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Nebel über Hogwarts

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Seine Pflicht

Nebel über Hogwarts – Kapitel 49: Seine Pflicht
 

Auch wenn es für ihn zum Dauerzustand wurde, Severus war froh, dass er sich wieder mit Lily versöhnt hatte. Sie war eine angenehme, beruhigende Präsenz an seiner Seite, und er fühlte sich gelassener und ausgeglichener, wenn er nur über die Haustische hinweg zu ihr hinübersehen konnte, wie sie an ihrem Platz saß und gemeinsam mit Emily ihren Kaffee trank. Sie lernten gemeinsam, sie unterhielten sich, sie lachten gemeinsam, und jedes Mal, wenn sie ihn ansah und grinste, fühlte er, wie etwas in ihm schmolz, begriff er, dass er sie noch immer liebte, egal, was er tat, um sich davon zu überzeugen, dass er keine Chance bei ihr hatte und sie das nie herausfinden durfte. Sie war wie ein leuchtendes Feuer, auf das er, die Motte, immer näher zugetrieben wurde, auch wenn er wusste, dass es ihn am Schluss töten wurde.

Auf der anderen Seite stand die Dunkelheit, die Briefe, die er immer wieder von Lucius erhielt, in denen er über seine Verbindungen zum Dunklen Lord berichtete, über dessen Pläne und Aufträge, und ihn bat, sich ihm anzuschließen. Lily würde niemals gutheißen, was er tat, das wusste er, aber ein Teil von ihm wollte sich diese Option offen halten, spürte, dass dort eine Zukunft für ihn lag, die er in Lilys Welt niemals haben würde. Dort würde er immer Schniefellus bleiben, der merkwürdige Slytherin mit der abgetragenen Kleidung, den niemand respektierte oder gar mochte. Aber Lily... von ihr ging eine Faszination aus, der er sich nicht entziehen konnte – und solange sie lebte, so lange würde er hoffen, dessen war er sich sicher. Aber den ersten Schritt tun? Nein.

Der Valentinstag kam und ging, und obwohl er mit sich gerungen hatte, überlegt hatte, was er ihr schenken konnte, so war das einzige, was er tat, sie anzulächeln und ihr einen schönen Tag zu wünschen. Keine Rose, keine kitschige Karte, nur der Gruß eines Freundes, oder zumindest dachte er das. Von ihr kam auch nichts, nur das Angebot, wieder einmal gemeinsam zu brauen, auf das er freudig einging – er wollte einige Tränke aus dem Buch ausprobieren, das sie ihm geschenkt hatte, und bei denen es ihn in den Fingern juckte, mit ihnen zu experimentieren und sie zu verbessern.

Einer von ihnen hatte es ihm besonders angetan, ein Gebräu, mit dem ein stark beschädigter Körper, in dem aber noch eine Seele hauste, zu seiner ursprünglichen Form regeneriert werden konnte. Er war sehr schwierig zu brauen, ungeheuer kompliziert, und benötigte einige höchst persönliche Zutaten der Person, für die er gedacht war, aber die Herausforderung reizte ihn, und Lily konnte ihm dabei helfen.

Dass er den Trank nicht nur um seiner selbst willen braute, wegen der Faszination, die von ihm ausging, konnte er ihr hingegen nicht sagen. Er hatte ein Päckchen bekommen, von Lucius Malfoy, das eine versiegelte Schriftrolle enthielt, bedeckt mit einer unregelmäßigen, ganz offensichtlich selten benutzten Handschrift... die ihm den Auftrag gab, einen Trank zu finden, der den Körper regenerierte. Lilys Buch war eine ausgezeichnete Basis dafür, und die Arbeit machte ihm Spaß, während sie ganz offensichtlich nicht wirklich begriff, was er vor hatte. Sie war gut in Zaubertränke, geschickt darin, die Zutaten perfekt vorzubereiten, und Severus war froh, dass er ihre Hilfe hatte, ohne sie hätte er es wahrscheinlich nicht geschafft. Aber das tiefere, fast instinktive Verständnis für die Zusammenhänge und Wirkungen eines Trankes, das er besaß, schon seit er mit dem Fach begonnen hatte, ging ihr ab.

Wo er sich sonst manchmal darüber geärgert hatte, dass er ihr, egal, wie er es zu erklären versuchte, nicht klarmachen konnte, was ihn an dem Fach so sehr bewegte und faszinierte, war er jetzt froh darüber, als sie wieder in einem alten Klassenzimmer in den Kerkern standen und er mit der Basis für den Trank begann. Sie hatten den Raum gewechselt, sie wollten beide nicht, dass James Potter wieder auftauchen und ihnen eine Szene machen würde, auch wenn er sich jetzt entschuldigt hatte, so hatten sie beide doch noch ihre Zweifel an seiner Ehrlichkeit. Persönlich glaubte Severus, dass eher die Hölle zufrieren würde, als dass Potter und Black bereuten, was sie getan hatten, aber Lily... Lily glaubte an das Gute im Menschen. Manchmal wollte er sie dafür hassen und sie schütteln, versuchen, ihr klarzumachen, was für kleinliche Tyrannen die beiden waren, aber dann besann er sich wieder, und seufzte nur innerlich.

