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Nebel über Hogwarts

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Unter Hogwarts

Nebel über Hogwarts – Kapitel 50: Unter Hogwarts
 

Die Stimmung im Schloss war merkwürdig, als der Frühling begann, seine ersten, zarten Fühler in den Norden Schottlands auszustrecken. Obwohl die Sonne schien, die Wiesen auf den Ländereien wieder grün wurden und der Schnee schmolz, wirkte sogar das Zwitschern der Vögel blass und nicht so fröhlich wie in den letzten Jahren. Lily fühlte sich sehr an den letzten Sommer erinnert, der nichts von seiner üblichen Wärme mitgebracht und ganz Großbritannien in Nebel ertränkt hatte – ein Sommer, der nur mehr Krieg brachte, und kaum Hoffnung.

Obwohl die Lehrer und der Schulleiter sich bemühten, in Hogwarts das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, war die Gefahr doch allgegenwärtig. Noch immer patrouillierte Lily alle paar Nächte durch die Korridore, noch immer waren die Hogsmeade-Wochenenden abgesagt, noch immer wurden die Ländereien schwer von Auroren bewacht. Die Veranstaltungen und Projekte, die Dumbledore sich ausdachte, um sie alle von der Situation abzulenken, verfehlten bei Lily ihre gewünschte Wirkung vollkommen. Natürlich, sie ging gerne mit Emily in die Höhle unter dem Schloss schwimmen, ja, das Koboldsteinturnier machte Spaß – aber das vertrieb doch nicht die Angst um geliebte Menschen, sondern versteckte sie nur ein wenig!

Der Mensch, der ihr im Moment am meisten Sorgen machte, waren tatsächlich nicht ihre Eltern und ihre Schwester – sie waren nur drei Muggel unter vielen – sondern Severus. Artikel im Tagespropheten sprachen gerüchteweise davon, dass Lucius Malfoy einer der neuen Todesser von Du-weißt-schon-wem wäre, und sie wusste, Severus hatte früher viel Zeit mit ihm verbracht... Lucius hatte ihn unterstützt und behütet, als er noch Vertrauensschüler in Slytherin gewesen war, und sie wusste, ihre Verbindung war nie ganz abgerissen. Was, wenn Severus... wenn er Severus angesprochen hatte und ihn dazu überreden wollte, beizutreten?

Natürlich würde er sich ihnen niemals anschließen, dazu war Severus viel zu nett, viel zu gut, und wusste zu genau, was sie von den Todessern hielt... oder doch nicht? So sicher sie sich auch sein wollte, ein kleiner, nagender Rest von Zweifel blieb, auch wenn sie nicht verstand, wieso man sich einer solchen Gruppierung anschließen wollte, genauso, wie sie nicht begriff, wie Severus mit diesen schrecklichen Slytherins befreundet sein konnte.

Sie seufzte. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass sie Severus verstand... und manchmal drang etwas Fremdes an die Oberfläche, etwas Dunkles, das sie nicht kannte – nicht kennen wollte – und das ihr das Gefühl gab, dass mehr in Severus steckte, als man auf den ersten Blick sehen konnte. Vielleicht sogar mehr, als sie in ihm sehen konnte, nicht nur die anderen Gryffindors. Lily seufzte erneut, während sie sich im belebten Gemeinschaftsraum umsah.

Ein Aspekt von Severus' Abneigung hatte sie, nachdem er ihr von Sirius Blacks Mordversuch erzählt hatte, nicht mehr losgelassen – wie war es dazu gekommen? Und war die Geschichte, die er erzählte, wirklich die Richtige, oder war es die von Black und Potter? Nachdem sie mit James geredet hatte, war sie sich nicht sicher, also hatte sie, nach langem Zögern, beschlossen, mit Sirius Black darüber zu sprechen, auch wenn sie ihn noch immer nicht wirklich leiden konnte. Und jetzt wollten sie sich im Gemeinschaftsraum treffen, bevor sie und James sich auf den Weg in die Kerker machen würden, zu ihrer Patrouille mit Dorcas.

„Hey“, meinte schließlich eine Stimme von den Treppen, kaum zu hören über dem Tumult, den die jüngeren Schüler veranstalteten, und sie sah auf. Sirius Black kam auf sie zu und ließ sich in einen der weichen Stühle neben ihr fallen, bevor er seinen Zauberstab zog. „Muffliato“, murmelte er, und Lily sah, wie sich ein paar der Schüler auf der Suche nach der Quelle des Summens umblickten, bevor sie schließlich mit den Schultern zuckten und sich wieder ihren Hausaufgaben zuwandten.

