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Love against all Reason

Liebe gegen jede Vernunft
von
Koautoren:  Linchen-86  Khaleesi26

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Mimi
 

Versuch dich zu beruhigen, Mimi. Er ist ein Idiot und er hat keine Ahnung. Gar keine.

„Lauf mir nicht hinterher“, fordere ich Tai auf, ohne dabei nach hinten zu blicken. Er geht mir so was von auf den Keks.

„Das hättest du wohl gern. Ich laufe doch nicht dir nach, ich will einfach frühstücken.“

„Auch das noch.“ Muss ich sein Gesicht also auch noch beim Frühstück ertragen. Ich würde ihn viel lieber ansehen, wenn er etwas netter wäre, denn hässlich ist er nicht – nur absolut nervtötend.

Ich gehe an den Bediensteten vorbei, die sich erst vor mir verbeugen, als ich raus auf die Terrasse trete und mir dann auch noch den Stuhl zurückziehen, damit ich mich setzen kann.

„Guten Morgen, mein Verlobter“, sage ich, setze mein süßestes Lächeln auf und sehe dabei zu Tai, der bei den Worten augenscheinlich kotzen könnte. Ist mir so was von egal.

„Guten Morgen, Mimi. Gut geschlafen?“, begrüßt mich Joe und legt seine Tageszeitung zur Seite.

„Geschlafen? Du hättest sie sehen müssen. Sie war halb tot. Und geschnarcht hat sie auch“, mischt sich Tai ein und nimmt ebenfalls Platz. Ich funkle ihn wütend an. Das mit dem Schnarchen stimmt doch gar nicht! Und dass er mir auf die Brüste geglotzt hat, verschweigt er natürlich.

„Ich habe einen ziemlichen Jetlag“, gestehe ich, als mir eine der Bediensteten Kaffee eingießt und eine große Platte Obst auf den Tisch stellt, mit allen köstlichen Früchten, die man sich nur vorstellen kann. Außerdem gibt es Croissants, Bagels, Marmelade – zumindest das Frühstück ist so gar nicht typisch japanisch, was ich sehr begrüße.

„Wow“, sage ich bewundernd. „An diesen ganzen Luxus muss ich mich erst noch gewöhnen. Man wird ja hier behandelt wie eine Königin.“

„Das bist du auch“, antwortet Joe. „Zumindest in diesem Haus.“

Ich sehe, wie Tai genervt die Augen verdreht, aber auch das ist mir egal. Ich habe soeben beschlossen, ihn einfach wie Luft zu behandeln.

„Ich wollte gerne mit dir gemeinsam frühstücken, bevor ich ins Krankenhaus fahren muss. Ich dachte, so können wir uns schon mal etwas näher kennenlernen.“

Ich nicke, als auch schon zwei weitere Gäste zu uns stoßen. Ich habe keine Ahnung wer das ist, aber der Mann sieht Joe ziemlich ähnlich.

„Hallo“, begrüßt er als aller erstes mich. „Du musst Mimi sein.“

„Das ist Jim, mein älterer Bruder. Und seine Frau Kaori“, stellt Joe die beiden vor. Ich stehe auf und verbeuge mich vor ihnen und sie tun es ebenfalls. Dann setzen sie sich mit uns an den großen, runden Tisch.

„Schön, euch kennenzulernen. Ich habe schon gehört, dass Joe noch einen älteren Bruder hat“, beginne ich das Gespräch und nehme einen Schluck von meinem Kaffee, der verboten gut schmeckt.

„Wir konnten es uns natürlich nicht entgehen lassen, dich persönlich kennenzulernen“, sagt Jim und nimmt sich einen Bagel. „Ich bin froh, dass endlich eine Frau darauf kommt, meinen kleinen Bruder zu heiraten. Sonst wäre er wohl bis in alle Ewigkeit mit seinem Beruf verheiratet.“

Ich lächle verlegen und greife nun ebenfalls nach einem Croissant. Gott, ich habe solch einen Hunger, dass ich den ganzen Tisch leer futtern könnte, aber ich halte mich zurück.

„Es ist nichts verkehrt daran ehrgeizig zu sein, ich finde das sehr attraktiv“, entgegne ich gelassen und schenke Joe ein Lächeln, der dankbar für diese Antwort aussieht. Er wirkt ein wenig angespannt, seit sein Bruder zu uns gestoßen ist, genauso wie Tai. Eben sagte er noch, er will frühstücken und jetzt rührt er nichts an und starrt nur in seinen Kaffee.

