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Zigarette danach

Naruto & Sasuke/ Other Pairing
von

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Auf Regen folgt Sonnenschein

Hey liebe Leser!
 

Es geht tatsächlich nochmal weiter...Tut mir echt leid, dass ihr so lange warten musstet, aber irgendwie haben mir meine Kreativität und alles andere, was ich noch zu tun hatte, in letzter Zeit einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht.

Nun denn...Genug der Ausreden, jetzt geht es erstmal weiter! (:
 


 

Am nächsten Morgen wurde Sasuke von grausamen Klängen geweckt, die sich anhörten, als kämen sie geradewegs aus dem Maul eines tollwütigen Tiers. Tatsächlich handelte es sich bei diesen verstörenden Geräuschen bloß um seinen Zimmergenossen Naruto, der auf dem Boden lag und seine morgendliche Routine durchführte; und zwar mit ohrenbetäubendem Lärm. Seine Atmung und die Laute, die er von sich gab, sobald er ein Gewicht anhob, glichen in etwa der Lautstärke eines Elefanten, der durch ein Einkaufszentrum spaziert.

Grummelnd drehte sich Sasuke zur Wand, fragte sich, wie man allen Ernstes einen solchen Radau durch bloßes Gewichte stemmen veranstalten konnte und am liebsten hätte er ihn in diesem Moment mit seinen eigenen Hanteln dafür erschlagen. Kurz fiel sein Blick auf die schicke Armbanduhr, die er vor ein paar Wochen geschenkt bekommen hatte: Es war halb sechs. Halb sechs Uhr morgens.

»Eins...Zwei...Drei...«, knirschte Naruto im Hintergrund hervor, bis er bei zwanzig angekommen war. Das machte dieser Penner doch mit Absicht, aus reinem Sadismus. Er musste wissen, dass Sasuke von seinem langen Flug und der Fahrt absolut fertig war und ließ ihn trotzdem keine acht Stunden schlafen.

»Aufstehen!«, schrie er ihm stattdessen mit militärischer Miene ins Ohr und kam ihm dabei genau so nahe, dass Narutos Schweiß fein säuberlich auf Sasukes Schläfe tropfen konnte. »Verpiss dich!«, brüllte der Uchiha zurück, wirbelte herum und stieß diesen Wahnsinnigen mit einem kräftigen Ruck von sich. Naruto taumelte ein paar Schritte zurück, konnte über Sasukes Reaktion aber nur lachen.

»Komm, zieh dich an. Wir gehen jetzt eine Runde joggen.«

Sein Grinsen wurde breiter, ihre Blicke trafen erneut wie Feuer und Eis aufeinander. Ihm schien es zu gefallen, mit Sasukes Feuer zu spielen und sich dabei auf verdammt dünnem Eis zu bewegen.

»Einen Scheiß werde ich tun. Joggen gehen um die Uhrzeit – du tickst doch nicht ganz sauber«, schnaubte er und wischte sich nebenbei mit dem Ärmel Narutos Präsent aus dem Gesicht.

»Sei mal nicht so zickig, Prinzessin, oder hast du etwa Schiss, dass du mit meinem Tempo nicht mithalten kannst?«, konterte der Blonde und stemmte provokant beide Hände in die Hüfte.

Glaubte er ernsthaft, dass er ihn mit seinen Beleidigungen und Herausforderungen vom Gegenteil überzeugen konnte? Diese simple umgekehrte Psychologie fasste bei Sasuke seit seinem zehnten Lebensjahr keinen Fuß mehr.

»Das wird’s wohl sein«, sagte er und kehrte Naruto erneut den Rücken zu. Der ließ sich so leicht allerdings nicht abwimmeln und startete stattdessen einen neuen Versuch, Sasuke aus den Federn zu kriegen, indem er ihm einfach kurzerhand die Bettdecke wegzog.

Aus reiner Fassungslosigkeit verharrte Sasuke für ein paar Sekunden reglos an Ort und Stelle, dann sprang er tatsächlich auf. »Wie alt bist du eigentlich?«, brüllte er ihm entgegen und ging einige Schritte in seine Richtung. Narutos Grinsen machte ihn dabei nur noch wütender.

»Gib mir meine beschissene Bettdecke, aber pronto!«

Die beiden jungen Männer veranstalteten aus diesem kleinen Wettbewerb ein regelrechtes Tauziehen und Naruto lachte: »Genau genommen ist das ja meine Decke, Sasuke. Nicht deine.«

Abrupt ließ er die Bettdecke los und verschränkte die Arme vor der Brust. »Fein, dann behalt sie und werd glücklich damit. Lass mich einfach nur in Ruhe«, zischte er und verließ das Schlafzimmer, um sich im Bad die Zähne zu putzen. Naruto war ihm dicht auf den Fersen, verharrte allerdings vor der Badezimmertür, die ihm direkt vor der Nase zugeknallt wurde.

»Ey, Sasuke«, hämmerte der Blonde gegen die Holztür. Sein Tonfall machte dabei eine Gratwanderung von amüsiert und neckisch, zu ernst und genervt. »Du musst dich schon ein bisschen mehr an unser Leben anpassen. Mum will, dass ich dir die Gegend zeige, okay? Ist nicht mein persönliches Interesse, also sieh zu, dass du deinen Arsch bewegst, wenn du nicht willst, dass direkt nach deiner Ankunft der Haussegen schief hängt.«

Der Angesprochene drehte den Wasserhahn voll auf und reagierte nicht weiter auf Narutos Palaver. Nach kurzer Zeit vernahm er Schritte, die sich entfernten, dann kehrte eine Stille von hinterhältiger Natur ein, die nur darauf wartete, erneut vom Sturm erfasst zu werden.

»Idiot«, murmelte Sasuke mit der Zahnbürste im Mund und begutachtete die hübschen Ringe unter seinen Augen, die er seinem neuen besten Freund zu verdanken hatte. Aus dem Kopf ging ihm Narutos Mahnung dennoch nicht. Er hatte wenig Interesse daran, schon am zweiten Tag in der Familie für Stunk zu sorgen und es gab tatsächlich Leute, die Wert darauf legten, dass man sich in ihr Leben integrierte und folglich ihren Tagesablauf mitmachte; mochte jener noch so bescheuert wie überflüssig sein.

In Sasukes Kopf formte sich ein Bild von einer enttäuschten Alexis, die es nicht tolerieren konnte, dass er ihrem Adoptivsohn nicht einmal eine winzig kleine Chance gab und alles, was Naruto – wenn auch aus offensichtlich wenig Eigeninteresse - mit ihm unternehmen wollte oder musste, von vornherein boykottierte. Er seufzte; wenn er weiteren Problemen aus dem Weg gehen wollte, musste er sich wohl oder übel einen Ruck geben.

