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Nebulous Island

von

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The Sacrifice.

„Wir müssen irgendwie diese Handschellen loswerden“, entrann es Marco gepresst. Sein Blick zuckte durch die Zelle hin und her. Doch bis auf die schmale Bank befand sich nichts in ihr und diese würde ihm nicht helfen können.

„Marco, dein Bein!“, rief Thatch aus, das Gesicht gegen die eigenen Gitterstäbe gepresst.

Der Angesprochene hielt inne und schaute perplex an sich herunter, bis seine Augen an dem kleinen Accessoire hängen blieb, das er am linken Unterschenkel trug. Es war ein Souvenir von der Fischmenscheninsel. Genauso gesagt, war es ein Geschenk einer der Meerjungfrauen gewesen. Ihr Name war Carpathia gewesen und sie hatte ihm diese kleine Dekoration geschenkt, nachdem sie für etwas Ruhe auf der Insel gesorgt und Whitebeard sie unter seinen Schutz genommen hatte. Zusammen mit einem Kuss auf die Wange, für den er noch die darauffolgenden Wochen von den Jungs geneckt worden war, hatte sie es ihm überreicht. Wer hätte gedacht, dass Carpathias Geschenk ihm jemals aus der Patsche helfen konnte?

Sogleich sank Marco in die Hocke, um seine Sandale vom Fuß zu ziehen und das selbstgemachte Accessoire von seinem Bein. Das Gummiband, das es an seinem Unterschenkel hielt, war zusätzlich von Draht umwickelt, um es Stabilität zu verleihen.

Dieses löste er mit etwas Kraftaufwand, ehe er es abwickelte und gerade bog. Den Rest des Souvenirs verstaute Marco umständlich in der Tasche seiner blauen Dreiviertelhose. „Ich werd’ es reparieren“, murmelte er dabei, nicht ganz sicher, ob er mit sich selbst sprach oder nicht doch zu der Erinnerung der Meerjungfrau mit den lavendelfarbenen Haaren und dem viel zu breiten Lächeln. Er hatte schon lange nicht mehr an die Fischmenscheninsel und ihre Bewohner denken müssen, doch auf der Moby Dick war auch zu viel los, als dass er ernsthaft Zeit hätte, nostalgisch zu werden.

Vorsichtig drehte Marco den Draht in seinen Händen und schob eine Seite in das Schloss der Seesteinhandschellen. Er drehte hin und her, immer wieder vor einer Seite zur anderen – erfolglos.

„Geh schon auf, du verfluchtes Stück...“ Doch es wollte sich nicht öffnen, während die Sekunden und Minuten ihnen wie Wasser durch die Finger rannen.

„Thatch, ich hoffe, du kannst gut fangen“, presste Marco schließlich hervor, als er den Draht wieder aus dem Schloss zog und sich aufrichtete. Den Fuß wieder in die Sandale schiebend trat er an die Gitterstäbe heran und warf Thatch kurzerhand das Werkzeug herüber. Als Schwertkämpfer hatte er das benötige Feingefühl, das Marco fehlte. Auch wenn er es nur ungern zugab, in dieser Hinsicht ähnelte er eher Ace mit seiner Durchschlagskraft.

Thatch dagegen machte wie erwartet kurzen Prozess mit seinen Handschellen. Mit einem dumpfen Klang fielen sie zu Boden, bevor Thatch den Draht in das Schloss der Zelle schob.

„Ihr Jungs seid ja nicht von schlechten Eltern“, kommentierte Goliath vergnügt von der Bank aus. Der Alte sich bisher keinen Zentimeter bewegt und tat auch jetzt nichts weiter als die Hände vor dem flachen Bauch zu verschränken und ein Kichern von sich zu geben.

Auch Thatch trug längst wieder ein Grinsen auf dem Gesicht. „Scheinbar hat es sich bezahlt gemacht, die Schlösser an der Kühlkammer zu knacken.“

„Scheinbar...“ Wie oft hatten sich die Köche darüber beschwert, wenn die Kühlkammer über Nacht erneut aufgebrochen worden war, weil irgendeiner der Männer Appetit auf einem Mitternachtssnack gehabt hatte oder das Abendessen verpasst hatte? Immer waren sie zu Marco gekommen, als hätte er sonst keine Pflichten.