„Da hast du recht“, stimmt Kaori mir zu und mir fällt auf, wie hübsch sie ist. „Gehst du auch irgendeiner Berufung nach, Mimi?“

Ich nicke. „Ja, ich bin Visagistin.“

„Das ist doch kein richtiger Beruf“, murmelt Tai und meine Augen verengen sich sofort zu zwei schmalen Schlitzen. Will er mich hier vor allen fertig machen oder was?

„Das solltest du nicht sagen, Tai. Schließlich hast du am Set einige davon“, gibt Joe zu bedenken. Mein Interesse ist geweckt.

„Am Set? Bist du Schauspieler?“ Würde ja voll zu ihm passen.

„Stuntman“, brummt er und ich lache kurz auf.

„Stuntman? Ist das dein Ernst?“

„Was ist daran so witzig?“, entgegnet Tai gereizt, doch Joe schüttelt nur den Kopf.

„Ich habe ihm auch schon oft genug gesagt, dass dieser Job ihn noch irgendwann umbringen wird, aber er hört ja nicht auf mich.“

Tai winkt nur ab und lässt diese Aussage unkommentiert. Ich schaue zu Kaori.

„Welcher Arbeit gehst du nach, Kaori?“

Kurz scheint sie etwas irritiert über diese Frage zu sein. Sie sieht zu Jim und beide lachen.

„Gar keiner natürlich. Ich habe zwar Architektur studiert, aber als ich Jim geheiratet habe, habe ich den Job aufgegeben.“

Stutzig runzle ich die Stirn. Aber wieso?

Jim nimmt Kaoris Hand in seine und haucht ihr einen Kuss darauf. „Keine der Kido Frauen muss arbeiten. Sie hätten auch keine Zeit dafür. Sie organisieren die internen Familienangelegenheiten und ziehen die Kinder groß.“

Ich starre die beiden ungläubig an und mit einem Mal ist mir der Appetit vergangen. Hausfrau und Mutter? Das ist alles?

„Dann habt ihr also auch schon Kinder?“, frage ich. Kaum habe ich diese Frage ausgesprochen, verschluckt Tai sich an seinem Kaffee und hustet heftig. Kaori sieht kurz zu ihm rüber, während er sich auf die Brust klopft, dann lächelt sie mich an. „Nein, noch nicht.“

„Aber wir versuchen es schon länger“, fügt Jim hinzu, als Tai regelrecht von seinem Stuhl aufspringt.

„Ich muss mal telefonieren.“

Kaori sieht ihm hinterher, während Jim und Joe weiter frühstücken.

Bin ich die Einzige, der das gerade komisch vorkommt?

„Ich denke, Mimi muss sich erst noch daran gewöhnen, bald eine Ehefrau zu sein“, meint Joe plötzlich und reißt mich somit aus meinen Gedanken.

„Die Verlobung kam sehr plötzlich, aber ich habe das Gefühl, dass du gut in unsere Familie passt.“ Er lächelt mich an als würde er das tatsächlich glauben.

„Ich habe meinen Terminkalender gecheckt und leider stehen in nächster Zeit ein paar Termine an, die ich nicht verschieben kann. Unter anderem ein Ärztekongress, bei dem ich bald 3 Tage weg sein werde. Ich werde Tai versuchen lassen, das ein oder andere umzulegen, aber um ehrlich zu sein, werde ich viel beschäftigt sein.“

„Oh, in Ordnung“, antworte ich und versuche dabei nicht all zu enttäuscht zu klingen.

„Aber ich habe einen Vorschlag für dich“, fügt Joe noch hinzu, nachdem er seine Kaffeetasse gelehrt und abgestellt hat. Ein Bediensteter eilt sofort herbei und will ihm nachschenken, aber Joe schickt ihn mit einem „Nein danke, ich muss gleich los“ wieder weg.

„Was für einen Vorschlag?“, frage ich und lehne mich interessiert in seine Richtung.

„Wie du ja gestern gehört hast, hat mein Vater angeordnet, dass du dich mit den japanischen Gepflogenheiten vertraut machst.“

Angeordnet. Ist er hier der Kaiser oder was?