„Du wolltest mit mir sprechen“, stellte er leise fest, und Lily hoffte, dass er sich nicht zu genau an die letzte Gelegenheit erinnerte, zu der sie sich unterhalten hatten, damals, zu Beginn des Schuljahres. Sirius war betrunken gewesen, zumindest noch ein bisschen, und sie hatte ihn nach den geheimen Flüchen des Hauses Black gefragt, ohne Erfolg.

„Ja.“

Für einen Moment musterten sie sich über den kleinen Tisch hinweg, dann nickte er schließlich. „Lass mich raten. Es geht um Schniefellus und die Peitschende Weide.“

Sie spürte, wie ihr Kiefer sich verkrampfte, als er den Spitznamen, den Severus so sehr hasste, in den Mund nahm, und bevor sie sich besinnen konnte, hatte sie gesprochen. „Nenn ihn nicht so.“

Black hob die Augenbrauen. „Wieso?“

War es wirklich möglich, dass der Titel des nervigsten Mitschülers von Potter auf Black übergegangen war? „Weil er mein Freund ist, und ich nicht möchte, dass du ihn in meiner Gegenwart beschimpfst.“

Black schien ihre Worte abzuwägen, und wirkte für einen Moment so, als ober am Rande des Widerspruchs wäre, doch dann nickte er ruckartig. „Gut.“

Kein idealer Anfang für ihr Gespräch, und keine Basis für eine unvoreingenommene Beurteilung des Zwischenfalls; mittlerweile hatte Lily Zweifel daran, dass er wirklich bereute, was er getan hatte, wie Potter das behauptete. „Also?“

Er war intelligent genug, um nicht nachzufragen, was sie meinte, aber nicht klug genug, um nicht abschätzig zu schnauben. „Im Grunde war er ja selbst schuld.“

Wieder knirschte sie mit den Zähnen, sagte aber nichts, bedeutete ihm nur mit einer minimalistischen Geste, weiterzusprechen – wenn sie sich mehr bewegt hätte, hätte sie dem Drang nachgegeben, ihn zu ohrfeigen.

„Er hat uns jahrelang hinterherspioniert, und dann hat er ein Mal etwas gehört, das er nicht hören sollte, und jammert deswegen? Selbst schuld. Er war auf der Suche nach Ärger, und wir haben ihm nur gegeben, was er verdient hat.“

Lily knirschte mit den Zähnen. „Er war ein kleiner Junge, der gesagt hat, dass er nach Slytherin möchte – was ist daran so falsch?“

„Dass Slytherins Mörder und Verbrecher sind?“

„Da könnte ich auch gleich sagen, dass alle Blacks Reinblüter-Fanatiker und Abschaum sind. Severus hat nichts getan, das seinen Tod rechtfertigt. Nichts! Du bist nicht besser als deine Familie und die verdammten Todesser!“

Für einen Moment sah es aus, als ob sein Temperament schließlich doch ausbrechen würde wie ein Vulkan, doch dann sah sie, wie seine um den Tisch verkrampften Hände sich langsam lockerten und er ruckartig ausatmete. „Du weißt, dass das nicht stimmt, und der einzige Grund, wieso du damit durchkommst, es zu behaupten ist, dass James dich mag.“

Das brachte Lily wieder dazu, die Zähne zusammenzubeißen – in den letzten Wochen war es so einfach gewesen sich vorzustellen, dass James nur ein Gryffindorkollege von vielen war, ohne besondere Gefühle für sie. Für einen Moment starrten sie sich feindselig an, dann schnaubte Sirius schließlich. „Was willst du eigentlich von mir? Denn wenn du glaubst, dass ich mich reuevoll bei Schniefellus entschuldige, bist du auf dem Holzweg.“

James hat es aber auch geschafft, dachte sie und schämte sich einen Moment später für diesen Gedanken. Eigentlich sollte niemand im Vergleich zu James schlechter abschneiden! „Ich will wissen, wieso“, entgegnete sie schließlich, und Sirius schnaubte.

„Du gehst davon aus, dass es Absicht war“, gab er mit einem verletzten Gesichtsausdruck, den Lily nicht so recht einzuschätzen vermochte, zurück, und sie schnaubte nur, antwortete nicht, sondern sah ihn einfach nur an – jegliche Diskussion mit ihm schien doch sinnlos.

