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Saga of the Northern Winds

von

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Überdosis


 

Für die Zeit in welcher Asuka ihren Bruder besuchen wollte mussten Juudai und Jun wohl oder übel weichen – man hatte sich zumindest darauf einigen können, dass sie danach wieder zurück durften. Fubuki hatte schon am Vortag vorsichtig bei Shou nachgefragt, ob er denn überhaupt damit einverstanden wäre. Dieser wollte es aber persönlich mit ihnen klären, weshalb Jun und Juudai zusammen dicht gedrängt unter einen Regenschirm an der Bushaltestelle standen, an welcher sie auf Shou warteten.

Es schüttete seit Tagen wie aus Eimern und es war sehr kalt geworden. Nicht mehr lange bis zum Winter.  

„Juudai-kun! Manjoume-kun!“, hörten sie die helle Stimme des jüngeren Marufujis rufen, der eilig durch den Regen lief.  

Bei ihnen angekommen verschnaufte er kurz und schüttelte die Kapuze seiner dunkelroten Regenjacke aus. „Tut mir Leid, dass ich zu spät bin, aber meine Chefin hat mich noch aufgehalten.“, entschuldigte er sich.  

„Kein Problem, Shou.“, antwortete Juudai gelassen.

Jun war weniger begeistert davon und schnaubte, jedoch konnte er nichts dagegen sagen. Arbeit ging nunmal vor.

„Wollen wir irgendwo etwas trinken gehen? Zu mir ist es zwar nicht weit, aber ich habe momentan nichts da was ich euch anbieten könnte.“, sagte Shou und bedeutete ihnen, dass er losgehen wollte.

„Also ich habe eher Hunger.“, antwortete Juudai. Shou drehte sich im Gehen zu ihm um sodass er sie beide ansehen konnte während er redete. „Also hier um die Ecke gibt es ein kleines Ramen-Restaurant, wenn ihr darauf Lust habt.“

Juudai und Jun kannten sich in dieser Gegend nicht aus. Shou war an einen völlig anderen Teil der Stadt gezogen, alles war dicht zugebaut mit hässlichen Betonklötzen die sich als Mehrfamilienhäuser ausgaben, Autos standen dicht an dicht an den Straßenrändern und nahmen einem die Möglichkeit die Straße irgendwie zu überqueren ohne dabei durch die tiefen Regenpfützen drumherum zu treten und sich dabei schmutzig zu machen.  

Es war keine schöne Gegend, aber Juudai konnte sich denken, dass Shou erstens nicht viel Geld hatte und zweitens so weit wie möglich von seinem Bruder weg wollte. Und das hatte er mit einer Fahrtzeit von fast 2 Stunden mit 4 Mal umsteigen eindeutig erreicht.

Sie bogen in eine Seitenstraße ein und man konnte durch den Regen ganz leicht den Duft von frischen Ramen riechen.

Die drei betraten ein sehr volles, warmes kleines Restaurant welches sehr traditionell japanisch und gemütlich eingerichtet war. Gleich hinter der Theke konnte man eine etwas ältere Dame sehen, welche eifrig die Köstlichkeiten frisch zubereitete. Sie redete und lachte dabei mit ihren Gästen, welche an der Theke saßen und ihre Nudelsuppen schlürften.

Shou geleitete sie zu einem Tisch etwas weiter hinten an welchem man sich auf ein gemütliches Ecksofa setzen konnte.

„Ich weiß, ich wohne im hässlichsten Teil der Stadt, aber dafür haben wir die besten Ramen gleich um die Ecke.“, sagte er und grinste etwas.

Man konnte ihm trotz seiner fröhlichen Laune ansehen, dass er sich dazu zwang so zu sein.

Juudai und Jun setzten sich nebeneinander und sahen sich etwas in dem Laden um. Tatsächlich schien dies der einzige schöne Ort in dieser trostlosen Gegend zu sein.  

Shou saß auf der anderen Ecke, zog seine Jacke aus und hing sie über den Stuhl neben sich, faltete die kleinen Hände zusammen und sah die beiden an.

„Also, kommen wir gleich zur Sache. Tenjouin hat mir gesagt, dass ihr beide gerade bei ihm und meinem Bruder gezwungenermaßen wohnt und es wegen Asuka dann ein Platzproblem geben wird, richtig?“, fing er an. Seine Stimme klang leicht genervt.

Juudai nickte. „Und er hat uns darum gebeten die zu fragen ob du ihnen den Schlüssel zurück geben kannst, weil-“

Shou unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln. „Kann er vergessen. Ich bin bereit euch meinetwegen für die Zeit in der Asuka wieder in Japan ist euch bei mir mit einzuquartieren, auch wenn das sehr eng wird weil ich nur eine 1-Zimmer-Wohnung habe mit gerade mal 20 Quadratmetern Platz. Aber nicht ihm das Leben zu erleichtern während ich weiter diese Scheiße durchmachen muss.“

Jun, welcher teilnahmslos daneben saß mischte sich nun auch ein: „Was hat das denn jetzt damit zu tun? Gib ihm einfach den Schlüssel und gut ist, dann könnten wir theoretisch auch da bleiben.“

Shou warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Hast du mir gerade zugehört?“, fragte er, dieses Mal sichtlich genervt.  

„Anscheinend nicht, aber egal. Also: Ich werde euch bei mir wohnen lassen unter der Bedingung, dass ihr euch an meine Regeln haltet. Sprich, die Wohnung sauber halten, mich mit Ryou und Fubuki gefälligst in Ruhe lassen, mir im Haushalt helfen und ihr übernehmt eure Kosten selbst. Ich habe nicht das Geld für euch beide auch noch einzukaufen.“

Juudai wollte gerade etwas erwidern, als Shous Handy begann zu klingeln. Der Kleine mit den neuerdings dunklen Haaren kramte es aus seiner Regenjacke hervor und ging ran. „Hallo? Ahh, ja wir sind im Okumura's, du weißt wo das ist. Bis gleich. Kenzan wollte noch dazu kommen.“, erklärte er gleich und packte das Handy wieder weg.  

„Also, dass wir uns selbst verwalten ist klar.“, antwortete Juudai. „Aber warum will Kenzan dazu kommen? Er hat doch gar nichts damit zu tun.“, fragte Jun skeptisch.

„Was die Wohnungssituation angeht hast du recht. Was ihn und mich angeht wollten wir mit euch noch einmal über diese Traumamulette reden.“, sagte Shou.

Eine Kellnerin kam so eben zu ihrem Tisch und nahm freundlich die Bestellungen der drei auf, wobei Shou gleich für Kenzan mitbestellte.

Als sie wieder in die Küche verschwand setzte Shou fort: „Und zwar wollen wir gerne wissen, ob ihr etwas über Andersen herausgefunden habt.“

Shou sah sie eindringlich mit ernstem Blick an, was den beiden etwas Unbehagen bereitete. Denn in diesem Moment fiel Juudai und Jun auf, wie ähnlich Shou seinem großen Bruder sein konnte. Es war haargenau derselbe Blick, eiskalt und herausfordernd.

„Also...“, begann Juudai. Er wusste nicht direkt wo er anfangen sollte. Zwar hatte er mittlerweile Ryou, Fubuki und Jun erzählt was er in dem Traum vom Vortag und dem dieser Nacht erlebt hatte, aber die drei hatten immerhin auch die letzten Geschehnisse mehr oder weniger miterlebt. Shou wusste rein gar nichts über den erneuten Angriff, nichts von Fubukis und auch nichts von Juudais Amulett.

„'Tschuldige die Verspätung, ich hab meinen Bus verpasst.“, unterbrach ihn Kenzan, welcher fast pitschnass, da er anscheinend keinen Regenschirm dabei hatte oder besaß zu ihnen gestoßen kam. Er ließ sich sogleich auf den Stuhl neben Jun fallen und sah in die Runde.  

„Und, wie sieht's aus?“, fragte er, woraufhin Shou nur die Augen rollte und seinen Blick wieder Juudai widmete.

„Wir wissen jetzt definitiv mehr. Nicht nur weil Johan etwas herausgefunden hat, sondern auch weil unsere Gegner keinen Halt machen. Fubuki und ich wurden gestern Abend von einem... einem Monster angegriffen und ich habe mein Amulett aktivieren können.“, begann Juudai, nicht gerade überzeugt von seiner eigenen Erklärung.