Mit lautlosen Schritten ging Sasuke zurück in ihr gemeinsames Zimmer und blieb noch im Türrahmen reglos stehen; weiter kam er nicht. Das Bild, das sich ihm bot, zog seine Aufmerksamkeit an wie die Motten das Licht. Ein paar Meter von ihm entfernt stand Naruto, nur mit dem Nötigsten bekleidet und war gerade dabei, sich eine lässige Jogginghose anzuziehen, mit ebenso lässigen wie stümperhaften Bewegungen. Sasukes Augen hefteten sich an seinen Hintern, der sich in dieser Bewegung äußerst verlockend in seine Richtung streckte. Die Fantasie ging mit ihm durch und sein Blick wanderte weiter, direkt auf das nackte, muskulöse Kreuz, ehe er einen entscheidenden, richtig dummen Fehler begehen konnte. Sasuke dachte an dieses Angebot, mit zum Freeclimbing zu gehen – mit Sicherheit hatte Naruto daher diesen Körper. Der Uchiha senkte die Lider, zog die Tür mit einem Ruck hinter sich zu; vorerst hatte er genug gesehen. Narutos Kopf fuhr zeitgleich herum, als der Knall ertönte und er kippte beinahe mit seinem gesamten Gewicht klotzartig wie ein Sack Reis zur Seite weg.

»Na? Hast du's dir anders überlegt?«, grinste der blonde junge Mann und zog sich ein T-Shirt über den Kopf.

»Bild dir mal besser nicht zu viel darauf ein«, wehrte Sasuke ab und durchsuchte seinen Koffer nach Sportkleidung. Himmel, er sollte dieses Ding wirklich bald ausräumen, ansonsten könnte er sich demnächst hinstellen, um seine knubbelige Wäsche wieder glattzubügeln und er wusste nur zu gut, wer seine helle Freude an diesem Anblick haben würde.

»Wo kann ich eigentlich meine Klamotten lagern?«, fragte er nebenbei, als er sich die Schuhe zuband und noch einmal ordentlich mit dem linken Fuß auf den Boden trat, um richtig in den Turnschuh reinzurutschen.

»Bei mir sind noch ein paar Regale frei«, sagte Naruto und der Uchiha sah noch im selben Moment auf. Er war verblüfft von der plötzlichen Ruhe, die in der Stimme dieses Dauerwahnsinnigen lag und fand mit nur einem einzigen kurzen Blick deren Quelle: Naruto saß im Schneidersitz auf seinem Bett, das Poesiealbum und üblicher Stift in der Hand – ein Anblick von nie enden wollender Kuriosität. Gott sei Dank, also war er nicht permanent so penetrant hyperaktiv wie ein Hund, der sabbernd dem unerreichbaren Knochen nachhechelt.

Na komm, Naruto. Schnapp dir den Knochen auf dem vier Meter hohen dünnen Ast.

Auf Sasukes Lippen bildete sich ein minimales, amüsiertes Grinsen. Zumindest seine eigenen Gedankengänge konnten ihn noch aufheitern und die sollte er sich auch tunlichst wahren, wenn er die Vorstellung, Naruto mit einer Machete zum Schweigen zu bringen, auch in Zukunft bei einem unbedeutenden Tagtraum belassen wollte.

Wenn Sasuke bereits nach einem mickrigen Tag derartige Gedanken hegte, wie sollte es dann erst in zwei oder gar sechs Monaten aussehen? Nicht, dass die beiden noch irgendwann auf dem Titelblatt der Regionalzeitung landeten, mit der Schlagzeile: ›Zwei Männer schlagen sich auf offener Straße gegenseitig die Köpfe ein – Motiv bislang unklar.‹

Oder die Boulevardzeitungsversion: ›Die Jugend außer Rand und Band! Können wir bald nicht einmal mehr ohne Todesangst das Haus verlassen?‹

Unbewusst zog Sasuke die Augenbrauen nach oben. In seiner Heimat gab es tatsächlich eine Zeitung, die solch einen Müll zu Papier brachte. Er erinnerte sich an eine ganz besondere Schlagzeile vor ein paar Monaten, nachdem einige Naturkatastrophen die Welt heimgesucht hatten.

›Werden wir alle sterben?‹

Darunter das Bild der Erdkugel, zur Hälfte von einem überdimensionalen Tsunami verschlungen, während der Lavastrom eines Vulkans von der Größe New Yorks die Erde in der Mitte teilte.

Sasuke schüttelte kaum merklich den Kopf, schmunzelte über diesen Schwachsinn, der einigen Menschen dennoch den Angstschweiß auf die Stirn trieb – das war gerade das Problem daran – und kehrte in die Realität zurück, in der Narutos Gesicht gerade einmal wenige Zentimeter von seinem entfernt war. Vor Schreck machte er einen Satz zurück, musste sich mit den Händen auf dem Bett abstützen, um nicht nach hinten überzukippen und spürte sofort das angestrengte Pulsieren in seiner Brust. Dann kehrte urplötzlich wieder Ruhe ein, die Situation war makaber; Naruto blinzelte und Sasuke ebenso. Erst in dem Moment, als sich dieses meterbreite Grinsen auf die Lippen des Blonden legte, kehrten sie zum Normalzustand zurück.

Der Uchiha kniff die Augen zusammen; irgendwie hasste er Überraschungen, vor allem dieser Art, und irgendwie kam er sich gerade von dem minderbemittelten Ex-Footballspieler ausgelacht vor. Dieser Idiot, warum musste er auch wie aus dem Nichts vor seinem Gesicht auftauchen?

»Kennst du das bei Katzen, wenn die zum Pissen auf der Toilette sitzen und deren Blick plötzlich ganz leer wird und die dann aussehen, als seien sie für ein paar Sekunden in einer völlig anderen Welt?«, schmunzelte Naruto.

Er wartete einen Moment, ob Sasuke von selbst darauf kam, doch der starrte ihn nur weiterhin wütend an, dachte über seinen eigenen Kram nach und schwieg sein bewehrtes Lieblingsschweigen.

»Na ja, so hast du gerade geguckt«, zwinkerte der Blonde und äffte offensichtlich Sasukes vorigen Blick nach, indem er seinen mit einem Mal in die Leere gleiten ließ, auf einen unbestimmten Punkt.

»Like that«, grinste er breit, suchte wieder Augenkontakt zu seinem Zimmergenossen.

Sasuke wusste nicht, ob er in den darauffolgenden Sekunden vor Wut oder Scham rot anlief, aber er wusste, dass er diese Unterhaltung auf keinen Fall fortführen wollte. Die Assoziation seiner Person mit einer pinkelnden Katze – das war schon reichlich demütigend.

»Beweg deinen Arsch, du wolltest doch joggen gehen«, grummelte der Uchihasprössling, erhob sich von der Bettkante und zog demonstrativ den Reißverschluss seiner Trainingsjacke nach oben.

