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Morgen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Mal was anderes... Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich habe mir überlegt, ob Butterbrottot alleine veröffentlicht werden sollte, aber es hat doch etwas mit der Zukunft zu tun. Komplett anzeigen

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Böse Geister

Ein Brief. Warum? Es gibt keinen Grund für einen Brief.

Aber er liegt dort. Unschuldig. Die Stadt, das Amt, wahrscheinlich. Wer soll schon einen Brief schicken?

Ein Windstoß, das Fenster – gerade noch rechtzeitig. Es darf nicht zufallen, nie, nie… Böse Geister darf man nicht einsperren. Sie werden verrückt, verrücken alles, dich, Morgen. Nein, niemals.

Lass die Klinke los, stehe ihnen nicht im Weg. Zurück zur Tür.

Ein Brief. Der Brief. Aufheben? Nicht? Ja, doch? Es könnte das Haus sein. Sie wollen neue Leitungen verlegen. Nein. Warum sollten sie. Wollen wissen, ob ich noch lebe. Ja. Ich lebe. Sie hätten jemanden geschickt. Kein Grund, einen Brief zu schicken.

Aufheben? Aufheben. Schrift, schwarz, ein Name, eine Adresse. Jeder Ort hat eine Adresse. Dieser Ort hat eine Adresse. Du kannst nicht entkommen. Sie finden dich immer. Lass das Fenster auf, aber nicht die Tür. Bösen Geistern darf man nicht die Tür öffnen. Nie. Bist du denn wahnsinnig? Sie kommen und holen dich. Bleib von der Tür weg. Gibt es gute Geister an diesem Ort?

Hunger. Iss. Es gibt Essen. Lass los. Treppe runter, links, zweiter Raum, drittes Regal. Dosen. Dosen sind gut. Sie bleiben. Du kannst dich auf sie verlassen. Sie bleiben. Alle verlassen dich. Habe ich alle verlassen?

Iss, solange sie bleiben. Auch Dosen halten nicht ewig. Du musst durchhalten, bis morgen. Morgen kommt, du musst nur daran glauben. Verzweifle nicht. Der Brief. Den Brief kannst du nachher öffnen. Wenn Morgen da ist.

Es ist dunkel, so dunkel. Ich bin dunkel. Die Geister sind dunkel. Morgen kommt. Da ist nichts übrig, in mir drin. Bleibt etwas, bis Morgen kommt? Warte, warte, warte, alles wird gut. Hell. Klar. Leuchtend. Strahlende Farben. Schön. Ein Wort, kein Bild. Hier ist kein Platz für ein Bild. So eng, zu eng, in meiner Brust. Atme. Morgen kommt.

Nach Luft schnappen, ein Geräusch. Stört es die bösen Geister? Frag die Geister. Sie werden nicht antworten, sie antworten nie. Nie, nie.

Aber sie kommen. Böse Geister, von überall her. Der Weg ist weit. Kein Weg ist zu weit für sie. Weit, weit weg, packen sie ihre Sachen. Und kommen. Wie ich. Aber der Weg war zu weit für mich. Ich bin nicht wie sie. Nichts wird dir bleiben, wenn du diesen Weg gehst. Ich bin schon da. Ich bin… gegangen.

Mitternacht. Hier ist Mitternacht. Dunkel, so dunkel. Eng, der Platz, für mich. Ich habe nicht mehr Platz. Mitternacht ist weit. Groß. Böse Geister sind gebunden. An Mitternacht. Sind frei. In Mitternacht. Lass das Fenster auf, das ist ihr Haus. Du bist nur zu Gast. Dosen, bis du gehst. Mit Morgen. Morgen kommt, morgen früh. Warte.

Sie kommen. Bitte, bitte. Alle anderen bösen Geister, alle, aber nicht sie. Nicht sie, bitte.

Wann endet die Nacht? Mitternacht ist mitten in der Nacht. Der Brief. Wie kommt ein Brief hierher? Woher? Wohin? Hier ist nichts. Nichts, hier bin nur ich. Ein Omen, ein böses Omen. Die Geister schicken Briefe. Öffne nicht. Lass ihn liegen. Halte das Fenster auf. Stehe ihnen nicht im Weg. Iss. Leg dich hin. Schlafe. Träume. Albträume. Schrei. Wach auf. Niemand hört dich. Stört es die Geister? Sie kommen. Du musst fliehen. Ich kann nicht. Müde, so müde. Dann bleib. Schlafe. Träume. Albträume. Tränen. Weine nicht. So eng, so eng. Du kannst ihnen nicht entkommen. Schlafe. Träume. Albträume. Starr. Kalt. Morgen wird alles Besser. Warte bis morgen. Und wenn Morgen nicht kommt? Wer soll schon kommen? Es gibt keinen Grund, zu kommen. Hier bin nur ich.
 

Starr. Kalt.

Pläne

„Kommst du mal bitte hierher!“

Ich habe nicht einmal die Tür geschlossen. Schweigend betrete ich die Küche.

„Wann hast du mit dem Tanzen angefangen?“

Wütende Augen. „Mit vier.“

„Wie oft trainierst du jede Woche?“

Jeden verdammten Tag! „Fünfmal die Woche.“

„Und was ist dein Ziel?“

'Weiß deine Mutter davon?', hat Herr Maar gefragt. Man könne doch am Elternsprechtag darüber reden.

„Du willst mir also nicht antworten. Mir hat es auch erst die Sprache verschlagen, als deine Trainerin angerufen hat. Du fehlst einfach eine ganze Woche und tust so, als wärest du krank? Antworte! Undankbares Balg. Weißt du, wie viele Tänzer gerne an deiner Stelle wären? Du hast eine große Zukunft vor dir. Aber dafür muss man arbeiten und nicht heimlich zum Karate gehen oder sich in Musikläden herumtreiben! Du hast wohl nicht gedacht, dass ich deine Freunde anrufe? Was denkst du denn, dass du dich einfach so benehmen kannst? Das ganze Geld, dass wir in dich investiert haben, zum Fenster rausschmeißen? Die Bewerbungen für Internate? Die ganze Fahrerei? All' die Mühe? Weißt du, was – Hey!

Es ist einfacher, als ich dachte. Einfach umdrehen und gehen, hat Maik gesagt. Es geht wirklich.

„Du wirst jetzt nicht gehen, Fräulein!“

Oh doch.

„Bleib stehen, hab' ich gesagt! Was machst du? Du glaubst dich wohl nicht, dass du in dein Zimmer -“

Leider habe ich keinen Schlüssel für mein Zimmer. Egal, meinte Julie, du packst einfach deine Sachen, ignorierst sie und verschwindest. Wenn es wirklich schlimm wird, dann verschwindest du einfach.

Klingt leichter, als es ist. Pack' mal deine Tasche, wenn deine hysterische Mutter neben dir steht und dir die Sachen aus der Hand nimmt. Das ist echt nicht zu empfehlen. Sie reisst mir die Tache aus der Hand. Also: Rucksack auf, alles rein, was reingeht, was in der Nähe liegt, zu machen und runtergehen. So macht man das, findet Lars.

'Versuchen sie, in einem ruhigen Moment mit ihrer Mutter zu reden.' Is' klar. Wenn die Psychotante wüsste, wie schwer das ist. Wie wird man eigentlich Schulpsychologin?

Ruhig ist hier jedenfalls nichts mehr. Wie denn auch. Meine Mutter greift zum Hörer. Mir egal, ich bin gleich an der Tür. Einfach durchgehen, Tür auf, raus, komm hierher. Komm zu deinen Freunden, schlägt Liv vor.
 

