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Geister

Wenn Wege sich kreuzen
von

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Die alte Villa

Ein Schatten schoss über den Boden hinweg und ließ die junge Frau zusammenzucken. War es ein Geist?

„Sei nicht albern“, beruhigte sie sich selbst und holte tief Luft. „Es gibt keine Geister!“ Genau, es gab keine Geister – nur Geistpokémon und vor denen musste man doch nun wirklich mehr Angst haben! „Du bist eine Arenaleiterin und du bist schon lange erwachsen!“, redete sie weiter auf sich ein. „Da ist das doch wirklich ein Klacks!“

Natane holte tief Luft. Genau! Sie konnte sich wirklich nicht länger davor drücken. Doch... Eigentlich hatte sie es nun seit mehr als drei Jahren geschafft. Vielleicht konnte sie...

Schnell verwarf sie den Gedanken. Sie war Arenaleiterin, verdammt, sollte sie nicht ein Vorbild sein – oder zumindest so etwas in der Art?

Letzten Endes war es albern. Sie leitete die Arena in Hakutai City nun schon seit über drei Jahren. Seit über drei Jahren sorgte sie damit auch dafür, dass in der Gegend alles seine Ordnung hatte. Seit über drei Jahren kümmerte sie sich über die Pokémon im ewigen Wald. Doch seit über drei Jahren drückte sie sich – so gut es ging – auch davor sich der alten Villa im Wald zu nahe zu kommen.

Die Villa war seit einigen Jahren schon verlassen – keiner wusste warum – und in der Stadt wurden immer wieder Geschichten von Geistern erzählt, die in dem langsam immer weiter verfallenen Gebäude ihr Unwesen treiben sollten. Richtige Geister, wohlgemerkt, keine Geisterpokémon. Und auch als erwachsene Frau fürchtete sich Natane vor solchen, egal wie oft sie sich auch einredete, dass es solche gar nicht geben konnte.

Das brachte sie nun in eine Bredouille, denn mehrere der Wanderer, die durch den Wald kamen, wie auch die Holzfäller, die dort arbeiteten, hatten in den letzten Tagen davon berichtet, dass sich die Pokémon in der Nähe der Villa ungewöhnlich verhielten. Vielleicht, so hatten sie gemeint, stimmte irgendetwas in der Villa nicht.

„Aber“, jammerte Natane, wohl wissend, dass sie niemand – außer vielleicht die Pokémon des Waldes – hören konnte, „wieso muss ausgerechnet ich gehen?“

Sie seufzte und griff an ihren Gürtel. „Muskippa! Komm raus!“ Damit warf sie einen Pokéball, der sich öffnete und dem großen, schwebenden Pflanzenpokémon somit Freiheit gewährte.

Erwartungsvoll sah das Pokémon sie an, wartete darauf, dass sie ihm eine Anweisung gab.

Stattdessen suchte sie nur die Nähe Muskippas. „Bleib bei mir, okay?“, meinte sie und machte dann den ersten vorsichtigen Schritt auf die Villa zu.

Ihr schien es, als würde sie die Villa selbst von hier knirschen und knatschen hören.

Noch einmal holte sie tief Luft und machte den nächsten Schritt auf die Villa zu. Dann noch einen und einen weiteren.

Es waren schon andere Trainer in die Villa gegangen, ohne dass ihnen etwas passiert wäre.

Es war absolut ungefährlich. Also brauchte sie sich wirklich keine Sorgen machen. Nein, es war absolut ungefährlich.

Natane hatte die Zähne aufeinander gepresst, während sie der Villa immer näher kam.

Da meinte sie etwas, in einem der halb zerschlagenen Fenster zu sehen.

Bevor das Pokémon an ihrer Seite sich versah, verkroch Natane sich bereits hinter ihm. „Ich glaub“, meinte sie, „es ist besser du gehst vor.“

Wäre Muskippa ein Mensch gewesen, so hätte es wohl die Augen verdreht, doch so schwebte es nun vor der Trainerin her, während sie sich der Villa näherten.

Das hölzerne Tor der Villa hing auf der einen Seite nur noch lose in den Angeln, während die andere Hälfte gänzlich fehlte. Dadurch waren Blätter und Äste in die einst wahrscheinlich eindrucksvolle Eingangshalle geweht worden, die nun – zumindest empfand es Natane so – eher wie das Set eines Horrorfilms wirkte.

Ein Teil von ihr tendierte dazu, es hierbei zu belassen. Sie war in der Villa gewesen und... Es sah doch alles in Ordnung aus. Wahrscheinlich hatten sich die Wanderer nur etwas eingebildet.

Doch sie wusste, dass es unverantwortlich war.

Seufzend besah sie sich die vor ihr liegende Halle genauer.

Der aufgewirbelte Staub malte in den Sonnenstrahlen, die bis hierher durchgedrungen waren, Muster in die Luft, während das hereingewehte Laub beständig zu rascheln schien.

Zwei Treppen führten zu einer Galerie hinauf, von der drei Türen abgingen, während ein größeres Portal, dessen Türen schon lange verschwunden waren, im Erdgeschoss direkt ihr gegenüber in eine Art Speisesaal zu führen schien.

Natane schluckte.