»Oho, warum auf einmal so euphorisch? Magst du das etwa, wenn man dich mit Tieren vergleicht?«, lachte Naruto und dieser ganz bestimmte spöttische Unterton lag dabei in seiner Stimme; eine Tatsache, die Sasuke überhaupt nicht gefiel. Es gab Menschen, die dazu neigten, andere zu verhöhnen – er selbst zählte sich durchaus dazu – aber er selbst war es auch, der es partout nicht leiden konnte, wenn er derjenige war, der verhöhnt wurde.

Na ja, dieses Spiel der eindeutigen Zweideutigkeiten konnte man allerdings auch zu zweit spielen und obwohl man es Sasuke Uchiha vielleicht auf den ersten Blick nicht ansah, war er zumindest in puncto Verarschen ein geborenes Spielkind.

»Ja, da steh ich total drauf«, konterte er mit ernster Miene, sogar wahrheitsgemäß und ein Grinsen mit einer Mischung aus Spott, Kälte und lang vermisster Wollust, lag dabei auf seinen Lippen, das in Kombination mit seinen Worten einen heftigen Knoten in Narutos Hals band. Damit hatte er offensichtlich nicht gerechnet. Er versuchte, bei Sasuke ein Muster zu entdecken, damit er ihm so richtig auf den Sack gehen konnte, schien aber völlig zu vergessen, dass Sasuke auch noch ein Wörtchen mitzureden hatte, wenn es darum ging, was er von sich Preis gab und was nicht.

»Verstehe«, murmelte Naruto bloß, ganz entgegen Sasukes Erwartung. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass der Blonde ihn mindestens eine volle Minute fassungslos anstarren und dann am besten gar nichts mehr sagen würde oder – und das war für einen wie Naruto viel typischer – er von nun an erst recht auf sinnlose Konfrontationen und noch sinnlosere Diskussionen aus wäre.

Verstehe.

Dieses eine Wort, es klang so seltsam aus Narutos Mund; irgendwie total ernüchtert, total unpassend für einen wie ihn. Fast so, als habe er Sasuke zuvor für einen Perversen gehalten, zwar das Gegenteil gehofft, doch seine Annahme habe sich nun mit eben jener Äußerung für ihn bestätigt.

Für den Bruchteil einer Sekunde zog er es in Erwägung, sich zu erklären und ihm zu sagen, dass es nichts weiter als ein blöder Scherz gewesen war - was wiederum ironischerweise eine Lüge wäre - doch er verwarf diesen Gedanken, kaum war er ihm überhaupt in den Sinn gekommen. Naruto interessierte ihn nicht und genauso wenig interessierte es ihn, was dieser Mann von ihm hielt oder eben nicht hielt.

»Denk an deine Vorsätze«, rief sich Sasuke wieder ins Gedächtnis, doch ihm verblieb gar nicht genügend Zeit, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, denn mit einem Mal packte ihn Naruto am Ärmel und zog ihn wie ein ungezogenes Kind hinter sich her, ohne ein einziges Wort, die Treppe hinunter, mit kurzem Gruß in die Küche, dann den Flur entlang und raus aus dem Haus, direkt in die frische Morgenluft, um den kalten Wind zu begrüßen.

Naruto löste den Griff um sein Handgelenk, joggte in gemächlichem Tempo drauf los und Sasuke heftete sich an seine Fersen. Auf ihrem Weg beobachtete er den glasklaren Himmel, atmete die kühle Luft bei jedem seiner Schritte tief ein und war plötzlich nicht mehr geschockt, sondern vollkommen fasziniert von der Stille und Einsamkeit, die diesen verschlafenen Ort umgab. Plötzlich wusste Sasuke, warum Naruto es vorzog, um diese Uhrzeit laufen zu gehen, anstatt wie ein normaler Mensch im Bett liegen zu bleiben und er konnte es sogar nachvollziehen – weil es auf eine ganz simple Art und Weise einfach wunderschön war.
 

»Zurück gönnen wir uns aber ein Taxi«, witzelte Naruto und streckte seine Beine von der kleinen Holzbank herab, die am Wegesrand stand und im Umkreis von fünf Kilometern das einzige von Menschen erbaute Werk zu sein schien. Der Rest der Welt wurde von den hohen Bäumen und dem bergigen Gebiet versteckt gehalten und nur ein konzentrierter Beobachter konnte in weiter Ferne die Umrisse des Dorfes erkennen, von wo aus sie vor über einer Stunde losgelaufen waren.

Sasuke empfand so etwas Ähnliches wie Bewunderung für Narutos eiserne Ausdauer, denn er selbst war durch das häufige Hoch und Tief an seine Grenzen gestoßen. Zuhause lief er dieselbe Kilometeranzahl immer nur stur geradeaus, vielleicht mit ein paar Hügelchen zwischendurch, die im Gegensatz zu dem, was hier von ihm gefordert wurde, der reinste Witz waren. Zugegeben, in diesem Moment hätte er gegen ein Taxi tatsächlich nichts einzuwenden gehabt.

»Hier«, sagte Naruto und reichte ihm die halb geleerte Wasserflasche. Mit einem Nicken nahm Sasuke sie entgegen und trank den Rest in nur einem Zug leer. Trotz des kühlen Windes war sein Gesicht glühend heiß. Obendrein saßen seine Klamotten wie eine zweite Haut und der allmählich erkaltende Schweiß bereitete ihm eine unangenehme Gänsehaut.

»Ehrlich gesagt, ich hätte nicht gedacht, dass du durchhältst«, sagte Naruto und Sasuke machte dabei ein leichtes, amüsiertes Schmunzeln auf seinen Lippen aus. Der Uchiha musterte ihn bei seinen Worten genauer. Vielleicht war er trainierter in diesem Gebiet, doch sein Körper reagierte genauso wie seiner: Mit viel Schweiß und festpappender Kleidung.

»Aber hältst du's auch ein ganzes Jahr ohne deine Freunde aus? Ich meine, hier wirst du sicherlich nicht viele dazugewinnen«, sagte er ernst, fast schon eine Spur besorgt und Sasuke zog überrascht die Augenbrauen hoch.

Er schüttelte grinsend den Kopf. »Das stört mich nicht im Geringsten.«

Jetzt war es an Naruto, verblüfft die Augenbrauen zu heben. Man sah ihm deutlich an, dass er den Ernst in Sasukes Stimme wahrgenommen hatte und ihn einfach nicht verstand.

»Warum nicht?«, hinterfragte er und zog die Beine in den Schneidersitz. Naruto machte auf Sasuke einen ehrlich interessierten Eindruck, weshalb er antwortete: »Weil Freundschaften für mich nebensächlich sind.«

In den nächsten zehn oder zwanzig Sekunden herrschte betroffene Stille und Naruto schien diese Worte erst einmal verdauen zu müssen. Anscheinend hatten Freundschaften für ihn einen deutlich höheren Stellenwert als für Sasuke.

