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Kaltherzig

Kronenmord
von

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In der Höhle

„Rebecca, mach zum Teufel die Augen auf!“, hörte ich nur die allzu präsente Stimme Tristans über mir schreien.

Meine Glieder waren mehr als nur schwer, und meine Kehle fühlte sich ausgedörrt und brüchig an. Ich brauchte Blut und zwar dringend, denn diese verdammte Ich-stell-mich-tot-Nummer hatte mich eindeutig mehr Kraft gekostet, als ich gedacht hatte.

„Rebecca!“ Ich wurde an den Schultern gepackt und heftig durchgerüttelt. Mein Kopf dröhnte unter diesen hektischen Bewegungen. Es war noch immer unglaublich dunkel und meine Lungen hatten seit langer Zeit keinen Sauerstoff mehr zu sich genommen.

Mein Herz blieb still und noch immer konnte ich vage den Schmerz spüren, der mich in meinem bitteren Krieg heimgesucht hatte.

Ich musste aufwachen! Sofort!

Ich spürte wie sich meine Finger in Haut bohrten. Ob es die meine war, oder die eines Anderen wusste ich nicht und im Augenblick interessierte es mich auch nicht im Geringsten.

Ein Schlag auf meine Brust. Warme Lippen die sich auf meine legten und mir Luft in die Lungen pumpten.

Ein zweiter Schlag – mein Herz.

Luftschnappend riss ich die Augen auf, bog meinen Rücken vollends durch und blickte in die warmen braunschwarzen Augen meines neuen Gefährten, der mich mit erleichterter, aber auch sorgenvoller Miene musterte.

„Tristan“, flüsterte ich mit krächzender Stimme und warf mich ihm in die Arme, auch wenn jeder Muskel meines Körpers protestierte.

„Scheiße, Rebecca. Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein!“, sagte er bestimmend und vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Zitterte er etwa? Oder war ich es, die sich nicht im Zaum halten konnte?

Die eiskalte Klaue, die mich festgehalten hatte, löste sich allmählich unter der zärtlichen Umarmung meines Gegenübers und ließ mich, bedächtig langsam, ausatmen.

Sanft strich er mir noch einmal über meinen Rücken und ging dann einen Meter auf Distanz. Prüfend blickte er mir in die Augen, ehe er sich zögerlich einer anderen Person im Raum zuwandte.

Automatisch versuchte ich mich zu orientieren. Ich befand mich in einem relativ kleinen Raum, oder sollte ich es eine Höhle nennen? Auf jeden Fall war es nicht zu vergleichen mit den Zimmern im Schloss.

Der Raum wurde von vereinzelten Fackeln erleuchtet, so dass es mir nicht sonderlich schwer viel etwas zu erkennen, aber auch in völliger Dunkelheit wäre das kein Problem gewesen. Ansonsten waren die Wände, ebenso der Boden, kahl und grau; ein schmuddeliger Tisch stand in der Mitte, auf dem eine Vielzahl von langen Rollen und Büchern lagen. Ein kleiner Hocker befand sich direkt dahinter. Ich lag auf etwas Weichem; eine Decke aus Fell oder etwas derartigem und in einer abgerundeten Ecke thronte eine finstere Gestalt, die mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Glühende türkisfarbene Augen durchbohrten mich mit ihrem lauernden Blick und bescherten mir ein mulmiges Gefühl im Magen, dass ich sonst nur in der Gegenwart der Königsfamilien verspürt habe.

An der unterkühlten Luft um uns herum konnte ich mehr als nur sicher feststellen, dass dieser Mann kurz davor stand mich mit tödlicher Effizienz anzuspringen und mir den Kopf vom Hals zu reißen. Es würde mich nicht wirklich überraschen, wenn das tatsächlich seine Gedanken wären.

Ich versuchte so gelassen und kalt wie nur möglich zu wirken; konnte richtig spüren wie mein Gesicht anfing zu gefrieren und diese gefährliche, nichts sagende Miene annahm. Nicht umsonst hatte man mich in meiner Jugend die Eisprinzessin genannt.

Ein räuspern lenkte mich für einen kurzen Moment aus meiner Starre, ehe sich ein mir nur zu gut bekannter Rücken vor mich schob und mir die Sicht auf das tollwütige Etwas nahm.