Zu ihrer Überraschung gab er nach wenigen Momenten nach, seufzte. „Ich wollte, dass er uns einmal in Ruhe lässt. Dass er einmal begreift, dass er uns nicht überall hin folgen und unsere Geheimnisse ausspionieren soll.“

„Und dazu musstest du ausgerechnet Remus' größte Schwäche verwenden?“

Sirius zuckte mit den Schultern. „Alles andere hätte ihn nicht wirklich abgeschreckt.“

Bei sich dachte Lily, dass dieser Plan ja wunderbar funktioniert hatte, sagte aber nichts dazu. Sie hatte ihre Antwort, und auch wenn es nicht die war, die sie erwartet oder sich gewünscht hatte, wenigstens hatte er Severus nicht umbringen wollen.

„Ist das Verhör jetzt beendet?“, fragte er schließlich, nachdem sie keine Anstalten machte, weiterzusprechen, frostig, und als sie nicht auf die offensichtliche Provokation einging, erhob er sich abrupt und beendete den Muffliato-Zauber mit einer Bewegung seines Zauberstabs. Ohne sie noch eines Blickes zu würdigen stapfte er durch den Gemeinschaftsraum und die Treppe zu den Jungenschlafsälen hinauf, von wo James ihm gerade entgegen kam.

Die beiden wechselten ein paar Worte, zweifellos darüber, wie gemein und schrecklich sie war, und dann stand Potter auch schon vor ihr, mit einem Blick wie jemand, der gerade einem gereizten Drachen in die Augen blickte. „Lief nicht so gut, oder?“, fragte er schließlich, und Lily konnte sich gerade noch davon abhalten, ihm für das Feststellen des Offensichtlichen zu danken.

„Lass uns gehen“, entgegnete sie nur und griff nach ihrem Winterumhang, der auf dem Stuhl neben ihr lag – die Nächte waren noch immer empfindlich kalt, obwohl mittlerweile der März begonnen hatte.

Schweigend durchquerten sie das Portraitloch und stapften durch die Gänge auf die Eingangshalle zu, wo Dorcas Meadowes und andere Mitglieder des Ordens des Phönix bereits auf sie warteten, um ihre Patrouillen aufzunehmen. Die junge Frau begrüßte sie mit einer Umarmung für beide und einem Grinsen, bevor sie sich auf den Weg über die Treppen nach unten machten, und Lily war froh, ihren Winterumhang mitgenommen zu haben. Ihr heutiges Ziel waren die Kerker, wo sie in den Korridoren patrouillieren sollten, und deren klamme Kälte hasste sie schon, seit sie dort mit elf Jahren zum ersten Mal im Zaubertränkeunterricht gesessen war. Wie die Slytherins dort ihren Gemeinschaftsraum haben konnten, war ihr unbegreiflich, und noch mehr, wie es Severus dort gefallen konnte.

Je später es wurde und je tiefer sie kamen, desto frostiger wurde es, bis sie schließlich ihren eigenen Atem in kleinen, weißen Wölkchen vor ihren Gesichtern kondensieren saßen, und das flackernde Licht der Fackeln, das in jeder Ecke bedrohliche Schatten entstehen ließ, verstärkte ihre Gänsehaut nur zusätzlich. Von der entspannten Atmosphäre früherer Nächte und Rundgänge war nichts mehr zu spüren, sie alle sahen sich um, zuckten jedes Mal zusammen, wenn eine Flamme zischte oder flackerte.

Mittlerweile waren sie längst an ihrem Zaubertränkeklassenzimmer und den Räumen der Slytherins vorbeigegangen und in der Nähe der Fundamente des Schlosses angekommen, tief in dem Fels, auf dem Hogwarts stand, ein Ort, an den Lily ihre Erkundungen noch nie getragen hatten. James hingegen wirkte bedeutend selbstsicherer als sie, und sie vermutete, dass er diesen Teil des Schlosses auf einem seiner zahlreichen Streifzüge mit seinen Freunden bereits entdeckt hatte, was er wenig später bestätigte.

Als die Wände nass und feucht wurden, weil sie in die Nähe des Sees und des Grundwassers gelangten, verlangsamte Dorcas ihr Tempo und hielt Lily am Ärmel ihres Umhanges zurück. „Hier ist ein Ausgang“, wisperte sie, und James nickte langsam, nicht im Geringsten überrascht. „Vorsichtig.“

In ihren dunklen Umhängen verschmolzen sie fast mit den Schatten, die die spärlichen Fackeln an den Wänden mit ihrem flackernden Schein erzeugten, und die sirrende Anspannung in Lilys Mitte nahm zu, während sie alle nur noch flach atmeten und sich in dem Gang nach vorne drückten, hin zu dem Ausgang, dessen kühlen Luftzug sie bereits spürten konnten. Trotz ihrer Nervosität bewegten sie sich leise und geschickt, aber eigentlich... eigentlich waren sie alle noch davon überzeugt, dass Hogwarts sicher und geschützt war, dass kein Todesser es wagen würde, seinen Fuß auf die Ländereien zu setzen, vom Schloss selbst ganz zu schweigen. Sie hatten sich getäuscht, und wahrscheinlich war das der Grund, wieso der Angriff sie so vollkommen unerwartet, vollkommen überraschend traf.

