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Zigarette danach

Naruto & Sasuke/ Other Pairing
von

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Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen

Ein knapper Blick auf die Uhr genügte, um eins zu wissen: Er hatte nicht mehr viel Zeit. Mit keuchendem Atem presste er sich durch die Menschenmengen hindurch und sah dabei starr geradeaus. Kein einziges Mal glitt sein Blick zur Seite. Immer nur stur geradeaus, vorwärts. In der Halle war es laut, stickig und vor allem überfüllt. Wenn er sich nicht beeilte, würde er seinen Flieger verpassen. Und zu spät zu kommen, etwas zu verpassen, etwas nicht zu erreichen, das war nichts, was Sasuke Uchiha akzeptieren konnte.

An diesem letzten Tag in seinem Heimatland war viel schief gelaufen. Die Auseinandersetzung mit seinen Eltern, die seinen kurzfristigen Entschluss weder verstehen noch gutheißen konnten, das hastige Packen für einen Aufenthalt von einem Jahr, mit dem er seit mehreren Tagen beschäftigt war, und die Tatsache, dass sein Zug mit Verspätung eingetroffen war, hatten ihn eine Menge wertvolle Zeit gekostet. Zeit, die er nicht hatte.

Gerade noch rechtzeitig erreichte er sein abflugbereites Flugzeug in die buchstäbliche Freiheit. In eine neue, hoffentlich aufregendere Zukunft.

Schnaubend nahm er auf seinem reservierten Sitz Platz und schaute aus dem Fenster hinaus. Ein letzter Blick auf diesen Teil der Erde genügte. Es reichte. In gerade einmal einundzwanzig Stunden würde er einen anderen Kontinent betreten; ein gutes Gefühl.

Tief atmete er ein und wieder aus. Erleichterung machte sich in seinem Körper breit. Gleichzeitig war nun allerdings auch der Zeitpunkt gekommen, wo ihn die Unsicherheit packte. Jetzt, wo er im Flieger saß, seine sieben Sachen gepackt hatte und alles geklärt war, was es zu klären gab, dachte er darüber nach, ob es die richtige Entscheidung war, für eine verdammt lange Zeit in ein fremdes Land zu reisen. Einfach alles, sein ganzes bisheriges Leben hinter sich zu lassen und noch einmal neu zu beginnen. Natürlich, er würde in seine Heimat zurückkehren, nur nicht als der Mensch, der er jetzt war. Jedenfalls war genau das Sasukes momentaner Plan und ein wichtiger Beweggrund für seinen Aufbruch.

Dennoch – innerhalb einer Woche hatte er beschlossen, eine Distanz von 4000 km zwischen ihn und all die zu bringen, die er liebte. Erzählt, nahezu gebeichtet, hatte er es erst heute, am Tag seiner Abreise. Sasuke hatte in den vergangenen Tagen kein Bitten und Betteln gebrauchen können, das ihn dazu bringen sollte, nicht zu gehen. Auch wenn sein Entschluss fest stand, es wäre ihm schwer gefallen, seine Beweggründe zu erklären.

Mit seinem Entschluss ließ er viel Gutes und viel Schlechtes hinter sich. Doch weder an die guten noch an die schlechten Erlebnisse wollte er auch nur noch einen Gedanken verschwenden.

In diesem Land war er geboren worden, aufgewachsen, hatte seinen Abschluss gemacht, seine Ausbildung zum Industriekaufmann abgeschlossen und jetzt war die Zeit gekommen, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Er wollte weg. Weg aus seinem Leben, weg aus diesem Land. Ein Jahr ins Ausland, um sich sprachlich weiterzubilden; für seine Zukunft, für sein Studium.

Das war seine Erklärung gewesen. Seine kurze, halbherzige Erklärung, die nur die halbe Wahrheit umfasste, aber das konnte niemand ahnen. Denn eine von Sasukes äußerst praktischen Begabungen war es, überzeugend zu schauspielern. Zumindest gerade so überzeugend, dass man ihm die Lüge nicht ansah, nicht einmal seine Eltern. Er selbst dachte besser nicht näher darüber nach, ob der Grund dafür wirklich seine ›überragende‹ Schauspielkunst sein konnte.

Sasuke schloss die Augen, als sich das Flugzeug in Bewegung setzte und sein Rücken beim Start in die Lehne gepresst wurde. Sein Magen verkrampfte sich unter der gewaltigen Wucht und er hatte schon jetzt das Gefühl, als nähme der Druck auf seinen Ohren erheblich zu.

Endlich ließ er alles hinter sich.

Er reiste ab.

Er floh.

Etwas, das Sasuke Uchiha nicht einmal sich selbst eingestehen konnte, denn in der Regel floh ein Uchiha vor nichts und niemandem.

Vor seinen Eltern, seinem Bruder, seinen anderen Verwandten, vor seinen Freunden und Kollegen führte der 22-jährige Mann ein nahezu perfektes, beneidenswertes Leben. Man bewunderte ihn regelrecht für seine schöne Maskerade, die er immer und überall aufrecht erhielt.

Sasukes Augen öffneten sich einen Spalt weit und er dachte noch ein letztes Mal an sein bisheriges Leben zurück. Es war nie schlecht, aber auch niemals ansatzweise perfekt gewesen. In seinen Augen war es eher grausam gewöhnlich verlaufen. Gut, vielleicht nicht immer, aber meistens. Doch manchmal, ja in manchen Augenblicken war sein Leben dagegen alles andere als gewöhnlich gewesen und auf die Momente und Personen, die Sasukes Leben zeitweise ungewöhnlich gemacht hatten, hätte er im Nachhinein gut verzichten können.

Er erinnerte sich an Situationen, die noch nicht allzu lange zurücklagen und schüttelte kaum merklich den Kopf.

Nein, wenn er jetzt darüber nachdachte, konnte er weder immer noch überall seine kühle und desinteressierte Fassade zur Schau stellen. In manchen Momenten hatte er es nicht einmal gewollt. Er hatte Dinge von sich Preis gegeben, die er selbst nicht wissen wollte. Die lieber dort geblieben wären, wo sie herkamen. Tief in ihm vergraben, wo sie hingehörten.

Er war auf die Schnauze gefallen, nicht nur einmal. Und er hatte Fehler gemacht. Viele Fehler. Dämliche Fehler, peinliche Fehler und verdammt schöne Fehler.

Diese Fehler waren der einzig wahre Grund dafür, warum er jetzt in diesem Flieger saß und versuchte, ein neues besseres Ich zu gründen.

Ein Ich, das schlau genug war, niemals wieder auf derart harte Weise auf die Schnauze zu fallen. Andernfalls könnte es das letzte Mal gewesen sein, dass er die Kraft fand, nahezu unversehrt wieder aufzustehen.
 

Die Ankunft war holprig, regelrecht turbulent verlaufen und weckte den schlafenden Uchiha aus Träumen, die er sowieso nicht träumen wollte. Sofort stand er wieder unter Strom, folgte der Menschenmasse, die sich aus dem Flugzeug drängte und betrat zum ersten Mal mit seinen eigenen Füßen den neuen, fernen Kontinent. Optisch unterschied sich dieser Teil der Erde oder zumindest dieser Flughafen, nicht sonderlich von seinem Heimatland. Da war ganz gewöhnlicher, dunkler Asphalt, verschiedene Maschinen, ein Gebäude, das zum Großteil aus Glas erbaut war und ein wolkenloser Himmel. Die Sonne stand noch hoch oben am Himmelszelt und würde erst in einigen Stunden untergehen; für ihn der einzige Segen des Sommers.

Sasuke krempelte sich die Ärmel hoch und blinzelte dem grellen Sonnenlicht entgegen. Ganz so schönes Wetter hatten sie bei ihm nun doch nicht gehabt.

Er machte die ersten Schritte und beobachtete auf dem Weg zu seinem Gepäck, Paare und Grüppchen, die quatschend an ihm vorbei gingen. Viele verschiedene Sprachen schlugen hier auf ihn ein, nichts Ungewöhnliches für einen Flughafen. Dennoch war es etwas anderes, ob man in seinem eigenen oder einem fernen Land kein Wort verstand. Die Landessprache war Englisch. Kaum jemand, der Sasukes Weg kreuzte, sprach diese Sprache.