Tristan hob beruhigend die Hände, dann drehte er sich mir halb zu und legte behutsam einen Arm um mich.

Aus der dunklen Ecke hörte ich ein tiefes Knurren.

„Rebecca, das ist unser Rudelführer – Logan. Logan, das ist Rebecca DelMar, die Schwester der Königin der Blu- ... äh, Vampire“, verbesserte sich mein Gefährte schnell und warf mir einen schnellen Blick zu, der mich beinahe aufseufzen ließ. Er machte sich sorgen. Wunderbar. Genau das, was mir in dieser heiklen Situation noch fehlte.

Logan, dessen Gesicht ich erst erkennen konnte, nachdem er aus dem flackernden Schatten herausgetreten war, musterte mich mit ungezügeltem Abscheu von oben bis unten. Seine Augenbrauen waren tief nach unten gezogen, ebenso wie seine Mundwinkel.

Wenn er es so offen darauf anlegte, dann würde ich mich ebenfalls nicht zurückhalten ihn ein bisschen genauer zu betrachten und ließ meinen Blick ungeniert über den nackten Oberkörper seiner wölfischen Majestät schweifen.

Dichtes Narbengewebe verlief in gezackten Linien über seine stramme Brust; sein Hals sah wirklich einladend köstlich aus, wie die verbotene Frucht Edens; seine Gesichtszüge waren hart und messerscharf, und eine dünne, kaum sichtbare Narbe, zog sich seinen Mundwinkel abwärts hinab. Seine Augen schienen bereits so einiges erlebt zu haben und ich bildete mir sogar ein, dass sein linkes Auge sogar etwas dunkler war, als das Andere. Sein pechschwarzes Haar war kurz und vollkommen ungeordnet.

Im Großen und Ganzen war er einfach nur beängstigend. Das Tier im Manne, dachte ich grimmig. Oder umgekehrt.

„Sie kann nicht hier bleiben, Tristan. Was hast du dir nur dabei gedacht?“, hörte ich Logan grollen und spannte mich automatisch an. Sein Ton war vorwurfsvoll und drohend, und ich konnte die Schuldgefühle, die in mir aufwallten, nicht vollends unterdrücken.

„Sie gehört mir!“, erwiderte der Angesprochene bissig. „Ich habe sie erwählt und ihre Rasse ist mir dabei scheißegal!“

„Die Weibchen reißen sich darum in deiner Nähe zu sein, und was tust du?! – Du schleppst einen Blutsauger mitten in unser Versteck! Sie benutzt dich doch nur! Sei nicht so blind und schalte deinen Verstand ein!“

Ich zischte leise, was mir einen wütenden Blick Logans einbrachte, der mich herzlich wenig interessierte. Wie konnte er nur glauben, ich würde Tristan ausnutzten?! Ich war kein so herzloses Biest wie meine geliebte Schwester, die beinahe jede Woche ein neues Männerherz zerschmetterte.

Tristan lachte bitter und drückte mich fester an sich. „Verdammt Logan, sie hat die Wolfsjungen verschont und Christian und Gerard aus dem Kerker befreit! Seit sie die Grenze bewacht, ist nicht auch nur ein Werwolf zu Schaden gekommen!“

Logan öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Tristan kam ihm erneut unwirsch zuvor. „Und wenn du jetzt behauptest, es wäre alles nur ein Trick um mein Vertrauen zu erschleichen, kennen wir uns schlechter als ich gedacht hatte.“ Der Rudelführer spannte sich an, seine Gesichtszüge verzerrten sich etwas. „Du weißt, dass ich Becca nicht mehr verlassen werde. Wenn sie also nicht bleiben kann, dann werde ich ihr auf jeden Fall folgen.“

In diesem Moment schaltete ich mich ein. „Nein, Tristan! Wenn ich hier nicht erwünscht bin, dann ist es nun einmal so, aber deshalb werde ich bestimmt nicht zu lassen, dass du deine Familie für jemandem wie mich aufgibst, verstanden?“ Meine Stimme klang ungewollt fordernd, aber ich würde nicht locker geben.

Mein Gefährte murmelte etwas Unverständliches und sah zwischen mir und Logan hin und her. „Du lässt dich wohl nicht umstimmen, was?“, fragte der türkisäugige Krieger seinen Freund und schien deutlich an seinem Verstand zu zweifeln.