„Was noch dazu zu sagen ist, dass Fubuki-san und Juudai-kun ebenfalls Amulette besitzen.“, erweiterte Jun Juudais Bericht. „Und er von Rayne sogar in die Kampfkunst eingewiesen wurde und sie sogar funktioniert. Wir glauben, dass du, Marufuji, und vielleicht auch du, Kenzan bald mit da reingezogen werdet.“  

Die beiden Jüngeren sahen sie mit gebannten Blicken an.

„Was wir damit sagen wollen-“, redete Juudai weiter, was sich als äußerst schwierig erwies, da ihm dabei die ganzen Bilder der letzten beiden Tage wieder durch den Kopf schwirrten und ihm dabei übel wurde. „- ist, dass wenn ihr diese Träume habt und ihr diese Amulette bekommt: Lasst sie nicht aus den Augen, habt sie immer bei euch. Der Spruch welcher auf der Rückseite steht aktiviert die Kräfte des Monsters und erschafft eine Art Fusion zwischen euch und diesem in unserer Welt. Sie ist nur im Gegensatz zu meiner Fusion mit Yuberu nicht permanent und ihr werdet nachdem ihr diese Energien aufgebraucht habt Probleme mit eurem Kreislauf haben, da euer Körper daran nicht gewöhnt ist. Für mich ist die Deaktivierung auch sehr erschöpfend, aber ich glaube ich verkrafte es besser als ihr alle. Unsere Gegner sind sehr stark und diese Art von Duellen ist die einzige Möglichkeit sie zu besiegen.“

Shous Blick veränderte sich von Ernsthaftigkeit in Entsetzen und man konnte für diesen Moment wieder den alten Shou in ihm wieder erkennen.

Auch Kenzan hatte einen abwehrenden und geschockten Gesichtsausdruck als er dies hörte.  

„Heißt das... dass wir töten müssen?“, sagte Shou mit verängstigter Stimme.

Jun und Juudai sahen sich kurz an, schauten dann wieder zu ihrem Gegenüber und nickten.

Shou zog scharf die Luft ein, Kenzan starrte nur paralysiert auf die Tischkante vor sich.

„Das klingt gar nicht gut, Leute...“, murmelte der muskulöse junge Mann.

„Es ist auch wirklich nicht... es ist krass. Abartig.“, flüsterte Juudai und schaute zur Seite um ihren Blicken auszuweichen.  

In diesem Moment kam die Kellnerin mit ihren bestellten Ramen und einem Teller Gyoza und die merkwürdige Stimmung war für einen Moment verflogen.

Juudai und Kenzan, welche sich seit ein paar Monaten nicht mehr gesehen hatten quatschten über Gott und die Welt während sie aßen, ihnen schien es leichter zu fallen sich von der Sache abzulenken. Jun wirkte nicht so gelassen, aber er bezog sich in das Gespräch der beiden mit ein.

Shou jedoch schien nervös. Er stocherte in seinem Essen herum und wollte nicht wirklich einen Bissen hinunter bekommen. Nach einer Weile sprang er auf und sagte: „Sorry Leute, mir geht’s nicht so gut gerade. Ich geh eben an die frische Luft.“

Die anderen sahen ihn verwundert an. Shou war etwas bleich um die Nase.

„Soll ich mitkommen?“, fragte Juudai, doch Shou wehrte ab.

„Nein, nein... geht schon.“, antwortete er, schnappte sich seine Jacke und verschwand nach draußen.

Juudai wollte dies nicht auf sich sitzen lassen, entschuldigte sich ebenfalls und folgte ihm hinaus in den Regen. Er erblickte Shou in einer Einfahrt welche nur für Anwohner frei war stehend, seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen und in seinen Hosentaschen kramend.

„Shou?“, fragte er. Der ehemalige Obelisk Blue fuhr kurz zusammen und keifte ihn dann an: „Hab ich nicht gesagt, dass ich alleine sein will?“

Seine grauen Augen funkelten böse zwischen den dunkel gefärbten Haaren hervor.

Juudai kam trotzdem näher, da er sich Sorgen machte. „Was ist los? Sind es... die Kämpfe die uns bevorstehen?“  

Shou hörte auf in seinen Taschen zu kramen, da er gefunden zu haben schien was er wollte, behielt seine Hand jedoch in der Tasche. Er lehnte sich mit einem lauten Seufzer an die kalte graue Wand und sah ihn mit einem völlig fertigen Blick an.  

Juudai stellte sich neben ihn und fügte hinzu: „Mir bereitet es auch Unbehagen, weißt du? Ich habe richtig Angst, auch wenn man mir das vielleicht nicht anmerkt.“

Shou hob die Hand und bedeutete ihm zu schweigen. „Sag jetzt nichts. Und behalte das bitte für dich, okay?“, sagte er, jedoch konnte ihm Juudai in der nächsten Sekunde nicht folgen.

Shou zog die Hand aus seiner Hosentasche und hielt ein kleines silbernes Kästchen in welchem man normalerweise Duel Monsters-Karten aufbewahrte. Mit einer schnellen Handbewegung klappte er es auf, fischte etwas daraus hervor und packte das Kästchen zurück. Er versteckte sein Gesicht unter der Kapuze um sich anscheinend vom Wind und der Nässe zu schützen, hielt sich den Gegenstand vor den Mund und zog aus seiner Jackentasche ein Feuerzeug.

„Was soll das- warte.“, begann Juudai, als er Shou sah wie er sich die Zigarette anzündete, das Feuerzeug wieder einsteckte und an dem glühenden Ding einmal tief zog.

Er blies den Rauch kurz darauf wieder aus, schaute zu Boden und dann wieder zu Juudai.

Dieser schaute ihn einfach nur entgeistert an. Dass Shou momentan eine ziemliche Krise mit sich selbst hatte, wusste er. Aber dass er ernsthaft rauchte, war zu viel für ihn.  

Was war aus dem kleinen schüchternen, intelligenten Shou nur geworden?

Juudai war fassungslos. Es schockte ihn mehr als alles was er in den letzten 2 Tagen erlebt hatte.

„Du guckst gerade wie 'ne Kuh wenn es donnert. Ja, ich rauche und es mir scheißegal was du darüber denkst, Juudai.“, sagte Shou und zog noch einmal an der Zigarette.  

Wann hatte er ihn zuletzt noch Aniki genannt? Shou wirkte wie ein Fremder auf ihn.  

Fassungslosigkeit wich Wut. Als Shou noch einmal an dem Ding ziehen wollte, hielt Juudai seine Hand fest und schaute ihn mit eindringlichem Blick an. „Lass den Mist. Was ist aus dir geworden?“, sagte er, seiner Stimme zitterte leicht vor Ärger.  

Shou wand seinen Arm aus Juudais Griff heraus und funkelte ihn an.

„Ernsthaft?! Sag mal tickst du eigentlich noch ganz richtig?“, fauchte er.

„Du hast dich seitdem du wieder zurück von deiner komischen Weltreise bist nicht ein einziges Mal für mich interessiert und jetzt heulst du rum, weil ich mich geändert habe?!“  

„Geändert? Du bist ein ganz anderer Mensch geworden, du bist ein Fremder! Was zur Hölle ist bei dir schief gelaufen, dass du jetzt so abdrehst?“, erwiderte Juudai, auch wenn Shou damit recht hatte was er sagte. Sein Ärger war unberechtigt, immerhin hatte Juudai sich wirklich wenig um ihn geschert seitdem er zurück gekommen war. Das lag aber auch daran, dass Shou sich damals vierundzwanzig Stunden am Tag um Ryou gekümmert hatte, da dieser einen gesundheitlichen Rückschlag bekommen hatte was all die Behandlungen des Jahres zuvor zunichte gemacht hatte.

Was zwischen den beiden vor etwa einem halben Jahr passiert war, dass Shou so sehr sich zum Negativen veränderte und die beiden sich anscheinend nicht mehr aushielten war ihnen allen ein Rätsel in welches sie sich nicht einmischen wollten. Andererseits hielt Juudai es nicht mehr aus, Shou so zu sehen. Er war ein offensichtliches Wrack und er ließ niemanden an sich ran. Kenzan schien von Shous Abgründen gewusst zu haben und wenn Shou ihn ebenfalls abblockte würde es wohl sehr schwer für Juudai werden, zu ihm vorzudringen.

„Was schief gelaufen ist? Tze – Frag das doch meinen Bruder oder Tenjouin.“, erwiderte Shou verächtlich und rauchte weiter.

Für einen Moment blieben sie schweigend nebeneinander in der Kälte stehen, man hörte nur das Prasseln des Regens und Shous Atem. Jetzt kam Juudai auch in den Sinn, warum Shous Stimme sich seit ein paar Monaten auch so anders anhörte. So kratziger.  