Alles war fremd, verdammt ungewohnt. Das Schlimmste war, dass er nicht im Traum damit gerechnet hätte, dass er sich unwohl fühlen könnte. Denn diese Reise war genau das, was er wollte und trotzdem - trotzdem fühlte er sich einfach fehl am Platze.

Tief atmete er durch und hoffte darauf, dass dieses Gefühl mit der Zeit vergehen würde. Er hoffte, dass er sich an das neue Umfeld genauso gewöhnen würde, wie man sich mit der Zeit an nahezu alles gewöhnte. Aus dem Alter für Heimweh war er schließlich längst raus; er war kein Kind mehr.

Sasuke wartete eine gute halbe Stunde, bis er endlich seinen Koffer in Empfang nehmen konnte, dann zog er einen sorgfältig gefalteten Zettel aus der Hosentasche und öffnete ihn. Auf diesem Blatt Papier stand die Adresse der Familie geschrieben, bei der er die nächsten zwölf Monate verbringen würde. Noch einmal atmete er tief durch. Sie wohnten außerhalb der Stadt, das wusste er. Und es gefiel ihm, recht gut sogar. Er selbst hatte eine lange Zeit am Stadtrand gelebt und das bisschen Natur genossen, das ihm dort geblieben war.

Dieses Land war allerdings von der Bevölkerungsdichte etwas anders gestrickt, als sein eigenes. Hier gab es Ballungsgebiete, ja, aber es gab auch sehr ländliche Gegenden. Sasuke hatte im Internet sogar gelesen, dass es Gegenden gab, die Stunden von der nächsten Stadt entfernt lagen und in denen fließend Wasser und Elektrizität als regelrechter Luxus galten. Natürlich war er vorhanden, aber alles über diesen eigentlichen Standard hinaus, war schwierig zu bekommen. Internet fiele schon einmal flach und damit auch Sasukes bester Kontakt zur Außenwelt.

Um ehrlich zu sein, hatte er sich, nachdem er die Zusage für seinen Aufenthalt von der Familie erhalten hatte, nicht mehr getraut nachzusehen, in welche abgelegene Art von Gegend es ihn treiben würde. Alles konnte man irgendwie meistern und Sasuke war zu seinem Vorteil nicht besonders anspruchsvoll. Er konnte auch mit Wenigem auskommen; irgendwie würde er sich schon arrangieren, da war er recht zuversichtlich.

In Gedanken versunken, rollte er seinen tonnenschweren Koffer raus aus dem Flughafen, direkt auf den Bürgersteig hinauf, wo verschiedene Verkehrsanbindungen auf ihn warteten. Ratlos stand er dort und blickte auf seinen Zettel. Irgendetwas musste ja unter der straffen Zeitplanung gelitten haben. Bei Sasuke hatte die Überlegung gelitten, wie er am besten sein Ziel erreichen konnte. Mit Bus, Bahn oder Zug – er hatte sich um nichts gekümmert.

Grummelnd und verärgert über sich selbst, stand er dort und dachte nach. Der plötzlich ungewohnt starke, kühle Wind peitschte ihm dabei um die Ohren und färbte mit seinen unruhigen Bewegungen auf sein Gemüt ab.

»Fuck«, zischte Sasuke genervt und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Wie bescheuert konnte man eigentlich sein? Er stand hier, in einem fernen Land, das tausende Kilometer von seinem eigentlichen Zuhause entfernt lag und er hatte weder eine Ahnung, wo seine neue Heimat genau lag noch wie er diese erreichen sollte.

»Großartig«, lobte er sich selbst ironisch. Wie konnte man ernsthaft etwas so Essenzielles vergessen? Dafür musste man schon ganz schön durch den Wind sein.

Wieder peitschte jener Wind in Sasukes Gesicht und trug ein paar Erinnerungen mit sich. Sasuke schüttelte sie ab. Dieses Mal müheloser als sonst. Na bitte, die Entfernung zur Quelle erfüllte ihren Zweck.

Wie auch immer; er musste sich etwas einfallen lassen. Er brauchte eine Idee und diese Idee kam sogar schneller als gedacht. Etwas übereilt zog er sein Smartphone aus der Tasche und starrte zunächst auf das Display: Er hatte Empfang, Halleluja! Wenn auch beschissenen, aber das war momentan erst einmal völlig irrelevant.

Nur kurz schweifte sein Blick über die Nachrichten- und Anrufliste. Die Außenwelt ließ ihn in Ruhe – zum Glück. Keine neue Nachricht und auch kein Anruf in Abwesenheit befand sich auf seinem Handy, um ihn von dem abzulenken, was jetzt wichtig war.

Sasuke machte sich die Macht von Google Earth zunutze und suchte nach einer Kleinstadt, die seinem Zielort am nächsten und zusätzlich in den Routen der fahrenden Busse eingetragen war. Nach minutenlangem Stöbern, das Sasuke fast seinen letzten Nerv kostete, wurde er schließlich fündig.

Aufatmend stieg er in den nächsten Bus ein, zahlte den Preis für das Ticket und nahm auf einem der freien Sitze Platz.

Mit den Gedanken dabei, dass ihm eine zweistündige Fahrt bevorstand, lehnte er seinen Kopf erschöpft gegen das Fenster und blickte hinaus auf eine zunehmend schönere Landschaft, je weiter er sich von der Zivilisation entfernte. Die Vegetation war ihm fremd. Weit und breit nur Tundra, endlose Wälder und im Hintergrund die Berge. Sasuke blinzelte müde. An diesen Anblick könnte er sich glatt gewöhnen.

Auf einmal tippte ihm eine zögerliche Hand gegen die entspannte, leicht gesenkte Schulter und jagte ihm die Spannung schlagartig zurück in den Körper. Allein davon genervt, sah Sasuke auf und blickte in das Gesicht eines älteren Mannes.

»Entschuldigen Sie, haben Sie Feuer für mich?«, fragte er freundlich. Sasuke musterte ihn aufmerksam, kramte in seiner Hosentasche, ohne den Mann dabei auch nur für einen Moment aus den Augen zu lassen. Der Uchiha wusste genau, dass sich das geschickte Diebespack nur zu gern an den Geldbörsen von unschuldigen Touristen vergriff. Wenn dieser Mann vor ihm dazu gehörte, war er bei Sasuke definitiv an der falschen Adresse. Selbst im Schlaf war der Uchiha, nach eigener Ansicht, zu achtsam, um sich von jemandem ausrauben zu lassen.

»Hier«, sagte Sasuke und hielt dem Mann das lodernde Feuerzeug entgegen. Dieser klemmte sich seine Zigarette zwischen die Lippen und entzündete sie nickend über der kleinen Flamme. Dabei machte er ein äußerst zufriedenes Gesicht.

Bei seinem Anblick, wie er den Qualm genussvoll in seine Lungen zog, wurde Sasukes Blick leer. Mit Sicherheit hatte dieser Mann feste Zeiten, wann er sich eine Zigarette genehmigte, ob nun zum Abendessen, nach dem Sex oder beim bloßen Entspannen auf der Veranda – jeder Raucher hatte seine ganz eigenen Rituale, nicht wahr? Zumindest Sasuke hatte in der Beziehung so seine Gewohnheiten.

»Vielen Dank«, sagte er zum Abschied und gesellte sich wieder an seinen ursprünglichen Platz zurück. Sasuke beobachtete ihn noch ein paar Minuten, dann sank sein schwerer Kopf abermals gegen das Fenster. Kaum zu glauben, dass er immer noch so müde war, dabei hatte er mehrere Stunden im Flugzeug geschlafen.

Tatsächlich verbrachte er die komplette Busfahrt in einem dösenden Halbschlaf und nahm die atemberaubenden Landschaftseindrücke nur noch unterbewusst wahr.