Dieser grinste nur verschmitzt und schmatzte mir einen Kuss gegen die Schläfe, der mich ein kleines bisschen erröten ließ. Bei meinem Blutmangel konnte man nicht mehr von mir erwarten. Außerdem war schon längst Tagesanbruch. Ich spürte es an der schleichenden Müdigkeit die mich schwächte.

„Ich kann dir nichts versprechen, Tristan, aber für das Erste werde ich ihren Aufenthalt hier akzeptieren, sofern du dich nicht von ihr ... ablenken lässt und weiterhin mit uns auf die Jagd gehst.“

Mein Wolf runzelte die Stirn und legte seine Hand in meinen Nacken, ehe er gehorsam nickte und sich langsam mit mir erhob. Etwas wackelig auf den Beinen stützte ich mich an Tristan ab, der seinen Arm um meine Taille schlang und mich zu einer engen Spalte im Gestein führte.

„Ich werde noch mit einigen der Jäger sprechen müssen, bis dahin wäre es angebrachter, wenn du sie nicht aus deinem Zimmer lässt“, hörten wir noch Logan nach rufen, der danach eine Reihe saftiger Flüche ausstieß.

Tristan schob mich durch den ziemlichen engen Spalt, durch den er selbst seitlich hindurch musste, und packte mich dann auf der Stelle am Arm, als ich mit einem heißeren Laut das gewaltige Ausmaß der Höhle vor mir sah.

„Herr im Himmel“, hauchte ich ehrfürchtig und klammerte mich fest. Die Gesteinshöhle war ein riesiges ausgehöhltes Ei, deren gegenüberliegende Seiten, jede Etage, mit einer gemeißelten Brücke verbunden wurde. Die Ringe aus feurigen Fackeln, kennzeichneten die jeweiligen Etagen; insgesamt achtzehn, zählte ich unglaubwürdig und widerstand dem Drang mir die Augen zu reiben. Ganz unten konnte ich einen sehr langen Tisch, mit jeweils zwölf Stühlen, erkennen; ähnlich wie der, der in der Schlossbibliothek stand.

„Beeindruckend, nicht wahr?“, hauchte Tristan hinter mir und schlang die Arme um meinen Bauch, dann ließ er mich etwas nach vorne beugen, damit ich einen besseren Blick bekam. Im siebten, dritten und zweiten Stock, bemerkte ich eine Vielzahl von Werwölfen in Menschengestalt, die mit schnellen Schritten hin und her eilten.

„Komm“, sagte er, nahm mich an der Hand und führte mich über die schmale Brücke. Gleich darauf schlichen wir erneut durch eine kleine Höhle, an deren Wände sich merkwürdige Schnörkel, Zacken und Linien aufwiesen. Mit meiner freien Hand strich ich, während wie uns weiterbewegten, über die eingeritzten Formen und erkannte bald ein System darin, dass ich allerdings nicht ganz entschlüsseln konnte.

Rätsel und Labyrinthe waren für mich schon immer ein Leichtes gewesen, aber um diese Karte entschlüsseln zu können, würde ich einige Tage, wenn nicht sogar Wochen, benötigen.

Allerdings stand nicht mit Sicherheit fest, dass ich mich auch so lange hier aufhalten würde. Wenn sich Logan nun doch anders entschied? Oder die anderen Werwölfe auf mich aufmerksam wurden?

Ich konnte es vielleicht gleichzeitig mit sieben oder acht von ihnen aufnehmen, aber gleich eine ganze Horde? Wohl kaum. Dafür reichten selbst meine Fähigkeiten nicht aus, und in diesem jämmerlichen Zustand schon gar nicht.

Manchmal kamen wir wieder an diesen seltsamen Spalten vorbei, wobei ich mir mittlerweile vorstellen konnte, dass sich dahinter ebenfalls Räume befanden.

Wir marschierten nach links und rechts, dann wieder links ... und irgendwann war ich es leid, meine Gedanken mit dieser sinnlosen Vorsicht zu verschwenden, denn entweder würde ich den Morgigen Abend überleben ... oder eben nicht.

Ich legte mein Leben hiermit in Tristans Hände; solle er damit machen was auch immer er wollte.