Ein Klicken ertönte und die Zellentür schwang auf. Mit einem Glucksen joggte Thatch zu Marco herüber, um dessen Tür ebenfalls öffnen zu können. Es dauerte nicht länger als eine Minute, bis Thatch neben ihm stand und Marcos Handschellen ebenfalls abfielen.

Im nächsten Moment waren beide bereits auf dem Weg die Treppe hinauf. Erst als Marco Goliath entdeckte, der noch immer in seiner Zelle saß, hielt er abermals inne. „Willst du nicht mitkommen? Das ist deine Chance, dich aus dem Staub zu machen.“

„Ach...“, antwortete der andere, als hätte er alle Zeit dieser Welt. In einer Gelassenheit, die Marco unverständlich blieb. „Ich glaube, ich bleibe noch ein Weilchen. Zumindest, bis der Trubel etwas abgeklungen ist.“

Thatch und Marco tauschten einen Blick aus, den Thatch mit dem Zucken seiner Schultern quittierte.

„Wenn du meinst...“, war alles, was Marco von sich gab. Er konnte den alten Mann wohl kaum dazu zwingen, sich ihnen anzuschließen.

„Aber wenn ihr euren Freund sucht“, fuhr dieser unbekümmert fort, während er die Wand mit den Schriftzügen betrachtete, „dann solltet ihr das Tal östlich von hier verlassen. Von dort braucht ihr immer geradeaus gehen, dann erreicht ihr den Abgrund bereits in wenigen Minuten.“

„Danke.“ Anschließend verließ Marco mit Thatch im Schlepptau den unterirdischen Keller, um in dem Haus darüber zu landen. Ein riesiger Tisch stand in der Mitte des Raumes mitsamt einigen Stühlen. Vorhänge, die ebenfalls aus Tierfellen angefertigt waren, waren aufgezogen und ordentlich links und rechts von den Fenstern zusammengebunden worden. Zudem standen frische Blumen auf einer Kommode. Alles wirkte viel zu gewöhnlich – und stellte Marco vielleicht gerade aus diesem Grund die Nackenhaare auf. Aber zumindest schienen sie die einzigen hier zu sein, obwohl Marco das nicht verwunderte. Das Opfern eines Menschenlebens schien immerhin eine ereignisreiche Sache zu sein, weshalb sich garantiert alle Bewohner an diesem Abgrund aus ihrer Legende versammelt hatten.

„Lass uns gehen, bevor sie Ace wirklich noch die Kehle aufschlitzen“, sagte Marco, als Thatch auf die andere Seite des Zimmers herübereilte.

Metall klirrte und der braunhaarige Kommandant zog sein Schwert unter einem Haufen anderer, vor allem aber älteren, Waffen hervor, die Marco zuvor nicht bemerkt hatte. Waren es die Waffen anderer Opfer, die den Bewohnern hier in die Falle getappt waren?

„Worauf wartest du, Marco?“, fragte Thatch, der sich längst an seinem Nakama vorbeigeschoben hatte und die Tür ansteuerte. Als er sie mit einem kräftigen Ruck aufzog, fiel der Kranz von der Tür, der von außen dort angebracht worden war.

„Tirpitz’ Hütte...“, stellte Marco fest, als er sich aus seiner Starre löste und mit Thatch die Blockhütte verließ. Er hätte es wissen müssen, nicht wahr? Natürlich befanden sich die Zellen unter dem Haus des Bürgermeisters. Nicht nur, dass Tirpitz das Oberhaupt dieses Dorfes war, sondern man hatte ihn nach Thatchs Verschwinden nicht einmal in die Nähe der Hütte gelassen. Zu diesem Zeitpunkt hätte es Marco bereits auffallen müssen.

„In welche Richtung geht es nach Osten?“, fragte Thatch. Er stand inmitten des Pfades, der zwischen den Hütten entlang führte, inmitten eines verlassenen Dorfes.

Marco deutete nach links, nachdem er sich an dem Sonnenstand orientiert hatte. Zwar war das Blätterdach noch immer dicht, doch hier und da konnte er dennoch die helle Scheibe durchblitzen sehen. „Dort entlang.“

 

 
 

 

 

Goliath hatte recht behalten. Umso länger sie sich in östliche Richtung durch das Dickicht schlugen, umso lauter wurde das Stimmengewirr, das bereits nach wenigen Minuten ihre Ohren erreicht hatte.