»Das heißt, du hast niemanden, den du vermissen wirst? Nicht mal in ein paar Monaten?«, fragte er weiter.

»Neugieriges Kleinkind«, schimpfte Sasuke in Gedanken, mit einem mokanten, für Naruto jedoch nicht sichtbaren, Grinsen im Gesicht.

»Genau das heißt es«, bestätigte Sasuke und lehnte seinen Körper an der Bank zurück. Er betrachtete den klaren Himmel und die hoch oben stehende Sonne und senkte automatisch die Lider. In solchen Momenten, wenn er der Natur eine Chance gab zu ihm durchzudringen, erschien plötzlich alles so simpel; sein Leben, sein Denken und seine Wünsche – plötzlich nicht mehr als eine Phase. Freunde kommen und gehen, genauso wie Liebschaften und alles andere. In den letzten Jahren hatte Sasuke viel dazugelernt und auf diesem Wissen baute er heute sein gesamtes Handeln auf.

»Findest du das denn nicht traurig?«, fragte Naruto und starrte mit einem leeren Blick in die Ferne, der auf seine eigenen, rein persönlichen Gedanken hindeutete. Sasuke beobachtete noch einen Moment sein starres, von Trübsal zerfressenes Gesicht, das aussah, als sei dieses Thema allein auf ihn zugeschnitten und vollendete einen letzten Gedanken, bevor er endgültig und mit einem leisen »Tse« den Blick von ihm abwandte: »Jetzt bist du die pissende Katze.«

»Wenn ich es traurig fände, hätte ich längst etwas daran geändert«, sagte er und stand auf. Allmählich sickerte die Erkenntnis durch seine Gedanken, wie lächerlich die jetzige Situation eigentlich war. Sinnierten sie etwa gerade entfernt über den Sinn des Lebens? Das war absurd, doch entweder nicht absurd genug oder gerade zu absurd als dass Sasuke irgendein biestiger Spruch dazu eingefallen wäre. Er zog es vor zu schweigen, darin war er ohnehin geübt. Sie gingen den gesamten Weg im Schnellschritt nebeneinander zurück, doch weder Sasuke noch Naruto ergriff noch einmal das Wort. Es herrschte wirklich eine betroffene Stille zwischen den Fronten, die sie auch in den nächsten Tagen pausenlos begleitete.

In den darauffolgenden Tagen und Nächten verbrachte er fast ununterbrochen seine Zeit mit Naruto, stritt mit ihm, beleidigte ihn, konnte das ein oder andere Mal allerdings auch mit oder über ihn lachen. Sein Zimmergenosse zeigte ihm mehr von der Gegend, aber auch gleichzeitig mehr von sich selbst. So konnte Sasuke gewisse Muster erkennen, die sich wirklich tagtäglich wiederholten und beileibe – er hätte niemals geglaubt, dass Naruto einen derart geordneten Tagesablauf haben könnte. Früh morgens stand er auf, um seine tägliche Routine durchzuziehen, während andere Kerle noch dabei waren, ihre Morgenlatte aufzubauen, danach ging er zuerst duschen, dann frühstücken und bis zum Mittag überbrückte er meist die Zeit damit, in sein Buch zu kritzeln, in das Sasuke auch nach zweiwöchigem Aufenthalt noch keinen Einblick erhielt. Nachmittags fuhr Naruto in die Stadt, um seinem Job nachzugehen, zu dem es zwar keine genauen Äußerungen gab, allerdings stank er jedes Mal verdächtig nach Frittierfett, wenn er nach Hause zurückkehrte, sodass die Schlussfolgerung simpel war. Kein toller Job und auch kein Studium, mit Ausnahme er hatte gerade Semesterferien und jobbte nebenbei, aber selbst das würde Sasuke noch früh genug ausschließen können. Abends kehrte Naruto kurz nach Sechs zurück, aß einen Happen und verschwand schließlich mit dem schwarzen Koffer aus dem Haus. Auch hier durfte ihn Sasuke nicht begleiten. Gut, der Uchiha hatte niemals danach gefragt, aber es war ihm auch genauso wenig angeboten worden – dabei ließ ihn Naruto ansonsten ungefragt an allem teilhaben, was er tat. Warum gerade daran nicht? Selbst seine Eltern wussten nicht, was er seit Jahren um die Uhrzeit draußen trieb und das war in Sasukes Augen tatsächlich ein Grund zur Beunruhigung.

Zunehmend keimte in ihm der Gedanke auf, dass an der Sache irgendetwas faul sein musste. Warum verschwand ein junger Mann jeden Abend mit einem riesigen Koffer aus dem Haus, von dem niemand wusste, was darin war oder wohin er damit ging? Es war seltsam. Viel zu seltsam. Fast so seltsam wie die ganzen Serien über Serienkiller und Triebtäter, die sich Sasuke vor nicht allzu langer Zeit gerne reingezogen hatte. Ja, das Ganze startete wirklich wie einer von seinen Krimis. Ein einsames Dorf irgendwo in den Bergen und ein Mann, der bei Sonnenuntergang irgendwelchen skurrilen Aktivitäten nachging, das war filmreif.

Genauso filmreif war Sasukes Entschluss, der Sache auf den Grund zu gehen. Lange hatte er mit sich selbst gerungen, doch die Neugierde hatte gegenüber seiner Vernunft allmählich die Oberhand gewonnen. Er wollte wissen, was Naruto dort draußen trieb, koste es, was es wolle.

An diesem Abend ging er deshalb nicht wie sonst in ihr Zimmer zurück, nachdem Naruto sich verabschiedet und aus dem Haus gestohlen hatte. Stattdessen folgte er ihm; stets darauf bedacht, einen guten Sicherheitsabstand einzuhalten, um im Ernstfall hinter irgendeinem Baum Zuflucht zu finden. Naruto gab sich sicher; kein einziges Mal drehte er sich um, kein einziges Mal sah er zur Seite, immer nur stur geradeaus. Sasuke schluckte; er kannte dieses Phänomen. Nebenbei fühlte er das Taschenmesser, das er sich als reine Vorsichtsmaßnahme in die Jacke gesteckt hatte. Im Notfall könnte er sich damit verteidigen.

Die Schritte des Blonden entfernten sich immer weiter vom Dorf, hinein in ein angrenzendes Waldstück und Sasuke zögerte für einen kurzen Moment.

Was, wenn er ihn bemerkt hatte?

Der Abstand zwischen ihnen vergrößerte sich.

Nein, das war Unsinn. Narutos Körperhaltung war völlig entspannt, seine Schritte zügig, aber nicht hektisch und die Hände waren locker in die Jackentaschen geschoben. Der Blick des Uchihas heftete sich an die schwarze Tasche, die Naruto auf dem Rücken trug. Bei jedem seiner Schritte wippte sie leicht hin und her, fast wie ein Spielzeug, das von Sasukes Neugier köstlich unterhalten wurde.

