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Blutschuld

Seine Bestimmung war es Vampire zu jagen, nicht sie zu lieben
von

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Verdacht

7. Verdacht
 


 

Liebe. Sie allein sollte unser Handeln lenken.

Ein dunkles Raunen. Flüsternd schlich es sich in sein Bewusstsein.

War es gesprochenes Wort oder der Hall eines Traums?
 

Mit einem Pochen in seinem Kopf erwachte er.

Leichter Nebel hing noch zwischen den Bäumen fest. Die ersten Sonnenstrahlen tanzten mit den Tautropfen der Gräser und boten ein idyllisches Schauspiel von Sinneseindrücken.

Sehnsucht erfüllte sein Innerstes. Tief sog er die frische Morgenluft in seine Lungen.

Dann erstarrte er.

Die Erinnerungen der letzten Nacht stürzten wie ein Wasserfall auf ihn ein.
 

Lucs Hand wanderte tastend zum Hals. Zwei kleine Narben waren deutlich zu spüren.

Sein Spiegelbild im klaren See räumte jeden Zweifel aus.

Zwei kleine weiße Punkte prangten an seinem Hals.
 

Iven. Was hast du nur getan?
 

Sein Blick wanderte zu dem weißen Taschentuch mit den roten Flecken.

Gedankenversunken hob er es auf.

'Mache dir bitte keine Sorgen. Ich habe nicht getrunken'.

Verdammt. Was sollte das?

Mit dieser Markierung an seinem Hals würde er sich in der Garde nicht mehr sehen lassen können. Niemand würde ihm glauben, dass er nur gebissen wurde, es aber nicht zu einem gegenseitigen Blutaustausch gekommen war.
 

Wenn sie ihre Kraft nicht gerade von den unter Trance gehaltenen Dienern speisten, dann tranken Vampire entweder um ihren Durst zu stillen, wobei ihr Opfer in diesem Fall kaum eine Überlebenschance besaß, oder sie tranken, weil sie sich einen Gefährten erwählt haben und diesen durch Blutaustausch an sich banden. Bis zu dem Tag an dem der Auserwählte selbst zu einem Wesen der Nacht gewandelt wird.
 

Resigniert krallten sich seine Finger in das feine Spitzentuch.

Er selbst konnte ja nicht einmal glauben, dass Iven weder das eine noch das andere tat.
 

Unsicherheit beschlich sein Gemüt.

War es einem Vampir überhaupt möglich den Gesetzen der Natur zu trotzen?
 

Standhaft kämpfte Luc die aufkeimende Angst in sich nieder.
 

Da war dieses Gefühl, an das er sich klammern konnte. Das Gefühl, beinahe die Gewissheit, dass es letzte Nacht nicht zu einer Verschmelzung gekommen war.

Selbst wenn er sich nur Illusionen machte, die Chancen gering standen, er konnte nicht anders, als zu glauben, dass er nicht gänzlich verloren war.

Nicht auszudenken wenn Iven ihn belogen hatte.
 

„Luciel Baldur! Könnt ihr uns hören?!“

Der Ruf schnitt wie Eis durch seine Glieder.

Schnell wickelte er sich etwas von dem zerrissenen Hemd um seinen Hals und verbarg die Bissspur. Anschließend hüllte er sich in den Pelzmantel des Prinzen und erwiderte den Ruf.

„Ich bin hier!“
 

Es dauerte nicht lange bis die ersten Suchhunde ihren Erfolg lautstark kundtaten.

Freudig wurde er von dem kleinen Suchtrupp in Empfang genommen.

„Gott sei dank! Nachdem uns von dem Massaker im Dorf berichtet wurde, hatten wir die Hoffnung schon aufgegeben, euch lebend wieder zu finden. Ich bin froh, dass ihr wohl auf seid.“

Der Anführer erschien sichtlich erleichtert.

„Mein Name ist Merek O´Ciel. Ich und meine Jungs sind sofort aufgebrochen, nachdem euer Freund bewusstlos durch die Tore der Kaserne ritt.“

Luc reichte ihm erfreut die Hand entgegen.

