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Nebel über Hogwarts

von

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Die Angst in ihm

Nebel über Hogwarts – Kapitel 51: Die Angst in ihm
 

Am nächsten Morgen trugen Severus' Füße ihn fast ohne sein Zutun hinauf in den Krankenflügel, kaum dass er erwarten konnte, irgendjemanden dort wach anzutreffen, und versuchte verzweifelt, die schmerzhafte Anspannung, die seinen Körper erfasst hatte, aus seinem Gesicht und seiner Stimme zu halten.

„Was wollen Sie?“, fragte eine noch verschlafene Madame Pomfrey, die auf sein Klopfen antwortete, und er holte innerlich tief Luft. „Ist Miss Evans hier?“

Die Augen der Medihexe schossen hoch. „Woher wissen Sie das?“

Er zuckte zusammen, glaubte aber, das erfolgreich verborgen zu haben. „Es gab Gerüchte über einen Angriff auf das Schloss in der Nacht, und ich weiß, dass sie Patrouille hat...“

Madame Pomfreys harte, misstrauische Gesichtszüge weichten sich sichtlich auf, und sie lächelte. „Machen Sie sich keine Sorgen, es geht ihr schon wieder gut, und ich habe sie nur zur Beobachtung hier behalten. Warten Sie noch einen Augenblick, und dann können Sie sie besuchen, wenn Sie das möchten.“

Severus nickte langsam, doch einen Moment, nachdem Madame Pomfrey die Tür vor ihm geschlossen hatte, wurde sie wieder aufgerissen, und James Potter stand vor ihm. Jahre des Leidens hatten seine Reflexe geschärft, und er hielt seinen Zauberstab in der Hand, bevor er wusste, was er tat, genauso wie Potter, und sie starrten sich über die Schwelle hinweg feindselig an.

Erst das leise „Danke, Madame Pomfrey“, das aus dem Krankenflügel zu ihnen drang und das von Lily kam, ließ sie aufschrecken, und Severus machte einen kleinen, fast unmerklichen Schritt zur Seite, der es Potter erlaubte, sich an ihm vorbeizuschieben, der Körper zum Kampf gespannt. Fast zu Severus' eigener Überraschung passierte nichts, wobei er nicht wusste, ob er sich mehr wunderte, dass er nicht aggressiv geworden war, oder Potter. Für einen Moment starrte er dem Gryffindor hinterher, doch dann riss ihn eine sanfte Berührung am Arm zurück in die Gegenwart – Lily stand vor ihm, ein wenig müde, ein wenig blass, aber körperlich unverletzt, und er unterdrückte ein Seufzen der Erleichterung. Er verzieh es sich so schon kaum, dass sie wegen seinen Trank, an dem sie selbst mitgearbeitet hatte, angegriffen worden war... wenn irgendein bleibender Schaden entstanden wäre...

„Was ist passiert?“, fragte er, weil man das von ihm erwartete, und sie seufzte.

„Todesser haben das Schloss angegriffen, durch den Eingang in den Kerkern.“

Severus schluckte.

„Wir wissen nicht, was sie hier wollten, aber sie waren zu dritt, und Dorcas, James und ich haben sie zum Glück bemerkt.“

Etwas in ihm verkrampfte sich, als sie Potter beim Vornamen nannte, und ihn nicht etwas abschätzig mit seinem Nachnamen bedachte, wie sie das bei ihren sonstigen Unterhaltungen über ihn getan hatte. Der Gedanke schaffte es fast, die Gewissheit zu verdrängen, dass er ganz genau wusste, wieso die Todesser ins Schloss eingedrungen waren. Wieder verfluchte er sich dafür, Lily nicht gewarnt zu haben, aber es wäre viel zu riskant gewesen...

„Und dir geht es gut?“, fragte er, viel zu eifrig, viel zu besorgt, und sie nickte.