„Wir müssen ganz in der Nähe sein“, murmelte Marco, während er Thatch am Oberarm packte, damit dieser nicht ungehalten davon stürmen konnte. Marco mochte sicher sein, dass die Bewohner dieser Insel keinen gefährlichen Gegner darstellen würden, doch zuerst wollte er wenigstens ihre Lage auskundschaften. Letztendlich warf er sich doch eher ungern ohne eine vage Vorstellung, was sie erwarten könnte, in den Kampf – regenerierende Fähigkeiten hin oder her. Deswegen legte er den Zeigefinger an die Lippen, um Thatch Ruhe zu signalisieren. Dessen Mund schloss sich sogleich und beide Kommandanten schlichen weiter geduckt durch die Sträucher hindurch. Vor ihnen lichtete sich derweil der Wald; mehr Tageslicht erhellte die Gegend und ließ Marco im ersten Moment blinzeln, als sie hinter einigen Büschen in Deckung gingen.

Marco zog bei dem Bild, das sich ihm präsentierte, die Augenbrauen zusammen. Kein Baum, nicht einmal so viel wie ein Grashalm wuchs auf der Lichtung mit dem getrockneten und aufgeplatzten Boden. Quer über den Platz zog sich der breite Graben, von dem jeder geredet hatte. Aber jede Legende hatte bekanntlich ein Körnchen Wahrheit in sich, auch wenn es sich hierbei um eine Naturkatastrophe handelte. Trotzdem war er eindrucksvoll und mindestens sieben Meter lang, sowie vier Meter breit. Es sah aus, als hätte eine höhere Macht die Insel in zwei spalten wollen.

Und wie Marco bereits angenommen hatte, hatten sich sämtliche Bewohner auf dem Platz versammelt. Dabei musste er jedoch feststellen, dass es mehr als erwartet waren. Wenn er hätte schätzen müssen, hätte er auf knappe hundert Leute getippt. Zwar waren bei weitem nicht alle bewaffnet, doch gut würden sie auf eine Störung in ihrer kleinen Opferungszeremonie nicht reagieren.

„Kannst du Ace sehen?“, fragte Thatch neben ihm im Flüsterton.

Marco nickte zum Abgrund herüber, an dem Buc und einige seiner Männer Ace auf die Knie gezwungen hatten. Dieselben Speere und Schwerter, die vorhin auf Marco gerichtet gewesen waren, deutete nun auf ihren Nakama, dessen orangefarbener Hut mehr schlecht als recht auf seinem Kopf saß.

Es war ein seltsames Gefühl, Ace plötzlich verwundbar zu sehen, obwohl ihn doch sonst nichts und niemand etwas anhaben konnte.

„Nach langer Zeit kommen wir wieder hier zusammen, um dir eine Opfergabe zu überbringen“, begann Bürgermeister Tirpitz, als er sich dem Graben angenähert hatte und Ruhe auf dem Platz eingekehrt war.

„Mit wem redet er, Marco?“, fragte Thatch mit hochgezogenen Augenbrauen und einer Hand am Griff seines Schwertes.

„Mit der Insel. Oder mit dem Abgrund. Wahrscheinlich ist das für ihn ein und dasselbe.“ Marcos Augen hingen derweil auch weiterhin an Ace, der mit dem Rücken zu ihnen saß. Er hatte einen guten Blick auf die Tätowierung von Whitebeards Zeichen, das sich auf diesem befand.

„Auf dass du dich diesmal unserer erbarmst“, fuhr Tirpitz fort, „und uns ziehen lassen wirst. Diesmal das Blut – nein, das Leben – eines jungen Piraten, der schon viel von der Welt gesehen hat. Einer, der dir viel erzählen und dir die Ewigkeit unterhalten kann. Viel besser, als es je einer von uns könnte.“ Bei diesen Worten überreichte Buc dem Bürgermeister das Messer, das er bis eben noch in den Händen getragen hatte. Erst bei näherem Hinsehen erkannte Marco, dass es sich dabei um Ace’ prunkvolles Jagdmesser handelte, welches er stets am Gürtel bei sich trug. Welch Ironie, es ausgerechnet seine eigene Waffe die Opfergabe benutzen zu wollen...

„Ich glaube, es wird Zeit, etwas zu unternehmen“, entrann es Thatch.