Ich drücke die Türklinke runter. Es riecht nach Essen. „Essen ist fertig!“, ruft sie schon. Ich stelle meine Tasche ab. Ich werde es so machen, da bin ich mir sicher. Aber nicht heute. Heute ist sie zu gut gelaunt. Morgen. Morgen mache ich es ganz bestimmt.

Ein letzter Notiz

DD.MM.XXXX
 

Ich bezweifle, dass ich Morgen noch sehen werde. Das Licht der Sonne ist für mich eine Erinnerung. Heute Nacht ist es soweit. Alle wissen es. Einige laufen noch verzweifelt herum und versuchen, irgendetwas zu tun. Andere sitzen nur da, apathisch, und warten. Wie Schlachtvieh.

Es ist Nacht, es sollte dunkel sein. Doch der Horizont ist ein einziges rotes Leuchten. Dort warten sie. Der Mensch lebt hunderttausend Jahre auf der Erde, entwickelt sich fort und erobert de Planeten, aber wenn wir es sehen, dann ist da nur noch ein uralter Instinkt. Feuer! Lauf!

Wir laufen nicht, wir bereiten uns auf das Ende vor. Seit wie vielen Wochen schon? 7, 8? Zeit hat keine Bedeutung mehr. Wir kamen hierher, weil auf den Plänen ein Bunker eingezeichnet war, mit Waffen von früher. Die hohen Anführer hielten es für eine gute Idee. Waffen, egal welche, konnten wir dringend gebrauchen. Unsere waren abgenutzt und wir hatten die Fabriken und Herstellungsanlagen verloren. Kezem kann man nicht einfach so herstellen. Keine Materialien, keine Herstellung, keine Waffen. So einfach ist das. Früher haben sie doch auch Schlachten gewonnen!

Was sie nicht bedacht hatten war, dass alte Waffen, nun ja, alt waren. Und schlecht hergestellt wurden. Früher haben sie Waffen aus Eisen gemacht. Eisen! Alles, was wir fanden, war ein Haufen Rost. Minderwertiges Zeug. Eisen ist schwerer und weicher als Kezem und geht viel schneller kaputt. Kein Chance, damit etwas gegen die Waffen der Feinde auszurichten.

Als sie ihren Fehler bemerkten, war es zu spät. Der Weg zurück – abgeschnitten. In Gebirge warteten ihre Verbündete. Wir hätten es sowieso nicht geschafft. Wir harren jetzt aus. Die Gläubigen werden gottlos, die Gottlosen gläubig. Wer Familie hat, versucht, die Zeit noch ein bisschen zu genießen. Der Rest genießt Chems. Sie haben sogar ein paar alte Flaschen im Bunker gefunden. Alkohol. Man muss mehr davon nehmen, es ist nicht so heftig wie Chems, aber das hat sie nicht gestört. Man kann es ihnen auch nicht übel nehmen. Sie haben gekämpft und gelitten für ein Ideal oder einfach nur für Geld und Ruhm, aber den Lohn werden sie nie erhalten.

Das Warten ist schlimmer als der Tod. Tod sein ist keine Empfindung, nicht gut, aber auch nicht schlecht. Warten ist in Erinnerungen schwelgen, solange man noch kann. Warten ist hoffen, das sich das Blatt wendet. Warten ist, diese Hoffnung aufzugeben. Warten ist wissen, das bald ein größeres Leid kommt und dann nichts. Warten ist Schmerz, Trauer, Verzweiflung, Wut, die man nicht rauslassen kann, ohne andere noch mehr zu verletzen. Warten ist Folter. Ein langsamer, erbarmungsloser Folter.

Ich habe mich schon längst damit abgefunden, meine Heimat nie wiederzusehen und nie wieder Blumen am Grab meiner Eltern niederzulegen. Zu viel ist passiert, zu viele sind gestorben. Erst Mutter, dann Vater, Daniel, Lizzie. Freunde, Verwandte, Mitstreiter. Krieger, die man nur flüchtig kannte, Anführer, denen man vertraute, Helfer, die an einen glaubten. Erschossen, ertrunken, verbrannt, zusammengebrochen und ihren Wunden erlegen. Mit ihnen starb eine Idee von Gemeinschaft und Freiheit. Das Lied der Hoffnung, unser Kampflied, verstummte.

Der Tod schockt einen, weil er plötzlich kommt. Unerwartet steht er vor dir und nimmt dir deine Liebsten. Aber ich mit ihm Tee getrunken. Ich kenne ihn. Ich habe keine Angst mehr.

Ich mache mir nur Sorgen um Hani. Sie ist noch so jung und muss Dinge verstehen und aushalten, die Erwachsene erdrücken. Ich habe versprochen, sie zu beschützen. Mutter hat mich darum gebeten, Vater hat mich darum angefleht. Ich kann meine kleine Schwester nicht beschützen. Es gibt Dinge, die machen dich machtlos, die zeigen dir den Unsinn deiner Existenz. Dieser Krieg ist so ein Ding. Egal wie sehr du dich anstrengst, dich gegen den Sturm auflehnst, irgendwann sitzt du nur noch apathisch da, wie die anderen.

'Die Dinge werden sich fügen', das war das letzte, was mein Anführer zu mir gesagt hat. Sie fügen sich. Hani wird sterben, ich werden sterben. Dem Leid ist ein Ende gesetzt. Ich habe keinem Anführer mehr, keine Freunde, nur Hani. Alles, was mir wichtig ist, wird morgen vorbei sein. Ich klammere mich an den Gedanken, dass es nicht ungeschehen sein wird. Unser Tod fügt sich ins große Ganze. Er hat Auswirkungen.

Ich hoffe, dass meine Notizen überleben. Vielleicht liest du sie gerade und bist am Ende angekommen, bei diesem Notiz. Vielleicht lebst du hundert Jahre nach mir. Meine Notizen waren für mich Tagebuch und Aufzeichnung. Erst Chronik des Sieges, dann Chronik des Untergangs. Du wirst wissen, dass meine Eltern und Daniel und Lizzie und Hani und mein Anführer und all die anderen gelebt haben. Dann haben sie ein zweites Leben. Ich hoffe das so sehr.

Disneyland

Weißt du noch, wie du mir versprochen hast, nach Disneyland zu fahren? Du hast es mir versprochen!

Wir waren nie dort.
 

Du hast gesagt, wir würden glücklich sein. Wir würden ein Haus bauen und eine Familie gründen. Egal wo. Eine Karte an die Wand hängen, einen Dartpfeil werfen, dann würden wir dorthin ziehen, wo der Pfeil landet.

Geld? Geld regiert die Welt. Wir leben auf einer Wolke, hast du gesagt, uns regiert es nicht. Deine Eltern, meine Eltern, jemand würde uns etwas leihen. Natürlich. Das haben sie auch.

Dem Pfeil folgen. Das Herz weiß, wohin es will, es steuert die Hand; wir werden immer am richtigen Ort sein. Aber weiß das Herz, dass es für zwei Leben wählt? Wenn sie im Einklang schlagen, dann macht das keinen Unterschied, hast du gesagt. Und wenn nicht? Und wenn das Herz dich in die Ferne schickt? Dann geht einer vor und der andere kommt nach. Arbeit, Arbeit gibt es überall.