Dass Lily nur das Gute in anderen Menschen sah, war der Grund, wieso sie sich noch mit ihm abgab, Zeit mit ihm verbrachte und ihn gegenüber anderen Schülern verteidigte, wenn sie ihm wieder einmal vorwarfen, ein Todesser zu sein. Eigentlich hatte er also nicht das Recht, ihr deswegen böse zu sein, wo er doch so sehr von dieser Eigenschaft profitierte... aber manchmal wäre es doch angenehm gewesen, eine ein bisschen differenziertere Sichtweise von ihr zu hören.

Gemeinsam mit ihr beugte er sich über einen der ehemaligen Schultische, auf dem sie die Zutaten, die man vor Beginn des Trankes vorbereiten konnte, vor sich ausgebreitet hatten. Langsam ließ er seinen Blick über die Früchte ihrer Arbeit wandern, die Stirn gerunzelt, die Lippen zusammengekniffen, während er überlegte.

„Was meinst du?“, fragte er schließlich und tippte die geschnittene Weidenrinde mit seinem Messer an. „Ist sie fein genug, oder sollen wir die Stücke noch einmal durchschneiden?“

Lily zuckte mit den Schultern. „Was steht im Rezept?“

Er verkniff sich ein Lachen – Lily wollte sich immer so sehr an das Rezept halten, dass es manchmal absurd war, wahrscheinlich, weil sie keine Ahnung hatte, was die einzelnen Zutaten eigentlich machten und wie sie miteinander reagierten. „Gar nichts – die Weidenrinde ist im Original nicht enthalten. Aber wenn wir uns an das Rezept halten, wird derjenige, dessen Körper wir regenerieren wollen, unglaubliche Schmerzen haben, so ähnlich wie wenn deine Knochen mit Skele-Wachs wiederhergestellt werden. Deswegen die Weidenrinde... sie hat bekannte, medizinische Wirkungen, und eine davon ist es, Schmerzen zu lindern.“

„Davon hab ich noch nie gehört, zumindest nicht in Zaubertränke.“

Jetzt lachte er wirklich. „Natürlich hast du schon davon gehört.“

Sie runzelte die Stirn. „Hab ich wieder einmal etwas im Unterricht verpasst?“

„Nein – aber du hast sicher von deinen Eltern irgendwann Aspirin bekommen.“

Für einen Moment starrte sie ihn an. „Severus... das ist genial.“

Ihr Lob tat ihm gut, auch wenn er sich ziemlich sicher war, dass sie nicht wusste, wie genial seine Idee, sich von der Muggelmedizin inspirieren zu lassen, war, und lächelte. „Danke. Und wenn ich es mir so überlege... schneid sie noch ein wenig kleiner.“

Lily nickte und machte sich an die Arbeit, und für einen Moment betrachtete er sie, ihre schlanken Finger, die roten Strähnen, die ihr ins Gesicht fielen und die sie immer wieder mit einer unbewussten Handbewegung hinter die Ohren verbannte, bevor er sich von dem Anblick losriss und seinen silbernen Kessel, den er vor Jahren von seiner Mutter vererbt bekommen hatte, auf den Steinboden stellte und ein magisches Feuer darunter entfachte.

Wasser würde ihre Basis sein, weil Wasser ein grundlegender Bestandteil des menschlichen Körpers war... vorsichtig maß er eine Gallone ab und ließ sie in den Kessel gleiten, bevor er sich den anderen Zutaten zuwandte. Der größte Teil der Flüssigkeit würde sich während des Brauprozesses verflüchtigen, und nur eine kleine Phiole übrigbleiben, die man bei der Anwendung – äußerlicher Anwendung – wieder in Wasser verdünnen musste.

Er betrachtete das Wasser, während er Lilys Arbeit am Tisch lauschte, und gerade, als die ersten Bläschen begannen, sich auf dem Boden des Kessels zu formen, warf er die erste Zutat in den Kessel – das geschnittene Schweifhaar eines Einhorns. Wenn es alleine nach den magischen Fähigkeiten gegangen wäre, dann hätte er lieber Phönixtränen oder Einhornblut verwendet, aber das Eine war vollkommen unmöglich zu bekommen, und für das andere hätte er seine Seele verkaufen müssen – worauf Severus eigentlich verzichten konnte. Zwar wisperte eine kleine Stimme in der hintersten Ecke seines Kopfes, dass er gerade auf dem besten Weg war, das zu tun, aber er sagte ihr entschlossen, dass sie doch bitte die Schnauze halten sollte, und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.

Die nächsten Zutaten wanderten in den Kopf, eine nach der anderen, während Severus rührte und zählte, zählte und rührte, bis sie schließlich, weit nach der Uhrzeit, zu der sie eigentlich in ihren Gemeinschaftsräumen sein sollten, die erste Phase abgeschlossen hatten. Der Zaubertrank hatte genau die rauchende, purpurne Farbe, die er nach Severus' Schlussfolgerungen haben musste, und gemeinsam räumten sie ihr improvisiertes Labor auf, nachdem er die Flamme unter ihrem Kessel zu einem kaum sichtbaren Flackern reduziert hatte.