Dann hatte es Vernon geschafft. Erleichtert atmete der Jäger auf.
 

„Ich kenne euch Merek O´Ciel. Ihr strebt eine große Karriere innerhalb der Garde an.“

Der Braungelockte errötete leicht.

„Nun ja, mein derzeitiger Aufstieg ist nur halb so aufregend wie eure Position. Aber zum Elitejäger hat mein Geschick leider nicht gereicht.“

Die mandelförmigen Augen musterten den Jäger. „Ihr seid schwer verwundet, wie ich sehe. Wenn ich euch auf das Pferd helfen dürfte?“

„Habt dank. Auch für euren Einsatz.“

„Ich bitte euch, ich tue nur meine Pflicht. So wie ihr die eure.“

Luc antwortete nicht. Schweigend schwang er sich mit Mereks Hilfe in den Sattel.
 

Die Schuld abermals versagt zu haben, wog schwer auf den Schultern des Jägers.
 

Langsam ritten sie Richtung Kaserne. Luc hatte etwas Schwierigkeiten sich auf dem Pferd zu halten. Dennoch ritt er allein, ohne Hilfe. Seine Wunden schmerzten und er fühlte sich ausgelaugt. Dankbar über das geringe Tempo des Rückritts, suchte er die braunen Augen des Anführers. Dieser verstand und schloss zu ihm auf.
 

Die Stimme des Anführers war leise. „Ihr habt mir etwas zu sagen, Baldur?“

„Bitte nennt mich Luc. Danke, dass ihr mich mein Gesicht wahren lässt.

Eure Männer sind über die Verzögerung bestimmt nicht erfreut.“

„Keine Ursache, Luc.“ entgegnete Merek mit einem offenen Lächeln.

„Ich weiß, dass ihr nach eurem misslungen Auftrag keinen guten Stand habt.

Euer Stolz muss euch in diesen Tagen eine Mauer des Schutzes sein.

Lasst meine Männer nur meine Sorge sein und schont eure Kräfte. Wir sind gleich da und ich fürchte der General wird nicht allzu viel Rücksicht auf euren Zustand nehmen.“
 

Luc nickte. „Wie geht es Vernon?“

O´Ciel zuckte mit den Schultern. „Kann ich euch nicht sagen. Ich weiß nur, dass der General außer sich war, als nur einer von euch zurückkehrte. Er muss solange versucht haben, euren Freund aus seiner Bewusstlosigkeit zu reißen, bis er erfahren hat, was er wissen wollte. Der Prinz lebt und ihr bliebt zurück.

Nun, ihr seid mir keinen Bericht schuldig, aber wie habt ihr es geschafft zu entkommen?“

„Ich fürchte ich brauche selbst noch eine Weile, bis ich die Ereignisse von letzter Nacht rekonstruieren kann.“
 

Das war noch nicht einmal gelogen. Luc versuchte sich fieberhaft an alle Einzelheiten zu erinnern. Doch immer wieder schweiften seine Gedanken zu jenem Augenblick, als er von Iven den tödlichen Kuss erhielt.
 

Merek nickte und gab sich zufrieden.

Den restlichen Weg ritten sie schweigend.
 


 

Luc beschloss es zumindest bei der halben Wahrheit zu belassen.

Er wurde von dem Prinzen entdeckt, verfehlte den Schuss und der Graf versuchte daraufhin das Blatt zu seinem Vorteil zu drehen. Sie wurden angegriffen und wären beinahe ins Jenseits befördert worden.

Einzig die Wut des Prinzen, der das Falschspiel des Grafen durchschaute und erbarmungslos Rache nahm, bewahrte sie vor dem Tod.
 

Luc musste angestrengt nach Luft ringen, als er seinen Bericht bei dem General ablieferte.

Seine Wunden schmerzten und er brauchte dringend ärztliche Versorgung und Ruhe.

Dennoch wagte er es nicht, sich zu beklagen.

Stolz und aufrecht stand er im Büro des Generals und harrte der Dinge, die kamen.
 

