Zum Inhalt der Seite

Blutschuld

Seine Bestimmung war es Vampire zu jagen, nicht sie zu lieben
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Das Gemälde

18. Das Gemälde
 


 

Es war bereits nach Mittag, als er die blinzelnden Sonnenstrahlen nicht mehr ignorieren konnte und aus einem tiefen und erholsamen Schlaf erwachte. Luc konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so gut genächtigt hatte. Keine wirren Träume, kein beklemmendes Gefühl beim Aufstehen. Nach dem morgendlichen Bad legte er seine Gewänder an und verließ das Gemach um seine Umgebung zu erkunden.
 

Er hatte geglaubt in dem Anwesen nunmehr nicht mehr als eine handvoll Diener vorzufinden. Er hatte sich geirrt. Der Prinz schien sehr viel Wert auf Sauberkeit und Ordnung zu legen. Überall wurde geputzt, gebohnert und Staub gewischt. Auch im Garten hatten die Bediensteten alle Hände voll zu tun, den Rasen in Ordnung zu halten und die Pflanzen allmählich Winterfest zu machen.

Der Jäger genoss kurzzeitig das hell leuchtende Orange der Nachmittagssonne und den milden Herbstwind auf seiner Haut, bevor er entschlossen wieder nach innen ging. Wenn er nun schon einmal bei einem Vampir weilte, dann wollte er sich diesen Umstand auch zu nutze machen. Sicher würde der Prinz über eine stattliche Anzahl von lehrreicher Lektüre verfügen.
 

Suchend wandte sich Luc an einen Jüngling, der seinen Weg kreuzte und noch nicht allzu viele Lenzen gesehen haben musste.

„Bitte, könnt ihr mir den Weg zur Bibliothek weisen?“

Der Angesprochene blickte ihn mit großen dunkelgrünen Augen an. „Ja, natürlich mein Herr. Ihr müsst nur diesen Gang folgen, euch bei der Gabelung links halten und dann die Treppe zum Eckturm nehmen.“

Lucs Augen folgten der weisenden Hand des Jünglings und blieben traurig an dessen Handgelenken hängen. Mehrere tiefe Bisswunden entstellten die sonst so feine Haut.

„Habt dank.“

Bekümmert über das Schicksal des jungen Mannes folgte er der gewiesenen Richtung.

Wie lange würde es dauern, bis er selbst Teil der Tagesgesellschaft war, die über ihren Herren wachte, nur um zum Dank als Mahlzeit herhalten zu müssen? Luc schauderte.

Nein, soweit würde es nicht kommen. Tief in sich war da etwas, das ihm Vertrauen zu flüsterte. Er würde für Iven niemals nur eine Nahrungsquelle oder ein beiläufiger Zeitvertreib sein. Und wenn es dazu kommen sollte, würde er es unterbinden und als Jäger seine Wege gehen.
 

Als er sich dem Eckturm näherte und die hohen Stufen zur Bibliothek nahm, flackerte in dem Jäger ein Hoffnungsschimmer auf, endlich Anhaltspunkte über den Mörder seiner Familie zu finden.

Das in ihm eingebrannte Bild vergegenwärtigte sich vor seinem geistigen Auge.

Ein silberner Ring, mit zwei Raben, die in ihren Krallen einen tiefschwarzen Onyx hielten, der mit zwei leichten weißen Linien ein durchzogenes X innehatte.

Über Monate hinweg hatte Luc jeden Heraldiker zu Rate gezogen, den er finden konnte. Doch jede Spur verlief im Sande. Die Hoffnung der Ring könnte ein Hinweis auf ein Familienwappen sein schwand. Phil tadelte ihn einst, er solle nicht nach Gespenstern jagen. Womöglich gab es diesen Ring nicht nur einmal oder sein Träger hatte ihn längst abgelegt. Dennoch, es war das einzige Wissen, das er hatte.

Abermals versuchte sich Luc, wie schon so viele Male zuvor, an den Vampir zu erinnern, der seine Familie dem Tod übergeben hatte. Doch es half nichts. Wie immer. Die Gestalt war in einem weiten schwarzen Umhang gehüllt gewesen. Der Kopf unter einer Kapuze verborgen, wie der Tod selbst. Die Stimme in den Schreien seiner Mutter untergegangen. Lediglich der Ring blieb in seiner Erinnerung. Manifestiert als einziger Hinweis.
 