„Wie lange machst du das schon?“, fragte er ruhig und sah ihn dabei nicht an.

Shou überlegte kurz.  

„Müsste... März oder April gewesen sein.“, antwortete er kurz und zog wieder an der Zigarette. „Warum interessiert dich das so plötzlich?“, kam die Gegenfrage.

„Weil wir Freunde sind.“, erwiderte Juudai.

„Was? Wir sind noch Freunde? Ist mir neu.“, kam es höhnisch von dem Kleineren.  

Juudai spürte einen Stich in seinem Herzen. Es tat weh dies von Shou zu hören, aber er sprach nur die Wahrheit. Seine Wahrheit aus tiefstem Herzen.

„... siehst du das wirklich so?“, flüsterte Juudai, den Blick zu Boden gerichtet und mit den Tränen kämpfend. Shous Worte bohrten sich tief in sein Herz und verankerten sich mit scharfen, rostigen Widerhaken darin.  

„Nenn mir einen Grund, warum wir noch Freunde sein sollen.“, sagte Shou und klopfte etwas Asche von der Zigarette ab. Juudai antwortete nicht, woraufhin er weiter redete:

„Redest du noch großartig mit mir? Nein. Hast du mich in letzter Zeit irgendwie angerufen ausgenommen wegen unserer neuen Bedrohung? Nein. Hat es dich irgendwie interessiert wie es mir geht? Warum ich mich mit Ryou gezofft habe? Warum ich in dieser Scheiße hier stecke und abhängig von Nikotin bin?“

Das letzte schrie er fast und Juudai meinte Tränen zwischen all dem Regen erkennen zu können. „Was für ein Scheiß Freund bist du eigentlich?! Du bist mindestens genauso scheiße zu mir wie Ryou! Er ist der beschissenste Bruder der Welt und du der beschissenste beste Freund! Wow, geil! Und du wunderst dich warum es mir so dreckig geht...“

Shous Stimmlage schwankte zwischen aggressiv und traurig. Er warf die Zigarette auf den Boden, trat sie mit dem Fuß aus und versteckte sein Gesicht hinter seinen vom Regen eiskalten Händen. „Wir alle haben ziemlich viel durchgemacht, Juudai...“, sagte er, seiner Stimme war nun eindeutig anzuhören dass er weinte. „Aber ich weiß nicht mehr wo mir der Kopf steht. Es ist mir alles zu viel geworden.“

Juudai legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Mag sein, dass ich dich im letzten Jahr nicht wirklich beachtet habe... tut mir Leid. Kannst du mir eine zweite Chance geben?“, begann er.

Shou schüttelte den Kopf. „Du hattest schon eine zweite die du verhauen hast.“, sagte er.

„Dann eine dritte?“ Shou ließ die Hände sinken und musste kurz grinsen.

„Ja... vielleicht. Vielleicht kriegst du 'ne Dritte. Aber auch nur vielleicht.“

Er warf den Kopf nach hinten und lachte. „Wenn ich die aber bekomme versprichst du mir damit aufzuhören, in Ordnung?“, sagte Juudai und gab ihm einen sanften Faustschlag gegen den Arm. Zu seiner Verwunderung schüttelte Shou den Kopf.

„Nee du. Ich hab das schon mehrmals versucht, aber ich glaube dafür brauche ich eine Therapie und die kann ich mir nicht leisten.“, sagte er und wischte sich die Tränenspuren aus dem Gesicht.

Juudais Blick entgleiste förmlich, als er dies Shou sagen hörte.  

„W-wie viel von den Dingern rauchst du bitte an dem Tag, dass das so schlimm ist?“, fragte er schockiert.  

„Eine Packung.“, antwortete Shou gelassen als wäre es nichts besonderes. „Eine am Tag. Wobei ich es an ruhigen Tagen auf die Hälfte schon reduzieren kann. Ich mache da schon Fortschritte, okay?“  

Juudai war in seinem Leben noch nie so schockiert. Monster die einen bei lebendigem Leibe sezieren wollten waren, waren eine Sache. Ein Shou der am Tag eine große Packung Zigaretten leer rauchte eine ganz andere.

Er schaffte es nur ein „Was zur Hölle“ zu murmeln, woraufhin Shou anfing zu lachen.

„Mach dir darum bitte keine Sorgen, wir haben größere Probleme die uns bevorstehen.“, sagte er und streckte sich. Er schien wieder bei Laune zu sein, woran die Dosis Nikotin wohl nicht ganz unschuldig war.

„Lass uns wieder reingehen, es ist arschkalt. Und kein Wort zu den anderen, das bleibt unter uns.“, forderte Shou ihn auf, die Hände in den Hosentaschen und einem Lächeln auf den Lippen. Juudai nickte nur langsam, folgte ihm dann aber wieder hinein.

Es war doch eine Sache, die er nur schwer verarbeiten konnte.  
 


 


 


 

Rauch. Überall um ihn herum war dichter, dunkler Rauch und es war verdammt heiß. Shou musste husten, er konnte fast nichts erkennen. Er befand sich auf hölzernem Boden liegend in einem Haus welches ihm nur allzu bekannt vor kam. Man konnte dumpfe Schreie und das Knacken von brennendem Holz hören welches langsam der Kraft des wütenden Feuers nachgab und zusammenzubrechen drohte.  

Shou richtete sich auf. Wo war er nur? Es kam ihm so vertraut und gleichzeitig fremd vor, irgendetwas schien sein Gedächtnis zu blockieren. Langsam tastete er sich am Boden entlang um einen Ausgang zu finden. Es schien sich um den Dachboden des Hauses zu handeln, denn er fand eine Tür im Boden ein paar Meter vor sich. Vorsichtig berührte er den Scharnier dieser und zog sofort seine Hand zurück, als er spürte wie heiß sie war. Wieder hustete er. Doch er musste hier raus. Das Feuer würde näher kommen.

Shou verbrannte sich die Finger als er noch einmal nach dem Scharnier griff und diesen öffnete. Er klappte die Tür auf, Hitze und Rauch kam ihm entgegen. Unter ihm brannte es lichterloh. Trotz seiner Angst vor dem Feuer stieg er die Leiter hinunter um auf den Flur zu kommen. Langsam kamen seine Erinnerungen wieder. Er befand sich in dem Haus seiner Eltern in welchem sie gewohnt hatten als er und Ryou noch Kinder waren.  

Tatsächlich war es genau so aufgebaut wie er es noch in Erinnerung hatte. Shou fand sogleich den Weg zur Treppe um ins Erdgeschoss zu gelangen. Viel Zeit hatte er nicht mehr, die Hitze und der dichte Rauch machten es unsagbar schwierig voran zu kommen.  

Bei der Treppe angekommen blieb er erschrocken stehen. Dort wo sie hätte sein sollen klaffte ein riesiges Loch aus welchem Feuer empor stieg. Nirgends schien ein anderer Ausgang zu sein und auch das Feuer hinter ihm drängte Shou immer mehr zu dem Abgrund. Panisch sah er sich um, doch es war zu spät um es sich anders zu überlegen. Das Feuer hatte ihn wie eine Reihe von Gegnern bereits eingekreist und das Feuer welches aus dem Abgrund vor ihm loderte schien ebenfalls immer größer zu werden. Shou musste stärker husten, seine Lungen brannten und seine Augen tränten sodass er nichts mehr erkennen konnte.

Es war vorbei. Das Feuer würde ihn auffressen. Shou spürte, wie es seine Kleider ergriff und nun auch er wie alles um ihn herum zu brennen begann. Er begann bitterlich zu weinen vor Schmerz, es griff auf seine Haut über und verbrannte diese ebenfalls fürchterlich. Wie in Zeitlupe drehte er sich um und sah zu der Tür welche zu Ryous Zimmer damals führte. Sie war einmal strahlend weiß gewesen und hatte eine golden lackierte Klinke gehabt, doch nun hing die Farbe in Fetzen herab und offenbarte dunkles Kirschbaumholz und die Klinke war bereits zu einem unförmigen Klumpen geschmolzen. Die Tür öffnete sich einen Spalt breit und Shou konnte den Schatten seines Bruders erkennen. Nur die dunklen Augen des damals etwa Siebenjährigen waren klar zu sehen. Sie wirkten traurig. Der Schatten streckte eine Hand nach Shou aus, als wolle er verhindern dass er in jedem Moment vom Feuer verschlungen wollte.  