„Oh ja, Traditionen sind unserer Familie sehr wichtig“, sagt Jim und tupft sich den Mund mit einer Serviette ab. „Für Kaori war das damals zum Glück kein Problem. Sie kommt aus einer traditionell japanischen Familie, deren Stammbaum weit bis in die Kamakura-Dynastie zurück reicht.“

„Wow“, sage ich, obwohl ich keine Ahnung habe, was das bedeutet.

„Stimmt“, nickt Kaori. „Meine Familie hat um 1185 sogar für fast 150 Jahre Japan regiert. Mein voller Name lautet Kaori Minamoto. Jedenfalls bevor ich geheiratet habe.“

Okay. Jetzt staune ich doch nicht schlecht. Sie ist also so etwas wie eine Adelige. An sie werde ich niemals ran reichen.

„Wie auch immer“, unterbricht Joe die beiden, um wieder auf den Punkt zu kommen. „Da Kaori sich in unserer Familie inzwischen sehr gut auskennt, wird sie heute mit dir shoppen fahren.“

Ich grinse, weil ich an gestern zurückdenke und an mein mehr als knappes Outfit. „Wieso? Was ist denn mit meinen Sachen nicht in Ordnung?“, witzle ich und zum Glück versteht Joe den Wink mit dem Zaunpfahl und grinst ebenfalls.

„Tai wird euch beide begleiten. Und er wird dir in nächster Zeit auch etwas unter die Arme greifen und dich mit der japanischen Kultur vertraut machen.“

Mein Herz bleibt förmlich stehen.

Alles, nur das nicht!

„Ich denke, das wird nicht nötig sein“, winke ich lachend ab. „Ist nicht schlimm, wenn du keine Zeit hast. Ich kann mich auch selbst unterrichten. Ich kann mir ja ein Buch kaufen oder so. Keine Sorge Joe, ich komme schon klar.“

Oh Gott, hoffentlich kann ich das drohende Unheil noch abwenden.

Joe zieht eine Augenbraue in die Höhe und grinst dann breit.

„Nimm’s mir nicht übel, Mimi, aber du hast gestern vor meinen Eltern geniest und dann auch noch ein Taschentuch zum Naseputzen verlangt. Also glaube mir, wenn ich dir sage, dass du dringend Unterstützung brauchst.“

Kaori lacht herzhaft auf. „Das hast du gemacht, ehrlich? Wow, das ist echt mutig von dir, Mimi.“

„Allerdings. Ein Wunder, dass mein Vater dich nicht sofort rausgeschmissen hat. Ich habe es ein mal gewagt am Esstisch zu niesen, als ich 13 war und er hat mich sofort auf mein Zimmer geschickt und gesagt, ich soll über mein Benehmen nachdenken“, lacht nun auch Jim und plötzlich komme ich mir vor wie die letzte Idiotin. Ich hatte keine Ahnung, dass Niesen oder sich die Nase putzen nicht der Etikette entspricht.

„Mach dir bitte keine Gedanken darüber“, meint Joe jedoch nur und greift liebevoll nach meiner Hand. „Tai kann das. Besser als ich. Er ist mein Assistent und es ist sein Job dir zu helfen.“

Ich glaube, es ist eher sein Job mich fertig zu machen. Er war doch von Anfang an gegen diese Hochzeit, er sabotiert mich seit der ersten Sekunde. Ich glaube nicht, dass es gut ausgeht, wenn er ab jetzt jeden Tag um mich ist.

„Und ich hätte noch eine Bitte an dich“, fügt Joe noch hinzu, als wäre das mit Tai eh schon beschlossene Sache. Als hätte ich hier gar nichts zu melden.

„Ich werde für die nächsten 4 Monate hier einziehen. Glaub mir, wenn ich im Krankenhaus arbeite und auch noch in einem anderen Stadtteil wohne, würden wir uns bis zur Hochzeit nicht mehr zu Gesicht bekommen. Deshalb würde ich mir wünschen, dass wir jeden Abend gemeinsam essen. Einfach, um uns näher kennenzulernen. Was hältst du davon, Mimi?“

Ich zwinge mich zu einem Lächeln. „Eine schöne Idee.“

„Gut“, nickt Joe und sieht zufrieden aus. Ich bin es ganz und gar nicht. Und mein Croissant liegt immer noch unberührt vor mir.

Tai kommt wieder und sieht ganz geschäftig aus. „Joe, wenn du jetzt nicht losfährst, kommst du zu spät zu deinem ersten Termin“, sagt er, während er durch sein Smartphone scrollt.