Bevor Marco jedoch auf diese Aussage reagieren konnte, war Thatch bereits aus ihrem Versteck gehuscht und rannte mit gezogenem Schwert auf Ace und die Inselbewohner zu.

„Thatch, du Idiot!” Trotz des Überraschungsmoment, der mit Thatchs Kriegsschrei verloren ging, strauchelte Marco hinter ihm her.

Sämtliche Blicke wandten sich ihnen zu, ebenso wie die Klingen, die unter der Sonne blitzten. Allerdings hatten sie ihren Vorteil Marco gegenüber längst verloren. Ohne ein Zögern stieß sich Marco vom Boden ab und begab sich in die Lüfte. Das blaue Phönixfeuer entflammte seine Arme und verwandelte sie in lange Schwingen. Gleichzeitig verformte sich ein Fuß in eine kraftvolle Klaue. Mit ihr holte Marco aus, um den ersten auf ihn zustürmenden Mann in die Brust zu treten.

Er wurde nach hinten geworfen, direkt in zwei weitere hinein, die es ebenfalls von den Beinen holte. Doch in Marcos Hinterkopf befand sich zeitgleich noch immer die Erinnerung an die Ranken, die ihn zuvor am Boden gehalten hatten, sich nun jedoch nicht zeigten.

Kurzzeitig blickte Marco in den Himmel hinauf, der auf dieser Lichtung sichtbar war, doch er unternahm nicht den Versuch, ihn zu erreichen. Dafür war er nicht hier – zudem hatte er die ferne Ahnung, viel eher Intuition, dass die Ranken sogleich aus den Bäumen geschossen kommen würden, sobald er versuchen sollte, der Insel zu entkommen. Es war ein Gefühl, als würde jemand auf der Lauer liegen, sie beobachten – und doch waren da nur die Männer, die sich mit Schwertern und Speeren zwischen ihnen und Ace aufbauten.

Kampfschreie hallten durch die Luft, verscheuchten die Vögel in den Bäumen. Metall traf auf Metall, als Thatch sich durch die Menge kämpfte.

Für den Moment überließ Marco ihm ihre Gegner, als er mit Leichtigkeit über sie hinweg und auf den Riss in der Erde zuflog. Thatch mochte in seinem Schwertstil nicht an Vista herankommen, doch er war gut genug, um diese Anfänger für den Augenblick in Schach zu halten.

Marcos Augen erfassten derweil Ace, der erstaunt zu ihm aufsah, als er auf sie herunterstürzte. Anstatt jedoch zu landen, packten seine Klauen Ace’ Schultern und stießen den Bürgermeister mitsamt des Messers zu Boden. Zusammen mit Ace sauste Marco über den riesigen Abgrund herüber, unter ihnen nur undurchdringliche Schwärze, und stiegen mit ein paar Flügelschlägen wieder auf.

Marco brachte sie fort von den Männern, die unten hinter ihnen herstürmten, als hinge ihr Leben davon ab. Doch erst auf der anderen Seite der Lichtung, des Grabens, setzte Marco zur Landung an. Er setzte Ace ab, verwandelte sich im selben Atemzug in seine menschliche Gestalt zurück und landete neben ihm.

„Ich hätte mich auch alleine befreien können“, ließ Ace verlauten und Marco schenkte ihm einen Seitenblick.

„Natürlich hättest du das.“ Damit zog er den Draht, den sie zum Öffnen der Handschellen benutzt hatten, aus der Hosentasche und reichte ihn Ace. „Jetzt müssen wir nur noch diese Spinner loswerden und Thatch finden.“ In der Masse an Männern und Frauen, die mit gehobenen Waffen auf sie zu gerannt kamen, war von ihrem Nakama keine Spur mehr. In der Ferne vermochte man das Klirren von Schwertern zu vernehmen, das Marco sagte, dass Thatch noch immer einsatzfähig war.

Ace schob den Draht mit etwas Mühe in das Schloss seiner Seesteinhandschellen. „Und mein Messer finden. Nicht zu vergessen, von der Insel runterkommen“, fügte dieser trocken hinzu.

Aus den Augenwinkeln beobachtete Marco, wie Ace seine Fesseln zu öffnen versuchte, aber genauso kläglich zu versagen schien, wie er es selbst zuvor getan hatte. Marco hob einen Mundwinkel, bevor er sich den Männern zuwandte, die sie beinahe erreicht hatten. Dabei fiel ihm jedoch auf, dass das Kampfgeschrei, das um sie herum ertönte, viel zu entfernt war, als dass es von den Inselbewohnern allein stammen konnte.

