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Nebel über Hogwarts

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Wahrheiten

Nebel über Hogwarts – Kapitel 16: Wahrheiten
 

Severus Snapes Gefühlswelt konnte sich nicht entscheiden, ob sie nun wütend auf ihn selbst oder auf Lily Evans sein sollte, während er konzentriert die Wand seines Schlafsaales anstarrte. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung der anderen Häuser, dass die persönlichen Räume der Slytherins ebenso kalt und kahl wären wie ihr Gemeinschaftsraum und die umliegenden Gänge der Kerker, hingen hier in den Farben des Hauses gehaltene Teppiche an den Wänden und auch der Steinfußboden fühlte sich warm an, bildete einen starken Gegensatz zum kalten Licht der grünlichen Kugellampen, auch wenn die Möblierung nur spärlich war.

Als er nach Hogwarts gekommen war, hatte er die spartanische Ausstattung des Slytherin-Gemeinschaftsraumes als normal empfunden, da auch sein Elternhaus und die Nachbarschaft seiner Kindheit nicht gerade vor Gastfreundschaft gesprüht hatten. Im Gegenteil, in Slytherin fühlte er sich akzeptiert, willkommen, und erst aus Lilys Erzählungen hatte er erfahren, dass zumindest Gryffindor seinen Schülern ein freundlicheres, wärmeres Gesicht von Hogwarts zeigte. Damals hatte er sich ein wenig betrogen gefühlt, enttäuscht, dass er eine Gelegenheit verpasste, eine wirkliche Familie zu finden... doch diese Bitterkeit war gewichen, als er festgestellt hatte, dass jene Familie wohl zum größten Teil aus Potter, Black und Anhang bestanden hätte. Danke, darauf konnte er wirklich verzichten.

Langsam ließ er das schwere Zaubertränkebuch aus der Bibliothek, das er zu lesen versucht hatte, zuklappen und auf sein Bett fallen. Niemand war hier außer ihm, seine Schlafsaalkollegen waren alle bereits zum Mittagessen gegangen und es bestand keine Notwendigkeit mehr, eine Tätigkeit vorzutäuschen, um in Ruhe nachdenken zu können. Severus selbst fühlte keinen Hunger, auch wenn er wusste, dass es vernünftig wäre, etwas zu essen, konnte er sich nicht dazu durchringen, aufzustehen und in die große Halle zu gehen, wo nur neugierige Blicke und Getuschel auf ihn warteten.

Severus war immer stolz darauf gewesen, dass er es geschafft hatte, sich sieben Jahre lang aus dem Klatsch und Tratsch, den Gerüchten und den Pärchenspekulationen herauszuhalten, doch damit war jetzt Schluss. Ganz wie er befürchtet hatte, hatte man ihn und Lily über den Brief und ihren – das musste er zugeben – nicht besonders leisen Streit miteinander in Verbindung gebracht, doch nicht so, wie er eigentlich erwartet hatte. Statt an die Sache mit Devers zu denken waren die Spekulationen seiner Schulkollegen in eine ganz andere Richtung geeilt und den pointierten Kommentaren der anderen Slytherins nach machte die Geschichte seiner tragischen – weil unerwiderten – Liebe zu Lily Evans bereits in ganz Hogwarts die Runde. Dass Nathan Devers sich den Worten von Madame Pomfrey nach mittlerweile auf dem Weg der Besserung befand und Regulus Black plötzlich viel weniger Zeit mit seinen Freunden und mehr Zeit mit dem Putzen von Kesseln, dem Kleinschneiden von Zaubertrankzutaten und dem Jäten von Unkraut in den Gewächshäusern beschäftigt war, war da auch nur ein schwacher Trost. Zu lebhaft spielte ihm seine Fantasie vor, was James Potter mit ihm anstellen würde, wenn er ihn in die Finger bekäme. Der Gryffindor war schon eifersüchtig gewesen, als zwischen ihm und Lily nicht mehr als Freundschaft gewesen war, doch alleine der Gedanke an einen Liebesbrief von ihm an seine Angebetete musste ihn wütender machen, als es Severus Recht sein konnte.