Also geht der eine, und der andere wartet. Tage, Wochen, ein Jahr. Wusste das Herz, was es tat? Getrennte Herzen sind leicht aus dem Takt zu bringen. Die Welt hat einen eigenen Puls, sie schlägt dir dazwischen. Ein falscher Tritt, du erschrickst, dein Herz setzt einen Moment aus, nur einen, aber einen zu viel. Und sie schlagen aneinander vorbei.

Einer kehrt zurück. Arbeit, Arbeit gibt es nicht überall. Dann also zusammen weiter dem Pfeil folgen, ein neuer Wurf, eine neue Zukunft. Nimm eine kleinere Karte. Du zielst, wirfst, und wirfst am Ziel vorbei. Der Gleichtakt, er war nicht wiederhergestellt. Das braucht Zeit, sagst du. Wir haben alle Zeit der Welt. Wann sind wir zur Welt zurückgekehrt?

Es wird besser, sagst du. Schritt für Schritt, gemeinsam, sie synchronisieren sich wieder. Wir mieten eine Wohnung, kaufen ein Auto.Und noch ein Schritt, noch einer, dann ein falscher. Nochmal von vorne. Das braucht Zeit. Eine Auszeit, vielleicht? Wo wolltest du schon immer mal hin? Nach Disneyland? Also fahren wir gemeinsam mit dem Auto los. Und jetzt liegst du hier und sie sagen mir, dass es vorbei ist, dass sie nichts mehr für dich tun können. Da ist kein Herz mehr, das meinen Herzschlag teilt. Wir werden nie ankommen. Das ist nicht fair.

Grau

Was für eine Farbe willst du sein? Alle Dinge haben Farben. Das Gras ist grün, das Haus dort drüben blau, wie 'E'. 'F' ist gelborange, knallgelb ist die 2. Es gibt nichts ohne Farbe. Aber wenn du jemanden fragst, 'Was für eine Farbe willst du sein?, dann versteht er dich nicht. Die Meisten sind viel zu beschäftigt damit, Wohnungen und Anzüge und Autos zu zeichnen, und vergessen die Farbe. Ohne Stift kannst du aber nicht zeichnen, also nehmen sie irgendeinen. Dann wundern sie sich, weil ihre Zeichnung ihnen nicht gefällt.

Das Problem ist, das viele Leute bunt träumen. Aber Träume funktionieren anders. In Träumen ist alles umgekehrt, weil alle Farben Licht sind. Deshalb werden die, die von allem ein bisschen sind, in Träumen weiß. Deshalb muss man ganz genau überlegen, wie man sich seine Wunschfarbe mischt.

Manchmal versuche ich, es ihnen zu erklären. Was für eine Farbe bist du? Gelb kann nicht einfach Blau werden. Aber es kann Grün werden. Oder Orange, das ist weniger Arbeit. Es gibt so viele schöne Farben, aber weil die meisten sich nicht richtig entscheiden, sind viele ein mattes Mischmasch, eine graue Masse. Du kannst nur leuchten, wenn du dich entscheidest. Grün? Lila? Rot? Oder lieber Beige?

Du darfst auch mischen. Du kannst ein leuchtendes Blaugrün werden oder ein strahlendes Rotorange. Du kannst zwischen verschiedenen Nuancen wählen: Hellblau? Saphirblau? Cyan?

Weiß ist ganz selten. Kaum einer kann Weiß sein. Dafür musst du dich entscheiden, du kannst nicht Mischmaschweiß sein.

Einige werden sauer, weil ihnen ihre Wohnungen und Autos und Anzüge nicht gefallen. Häufig fällt ihnen gar nicht auf, was sie so daran stört. Dann malen sie noch eine Schicht drüber und noch eine, und dann ist der Ton ganz dunkel und sie können die Farbe kaum noch ändern. Einige aber malen mit einer neuen Farbe drüber oder malen etwas ganz anderes, neues. Manchmal neben die alte Zeichnung, manchmal auf ein neues Papier.

Es gibt Leute, die sind traurig, weil ihre Farbe so dunkel geworden ist. Vielleicht waren sie einmal glücklich, und dann haben sie einfach weiter gemalt, ohne zu merken, was sie tun. Dann versuchen sie, ein paar Schichten abzukratzen, bis sie wieder einen hellen Ton haben. Und dann malen sie mit einer anderen Farbe weiter. Manchmal sind sie aber einfach zufrieden und lassen es so.

Es gibt auch Leute, die sind sauer. Aber sie wissen immer noch nicht, warum. Und sie malen und malen, manchmal sogar mit anderen Farben, bis sie Schwarz sind. Keine der Farben leuchtet, es ist nur ein riesiges Mischmasch. Sind sind alles, außer glücklich.

Es gibt auch Leute, die wollen Schwarz sein. Die sind dann von allem ein bisschen, aber sie leuchten. Das ist auch ok, denke ich.

Ich wäre gerne Grau. Dann wäre ich von allem ein bisschen, aber nicht zu viel. Dann kann ich immer wechseln. Grau wie der Himmel nach einem Sonnenuntergang. Ich glaube, damit wäre ich ganz zufrieden.

Und was für eine Farbe willst du sein?

Schneeregen

Die filigranen Äste bogen sich unter ihrer Last. Hier und da entzog sich einer seiner Unterdrückung und warf die Schneedecke ab, welche sich sogleich pulvrig auf den Boden warf, ohne eine Spur der Eleganz und Leichtigkeit, mit der eine Schneeflocke ihrem Ziele entgegen zu tanzen vermag.

Sie streckte ihre Hand aus und ließ den Schnee durch ihre Finger rieseln. Winter, das war die Jahreszeit, in der man Märchen sah. Kein Wunder, dass so viele von ihnen im Winter spielten. Alles war weiß und weich und eben, wer auch immer vorbeikam, er musste Spuren hinterlassen. Schnee bedeckte die Narben des Herbstes, aber er ließ sich auch formen, wie -

„Hey!“ Er lachte. „Das ist nicht lustig, du...“ Sie befreite ihre Haare vom Schnee und musste schon wieder lächeln. „Ich dachte mir, du könntest das vertragen, bevor du mir noch festfrierst.“, sagte er und nahm sie an der Hand. „Idiot.“ murmelte sie leise. „Bitte?“ Sie knuffte ihn. „Nichts.“

Sie gingen weiter. „So schlimm wäre das auch gar nicht.“ „Mm?“ „Wenn du hier festfrieren würdest. Du würdest hierbleiben und ich könnte dir jeden Tag Essen bringen. Dann würde ich dir für den Rest des Tages Gesellschaft leisten und nachts kannst du dich mit der Landschaft beschäftigen.“ „Das wäre bestimmt kalt.“, warf sie ein. „Ach was, das stört dich doch nicht. Schnee isoliert!“ rief er aus und lächelte schon wieder. Sie würde alles dafür tun, dass er einfach weiter lächeln würde. Er bemerkte ihren Blick. „Hey. Von mir aus darfst du hierbleiben!“ Aber er hatte schon aufgehört, zu lächeln.

„Du weißt ganz genau, warum das nicht geht.“ Sie war sauer, auf sich selbst. Er konnte doch nichts dafür, dass sie morgen nachhause fliegen musste. Aber die Uni konnte sie nicht vernachlässigen. Ohne Bachelor keinen Master. Erst da würden sie wieder zusammen sein. Warum musste sie ihm Vorwürfe machen?!