„Ich bin schon so gut wie weg“, entgegnet Joe und steht auf. „Wir sehen uns heute Abend, Mimi.“ Er verbeugt sich höflich vor mir und zieht dann seine Kreditkarte aus seiner Sakkotasche, um sie Tai zu überreichen. „Du gehst mit Mimi und Kaori shoppen.“

Tai runzelt die Stirn und sieht zu Kaori. Offenbar wundert er sich darüber, dass sie auch mitkommt. Allerdings nimmt er es stillschweigend hin, während Kaori seinem Blick ausweicht.

Okay. Ich spüre hier eindeutig Vibes.

Ich weiß nur noch nicht, welche.
 

„Wo fahren wir hin?“, frage ich Tai, während wir in der Limousine sitzen und in die Stadt fahren. Tai sieht gelangweilt aus dem Fenster.

„Louis Vuitton, Gucci, Prada … sagt dir sicher was.“

Ich ziehe die Stirn kraus und schaue ebenfalls aus dem Fenster.

„So wie du es sagst, könnte man denken, wir fahren geradewegs in die Hölle“, wispere ich, doch er versteht mich sehr wohl.

„Sei nicht so dramatisch, Prinzessin. Immerhin darfst du heute mal so richtig viel Geld ausgeben.“

Ich zische verächtlich. Als hätte ich das noch nie gemacht. Was glaubt er, wer ich bin?

„Wir werden schon was Schönes für dich finden, Mimi“, sagt Kaori, die uns beiden gegenübersitzt.

Irgendwie kommt mir das alles komisch vor. Tai und Kaori kennen sich logischerweise schon länger, immerhin ist sie die Frau von Jim. Trotzdem reden sie kaum miteinander. Als wären sie Fremde.

Sie lächelt mich an und mal wieder fällt mir auf, wie hübsch sie ist. Sie hat bereits all das, was ich mir hart erkämpfen muss.

Ich sehe zu Tai, der weiterhin stur aus dem Fenster starrt. Man kann nicht leugnen, dass er gerade so aussieht, als würde er lieber auf dem Asphalt liegen und sich von einem Bus überfahren lassen, als hier mit uns beiden Frauen zusammen zu sein.

Ich seufze. Das kann ja ein schöner Tag werden.
 

Als wir den ersten Laden betreten, beginnen meine Augen zu leuchten. Ich bin im Himmel! Oh mein Gott, wie wundervoll! Tai hat nicht gelogen. Wo ich hinsehe Prada, Gucci, der ganze teure Scheiß. Ich kann mich gar nicht satt sehen, an all den schönen Kleidern, Röcken und Blusen.

„Hör auf zu sabbern und sieh dich um“, sagt Tai. „Vielleicht findest du ja sogar was, was länger ist als 10cm.“

Ich sehe ihn schräg von der Seite her an. „Dann darf ich vermutlich nicht in deine Hose gucken.“

Tai reißt die Augen auf und fängt an, rum zu stottern. „Das … woher willst du wissen … was soll das jetzt … Ich meinte doch die Röcke, verdammt!“

Wird er gerade rot? Wie süß.

„Krieg dich wieder ein. Sorry, aber das war ne Steilvorlage“, winke ich ab, während Kaori neben mir steht und ebenfalls rot angelaufen ist. Meine Güte. Warum sind die so verklemmt?

„Gott, Mimi“, knurrt Tai und kneift sich in den Nasenrücken. „Jetzt geh endlich und such dir was aus. Und benimm dich hier, klar?“

Das lasse ich mir nicht zweimal sagen.

Es dauert nicht lange, dann habe ich einen Haufen schöner Kleider eingesammelt, rot, rosa, blau, grün, lang, kurz, mit Ärmel, ohne Ärmel, eines ist sogar rückenfrei. Gerade, als ich sie zur Umkleidekabine schleppen will, kommt mir Tai entgegen.

„Hey, ich wollte das gerade alles mal anprobieren.“

Tai mustert mich und den Stapel Klamotten auf meinem Arm. Begeistert sieht er nicht aus.

„Ich dachte mir schon, dass du so was in der Art aussuchen wirst.“

„Was soll das heißen?“

„Hier.“ Tai hält mir ein Kleid hin. Lang, schwarz, langweilig.