„Bis auf den kleinen Schnitt am Oberarm, ja.“ Sie krämpelte den Ärmel ihres Umhangs hoch und er betrachtete die rötliche Narbe, hatte schon die Hand ausgestreckt, um sie mit dem Finger nachzufahren, als er bemerkte, was er tat, und sie abrupt zurückzog. „Wird sie... wird sie bleiben?“

Lily schüttelte den Kopf. „Nein... in ein paar Tagen komme ich noch einmal zu Madame Pomfrey, und dann ist alles weg.“

„Gut“, entgegnete er steif und viel zu kühl, selbst für ihn, der sich wünschte, seine Gefühle zu verbergen – aber wenn er das tat, bewegte er sich auf einer feinen Linie. Zu viel Zuneigung würde ihm Lily genauso schnell wegnehmen wie zu wenig, und er räusperte sich. „Ich... ich bin froh, dass dir nichts passiert ist.“

Sie lächelte zu ihm hoch. „Danke, Severus.“

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg in die Große Halle zum Frühstück, wo sie sich trennten, um an ihren jeweiligen Haustischen Platz zu nehmen, und die sirrende Angst in Severus' Eingeweide zurückkehrte. Die Furcht um Lily hatte ihn momentan verdrängen lassen, dass es ihm nicht gelungen war, seinen Auftrag auszuführen, den Trank an die Todesser zu übergeben, und obwohl er selbst noch keiner von ihnen war... den Zorn und den Unmut des Dunklen Lords fürchtete er trotzdem.

Als er gemeinsam mit den anderen Eulen auch Lucius' Kauz auf den Slytherintisch zukommen sah, erstarrte sein Magen für einen Moment, doch Jahre in seinem Haus hatten ihn gelehrt, ruhig und gelassen zu wirken, während er dem Vogel seinen Brief vom Bein nahm, ihm ein Stück Toast fütterte, und ihn dann wieder auf seinen Weg schickte. Erst dann, als er sich sicher war, dass seine Kollegen angemessen von der Alltäglichkeit dieses Anblicks überzeugt waren, wagte er es, das Siegel des Pergaments zu brechen.
 

Severus,
 

der Unmut des Dunklen Lords gilt nicht dir. Er ist überzeugt, dass du alles getan hast, um deinen Teil des Auftrags zu erfüllen, und ist wütend auf Travers und seine beiden Gefährten, die es nicht geschafft haben, ein Ordensmitglied und zwei Kinder zu überwinden. Zweifellos werden die Sicherheitsvorkehrungen um das Schloss nun noch stärker werden, und ein erneuter Versuch wird sicherlich nicht von Erfolg gekrönt sein.

Zwar wünscht der Dunkle Lord, seinen Trank zu erhalten, aber sowohl die Post als auch der Hogwarts-Express werden auf schwarzmagische Substanzen und Artefakte untersucht, was es dir unmöglich machen wird, das Ergebnis deiner Arbeit zu schicken oder in den Osterferien zu ihm zu bringen. Da für den Dunklen Lord die Vollendung deiner Ausbildung Priorität hat, wirst du während der Osterferien in der Schule bleiben, deine Prüfungen ablegen und den Trank erst danach zu einem Treffen der Todesser bringen. Wenn das Ergebnis zur Zufriedenheit des Dunklen Lords ist, wirst du in unsere Reihen aufgenommen werden.

Hab keine Angst, wir beide stehen noch immer hoch in seiner Gunst.
 

L.M.
 

Auch wenn er sich nichts anmerken ließ, innerlich atmete Severus auf. Er würde Lily nicht erneut durch sein Projekt in Gefahr bringen, und er hatte noch Zeit... Zeit, sich zu entscheiden, bis zum Ende des Schuljahres. Erst dann müsste er wissen, ob er auf ihrer Seite der Linie, die Licht und Schatten trennte, bleiben würde, oder zu Lucius und seinem Meister hinüberwechseln würde.

Mit dem festen Vorsatz, sich nicht mehr Sorgen und Gedanken über das Thema zu machen als unbedingt nötig, begann er seinen Schultag, entschlossen, nun, da der Trank abgeschlossen war, seine ganze Aufmerksamkeit dem Unterricht zu widmen. Die Prüfungen rückten immer näher, mittlerweile waren es nur noch drei Monate bis zu seinem UTZ, und er wollte einen guten Abschluss, und das nicht nur, weil der Dunkle Lord das offensichtlich von ihm verlangte.

Sich zu konzentrieren war allerdings nicht einfach, besonders, weil in der Mittagspause, als er einen kurzen Abstecher in die Bibliothek machen wollte, Regulus Black unvermittelt hinter ihm auftauchte und ihn am Arm packte.