Der junge Mann merkte gar nicht, dass er dem Blonden ungewollt weiter folgte, immer tiefer in den Wald lief, bis Naruto mit einem Mal urplötzlich stehen blieb. Sasuke fuhr in sich zusammen, regte sich keinen Zentimeter mehr und beobachtete den anderen dabei, wie er sich lässig gegen einen Baumstamm sinken ließ und die schwere Tasche beiseite legte.

In diesem Moment war Sasuke das krasse Gegenteil von Naruto. Er war nervös, sein Puls kletterte mehrere Meter nach oben, ihm wurde heiß und kalt zugleich und seine rechte Hand griff selbstständig fester nach dem Messer. Er sah ihm fieberhaft dabei zu, wie er in seinen Jackentaschen herumkramte und schließlich ein kleines Päckchen herauszog. Sasuke hörte ein altbekanntes Geräusch, sah das winzige Feuer und nur Sekunden darauf den Rauch, der seine Lunge verließ. Automatisch weiteten sich seine Augen und er registrierte noch gerade den Moment, in dem er zur Seite treten musste, um nicht in Narutos Blickfeld zu geraten. Er lehnte seinen Rücken gegen den breiten Baumstamm, war geschützt von einer ganzen Reihe von Bäumen und spürte, wie sein Puls stetig langsamer wurde. War das der Grund, warum er jeden Abend das Haus verließ? Um in Ruhe eine zu rauchen?

Was für ein Unsinn. Er hätte es wissen müssen, dass Naruto nicht zu mehr in der Lage war. Dann war das hier also sein Ritual. Richtig, sein Ritual beim Rauchen. Abgesehen davon, dass er diesen Sportwahnsinnigen niemals für jemanden gehalten hätte, der seine Lunge mit Nikotin vergiftet, fragte er sich ernsthaft, warum er jeden Abend gerade zu diesem Ort kam. Vielleicht war es allein die Atmosphäre, aber vielleicht war auch eine Erinnerung mit diesem Wald, vielleicht sogar mit dieser ganz besonderen Stelle verbunden. Möglicherweise saß er jeden Abend genau an diesem Baum. Eventuell war es aber auch bloß reiner Zufall. Sicher war nur, dass Sasukes Gedanken reine Spekulationen waren.

Der Uchiha vernahm das Geräusch eines Reißverschlusses, gefolgt von einem lauten Knacken. Das musste das Öffnen der Tasche gewesen sein. Mit einem Mal nahm sein Herzschlag wieder an Geschwindigkeit zu. Ihm gefiel es ganz und gar nicht, dass er nicht sehen konnte, was passierte; dass er nicht sehen konnte, was Naruto gerade hervorgeholt hatte. Es gab unendlich viele Möglichkeiten, was womöglich in dieser Tasche war, aber auf jeden Fall wertvoll und privat genug, dass es niemand sonst mit eigenen Augen sehen durfte. Sasuke machte hiermit einen entscheidenden Schritt in Narutos Privatsphäre, er überschritt sogar eine Grenze, die er sich bis heute selbst gesetzt hatte, doch jetzt, hinter diesem Baum und kurz davor die Wahrheit zu erfahren, waren seine Gewissensbisse nicht mehr als eine Belanglosigkeit.

Sasuke rechnete mit vielem, aber nicht mit dem, was wirklich geschah.

Sasuke rechnete damit, in den nächsten Sekunden Schüsse zu hören, die entweder auf ihn oder Wild abgefeuert wurden. Er rechnete damit, kreidebleich zu werden und in letzter Sekunde die Flucht zu ergreifen, doch stattdessen verharrte er nur weiterhin reglos an Ort und Stelle als ganz leise, sanfte Töne sein Ohr erreichten. Zweifellos, das war ein Instrument. Mit Sicherheit eine Gitarre.

Sasuke stockte. Die Erkenntnis, dass Naruto das Haus nicht verließ, um zu rauchen, sondern um in Ruhe musizieren zu können, wollte einfach nicht in seinen Schädel rein. Die Vorstellung war einfach zu absurd. Es musste noch mehr dahinter stecken.

Alles andere als absurd war das musikalische Spiel; ruhig, fast eine Spur melancholisch und somit das genaue Gegenteil von Sasukes Vorstellung wie Naruto zu sein hatte. Vor allem war der Klang der Gitarre angenehm, gekonnt gespielt, um nicht zu sagen – schön. Schön waren ebenfalls die darauffolgenden Klänge, die das Gitarrenspiel zur bloßen Begleitung degradierten.

Sasuke lauschte seiner Stimme und ließ die Gesamtheit auf sich wirken. Die Musik, der Gesang und die unbeschreibliche Umgebung, in der er sich gerade befand, harmonierten perfekt miteinander, bis ins kleinste Detail. Auf einmal hatte Sasuke eine Ahnung, was Naruto tatsächlich in sein abgewetztes Buch schrieb. Er achtete auf den Text, der nicht im Ansatz so plump war wie er es nach Sasukes Erwartung hätte sein müssen.

Seine Gedanken drifteten ab, malten ein Bild des jungen Mannes, wie er gegen den Baum gelehnt seine Gitarre spielte und dabei mit den Lippen Worte formte, die etwas in Sasuke bewegten. Er begann schon jetzt, zumindest sein singendes Organ zu verehren.

Mit diesem Mann hier vor Ort, mit diesem Naruto, wäre er immer so gewesen wie er jetzt war – Sasuke hätte sich alles Erdenkliche mit ihm vorstellen können, selbst einen Kuss. Einen richtigen, echten Kuss.

Doch der Zauber verflog in dem Moment als Naruto sein Spiel unterbrach. Er hörte einfach auf, von jetzt auf gleich, ohne runden Abschluss. Schockiert spähte Sasuke hinter dem Baum hervor, um zu sehen, was geschehen war. Naruto saß noch immer dort, ungerührt, die Gitarre wie ein Heiligtum ordentlich in den Koffer zurückgelegt, während ihr Besitzer wie ein Irrer in sein kleines Mitbringsel schrieb und damit den letzten Beweis lieferte.

Der Uchiha hatte einen hochkonzentrierten Mann vor Augen, der für seine Leidenschaft alles um sich herum vergaß. Naruto lebte für die zwei oder drei Stunden, die er täglich nur mit sich selbst und seiner Musik verbrachte, in seiner eigenen Welt, in der kein Platz für irgendetwas anderes war, nicht einmal für einen hartnäckigen Beobachter wie Sasuke Uchiha, der ihn auf Schritt und Tritt hierher verfolgt hatte.