In der Kleinstadt angekommen, hatte er das Busfahren endgültig satt und bestellte sich stattdessen für die restliche Strecke ein Taxi. Ein nicht ganz günstiges Unterfangen bei einer Distanz von gut fünfzig Kilometern, aber das war Sasuke sein Geld eindeutig wert.

Zu seinem persönlichen Pech geriet er an einen der redefreudigen Taxifahrer. Bei vielen mochte diese Eigenschaft des Mannes positiv ankommen, aber Sasuke war nun mal nicht ›viele‹. Er hätte lieber eine ruhige Fahrt genossen, eventuell mit ein wenig Musik im Hintergrund. Obwohl, nachher – und er ging davon aus – entsprach die Musikrichtung nicht seinem Geschmack. Also nein, doch besser keine Musik. Einfach nur friedvolle Stille.

»Sind Sie neu in der Gegend?«, begann der Taxifahrer das Gespräch und sah zu Sasuke hinüber. Dem Uchiha wäre wohler dabei gewesen, wenn der Mann seinen Blick auf die Straße gerichtet hätte. Vor allem bei dem Gedanken daran, dass sie durch bergiges Gebiet mit ungesicherten Straßen fuhren. Da waren keine Leitplanken an den Seiten. Nein, da war nur der hundert Meter tiefe Abhang.

»Ja«, antwortete Sasuke, in der Hoffnung, dass der Mann wieder geradeaus sehen würde.

»Merkt man. An Ihrem nicht vorhandenen Akzent und an der Tatsache, dass Sie einen riesigen Koffer mit sich herumschleppen. Kommt nicht oft vor, dass Einheimische mit so was durch die Gegend reisen. Außer, es soll eine extrem wilde Party werden«, sagte der Taxifahrer und wollte anscheinend einen Scherz machen. Hätte Sasuke kein gutes Benehmen Fremden gegenüber, hätte er an dieser Stelle die Augen verdreht.

»Füße hoch, der kommt flach«, dachte er sich seinen Teil dazu und machte sich lieber wieder daran, Mutter Natur aus der Ferne zu beobachten, während der Taxifahrer ihm eine Frikadelle ans Ohr sabbelte.

»Da wären wir«, sagte er irgendwann, neben all den Geschichten von unzähligen Traumberufen, unzähligen Traumfrauen und verpfuschten Chancen. Das Ganze natürlich in Kurzform verpackt.

»Das macht dann Dreiundachtzig Dollar«, war sein nächster Satz. Sasuke sollte ihm die Hälfte abziehen, als Entschädigung für die versuchte Körperverletzung; seine Ohren schmerzten von der anstrengenden Stimme und dem viel zu lauten Motor.

Um jedem weiteren Gespräch oder gar einer Diskussion aus dem Weg zu gehen, drückte er ihm sogar neunzig Dollar in die Hand, nahm seinen Koffer aus dem Kofferraum und begutachtete erstmals seine Umgebung mit prüfendem Blick. Hinter ihm heulte der Motor auf und das Auto raste mit quietschenden Reifen davon. Es war ein nostalgischer Moment, wie er diesem Taxi nachsah, das sich irgendwann im Nichts auflöste.

Sasukes Blick fiel auf ein kleines Dorf, das hoch geschätzt aus dreißig oder fünfunddreißig Häusern bestand. Kleiner als alles, was er bisher kennengelernt hatte.

Er stand noch eine ganze Weile da und ließ dieses Bild auf sich wirken. Die Straße im Dorf war nicht einmal asphaltiert. Die Häuser sahen aus, als seien sie allesamt vor rund hundert Jahren erbaut worden. Alte Fachwerkhäuser, top gepflegt und sicherlich gemütlich zu bewohnen, aber dennoch – alt. Rundherum nur Wiese und Wald, noch weiter hinten die Berge. Völlig abgelegen. Hier konnte man ungestört seine Leichen im Garten verscharren und niemand würde etwas bemerken; verschluckt von der Stille und Einsamkeit der Berge.

Sasuke durchzuckte ein kalter Schauer. Seine Gedanken und Schlussfolgerungen waren noch immer von seiner wilden Zeit geprägt, in der er sich deutlich zu oft etliche CSI-Serien reingezogen hatte. In Kombination mit vielfältigen Horrorfilmen versteht sich.

Hoffentlich war seine Familie im Besitz eines Autos. Nur für den Fall, dass Sasuke Heimweh nach den Abgasen und der Lautstärke der Stadt bekam oder für den undenkbaren Fall, dass er von hier flüchten musste.

Zumindest ein Auto schien jeder Haushalt zu besitzen, wie Sasuke feststellte, als er an den einzelnen Häusern vorbeiging. Geräuschvoll folgte ihm sein rollender Koffer und die Anwohner, die gerade in ihren Gärten tätig waren, verfolgten ihn mit ihren Blicken; keine abweisenden, bösen Blicke, dennoch war Sasuke dieses Anstarren mehr als unangenehm. Jeder starrte ihn an. Wie einen Fremden, der er unweigerlich war.

Schließlich stand er vor dem Haus, das fortan sein Zuhause sein sollte. Ebenfalls ein älteres Fachwerkhaus, groß, mit noch größerem Garten und einer Garage, in der mehrere Autos parkten. Das war das erste Mal seit seiner Ankunft, dass Sasuke erleichtert aufatmen konnte.

Ermutigt drückte er auf die Klingel und wartete. Im Flur hörte er Schritte näherkommen. Schwungvoll wurde ihm geöffnet und er sah in das aufgeschlossene Gesicht einer Frau, die gerade die Fünfzig erreicht haben dürfte.

»Sasuke Uchiha?«, fragte sie sofort, um sich zu vergewissern. Ihre Stimme klang warm und hell. Sie erinnerte ihn an die Stimme seiner Mutter. Noch ein gutes Gefühl.

»Hallo Ms. Boyd«, antwortete Sasuke mit einem kurzen Nicken und durfte beobachten, wie sich die Lippen der Frau zu einem erfreuten Lächeln verzogen.

»Schön, dass du da bist. Komm doch rein«, sagte sie und hielt ihm die Tür auf. Drinnen streifte er sich die Schuhe ab und ließ seinen schweren Koffer zunächst im Flur stehen. Er folgte der netten Dame in die Küche, in der ihr Mann am Küchentisch saß und gerade die Tageszeitung durchblätterte.

»Das ist mein Mann, Will. Ich bin Alexis«, lächelte sie und war aufgeregter, als sie eigentlich sein musste. »Wie war dein Flug?«, fragte sie und blickte dann zwischen Sasuke und der Theke hin und her. »Oh, magst du Tee? Ich habe gerade eine Kanne Roibuschtee gekocht.«

»Sehr gern«, antwortete Sasuke und ließ sich Will gegenüber auf den Stuhl sinken. »Na ja, zu lang würde ich sagen«, war seine Antwort auf ihre vorige Frage.

»Wie lang warst du unterwegs?«, fragte Will und sah über seine Lesebrille hinweg zu Sasuke, der gerade seinen Tee in einer hübsch verzierten Teetasse serviert bekam. »Danke«, sagte er an Alexis gewandt und atmete den Duft von frisch aufgebrühtem Tee ein.

»Der Flug hat knapp einen Tag gedauert und die Fahrt hierher nochmal an die drei Stunden«, meinte er mit einem Schulterzucken, das aussagte: Halb so wild.

»Kann ich dir noch etwas zu Essen anbieten, Sasuke?«, fragte Alexis äußerst gastfreundlich weiter, doch Sasuke winkte nur dankend ab. »Im Moment nicht, vielen Dank.«

»Lass den Jungen doch erst mal zur Ruhe kommen«, schnaubte Will und schüttelte über das Verhalten seiner Frau bloß den Kopf. Sasuke genehmigte sich in der Zeit einen Schluck von dem wohltuenden Tee. Er hatte seit Stunden nichts getrunken.

»Sind eben nicht alle so ignorant wie du, Will. Bei dir würde er wohl verhungern«, giftete sie zurück, doch mit diesem bestimmten Unterton in ihrer Stimme, der bewies, dass es sich lediglich um liebe Streitereien handelte, wie sie zu jeder guten Ehe dazugehörten.