„Was war das gestern Nacht?“, fragte er harsch und kalt, und Severus unterdrückte ein Schnauben. Mittlerweile wusste wahrscheinlich jeder einzelne Schüler über den Angriff in der Nacht Bescheid, und die Sicherheitsmaßnahmen waren verstärkt worden. Auroren standen an jedem Eingang des Schlosses, und die Schüler konnten nur sehnsüchtig nach draußen auf die Ländereien starren, auf die die Sonne schien – nach draußen zu gehen stand für sie vollkommen außer Frage, das hatte Dumbledore in seiner Ansprache zum Frühstück klar gemacht.

„Was war was?“, entgegnete Severus nonchalant und wollte weitergehen, doch Regulus' Griff verfestigte sich und er schob ihn in eine Fensternische.

„Du weißt genau, was ich meine. Warum hast du mir nicht Bescheid gesagt?“

Severus hob die Augenbrauen. Natürlich, er wusste, dass Regulus verzweifelt versuchte, sich dem Dunklen Lord anzudienen, aber er hatte nicht gesagt, dass er ihm helfen würde, ihn nur an Lucius verwiesen, der die Anordnungen seines Meisters ohne Zweifel genau ausführte. Wenn Lucius ihn nicht gebeten hatte, den Infiltrationsversuch der Todesser zu unterstützen... nun, dann stand es schlecht um seine Chancen.

„Was hätte ich dir sagen sollen, Regulus? Dass es heute keine Steaks zum Mittagessen gibt, sondern Fisch?“ Die Häme in seiner Stimme traf den anderen Slytherin, doch nur für einen Moment, dann verhärtete sich sein Gesicht.

„Du weißt genau, was ich meine, Severus. Wenn du nicht für mich bist, dann bist du gegen mich.“

Die kaum versteckte Drohung beeindruckte ihn nicht wirklich, Regulus war selbst an seinen besten Tagen kein Gegner für ihn, und schon gar nicht, wenn er alleine und verzweifelt war.

„Was bringt dich auf den Gedanken, dass mich irgendetwas an dir dazu bringen würde, mich auf eine Seite zu stellen? Du weißt, dass wir beide uns selbst der Nächste sind.“

„Hilf mir!“ Es war eine Forderung, hinter der der Druck der Verzweiflung stand, aber Severus schüttelte den Kopf – so gut er verstehen konnte, dass Regulus sich den Todessern anschließen konnte... der Junge war eben nicht viel mehr als das. Vor einem Jahr hatte Lucius ihn selbst noch nicht in Betracht gezogen, und es war genau dieses Jahr, das die beiden trennte.

„Vergiss es. Ich werde dem Dunklen Lord nicht erklären, dass er ein Kind in seine Reihen aufnehmen soll, das nicht weiß, was es tut.“

„Kind“, zischte Regulus, und Severus spürte seinen Zauberstab an seiner Kehle, doch zu seiner Überraschung konnte er die Erinnerungen an dessen Bruder und Potter so schnell hinunterwürgen, wie sie aufgestiegen waren.

„Willst du mich verfluchen, weil ich die Wahrheit sage? Du bist nicht mehr als das. Du weißt nicht, wie grausam das Leben sein kann, so wie dich deine Mutter beschützt hat. Du bist Mamas Liebling, und nicht der große dunkle Zauberer, der zu sein du glaubst. Lass mich in Ruhe und verschwinde.“

Er gab dem Jungen einen Schubs, und Regulus stolperte nach hinten, die Art, wie er nicht einmal daran dachte, seinen Zauberstab zu benutzen, der beste Beweis dafür, dass er kein Todesser war und auch keiner sein sollte, und Severus wandte sich ab, stolzierte den Gang mit all der Arroganz, die er von Lucius Malfoy gelernt hatte, entlang, auf dem Weg in die Bibliothek.
 

Ein paar Tage später landete der Waldkauz erneut vor ihm, streckte mit einer herrischen Geste sein Bein aus, an das ein Brief, adressiert in Lucius' charakteristischer Handschrift, gebunden hing. Abwesend bot er dem Vogel einen Teil seines Frühstücks an, bevor er das Pergament öffnete, und zwei Seiten, gefüllt mit Lucius' entnervtem Monolog über Regulus Black, als Frühstückslektüre erhielt. Ganz offensichtlich wurden seine Briefe bittender und drängender zugleich, so wie seine Reaktionen Severus gegenüber, und auch Mrs Black hatte sich mittlerweile an Narzissa gewandt, sie gebeten, eine Einladung an ihren Sohn für die Ostergesellschaften auszusprechen, für die sich das Haus Black natürlich erkenntlich zeigen würde.