Wieder vereinten sich die Klänge von Instrument und Gesang zu einem beeindruckenden Kunstwerk. Sasuke spitzte die Ohren und achtete genauer auf Gitarrenspiel und Stimme. Genau genommen war weder das Eine noch das Andere besonders herausragend, einzeln betrachtet jedenfalls nicht. Im Duett und vor allem in Kombination mit dem, was er sang, war es auch objektiv betrachtet ein ansehnliches Werk, das er ablieferte.

Mit den Augen überflog Sasuke das Gesicht des anderen. Naruto hatte die Augen geschlossen, nur selten – bei ganz bestimmten Passagen – öffnete er sie einen Spalt weit, als müsse er sein applaudierendes Publikum in Augenschein nehmen. Möglicherweise übte er hier im Stillen für einen bevorstehenden Auftritt. Die Frage war nur, ob das Ganze bloß ein Hobby oder doch viel mehr war als das. Es war nicht auszuschließen, dass Naruto eine Karriere in der Musikerbranche anstrebte, denn Talent hatte er auf alle Fälle.

Wenn ja, hätte er Sasukes Respekt verdient. Er liebte Musik abgöttisch. Musik vereinte für ihn Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Leben und Sterben und war in der Lage, jedes Gefühl greifbar zu machen. Wer der Musik mächtig war, der besaß auch zweifellos Macht. Denn Musik war nicht nur in der Lage ein Gefühl wiederzugeben, sondern auch hervorzurufen.

In ihm löste Musik jedes Mal unweigerlich Gefühle aus, nicht selten auch welche, die er in dem Moment und in der jeweiligen Situation einfach nicht verstand. Es war nicht immer leicht, die eigenen Wünsche zu erkennen und manchmal nur umso schwieriger sie sich selbst einzugestehen und sie zu akzeptieren.

Sasuke spürte den kalten Wind in seinem Nacken, der ihn eigentlich dem Gesang und seinem Sänger entgegen drücken sollte, doch er sträubte sich, auch nur noch einen Fuß in seine Richtung zu setzen. Stattdessen machte er auf der Stelle kehrt und ging im Schnellschritt davon, ohne auf die Lautstärke seiner Schritte zu achten. Plötzlich war es ihm egal, ob Naruto ihn bemerkte oder nicht. Es machte sowieso keinen Unterschied mehr.

Auf seinem Weg durch Gestrüpp und Geäst glaubte er, im Hintergrund den Klang der Gitarre verebben zu hören. Vermutlich nur das Phänomen der zunehmenden Entfernung, er war sich nicht sicher.

Den gesamten Heimweg über zwang er sich, nicht weiter über die kürzliche Situation nachzudenken. Er wollte sie lieber als etwas betrachten, das niemals stattgefunden hatte. Wie ein Traum, den man zwar als wahnsinnig real empfand, aber doch immer nur Traum blieb. Sasuke hatte auf diese Weise schon oft genug unangenehme Tatsachen einfach aus seinem Gedächtnis ausradiert, nur selten kam es dabei zu einem Rückkopplungseffekt.

Daheim angekommen klingelte er an der Haustür, einen eigenen hatte er bis dato nicht ausgehändigt bekommen und er rechnete auch nicht mehr damit, dass sich daran etwas ändern würde. Alexis öffnete ihm wie immer mit einem liebevollen Lächeln.

»Da bist du ja wieder«, strahlte sie ihm entgegen, als habe sie seit er weg war nichts anderes getan als auf seine Rückkehr zu warten. Irgendwie war diese Familie insgesamt unheimlich, nicht bloß Naruto. Vielleicht war auch das, dass man auf die Außenwelt irgendwie verrückt wirkte, eine Konsequenz aus der Einsamkeit der Berge.

»Zieh die Jacke aus und komm in die Küche. Wir essen gleich«, sagte sie und ging voraus. Wie die gute alte Vorstellung einer Hausfrau es vorgab, wischte sie sich dabei die Hände an ihrer langen Schürze ab.

Sasuke zog die Augenbrauen nach oben.

»Warten wir denn nicht auf Naruto?«, fragte er. Keine zwei Sekunden später, als Alexis' überraschter Blick längst an ihm klebte, biss er sich bereits auf die Lippe. In den vergangenen zwei Wochen hatte er kein einziges Mal danach gefragt, warum und wieso ohne Naruto zu Abend gegessen wurde und Alexis entging natürlich nicht die Ungewöhnlichkeit seines neuerlichen Interesses.

»Wir essen seit Jahren nicht mehr gemeinsam zu Abend. Anfangs haben wir noch gewartet, aber na ja...« Sie zuckte mit den Schultern. »Er kommt nie zur selben Zeit nach Hause. Manchmal ist er zwei Stunden weg, manchmal aber auch vier oder fünf. Wir haben's einfach aufgegeben.«

Sasuke nahm in der Küche auf einem freien Stuhl Platz und nickte Will einmal kurz zu.

»Warum vereinbart ihr keine feste Zeit miteinander?«, fragte er weiter.

»Das hatten wir mal vor. Allerdings ist Naruto immer so gut gelaunt, wenn er zurückkommt. Ich wette, es hat seinen Grund, warum er mal länger, mal kürzer unterwegs ist.«

Stimmt, er war jeden Tag richtig ausgelastet gewesen. Zumindest dann, wenn er nicht gerade gegen einen abgestellten Koffer lief, so wie bei ihrer ersten Begegnung. Aber auch da – er war nur kurz genervt und danach wieder völlig entspannt und freundlich gewesen. Jedenfalls solange, bis Sasuke es mit seinen Bemerkungen zu weit getrieben hatte.

»Verstehe«, sagte er abschließend, als er einen Teller Eintopf vor die Nase gestellt bekam.

Verstehe.

»Tse«, machte er, schnappte sich den Löffel und aß.

Es dauerte weitere achtundfünfzig Minuten und zweiunddreißig Minuten, ehe Sasuke das bekannte Geräusch eines Schlüssels vernahm, der im Schlüsselloch herumgedreht wurde. Inzwischen saß er mit Alexis und Will gemütlich in der Stube, wo sie sich um den flackernden Kamin versammelt hatten. Es war eine Art Brauch, dass jeden Abend das Feuer entzündet wurde. Sasuke hatte nichts dagegen, einfach stillschweigend vor den Flammen zu sitzen, so konnte er zumindest für eine kurze Zeit ungestört seinen eigenen Gedanken nachhängen.

Das trampelnde Geräusch der wenig beherrschten Schritte kam näher. Sasuke zog die Augenbrauen zusammen. Naruto nervte ihn jetzt schon.

»Bin wieder da«, grinste Besagter ins Wohnzimmer hinein, dann ging er einfach weiter, die Treppe hinauf und die Tür seines Zimmers fiel ins Schloss. Sasuke stand auf und folgte ihm, ohne ein einziges Wort.