Und noch während er den ersten Schwerthieben auswich, einem Mann mit einem Tritt in den Magen auf Abstand hielt, entdeckte Marco die Meute, die aus dem Wald auf der anderen Seite des Grabens herausbrach. Es war, als ob Marcos Alptraum gerade zur Realität wurde.

„Das darf doch wohl nicht wahr sein...“, murmelte Marco, als er mit einem Mann und seinem Schwert rang. „Jetzt sitzen wir alle hier fest.“

Ihre Nakama schmissen sich derweil sogleich in das Getümmel, während Ace trotz der sie einkreisenden Dorfbewohner irgendwo hinter ihm zu lachen begann. Laut und lebendig – und für Marcos Laune schwer, sich nicht ebenfalls heben zu wollen.

 

 
 

 

 

Der Morgenstern sauste in die Menge der Dorfbewohner. Er holte sie von den Füßen und schleuderte sie von sich, räumte einen Weg frei, den die Kommandanten der Whitebeard-Piraten einschlugen, um sich zu ihnen durchkämpfen zu können. Marco konnte sie näher und immer näher kommen sehen. Es war ein vertrauter Anblick.

Rakuyou war der erste, den Marco ins Auge fasste. Der Kommandant mit den hellbraunen Dreadlocks zog seinen Morgenstern zurück und fing ihn auf, das braungebrannte Gesicht zu einem grimmigen Lächeln verzogen.

Blamenco, Haruta und Izou rannten an ihm vorbei und direkt auf sie zu. Es war eine Kugel aus Izous Pistolen, die Marcos Gegner abrupt zu Boden gehen ließ. Das verrostete Schwert landete neben ihm, während sich Blut durch den Stoff seiner Hose sog. Die Schusswunde war nicht lebensgefährlich, das sah Marco auf den ersten Blick, aber schmerzhaft genug, um am Boden liegen zu bleiben.

Izou hob lediglich das unter Stück seines Kimonos an, als er über den Verletzten herüberstieg. Der wie eine Geisha gekleidete Mann mochte einen eher harmlosen Eindruck machen, doch mit einer Pistole in der Hand, war er dennoch eine ernstzunehmende Gefahr. Jemand ohne Können schaffte es eben nicht ein Kommandant in ihrer Mannschaft zu werden.

„Vista meinte, wir sollen mal nachsehen, wo ihr Schnarchnasen abgeblieben seid“, bemerkte Haruta, als auch sie Marco erreicht hatte. Ihr Schwert hielt die kleine Kommandantin mit den braunen Haaren in beiden Händen, so dass ihre Knöchel scharf hervorstanden, während Blamenco jeden zu nahe kommenden Inselbewohner einem mit seinem Hammer überzog. Der übergewichtige Mann hatte einen Schlag, von dem sich nicht einmal Marco schnell wieder erholen würde.

Doch die meisten hatten ohnehin unlängst die Flucht ergriffen. Sie stürzen davon und verschwanden zwischen den Bäumen am Ende der Lichtung, einige schmissen sogar ihre Waffen fort, ehe sie die Beine in die Hand nahmen.

„Irgendwann wären wir schon wieder aufgetaucht...“, erwiderte Marco, obgleich er sich dessen nicht vollkommen sicher sein konnte. Zeitgleich sah er dabei zu, wie Haruta das Schwert wegsteckte und auf Ace zutrat, der sich noch immer mit dem Draht und seinen Handschellen abkämpfte.

„Aber wo wir schon mal hier sind, was geht hier vor?“, fragte Izou und hob eine seiner schmalen Augenbrauen. Seine Pistolen ruhten auch weiterhin in seinen Händen, ebenso wie die Finger am Abzug.

Marcos Blick glitt über die Lichtung mitsamt dem Graben, als er seine eigenen Hände locker in die Hüften stemmte. In der Ferne konnte er Thatch mit einigen ihrer Jungs ausmachen, die mit einander scherzten und langsam zu ihnen herüber geschlendert kamen. Von Bürgermeister Tirpitz sowie Downes Buc oder ein anderes halbwegs bekanntes Gesicht war inzwischen keine Spur mehr zu sehen, obwohl Marco sich sicher war, dass sie sich nicht allzu weit weg befanden. Viel wahrscheinlicher war es, dass sie aus sicherer Entfernung von ihnen beobachtet wurden, während sie ihre Wunden leckten.