„Wo sind alle?“, fragte ich nach einiger Zeit und sah mich neugierig um. Tatsächlich war keine Wolfsseele weit und breit zu entdecken. Und vor einer einzelnen Vampirin würden sie sich doch kaum verstecken oder? Geschweige denn sie wüssten, dass ich mich hier befand.

„Die meisten von ihnen schlafen wahrscheinlich und die anderen werden entweder in der Küche, im Trainingsraum oder bei den Kindern sein“, antwortete Tristan. Er schien angespannt zu sein, versuchte es aber so gut es ging vor mir zu verbergen.

Ich seufzte leise und rieb mir den Nacken. Es stimmte mich traurig ihn so sorgenvoll zu erleben, und es würde mich noch trauriger machen, wenn ich ihn verlassen müsste. Ich hatte beinahe mein ganzes Leben einsam verbracht, machte es dann einen Unterschied ob ich eine weitere Person verlor?

Wenn es sich um Tristan handelte, dann ja. Verdammt. Ich hasste es so weich zu sein. Diese neue Eigenschaft zeigte eine Schwäche, die ich mir bei bestem Gewissen nicht leisten konnte.

Schon seit einer Weile hörte ich jemanden hinter uns her schleichen. Da es allerdings nur ein ziemlich leises Geräusch war, dass die Person von sich gab, war es auszuschließen, dass Tristan das Mädchen – ich ging davon aus, dass es eines war – noch nicht bemerkt hatte. Und wahrscheinlich konnte sie meinen Duft auch nicht einordnen, so dass sie nicht wissen konnte mit wem sie es hier zu tun hatte.

Ich hatte noch nie einen weiblichen Werwolf zu Gesicht bekommen. Diese sollten, laut unseren Quellen, äußerst selten und begehrt sein. Wenn meine Berechnungen stimmten, dann waren nur zwei von zehn Neugeburten Mädchen. Woran das lag, konnte mir bis jetzt niemand sagen. Vielleicht konnte ich dies nun bald nachholen.

Ein erfreutes aufkreischen ließ Tristan erschrocken stillstehen. Schnell zog er mich hinter sich und beugte sich leicht nach vorne, um jeden anzuspringen der auch nur zu nahe tritt. Als er allerdings die hübsche Jugendliche, mit der blondbraunen Sturmfrisur und dem engelsgleichen Lächeln auf den Lippen, entdeckte, entspannte er sich beinahe sofort.

„Tristan!“, jauchzte das schmächtig wirkende Mädchen und warf sich in die Arme meines Gefährten. Ich nahm einigen Abstand, damit ich dem Verlangen nach Blut etwas Einhalt gebieten konnte.

Der Werwolf lächelte gütig und umarmte das Bündel in seinen Armen fest. Sie war beinahe zwei Köpfe kleiner als Tristan und wirkte wie aus einem Märchenbuch entsprungen. „Katarin!“, erwiderte er erstaunt und hielt sie eine Armesbreite von sich weg. „Sag, was machst du hier? Solltest du nicht bei Camelin sein?“

Der kleine Engel schüttelte beleidigt den Kopf und zog einen Schmollmund. „Mama lässt mich nie aus den Augen. Das nervt! Ständig muss sie mein Kindermädchen spielen, dabei bin ich schon beinahe Vierzig!“, jammerte sie mit ihrer klangvollen Stimme und kuschelte sich wieder in seine Arme.

Interessant. Mit Vierzig waren die Wolfskinder also noch immer nicht erwachsen. Vampire brauchten mindestens hundert Jahre, um als Volljährig zu gelten und selbst dann wurden sie diskriminierend behandelt, da diese ihren Blutdurst noch immer nicht ganz unter Kontrolle hatten und leicht in Rage gerieten.

Endlich wurde Katarin auch auf mich aufmerksam und musterte mich prüfend.

Ich hatte mir meine Kapuze über den Kopf gezogen, damit sie mich nicht auf den ersten Blick als Vampirin enttarnte. Ich bezweifelte, dass es hier auch nur eine Person mit schneeweißem Haar und blutroten Augen gab.

„Wer ist das?“, fragte sie, mit deutlichen Missgunst, und deutete mit dem Finger auf mich. Unhöfliches Gör.