„Wenn ich auf eine Beerdigung gehen will, sag ich Bescheid.“

„Du wirst es anprobieren“, sagt er bestimmt und ich frage mich ernsthaft, ob er einen an der Waffel hat. Dann kommt auch noch Kaori um die Ecke, ebenfalls einen Stapel Klamotten in der Hand. Ich sehe schwarz, grau, braun – erdfarben. Igitt.

„Tut mir das nicht an“, sage ich flehend und starre sehnsuchtsvoll auf die Sachen in meinen Händen, die ich vermutlich niemals tragen werde. Ich habe den Impuls mich hier und jetzt auf den Boden zu werfen und um diese schönen Sachen zu weinen, da reißt Tai sie mir auch schon aus der Hand. Er übergibt sie an eine Verkäuferin, die zu uns geeilt ist und sagt dann nur: „Suchen Sie bitte mehr davon, davon und davon aus“, und zeigt auf einige Kleider, die Kaori in der Hand hat. „Größe 36, ist doch richtig, oder?“

„Ja“, grummle ich und nehme widerwillig die Sachen entgegen, die Kaori für mich ausgesucht hat.

„Ach Mimi, ich weiß, es ist nicht leicht, seinen eigenen Stil aufzugeben, aber glaub mir, du wirst dich daran gewöhnen. Und ich denke mir, die Sachen stehen dir ganz hervorragend“, meint Kaori beschwichtigend, als wir zu den Umkleidekabinen gehen. Klar, sie hat gut reden. Ihr steht vermutlich alles, was sie trägt.

Ich ziehe einige Blusen und Röcke an und jedes Mal, wenn ich aus der Kabine trete, komme ich mir vor, als hätte man mich in einen Kartoffelsack verwandelt.

„Das ist viel zu viel Stoff“, sage ich und winde mich darin, als wäre es eine Haut, die nicht mir gehört, während ich mich zweifelnd im Spiegel betrachte. Wer hat die Farbe dunkelbraun überhaupt erfunden? Voll ätzend.

Die Bluse ist zwar ärmellos, aber sie ist bis zum Hals hochgeknöpft und der Rock geht mir bis zu den Knöcheln.

Tai stöhnt genervt auf, weil ich bis jetzt bei jedem Teil so reagiert habe und tritt nun hinter mich. Er legt zwei Finger auf meine Schulter.

„Der Stoff an deinen Schultern muss mindestens so breit sein, man darf niemals mehr Haut sehen als das. Und hier …“ Er geht in die Hocke und umfasst die Stelle unter meinen Knien. „ … muss der Stoff mindestens bis unter die Knie gehen. Länger ist immer gut, aber das ist das absolute Mindeste, was du tragen musst.“

Als er sich wieder aufrichtet, sehe ich durch den Spiegel in sein Gesicht. Ein neckisches Grinsen legt sich darauf.

„Was meinst du dazu, Paradiesvögelchen? Gibst du jetzt schon auf? Es sind nur ein paar Klamotten. Wenn du daran schon scheiterst …“

Das hättest du wohl gern.

„Tai hat recht, Mimi“, sagt Kaori und steht nun ebenfalls auf. „Es sind nur Klamotten. Sie sind schlicht, aber elegant. Und das Beste ist …“ Sie geht zu einem Regal und greift nach einer sündhaft teuren Kette, die dort liegt. „ … man kann diese langweiligen Sachen unglaublich gut mit schicken Schmuck aufmotzen.“ Tai macht ihr Platz, so dass sie hinter mich treten kann, um mir die Kette anzulegen.

Ich lege den Kopf schief und lächle verlegen. Sie haben recht. Es sind nur Sachen. Ich muss sie nicht mögen, ich muss sie nur tragen.

„Ich würde sagen, dann gehen wir als nächstes zu Tiffanys.“

Kaori grinst. „Ja, das ist die richtige Einstellung. Und keine Sorge, Joe tut das Geld nicht weh, was du ausgibst.“ Sie zwinkert mir zu und ich bin erleichtert, dass sie es mit Humor nimmt. Und nüchtern betrachtet sind die Klamotten auch nicht das Schlimmste. Immerhin sind einige Kleider in schwarz und beige dabei, die mir wenigstens ein bisschen stehen.

Da fällt mir was ein. „Könnt ihr eine Sekunde warten? Ich hätte da noch ein Kleid, was ich gerne anprobieren würde“, sage ich, während Tai mir nur hinterherruft: „Denk an die Etikette!“

Ja ja, schieb dir deine Etikette doch da hin, wo die Sonne nicht scheint. Ich habe verstanden, worauf es ankommt, ich bin schließlich nicht bescheuert.