Der erste Blitz sauste auf Lily zu, hackte einen Teil ihres Winterumhanges ab und hinterließ eine brennende Strieme auf ihrem Unterarm. Ihre andere Hand schoss hoch und griff reflexartig nach der Wunde, die Reaktion eines erschrockenen Mädchens, nicht die einer erfahrenen Kämpferin, doch bevor der Schmerz überhaupt in ihren Kopf vordringen oder sie reagieren konnte, packte Dorcas sie an ihrer Robe und riss sie zu Boden, hinter die Biegung in dem schmalen Gang, in Sicherheit.

Aus glasigen Augen sah sie, wie James sie für einen Moment anstarrte, bis der nächste Fluch einschlug, Splitter aus dem uralten Gestein der Mauern schlug und ihn zu Lily auf den Boden trieb. Stück für Stück kroch er nach vorne, zu ihr, während Dorcas ihnen einen kurzen, mahnenden Blick zuwarf und sich dann an die letzte sichere Stelle des Korridors drückte, der Atem flach und kurz.

„Avis“, murmelte sie, und ein Vogel brach aus der Spitze ihres Zauberstabs, nur um den Bruchteil einer Sekunde später von drei Lichtblitzen getroffen zu werden, einer davon grün.

Lily schluckte und unterdrückte ein Wimmern, bis sie überrascht James' Finger an ihrem Arm spürte, die den Stoff ihres Umhangs auseinanderzogen. Er sagte nichts, aber er brach auch nicht in die Art von Panik aus, die Lily in ihrem Inneren hochschießen spürte, während sie hörte, wie Dorcas hinter ihnen einen Fluch nach dem anderen auf ihre Angreifer schoss, sie alleine zurückhielt. James' Zauberstab richtete sich auf ihre Wunde und ihr Blick folgte seiner Spitze, sah den hässlichen Schnitt, sah das Blut, das sich auf ihrer Bluse ausbreitete, doch bevor sie den Schmerz wirklich realisieren und mehr tun konnte, als erneut zu wimmern, machte er eine kleine Bewegung, und sie fühlte sich... besser. Die kleinen Rinnsale, die über ihre Haut flossen, versiegten, sie konnte ihre Hand wieder bewegen, und sie erinnerte sich an ihren Zauberstab, der nutzlos an ihrem Körper herabhing.

James warf ihr einen prüfenden Blick zu, doch für mehr hatte er keine Zeit, bevor er sich aufrichtete und sich geduckt zu Dorcas nach vorne schob, deren Atem mittlerweile nicht mehr flach, sondern angestrengt klang, und die immer öfter verbale anstatt nonverbalen Zaubern verwenden musste. Lily packte ihren Zauberstab fester, während James sich neben Dorcas platzierte, einen Zauber nach dem anderen auf die Angreifer abschoss.

Lily fühlte sich nutzlos, während sie hinter ihnen stand, aber jeder Versuch, einen Fluch auf die Todesser – denn das vermutete sie, dass die Eindringlinge waren – zu jagen, hätte sie selbst in deren Schusslinie gebracht. Die Untätigkeit zerrte an ihren Nerven, aber gerade als sie glaubte, es keine Sekunde länger aushalten zu können, sagte ihnen ein dumpfer Schrei, dass einer ihrer Zauber getroffen hatte. Nur einen Moment später wurde James von einem blauen Strahl getroffen und kippte nach hinten, doch Lily nahm ohne zu zögern seinen Platz ein, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie der letzte Zipfel eines schwarzen Umhanges durch den Ausgang auf die Ländereien hinaus verschwand.

Dorcas setzte ihnen nach, Lily folgte ihr auf dem Fuße, doch als sie hinaus in die frostige Nacht getreten waren, sahen sie nur noch zwei Besen, die über den Schwarzen See hinwegschossen, wobei einer von ihnen unter der Last seiner beiden Reiter zu schwanken schien – außer Reichweite. Dorcas fluchte, ausgiebig und kreativ, mit einer ganzen Reihe von Ausdrücken, die Lily noch nie gehört hatte und ihre Schwester Petunia wahrscheinlich in die Ohnmacht getrieben hätten, bevor sie Lily nach drinnen zog.