Und da war dann noch die Sache mit Lily selbst... noch immer konnte er den Abdruck fühlen, den ihre Finger auf seiner Wange hinterlassen hatten, wenn er nur an sie dachte, auch wenn ihm klar war, dass jegliche physischen Spuren mittlerweile verschwunden sein mussten. Bis zu dem Moment, in dem sie ihn geschlagen hatte, war Severus nicht klar gewesen, wie froh, wie erleichtert er gewesen war, dass Lily wieder mit ihm sprach, sie wieder gemeinsam an einer Sache arbeiten konnten wie früher, auch wenn die nagende, kleine Stimme in seinem Hinterkopf behauptet hatte, dass sie das wegen Devers und nicht seinetwegen tat.

Jetzt war die Chance, die sie gehabt hatten, verschwunden, verschluckt von seinem mangelnden Vertrauen in Lilys Integrität und Verschwiegenheit, und er hasste sich selbst dafür, dass er die Gelegenheit, ihr wieder näher zu kommen, nicht genutzt hatte.

Dass sie ihn wirklich nicht an Dumbledore verraten hatte, obwohl sie in ihrem kurzen Streit – Gespräch konnte man es nicht nennen – klar gemacht hatte, dass sie nicht seiner Meinung war und seiner Einschätzung nicht zustimmte, war nur ein weiterer Stich, der ihm erst jetzt, im Nachhinein, klar machte, wie sehr nicht nur er sie, sondern auch sie ihn gemocht hatte. Aber jetzt... jetzt musste sie sich allein bei dem Gedanken daran, dass der Großteil aller Hogwartsschüler sie mit ihm verknüpfte, vor Scham im Boden versinken.

Lily war nett, sie war Schulsprecherin, schrieb gute Noten, holte Punkte für ihr Haus, hatte viele Freunde und Bekannte – kurz und gut, sie war, was die Beliebtheitsskala der Schule anging, genau am anderen Ende anzusiedeln wie er selbst.

Severus ließ sich auf das Bett zurückfallen, starrte für einen Moment den grünen Stoffhimmel über ihm an, dann schloss er die Augen und schlug auf die Decke ein, wieder und wieder und wieder, prügelte seine Wut auf sich und die Welt hinaus, bis er sich nur noch leer und erschöpft und fürchterlich einsam fühlte.
 

So sehr Severus die Woche über auch versucht hatte, sich vor Lily zu verstecken, am Donnerstag endete seine Glückssträhne abrupt. Schon seit der dritten Klasse belegten sie gemeinsam Alte Runen, doch während es ihm in Zaubertränke, Zauberkunst und Verteidigung gegen die Dunklen Künste dank der größeren Anzahl an Schülern gelungen war, sie zu vermeiden, hatte er hier keine Chance dazu.

Alte Runen wurde außer von ihnen beiden nur noch von zwei Hufflepuffs und einer Ravenclaw belegt, und schon während sie vor dem Klassenzimmer im vierten Stock warteten, relativ weit voneinander entfernt, fühlte es sich an, als ob sie sich anschweigen würden. Das Gefühl vertiefte sich nur noch, als Professor O'Leary mit ihnen nach drinnen ging, Severus und Lily zur gemeinsamen Übersetzung eines Runentextes über die Anwendungen von Misteln in Zaubertränken einteilte und sie sich beide über das alte, verblichene Pergament lehnten und sich nicht dazu durchringen konnten, miteinander zu sprechen.

Zu Severus' Überraschung war er selbst es, der das Schweigen brach und sich leicht räusperte, so oft hatte er sich in den letzten Tagen vorgestellt, sich bei Lily zu entschuldigen, wenigstens zu versuchen, das, was er getan hatte, zu erklären, doch jetzt spielte ihm sein Stolz einen Streich. Die Worte wollten und wollten nicht über seine Lippen kommen, obwohl er sie sagen wollte, und schließlich war es Lily, die ihm die Entscheidung abnahm.