»Du schläfst nachher übrigens oben«, richtete Alexis sich wieder an ihren Gast und Sasuke ließ seinen Blick kurz aus dem Fenster schweifen. Der Himmel hatte sich inzwischen rötlich gefärbt.

Im Hintergrund hörte er auf einmal die Haustür, die geöffnet wurde und schwere Schritte, die näher kamen, dicht gefolgt von einem lauten Rumpeln.

»F.U.C.K«, schrie jemand auf. Es knallte wieder.

»Wer hat denn das Scheißding hierhin gestellt?«, tobte die Stimme, die eindeutig einem Mann zuzuordnen war.

Will kommentierte das Geschehen mit einem weiteren, tiefen Schnauben. Er schien ähnliche Situationen bereits gewohnt zu sein.

Die unbekannte Person, die offensichtlich Bekanntschaft mit Sasukes Koffer gemacht hatte, setzte sich wieder in Bewegung und Sasuke sah über die Schulter hinweg zur Küchentür. Er war gespannt auf den Vollidioten, der es fertig brachte, bei Tageslicht gegen seinen großen, kaum übersehbaren Koffer zu laufen.

Mit einem Mal, obwohl er sich mit gewaltiger Lautstärke angekündigt hatte, stand er wie aus dem Nichts da. Dort im Türrahmen. Groß, blond und braungebrannt. Mit einer riesigen, schwarzen Tasche in der rechten Hand und einem Gesichtsausdruck, der Sasuke ein großes Donnerwetter prophezeite.

Der Blick des blonden Mannes fiel sofort auf ihn. Blaue, vor Wut auflodernde Augen trafen auf schwarze, völlig unbeeindruckte.

»Ist das dein Scheißding da im Flur?«, fauchte er ihm direkt ins Gesicht, verwies mit nacktem Finger auf den unbekannten Gast und anschließend in besagten Flur.

»Das wird wohl meins sein«, erwiderte Sasuke mit monotoner Stimmlage. Die Entschuldigung oder Erklärung, die sein Gegenüber vermutlich erwartete, blieb aus.

Stattdessen starrten sie einander bloß an. Die Temperatur schien unter ihren Blicken um mehrere Grad zu fallen und fror die Zeit regelrecht ein. Inmitten dieser Stille hätte man eine Nadel zu Boden fallen hören können. Keiner der beiden machte den Eindruck, als würde er dieses Duell der kalten Blicke in den nächsten Minuten oder Stunden aufgeben wollen.

Sie kämpften einen Kampf, den Sasuke Uchiha in seinem Leben in dieser oder anderer Form schon oft genug bestritten hatte; immer mit demselben Ergebnis.

Sekunden später ließ der Blonde seine Tasche, in der sich ein Kasten oder Ähnliches zu befinden schien, abrupt fallen, wandte den Blick jedoch nicht ab. Er blinzelte nicht einmal.

Sollte Sasukes erster Tag gleich mit einer Schlägerei enden? Das wäre nicht der beste Start in der neuen Familie, aber es gab Dinge, denen ein ganzer Mann einfach nicht aus dem Weg gehen durfte und Schlägereien zählten sogar für Sasuke dazu.

Die nun freie, rechte Hand, ballte sich jedoch nicht zu einer kampfbereiten Faust zusammen, sondern blieb weit geöffnet und diente dazu, um sich einmal lässig durch die kurzen, zerzausten Haare zu fahren.

Obendrein verzog sich seine Mundpartie urplötzlich zu einem schiefen Grinsen, während er die Lider senkte und den Moment zu genießen schien, der in Sasukes Körper eine gewaltige Spannung auslöste.

Er nahm seine Tasche wieder auf, ging mit großen Schritten auf Sasuke zu und klopfte ihm im Vorbeigehen mit der freien Hand auf die Schulter. »Scheinst in Ordnung zu sein, Kumpel.«

Sasuke konnte ein verblüfftes Blinzeln nicht unterdrücken.

Der blonde Mann verließ die Küche, ohne irgendeine Antwort abzuwarten. »Ich geh erst mal kacken«, waren seine letzten Worte.

Fassungslos drehte sich der Uchihasprössling in die Richtung, in die der junge Mann verschwunden war und erhaschte gerade noch einen knappen Blick auf sein breites Kreuz, das in der nächsten Tür verschwand.

»Das ist Naruto«, klärte Will das Ganze auf, nachdem ein wenig Ruhe eingekehrt war. »Unser Adoptivsohn.«

»Er ist ein lieber Junge«, lächelte Alexis direkt. Sie schien selbst zu wissen oder zumindest zu erahnen, dass er mit seinem Auftritt einen ganz anderen Eindruck bei Sasuke hinterlassen haben musste.

»Ihr werdet euch bestimmt verstehen. Immerhin müsstet ihr ungefähr das gleiche Alter haben. Naruto ist Einundzwanzig«, fügte sie hinzu. In Sasukes Augen hatte das Alter wenig damit zu tun, ob man sich verstand oder nicht. Sehr wenig sogar. Er selbst hatte sich bislang immer besser mit Älteren verstanden. Dieser Naruto war jünger als er und machte obendrein noch den Eindruck, einer von diesen typischen Footballspielern zu sein. Sasuke war, genauso wie der Großteil der Menschheit, nicht frei von Vorurteilen. Wie sollte er es auch sein, wenn sie sich in den meisten Fällen bewahrheiteten?

»Bring doch schon mal deine Sachen nach oben. Naruto wird dir helfen, dich einzurichten«, lächelte sie und machte eine ermutigende, auffordernde Kopfbewegung in Richtung Tür.

Sasuke, der nach diesem ungewöhnlichen Zusammentreffen nur noch wenig Interesse daran hatte, Naruto näher kennenzulernen, erhob sich widerwillig von seinem Stuhl, packte seinen Koffer und schleifte ihn die Treppe hinauf.

An der Tür, an der ein Poster von einer halbnackten Frau haftete, hielt Sasuke inne. Das musste es wohl sein. Er drückte die Klinke herunter und trat in ein Zimmer, das entgegen seiner Erwartung recht kahl und gewöhnlich wirkte. Es standen zwei Betten, ein Schreibtisch mit Computer und – man glaubte es kaum – ein Bücherregal im Raum. Dann noch Kleinkram wie Lampen, ein paar pornografische Poster und ein Fußball, der in der Ecke lag. Das Ganze erstaunlich aufgeräumt und wirklich spartanisch eingerichtet, für das Zimmer eines Jungen von Narutos Kaliber. Hier fehlte das ›Wilde, Explosionsartige'.

Sasuke stellte seinen Koffer ab und ging zu dem, was ihn wirklich interessierte: Das Bücherregal. Was las ein Kerl wie Naruto wohl in seiner Freizeit?

Aufmerksam legte er seinen Kopf leicht schief, um die verschiedenen Buchrücken lesen zu können. Hauptsächlich standen hier Horror- und Fantasyromane, aber auch ein paar Exemplare der klassischen Literatur fanden ihren Platz.

»Aus der Schule oder Geschenke. Nie gelesen. Und wenn, dann nur gezwungen und nicht verstanden«, dachte sich Sasuke mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen. Grinsend wandte er sich ab und sein Blick fiel auf ein kleines Taschenbuch, das auf dem Schreibtisch lag. Daneben war ein Kugelschreiber zu sehen.

Er nahm das abgegriffene Ding und blätterte es einmal durch. Das hier war handschriftlich verfasst. Eine krakelige Schrift, durchgestrichene Worte und leere Seiten waren zu sehen. Etwa ein Poesiealbum?

Als Sasuke Schritte die Treppe hinaufsteigen hörte, legte er das Buch beiseite. Er glaubte, damit ein wenig zu sehr in Narutos Privatsphäre herumgeschnüffelt zu haben. Etwas, das er nicht oft tat. In diesem Fall hatte es lediglich dazu gedient, herauszufinden, ob Naruto wirklich der oberflächliche, ungebildete Kerl war, der er zu sein schien.