James lag auf dem kalten Steinboden, auf dem sie ihn zurückgelassen hatten, und zitterte unkontrolliert, trotz seines warmen Umhangs, und die beiden Frauen knieten neben ihm nieder. „Kältefluch“, murmelte Dorcas, und James nickte, was seine Zähne noch mehr zum Klappern brachte als ohnehin schon, selbst als Dorcas einen Wärmezauber auf ihn sprach und danach einen silbrigen Schemen aus ihrem Zauberstab davonschickte. Immerhin schaffte er es danach, sich aufzurichten und sich, auf sie beide gestützt, die Treppen nach oben zu schleppen, während Lily unter seinem ungewohnten Gewicht und der Kälte, die von ihm ausging, zitterte.

Kein Mensch sollte sich so anfühlen, wenn man ihn anfasste, und alle Witze, die sie zuvor über Frauen und Frostbeulen gehört hatte, wirkten nun plötzlich weniger amüsant. Dass sie sich gleichzeitig Sorgen um ihn machte, war schwieriger, sich einzugestehen, aber als sie den Krankenflügel erreicht hatten, hatte sie auch das geschafft, und es fiel ihr nicht schwer, ihre eigene Verletzung zu vergessen, während Madame Pomfrey sich um James kümmerte.

Doch schließlich, als ihr Hauskollege mit hochrotem Kopf und rauchenden Ohren unter einer dicken Decke im Bett lag, spürte sie, wie Dorcas sie nach vorne schob, auf eines der Betten zu, und als die Medihexe ihren Arm untersuchte, klickte sie missbilligend mit der Zunge. „In was seid ihr da eigentlich hineingeraten?“

„In einen Angriff von Todessern“, entgegnete Dorcas auf die rhetorische Frage, um den drohenden Redeschwall abzuwürgen, und Madame Pomfrey hob die Augenbrauen. „Und was machen Todesser hier im Schloss?“

„Das wüsste ich auch gerne“, antwortete sie, bevor sie sich straffte. „Ich werde Professor Dumbledore Bericht erstatten.“

Sie nickte James und Lily zu, und Lily schenkte ihr ein Lächeln und wünschte ihr eine gute Nacht, bevor sie ihr zusah, wie sie durch die Tür verschwand. Gerade noch rechtzeitig – kaum hatte Dorcas den Raum verlassen, begann Madam Pomfreys Tirade über die Gefahren, denen Schüler heutzutage ausgesetzt waren, erneut, und diesmal war niemand da, der sie stoppen konnte. Lily ließ sie über sich ergehen, während die Wunde auf ihrem Arm gereinigt und geheilt wurde, und selbst als sie in eines der weichen Betten, das neben James', gedrängt wurde, widersprach sie nicht. Wenn sie ehrlich mit sich selbst war, war sie froh, jetzt nicht mehr durch die leeren, stillen Gänge hinauf in den Gryffindor-Turm gehen zu müssen, und das noch alleine. Nein, lieber blieb sie hier, unter den weichen Decken, und tauschte leidende Blicke mit James, der zwar mittlerweile keine kleinen Rauchwölkchen mehr ausstieß, aber noch immer eine ungesund rote Gesichtsfarbe zeigte.

„Eigentlich sollte das mittlerweile abgeklungen sein“, murmelte Madame Pomfrey, doch nach einigen diagnostischen Sprüchen ließ sie schließlich auch ihn in Ruhe und zog sich in ihre Räume zurück, nicht ohne das Licht zu löschen und sie zu ermahnen, sofort zu schlafen, da sie ihre Ruhe brauchten. Wenn Lily ehrlich war, dann hatte sie nichts gegen diese Anweisung – besser, als die ganze Nacht von Potter vollgelabert zu werden – doch zu ihrer Überraschung war er erstaunlich schweigsam, nicht wie der junge Mann, den sie kannte, und der begeistert von seinem Kampf erzählt hätte.

„Das ist also Krieg“, murmelte er schließlich leise, wie zu sich selbst, bevor er sich in seine Kissen kuschelte, und Lily meinte, ein wenig Angst hinter seinen Worten zu erkennen – eine Regung, die James Potter eigentlich vollkommen fremd war. Zu ihrer Überraschung stellte sie aber fest, dass sie ihm zustimmte, und das brachte sie dazu, weicher und freundlicher zu antworten, als sie eigentlich beabsichtigt hatte. „Gute Nacht, James“, entgegnete sie nur, und er blickte sie überrascht an, bevor er schließlich lächelte.

„Gute Nacht, Lily.“



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