Plötzlich spürte Shou wie die ewige Gleichgültigkeit welcher er die letzten Monate empfunden hatte Trauer wich – und schließlich Mut. Er wollte nicht sterben, nicht hier, nicht jetzt. Shou schloss für einen kurzen Moment die Augen. Er würde das Feuer besiegen. Er würde es kontrollieren. Mit einem Mal wichen die Flammen von ihm und wurden kleiner. Seine Kleidung war bereits völlig zerfressen und seine Haut war schrecklich verbrannt, doch er konnte den wahnsinnigen Schmerz ignorieren.  

Langsam schritt er auf das Zimmer zu, hinter dessen Tür das kleine Schattenebenbild seines Bruders kauerte. Mit jedem Schritt den Shou tat wich das Feuer ihm aus und gab ihm den Weg frei. Er besiegte das Feuer. Nein, er beherrschte es. Um sich zu retten. Und Ryou. Als Shou vor die Tür trat öffnete das Schattenkind diese und klammerte sich an ihn. Es hatte eindeutig die schmale Silhouette seines Bruders. Shou umarmte das Kind und schloss die Augen. „Ich bin bei dir, Nii-san...“, flüsterte er und weinte. Das Kind klammerte sich nun noch mehr an ihn, sagte jedoch nichts. Shou hob es hoch, Ryou war damals genauso wie er sehr klein, leicht und zierlich gewesen und so war auch das Schattenkind. Mit dem Kind auf dem Arm schritt er durch das brennende Haus, wieder zu der Treppe. Immer noch loderte das Feuer unter ihnen bedrohlich, doch Shou hatte keine Angst. Mit dem Kind im Arm nahm er Anlauf und sprang. In die Tiefe, mitten ins Ungewisse was ihn verzweifeln ließ. Er hörte nur noch die sanfte helle Stimme seines kindlichen Bruders flüstern: „Danke, dass du mich gerettet hast. Ich hab dich lieb, Shou!“

Und plötzlich befand er sich wieder in seinem Bett.

Er fuhr schlagartig hoch, er spürte noch die Hitze des Feuers auf der Haut und die Stellen an welchen er sich verbrannt hatte. Er hatte wirklich geweint und er konnte die Stimme seines Bruders hören wie er sagte, dass er ihn lieb hatte.

„Verdammt...“, murmelte er, beugte sich nach vorn und vergrub sein Gesicht in der Bettdecke. „Ich hab dich auch lieb, Nii-san... Ryou.“, flüsterte er und begann wieder zu weinen. Er wollte das eigentlich alles gar nicht. Diesen Streit, dass sie kein Wort mehr miteinander redeten, sein Auszug. Aber es war alles viel zu kompliziert und sie hatten es beide immer schlimmer gemacht durch die gegenseitige Ignoranz. Shou wollte aufstehen. Er musste jetzt sofort eine rauchen. Es ging sonst gar nichts mehr, er verkraftete diesen Traum nicht, alles nicht. Als er aufstand hörte er einen Gegenstand auf den Boden fallen. Verwirrt schaltete er das Licht ein, nahm seine Brille vom Nachttisch und schaute nach. Auf dem Boden lag eines dieser Amulette.

Uria, Lord of Searing Flames.

„Pfff... war ja klar.“, sagte Shou zu sich selbst, wieder mit dem abfälligen Unterton den er sich in den letzten Monaten angeeignet hatte, schnappte die Schachtel Zigaretten vom Tisch und den Anhänger und ging auf dem Balkon.  

„Ein Feuerelement also... Dann brauche ich mir ja in Zukunft keine Sorgen mehr zu machen ob ich ein Feuerzeug dabei habe.“
 


 


 


 

Es war Ende November. Die Jungen hatten die ruhigen Tage gezählt. Kein Angriff ihrer Gegner, keine neuen Anzeichen von Amuletten oder Rayne. Keine Träume.

Dennoch, das schlechte Wetter schlug auf die Gemüter.  

Inzwischen war nun auch Juudai tagsüber unterwegs, sein Urlaub war nun vorüber und da er zu den wenigen Pro League Duellanten gehörte die sich nicht auf einen Manager verließen musste er seine Angelegenheiten bezüglich neuer Duelle und Absprachen mit seinen Sponsoren persönlich regeln.  

Fubuki und Juudai waren also nun beide nicht da und Jun langweilte sich zu Tode. Nach wie vor war Marufuji ihm kein vernünftiger Gesprächspartner, weshalb er versuchte die Zeit im Internet totzuschlagen.  

Er wusste nicht, warum er noch nicht schon vorher auf die Idee gekommen war etwas über die Amulette oder zumindest seinen Drachen herauszufinden, immerhin bot ihm das Internet die Möglichkeit dazu.  

Er öffnete die Suchmaschine und gab den Namen seines Drachen ein. Sogleich wurde ihm die Website von Industrial Illusions und diverse Foren welche sich mit Duel Monsters auseinandersetzten angezeigt. Das war aber nicht was er genau suchte.  

Jun fügte dem Suchbegriff noch ein 'Legends' hinzu, vielleicht würde Google etwas ausspucken.  

Das Ergebnis war enttäuschend. Kaum etwas war zu finden bis auf ein nicht gerade seriös wirkendes Forum welches sich um wahnwitzige Verschwörungstheorien drehte.  

„Was für ein Schwachsinn...“, murmelte Jun während er die Texte überflog. Eine Theorie war dümmer als die andere und hatte weder Hand noch Fuß. Sein Drache, das wusste er genau war kein Gesandter des Todes, auch wenn das diese religiösen Fanatiker behaupteten.

Je weiter er las desto aggressiver machte es ihn, weshalb er entnervt den Laptop zur Seite packte. Er hörte wie eine Tür sich öffnete und kurz darauf Marufuji einem Gespenst gleich den Gang entlang lief, eine leere Wasserflasche in der Hand. Er trug immer noch seinen Schlafanzug obwohl es schon längst früher Abend war, was Jun wunderte, da er das sonst nie tat. Ryou war obwohl der Tatsache dass er das Haus nicht verließ immer ordentlich angezogen gewesen.  

Jun beobachtete wie der Dunkelhaarige in der Küche nach etwas suchte und dabei nicht gerade geräuschlos war nur um danach mit einer vollen Wasserflasche sich wieder auf den Weg in sein Zimmer zu begeben. Er schien ihn nicht einmal zu beachten, Marufujis Blick war leer und er wirkte völlig ausgelaugt.  

Skeptisch stand Jun auf und lief zur Küche herüber um nachzusehen warum der andere einen solchen Lärm veranstaltet hatte. Auf der Anrichte direkt neben dem Spülbecken hatte sich eine ganze Reihe Wasserflaschen angesammelt, welche Marufuji im Laufe des Tages anscheinend leer getrunken und achtlos dort stehen gelassen hatte. Jun bot sich ein Bild welches absolut nicht zu diesem Mann passte, denn immerhin war Marufuji derjenige  welcher sie immer wieder ermahnte wenn man etwas hatte dort stehen lassen.  

Verwirrt drehte er sich wieder um und meckerte sofort los: „Kannst du mal deine blöden Flaschen da wegräumen? Ich bin nicht deine Putze!“  

Marufuji schenkte ihm nur einen gleichgültigen Blick, zuckte mit den Schultern und verschwand sogleich wieder in seinem Zimmer. Er ließ den Schwarzhaarigen einfach stehen. Empört über dieses Verhalten stapfte Jun ihm hinterher, zerrte die Tür auf und zeterte weiter: „Ich hab keinen Bock darauf, dass Fubuki-san mich wieder anmeckert-“  

Er stoppte, als er realisierte dass Marufuji völlig weggetreten auf seinem Bett in völliger Dunkelheit saß, die Decke halb über den Kopf gezogen und ihn nicht einmal wahrnehmend.

„Tse“, machte Jun und verließ das Zimmer wieder. Wenn er eh wieder ignoriert wurde machte es keinen Zweck ihm die Meinung zu geigen. Aber er würde auch keinen Finger rühren und die Unordnung für Marufuji beseitigen, das ließ sich einfach nicht mit seinem Stolz vereinbaren. Absolut nicht.
 


 


 

Nur schemenhaft konnte Ryou die Bilder vor sich erkennen, welche immer wieder vor ihm aufblitzten. Er hörte verzerrtes Kinderlachen vermischt mit Schreien und Schluchzen. Es waren keine Träume, sondern Erinnerungen. Gedanken, welche er jahrelang erfolgreich verdrängt hatte die nun aus einem ihm nicht ersichtlichen Grund wieder in ihm aufflammten und ihn quälten. Ryou befand sich wie in Trance, egal ob er schlief oder wach war, er konnte sie überall sehen, sie hören.  