Der Geruch von Papier hüllte ihn sogleich ein, als er die Tür der Bibliothek öffnete. Bücher verschiedenster Größe, ordneten sich in farbigen Einbänden, in den hohen Regalen. Einige der Werke waren in Sprachen verfasst, die dem Jäger gänzlich unbekannt waren. Andächtig streiften seine Hände über das in Leder gebundene Wissen. Es würde Tage, wenn nicht Wochen dauern, alle Schriften zu studieren. Strebsam machte er sich an die Arbeit und trug den ersten ausgewählten Stapel zu einem kleinen Mosaiktisch, der neben dem Lesesessel stand.
 


 

Seine Augen waren schwer. Wie viele er von den dicken Büchern gewälzt hatte, wusste Luc nicht. Die Stapel türmten sich reihenweise neben ihm. Ein Buch so enttäuschend, wie das andere. Die Dämmerung war längst angebrochen und er verspürte Hunger.

Iven war sicher schon wach. Dass der Prinz nicht gleich nach ihm suchen ließ, zeigte Luc abermals, dass Iven ihm die Freiheit zugestand, die er gestern versprochen hatte. Seinen Magen nicht länger ignorierend, legte Luc das frustrierende Buch beiseite und verließ die Bibliothek.
 

Als er die Stufen nach unten ging war er sich sicher, eben Ivens Stimme gehört zu haben. Luc ging zu dem schmalen goldenen Lichtstrahl, der durch den offenen Spalt der Türe unterhalb der Treppe fiel. Es gab keine Zweifel. Ivens volle dunkle Stimme drang aus dem Zimmer.
 

„Schon bald wird dein Tod gerächt sein.“
 

Luc war sich unschlüssig ob er stören sollte. Distanziert warf er zunächst einen Blick durch den offenen Türspalt. Warmer Kerzenschein erhellte den Raum. Iven stand mit dem Rücken zur Tür vor einem großen Gemälde. In einer Geste prostete er dem Bildnis zu, so als ob er eben mit diesem gesprochen hatte. Dem Dunkelblonden war die Situation unangenehm und er wollte sich mit Klopfen bemerkbar machen. Bevor seine Knöchel die Privatsphäre stören konnten, trat ein Schatten aus der anderen Ecke des Zimmers ins Licht.

Luc hielt augenblicklich inne, als er Xei erkannte. Die Atmosphäre hatte ohnehin etwas Intimes an sich und Luc konnte darauf verzichten, nochmals nur als Zaungast zu gelten.

Der weißhaarige Vampir trat hinter Iven. Liebevoll schlangen sich seine Arme um die schlanke Taille des Prinzen, während sich sein Kopf an dessen breite Schulter schmiegte.

Ein Kribbeln durchzog den Körper des Jägers. Wieder war er angetan von dem Anblick dieser Harmonie. Seine Augen wollten, aber konnten sich nicht von der Sinnlichkeit abwenden. So folgten seine Ohren der Unterhaltung.
 

„Wieso quälst du dich so?“

Iven schien die Umarmung sichtlich zu genießen, schwieg aber.

„Du scheinst fast am Ziel zu sein.“

„Ja“, war Ivens knappe Antwort, so als ob er nicht sonderlich erpicht auf eine Unterredung wäre.

„Bist du dir sicher, dass du das noch willst? Luc vernichten meine ich?“
 

Bei seinem Namen fuhr Luc zusammen.

Was hatte das zu bedeuten?

Angespannt lauschte der Jäger weiter.
 

„Du hast Luc da, wo du ihn haben wolltest. Er ist hier, bei dir, aus freien Stücken.

Er vertraut dir und ist im Begriff seine Liebe für dich zuzulassen.

Nur noch etwas Zeit und er ist ganz Wachs in deinen Händen. Hilflos deinem Willen bis in alle Ewigkeit ausgeliefert. Aber die Frage ist, ob du nicht aufhören solltest nach Rache zu trachten.

Ich sehe wie du leidest, Iven. Mehr als sonst. Es ist nicht mehr nur der Schmerz über Cecilias Tod, der dich begleitet. Gestehe dir deine Gefühle ein, Bruder. Du liebst Luc wirklich. Aus tiefstem Herzen. Bei all deinen Bemühungen hast du nicht nur sein Herz gewonnen, sonder auch deines verloren. Und jetzt quälst du dich.

Ich hatte dich gewarnt.

Nun stehst du selbst vor dem Abgrund, in den du ihn stoßen wolltest.

Ich bitte dich, lass diese Liebe einfach leben! Hör auf damit, dich selbst zu verdammen und sei dankbar für die Chance, wahre Liebe erleben und spüren zu dürfen. Vergiss den Schmerz und den Gram. Befreie dich daraus. Du kannst Cecilia nicht wieder zu dir zurückbringen, aber du kannst versuchen dein Glück festzuhalten.“

„Genug!“

Ivens Ausruf schallte durch den Raum. Erzürnt drehte sich der Prinz zu Xei um.