„Das sollte für den Moment reichen“, meinte er schließlich, und Lily nickte, mit offensichtlichem Stolz auf das, was sie geschafft hatten.

„Wann ist er fertig?“, fragte sie, und er überlegte für einen Moment.

„Er muss jetzt eine Woche ruhen, und danach fügen wir die letzten Zutaten hinzu... in drei Wochen, ungefähr, vielleicht ein bisschen weniger?“

Lily nickte. „Das klingt doch gut.“

Severus konnte nicht anders, als ihr zuzustimmen.
 

Die klirrende Kälte milderte sich ab, als der März heranrauschte, der Schnee auf den Ländereien schmolz und die ersten Frühlingsblumen ihre Köpfe aus der Erde streckten. Ihr Projekt ging gut voran, sie hatten es sogar im ersten Versuch geschafft, den Trank zu brauen, mit genau den zusätzlichen Eigenschaften, die Severus ihm verleihen wollte, und nachdem er das letzte Mal gerührt hatte, hatte er genau die Konsistenz und Farblosigkeit angenommen, die er vorausgesehen hatte. Der bewundernde Blick Lilys wärmte ihn mehr als das Feuer, und er lächelte. „Hier.“

Er reichte ihr eine vorbereitete Phiole und vorsichtig füllte sie den Trank hinein, verschüttete keinen Tropfen, ließ keinen Tropfen zurück, bevor sie den Korken in die Öffnung steckte und das kleine Gefäß neugierig betrachtete. „So viel Arbeit, für ein so kleines Ergebnis.“

Severus lachte. „Wir arbeiten nicht für das Ergebnis, sondern für die Wirkung... und die wird durchschlagend sein.“

Lily hob die Augenbrauen. „Hast du denn eine Idee, wie du den Trank ausprobieren kannst?“

Verdammt verdammt verdammt. Manchmal hasste er Lily dafür, wie sie ihn dazu verführte, seine Schutzmauern zu vernachlässigen.

„Nein – oder wüsstest du einen Zauberer, der so schwer verletzt ist? Aber ich bin mir sehr sicher, dass er genauso wirken wird, wie ich mir das vorstelle.“

„Ach so...“ Ein wenig wirkte sie enttäuscht, und er hob innerlich die Brauen. „Aber wenn du ihn jemals verwendet, sagst du mir dann Bescheid? Das Ergebnis meiner Arbeit würde mich dann doch sehr interessieren.“

„Natürlich.“ Den Teufel werde ich tun, und dich in die Nähe dieses Zauberers lassen, Lily. Für mich ist er vielleicht nicht gefährlich... aber für dich.

Der Brief, den er zwei Tage später erhielt, nachdem er Lucius von seinem Erfolg berichtet hatte, verstärkte seine Entschlossenheit nur, Lily von allem, das mit den Todessern zu tun hatte, fernzuhalten. Der Dunkle Lord war sehr zufrieden mit seiner Arbeit, und würde einige der Seinen schicken, um sich mit ihm zu treffen und die Phiole mit dem Trank aus dem Schloss zu holen. Dass er ein solches Risiko eingehen würde, zeigte Severus, wie wichtig seine Arbeit war, aber der Stolz darüber, geschätzt zu werden, ging unter seiner Angst fast unter... denn am ersten Samstag im März, an dem die Todesser nach Hogwarts kommen würden, hatte Lily Patrouille.

Wenn ihr irgendetwas passieren würde... er würde es sich niemals verzeihen können, und während er in die Kerker zu seinem verabredeten Treffpunkt mit den Todessern schlich, fühlte er eine Angst, die nichts mit seiner eigenen Sicherheit zu tun hatte. Lily... hoffentlich würden sie Lily nicht entdecken...

Er duckte sich in die Schatten der kalten, steinernen Mauern, während er wartete, und die Untätigkeit und das Nicht-Wissen machten ihn fast wahnsinnig. Er konnte nicht sagen, wo seine Kontakte waren, wo Lily war, ob sie eine Patrouille getroffen hatten oder nicht, ob er vielleicht erwischt werden würde... Langsam zwang er sich, seine verkrampfte linke Hand von der Phiole in seiner Tasche zu lösen, während seine rechte weiterhin seinen Zauberstab festhielt, bereit, anzugreifen oder sich zu verteidigen, falls sich die Notwendigkeit ergeben würde.

Dann bemühte er sich, ruhig und konzentriert zu bleiben, während die Stunden sich in die Länge zogen und die Kälte langsam unter seinen Umhang kroch... und trotzdem blieb er, wartete weiter, weil es andere gab, die sich auf ihn verließen. Wer das genau war, ob Lily oder der Dunkle Lord, ob er sie beschützen oder ihm helfen wollte, das wusste er nicht... aber es war seine Pflicht, hier im Dunkeln zu stehen und zu warten, und er würde sie erfüllen, komme was da wolle.



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