Ich hole ein Kleid, was mir vorhin schon ins Auge gesprungen ist, was ich aber auf einer normalen Shoppingtour nicht anprobiert hätte. Aber unter diesen Umständen …

Als ich aus der Kabine trete und Tai und Kaori mich darin erblicken, sind sie für einen Moment sprachlos. Ich spüre, wie mir die Hitze ins Gesicht steigt.

„Zu viel?“

Kaori ist die Erste, die ihre Stimme wiederfindet. „Nein, gar nicht. Du siehst wunderschön aus.“

Ich gehe zum Spiegel und betrachte mich zufrieden. Ich trage immer noch die Kette, die Kaori mir angelegt hat. Sie passt perfekt zu dem cremefarbenen Kleid, dass ich mir ausgesucht habe. Es hat einen langen Faltenrock, einen wunderschönen V-Ausschnitt, aber nicht zu viel, und kurze, weite Ärmel. Eine lockere A-Linie und ich muss sagen, ich finde mich selbst wunderschön darin.

„Du solltest es heute Abend tragen, wenn du gemeinsam mit Joe isst“, schlägt Kaori begeistert vor. „Ihm werden die Augen aus dem Kopf fallen.“

Nun räuspert auch Tai sich. Ich drehe mich zu ihm um, stemme die Hände in die Hüfte und schaue ihn genervt an. „Na los, ich warte schon die ganze Zeit darauf.“

„Worauf denn?“

„Auf einen dummen Spruch von dir? Kommt da gar nichts?“

Tai rollt mit den Augen. „Lasst uns einfach bezahlen.“

Verwundert sehe ich dabei zu, wie er in Richtung Kasse abdampft. Was hat er denn?
 

„Meine Arbeit ist getan. Ich bleibe gleich hier, ich habe hier in der Nähe noch einen Termin. Fahrt ruhig ohne mich weiter“, sagt Kaori und verabschiedet sich mit einer tiefen Verbeugung von uns, als wir aus Tiffanys kommen und dort ebenfalls eine beachtliche Summe ausgegeben haben.

„Ich danke dir vielmals“, sage ich und beuge mich ihr dann ein Stück entgegen. „Vor allem, dass du mich mit diesem Idioten nicht allein gelassen hast.“

Sie kichert verlegen. „Nimm ihn nicht so ernst. Er meint es nicht so“, flüstert sie mir zu, während Tai schon wieder Stress macht.

„Kommst du jetzt endlich? Ich habe nicht ewig Zeit.“ Er hält die Tür zur Limousine auf und wartet darauf, dass ich endlich einsteige. Ich verdrehe die Augen.

„Bis bald, Kaori“, sage ich zum Abschied und steige ein.

Tai steigt ein und wir fahren los. Natürlich sagt er nichts, aber diesmal quatsche ich einfach drauf los.

„Ich mag sie“, stelle ich neutral fest.

„Hmm?“, macht Tai jedoch nur.

„Kaori. Sie ist hübsch und nett. Die perfekte Frau.“

„Kann sein.“

Uuh, was für ein Brummbär. Aber mir macht er nichts vor.

„Magst du sie?“

Überrascht sieht er mich an. Jetzt habe ich seine volle Aufmerksamkeit. „Was?“

„Wäre doch nicht schlimm.“

„Sie ist die Frau von Jim, mach dich nicht lächerlich“, weist Tai mich zurecht und tut so, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Aber ich weiß, was ich gesehen habe.

„So? Ich habe da zwischen euch gewisse Spannungen gespürt.“

„Das bildest du dir ein.“

„Wenn du das sagst.“

„Du nervst“, sagt Tai und ich grinse in mich rein. Jetzt hätte ich ihn doch fast aus der Reserve gelockt.

Ein paar Straßen weiter halten wir schon wieder an, was mich verwundert aufsehen lässt.

„Was wollen wir hier?“

„Wir gehen essen“, eröffnet Tai mir und sieht mich an, als wüsste ich schon, warum. „Wenn du heute Abend das erste Mal mit deinem Verlobten isst, willst du doch einen guten Eindruck hinterlassen, oder nicht? Und da du gestern vor allen Anwesenden in ein Taschentuch geschnieft hast, unterstelle ich dir einfach mal, dass deine Tischmanieren ähnlich schlecht sind.“

Wow. Er tut ja quasi so, als wäre ich der letzte Neandertaler.