„Das ist eine lange Geschichte“, erwiderte Marco schließlich und unterdrückte ein Seufzen. „Sagen wir einfach, dass es gut ist, dass diese Insel auf keiner Karte verzeichnet ist.“ Wenigstens machte sich dann niemand die Mühe, nach ihr in diesem Gewässer zu suchen und trotz Nebel bei Zufall auf sie zu stoßen.

Der dumpfe Klang, als Ace’ Handschellen sich öffneten und er sie fallen ließ, holten Marco aus seinen Gedanken und er wandte sich zu der Feuerfaust um.

Dieser rieb sich die Gelenke, trug aber bereits wieder ein amüsiertes Grinsen auf seinem Gesicht. Das stand ihm um einiges besser als der wütende Ausdruck, den er in der Zelle noch getragen hatte. Doch Marco war sich bewusst, dass die Zeit nicht alle Wunden zu heilen vermochte und dass die Vergangenheit einen immer wieder einholte. Irgendwie und irgendwann – insbesondere, wenn man der Sohn von dem berüchtigten Gol D. Roger war. Das war ein Schatten, den man wohl niemals vollkommen abschütteln konnte.

„Die Frage ist immer noch, wie wir von dieser Insel herunterkommen“, sagte Marco, als er seinen gelangweilten Blick von Ace löste und stattdessen in den Himmel über ihren Köpfen hinaufstarrte. Er sah so nah aus, obwohl er zeitgleich so fern schien. Zwar mochten sie eine alles andere als wehrlose Piratenbande sein, doch gegen die Natur, gegen eine gesamte Insel, würden auch sie nicht ankommen.

Izou zuckte mit den Schultern. „Ich hab' mir den Weg zum Ufer gemerkt.“

„Orientierungssinn bringt uns hier nicht viel“, antwortete Marco. „Stell' dir die Insel wie ein Irrgarten vor. Man läuft immer in eine Sackgasse.“

„Was?“, rief Haruta aus. „Was soll das bedeuten?“

Nun erlaubte sich Marco tatsächlich ein lautloses Seufzen. Bis er es allen Anwesenden erklärt hätte, war garantiert die Sonne untergegangen, so verstreut wie sie im Moment waren. „Es bedeutet—“

„Jeder Irrgarten besitzt auch einen Ausweg“, erklang eine Stimme hinter ihm und ließ Marco überrascht über seine Schulter zurücksehen. Hinter ihm stand Goliath. Der alte Mann hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt, als er aus interessierten Augen zu Marco hinaufschaute.

„Wer ist das?“

Ace grinste und schob seinen Hut weiter nach oben. „Das ist Goliath. Er war auch ein Gefangener hier, Haruta.“

Kurz musterte Marco den Alten, der in der Zelle hatte bleiben wollen, bis sich der Trubel ein wenig gelegt hatte. Allerdings hatte er das wohl, musste er zugeben. „Was meinst du damit?“, fragte er, anstatt sich zu erkundigen, woher Goliath so plötzlich gekommen war. „Weißt du, wie man die Insel verlassen kann?“

Goliath wog den Kopf hin und her, als würde er über diese Frage nachdenken. Letztendlich nickte er kaum merklich. „Vielleicht. Vermutlich. Habt ihr eine andere Wahl, als auf das Wort eines alten Mannes zu vertrauen?“ Nun lachte er heiser auf, ehe er eine Hand in seine Hose steckte und etwas hervorzog.

Neben Marco verzog Haruta das Gesicht und auch Izou stieß einen geekelten Laut aus. Selbst Marco zögerte für den Bruchteil einer Sekunde, als er das hervorgezogene Papier entgegennahm. Es war so groß wie seine Handfläche und vollkommen unbeschrieben. Erst als das Stück Papier sich bewegte und langsam über seine Handfläche kroch, wurde Marco klar, dass ihm eine Vivre Card überreicht worden war.

Haruta betrachtete das Papier skeptisch. „Wie soll uns eine Vivre Card helfen?“ Ihre Hand verweilte derweil auch weiterhin an dem Griff ihres Schwertes, als erwartete sie, einen Inselbewohner jeden Moment aus dem Gebüsch springen zu sehen. Vielleicht hoffte sie sogar darauf.