„Nun, so ganz kann ich euch nicht folgen, Luciel Baldur. Wieso sollte der Prinz seinesgleichen derart massakrieren? Sicherlich ist er nicht gerade für seine Gnade bekannt, aber Vampire zu töten, ohne einen triftigen Grund, widerspricht den Grundsätzen des Clancodex.

Er ist einer der mächtigsten Herrscher unter ihnen. Ein strategischer Führer, der allzeit in vorausschauender Manie, die Dinge kalkuliert und abwägt.

Ich kann mir einen derartigen Aussetzer einfach nicht erklären.

Der Prinz hat die Macht, die Gefühle anderer zu beherrschen nicht zuletzt deshalb, weil er ein Meister darin ist, sich zu beherrschen. Den Grafen zu töten und die Unterwerfung dessen Untergebenen anzunehmen, wäre die logische Handlungsweise gewesen.

Nicht aber, wie ein Berserker die Mitglieder eines andern Clans abzuschlachten und damit Unruhe und Rebellion zu riskieren.“
 

Luc steckte in einem ernsten Dilemma. Der General hatte recht.

Doch vielmehr, als die Not nun eine passende Erklärung zu finden, beschäftigte Luc die nur allzu passende Darlegung des Generals.
 

Wie ein Puzzleteil fügte sich die Erläuterung in das das Bild von Ivens Handeln. Die Heftigkeit mit der des Prinzen Aussage, er bräuchte ein Alibi, nun untermauert wurde, trieb Luc an den Rand der Verzweiflung.
 

Iven hatte sein Leben gerettet. Ihn einzig zum Schutz vor Anklagen gebissen.

Aber warum? Weshalb sollte der Prinz soviel für ihn aufs Spiel setzen?
 

Mühsam unterdrückte Luc den Impuls, sich an den Hals zu fassen.
 

Das ergab doch alles keinen Sinn.

Außer Iven trieb seine eigenen Spiele, deren Regeln er nicht durchschaute.

Lediglich als Figur manipuliert und von fremden Fäden gelenkt.
 

„Baldur, hört ihr mir überhaupt noch zu?!“ donnerte die Stimme des Generals.

Luc schreckte zusammen.
 

„Es steht mir nicht zu, eure Anhörung zu unterbrechen, aber ich bitte euch inständig, lasst Luc erst seine Wunden versorgen.“

Phils Stimme war wie ein Sonnenstrahl inmitten eines Gewitters.

Luc hatte nicht einmal gemerkt, dass sein Mentor das Zimmer betrat.

Verwirrt blickte er in die ernsten Augen seines Lehrmeisters.
 

„Na schön, Philippe. Weil ihr es seid und ich weiß, wie viel euch euer Ziehsohn bedeutet.

Ihr dürft euch entfernen, Luciel Baldur.“
 

Kaum aus dem Büro des Generals, brauste eine heftige Ohrfeige auf Lucs Wange herab.

Regungslos blieb er stehen und empfing schutzlos den wütenden Blick seines Mentors.

„Wenn deine Wunden versorgt sind, erwarte ich dich. Sofort ohne Umwege!“

Phil wandte sich ab.

„Was ist mit Vernon?“

„Du solltest dir lieber um dich Sorgen machen. Wenn sich bewahrheitet was ich vermute, dann kann dir niemand mehr helfen. Nicht einmal ich.“
 

Die Worte hingen wie ein Damoklesschwert über Luc.

Wie viel wusste Phil?
 


 

Es war früher Abend als Luc das Lazarett verließ.

Gerne hätte er noch nach Vernon gesehen, doch er begnügte sich mich der Auskunft der Schwester, dass es seinem Freund den Umständen entsprechend gut ging und er viel Schlaf brauchte.
 

Mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust näherte sich Luc Philippes Gemächern.

Die Begrüßung seines Ziehvaters war nüchtern, gefolgt von einem direkten Angriff, noch bevor sich der Dunkelblonde setzen konnte.
 

„Hast du geglaubt ich würde es nicht merken!? Dass dein hilfloser Versuch, die Zeichen zu verbergen, ausreichen würde? Wie konntest du nur?