„Ich bin Becca“, kam ich Tristan zuvor, der fragend den Kopf zur Seite legte; aber so ich gern ich es vermieden hätte, dass mein Wolf alles hinausposaunte, ließ er sich von mir stoppen.

„Sie ist meine Frau“, sagte er mit einem unübersehbaren stolzen Grinsen im Gesicht und schlich zu mir herüber, nur um sich dann wie ein Schmusekater an mich zu schmiegen und mir die röte ins Gesicht zu treiben. Zum Glück konnten die beiden mein Gesicht in diesem Moment nicht erkennen.

In meinem alten Leben, hätte ich mich praktisch ins Grab geschämt. So ein Benehmen war einfach untypisch für gefühlskalte Kreaturen der Nacht, aber ich konnte nichts mehr daran ändern.

Ich hatte mich Hals über Kopf in meinen Feind verliebt.

Katarin zischte und wich einen Schritt zurück. Das hübsche Engelsgesicht verwandelte sich in eine teuflische Fratze. „Was?!“, kreischte sie schrill. „Du ... – Moment!“

Sie trat wieder vor, beugte ihren Oberkörper leicht nach vorne und rümpfte die Nase, ehe sie mit blanken Entsetzten fauchte und gefährlich die Zähne fletschte.

Katarins Gesicht hatte sich um eine weitere Nuance verdunkelt und ein gefährliches Knurren drang aus ihrer Kehle. Merkwürdigerweise machte sie mir beinahe mehr Angst als Leonore, aber wie immer war ich zu stur, um zurückzuweichen. Vielleicht lag es daran, dass ich mich gerade einer völlig neuen Version meiner Schwester gegenübersah.

„Halte dich zurück, Katarin!“, knurrte Tristan und stellte mich wieder einmal in den Hintergrund. Als ob ich meine Kämpfe nicht alleine austragen könnte. Man erinnere sich an das kleine Biest Evelyn Firewall.

„Sie ist ein Monster! Sie muss getötet werden!“

„Krümme ihr auch nur ein Haar und du wirst es bitter bereuen“, grollte mein Gefährte, und ließ mich erstarren. Gerade eben hatte er sich genauso bedrohlich angehört wie Logan.

„Aber sie ist doch eine von denen! Weiß Blake überhaupt von ihr?“ In ihren Worten schwang ein raues Schluchzen mit. Ihre olivfarbenen Augen wurden immer verzweifelter, als Tristan aber nicht antwortete, legte sich ein störrischer Ausdruck auf ihr Gesicht. „Du wirst schon bald merken dass sie die falsche ist!“, zischte sie und verschwand dann, nicht ohne mich noch einmal mit einem giftigen Blick zu erdolchen.

Tristan entspannte sich erst wieder ein wenig, als ich ihm meine Hand auf die Schulter legte und meinen Kopf an seine Schulter lehnte.

Er biss die Zähne fest zusammen und sah dann wütend auf mich herunter.

Was hatte ich denn nun schon wieder verbrochen? „Was ist?“, fragte ich verwirrt.

„Gib mir deinen Mantel“, sagte er, und hatte dabei noch immer diesen drohenden Unterton.

„Wieso?“

„Mach einfach!“

Auch wenn ich nicht wusste wieso, beeilte ich mich seinem Befehl nachzukommen und hielt ihm meinen schwarzen Mantel, mit den dunkelroten Schnörkeln darauf, hin.

Brüsk entriss er ihn mir und zerriss ihn in Fetzten. Obwohl ich normalerweise keinen Wert auf mein Aussehen legte, so tat es doch ein bisschen weh zu sehen, wie das dunkle Samt langsam auf den kalten Steinboden schwebte. Der Mantel gehörte zu meinen Lieblings Stücken, den ich in der Normandie ergattert hatte.

Ich widerstand dem drang zurückzuweichen, als der Werwolf mein Gesicht in die Hände nahm und seine Stirn gegen meine lehnte.

Er atmete einige Mal tief ein und aus, blickte mir dabei die ganze Zeit in die Augen und fuhr mit seinem Daumen meine Lippen nach, was meinen Puls sofort auf hundertsechzig katapultierte.