Naruto betrat das Zimmer und stellte zunächst seine schwarze Tasche in die Ecke neben dem Fußball.

Kurz verharrte der blonde Mann vor dem Fenster und begutachtete den Abendhimmel, ehe er sich zu Sasuke umdrehte.

Mit einem Lächeln kam er auf ihn zu. »Hey, war gerade nicht der beste Start. Ich war etwas gestresst. Am besten, wir fangen nochmal von vorne an«, sagte er mit freundlichem Tonfall und stellte sich direkt vor den Uchiha. So dicht, dass man den Geruch von Schweiß und Natur, von Wald und Wiesen, von Gestrüpp und Unkraut, deutlich wahrnehmen konnte.

Sasuke fiel besonders sein warmherziges Lächeln auf, das in der Lage zu sein schien, selbst das kälteste Herz auftauen zu lassen.

»Ich bin Naruto«, stellte er sich vor und streckte Sasuke kameradschaftlich die Hand entgegen. Der sah allerdings nicht die freundliche Geste, sondern nur diese Hand, die nach Narutos Geschäft mit Sicherheit nicht gewaschen worden war. Ein Grund, weshalb er entsprechend angewidert guckte.

Naruto entging Sasukes offenkundige Abneigung natürlich nicht und er zog seine Hand zurück. »Oh, entschuldige bitte«, sagte er und Sasuke war fast dazu bereit, etwas zu erwidern, da vernahm er plötzlich ein merkwürdiges Geräusch aus Narutos Nasengegend und sah ihm allen Ernstes dabei zu, wie er sich großzügig in die Hand spuckte.

Er verteilte das Ergebnis in seinen Handflächen, als würde er sie gründlich einseifen. Zu guter Letzt wischte er beide Hände an seiner Jeans ab, dann hielt er seine Rechte wieder Sasuke entgegen. Sein Grinsen war dabei frech und selbstbewusst.

Naruto wusste genau, dass er ihn mit seinem Verhalten schockte.

»Ich bin Naruto«, wiederholte er.

»Sasuke«, stellte der Uchiha sich kurz vor, selbstverständlich ohne den Handschlag einzugehen. Auch wenn sein Plan nicht ganz aufgegangen war, wandte sich Naruto zufrieden von ihm ab und stellte sich wieder vor das Fenster, das einen Blick in den eigenen Garten gewährte.

»Wie alt bist du?«, fragte er mit dem Rücken zu Sasuke.

»Zweiundzwanzig.«

Naruto sagte dazu nichts, er fragte einfach weiter.

»Woher kommst du?«

Der Uchiha verengte die Augen zu Schlitzen. Woher das plötzliche Interesse?

»Deutschland, geboren in Kyoto.«

Es folgte eine kurze Pause.

»Kannst du auch in vollständigen Sätzen antworten, Sasuke?«, fragte er und Sasuke konnte sich das schiefe, fiese Grinsen auf seinen Lippen dabei nur allzu gut vorstellen.

Das musste der Kerl gerade sagen, dessen Literaturreihe hauptsächlich aus Werken von Stephen King bestand und der mit Sicherheit den Großteil seiner Freizeit nicht unbedingt mit lernen verbrachte. Bestimmt war er schon seit Jahren mit der Schule fertig.

»Ich will dich ja nicht überlasten«, gab er einen bissigen Kommentar zurück und hörte nur Sekunden später ein tiefes, männliches Auflachen, das den Raum erfüllte. Naruto ging zum rechten Bett im Zimmer und ließ sich darauf nieder.

»Das andere ist deins«, sagte er und wechselte geschickt das Thema. Mit einem Nicken bestätigte der Uchiha sein Einverständnis und ging über den Holzfußboden zu seinem Teil des Zimmers. Unter seinen Socken hatte er dieses beruhigende Gefühl von Beständigkeit, leicht knarrend und warm.

Er setzte sich auf die Bettkante, schloss die Augen und versuchte sich selbst begreiflich zu machen, dass das hier sein neues Leben war. Dass es unwahrscheinlich war, dass er morgen Früh in seinem eigentlichen Bett in seiner eigentlichen Wohnung am Stadtrand aufwachen würde. Denkbar unwahrscheinlich.

Für ein paar Minuten herrschte eine stille, völlig natürliche Atmosphäre zwischen den zwei Männern. Jeder hing seinen eigenen Gedankengängen nach, scherte sich nicht mehr um den anderen unbekannten Menschen, mit dem er das Zimmer fortan teilen musste und gerade dadurch gaben sie beide zu, dass sie mit der Situation im Grunde zufrieden waren. Natürlich hätten – würde man sie danach fragen - alle beide beteuert, dass sie lieber ihre Ruhe haben und alleine wohnen wollten, doch irgendwo tief in ihnen vergraben, schlummerte auch diese Neugierde nach dem Unbekannten. Die Neugierde, einen Menschen besser kennenzulernen, vielleicht sogar irgendwann zu verstehen, der eigentlich ganz anders, absolut grundverschieden war. Zumindest auf den ersten, mit Vorurteilen behafteten Blick.

Sasuke öffnete seine Augen einen Spalt weit und sah zu Naruto hinüber, der mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf seinem Bett lag und die Decke anstarrte.

Was war los? Hatte er eine interessante Spinne entdeckt, deren Bewegungen er verfolgen konnte?

Mit der Zeit wurde Sasuke bewusst, dass Naruto keinen bestimmten Punkt anguckte. Er schien in Gedanken zu sein.

»Wahrscheinlich denkt er darüber nach, was es morgen zu Mittag gibt«, dachte sich Sasuke, der Naruto keine tiefgründigeren Gedankengänge zutraute, und legte sich ebenfalls nieder. Er drehte sich auf die Seite, starrte Richtung Wand und winkelte einen Ellenbogen unter seinem Kopf an.

»Was machst du eigentlich beruflich?«, wurde er weiter mit Fragen bombardiert und hörte das gestellte Desinteresse aus der Stimme des Fragenden heraus. Still für sich musste er grinsen. Ein kläglicher Versuch, ihren Kontakt zueinander nicht schon jetzt im Keim ersticken zu lassen.

»Ich hab gerade meine Ausbildung zum Industriekaufmann abgeschlossen und nach diesem Auslandsjahr will ich mein Studium in internationaler Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Controlling beginnen«, erzählte Sasuke etwas ausführlicher von seinen großen Plänen im Leben. »Dann kann ich das Unternehmen meiner Eltern übernehmen.«

Ihm selbst war gar nicht so stark bewusst, dass er Naruto mit seinen Worten und vor allem mit seinem Tonfall, nur noch mehr unter die Nase rieb, was er von ihm hielt. Sasuke demonstrierte seine Überlegenheit, seine Intelligenz, seine Ambition es im Leben zu etwas zu bringen. All das, wovon er schon nach seinem ersten Eindruck glaubte, dass Naruto es niemals besitzen würde. Nicht einmal, wenn er es noch so sehr wollte.

»Und du?«, stellte Sasuke die Gegenfrage, da er ohnehin nicht davon ausging, dass der Blonde ihn für irgendetwas von dem Gesagten loben würde. Nein, damit war wirklich nicht zu rechnen, aber das störte Sasuke einen Scheiß, weil er wusste, dass er mit seinen Worten genau den Effekt erzielte, den er erzielen wollte.

»Ich studiere«, erwiderte Naruto und Sasuke klappte beinahe die Kinnlade herunter. Zu seiner eigenen Überraschung, erholte er sich recht schnell von diesem Schock und konterte schlagfertig: »Was denn? Sportwissenschaften?«

Das war so ziemlich das Einzige, was er dem Idioten zutraute. Wenn man einmal davon absah, dass er ihm nicht einmal einen guten Abschluss an der Highschool zugetraut hätte. Jedenfalls keinen so guten, dass es für den Besuch einer Universität oder eines Colleges ausreichen könnte.