„Deine predigenden Liebesworte sind bei mir restlos verschwendet. Wie könnte ich mir je vergeben, wenn ich ihren Tod nicht räche? Du verlangst von mir, dass ich ihren Mörder verschone, ihn in mein Herz lasse? Jede Emotion, die ich mir für Luc eingestehe oder schlimmer noch zulasse, wäre ein Zugeständnis sie aus meinem Herzen für ihren Mörder zu verbannen. Ein einziger Tanz auf ihrem Grab!“
 

Aufgebracht schritt der Prinz durch das Zimmer, um seinen leeren Becher auf einem Beistelltisch lautstark abzustellen.

Den Blick den er Luc damit auf das Gemälde frei gab, ließ den entsetzen Jäger das letzte Puzzleteil finden, um zu verstehen was eben geschah.

Es war ein Portrait von einer Frau, die ihm noch recht gut im Gedächtnis war. Eine äußerst schöne und anmutige Vampirin, die ihm in einem Kampf auf Leben und Tod mehr abverlangte, als jeder andere Gegner zuvor. Ihr langes schwarzes Haar fiel üppig über ihre schmalen Schultern. Sie ähnelte Iven, wenn auch nicht so sehr, dass ihm die Familienbande sofort aufgefallen wäre. Wenn das Cecilia war, dann hatte er nicht nur Ivens Schwester sondern auch Philippes Liebste getötet.

Nun wusste er, weshalb er von der Garde auf Iven angesetzt wurde.

Wer wäre besser geeignet gewesen, als jener Jäger, der bereits erfolgreich das weibliche Gegenstück des Prinzen vernichtet hatte?

Wie ein windiges Kartenhaus stürzte alles um den Dunkelblonden herum ein.

Tränen brannten in seinen Augen. Er wollte gehen. Sich aus dem Geflecht von Lügen und Emotionen befreien. Doch der Schock saß zu tief. Reglos stand er wie angewurzelt da. Unfähig zu irgendeiner Reaktion.
 

Xeis Worte klangen gegen Ivens impulsiver Stimme beinahe leise. Besänftigend flossen sie wie kühles Wasser über brennendes Feuer.

„Sie ist tot, Iven. Aber du lebst. Schicke dich nicht selbst von einer Hölle in die nächste.

Dein Herz war lange genug versteinert, deine Seele tot.

Aber jetzt spüre ich, dass du wieder lebst und fühlst. Ich flehe dich an, lass es zu. Verschone Luc und hör auf, ihn und dich weiter ins Unglück zu stürzen!“

„Sagst du das, weil du dich um mich oder um ihn sorgst?“, fragte der Prinz beißend.

Traurig blickten graue in schwarze Augen. Zögernd griff Xei nach Ivens Händen.

„Ich wünsche mit, dass dein Leid aufhört und du Frieden findest.

Aber ja, ich werde ihn vor dir beschützen, wenn es sein muss.“

„Du würdest dich gegen mich richten? Soviel bedeutet er dir?“ Zum ersten Mal hatte Ivens Stimme in Lucs Ohren ihr volles Timbre verloren und klang brüchig. „Warum ermutigst du mich dann dazu, meine Gefühle zuzulassen?“

Behutsam schloss Xei das schöne Gesicht vor ihm in seine Hände.

„Du solltest wissen, dass ich mich letztendlich immer für dein Wohl entscheiden würde.“

„Dessen bist du dir gewiss?“

Wie zur Bekräftigung legte der Weißhaarige seine Lippen liebevoll auf die des Prinzen.

„Lass den Hass ruhen, bitte.“

Ivens Lippen verzogen sich zu einem bittersüßen Lächeln.

„Deutlicher hättest du mir nicht antworten können.“
 


 


 


 


 


 

~ Hallo zusammen! Ja, ich weiß, das Kapi ist kurz und das Ende gemein ^^ Ich hoffe ihr hattet dennoch Freude beim Lesen und seid gespannt, wie es weiter geht.

Liebe Grüße, Teedy ~



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  HyakuyaMikaela
2012-07-29T02:27:05+00:00 29.07.2012 04:27
Oh, wow ... Luc ist nun also wirklich der Mörder von Cecilia. Ö_Ö

> Ihr langes schwarzes Haar viel üppig über ihre schmalen Schultern.
fiel; wenn's von fallen kommt, wird's mit einem F geschrieben. D;
Von:  Unmei
2012-04-10T20:49:26+00:00 10.04.2012 22:49
Bitte schreib schnell weiter


Zurück