Die wirren Bilder verzerrten sich wieder und plötzlich befand Ryou sich auf dem Boden seines damaligen Zimmers sitzen, genauso wie in der Gegenwart eingehüllt in eine Decke und verängstigt auf den Spiegel vor sich starrend. Der Raum war dunkel, die Vorhänge waren zugezogen sodass nur schwach das Mondlicht durch einen kleinen Spalt hindurch schien.  

Von draußen konnte er seine Eltern streiten hören, doch er verstand kein Wort worüber sie diskutierten. Es war ihm egal. Seine Gedanken waren blockiert, er konnte nur an eines denken: »Es ist deine Schuld!«

Wie als hätte man ihm einen Messer in den Rücken gerammt heulte er vor Schmerz los, er konnte seine eigene Stimme hören welche damals noch viel heller und kindlicher klang als jetzt. Wie alt war er gewesen? Ryou wusste es nicht mehr.

Tränen rannen über seine Wangen, mit schmerzverzerrtem Gesicht verkrampfte er und kauerte sich auf dem Boden zusammen, immer noch in die Decke eingehüllt. Es war Spätsommer und doch war ihm eiskalt.

Für einen Moment war nur sein Schluchzen in der Stille zu hören. Er fühlte sich leer, wie ein wertloses, absolutes Nichts.

Natürlich ist es deine Schuld. Weil du zu schwach bist.“, hörte er eine Stimme sagen.  

Verwirrt setzte er sich auf und sah sich nach ihrer Quelle um. Immer noch weinte er, denn die Stimme hatte absolut recht. „Aber es gibt eine Möglichkeit für dich stärker zu werden und das alles zu vergessen. Ich werde dir helfen, wenn du mir hilfst...

Die Stimme war eiskalt und schien die einer Frau zu sein. Sie wirkte auf ihn irgendwie vertraut und gleichzeitig fremd.

„Wie... wie wirst du mir helfen?“, fragte er leise, man hörte dass er zitterte. In dem Spiegel vor ihm erschien ein Schatten, welcher nun mit dieser Stimme zu ihm sprach: „Du musst über alles siegen.

„Alle... alles. Ich muss unbesiegbar werden.“, sprach er die Worte die das Wesen von ihm zu verlangen schien, auch wenn er nicht wahrnahm was er eigentlich von sich gab.

Befreie mich aus diesem Gefängnis und ich werde dir diese Macht geben.“, sagte die Stimme und das Bild im Spiegel verzerrte sich. Ryou konnte nicht mehr erkennen was er dort gesehen hatte, denn die ganze Erinnerung löste sich auf und er fand sich wieder in der Gegenwart, in seinem Bett. Er atmete schwer, alles drehte sich um ihn herum.

»Du bist Schuld. Du bist schwach. Zu schwach um zu gewinnen und aus diesem Alptraum zu fliehen...!«, hallte es in seinem Kopf wieder. Ryou schloss die Augen, er versuchte die Stimme auszublenden doch es gelang ihm nicht. Ihm war eiskalt, der Raum schien von Sekunde zu Sekunde an Temperatur zu verlieren. Zitternd versuchte er sich aufzurichten, doch seine Kräfte schienen zu schwinden. Ihm war schlecht, sein ganzer Körper schmerzte und auch das Atmen fiel ihm schwer.

Versuchst du wirklich auf so eine erbärmliche Weise dein Leben weiter zu bestreiten? Sieh dich an, du bist zerstört. Was hat das noch für einen Sinn?

Ryous Augen weiteten sich als er die Stimme aus seinem Traum hörte, welche offensichtlich in der Realität nun auch mit ihm zu sprechen schien.

Ein gehässiges Lachen erfüllte den Raum. „Du hast in allem was du getan hast versagt.

Er versuchte dagegen anzukämpfen, doch die Macht dieser Worte war zu stark. Gedemütigt kauerte er sich auf das Bett und schloss die Augen, doch er konnte die Stimme immer noch hören.  

Du bist ein Nichts. Ein Niemand. Wofür kämpfst du überhaupt noch?

Ja, wofür kämpfte er überhaupt noch? In diesem Moment fühlte er sich, als hätte man ihm den Boden über den Füßen weggezerrt und in ein tiefes, nicht enden wollendes Loch gestoßen.

„Lass mich in Ruhe...“, schaffte er zu sagen, er war völlig entkräftet. Die Stimme entgegnete diesem nur mit einem eiskalten Lachen welches sich in sein Gedächtnis brannte.  

Plötzlich spürte Ryou einen heftigen Schmerz in seiner Brust, sein Körper verkrampfte wieder, Tränen rollten über seine Wangen. Er hatte seit langem keine so schmerzhafte Herzattacke gehabt. Das Atmen fiel ihm noch schwerer, er hatte keine Kraft um aufzustehen geschweige denn nach Hilfe zu rufen. Sein Gesundheitszustand war doch die ganze Zeit stabil gewesen, er verstand nicht warum er einen solchen Rückschlag bekam... nur wegen einer Erinnerung?

Ryou konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie sämtliche spiegelnden Gegenstände in seinem Zimmer denselben Schatten aus seiner Erinnerung zeigten.  

Dein Alptraum wird jetzt erst richtig beginnen. Hahahahaha!“, sagten die Schatten im Chor und lachten, ihr grausames Lachen erfüllten den ganzen Raum und Ryous Gedanken.  Nochmals spürte er den stechenden Schmerz in seiner Brust, dann verschwand alles um ihn herum in tiefer Schwärze.
 


 


 

Fubuki war total erschöpft von dem harten Arbeitstag welchen er mit Überstunden nun endlich hinter sich hatte und stapfte lustlos den kurzen Weg von der U-Bahnstation zurück nach Hause entlang. Er konnte schon von der anderen Straßenseite aus sehen, dass der Fernseher im Wohnzimmer noch lief und das obwohl es mittlerweile schon längst nach Mitternacht war.  

„Wie lange bleiben die denn noch auf?“, fragte er sich und kramte den Schlüssel aus den Tiefen seiner Jackentaschen hervor, schloss auf und trat in die warme Wohnung.

„Bin wieder da.“, rief er, stellte seine Tasche zur Seite und hing seinen Mantel an den Jackenständer welcher gleich neben der Tür stand. Er bekam keine Antwort. Anscheinend schienen seine Gäste schon eingeschlafen zu sein.

Leise hörte man die Nachrichtensprecherin etwas sagen:

„Nach wie vor ist immer noch unklar wie der kleine Satoshi getötet wurde, da die Verletzungen an welchen er verstorben ist immer noch nicht identifizierbar sind. Es wird vermutet, dass es sich um einen nicht menschlichen Täter sondern um ein Tier handelt, da die Knochenbrüche und Organschäden welche der Junge erlitten hat viel zu großflächig sind um von Menschenhand verursacht worden zu sein.“

Fubuki stockte als er dies hörte. Die brutale Wahrheit über den Vorfall der letzten Woche holte ihn schlagartig wieder ein. Ihm wurde übel.

»Warum müssen wir so etwas durchmachen...?!«

Er ging in das Wohnzimmer und schaltete den Fernseher aus. Jun lag schlafend auf dem Sofa, vor ihm stand sein Laptop und leuchtete ihn blau an. Juudai schien noch nicht zurück zu sein. Fubuki stand einen Moment vor dem Schwarzgekleideten und beobachtete ihn. Er schlief seelenruhig als wäre die Welt vollkommen in Ordnung.  

Fubuki klappte das Laptop zu und sah noch einmal nach den Fischen auf der anderen Seite des Zimmers ehe er sich in die Küche begab um sich etwas zu trinken zu holen. Als er das Licht anschaltete wechselte seine bedrückte Laune schlagartig zu Ärger.

Die gesamte Anrichte auf der rechten Seite des Raumes war vollgestellt mit unterschiedlichen leeren Flaschen und Dosen, schmutziges Geschirr stapelte sich in der Spüle und das Geschirrhandtuch lag auf dem Küchentisch – da wo es absolut nicht hingehörte. Fubuki war zwar nicht die Ordnung in Person, aber die Küche musste in seinen Augen grundsätzlich sauber sein. Wütend stapfte er zurück ins Wohnzimmer, schaltete das Licht an, stemmte die Hände in die Hüften und schimpfte sofort los: „MANJOUME! Mach die verdammte Küche sauber!“

Der Schwarzhaarige blinzelte verwirrt und fragte verschlafen: „Was is' los?“

Fubuki fackelte nicht lange, er ging zu dem Jungen herüber, packte ihn am Kragen und zerrte ihn hoch. „Was hast du den ganzen Tag gemacht, dass es da so aussieht? Wir hatten eine Abmachung: Wenn du hier bleiben willst helfen du und Juudai mit im Haushalt.“, zeterte der Ältere und schleifte den schlaftrunkenen Jun in das gegenüberliegende Zimmer. Fubuki schubste ihn in die Küche und stellte sich in den Eingang damit der andere nicht wieder hinaus kam. Jun wurde schlagartig wach als er das Chaos sah.  