Dich auf einen Vampir einlassen. Dich mit einem vereinigen. Dein Blut freiwillig geben!“
 

Wie zur Offenbarung riss der Ältere das Seidentuch von Lucs Hals.

Die Enttäuschung in den zornigen Augen schmerzte Luc, genauso wie die Anklagen.
 

„Ich tat es nicht freiwillig.“ Kraftlos ließ er sich in die Kissen des Sofas sinken.
 

„Nein, und wie erklärst du mir dann, dass dich einer beißen konnte?

Dich. Ein Elitejäger der Garde! Du solltest den Prinzen töten und ihm nicht gefällig werden!

Du bist mit Abstand der beste Jäger, den die Garde je hervorgebracht hat.

Ich habe dich dazu gemacht. Dich ausgebildet, dir mein Wissen gegeben.

Und der Luc, den ich erzogen habe, würde sich nie von einem Vampir beißen lassen, außer es geschieht freiwillig!“
 

Luc sah betroffen zu Boden. Es war nicht freiwillig, aber er hatte sich auch nicht gewehrt.
 

Phil brauchte keine Worte als Antwort. Die Geste allein war ihm Antwort genug.

„Dann ist es also war. Du bist ein Sklave ihrer Macht geworden.

Es war der Prinz, habe ich Recht?

Ich begreife nicht, wie es einem Vampir gelingen konnte, dich in seinen Bann zu ziehen. So sehr, dass du deine Seele opferst.

Du sagtest bereits, dass du seinem Wesen kaum widerstehen kannst, aber dass du in seiner Gegenwart so verloren bist, dass du dich aufgibst.“
 

Sanft griff Phil nach Lucs kalten Händen.

„Bei Gott, Luc. Warum hast du nicht früher etwas gesagt. Mir nicht verständlich gemacht, dass deine Gefühle für ihn so stark sind? Begreifst du nicht, dass du nun, wo du einem Vampir gehörst, eine immense Gefahr für die Gilde bist.

Eine die nicht toleriert werden kann, sondern per Gesetz beseitigt wird!“
 

Tiefe sorgenvolle Falten zeichneten das Gesicht seines Lehrers.

Luc fühlte sich immer unbehaglicher. Doch noch konnte er nicht sprechen.

Seine Zunge war wie taub, sein Verstand vernebelt.
 

Mit einem Seufzen fuhr Phil fort.

„Sag wie lange schon? Geschah es bereits vor dem Maskenball?

War alles Lüge, was du mir in unserem letzten Gespräch sagtest?

Oder war deine Sehnsucht so groß, dass du danach zu ihm gegangen bist, um den ewigen Bund zu schließen?“
 

Den Kummer in den blaugrauen Augen zu sehen, quälte Luc.

„Ja, es war der Prinz. Aber ich habe mich nicht mit ihm vereinigt.“
 

Die Worte schienen den Älteren zu beruhigen, auch wenn das Misstrauen deutlich zu spüren war.

„Und der Biss Luc? Wie erklärst du mir das?

Du stehst nicht unter Trance. Auch lebst du und wurdest nicht durch seinen Blutdurst ausgesaugt.

Die weißen Male an deinem Hals sind entstanden, als sich sein Blut mit deinem mischte.

Ein Vorgang, den ein Vampir nur willentlich zulässt, um eine Verbindung einzugehen.

Bitte sei ehrlich zu mir und zu dir selbst. Gebe zu, dass er dein Blut getrunken und dir gleichzeitig seines gegeben hat, um dich für alle Zeit an sich zu binden.“
 

Der Ärger in Phils Stimme war gänzlich aufrichtiger Sorge gewichen.

Luc kam sich jämmerlich bei seiner Erklärung vor.
 

„Er hat mich gebissen, aber er trank nicht.“
 

Der Grauhaarige fuhr hoch.

„Und das glaubst du? Weshalb dann, hast du ihn nochmals geschont, wenn nicht weil du bereits sein warst?

Ich glaubte wirklich, dass dich unser Gespräch zur Besinnung gebracht hätte.