Oben wechselte Naruto seine wetterfeste Kleidung bereits in ein lockeres T-Shirt, das er sich zusätzlich zu seinen Boxershorts anzog. Die Anwesenheit des Uchihas schien ihm dabei gar nicht bewusst zu sein, er bemerkte ihn überhaupt nicht.

»Tch«, machte Sasuke wütend und ließ sich lautstark auf sein Bett fallen. Narutos Kopf fuhr herum. Er hielt in seiner Bewegung inne und blinzelte verblüfft.

»Alles okay?«, fragte er und Sasuke hörte die Gleichgültigkeit dieser Höflichkeitsfloskel aus seiner Stimme heraus.

»Sicher«, antwortete er und damit war das Thema abgehakt. Naruto hatte keinen Grund, der Sache weiter nachzugehen. Wenn es darum ging die Dinge totzuschweigen, standen sie auf Augenhöhe.

»Freeclimbing«, warf Naruto zusammenhanglos nach einer gefühlten Ewigkeit in den Raum hinein. In der Zwischenzeit hatte es sich Sasuke auf dem Bett bequem gemacht und strafte die Zimmerdecke mit seinen bösen Blicken.

»Was ist damit?«, knurrte er.

Nur Sekunden später bebte das Bett, als Naruto mit einem Satz heraufgesprungen war und sich nun grinsend über Sasuke beugte. Der Uchiha war schockiert und regte sich keinen Millimeter, weil er befürchtete, dass diese Situation durch eine einzige unbedachte Bewegung seinerseits von jetzt auf gleich aus dem Ruder laufen würde.

»Nächstes Wochenende geht’s los«, schmunzelte er und Sasuke realisierte erst jetzt Narutos genaue Position – die Innenseite seiner Schenkel drückte sich gegen sein Becken, während er ihn an den Schultern ins Bett drückte.

Sasukes Puls kletterte in Sekundenbruchteilen auf gefühlte Fünfhundertachtzig. Er war auch nur ein Kerl und er wusste, was er wollte. Himmel, hier saß ein verdammt attraktiver Mann breitbeinig auf ihm und er war zur Tatenlosigkeit verdammt, wenn er nicht mit dem Kopf voraus aus dem Fenster fliegen wollte. Das Schlimmste war noch, dass er das unterdrücken musste, was er selbst kaum kontrollierte – er spürte die Hitze in seiner Lendengegend aufkochen.

Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, musste sich dieser Idiot auch noch zu ihm herunter beugen – weiterhin mit diesem penetranten Grinsen in der Fresse -, um ihm folgende Worte ins Ohr zu flüstern, nahezu zu stöhnen: »Nervös? Du schwitzt ja.«

Sasuke stieß ihn noch im selben Augenblick von sich herunter, ehe die Wirkung seiner Worte richtig einschlagen konnte und Naruto ging krachend zu Boden. Verdammte Scheiße – that was a close one.

Narutos schmerzerfüllte Laute gingen in Sasukes Ohren unter seinem durchdrehenden Herzschlag förmlich unter.

»Sag mal, bist du bescheuert?«, war das Erste, was er wieder bewusst wahrnahm. Kein Wunder, Naruto schrie ihm diese Worte auch geradewegs ins Gesicht. Seins war dabei von Wut zerfressen. Bei diesem Anblick fand Sasuke seine Stimme wieder.

»Selbst schuld«, sagte er und drehte ihm den Rücken zu.

»Selbst...was?«, brüllte der Blonde zurück und zog Sasuke an der Schulter wieder zu sich herum. »Du bist ja ein totaler Psychopath!«

»Wer von uns beiden ist hier der Psychopath?«, brüllte der Uchiha zurück und spürte selbst, dass sein Gesicht knallrot sein musste.

Naruto haderte noch kurz mit sich selbst, wandte sich aber mit einer abweisenden Geste von ihm ab. »Weißt du was? Leck mich, Arschloch!«

Seine Schritte entfernten sich mit doppelter Lautstärke, die Tür knallte zitternd ins Schloss und Sasuke schrie noch hinterher: »Dann wasch dich erstmal, Wichser!«

Vor Wut schien Sasukes Gesicht nahezu zu zittern, er verlor komplett die Beherrschung über sich selbst und daran war allein dieser Naruto schuld.

»Bei euch alles okay, Jungs?«, rief zu allem Überdruss nun auch noch Alexis' besorgtes Organ die Treppe hoch.

»Alles okay!«, brüllten sie zeitgleich zurück, beide völlig außer sich.

In diesem Haus hatte sich seit seiner Ankunft offensichtlich einiges verändert. Es stand wirklich in den Sternen, ob er das komplette Jahr hierbleiben dürfte. Wer wollte schon jeden Tag diesen Stress zuhause ertragen?

Dann musste er wieder nach Hause.

Sasuke schlug die Hände über dem Kopf zusammen, fuhr sich mit den Handflächen übers Gesicht und versuchte, sich einen klaren Kopf zu verschaffen.

Nach Hause? - Niemals. Da stand er lieber nicht nur im übertragenen Sinne – wie es bislang der Fall war -, sondern auch in Wirklichkeit mit Naruto vor einem hundert Meter tiefen Abgrund.

Fuck.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  tillbery
2013-05-09T15:05:22+00:00 09.05.2013 17:05
Ich hab mich riesig gefreut als ich die ENS in meinem Postfach hatte, dass es ein neues Kapitel gibt!
Es hat spaß gemacht nach langem wieder was von dir zu lesen und bin gespannt wie es jetzt wieder weiter geht :)

lg Tillbery

Von:  V0IDsKhaos
2013-05-07T20:52:41+00:00 07.05.2013 22:52
Ich freue mich auch, dass es bei dir vorran geht. :D Ich lese immernoch fleißig mit, auch wenn du nicht viel davon mitbekommst.
Mir gefällt in dieser Geschichte Sasukes zynische, herablassende Art und wie du ihn mit seinem Schubladen-Denken  einfach gegen die Wand laufen lässt, wie er sich in seiner Abneigung gegen Vorurteile, die er selber zur Genüge äußert komplett verheddert. Auch wenn es keiner zugeben würde, bin ich mir sicher, dass sich mit ihm die meisten Leser idetifizieren müssetn. Naruto hingegen ist so wunderbar zugänglich und offen, dass es schon eine Kunst ist, ihm ans Bein zu pieseln. Witziger Weise lässt Sasuke ja öfter durchblicken, dass ihm das schon bewusst ist... Aber sie sind einfach so schön verschieden, dass sie scheinbar schon bei der bloßen Anwesenheit das Anderen auf 180 sind... Irgendwoher kenne ich das... ;D  
Naja... Ich bin ja mal gespannt, auf welche Ideen sie noch kommen, um sich gegenseitig zu foppen.