»Nein, Mathematik.«

Für einen Moment ließ Sasuke diese Information auf sich wirken, stellte sich Naruto bei der Berechnung und Herleitung von komplexen Formeln vor, und musste prompt loslachen. Ein Anblick, von dessen Rarität Naruto in diesem Moment noch keinerlei Ahnung hatte. Auch wenn Sasuke mehr über ihn lachte, aber zumindest lachte er und das passierte in der Regel nicht sonderlich oft.

»Was ist daran so witzig?«, grummelte der Ausgelachte zurück und seine Stimme klang dabei sogar ein kleines Stück weit gekränkt.

»Sorry, die Vorstellung ist einfach zu...Ich weiß auch nicht. Abwegig?«, lachte Sasuke und drückte sich den Handballen gegen die Stirn, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Mit einer Drehung wandte er sich zu Naruto und sah direkt in die blauen Augen, die ihn vorwurfsvoll anstarrten.

»Ist das denn wirklich so absurd?«, hinterfragte Naruto mit gedämpfter, ernüchterter Miene.

»Irgendwie schon«, war Sasukes unüberlegte Antwort. Er konnte sich kaum vorstellen, dass er bei jemandem wie Naruto damit einen Nerv treffen konnte.

»Du machst einfach nicht den Eindruck ein Akademiker zu sein«, sagte er schmunzelnd. Naruto wandte den Blick nicht von ihm ab, er stellte sich Sasukes Überheblichkeit.

»Ach so? Welchen Eindruck mache ich denn auf dich?«, hinterfragte er mit Biss. Naruto fühlte sich beleidigt, das war nicht zu übersehen. Nur war das nicht Sasukes Problem, wenn er sich von den Worten eines Fremden derart auf die Palme bringen ließ. Dann musste an seinen Äußerungen ja etwas Wahres dran sein, ansonsten würde er sich wohl kaum so künstlich darüber aufregen.

»Spielst du Football?«, stellte der Uchiha die Gegenfrage und erhielt als Antwort eine hochgezogene Augenbraue. »Früher einmal, warum?«, fragte Naruto, der sich keinen Reim darauf machen konnte, was das Eine nun mit dem Anderen zu tun haben sollte.

»Genau den Eindruck hast du auf mich gemacht«, sagte Sasuke und fühlte sich in seiner Meinung wiedereinmal bestätigt, dass die meisten seiner Vorurteile eben doch zutrafen. Nicht nur in jedem Gerücht, sondern auch in jedem Vorurteil steckte einfach ein Quäntchen Wahrheit.

»Was ist daran verkehrt?«

Für jeden anderen wäre diese Frage vielleicht berechtigt gewesen, für Sasuke untermauerte sie nur weiter Narutos unbestreitbare Dummheit.

»Nichts«, erwiderte er sarkastisch, nahezu hochnäsig und fügte hinzu: »Ein Mathematik studierender Footballspieler ist nur einfach nicht die Norm.«

Naruto hustete. »Und deshalb natürlich komplett unmöglich.«

Aufgrund von Narutos ausgeprägter Naivität, konnte Sasuke ihn nur mitleidig belächeln.

»Unmöglich habe ich nie gesagt. Eine Statistik würde dir allerdings beweisen, dass diese Konstellation äußerst selten ist. Und deshalb war es naheliegend, dass du lügst. Weil, dass du Footballspieler bist, erschien aufgrund deines ganzen Auftretens einfach so viel wahrscheinlicher. Und wie man sieht: Ich wurde keines Besseren belehrt. Du hast gelogen.«

Für Sasuke war dieses Gespräch ein richtiger Triumph. Er erkämpfte sich in seiner Welt damit gerade den Rang zum Alphatier. Nur war die Rangfolge in Narutos Welt allerdings nicht so einfach zu beschließen. Dazu gehörte schon mehr, als nur eine dämliche Diskussion für sich zu entscheiden und ein paar fiese Sprüche zu klopfen.

»Was willst du hier überhaupt?«, stellte Naruto plötzlich eine Frage, mit der Sasuke in dieser Situation niemals gerechnet hätte. Sie kam unverhofft und traf ihn deshalb wie ein Schlag ins Gesicht.

»Ich frage dich: Was hast du hier verloren?«, wiederholte der Blonde energisch. Ein Blick in seine Richtung bestätigte die Ahnung, dass er angespannt war. Sein ganzes Gesicht war angespannt, nicht nur das, seine komplette Körperhaltung glich einem einzigen Brett.

»Ich will die Sprache lernen. Für mein Studium«, erwiderte der Uchiha nüchtern und wandte zeitgleich den Blick von dem anderen ab. Dieser Anblick machte ihn nervös.

»Bullshit«, warf Naruto ein. Das Bett knartschte unter seiner Bewegung. »Dein Englisch ist fehlerfrei und fließend. Dir fehlt bloß der Akzent. Und dafür nimmt man keine Reise von tausenden von Kilometern in Kauf. Bullshit, Sasuke«, knirschte er hervor.

Auf einmal fühlte sich Sasuke seltsam durchschaut und ertappt. Von einem Menschen, der eigentlich gar nicht in der Lage sein sollte, ihn irgendwie zu verstehen, seine Vorwände zu erkennen. Er drehte sich wieder auf die andere Seite, wandte Naruto abweisend den Rücken zu und gab seine Position als angehendes Alphamännchen somit wieder auf.

»Mein Englisch ist nicht perfekt. Mir fehlt die Praxis«, sagte er und fügte nach kurzer Überlegung hinzu: »Außerdem gefällt mir die Landschaft richtig gut. Mir fehlt die Natur in der Stadt. Ich möchte etwas erleben.«

Im Hintergrund hörte Sasuke ein betont lautes, sarkastisches Schnauben. »Der Herr ist also hier, um Urlaub zu machen? Prächtig. Kommt mir gelegen, ich wollte eh demnächst in die Berge. Weißt du was? Wenn du doch so scharf drauf bist, nehme ich dich gerne mit. Freeclimbing dürfte doch voll deinen Geschmack treffen.«

»Ganz genau«, stimmte Sasuke ein wenig zu laut, zu aufgebracht und zu überlegt zu und hörte den Mann hinter sich ein paar unverständliche Worte grummeln. Der Typ würde eh nicht Ernst machen. Freeclimbing, das war Bullshit.

»Ich sag dir mal was. So als dummes Landei, das ich in deinen Augen wohl bin«, brummelte Naruto hervor und traf mit seiner Selbstbeschreibung den Nagel annähernd auf den Kopf. Ein dummes Landei, das war er tatsächlich für Sasuke.

»Du hältst es hier keine drei Monate aus. Ohne deinen ganzen Stadtschnickschnack. Hast doch sicher schon fast einen Infarkt bekommen, als du hier vor unserem kleinen Dorf, mitten in der Pampa ausgestiegen bist. Ich kenne einige von deiner Sorte, von diesen beschissenen Scheuklappendenkern, wie du einer bist. Immer schön alle über einen Kamm scheren, da ist kein Platz für Ausnahmen. Du kennst mich null und trotzdem stempelst du mich als etwas ab, was ich vielleicht gar nicht bin. Du kennst mich ja gar nicht«, brabbelte Naruto vor sich hin und sorgte mit seinen Worten dafür, dass Sasuke wütend die Augen zusammenkniff.

»Du hast mich doch genauso abgestempelt, oder nicht?«, warf Sasuke in den Raum und erhob sich ruckartig von seiner Schlafgelegenheit. Hastig tastete er seine Hose nach den Kippen ab. Er musste jetzt dringend eine rauchen, sonst würde noch jemandem etwas passieren.

»Verwöhntes Stadtkind, keine Ahnung vom richtigen Leben. Das denkst du über mich«, sagte er zum Abschluss und knallte die Tür hinter sich zu. Polternd eilte er die Treppe hinunter, mit Tempo an der Küche vorbei, in der inzwischen Licht brannte und raus in die kühle Abendluft. Der Wind umwehte seinen Körper, so wie vor einigen Stunden am Flughafen. Dieses Mal kamen ihm die turbulenten Bewegungen gerade recht, kühlten ihn ab, brachten seinen Puls zurück auf Normalzustand, auch wenn ihm das Anzünden seiner Zigarette durch den harten Gegenwind schwer fiel.