„Hä? Das war nicht ich, das war Marufuji! Warum soll ich das wegmachen?“, meckerte er, doch Fubuki nahm ihm dies nicht ab.

„Ja, und ich bin der Kaiser von China. Ryou würde nie im Leben so ein Chaos hinterlassen, dafür kenne ich ihn zu gut.“

Jun schien sich ungerecht behandelt zu fühlen, denn er zeterte sofort weiter: „Ach, dann kennst du ihn aber verdammt schlecht! Der hat heute nur das Zimmer verlassen um sich was aus der Küche zu holen oder um aufs Klo zu gehen, nichts weiter! Ich räume das nicht auf.“

„Es ist mir egal was du behauptest, du räumst das jetzt auf. Ende der Diskussion.“, schloss Fubuki und drehte ihm den Rücken zu. Was Jun gerade gesagt hatte gab ihm zu Bedenken. Auch wenn Ryou Jun nicht wirklich als Gesellschaft haben wollte, er hätte sich nicht permanent in sein Zimmer verkrochen. Langsam ging Fubuki zu dem Zimmer in welchem sich sein bester Freund zu befinden schien und klopfte an die Tür.

„Ryou?“, fragte er. Keine Antwort. Als auf ein zweites Klopfen keine Reaktion kam öffnete er die Tür und trat in das dunkle Zimmer. Schlief er schon?

Es war unsagbar still in dem Raum. Unangenehm still. „Ryou...“

Fubuki schaltete das Licht an und erstarrte vor Schock als er seinen besten Freund regungslos auf dem Bett liegen sah, die Augen halb geschlossen und flach atmend.

Sofort eilte er zu ihm, griff seine Hand um nach dem Puls zu fühlen.

„Verdammt, was ist passiert?“, flüsterte Fubuki verzweifelt. Ryous Herzschlag war sehr schwach und schien zu zittern.  

Ohne zu zögern holte er sein Handy aus der Hosentasche und wählte die Nummer des Notarztes. Es dauerte nicht lange, doch es fühlte sich an wie eine Ewigkeit bis der Arzt den Anruf entgegen nahm. Fubuki versuchte ruhig zu bleiben um die Lage zu klären, doch die Angst schnürte ihm die Luft ab.

Sie würden gleich einen Krankenwagen schicken. Fubuki spürte wie ihm Tränen in die Augen stiegen, eine Mischung aus Dankbarkeit und Verzweiflung beherrschte ihn.

„Manjoume. Manjoume!“, rief er, seine Stimme zitterte.  

Der Schwarzhaarige kam meckernd herüber, brach jedoch abrupt ab als er den völlig aufgelösten Fubuki neben dem ohnmächtigen Ryou sitzen sah.

„Was ist los?“, fragte Jun, obwohl ihm offensichtlich klar war was passiert war.

„... was ist hier passiert, Manjoume-kun?“, fragte Fubuki leise, etwas Wut schwang in seiner Stimme mit.  

Jun schien irritiert, doch antwortete er sogleich: „Nichts... ich hab ihn wie gesagt kaum gesehen heute, er hat aber auch nicht reagiert wenn ich ihn angesprochen habe.“  

„Warum hast du mich nicht angerufen?“, erwiderte Fubuki, dieses Mal sichtlich wütend.

„Ich habe dir und Juudai doch gesagt, wenn Ryou sich irgendwie merkwürdig verhält oder sonst etwas ist sollt ihr mir sofort Bescheid geben!“

Tränen rollte ihm über die Wangen, doch es war ihm egal. „Wenn er deswegen stirbt, dann... dann...!“  

Fubuki ballte die Hand zur Faust. Er fand keine Worte dafür, was er Jun antun würde. Der Kleinere war ihm zwar auch wichtig als Freund, aber Ryou stand für ihn nebst Asuka an erster Stelle, egal wie schlimm er manchmal ihm gegenüber war.  

„Kchz – Was kann ich denn jetzt wieder dafür?!“, sagte Manjoume und verschränkte die Arme. „Immer bin ich Schuld an allem-“

„Oh Gott, jetzt halt deine verdammte Klappe, Manjoume!“, schrie Fubuki, sodass der Schwarzhaarige zusammenzuckte. „Hör auf dich für jeden Scheiß zu rechtfertigen und steh mal zu deinen Fehlern. Ich reiße normalerweise niemandem den Kopf dafür ab wenn er etwas vergessen hat, aber in diesem Fall steht das Leben meines besten Freundes auf dem Spiel! Kapierst du das?!“

Jun wollte etwas erwidern, doch Fubuki war bereits aufgesprungen und baute sich vor ihm auf. „Du bewegst jetzt deinen Arsch in die Küche und holst die Tabletten und etwas zu trinken für uns alle, wir werden wohl heute Nacht im Krankenhaus bleiben.“, sagte er mit leiser, bedrohlicher Stimme.

Der Kleinere wich ein paar Schritte zurück und folgte den Anweisungen des Älteren, auch wenn er sichtlich nicht begeistert darüber war.

Kurz darauf hörte man einen Krankenwagen einfahren. Es ging alles viel zu schnell und ehe sie sich versahen befanden sich Fubuki und Jun auf der Rückbank wieder auf dem Weg zum nächsten Krankenhaus. Die Stimmung war angespannt, so sehr dass man das Gefühl hatte die Luft um sie herum könne jeden Moment zerreißen. Fubuki versuchte derweile Juudai zu erreichen, bekam jedoch nur dessen Mailbox zu hören. Er atmete tief ein und sprach ihm eine Nachricht darauf. Seine Stimme zitterte immer noch.

Jun versuchte seinen Blicken möglichst auszuweichen. Man konnte ihm ansehen, dass er sich für seine Worte von vorhin schämte, andererseits schien er sich dennoch ungerecht behandelt zu fühlen.

Für einen Moment zögerte Fubuki, wählte dann jedoch die Nummer des jüngeren Marufuji. Er wollte Shou wenigstens Bescheid geben, dass sein Bruder ins Krankenhaus eingeliefert wurde.

Nach einer Weile ertönte die helle Stimme des Jüngeren am anderen Ende der Leitung: „Ja?“

Fubuki brauchte kurz und sagte dann: „Shou-kun, deinem Bruder geht es gar nicht gut. Wir sind gerade auf dem Weg ins Krankenhaus. Ich wollte dir nur Bescheid geben-“

„Hm.“, kam es von Shou und er legte auf. Fubuki war erschüttert von dessen Reaktion und hielt noch einen Moment ungläubig das Handy in der Hand.

„Hat er aufgelegt?“, fragte Jun, immer noch aus dem Fenster schauend. Fubuki sah immer noch auf das Handydisplay während er antwortete: „... Ja. Wie kann er nur so kalt sein...“

„Tja, ich würde sagen er ist ein genauso beschissenes Arschloch wie sein Bruder.“, sagte Jun beiläufig, setzte sich wieder gerade hin und schloss die Augen.

Wieder kochte Wut in Fubuki hoch und erwiderte: „Kannst du mal aufhören so eine Scheiße zu labern?! Was bildest du dir eigentlich ein, du kennst Ryou doch überhaupt gar nicht!“  

„Ich habe genug gesehen um mir eine Meinung über ihn zu bilden!“, sagte Jun hitzig und schaute dieses Mal zu seinem Sitznachbarn.  

„Hast du denn jemals hinterfragt warum er sich so verhält?“, kam es kühl von Fubuki, woraufhin Jun ihn irritiert ansah. Der Ältere hatte ihn damit eindeutig in die Enge getrieben. „Sag ich's doch... du kennst ihn nicht. Wir sind schon über 12 Jahre befreundet, ich kenne Ryou in und auswendig. Also erzähl mir nicht er wäre ein eiskaltes Arschloch nur weil du nicht mit ihm klar kommst, ja?“

„Pff...“, schnaubte Jun und sah wieder aus dem Fenster.

Nach einer Weile der Stille sagte Fubuki leise, den Blick zu Boden gerichtet: „Eines kann ich dir denke ich erzählen... wenn Ryou und Shou eines gemeinsam haben, dann ist es ihre Schüchternheit. Nur während Shou sich anderen anvertraut redet Ryou mit niemandem über seine Probleme und selbst ich muss ihn ausquetschen wie eine Zitrone.“

Jun wendete sich nun wieder zu ihm, er wirkte leicht erstaunt.  