Sie hatte die Wahl. Entweder ging sie in den Speisesaal oder die Treppe hinauf. Wenn sie Glück hatte fand sie, was sie suchte, direkt. Wenn sie Pech hatte, fand sie gar nichts und musste die ganze Villa untersuchen.

Sie wandte sich Muskippa zu. „Was meinst du? Speisesaal oder die Treppe hinauf?“

Das Pokémon gab einen gurgelnden Laut von sich, der kaum als Antwort interpretiert werden konnte, was die Arenaleiterin erneut dazu brachte leise zu Seufzen.

Sie sah zu den etwas brüchig wirkenden Treppen und dann zum irgendwie gespenstisch wirkendem Speisesaal. Die Treppen sahen gefährlich aus, aber der Speisesaal wirkte gruselig. Oben wäre mehr Licht, aber es war einfacher in den Speisesaal zu gehen.

Es war logischer, zuerst in den Speisesaal zu schauen, schloss sie und schlich so schließlich zu diesem hinüber – sich immer in der Nähe ihres Pokémons haltend.

Immer wieder ließen sie raschelnde Blätter selbst zusammenzucken, doch schließlich erreichte sie den weiträumigen Saal, in dem ein langsam verfallender Tisch stand.

An der Wand hingen zerschlissene Gemälde und die Bretter der ebenfalls gegen das Mauerwerk stehenden Regale waren schon lange heruntergefallen. Auch die großen Fenster des Raumes waren zerschlagen, doch auffällig wirkte nichts.

Natane versuchte sich zu entspannen. Weit und breit keine Geister, es gab keinen Grund so angespannt zu sein. Ja, nicht einmal Geistpokémon hatte sie bisher gesehen – wahrscheinlich weil diese am Tag sich lieber im Schatten aufhielten.

Sie atmete mehrmals tief durch, ehe sie einen spitzen Schrei ausstieß und instinktiv hinter Muskippa in Deckung ging.

Etwas hatte sich bewegt! Sie hatte es aus den Augenwinkeln gesehen.

Ein Rascheln erklang vom Boden und ein Schatten huschte über diesen hinweg. Doch als Natane genau hinsah, musste sie feststellen, dass auch dieser Schatten kein Gespenst war, sondern nur ein weiteres Pokémon.

Es war ein Bunyatto, das nun in der breiten Türöffnung zwischen Eingangshalle und Speisesaal inne hielt und sie misstrauisch ansah. Es hatte eine Beere, die es wahrscheinlich im Wald gefunden hatte im Maul.

Dann wandte es sich ab und lief zur Treppe, die es mühelos erklang.

Derweil blieb Natane mit klopfendem Herzen neben Muskippa im Speisesaal stehen.

Erst als sie sich langsam von dem Schreck erholte, kam sie darauf, dass es hier n der Gegend normal keine Bunyatto gab. Was machte das Pokémon hier?

Konnte es sein, dass dieses Bunyatto vielleicht etwas mit dem komischen Verhalten der anderen Pokémon zu tun hatte?

Sie seufzte. Nun, zumindest war das Bunyatto kein Geist.

„Komm, Muskippa“, meinte Natane so zu ihrem Pokémon, das neben ihr her schwebte, als sie sich auf dem Weg zur Treppe machte.

Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, da die Stufen brüchig erschienen, schlich sie die Treppe hinauf, die immer wieder knirschende Laute von sich gab.

Mit erneut rasendem Herzen kam die Arenaleiterin so schließlich auf der Galerie an und sah unsicher zwischen den drei von hier abgehenden Türen hin und her. Doch noch bevor sie sich Gedanken machen konnte, durch welche sie gehen sollte, hörte sie ein Geräusch.

Es war ein Stöhnen.

Beinahe hätte sie erneut aufgeschrien, doch dieses Mal riss sie sich zusammen.

Zitternd ging sie auf die mittlere der Türen zu, die, ähnlich wie die Eingangstür, nur noch lose in ihrem Rahmen hing. Durch sie kam man in einen Flur, der zu weiteren Zimmern führte.

„Muskippa.“ Sie sah sich zu ihrem Pokémon um, das sich sogleich bemühte zu ihr aufzuholen, ehe sie in den Flur trat.

Ein erneutes Stöhnen war zu hören, dieses Mal deutlicher. Es schien das schmerzerfüllte Stöhnen einer Frau zu sein. Dann hörten sie ein Maunzen, das wahrscheinlich zu Bunyatto gehörte und von einer Tür zur Natanes linker Seite kam.

Noch immer nervös und ängstlich ging die junge Frau auf die Tür zu, die, wenngleich vermodert, halb angelehnt war.

Mit zitternder Hand stieß sie sie auf und fand ein halb zerfallenes Schlafzimmer vor. Bücher lagen halb vermodert auf dem Boden, doch zumindest hier schien das Fenster unzerbrochen. Und obwohl das Bett am anderen Ende des Zimmers heruntergekommen und mitgenommen aussah, lang in ihr jemand.

Bunyatto saß auf der Bettkante und hatte sich in einer Art Besorgnis über die offenbar halbohnmächtige Gestalt gebeugt.

„Was...“, begann Natane und ging näher heran, um die Person im Bett besser erkennen zu können.

Es war eine rothaarige Frau und so, wie ihr Gesicht glühte, brauchte die Arenaleiterin es nicht einmal zu berühren, um zu wissen, dass sie hohes Fieber hatte.



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