Sasuke ging den gepflasterten Weg entlang. Die Sonne hatte inzwischen ihren tiefsten Punkt erreicht. Es war kurz nach Neun, Spätsommer.

Tief zog er den Rauch in seine ausgehungerten Lungen, verzog sein Gesicht dabei zu einer gierigen Maske. Nein, eigentlich rutschte seine Maske in dem Moment ein kleines Stück zur Seite. Nur Sekunden nach dieser regelrechten Befriedigung, diesem Bekommen von etwas, was er brauchte, blies er den Rauch aus seinem Mund, als habe er ihn niemals gewollt, niemals gebraucht und rückte seine Maske wieder zurecht. Sasuke gestand sich seine Sucht, seine Abhängigkeit vor allem in Stresssituationen, nicht gerne ein. Natürlich nicht. Welcher Abhängige tat das schon?

Er ging den Weg weiter entlang, genoss das Gefühl von warmen Steinen unter seinen Socken, dem kalten Wind in seinem Gesicht und vor allem das Gefühl von einer Zigarette, die zwischen seinen Fingern eingeklemmt war. Ja, er klammerte. Zog den nächsten Zug. Wiederholte dieses Spiel von Wollen und Abstoßen solange, bis er sie schließlich zu Boden warf und beinahe mit dem Fuß ausgetreten hätte, wie er es immer tat. Er betrachtete den qualmenden Stängel, der irgendwann vom Wind erstickt wurde.

Sein Gefühlszustand besserte sich. Ganz lässig ging er seiner Gewohnheit nach und schob seine Daumen in die Hosentaschen hinein. Er ging die Straße noch ein Stück entlang und betrachtete die angrenzende, asphaltierte Hauptstraße, auf der er hergekommen war und die auch irgendwann seinen Heimweg einleiten würde. Aber noch nicht jetzt. Jetzt noch nicht.

Irgendwann drehte er um, ging denselben Weg zum Haus zurück und klingelte an der Haustür, wo er von einer besorgten Alexis empfangen wurde.

»Warum bist du weggelaufen?«, fragte sie mit hektischer Stimme. Sie sah aus, als wäre sie kurz davor gewesen, die Polizei zu alarmieren.

»Ich war nur ein bisschen spazieren«, erklärte Sasuke und schob sich an ihr vorbei. Er hatte jetzt keine Lust auf eine ausschweifende Diskussion.

»Sag uns das nächste Mal Bescheid, wenn du weggehst. Zumindest solange du die Gegend hier noch nicht kennst«, bat sie und schien wirklich erleichtert zu sein, dass ihm nichts passiert war. Wurden hier oft Menschen von Bären und Wölfen gefressen oder wovor hatte sie Angst?

»In Ordnung«, sagte er und bewegte sich in Richtung Treppe.

»Schlaf gut!«, rief sie ihm nach, als er die Stufen nach oben stieg. »Gute Nacht«, sagte er.

Im Zimmer saß Naruto noch immer auf seinem Bett, jetzt aber in anderen Klamotten und mit tropfenden Haaren. Offensichtlich hatte er geduscht.

»Na, wieder abgeregt?«, fragte er, ohne den Blick von seinem Buch zu heben. Sasuke antwortete auf diese Frage nicht, stellte aber bei genauerem Hinsehen fest, dass es sich bei dem Buch um jenes abgegriffene Taschenbuch handelte, das er zu Beginn auf dem Schreibtisch vorgefunden hatte. Und Naruto saß mit einem Kugelschreiber davor.

Er schrieb doch wohl nicht etwa Tagebuch? Das war Weiberkram.

»Was machst du da?«, wollte Sasuke wissen und deutete mit dem Kopf auf das Buch, als Naruto zu ihm schielte.

»Schreiben, wonach sieht's denn aus?«, kam die biestige Antwort wie aus der Pistole geschossen und Sasukes schlechte Laune schlich sich langsam wieder in seinen Körper ein.

»Ach was, du kannst schreiben? Ich sollte mein ›Scheuklappendenken‹ wohl doch nochmal überdenken«, war Sasukes grantiger Kommentar. Die beiden gaben sich mit ihren blöden Äußerungen wirklich nicht viel.

Und Sasuke begab sich selbst auf ein Niveau herab, das er bei anderen nur belächelte. Dass er selbst so ›niveaulos‹ war, fiel ihm gar nicht auf.

»Halt die Fresse, Stadtopfer«, brummelte der Blonde und zog es vor, Sasuke mit Ignoranz zu strafen. Ein Vorhaben, das ihm nicht gerade leicht fiel. Dafür ließ er sich viel zu leicht provozieren.

»Stadtopfer«, wiederholte Sasuke die Beleidigung amüsiert, während er sich auf sein Bett setzte. Sein Blick schweifte auf die schwarze Sporttasche, mit der er Naruto das erste Mal gesehen hatte.

»Und was ist in der Tasche da?«, fragte er, weil er wusste, dass Naruto seine Fragerei auf die Nerven ging. Der klackte mit dem Kugelschreiber und sagte nur: »Geht dich einen Scheiß an.«

Die Gastfreundlichkeit hatte Naruto definitiv nicht von seinen Eltern mit auf den Weg bekommen. War aber eigentlich auch kein Wunder, schließlich waren Alexis und Will nicht seine leiblichen Eltern.

Und eigentlich wusste Sasuke auch ziemlich genau, dass er selbst nicht ganz unschuldig an dieser festgefahrenen Situation war. Er hatte Naruto verhöhnt, als er sich von einer besseren Seite zeigen wollte und jetzt musste er wohl mit den Konsequenzen leben.

Konsequenzen, die Sasuke nicht gerade störten. Er war sehr geübt im Ignorieren von Personen. Auch Naruto würde er irgendwann ausblenden können. Er hatte ein ganzes Jahr lang Zeit dafür.

Über das wie und warum, dachte Sasuke noch nicht weiter nach. Momentan konnte er nur noch daran denken, dass er von den ganzen Anstrengungen des Tages verdammt ausgelaugt war und einfach nur noch ein warmes Bett brauchte.

Kurzerhand zog er sich die Klamotten aus, beobachtete dabei Naruto, der ihn keines müden Blickes würdigte und stattdessen wie ein Irrer Worte in sein Tagebuch kritzelte. Vermutlich irgendwelche Hassgedichte, für Sasuke verfasst.

Drauf geschissen.

Sasuke wollte sich gerade hinlegen und sich die Decke über den Kopf ziehen, da erreichte ihn die tadelnde Stimme seines Zimmergenossen: »Wage es ja nicht, dich mit deinem dreckigen, verschwitzten Arsch in das frisch bezogene Bett zu legen. Nebenan ist das Bad.«

Polternd und mit zusammengebissenen Zähnen, stand Sasuke wieder auf, ging im Schnellschritt über die Dielen hinweg und schloss seinen Koffer auf, um darin nach einem Handtuch und frischer Kleidung zu suchen.

»Hygiene wird bei euch in Japan wohl nicht so groß geschrieben, was?«, schlussfolgerte Naruto mit einem gehässigen Grinsen auf den Lippen, der genau wusste, dass er Sasuke damit bei den Eiern hatte. Ihm war es schon fast peinlich, dass er sich ernsthaft ungewaschen in das Bett legen wollte. Das war normal nicht seine Art, aber hier und heute - er hatte einfach nur noch schlafen wollen.

»Leck mich«, schnaubte er beim Rausgehen und Naruto lachte auf.

»Dann wasch dich erst einmal gründlich, Wichser!«, rief der Blonde ihm grunzend hinterher und Sasuke stieg prompt die Schamröte ins Gesicht, als er das Zimmer verließ. Naruto hatte das natürlich nur so daher gesagt, allein aus dem Grund, um ihn aufzuziehen. Sasukes Vorlage war verlockend gewesen und er hatte es sich auch nicht nehmen lassen, ihm am Ende des Satzes noch eine Beleidigung um die Ohren zu knallen. Es gab also keinerlei Anlass, sich irgendwelche Gedanken über die gefallenen Worte zu machen.