Seine Züge glätteten sich langsam, als er wieder seine Fassung zurück gewann. „Jetzt hör mir mal gut zu, Becca. Ich weiß ja nicht wie es dir geht, aber ich habe dich wirklich sehr gerne, beinahe schon zu sehr!“ Er seufzte und strich mir eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich möchte dass du weißt, dass ich für dich über Leichen gehen würde!“

„Tristan, ich –“

Er legte mir mit gerunzelter Stirn die Hand auf den Mund.

Ich wollte ihm sagen dass er Unsinn von sich gab; seine Familie niemals für mich aufgeben sollte und sich vielleicht lieber jemanden seiner Rasse suchen sollte, doch ich brachte es weder über das Herz ihm das mitzuteilen, noch ließ er es auch nur zu.

„Rebecca“, hauchte er an meinem Ohr. Sofort schlug mein Herz wieder schneller. „Ich will dich, und zwar nur dich, und je eher du das akzeptierst umso besser. Und deshalb ist es mir auch wichtig, dass dich die anderen nicht angreifen, denn ich kämpfe mit Klauen und Zähnen um das was mir gehört.“ Letzten Endes hatte sich ein schelmisches Grinsen auf seinen Lippen gebildet.

Ich konnte es nur traurig erwidern. Auch er würde früher oder später erkennen, dass ich nicht gut genug für ihn war. Ich selbst kam mir bereits wie der letzte Dreck vor. Ich war eine Verräterin an meinem eigenen Volk, hatte bereits unzählige Menschen und andere Wesen umgebracht, und nun würde Tristan vielleicht für meine Fehler büßen müssen. Er könnte verstoßen werden, und alle verlieren die ihm nahe stehen und es wäre alles meine Schuld. Mein Gewissen plagte mich unaufhörlich und es würde erst Ruhe geben wenn es wusste, dass ihm keine Gefahr mehr drohte. Meine eigene Sicherheit war mir dabei herzlich egal, immerhin war mein Leben zu diesem Zeitpunkt nicht mehr viel wert.

Meine Schwester würde wahrscheinlich ihre ganze Armee nach mir suchen lassen, und ich zweifelte nicht daran, dass sie genau wusste, dass ich bei den Wölfen war. Da war es auch nur logisch, dass sie gleich das Rudel suchen würde; denn sobald sie es fand, waren wir alle dem Tod geweiht.

Ich seufzte tief und verbannte diese Gedanken aus meinem Kopf. Trübsal blasen würde uns nicht weiterbringen. Jetzt war es nur wichtig diesen Tag zu überstehen. „Wer ist Blake?“, fragte ich, auf ein anderes Thema übergreifend und fixierte Tristan.

Seine Mundwinkel zogen sich leicht nach unten, doch dann setzte er schnell ein breites Grinsen auf und schob mich weiter. „Blake ist mein Bruder. Ein ziemlich sturer Hohlkopf, wenn du mich fragst, aber du wirst ihn mögen.“

„Ach“, sagte ich nur, obwohl sich in meinem Kopf die Fragen stapelten. Er hatte einen Bruder? Vielleicht sogar noch mehr Geschwister? Eltern? Wenn ja, würden sie mich an seiner Seite akzeptieren?

Wir kamen erneut an einem engen Spalt im Gestein an, und der Gang schien dennoch kein Ende zu nehmen. Über dem großen Riss in der Wand prangte ein merkwürdig verschlungenes Zeichen, dass es wohl als Tristans Zimmer markierte. Die Wölfe waren wirklich schlau, das musste ich zugeben, aber schließlich hatte ich dies auch schon vorher gewusst. „Wie lange reichen den diese Wege?“

Tristan zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht. Vielleicht zwei bis drei Kilometer.“

Ich hob erstaunt die Augenbrauen und quetschte mich durch den Felsen. Er verlief zackig, so das man nicht einfach so hindurch blicken konnte. Es war tatsächlich so wie ich vermutet hatte. Hinter dem Gestein war ein großer Raum, der durch menschengroße Löcher in weitere Räume führte. Ich ging nach rechts und erblickte eine beachtliche Sammlung an Waffen. Manche waren poliert, andere waren noch blutverkrustet, oder rosteten bereits.

In den beiden linken Zimmer befand sich zum einen ein wunderschönes Schlafzimmer, mit Fellen von den verschiedensten Tieren am Boden und weich aussehende Kissen lagen auf der leopardenbemusterten Decke; die Wände waren mit rotem und goldenem Samt behangen und einige Spiegel zierten das Zimmer. „Oh!“, entfleuchte es mir erstaunt.