„Du hast sie doch nicht mehr alle! Ich weiß sehr wohl, wie man anständig isst“, entgegne ich beleidigt.

„Aber nicht, wie man anständig in Japan isst.“

Ich verschränke die Arme vor der Brust. „Nein, vergiss es. Ich gehe nicht mit dir essen.“ Wieso sollte ich das machen? Eher friert die Hölle zu.

Tai stöhnt genervt auf. „Gott, ich kann es nicht fassen, dass du so stur bist“, sagt er und hält mir eine Hand hin. „Jetzt komm schon. Wenn du heute Abend beim Dinner versagst, fällt das schließlich auf mich zurück und ich kann meinen Job an den Nagel hängen.“

Was geht’s mich an? Dann wäre ich dich wenigstens los.

„Mimi“, sagt Tai nun mit etwas mehr Nachdruck. „Ich bitte dich.“

Jetzt kann ich es mir nicht mehr verkneifen und grinse doch.

„Geht doch.“

„Was?“

„Du kannst nett sein.“

Er lacht kurz auf, als ich meine Hand endlich in seine lege. Er hat recht. Ich muss nicht nur Dr. Kido und seine Frau von mir überzeugen, sondern auch Joe. Ein Essen kann also nicht schaden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Hallostern2014
2023-10-01T19:43:48+00:00 01.10.2023 21:43
Huhu ihr Lieben ❤️😍

Hehe, wie Mimi ihn anzickt auf dem Weg zum Frühstück, aber kann ich verstehen nach dem was vorgefallen ist.

Oje, da würde ja auf Mimi was zu kommen. Aber noch ist sie ja nicht verheiratet. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie Tai bei seinen Dreh helfen könnte. Wenn Not am Mann ist und die richtige Person doch gleich vor der Nase hat. Mal sehen ob die beiden dann immer noch so von denen Job schlecht denken.

Das war die Rache 🤣 und für einen Kurzen Moment hat sie ihn die Sprache geklaut. Sie tut mir aber schon echt leid. Es wird wohl auch lange dauern bis sie sich an die neue Kleidung gewöhnt hat.

Wenn Mimi heraus findet warum Tai gegen über Kaori so empfindlich ist, dann kann sie ihn bestimmt verstehen warum er so gegen diese Hochzeiten sind.

Tai wird Mimi wohl zwischen durch mal seine weiche und freundliche Seite zeigen.

Ich bin gespannt wie es weiter geht 😍. Freue mich jetzt schon auf das nächste Kapitel

Glg ❤️❤️❤️❤️
Antwort von:  Ukiyo1
08.10.2023 09:29
Hallo du Liebe,

Oh ja, sie lässt sich sowas natürlich auch nicht gefallen ;)

Hehe, ich glaube nicht dass die beiden lange schlecht von den Jobs des jeweils anderes denken, denn wie Joe schon richtig gesagt hat, so sind sie sich doch irgendwo ähnlich.
Nicht, dass wir uns dabei nichts gedacht haben ;) :D

Klar, Mimi kann auch austeilen. Tai zwar auch, aber das macht wohl die Dynamik zwischen den Beiden aus ;)

Sie werden beide noch mehr Verständnis für den jeweils anderen aufbringen :)
Tai kann anders, aber es wird noch ein wenig dauern, bis seine Fassade zu bröckeln beginnt ;)

Danke fürs lesen und kommentieren :)

Heute geht es weiter.
Glg
Von:  Tasha88
2023-09-30T19:07:25+00:00 30.09.2023 21:07
Hallo ihr beiden :)

oh, dieses Kapitel ist toll ^^
ich finde es schön, noch einmal diese Unterschiede zwischen westliche Welt und Japan zu sehen.
und dann ist da noch Kaori. In diesem kapitel habt ihr das so gut rübergebracht - man fragt sich wirklich, warum Tai so reagiert.

Hat mir gefallen ^^
:*
Antwort von:  Ukiyo1
08.10.2023 09:24
Hallo du Eine :)

Das freut uns sehr. :)
Ja, es gibt doch so einige Unterschiede, aber das macht ja auch gerade so spaß :)
Ja, was hat Tai immer für ein Problem? 😁
Heute gibt es mehr :) und es kommt noch soviel :D

Sind aktuell bei Kapitel 18 :D
:*


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