Eine Weile lang sprach niemand. Sie wollte etwas sagen, sich entschuldigen oder das Thema wechseln, aber sie wusste nicht wie. Wieder war er es, der die Stille brach. „Schau!“ sagte er und zeigte auf ein Eichhörnchen, welches offenbar nicht viel vom Winterschlaf hielt. Schnee fiel herab, als es die Zweige hinauf turnte zu einer Höhle. Er wusste, wie sehr sie den Winter liebte. Sie konnte sich für Stunden im Schnee verlieren; jahrelang könne sie im Tiefschnee herumliegen, meinte er einmal, wenn nicht irgendjemand über sie stolpern würde. Aber heute, jetzt und hier, konnte er ihre Gedanken nicht zuschneien.

„Es dauert ja nur noch ein bisschen, dann sind wir fertig und gehen gemeinsam zur Uni. Den nächsten Winter verbringen wir auch zusammen. Wir werden nach den Vorlesungen über den verschneiten Campus spazieren und und Schneeballschlachten mit unseren Freunden machen und abends mit einer heißen Tasse Schokolade auf dem Sofa sitzen und aus dem Fenster schauen – oder auf dem Bett. Vielleicht haben wir kein Sofa, weil wir in einer winzigen WG leben. Ein Bett ist auch gut. Mit ganz vielen Decken und Kissen, weil wir an den Heizkosten sparen müssen und es kalt wird...“ Sie hatte erst jetzt bemerkt, dass er auf den Boden starrte. Fragend sah sie ihn an. „Was ist los?“ Er biss sich auf die Zunge. „Hey, was ist? Du kannst mir alles sagen, wenn irgendetwas -“

„Ich werde hier weiterstudieren.“

Sie starrte ihn an. „In meiner Heimatstadt.“, ergänzte er tonlos. „Meine Eltern müssen meiner Großmutter helfen, sie ist schwer krank, die Behandlungskosten, der Hauskredit, es geht einfach nicht… es tut mir leid.“

„Es… gibt Stipendien.“ - „Meine Noten sind zu schlecht. Ich bin abgerutscht, der ganze Stress...“

„Soviel kann das doch nicht kosten!“ - „Bei euch vielleicht nicht, hier schon.“

„Ich studiere hier?!“ Was für eine Schnapsidee.

„Ich helfe dir, ich...“ Flehend sah sie ihn an. „Du hast es versprochen.“ „ES GEHT NICHT, OK? ES TUT MIT LEID!“, schrie er und wendete sich ab.

„Ehm… hey, ich… ich meinte es nicht so.“ Sie fühlte sich hilflos und verwirrt. Das war alles nicht real, es konnte nicht wahr sein… Sie hatten soviel geplant. Nach der langen Fernbeziehung zusammenziehen, im gleichen Land leben… Vorbei die Zeit des Wartens und Vermissens, des Hoffens auf ein Treffen in den nächsten Semesterferien, zusätzliche Jobs, damit es wenigstens in den nächsten Ferien für den Flug reichte...Alle hatten gesagt, dass sie scheitern würden. Zu jung, zu unreif, das würde nicht klappen. Sie waren eine Ausnahme. Und jetzt? Schnee von gestern.

„Ich will das doch auch nicht.“ Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, aber sie wusste, dass er Tränen in den Augen hatte. „Ich weiß.“

„Willst du dich...“ Er machte eine Pause und drehte sich um. „Was?“ fragte sie. „...dich trennen?“ Als sie nicht antwortete, überlegte er laut: „Wir könnten weitermachen. Wenn wir Glück haben, können wir uns in den nächsten Semesterferien sehen. Vielleicht müssen wir aber auch arbeiten und lernen. Wir würden uns nochmal zwei Jahre lang nicht sehen. Wir könnten in verschiedenen Ländern arbeiten und nie zusammenziehen. Wahrscheinlich verliebt sich einer von uns beiden neu, hoffentlich dann auch der andere… Geschenke als Paket, Schluss machen übers Telefon.“ Er lachte kurz auf. „Die Post verdient gut an uns.“ Es klang bitter. „Vielleicht sollten wir ihr das gönnen.“ „Vielleicht auch nicht.“

Schweigend standen sie da und vermieden es, sich in die Augen zu schauen. „Ich liebe dich.“, flüsterte sie, es schmerzte. Jetzt hob er doch den Blick und sie wusste, dass er das Gleiche fühlte. „Und was machen wir jetzt?“ fragte er fast schon sanft.

Butterbrottot

Ein trostloser Gerichtssaal. Auf einem Podest sitzt der Richter, vor ihm steht der Angeklagte. An den Seiten Staatsanwalt und Verteidiger.

Richter: Ich fasse zusammen: Der Angeklagte gesteht, sich dem Opfer am Sonnabend um etwa 20.25 Uhr in den Weg gestellt und es anschließend mit einem Holzscheit erschlagen zu haben. Er kannte das Opfer nicht. Um 20.46 meldete er sich bei der örtlichen Polizeiwache und zeigte sich an. Sind diese Angaben richtig und vollständig?

Angeklagter: Nein. Sie aß ein Butterbrot, ich habe es später aufgegessen.

Richter: Nun gut.

Angeklagter: Ich wollte das Butterbrot essen.

Richter: Dann bitte ich den Staatsanwalt um eine Einschätzung.

Staatsanwalt (räuspert sich): Angesichts des Motivs kann man die Tat einen Raubmord nennen. Der Angeklagte hat aus Habgier gemordet, wobei der geringe materielle Wert und die Haltung des Angeklagten auch auf Mordlust hindeuten. Er hat sich das Opfer nur aufgrund eines zufälligen Merkmales ausgesucht. Der Angeklagte steckt nicht in einer finanziellen Notlage und hatte Geld dabei, weshalb er keinen Grund hatte, für ein Butterbrot zu töten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, das niedere Beweggründe und damit Mordmerkmale vorliegen.

Richter: Hat der Angeklagte etwas zu seiner Verteidigung vorzubringen?

Angeklagter: Ich wollte das Butterbrot nicht haben.

Richter: Warum haben sie das Opfer dann aufgrund des Butterbrotes getötet und das Butterbrot gegessen?

Angeklagter: Ich wollte es nicht haben. Ich wollte es essen. Es gehört ihr. Ich habe keinen Grund, ein Butterbrot zu besitzen.

Richter: Warum haben Sie sich kein eigenes Butterbrot gekauft, wenn sie Hunger hatten?

Angeklagter: Ich hatte keinen Hunger, ich habe kurz vorher gegessen. Ich habe keinen Grund, ein eigenes Butterbrot zu besitzen. Ich wollte es nur essen.

Richter (entgeistert): Verstehe ich Sie richtig: Sie hatten keinen Hunger und wollten kein Butterbrot, aber sie wollten eins essen und haben deshalb getötet?!

Angeklagter: Nein. Sie kam einfach vorbei und ich habe sie getötet. Dann habe ich das Butterbrot gesehen und wollte es essen. Dann habe ich es gegessen.

Richter: Warum haben Sie sie dann getötet?

Angeklagter: Weil sie zur Zeit am Ort war. Und ich zur Zeit am Ort war. Und der Holzscheit zur Zeit am Ort war, wie das Butterbrot. Es hat gepasst.

Richter: Sie gestehen also, dass sie aus Lust am Mord getötet haben?

Angeklagter: Nein.

Richter: Aber?

Angeklagter: Ich wollte es nicht.

Richter: Sie wollten sie nicht töten?

Angeklagter: Nein. Ich wollte sie nicht töten, ich wollte sie auch nicht nicht töten. Ich habe sie getötet. Sie hatte ein Butterbrot in der Hand. Ich habe das Butterbrot zu essen gewollt. Ich habe das Butterbrot gegessen. Ich hatte keinen Verlangen und kein fehlendes Verlangen nach ihrer Tötung.

