was ich will... Woran soll ich eigentlich noch glauben? Ich will nicht mehr, ich will nicht mehr, ICH WILL EINFACH NICHT- <
 

„Axel.“
 

Demyx` sanfte Stimme riss ihn wieder in die Realität zurück.
 

„Axel.“
 

Und dann fühlte Axel etwas, das er noch nie zuvor gefühlt hatte. Den leichten Druck von einer Hand auf seiner Schulter. Axel blickte Demyx verblüfft an, und beinahe wäre ihm das Weinglas aus der Hand gefallen. Er sah die Tränen in den Augen des anderen.
 

Sie sahen sich lange Zeit einfach nur an.
 

„Axel, ich...“ begann Demyx. „Er... Er ist es nicht wert, weißt du...“
 

Diese Worte trafen Axel, und er zuckte leicht zusammen. Doch der Kontakt zwischen Demyx` Hand und seiner Schulter brach nicht ab. „Ich meine... Er hat seinen Weg selbst gewählt. Er hat eine Entscheidung getroffen und er... Er hat sich gegen die Welt der Schatten entschieden. Und damit gegen uns.“
 

Axel schluckte. Noch immer saß er reglos da. „Ich weiß...“ murmelte er. „Ich weiß.“
 

Die Hand auf seiner Schulter verstärkte ihren Griff. „Ich habe ihn gesehen, weißt du...“ sagte Demyx ruhig.
 

„Wen?“ fragte Axel, obwohl er die Antwort schon kannte.
 

„Sora. Auf meiner Mission letztens. In der Unterwelt.“
 

Axel starrte Demyx an. „Und...“
 

„Und er erinnert sich an nichts! An nichts, Axel!“
 

Demyx wusste, dass seine Vorgehensweise brutal war... Aber er sah sie als einzige Möglichkeit, Axel zur Besinnung zu bringen. Er war es nicht wert, Axel hatte es nicht verdient, so zu leiden. Er legte seine andere Hand auf Axels andere Schulter und hielt ihn so in festem Griff.
 

„Er hat mich nicht erkannt, verstehst du? Verdammt, nicht einmal sein eigener Name ist ihm ein Begriff! In dem Moment, in dem Roxas sich mit Sora vereinigt hat, hat der Roxas, den wir kannten, für immer aufgehört zu existieren. Und er hat es so gewollt. Letztendlich hat er es so gewollt. Was ich damit sagen will...“ fügte er etwas sanfter hinzu. „Roxas hat mit uns abgeschlossen, also sollten wir mit ihm abschließen, findest du nicht?“
 

Und Axel vernahm auch die versteckte Bedeutung dieser Worte. > Er ist fort,... Aber ich bin noch hier... <
 

Axel würde niemals verstehen, warum, aber gerade diese harten und ehrlichen Worte hatten etwas in ihm erneuert. Axel wusste, dass Demyx recht hatte, und er ließ es zu. Er legte seinerseits seine Hände auf die Schultern seines Gegenübers und erwiderte den sanften Druck, zögerlich, aber bestimmt.
 

Er fühlte sich Demyx verbunden, so verbunden wie er sich nie zuvor jemandem gefühlt hatte. Nicht einmal Roxas...
 

Und nach dem Vorbild der vielen Menschen, denen sie beide auf ihren Reisen in der Welt des Lichts begegnet waren, zog Axel Demyx in eine vorsichtige Umarmung. Für lange Zeit wurde kein Wort gesprochen, und nur das leise Plätschern des niemals enden wollenden Regens draußen vor den Fenstern brach die angenehme Stille.
 

Der goldene Moment war gekommen und wieder gegangen, unbemerkt.
 

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TBC



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