Trotzdem war Sasuke in diesem Moment äußerst froh über die Tatsache, dass sie sich völlig fremd waren und Naruto infolgedessen so einiges über ihn nicht wusste. Eigentlich wusste er gar nichts über ihn. Das konnte, je nach Situation, sowohl ein Vorteil als auch ein Nachteil sein. In dieser Situation war es ein deutlicher Vorteil, den er zu schätzen wusste.

Sasuke verbrachte eine gute Stunde im Bad, um sich selbst auf andere Gedanken zu bringen und kehrte ins Zimmer zurück, als auch Naruto eingekuschelt unter seiner Bettdecke lag und zu schlafen schien.

Sein Blick haftete noch kurz an seiner reglosen Gestalt, bis ihm selbst bewusst wurde, was er tat und zischend den Kopf abwandte.

Das hier war die erste Nacht in seiner neuen Umgebung und Sasuke fand, obwohl er hundemüde war, nicht den Schlaf, den er gebraucht hätte. Ein Umstand, der nicht zuletzt auf die Tatsache zurückzuführen war, dass sein Zimmergenosse ein äußerst lautes Organ hatte, das im Schlaf noch unschönere Töne von sich gab, als im wachen Zustand.

Sasuke versuchte, während er mit seinen schmerzenden, weit geöffneten Augen in dem nach Weichspüler riechenden Bett lag, Naruto zu hassen. Er gab sich sogar richtige Mühe dabei und die Tatsache, dass es ihm aus unerfindlichen Gründen schwer fiel, ihn zu hassen, machte die Gesamtsituation nicht erträglicher. Wenn es Sasuke Uchiha schwer fiel, einen Menschen zu hassen – noch dazu einen nervigen, aufdringlichen Menschen wie Naruto – dann war es an der Zeit, auf der Hut zu sein.

Gleich morgen würde er damit beginnen, ihn noch mehr zu provozieren, noch mehr zu beleidigen, allgemein noch mehr dumm anzumachen, damit er ihn so richtig und aus tiefstem Herzen hassen konnte, so wie zehntausend andere Leute auch.

Mit reinem Hass hatte Sasuke kein Problem. Es machte ihm nichts aus, zu hassen und folglich auch gehasst zu werden.

Das Pendant machte ihm dagegen sehr wohl etwas aus. Zuneigung und Freundschaft; Verlangen und Begierde, das machte ihn ähnlich abhängig wie seine Zigaretten und er wusste nur zu gut, wie schwer er von seinen heißgeliebten Zigaretten loskam. Doch so weit würde er es ohnehin nicht kommen lassen; dieser Kerl würde kein Nikotin für ihn werden. In seinem ganzen, beschissenen Leben nicht. Nur, weil er ein Jahr das Zimmer mit einem rein äußerlich attraktiven Mann teilen sollte, hieß das noch lange nicht, dass er sich in irgendeiner Weise zu ihm hingezogen fühlen musste. Die Ansehnlichkeit seines durchtrainierten Körpers ließ sich zwar nicht von der Hand weisen, gleichzeitig war der Typ allerdings auch unverschämt platt in seiner gesamten Artikulation und allgemein einfach strohdoof, ein richtiges Bauerntrampel eben, also absolut unter Sasukes Niveau. Mit so einem verbrachte er nicht einmal eine einzige jämmerliche Nacht, auch wenn sie ein unermüdliches Pendel zwischen Abneigung und irritierender Lust, zwischen gewaltsamem Sex und leidenschaftlichen Küssen, zwischen dominierender Härte und elektrisierender Zärtlichkeit, beschreiben würde. Eben eine Mischung aus all dem, worauf er am meisten Wert legte.

Sasuke rieb sich die schmerzende Stirn, musterte Naruto, der sich in seinem Bett von der einen auf die andere Seite wälzte.

Warum dachte er überhaupt darüber nach?

Ach, verdammte Scheiße; er sollte schlafen.

Verdammte Scheiße, er sollte wirklich schlafen. Einen langen, tiefen und vergessenden Schlaf. Er war nicht für eine Affäre hergekommen. Schon gar nicht für eine Affäre mit einem minderbemittelten, egozentrischen Ex-Footballspieler.

Scheiße nur, dass Sasuke einen Hang für Männer hatte, die überhaupt nicht zu ihm passten und so überhaupt nie das waren, was er wirklich wollte.

Verdammte Scheiße aber auch.



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  Onlyknow3
2013-05-05T19:46:36+00:00 05.05.2013 21:46
Das nenne ich dann mal vom Regen in die Traufe fallen.Tja Sasuke es ist eben nicht immer alles so wie es aussieht,auch wenn man vor dem was war davon läuft sollte ihm klar sein das einen die Vergangeheit wieder einholt wenn man nicht daran denkt.Sasuke wird hier durch Naruto an seine altes zurück gelassenes Leben erinnert,und darum ist er auch so Garstig zu dem Fremden Jungen.Bin schon sehr gespannt was noch alles passiert.Mach weiter so,freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  _schokojunkie_2
2012-12-17T15:49:14+00:00 17.12.2012 16:49
tolles kapi, freu mich schon aufs nächste. xD
Von:  jenny
2012-09-27T12:38:34+00:00 27.09.2012 14:38
wow beeindruckend
naruto tut mir irgentwie leid obwohl er eig. nicht soo verletzlich ist
ich freue mich schon auf das neue kapi ^^
Von: abgemeldet
2012-09-18T16:42:58+00:00 18.09.2012 18:42
HEy!
Die idee ist echt super !
Das erste kapitel ist schon übelst spannend & ich frag mich jetzt schon wie es weiter geht.
Bitte schreib schnell weiter C:

NAruto & SAsuke sind ja mal total nett zueinadner xD
Ich frage mich wie es zwischen den beiden noch weitergeht ^^
OH gott ich bin echt gespannt!

DU kannst echt super gut schreiben & vorallem keine Rechtschreibfehler C:
MAch weiter so :3

Viele liebe Grüße
Maya
Von:  DarkAngel_91
2012-09-03T09:20:17+00:00 03.09.2012 11:20
Huhu ^^

Ich find die Idee voll super, ich bin total gespannt, was sich daraus noch so entwickelt! Der Anfang war auf jeden Fall richtig gut, ich mag deinen Schreibstil und vor allem finde ich es sehr toll, dass du keine Rechtschreibfehler drin hast :)

Naruto nimmt ja echt kein Blatt vor den Mund, das passt einfach super zu ihm *grins*
Der arme Naruto, er wollte doch nur nett sein v.v"

Falls du sowas wie ne ENS-Liste führst, dann setz mich da bitte drauf ^-^

Lg, Angel <3
Von:  tillbery
2012-08-19T21:05:31+00:00 19.08.2012 23:05
Hey,
ich bin ma gespannt wie es weiter geht :)
Ich hab ja nun schon einiges von dir gelesen und ich muss sagen ich bin immer wieder beeindruckt, das dir etwas neues einfällt deine story zu verpacken.
Aber auch die charaktere, sie sind in jeder story irgendwie anders,obwohl es ja naruto und sasuke sind.
Ich freu mich aufjedenfall immer wieder wenn ein neues Kapietel deiner Ff´s erscheint.
Mach weiter so! :)

Lg Tillbery

Von:  Kruemel_x3
2012-08-14T18:42:50+00:00 14.08.2012 20:42
Also langsam nehme ich an, ich bin verrückt.
Richtig verrückt. Du hast mich schon wieder...naja nicht süchtig...aber neugierig gemacht, wie es weiter geht.
*knuddel* Super FF!
Ich super idee, die du da hattest. Ich will alles wissen!
Bitte schreib schnell weiter. Bitte *lieb schau*

Sasuke und Naruto sind ja mal der hamma!
Das Gespräch zwischen den Beiden im Zimmer, super geschrieben.
Sie sind ja soo nett zu einander xD *sarkasmus*

Also ich freu mich richtig auf dein neues Kapitel, wenn eins da ist.
Mach nur weiter so.

Alles Liebe
Deine Kruemel_x3


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