Richter (genervt): Eins von beiden wird’s wohl sein.

Angeklagter: Wenn ich sage: „Die Straße war dunkel“, dann ist da nur diese Information. Ob ich es will oder nicht, ist nicht wesentlich, ich muss mir darüber keine Gedanken machen und nichts darüber aussagen. Es ist ein +1-1. Warum soll ich die Einsen nicht weglassen? Wenn ich sie aber weglasse, dann ist das kein Hinweis auf eine Eins oder keine Eins. Ich habe mir einfach darüber keine Gedanken gemacht, weiß es auch jetzt nicht, da ist nichts.

Richter (seufzt): Nun ja. Es hätte also jeden treffen können, der zur Zeit am Ort war?

Angeklagter: Nein. Nur sie war zur Zeit am Ort. Es gab niemand anderen.

Richter: Aber sie hätten zu einer anderen Zeit am gleichen Ort jemanden töten können. Es wäre ihnen egal gewesen.

Angeklagter: Alles in ihrem Leben hat auf diesen Moment hingeführt. Alles in meinem Leben hat auf diesen Moment hingeführt. Viele, viele Menschen waren daran beteiligt, dass der Holzscheit zur Zeit am Ort war. Das Gleiche gilt für das Butterbrot. Wäre Cäsar als Kind gestorben, dann wären viele Kettenhandlungen anders gelaufen, Kriege wären anders ausgegangen und Menschen wären nicht umgezogen, hätten sich nicht getroffen und keine Familien gegründet, hätten sich anders verhalten und wir würden hier nicht sitzen. Sie können sie nicht austauschen. Es gibt keine Person, die ihren Platz hätte einnehmen können.
 

Richter und Staatsanwalt wechseln Blicke. Beide schauen den Verteidiger an, der nicht aufschaut und Akten ließt.
 

Richter: Mir scheint, Sie verstehen das Prinzip nicht…Unabhängig von historischen Ereignissen, hätten Sie auch eine andere Person umgebracht, einen Mann oder eine andere Frau, wenn Sie ihnen dort begegnet wäre?

Angeklagter: Wäre dann auch ein Holzscheit dort an der Ecke gewesen?

Richter: Ja.

Angeklagter: Und ein Butterbrot?

Richter: Das ist nicht auszuschließen.

Angeklagter: Aber Sie wissen es nicht?

Richter: Das Butterbrot ist, wie Sie schon sagten, scheinbar nicht relevant.

Angeklagter: Aber es war da.

Richter (aufgebracht): Da war ziemlich viel. Am Ende sogar eine Leiche! Können Sie mir das erklären? Ich denke schon, denn Sie wurden als verhandlungsfähig eingestuft. Also hören sie mit den Spielchen auf und helfen sie uns, diesen Fall aufzuklären. Sie haben einem Menschen sein Leben genommen, seiner Zukunft beraubt! Wissen Sie, wie alt die Frau war? Sie hatte noch ein langes, ereignisreiches Leben vor sich. Aber Sie beenden das alles einfach so, zerstören überdies noch ihr eigenes Leben, gestehen alles und nichts und vergeuden unsere Zeit. Herrgott nochmal!

Angeklagter (ernst): Sie können nicht wissen, was gewesen wäre. Mehr noch, es ist stets falsch, denn es ist nicht gewesen. Was nicht gewesen ist, kann nicht gewesen werden und wird nie gewesen sein. Niemand konnte an ihrer Stelle sterben. Sie hatte niemals ein langes, ereignisreiches Leben vor sich, welches über den Moment der Tat hinausging. Ein Quantensprung, ausgelöst von Quantensprüngen, Quantensprünge auslösend. Da ist nichts, was nicht ist, denn was nicht ist, verursacht keine Spuren, ist nicht da, nicht bemerkbar. Ein Gedanke an etwas, was nicht ist, ist unmöglich, denn es ist Ursache des Gedankens und Gegenstand der Betrachtung. Wenn aber etwas ist, dann verursacht es Spuren und ist doch selbst eine Spur, denn es wurde angestoßen, verursacht. Jede Spur ist etwas, also stößt etwas etwas an, angestoßen von etwas, Quantensprünge, uns so wird etwas, etwas großes, etwas, das stetig wächst. Etwas, das gewachsen wurde. Anfang und Ende entziehen sich unserem Verstand, sind es doch Begriffe für eine festgelegte Einheit von Quantensprüngen, die Bestandteil von etwas sind. Ich springe, und ich bin nicht frei, ich war es nie, konnte es nie sein und werde es nie. Aber ich bin nicht unfrei, weil ich mir einen anderen Zustand nicht denken kann, also ist das Wort „frei“ eine Farce.

Richter (erschöpft und verwirrt): Worauf plädieren Sie?

Angeklagter: Wohin hat die Geschichte geführt?

Staatsanwalt: Sie meinen, was auf ihre Tat laut Gesetzbuch steht? Es gibt Mord und Totschlag.

Angeklagter: Ich sehe, sie beginnen, mich zu verstehen.

Richter: Dann bliebe noch einer. Herr Staatsanwalt?

Staatsanwalt: Als abschreckendes Beispiel?

Richter: Gut.

Geburtstag

Frustriert ging er in sein Zimmer. Er hatte morgen Geburtstag, aber länger aufbleiben durfte er trotzdem nicht. Es war ungerecht! Alle seine Freunde durften vor ihrem Geburtstag länger aufbleiben! Er wollte sich gerade bei Lilly darüber beschweren, aber seine Zwillingsschwester saß in ihren Gedanken versunken vor dem Fenster und starrte in die Nacht.

„Was tust du da?“ „Sterne beobachten.“, murmelte sie kaum hörbar. „Was besonderes? „Nein.“

Er wusste, dass es ihr egal war, wann sie ins Bett mussten. Dann würde er eben einfach so lange aufbleiben, wie er wollte! Daran konnten sie ihn schließlich nicht hindern. Er setzte sich auf sein Bett, nahm sein Buch in die Hand und begann zu lesen. Der Held musste gerade eine wichtige Mission im Drachenreich beenden, und zwar ohne gesehen zu werden. Unglaublich schwierig, schließlich können Drachen Menschen riechen! Aber er hatte sie überlistet, indem er -

„Hast du dir schon mal überlegt, was passiert, wenn man von was richtig, richtig hohen runterspringt?“, fragte Lilly plötzlich.

„Wie was?“

„Wie ein Dach zum Beispiel.“

„Ist doch klar! Dann knallt man auch den Boden und bumm, ist man platt. Wie ein Pfannkuchen.“

„Nein, ich meine: Merkt man da was?“

„Du meinst, ob das wehtut? Oliver hat gesagt, als er letztens von Baum gefallen ist, da hat das kurz weh getan, und dann war er ohnmächtig.“

„Ich frage mich, ob das sehr wehtut.“

Er schaute auf. „Keine Ahnung. Warum?“

Einen Moment lang sagte sie nichts. „Es muss doch… eigenartig sein. Wie Fliegen. Frei wie ein Vogel. Du guckst runter, die Welt ist ganz klein, und dann springst du. Und die Welt wird immer größer. Und dann ist Ende.“

„Dann bist du tot.“

„Ja.“

Er vertiefte sich wieder in sein Buch. Auf einmal fiel im ein, warum er eigentlich sauer war.

„Wir haben morgen Geburtstag“, fing er an.