Und Narutos kleines Geheimnis spielt hoffentlich bald noch eine große Rolle. Finde ich sehr interessant und ich konnte mir richtig gut vorstellen, wie er da im Freien, an den Baum gelehnt, sitzt und mit begleitender Gitarre sein Stimmchen zum besten gibt. Vllt. teilst du auch das ein oder andere Songtextchen mit uns? ^^

tata <3
Von:  Onlyknow3
2013-05-07T19:57:46+00:00 07.05.2013 21:57
Ich schließe mich hier L-San an,Darum werde ich jetzt auch gar nicht mehr viel schreiben.Einfach nur mach weiter so,ich freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  SayuriKon
2013-05-07T18:38:40+00:00 07.05.2013 20:38
Herrlich, einfach absolut herrlich :D
Ich mag deinen Schreibstil unglaublich gerne und ich muss immer wieder schmunzeln und lachen, wenn ich die Dialoge und das drumherum lese.
Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht, denn die Story hat in diesem Kapitel einen Aspekt gezeigt, mit dem ich absolut nicht gerechnet habe und ich freue mich sehr, wie es sich weiterentwickelt.
Du hast ein tollen Erzählrhythmus und man kommt einfach mit Sasuke in der Familie an.
Ich hoffe, dass es bald weitergeht :)

Bis dann!
Von:  L-San
2013-05-07T17:01:01+00:00 07.05.2013 19:01
Yo N0VA. ;D

Wie versprochen kommt meine Review und dieses Mal hab ich mehr zu sagen als beim letzten Mal, glaube ich.
Brace yourself!

Inhalt:
Es passiert eigentlich nicht viel in der FF und doch behält man die einzelnen Szenen, sofern man sie überhaupt als wichtig erachten kann, im Kopf.
Außerdem erfährt man so unglaublich viel zwischen den Zeilen.
Gefällt mir sogar sehr gut.
Auch was die Charakterisierung angeht.
Überhaupt mag ich diesen Romanstil, findet man ihn doch nicht so oft auf Animexx, und das auch noch in sauberer Arbeit. ;D

Charaktere
Die Charaktere hast du weitestgehend IC gehalten, wobei du ihnen noch eine persönliche Duftmarke verpasst hat, die ihre Attribute verstärken und sie als Mensch interessanter macht.
Das finde ich gut.
Vor allem die Sache mit Mathematik oder dem Gitarrenspiel, die Naruto ja schon fast als geistig und kulturell gebildet erscheinen lässt, und die Sasukes Vorurteile spotten.
Ja, da ist Letzterer doch etwas oberflächlich, obwohl er selbst das doch hasst - wie ironisch.
Ein kluger Schachzug von dir.
Ebenfalls gefällt mir der Aspekt mit der Natur, der Narutos Vorliebe für Freiheit und Bodenständigkeit verstärkt.

Rechtschreibung/Grammatik:
Im ersten Kapitel hab ich einige kleine Fehler gefunden, die ich mal im Folgenden aufliste.

Das musste der Kerl gerade sagen, dessen Literaturreihe hauptsächlich aus Werken von Stephen King bestand und der mit Sicherheit den Großteil seiner Freizeit nicht unbedingt mit lernen verbrachte.
"lernen" wird großgeschrieben, weil es hier als Nomen fungiert.

Dass es unwahrscheinlich war, dass er morgen Früh in seinem eigentlichen Bett in seiner eigentlichen Wohnung am Stadtrand aufwachen würde.
Wenn ich mich nicht irre, dann müsste "Früh" kleingeschrieben werden.

»Sorry, die Vorstellung ist einfach zu...Ich weiß auch nicht. Abwegig?«, lachte Sasuke und drückte sich den Handballen gegen die Stirn, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Hier hast du einen formalen Fehler begangen, den du auch im zweiten Kapitel gemacht hast.
Die Auslassungspunkte "..." werden wie als ein Wort betrachtet. Deshalb sollte man auch Abstände machen.

Ansonsten hab ich keine Fehler gefunden. Wirklich nahezu perfekt!
Vor allem das zweite Kapitel. ;D
Es gab eigentlich nur zwei bis drei Stellen, wo ein Komma hingemusst hätte.
Aber das sind jetzt alles nur Kleinigkeiten, die nicht wirklich relevant für die Bewertung dieser FF ist, da sie so gut wie gar nicht, den Lesefluss stören. ;D

Schreibstil:
Da wir schon beim Lesefluss sind, ich muss sagen, es liest sich alles recht flüssig.
Mir gefallen deine schönen, detaillierten Schilderungen, wodurch der Romanstil, den du hier benutzt, als sinnvoll und gerechtfertigt erscheint.
Aber ich hätte gerne etwas mehr Farbe, mehr Individualität in den Beschreibungen gehabt.
Denn dadurch würde alles viel interessanter klingen.
Was mir ebenfalls positiv aufgefallen ist, war der Aufbau.
Erst fängt alles schön langsam an, dann gewinnt die Story immer mehr an Dynamik, sodass schön eine Spannung aufgebaut werden kann, die sich auch in den Gesprächen der beiden Jungs wiederspiegelt.
Und dann streust du eine Prise Humor, was das Lesen angenehmer und lockerer macht.
Allerdings würde ich an deiner Stelle vielleicht mehr Absätze machen, damit alles übersichtlicher wirkt und das Lesen erleichtert wird.
Ein paar kleine negative Kritikpunkte habe ich schon noch.
Du könntest bestimmten Situationen oder Beschreibungen etwas mehr Atmosphäre einbauen.
Was hier schwach rüberkommt, sind bleibende Eindrücke.
Die müssten noch auffälliger sein.
Ein Beispiel wäre Narutos Gitarrenspiel.
Ich finde, es hätte noch mehr fesselnder beschrieben werde sollen, sodass ich auch Sasukes Begeisterung und Schwärmerei nachempfinden kann.

Abschluss:
Zusammenfassend kann man sagen, dass deine FF mir eine wahre Lesefreude bereitet hat.
Ich mag den Romanstil, den man hier nicht sehr oft und noch weniger in sauberer Arbeit findet.
Und auch mag ich die ganzen skizzenhaften Beschreibungen und jene Zeilen, in der man viel über den Charakter einer Person erfährt.
Aber wie ich schon bereits erwähnt habe, fehlt mir hier etwas mehr Individualität beim Schreiben. Daran müsstest du arbeiten.
Ansonsten kann ich dir nur noch sagen:
Mach weiter so!

Ich freue mich wirklich, mal eine gute Shonen-Ai FF gefunden zu haben, besonders in Zeiten wie diesen, wo das Fandom Naruto eher mehr talentierte Autoren im Genre Hetero aufzuweisen hat, als umgekehrt.

So, jetzt beende ich aber mal meinen Roman.
12 von 15 Punkten gibt es von mir.
(Von Zeit zu Zeit und je nach Autor verteile ich mal Punkte, damit man über seinen Fortschritt Bescheid weiß.)

L-San


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