Narzissa hatte abgelehnt, anmutig und elegant wie immer, aber doch. Das Haus Black war, auch durch seinen verlorenen Gryffindor-Sohn, auf dem absteigenden Ast, hatte Vermögen verloren, ähnlich wie die Princes, die mittlerweile, bis auf Severus und einen ältlichen Großonkel, vollkommen ausgestorben waren. Die Malfoys hingegen stiegen auf, und Narzissa und ihre Schwester, die Rodolphus Lestrange geheiratet hatte, waren beide froh, der Abwärtsspirale entkommen zu sein. Auch um der Familienbande willen würden sie nicht den Unmut des Dunklen Lords riskieren, nur um einen Jungen in seine Reihen aufzunehmen, von dessen Kompetenz sie selbst nicht überzeugt waren.

So sehr Severus die Frau seines Freundes auch verstehen konnte, ihre Entscheidung für ihn bedeutete, dass Regulus ihn nur noch mehr bedrängen würde, denn mittlerweile musste der Junge verzweifelt sein. Natürlich, ein Jahr Schule lag noch vor ihm, aber die Zukunft danach sah düster aus... Regulus hatte keine herausragenden Kompetenzen, die ihm trotz der Schande seines Hauses Anstellung und Anschluss sichern würden, so wie es Severus gelungen war, und was nach seinem UTZ geschehen würde... Severus wusste es nicht.

Er war nicht überrascht, als er an einem Abend Mitte März, als er sich früh in seinen Schlafsaal zurückzog, um sein Essay für Slughorn in Ruhe zu überarbeiten, Regulus Black auf seinem Bett sitzend vorfand, umgeben von der Aura der Verzweiflung. „Severus, bitte. Du musst mir helfen!“

„Ich muss gar nichts“, entgegnete er kühl, und die Vorstellung, dass er mit seiner Ablehnung nicht nur ihm, sondern auch dem Jungen etwas Gutes tat, half ihm, fest zu bleiben.

„Bitte.“

Regulus sank vor ihm auf die Knie, und Severus schoss der zusammenhangslose Gedanke durch den Kopf, dass er vielleicht doch kein so schlechter Todesser sein würde, so wie er kroch. Ein Teil von ihm sonnte sich in dem Anblick... Regulus Black, der ehemals reiche Reinblüter, aus gutem Hause, vor ihm auf den Knien... aber dann sah er den Jungen, und Mitleid wallte in ihm auf, für einen Moment.

Er bückte sich und packte Regulus an den Schultern, zog ihn hoch auf die Bettkante, wo er ihn zwang, sich hinzusetzen, und zu seinem entsetzen Tränen in seinen Augen sah. Er hasste Tränen – er konnte schon bei Lily nicht damit umgehen, wenn sie schniefte und schluchzte, und bei Regulus... Ihn in den Arm zu nehmen stand außer Frage, also schüttelte er ihn. „Reiß dich zusammen!“, fauchte er, und der autoritäre Tonfall schien zu wirken, denn Regulus richtete sich aus seiner zusammengesunkenen Haltung ein wenig auf.

„Ich sage es dir ein Mal, und nur ein einziges Mal, Regulus. Ich kann dir nicht helfen, und ich werde dir nicht helfen. Wenn du dich dem Dunklen Lord anschließen möchtest, dann musst du deinen eigenen Weg finden, musst dich ihm auf deine eigene Weise empfehlen. Wenn du das nicht schaffst, dann wirst du keinen Platz in seinen Reihen finden. Lucius wird dich ihm nicht vorschlagen, und ich auch nicht, sollte ich je in eine Position kommen, die dazu einflussreich genug ist.“

Regulus starrte ihn an, und Severus sah, wie sich tiefe Hoffnungslosigkeit in seinem Blick einnistete.

„Hast du mich verstanden?“

Der junge Slytherin nickte.

„Gut – glaub mir, so ist es besser für dich. Und jetzt verschwinde, und lass mich für den Rest des Schuljahres in Ruhe.“

Regulus reagierte nicht, und erst, als Severus ihn an der Schulter rüttelte, nickte er, auch wenn Severus sich nicht sicher war, ob das vielleicht doch nicht eine unwillkürliche Bewegung seines Kopfes war. Dann stand er auf, mit steifen Beinen und abwesendem Blick, und verschwand langsam, wie ein Toter, durch die Tür, hinauf in seinen eigenen Schlafsaal.



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