„Ich war so dumm, weißt du das?“ Ihre Stimme klang leise, fast verloren, während sie auf die Runen vor ihnen starrte, auf die sie sich eigentlich konzentrieren sollten. „Ich wollte so sehr das Richtige tun, dass ich mir gar nicht überlegt habe, was überhaupt richtig sein könnte... und du musstest darunter leiden, dass ich nicht nachgedacht habe und du schon. Es tut mir leid, Severus... so leid...“

In ihren Augen schimmerten mittlerweile die Tränen und er blickte sich kurz um, Professor O'Leary war gerade damit beschäftigt, einen Stapel Arbeiten auf ihrem Schreibtisch zu korrigieren, und auch die anderen Schüler wirkten abgelenkt genug von ihren Übersetzungen. Vorsichtig griff er nach ihrer Hand, drückte sie leicht, die Geste wirkte auf ihn selbst ungewohnt, merkwürdig und fremdartig, wie etwas, für das seine Finger nicht gemacht waren, doch Lily schien sich nicht daran zu stören. „Mir tut es auch leid.“ Interessant, wie einfach es war, zu antworten, nachdem bereits ein Anfang gemacht war. „Ich hätte dir auch vertrauen sollen... ich meine, ich kenne dich schon so lange und trotzdem... ich hätte nicht an dir zweifeln sollen.“

Lily schüttelte den Kopf. „Wieso solltest du dich dafür entschuldigen? Ich war mir doch selbst so sicher, dass ich zu Dumbledore gehen würde, und wenn du mir nicht den Kopf zurecht gerückt hättest, hätte ich doch alles brühwarm ausgeplaudert. Nicht, dass es einen Unterschied gemacht hätte.“

„Was meinst du?“ Severus hob die Augenbrauen, er hatte sich zwar gewundert, dass Lily nicht bestraft worden war, hatte das allerdings auf ihre Überredungskünste geschoben. „Ich meine, dass Regulus momentan mit Tonnen von Strafarbeiten beschäftigt wird, ist klar... aber ich dachte, das wäre wegen irgendeinem Vorkommnis im Unterricht oder einem Streich gewesen. Wenn der Direktor wüsste, dass er Devers angegriffen hat, wäre er doch schon längst von der Schule geworfen worden.“

Lily zuckte unbehaglich mit den Schultern. „Ich bin mir selbst nicht sicher... aber Dumbledore hat so gar nicht überrascht gewirkt, als er das Pergament gelesen hat, und hat auch nicht wirklich versucht, herauszufinden, was ich weiß... und als ich ging, meinte er noch, dass ich dir bestellen sollte, dass die 50 Punkte für Slytherin, die am Dienstagmorgen alle bemerkt haben, für dich wären. Von da her würde es mich nicht wundern, wenn er auch noch mehr wissen würde.“

Severus kniff die Lippen zusammen, natürlich hatte er auch die Veränderung des Punktestandes bemerkt, sie allerdings nicht wirklich beachtet, da er zu diesem Zeitpunkt damit beschäftigt war, Gerüchte über sich selbst zu dementieren. Allerdings... wenn er sich die Sache genauer überlegte, ergab sie eigentlich schon Sinn.

„Hm... wenn Dumbledore weiß, dass ich dir das Rezept gegeben habe, dann hat er höchstwahrscheinlich auch begriffen, dass ich es von einem Slytherin habe. Und wenn er dann die Liste der Kandidaten durchgeht, die in Frage kommen, fällt ihm sicherlich sofort Black ein... er ist im Moment der Einzige aus einem der größeren, alten Reinblüterhäuser in Slytherin, mit der Ausnahme von Rabastan Lestrange, und bei dem frage ich mich manchmal, ob er sich überhaupt alleine die Schuhe zubinden kann.“ Lily kicherte leise, ein Laut, der wie Musik in seinen Ohren klang.