„Er wirkt auf mich gar nicht schüchtern...“, sagte er, ihm war anzuhören dass ihn Fubukis Aussage umdenken ließ, jedoch war immer noch Skepsis darin enthalten.  

„Nunja, er ist ein guter Schauspieler.“, sagte Fubuki. „Ich glaube ihr würdet euch gut verstehen, wenn ihr mehr voneinander wüsstet. Aber ihr seid auch beide sehr stur, also ist es sehr unwahrscheinlich, dass ihr jemals aneinander Vertrauen schenken würdet...“  

„Hmm...“  

Jun schien darüber nachzudenken, jedenfalls blieb er für die restliche Fahrt sehr schweigsam.

Im Krankenhaus angekommen wurde Ryou sogleich in die Notaufnahme gebracht, Jun und Fubuki sollten im Gang davor warten. Ihnen wurde etwas Tee zur Beruhigung gebracht, es war unklar wie lange die Ärzte bräuchten um ihn wieder zu stabilisieren. Nach gefühlten Stunden kam eine Schwester zu ihnen und nahm Fubuki die Sorge, dass Ryou sterben könnte.  

„Mit etwas Glück wird er in den nächsten Stunden wieder aufwachen.“, sagte sie und lächelte die beiden Jungen an. Fubuki stieß einen hoffnungsvollen Seufzer aus und bedankte sich über die Information. Die Uhr zeigte viertel vor vier als eine Gruppe von OP-Schwestern den Saal in welchem Ryou notoperiert wurde und brachten diesen auf dem Bett direkt zu einem der Aufwachräume. Die Schwester welche so eben die gute Nachricht überbracht hatte zeigte auf ihr zu folgen.

„Ich will wieder ins Bett.“, murmelte Jun genervt, doch Fubukis böser Blick ließ ihn verstummen.  

„Idiot. Ich kann dich nicht alleine lassen solange unsere Gegner vor nichts zurückschrecken, also reiß dich zusammen. Du hast heute keine 10 Stunden gearbeitet und noch keine Minute Ruhe gehabt.“, erwiderte er leise, ihm war ebenfalls ein genervter Ton anzuhören.

„Ist alles in Ordnung bei Ihnen?“, fragte die Schwester und drehte sich im Gehen zu den beiden jungen Männern um, doch Fubuki beteuerte, dass es sich um nichts wichtiges handelte. In diesem Moment spürte er das Vibrieren seines Mobiltelefons, welches sich in der Innentasche seines Mantels befand. „Entschuldigen Sie mich kurz. Hallo?“, sagte er und nahm den Anruf entgegen.

„Fubuki-san, was ist los? Wo seid ihr alle?“, hörte er Juudais Stimme sagen.

Fubuki blieb für einen Moment stehen und zeigte mit Blicken, dass die Schwester und Jun ruhig vorgehen sollten.

„Hast du deine Mailbox nicht abgehört?“, fragte Fubuki, woraufhin sein Gesprächspartner peinlich berührt verneinte. „Hör zu – Wir wissen nicht was passiert ist, aber Ryou geht es total schlecht. Wir sind in der Komatugawa-Klinik, falls du weißt wo das ist...“

Juudais eben noch fröhliche Laune wich Ernsthaftigkeit. „Ich mache mich sofort auf den Weg. Bis gleich.“, sagte er und legte auf.

Fubuki packte das Handy wieder zurück in die Tasche und holte auf. Sie bogen in einen Gang ein welcher viel freundlicher und heller war als der wo sie vorher hatten warten müssen. Jedes Zimmer hatte ein Fenster auf der Gangseite, sodass man hinein sehen konnte. Die Räume waren für Krankenhausverhältnisse recht behaglich eingerichtet worden – etwas, was vielen anderen Kliniken fehlte, fand Fubuki. Er war mit Ryou schon in sehr vielen verschiedenen gewesen und sie alle waren bedrückend, trostlos. Fubuki war Shou dafür sehr dankbar, dass er damals dafür gekämpft hatte dass sein Bruder bei ihm bleiben konnte anstelle in einem dieser Gesundheitsgefängnisse eingesperrt zu sein.  

„Es tut mir Leid für Sie, dass Sie so lange warten müssen. Kann ich Ihnen noch irgendwie behilflich sein?“, fragte die Schwester als er und Jun sich wieder zu einer Sitzecke begaben welche für wartende Besucher bereit stand. Fubuki schüttelte den Kopf. „Nein... nein, es ist alles in Ordnung. Wir kommen schon klar.“, sagte er und versuchte zu lächeln.

Die Schwester sah ihn besorgt an, drehte sich jedoch um und ging.

Für ein paar Minuten saßen die beiden schweigend nebeneinander und starrten in die Luft bis Jun die Stille versuchte mit einem Gespräch zu brechen.

„Sagmal... kann es mit unseren Gegner zu tun haben?“, fragte der Schwarzhaarige und sah nach oben, als ob er eine Antwort an der schneeweißen Decke finden könnte.

„Was meinst du?“, fragte Fubuki verwirrt.

„Ist nur so eine Idee... aber du sagtest doch, dass Marufuji hätte gar keine Attacke mehr bekommen können.“, sagte Jun. Fubuki sah ihn irritiert an, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Nein, also – Sein Gesundheitszustand wäre stabil genug gewesen, aber unter diesem Stress den wir durch unsere Feinde haben ist es... eigentlich kein Wunder, dass es so gekommen ist.“, antwortete er und senkte den Blick auf seine Hände. Sie zitterten und er spürte wie ihm wieder Tränen in die Augen stiegen.

Es war so unfair. Nach 2 Jahren Quälerei durch seine Krankheit war die Genesung zum Greifen nahe gewesen und war schlagartig wieder unerreichbar für Ryou geworden.  

Wieder kamen ihm die Worte der Nachrichtensprecherin von vorhin in den Sinn. Das Kind hatte einen Namen und es war ein Mensch gewesen. Satoshi.

Fubuki wurde schlecht, Tränen rannen wieder über seine Wangen.

Zitternd kramte er das Amulett aus seiner Hosentasche hervor und musterte es mit verzweifeltem Blick. Es war ihre Rettung und gleichzeitig auch ihre Folter.

„Hmm...“, hörte er Jun sagen.

„Versteh mich bitte nicht falsch, aber wenn es tatsächlich das Werk unserer Feinde sein sollte dann weißt du wen du dafür büßen lassen solltest.“, fügte er nach einer Weile hinzu. „Willst du dich wieder rausreden?“ - „Nein.“  

Juns Blick war sehr ernst, als er ihm dies direkt ins Gesicht sagte.

„Ich habe den ganzen Abend recherchiert, aber kaum etwas nützliches gefunden. Wir haben zu wenige Informationen um uns sicher zu sein, dass es so ist.“

Jun verunsicherte den Älteren noch mehr damit, doch er hatte recht.

In diesem Moment kam Juudai, völlig vom Regen durchnässt und zusätzlich verschwitzt vom Laufen auf sie zu gestolpert. Keuchend blieb er vor ihnen stehen, drehte sich noch einmal zu der Schwester die ihm anscheinend den Weg zum richtigen Flur gezeigt hatte um und bedankte sich, ehe er den beiden anderen widmete.

„Tut mir Leid, dass ich jetzt erst da bin. Um diese Uhrzeit kommt man einfach nicht vernünftig vom Fleck mit den Öffentlichen.“, entschuldigte er sich. „Das ist jetzt nicht wichtig. Was hast du so lange gemacht?“, sagte Jun und musterte ihn mit einem abfälligen Blick.

„Ich habe mich wohl mit meinem Sponsoren verquatscht...“, druckste Juudai herum, doch Jun nahm ihm dies wohl nicht ab.  

„Yuuki, wir haben es 4 Uhr morgens. So lange kann man nicht quatschen, selbst wenn der Termin recht spät abends war. Du warst jetzt mindestens 8 Stunden weg.“

„Manjoume, es ist egal. Reg dich wieder ab.“, zischte Fubuki.

„Was ist jetzt eigentlich los? Wie geht es Kaiser?“, wechselte der kleinere Brünette das Thema und steckte die Hände in seine Jackentaschen.

„Das ist es ja. Wir wissen absolut nichts. Und Manjoume-kun vermutet, dass es vielleicht mit unseren Gegnern zu tun haben könnte.“, erwiderte der Älteste.