Tristan trat hinter mich und hauchte mir einen Kuss in den Nacken, der mich erschaudern ließ. Konnte er sich nicht etwas zusammen reißen? Ich hatte noch immer wahnsinnigen Durst und er verschlimmerte sich nur dadurch, dass Tristan meinen Adrenalinspiegel in den Himmel katapultierte!

Ich löste mich widerstrebend von ihm und legte mich auf die große Felldecke.

„Beeindruckend“, murmelte ich, schloss meine Augen und war kurz davor in das Reich des Vampirdämmerzustands zu driften.

Plötzlich legte sich jemand neben mich, wobei es sich verständlicherweise nur um eine Person handeln konnte. Tristan.

Oje, bitte nicht. Mein persönlicher Dämon lechzte nach Blut, aber ich musste einfach noch durchhalten.

Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als mein Gefährte seinen Arm um meine Taille schlang und mich näher an sich ran zog. Er verteilte zarte Küsse an meinem Hals und ich verdrehte demonstrativ die Augen, was ihn nur heißer lachen ließ.

„Du bist wunderschön“, flüsterte er und strich an meiner Hüfte entlang, mein Puls hämmerte mir laut in den Ohren, aber auch sein Herz glich einem wilden Trommelschlagen.

Ich drehte mich mit einem schwachen Lächeln zu ihm um. Meine Gier nach seinem Blut wurde immer größer; gleich würde ich mich nicht mehr zurück halten können. Ich verkrampfte mich augenblicklich, als er seine Stirn an meine lehnte und mich aus seinen unergründlichen Augen ansah. „Was ist los?“

Er ließ mich meinen Blick nicht abwenden, ich saß in der Falle. So ein Mist, er hatte mich an der Angel. Mein Körper war wie versteinert, doch mein lieber Gefährte störte sich nicht daran und machte damit weiter mich zu befummeln.

Bei jeder Berührung kribbelte mein Körper vor angespannter Elektrizität. Was machte dieser Mann nur mit mir?

„Nichts“, brachte ich, nach schier einer Ewigkeit, aus mir heraus, doch es klang nicht annähernd so fest wie ich es gerne gehabt hätte. Mein Hals war trocken und kratzig; mit dem konnte ich nicht mehr viel anfangen.

Verdammt. Der Kampf mit diesem kleinen Biest hatte mich ohnehin schon geschwächt, aber die kleine Reise in mein Unterbewusstsein hatte mir den Rest gegeben. Ich musste spätestens bis Morgen Abend etwas trinken, ansonsten könnte ich nicht für die Sicherheit der Werwölfe garantieren, obwohl es mir eigentlich egal sein sollte – war es aber nicht.

„Du benimmst dich aber nicht so, als wäre <Nichts>“, meinte er mit verführerische Stimme und knabberte an meinem Hals.

Ich sog zischend die Luft aus und krallte mich an ihm fest. Er brachte mich um den Verstand! Mein Körper brannte, mein Herz raste, wie schon lange nicht mehr und nun war mir unmöglich die Wand, die ich zwischen mir und dem Dämon aufgestellt hatte, weiterhin aufrecht zu erhalten. Es ging einfach nicht mehr!

Er hat es selbst herausgefordert!, wisperte mein blutgieriger Dämon und trieb mich vorwärts, löschte alle anderen Gedanken aus.

Genau! Es war nicht meine Schuld!

Tu es!

Ich packte Tristan an den Schultern und drehte ihn auf den Rücken. Er ließ es sich willig gefallen, als ich mich rittlings auf ihn draufsetzte und seinen Hals bearbeitete.

Meine Eckzähne fuhren mir schmerzhaft aus dem Zahnfleisch. Er duftete so köstlich!

Sein Atem ging rasselnd, seine Brust hob und senkte sich erstaunlich schnell, als würde er nicht genug Luft zum atmen bekommen. Er öffnete meine Haarspangen und ließ fasziniert seine Finger durch mein schlohweißes Haar gleiten.

In dem Moment, in dem Tristan die Haare an meinem Hinter fester packte, konnte ich nicht mehr an mich halten.