„Ja.“

„Wir werden ein Jahr älter.“

„Es ist doch nur ein Tag. Ein Tag mehr.“

„Freust du dich denn gar nicht?“ Er war überrascht.

„Warum? Was ist daran so toll?“

„Wir sind ein Jahr älter!“ Er wusste nicht, was Lilly daran nicht verstand.

„Na und.“

„Ein Jahr älter! Wir können länger aufbleiben, ich werde älter als Nico sein, wir sind fast erwachsen! Das ist doch toll!“

„Ich finde es ehrlich gesagt langweilig.“

„Was?“

„Mama und Papa, Schule, Handball, das Ganze. Ich habe keine Lust mehr. Ich habe einfach keine Lust mehr.“

„Und was willst du sonst machen?“

„Ich weiß nicht. Vielleicht vom Dach springen.“

„Dann bist du tot!“

„Und? Ist doch auch egal. Dann hört das endlich auf.“

„Was hört auf?“, fragte er ungläubig.

„Alles. Alles würde aufhören.“

„Du spinnst!“

Sie seufzte. „Verspricht du, Mama und Papa nichts zu sagen?“

„Was soll ich ihnen denn sagen? Dass du spinnst? Als ob.“

„Danke.“

Sie stand auf, ging zu ihrem Bett und legte sich hin. „Gute Nacht.“ Sie antwortete nicht.

Irgendwo

Zügig ging die junge Frau durch die Straßen. Es war schon dunkel, aber immer noch herrschte ein geselliges Treiben, welches sie beobachte, ohne zu interagieren. Sie war ein Teil hiervon, eine Bewohnerin dieses Viertels, welches zwar etwas heruntergekommen war, aber dennoch seinen ganz eigenen Charme besaß. Aber gleichzeitig war sie eine Fremde. Keine Touristin, dafür wohnte sie schon zu lange hier, sie hatte nichts mit den Touristen zu tun. Auch keine Reisende, sie verspürte keinen Wunsch, die Welt zu bereisen. Sie wollte nur hier wohnen und arbeiten, eine Bewohnerin sein. Keine Einheimische, das würde sie nie werden. Sie sprach die eine Sprache, aber nicht den Dialekt. Ganz zu schweigen von der anderen Sprache, die sie durchaus erlernte, was eine Seltenheit war für eine Fremde, aber ihre fehlte die Übung. Zu oft wich man auf die eine Sprache aus.

Sie hatte auch keine Familie hier, keine Freunde. Sie kannte die Nachbarn vom Sehen, ein paar Mitschüler der Sprachschule, welche sie ab und zu besuchte, wenn gerade wieder passende Kurse angeboten wurden, ein paar Arbeitskollegen, mit welchen sie ein, zwei Mal etwas unternommen hatte. Aber das hielt nie lang. Sie isolierte sich bewusst. Sie hing in einer Art …Zwischenleben? Konnte man es so nennen, das Leben zwischen einem alten und einem neuen Leben? Sie war froh, dass das alte vorbei war, das neue kümmerte sie nicht. Noch konnte sie hier bleiben, hatte keinen Grund, zu gehen. Sie war glücklich, nicht einsam oder himmelhochjauchzend. Es war eine innere Zufriedenheit, alles zu haben, was sie brauchte, und nichts zu haben, dass sie störte.

Sie lief die wenigen Stufen zur Haustür hoch, am Briefkasten vorbei, der natürlich leer war. Sie erwartete keine Briefe, aber heute würde sie selbst einen Schreiben. Die Treppe hoch, an den anderen Wohnungen vorbei zur ihrer eigenen, überlegte sie sich, was sie heute kochen wollte, ob sie alles da hatte, ob Überweisungen anstanden oder Termine. Die Wohnung war klein und teuer, aber nicht zu teuer. Die Kosten hier waren hoch, aber sie lebte nicht von ihren Ersparnissen.

Sie kochte, und während sie das tat, verstummten ihre Gedanken. Es machte sie glücklich, und als sie gegessen und wieder aufgeräumt hatte, setzte sie sich in bester Laune an den kleinen Tisch, um zu schreiben. Es machte sie nachdenklich, aber sie wollte sich nicht mehr davon ablenken und verschieben, was getan werden musste. Es ging einfach, einfacher, als sie erwartet hatte, aber irgendwie hatte sie auch schon erwartet, dass es so sein würde. Eine Unterschrift, und der Brief kam in den Umschlag. Morgen würde sie noch Briefmarken kaufen müssen, dann würde sie ihn abschicken. Sie lächelte, stand auf und sah aus dem Fenster. Es war schön hier. Zuhause.

Als sie sich schlafen legte, fuhr ein Zug vorbei. Das Haus stand direkt an den Gleisen, und das Viertel selbst war belebt, es war immer laut. Andere mochte das stören, aber sie liebte die Geräusche. Sie schlief stets tief, wachte zufrieden auf und machte sich wieder daran, das Beste aus den Tag zu holen. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie jeden Tag das Gefühl hatte, etwas geschafft zu haben. Sie hatte keine Zukunft, weil es noch keine Zukunft gab. Morgen war nur ein weiterer Tag. Und sie würde das Beste daraus machen. Oder, besser, ich würde meine Zukunft selbst schreiben? Keine Ahnung. Manch einer würde mich wahnsinnig nennen, wenn er wüsste, dass ich über mein Leben stets aus der dritten Perspektive nachdenke, einen Roman schreibe mit mir als Hauptperson. Aber bin ich das nicht? Die Hauptperson meiner eigenen Geschichte?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich muss mal schauen, wann ich weiter schreibe, denn morgen enden die Ferien! Yaaa- Nein, sagt Grumpy Cat. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (13)
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Von: abgemeldet
2016-04-22T16:50:58+00:00 22.04.2016 18:50
Beim Lesen dieses Kapitels habe ich mich an deine Sammlung von Drabbles erinnert, die auch in so kurzen Sätzen geschrieben sind. Und ich finde das richtig eindrucksvoll dargestellt, weil hier die Hektik sehr deutlich rüberkommt und mich auch irgendwie angesteckt hat XD

Auf der anderen Seite finde ich persönlich, dass es zum Schluss etwas anstrengend war, weiterzulesen, weil ich mich irgendwann nach einem langen Satz gesehnt habe. Diese Form der Veranschaulichung von Gedankengängen liegt dir sehr, glaube ich, aber mir persönlich war das Kapitel mit alleine dieser Darstellungsform etwas zu lang.

Alles in allem wieder sehr eindrucksvoll und einzigartig, finde ich. Ich habe jedenfalls diesen Schreibstil noch bei keinem anderen gesehen, als bei dir. Weiter so! :)
Von:  Phase
2016-02-11T11:58:47+00:00 11.02.2016 12:58
Auch diese Story ist beklemmend. So einfach du die Szene in Worte fast, so eindrucksvoll ist sie doch in dem, was geschieht, bzw. was sie aussagt.
Am Anfang scheint die Szene so friedlich und normal - der Geburtstag steht an und eigentlich ist die Welt in Ordnung. Eigentlich.
Ich mag es, wie du Lillys Verhalten darstellst, wie sie auf die Kommentare seines Bruders reagiert - wenngleich das Geschehen in sich ziemlich tragisch ist. Denn was Lilly da äußert, ist besorgniserregend, wenngleich ihr Bruder es auf die leichte Schulter zu nehmen scheint...
Die Geschichte ist toll geschrieben, du hast einen einnehmenden und flüssig zu lesenden Schreibstil. Man kann sich prima in die Figuren hineinversetzen. Eine gelungene Arbeit!
Von:  Phase
2016-02-11T11:25:27+00:00 11.02.2016 12:25
Die Gerichtsverhandlung ist sehr sehr gut geschrieben - die Rollen sind nachvollziehbar gezeichnet und die Szene durch die Dialogform präzise auf den Punkt erzählt.
Was ich am eindrucksvollsten finde, ist jedoch die Tatsache, wie die Verhandlung abläuft. Der Angeklagte und seine Ausführungen sind sehr gut durchdacht und schön dargestellt (wobei ich zugeben muss, dass seine Logik und meine Wertevorstellungen nicht zusammen passen). Die gezielten Nachfragen des Richters legen hierbei wunderbar die Denkstruktur dea Angeklagten in Bezug auf diesen Fall frei.
Eine beeindruckende Geschichte, wenngleich mich der Angeklagte mit seinen Ansichten kirre machen würde... :)
Von:  KradNibeid
2016-01-21T20:37:20+00:00 21.01.2016 21:37
Eine bedrückend-schöne Geschichte, die du hier verfasst hast.