„Hey, Leute!“, rief Thatch hinter ihnen aus. „Guckt, was ich gefunden habe.“

Marco schloss die Hand um die Vivre Card und drehte sich zu ihm um. Auch die Blicke seiner Nakama wandten sich kurzzeitig Thatch und den restlichen Männern zu, die soeben zu ihnen gestoßen waren.

Dieser präsentierte Ace soeben dessen Jagdmesser, das wieder den Platz an dem Gürtel des Jüngeren einnahm.

„Sind wir jetzt vollzählig?“, fragte Marco und alle Anwesenden sahen sich um, ehe ein Nicken von ihnen folgte. „Gut. Wenn du uns jetzt auch noch erklären könntest, wem—“ Doch Marco brach ab, als er sich wieder Goliath zuwenden wollte und der alte Mann nicht mehr hinter ihm stand. Auch als er sich umsah, konnte er ihn nicht mehr entdecken.

„Wo ist er hin?“, entwich es Marco irritiert, woraufhin auch seine Nakama den Blick suchend umherwandern ließen. „Izou, hast du gesehen, wo er hin ist?“

„Hm?“

„Goliath. Er hat doch genau neben dir gestanden...“, erklärte Marco, doch Izou zuckte nur gelassen mit den Schultern, als ginge ihn das Ganze nichts an.

Mit ausdruckslosen Augen fixierte Marco wieder die Vivre Card in seiner Hand. Er hielt sie zwischen zwei Fingern und schaute in die Richtung, in der sich das Papier neigte. Sollte das der Ausweg aus diesem Irrgarten sein, von dem Goliath gesprochen hatte? Ausgerechnet eine Vivre Card? Hatten sie eine andere Wahl, als Goliaths Worten Vertrauen zu schenken und es darauf ankommen zu lassen?

„Am besten machen wir uns auf den Weg“, entrann es ihm schließlich, da er selbst keine bessere Idee hatte, wie sie von dieser verfluchten Insel herunterkommen sollten.

Er konnte die skeptischen Blicke auf seiner Haut spüren, doch niemand wiedersprach ihm. Nein, stattdessen folgten sie Marco, als dieser den Weg nach Westen einschlug.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Hisoka_Hebi
2021-08-18T08:24:22+00:00 18.08.2021 10:24
Das Kapitel gefiel mir gut ;)
Von:  Peacer
2013-02-24T16:57:27+00:00 24.02.2013 17:57
Ich glaube, das hier ist mein Lieblingskapitel. :D
Es fängt schon so schön genial mit dem Geschenk der Meerjungfrau an (und der Erinnerung an den Kuss und die Neckereien seiner Nakama, genial xD). Und dann erweist sich Thatch als geübter Schlossknacker, genau, wie ich ihn mir auch immer irgendwie vorstelle. xD
Und dann die Erkenntnis, dass sie unter der Hütte des Bürgermeisters gefangen waren, und der Kranz, und wie du so schön vorhin Andeutungen eingebaut hast finde ich ganz toll.
Und dass die Bewohner schlussendlich die Leute opfern wollen, in der Hoffnung, so von der Insel zu entkommen, ist swohl verrüclt als auch irgendwie traurig. Immerhin sitzen sie ja schon eine halbe Ewigkeit fest.
Die Rettungskation ist auch ganz toll, wie sich Thatch ohne Rücksicht auf Verluste ins Getümmel stürzt und Marco Ace ans andere Ende des Abgrundes fliegt. Habe ich schon erwähnt, dass ich seine Phönix-Form liebe? xD
Und dann der Angriff seiner Nakamas, Albtraum und Rettung zugleich, einfach genial. Ich fands übrigens auch ganz passend, dass Ace daraufhin gelacht hat. xD
Goliath fand ich dann auch ganz genial, so schön mysteriös, und wie er die Vivre Card aus der Hose zieht (hihi xD), um daraufhin spurlos zu verschwinden. Ich mag mysteriöse, alte Männer. xD
Von:  Guardian
2013-02-10T23:09:36+00:00 11.02.2013 00:09
ohh jwtzt sind sie alle gefangen haha xDDD
das kann nur lustig werden :D
ich finde es klasse wie du die kampfszene beschreiben hast, auch die denkweise von marco x3
klar und verständlich zu lesen, es macht spaß :)


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