Ich öffnete meinen Mund, meine Fangzähne kratzten an seiner goldbraunen Haut, ich verlor die Kontrolle.

TU ES!

Ich durchbohrte sein Fleisch und hätte vor Verzückung beinahe aufgeschrieen. Sein Blut schmeckte göttlich! Wie Zimt und Erdbeeren und Lebkuchen und–

Plötzlich wurde ich zur Seite gerissen, von meiner genussvollen Quelle weggestoßen! Wer wagte es?!

Ich drehte mich und fauchte, aber ich war zu unkonzentriert um mich gegen den starken Druck auf mir zu wehren. Meine Sicht war von einem roten Schleier verhangen; irgendjemand fluchte und im nächsten Augenblick spürte ich einen stechenden Schmerz in der Brust und hörte einen wütenden Aufschrei Tristans. „Nein! Blake, was hast du getan?!“
 


 

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Hey, Leute, ich bitte um ein kleines Feedback, wen ihr denn in meiner Story am meisten und wen am wenigsten mögt.^^

Das wäre echt super, danke.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Enyxis
2014-03-02T19:03:09+00:00 02.03.2014 20:03
Ach ja, Blake xD Tristan und Rebecca sollten sich wohl mal ein eignes Hüttchen suchen... Sonst wird es wohl noch öfter zu solchen Situationen kommen...
Rebecca ist eine meiner absoluten Favo-Charas hier aus Animexx. Sie ist einfach nur toll und cool!
Von:  blacksun2
2012-01-02T12:58:31+00:00 02.01.2012 13:58
Meine Lieblingspersonen sind und werden es wohl auch ewig bleiben: Tristan und Becca

Ich hätt mal zwei Fragen, vielleicht wurde es schon mal erwähnt und ich hab es vergessen:
Wie wird man zu einem Vampir?
Ist der Biss eines Vamirs tödlich?

Auf jeden Fall kann man die Reaktion des Bruders wohl verstehen, für ihn sah das sicher bedrohlich aus

ich finde es niedlich, wie schwer sich Rebecca mit ihren Gefühlen tut

ein durch und durch gelungenes Kapitel mit einem genialen Ausdruck

irgendwie dachte ich Tristan hätte einen höheren Rang, weil er so imposant wirkte, bei der ersten Begegnung
ein kleinen Kritikpunkt hätte ich diesmal allerdings: das mit Tristan und Rebecca geht einen irgendwie zu schnell, es wirkt zu überstürzt
auch finde ich, dass sich Rebecca von dem ersten Kapitel, wo sie die eiskalte Vampirin war, bis hierher zu stark verändert hat, fast als wäre sie eine andere Persönlichkeit

was ich auch mal sehr erwähnenswert finde: die Charakterbilder sehen toll aus und passen sehr gut zu den Personen

glg
blacksun

Von:  Armida
2009-07-05T00:25:08+00:00 05.07.2009 02:25
Schönen guten abend oder soll ich morgen sagen? Egal.
Bin zufällig über deine Story gestolpert und finde sie einfach klasse.
Du hast einen flüssigen Schreibstil und erhälst die Spannung aufrecht.
Die Story an sich find ich auch total klasse, bin gespannt wie es weiter geht.

LG Armida
Von:  il_gelato
2009-06-25T10:30:46+00:00 25.06.2009 12:30
Toll!
Man hat die Spannung wirklich gespürt. Du hast dich extrem gebessert und das nicht nur in der Länge sondern auch im Ausdruck und dem Spannungsaufbau!!! Mach weiter so!
Aber warum hast du auf einmal aufgehört?????

Freu mich schon riesig auf das nächste Kapitel.

P.S. Ich finde Tristan totall süß...
Von:  Astre
2009-06-25T05:58:06+00:00 25.06.2009 07:58
Ach ja, Hab ich schon mal gesagt das ich die Story liebe?^^ Echt das war ein super gutes Kapi*nick* spannend bis zum schluss genial*g* ich würd am liebsten weiter lesen, wie kannste den auch bei so ner stelle aufhören =)
Ich freu mich richtig wies weiter geht und hoff du schreibst schnell weiter ^^
Mal wieder hab ich keinerlei kretik^^ Ich find Tristan total knufflig xD und wie er sich an beca so ran knuddelt total puzig^^
Weiter so*nick*
Lg
Astre


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