Juudais Blick wanderte zu dem Fenster auf der rechten Seite um einen Blick auf die Betten zu erhaschen, doch ein weißer Vorhang welcher die Betten trennte versperrte ihm die Sicht.

„Aber ihr seid euch nicht sicher darüber.“, sagte er, immer noch den Blick von ihnen abgewendet. „Nein.“, kam es von Fubuki.

„Dann sollten wir warten bis Kaiser aufwacht. Ich denke, er wird uns am ehesten sagen können was passiert ist.“, schlussfolgerte er.  

Fubuki gab ihm innerlich recht, doch in seinen Augen war dies keine Option. Er stand auf und stellte sich vor das Fenster, sodass Juudai ihn ansehen musste.

„Hör mal zu – unabhängig davon, ob diese Theorie stimmen könnte oder nicht, ich werde es nicht zulassen, dass du, Manjoume oder irgendwer Ryou in diesem Zustand irgendwie unter Druck setzt. Es tut ihm nicht gut, er wird Ruhe brauchen!“

„Das ist mir durchaus bewusst, Tenjouin-san.“, erwiderte Juudai und schloss die Augen.  

„Aber wir können darauf jetzt keine Rücksicht nehmen.“, beendete Yuberus Stimme den Satz. Die Augenfarbe des Kleineren wechselte zu Orange und Cyan. Fubuki wollte etwas erwidern, doch das Monster vor ihm hatte absolut recht.  

„Und diese Aufgabe solltest du als sein bester Freund übernehmen. Ich bitte dich.“, sagte Yuberu.

Fubuki gab sich geschlagen und nickte vorsichtig. Ihm gefiel es gar nicht, dass er Ryou damit konfrontieren musste. „Gut.“

„Ist es in Ordnung, wenn wir dich alleine lassen? Ich bin immer noch müde.“, sagte Jun und stand ebenfalls auf.

Fubuki schaute ihn irritiert an, nickte dann jedoch nochmals. „Ich glaube sowieso nicht, dass Marufuji einen von uns sehen will wenn er aufwacht.“, fügte Jun hinzu und stellte sich neben Juudai, wessen Augen wieder ihre Naturfarbe angenommen hatten.

Der Brünette stimmte ihm zu. „Ja, es ist wirklich besser. Wir sehen uns dann später, Fubuki-san.“, verabschiedete er sie beide und setzte zum Gehen an. Fubuki sah den beiden Jungen noch eine Weile nach, setzte sich jedoch dann wieder auf den Stuhl und wartete auf ein Zeichen.  

Ein Zeichen welches vielleicht eine ihrer tausend ungeklärten Fragen beantworten würde.  
 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Oh Mann, kaum versieht man sich sind es wieder 8000 Wörter. x'D
Das Kapitel ist relativ ruhig im Vergleich zum vorigen geworden, aber ich hoffe es gefällt trotzdem. Eigentlich hatte ich in etwa doppelt so viel Inhalt vor zu schreiben als möglich war, deswegen geht's im sechsten gleich mit unseren Gegnern wieder weiter.
Wie immer freue ich mich über Rückmeldung. ^^/ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Jitsch
2013-11-26T15:54:01+00:00 26.11.2013 16:54
Hm, okay, mal wieder was mir beim Lesen spontan so auffällt:
- Japan hat die Regenzeit eher so im September. Herbst tritt da eher selten mit schlechtem Wetter gepaart auf. Da der Regen aber die Stimmung sehr verstärkt will ich da mal nicht meckern.
- Kenzan... ein Japaner der keinen Regenschirm hat? XD Okay, Kenzan ist so weltfremd, da nehm ich das ihm gerade noch ab. Aber es ist echt so, dass bei Regen alle Japaner Regenschirme benutzen. Auch eigntlich nie Regenjacken (es sei denn, Regenschirm ist seehr unpraktisch). Mal so als Fun Fact XD
- Geht Judai jetzt einfach davon aus, dass Kenzan und Shou auch Anhänger bekommen weil sie seine Freunde sind? Das finde ich als einziges ein bisschen schwammig. Wieso sucht sich Rayne gerade Judais Freunde aus, selbst wenn sie (wie z.B. Ryo) vielleicht nicht direkt für die Aufgabe geeignet sind? Oder wurden sie schon viel früher "auserwählt", was aber die Frage aufwerfen würde, wieso zufällig die ganzen "Auserwählten" an der DA waren und noch dazu befreundet sind. Nur so'n Gedanke, ich gehe eigentlich davon aus dass du da eine überzeugende Erklärung parat hast.

Der Konflikt mit Shou ist echt übel. Also, dass er so weit unten ist ist schon traurig mit anzusehen, andererseits (je nachdem, was nun der genaue Auslöser ist) nachvollziehbar. Da war sein Traum ja schon echt ein bisschen aufmunternd, aber dass er nicht einfach aufwacht und sich mit Ryou vertragen will ist auch klar.

Die Elementzuordnung finde ich nach wie vor kurios. Jetzt rein von der Bedeutung der Namen her hätte ich bei Shou zum Beispiel eher Luft zugeordnet, aber offenbar scheint das mit dem Feuer auch hinzukommen... falls das Elternhaus der beiden tatsächlich mal gebrannt hat.

Frage mich gerade, was Jun eigentlich macht. Ist der nicht auch Profiduellant? Wieso sitzt er dann allein in der Wohnung? BTW kann ich mir auch nicht vorstellen, dass ein Profiduellant ohne Manager sowas wie festen Urlaub hat. Ist das nicht eher so, dass er dann "Urlaub" hat wenn er sich selbst keine neuen Duelle sucht?

Das Ende ist einfach nur bedrückend. Als Leser wissen wir immerhin, dass wahrscheinlich die Bösen dahinterstecken, aber trotzdem ist das schon eine ziemlich miese Situation. Ich lese morgen weiter!
Antwort von:  Mizael
27.11.2013 01:55
Uff... ich bin echt froh darüber, dass du mir diese Informationen durchgibst, ganz ehrlich. xD

Zum Regen: Jup, wusste ich nicht. Ich habe zwar vieles über Japan durchgelesen, aber auf das Wetter habe ich mich nicht so sehr fokussiert. Vor allem, gerade durch den Klimawandel macht es doch eh was es möchte, ich glaube nicht, dass es jedes Jahr in jedem Land konstant das gleiche Wetter gibt. ^^"
Und wo du recht hast, hast du recht - ich habe den Herbst und ebenso den Regen bewusst wegen der Stimmung gewählt.

Zu Kenzan: Du hast es erfasst. Es ist Kenzan, was erwartest du? XD Ich finde ihn ganz ehrlich sehr einfach zu schreiben, er geht mir sehr leicht von der Hand. :3
Meinem Headcanon nach ist er übrigens kein Japaner, sondern eingewanderter Mexikaner/U.S.-Amerikaner mit mexikanischem Migrationshintergrund. Ich beziehe mich da - Schande über mein Haupt - auf ein Zitat aus dem deutschen Dub, wo er behauptet "der beste Duellant westlich des Rio Grande/Río Bravo del Norte" zu sein. Besagter Fluss entspringt in den Rocky Mountains in Colorado und fließt durch New Mexico, bildet die Grenze zwischen den U.S.A. und México durch die Grenzstadt El Paso und mündet in den Golf von Mexico. So als Random Info mal dazu. /D
Sein Charakterdesign finde ich entspricht optisch allein schon jemandem aus dem Süden und ganz ehrlich, welcher Japaner heißt mit Vornamen Tyranno. ^^"

Diese Frage werde ich dir aus Spoiler-Gründen nicht ausführlich beantworten. :3
Fakt ist - warum sie da mit reingezogen werden und gerade SIE hat mit etwas Vorbestimmten zu tun.
Außerdem waren Juudais Freunde grundsätzlich immer irgendwie mit im Boot, auch wenn er sich über die Jahre verändert hat, heißt das nicht automatisch, dass er sich nicht um sie sorgen würde.


Ich gebe dir mal einen Tipp aus Kapitel 7: Das Feuer-Element sucht sich den Mutigen und gerade Shou ist einer der Charaktere, der genau dies in der letzten Staffel von GX bewiesen hat. Gerade in Saga wird er sich deswegen auch sehr beweisen müssen.
Luft wiederum sucht sich den Flexiblen. Wer das ist, werde ich noch nicht verraten. :3

Wird ebenfalls später geklärt, was mit Manjoume ist. In Kapitel 9 wird das nämlich Thema sein.

Viel Spaß und vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. ^^/




Von:  KisunaFuji
2013-10-24T17:55:51+00:00 24.10.2013 19:55
*schwärm* mein absolutes Lieblingskapitel ^^


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