„Also hat er vielleicht keine Beweise, um Regulus von der Schule zu werfen, aber um ihn in Zukunft von weiteren Umtrieben abzuhalten, hat er ihm eine kleine Beschäftigungstherapie auferlegt. Wobei...“

Severus schürzte die Lippen und starrte für einen Moment ins Leere, unsicher, was er sagen sollte. Zwar hatte er eben zugegeben, dass er Lily hätte vertrauen sollen, doch es gab Dinge, die er ihr nicht erzählen wollte, um ihrer eigenen Sicherheit willen... Dinge, die den Dunklen Lord betrafen und die Angebote, die er ihm gemacht hatte.

„Wobei was?“ Sie versuchte, neugierig zu wirken, doch aus ihren Augen leuchtete die Sorge, und nach einem Augenblick begriff er, dass er es war, um den es ging – diese Kleinigkeit gab den Ausschlag.

„Wobei es natürlich auch sein kann, dass ich Dumbledore von Anfang an vollkommen unterschätzt habe... was bedeuten würde, dass du Recht hättest, was deine hohe Meinung über ihn angeht. Wenn Dumbledore weiß, dass Regulus Devers angegriffen hat, und sich der Tatsache bewusst ist, dass der kleine Black versucht, sich dem Dunklen Lord anzudienen, dann hat er ihn höchstwahrscheinlich nicht von der Schule geworfen, um ihn weiterhin kontrollieren und im Auge behalten zu können, was ein wirklich genialer Schachzug wäre.“

Lily zuckte zusammen. „Du meinst, er möchte sich Du-weißt-schon-wem anschließen?“ Der Schrecken in ihren Augen überraschte Severus, nach den Ereignissen des letzten Jahres hatte er gedacht, dass auch dem dümmsten Hogwarts-Schüler klar wäre, dass die Schule vor der Welt da draußen nicht sicher wäre, doch offensichtlich hatte er sich getäuscht. Und er beschloss, Lily nicht, niemals, unter keinen nur irgendwie denkbaren Umständen zu erzählen, dass er ebenfalls ein solches Angebot erhalten hatte und ernsthaft darüber nachdachte, es anzunehmen.

„Ja, ich denke, das möchte er, und gleichzeitig versucht er, seine Hauskollegen von seiner Sache zu überzeugen und sie ebenfalls zu diesem Schritt zu ermutigen. Rabastan Lestrange hilft ihm dabei, ich denke, sein älterer Bruder ist bereits ein Todesser und hat ihn dazu überredet. Der Angriff auf Devers bekommt in diesem Zusammenhang natürlich auch einen ganz neuen Sinn... der Junge war immer sehr gemäßigt und hat sich, obwohl er ein Reinblüter ist, nie auf die Vorurteile und das überhebliche Denken eingelassen, weswegen er wahrscheinlich auch Vertrauensschüler geworden ist. Wahrscheinlich hat Regulus versucht, ihn auszuschalten, um besser Fuß fassen zu können und Pluspunkte bei Lucius und seinen Freunden zu bekommen.“

„Also ist Malfoy auch schon beigetreten? Ihr habt euch doch gut verstanden, als er noch in Hogwarts war, oder?“

Severus nickte, auch wenn ihre Frage viel zu nahe an der Wahrheit vorbeischrammte, als dass er sich noch behaglich fühlen könnte. „Wahrscheinlich schon seit einiger Zeit, ich bin mir nicht ganz sicher...“

Für einen Moment breitete sich Schweigen zwischen ihnen aus und Severus war schon kurz davor, das Gespräch als beendet abzuhaken, als Lily ihn noch einmal ansah, ihn mit ihrem Blick regelrecht durchbohrte. „Pass auf dich auf, Severus. Bitte.“

Er konnte ein Zusammenzucken nicht vermeiden, so viel Angst lag in den wenigen Worten, so viel Gefühl, und mit trockenem Mund nickte er. „Versprochen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  rikku1987
2014-01-18T14:21:31+00:00 18.01.2014 15:21
Tolle Story aber ich bin von dir ja nichts anderes gewohnt


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