Damit ich nichts durcheinander bringe fange ich mit dein bisschen formaler Kritik an, dann komme ich zu dem, was ich an der Geschichte inhaltlich toll finde! :D

Formal ist mir aufgefallen, dass du bei wörtlicher Rede immer einen Punkt machst, wenn es danach mit einem Komma weitergeht. "So.", meine ich. Grammatikalisch korrekt ist es aber "So", wie ich selbst vor ein paar Jahren festgestellt habe. *hust*
Ganz am Anfang war mir außerdem nicht ganz klar, wer wann spricht; erst im weiteren Verlauf wurde dann klar, wie die Szene aufgebaut ist. Hier ein bisschen mehr Klarheit wäre von Beginn an schön.


Inhaltlich gefällt mir die Geschichte wirklich sehr!
Am Anfang gelingt es dir gut, Stimmung aufzubauen. Man fühlt sich richtig geborgen in dieser perfekten, kleinen Winterwelt der beiden und genießt mit ihnen den Nachmittag. Das Gespräch beginnt auch passend dazu - beide sind gut gelaunt und fröhlich, und dann... ja dann.

Erst fühlt man sich, als wäre es einfach nur traurig, dass sie gehen muss, aber hey, passiert, da kommt man schon drüber weg. Sie kommt ja wieder. Aber dann die Wendung am Ende - unerwartet, und bitter.
Ich muss ja gestehen, dass ich für die Beziehung der beiden keine Hoffnung habe - wenn ein Partner den Gedanken, Schluss zu machen, im Grunde schon akzeptiert hat, dann ist es schwer, den Karren noch aus dem Dreck zu holen.

Die Gefühle, die die Protagonistin hat, hast du dabei aber gut transportiert - man fühlt sich mit ihr beklommen, getroffen, verletzt, verzweifelt.
...und ich will ihren Freund schlagen. Nicht, weil er in dieser schwierigen Situation ist, sondern weil er den Schwanz einzieht. D:<

Eine wirklcih gelungene, schöne Geschichte!
Antwort von:  Flying-squirrel
23.01.2016 14:19
Ok... das sieht unglaublich falsch aus, also wird es wohl richtig sein. Ich werd's korrigieren.
Ich weiß nicht, ob ihr Reaktion ihn nicht auch ein wenig hoffnungsloser gemacht hat. Immerhin denkt er, dass sie Schluss machen möchte. Fernbeziehungen sind wahrscheinlich auch ziemlich anstrengend und belastend, vor allem, wenn die Entfernung wirklich groß ist und man sich nicht alle paar Monate sehen kann. Andererseits funktionierte ihre Beziehung bisher gut... Ich hatte überlegt, die Geschichte mit einer Entscheidung enden zu lassen, aber ich konnte mich nicht entscheiden xD
Danke für dein Kommentar!
Von:  Veku
2016-01-20T13:34:41+00:00 20.01.2016 14:34
hi,

ich muss sagen, ich habe die Geschichte schon mehrmals gelesen und weiß nicht recht, wie ich kommentieren soll. Das ist nicht negativ gemeint, es liegt auch nicht an der Story selber, aber irgendwie... es ist schwierig, das in Worte zu fassen, was man während und nach dem Lesen empfindet.

Schön. Ein Wort, kein Bild. Hier ist kein Platz für ein Bild. So eng, zu eng, in meiner Brust. Atme. Morgen kommt.[/]

Eine Passage, die mir in der gesamten Geschichte am besten gefällt und bei mir den Eindruck hinterlässt, das sich der Charakter nicht nur mit negativen Dingen beschäftigt. Kurzzeitig gibt es eine Art Lichtblick. Bis auch der wieder von... ja, Angst verdrängt wird.

Sie kommen. Bitte, bitte. Alle anderen bösen Geister, alle, aber nicht sie. Nicht sie, bitte.

Obwohl man die ganze Zeit das Gefühl hat, als sei es die "bösen Geister" vor der sich dein Charakter fürchtet, scheint es ja doch noch jemanden speziellen zu geben, vor der die Angst am größten ist. Das bringt der ganzen Geschichte noch mal eine neue Dynamik.

Insgesamt finde ich es interessant, wie sich die Story lesen lässt. Die kurzen Sätze, teilweise nur einzelne Wörter zwischen den Punkten, geben ein beachtliches Tempo vor. Immer wieder wird man mit bösen Geister konfrontiert und kann geradezu mit leiden, bekommt ebenfalls Angst, was es bedeuten wird, wenn sie kommen. Einziger Lichtblick ist der nächste Tag. Ein wahrer Strohhalm. Obwohl man die ganze Zeit im Dunkeln gelassen wird, worum es eigentlich geht, kann man sofort die Gefühle verstehen.

Beeindruckend finde ich es auch, wie du es auf die 'kurze' Länge geschafft hast, eine nachvollziehbare Situation zu schaffen. Auch wenn ich es teilweise sehr sprunghaft fand hinsichtlich des Briefes und der Dosen. Es scheint zwar einerseits uninteressant und dann doch wieder so interessant, um sich damit kurzzeitig abzulenken. Dadurch misst man auch den Dingen am Rande eine große Bedeutung zu.

Auf jeden Fall ein gelungenes Werk.

Antwort von:  Flying-squirrel
20.01.2016 15:27
Danke für dein Kommentar!
Zumindest versucht die Person, sich etwas Schönes vorzustellen... aber 'schön' ist für sie eben nur noch ein Wort, ihr fällt nichts dazu ein.
Es ist interessant, worauf verschiedene Leser achten :) Ja, sprunghaft ist die Person auf jeden Fall, da sie sich nicht gut auf etwas konzentrieren kann, wobei ich den Brief als Auslöser ansehen und denke, dass sie sich davon ablenken möchte und dann kurzzeitig andere Gedanken aufgreift, um dann wieder auf ihre Angst zurückzukommen. Der Brief ist die Person ja nur etwas abstraktes, gefährliches, etwas, das alte Narben aufreisst.
Von: abgemeldet
2016-01-19T17:59:25+00:00 19.01.2016 18:59
Also ist der Plan schon ziemlich ausgereift, wie es scheint. Dieses "Morgen mache ich es" kenne ich von mir selbst auch und ich finde, Du hast diesen Gedanken mit dem aufreibenden Absatz davor sehr gut und deutlich dargestellt! Auch der Dialog am Anfang fand ich ziemlich gut veranschaulicht.
Antwort von:  Flying-squirrel
19.01.2016 22:54
Danke für dein Kommentar :)
Von:  Pfirsichbluete
2016-01-15T09:24:46+00:00 15.01.2016 10:24
Liege ich richtig in der Annahme, dass es hier um eine Person mit multibler Persönlichkeitsstörung und paranoider Schizophrenie handelt? Alles, was man sieht - ein Brief, ein offenes Fenster, Dunkelheit - ist ein Grund für einen inneren Konflikt, der Charakter ist innerlich zerrissen und gleichzeitig doch eins. Es ist schwer zu beschreiben, wie sich die Stimme, die dieses Kapitel erzählt, und der Charakter, von dem wir selbst nur wenig hören, miteinander verhalten: Auf der einen Seite scheint sie sich zu kümmern, auf der anderen Seite treibt sie den Charakter weiter in die Enge.
Antwort von:  Flying-squirrel
16.01.2016 21:44
Danke für dein Kommentar!
Ich habe mir beim Schreiben keine Gedanken darüber gemacht, welche Krankheit das jetzt genau ist, aber ich würde auch in die Richtung gehen. Allerdings kenne ich mich weder mit Persönlichkeitsstörungen noch mit Schizophrenie sehr gut aus und kann deshalb nicht sagen, ob das jetzt richtig ist oder nicht.
Ich denke, dass die Stimme der Person gehört. Sie versucht natürlich, sich am Leben zu halten, ist aber traumatisiert und einfach nicht in der Lage dazu, sich selbst zu helfen. Da sie sich eben isoliert und auch keine Briefe beantwortet, wird ihr wahrscheinlich auch niemand helfen können. Das ist aber auch nur eine Interpretation...
Von: abgemeldet
2016-01-10T09:53:38+00:00 10.01.2016 10:53
Grün! Wie die Hoffnung! :D

Ich mag's, dass du den Leser direkt ansprichst. Gerade die Frage am Schluss ist super gemacht, denn man denkt ja sowieso schon drüber nach, was du mit dieser Metapher (ist es eine? Ich bin zu lang raus aus dem Stilmittel-Trott xD") aussagen willst - am Schluss forderst du dann auch noch direkt dazu auf, sodass man gar keine andere Wahl hat, als sich damit auseinander zu setzen. Das find ich super! So erreichst du den Leser auf jeden Fall =)

Ein paar kleinere Tippfehler haben sich eingeschlichen, aber nichts schlimmes. (Mir ist nur einer in Erinnerung geblieben.) Wie immer stilistisch gut. Ich find's immer noch schade, dass du nicht was längeres schreibst, auch wenn ich verstehen kann, wieso. Aber so ein One-Shot mit richtiger Handlung wär doch auch was? *lock* :D Im Ernst aber: ich finde du hast viel Potential und ich finde es schade, dass du es nicht komplett ausreizt. Vielleicht wäre es ja was für dich, eine Geschichte zu schreiben und kapitelweise online zu stellen? Dann würde dich das Feedback pro Kapitel motivieren weiter zu machen. ^^

Ansonsten gibt es nicht viel zu sagen. Ich grübel noch über die Farben und frag mich, ob grau wirklich so ne tolle Farbe wäre - denn mir ist grau viel zu trist. Ich würde eher hellere Farben gut finden. Aber schön fand ich, dass kaum jemand weiß sein kann - wer ist schon so rein und unschuldig, um das zu sein?
Antwort von:  Flying-squirrel
10.01.2016 21:13
Ja, das ist eine Metapher.
Ich habe meine Fanfiction damals auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und Feedback bekommen, aber ich wusste halt schon, was passiert... Ich habe mir überlegt, eine Fortsetzung zu Böse Geister oder Ein letzter Notiz zu schreiben, aber das macht dann wieder die Originale kaputt.
Vielleicht ergibt es sich mal, aber zurzeit fehlt es mir an Zeit und Ideen.
Von:  Ikeuchi_Aya
2016-01-06T20:38:56+00:00 06.01.2016 21:38
Während ich diese Geschichte las, musste ich schmunzeln.
Damals im Deutschunterricht bekamen wir "Fräulein Else" von Arthur Schnitzler vorgesetzt und ich habe es geliebt... auf gewisse Weise machte der Schreibstil beim Lesen verrückt. Man konnte die Zweifel spüren, die Skepsis, die Hoffnung, ... alles war gegeben und deswegen hatte ich auch ehrlich Freude, hier dabei zu sein. (Solltest du mal Langeweile haben: Kann dir die Else also nur empfehlen)
So viele Fragen, die auf einen einprasseln. Viele beschreibende Worte - entweder der Situation oder der eigenen Person.

Ich hatte zunächst aber auch den Eindruck, dass es ein Gespräch des Erzählers mit der Person sei - dann entwickelte es sich für mich zu der Art Selbstgespräch und ich fragte mich, ob die Person vielleicht nicht sogar sich selbst aus einer fremden Perspektive, von außen, sieht, und dann immer wieder zurück in ihren Körper schlüpft, um die Entscheidungen zu treffen bzw. auszuführen.
Antwort von:  Flying-squirrel
06.01.2016 22:13
Ich würde sagen, die Person ist psychisch schwer krank und redet mit sich selbst, um sich am Leben zu halten. Sie ist völlig verängstigt und nimmt ihre zweite, rationalere Stimme wahrscheinlich als zweite Person war. Aber das ist auch nur eine Interpretation...
Die Geschichte werd' ich mir mal angucken :)
Von: abgemeldet
2016-01-05T15:46:35+00:00 05.01.2016 16:46
Ach... dazu will ich eigentlich gar nichts sagen. Das Ende hat mich schwer getroffen, damit hatte ich nicht gerechnet - mit einer Trennung, ja, aber mit einem Todesfall? :/ Das find ich traurig, ich glaub ich bin da sehr empfindlich.

Wieder hast du es aber geschafft: am Anfang dachte ich noch, es ginge um was ganz anderes. Und dann führst du den Leser Stück für Stück an der Hand durch das Geschehen, bis du ihn am Schluss in den Abgrund schubst.... äähhh aufklärst meinte ich natürlich :P Der Aufbau ist auf jeden Fall sehr gut gelungen, wenn auch eben alles ein so trauriges Ende nimmt... *seufzt* Ich mag so traurige Geschichten nicht. Wenn sie gut geschrieben sind, dann bin ich immer niedergeschlagen danach xD"

Stilistisch wie immer einwandfrei.
Es bleibt eigentlich nur eine Frage offen: schreibst du auch mal was längeres? :> Ich mag zwar kurze Geschichten mehr, weil man die sehr leicht einfach mal dazwischenschieben kann (so wie jetzt gerade: grad gesehen, dass ein neues Kapitel da ist, gleich gelesen XD), aber ich glaube, dass dein Stil Potential hat für längere Sachen. (Und ich will dich für YUAL vorschlagen, jaja, ich denk nur eigennützig xD)
Antwort von:  Flying-squirrel
05.01.2016 16:59
Huch, das ging ja schnell.
Ich freue mich, das dir die Geschichten so gut gefallen, aber ich glaube, länger werden sie nicht. Ich habe irgendwann mal eine FF angefangen und bin bis Kapitel 3 gekommen. Dann langweilte mich meine Geschichte, weil ich ja schon wusste, was passieren wird. Bei diesen Kurzgeschichten erfahre ich das immer erst beim Schreiben. Wenn ich schon eine genauere Idee habe, dann habe ich sofort eine Schreibblockade. Und die Geschichten sind scheinbar immer so schnell auserzählt xD


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