Jetzt muss ich erkennen, dass ich dich vielleicht damit sogar in eine falsche Richtung getrieben habe.“

„Nein, Phil. Bitte mach dir keine Vorwürfe. Dich trifft keine Schuld.

Ich wollte den Auftrag gewissenhaft ausführen. Der Biss folgte erst danach.“

Geduldig ruhten die blaugrauen Augen des Älteren auf Luc.

„Dann erzähle, was geschah. Ohne Lüge, Luc. Nach all den Jahren, in denen ich dir Liebe schenkte, verdiene ich die Wahrheit.“
 

Mühsam rang der Jäger nach den richtigen Worten.

Der Klang in seiner Stimme, war ihm selbst fremd.

Verletzlich und schwach.

„Du wirst mich für meine Schwäche verachten, so wie ich es tue.

Ich habe Angst, Phil.

Du glaubst, ich konnte den Prinzen nicht töten, weil ich bereits an ihn gebunden war. Die Wahrheit ist aber, dass es kein Band aus Blut gebraucht hatte, um ihn abermals zu schonen.

So sehr ich auch den Auftrag erfüllen, dich mit Stolz und mich mit Ruhm und Frieden belohnen wollte, ich konnte es nicht.

Ich fühlte tiefen Hass in mir, als ich auf ihn zielte. All den Gräuel über ihre Untaten, ihre Grausamkeiten.

Ich wollte den Pfeil in sein Herz jagen. Wollte, dass es aufhört zu schlagen.

Aber in dem Moment als ich schoss, waren da seine Augen dich mich durchbohrten.

Sie blickten in mein Innerstes und verschlagen mich.

Es war nur ein winziger Augenblick, doch es war zu spät.

Ich verfehlte und traf nur die Schulter.

Die anderen Vampire griffen uns an. Es waren zwölf neben dem Grafen. Wir hatten keine Chance lebend zu entkommen. Vernon war bereits schwer verwundet und konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten.“
 

Luc stockte.

Blut trieb ihm heiß durch die Adern, als er weiter sprach.
 

„Iven mischte sich ein. Er kam zu mir.

Nah, vertraut.

Seine sanfte Stimme flüsterte ein einziges Wort in mein Ohr, 'Lauf'.

Vernon entkam und ich wenig später auch.

Ich lief Richtung Wälder.

Iven kämpfte währenddessen mit den Vampiren und verschonte keinen.

Als ich im Schutze des Waldes meine Wunden verband, suchte er mich auf.

Er sagte, dass es ihm Leid tue, aber er hätte soeben ein ziemliches Massaker angerichtet und dass er dafür ein Alibi bräuchte.

Dann fand ich mich schon in seinen Armen wieder. Die kalten Zähne in mein Fleisch gepresst.

Das Gefühl mich selbst zu verlieren, die Angst von der Dunkelheit verschluckt zu werden, war noch nie so groß. Gleichzeitig gab er mir das Gefühl von Geborgenheit und Wärme. Die tiefe Sehnsucht in mir schwieg für ein paar Augenblicke.

Ich war benommen.

Bevor er ging, legte er mir ein Taschentuch mit Blutflecken in die Hand und sagte, ich solle mir keine Sorgen machen. Er hätte nicht getrunken.“
 

Die Mine seines Mentors war nachdenklich in tiefe Falten gelegt.

„Glaubst du es?“

Luc zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll.

Ich zweifle, aber weshalb sollte er mich anlügen?

Wenn er mich zu einem von seinesgleichen machen wollte, wieso tat er es nicht?

Ich hatte aufgegeben. Es war mir gleich was geschah.

Und wenn er mich als Sklave seines Willens machen wollte, wieso verschwand er dann und ließ mich zurück, ohne seinen Lohn einzufordern oder ein Blutband zu knüpfen?“
 

Ein schweres Schweigen erfüllte das kleine Zimmer. Einzig das leise Knistern des Feuers war zu hören. Nach Minuten, die Luc wie eine Ewigkeit vorkamen, durchbrach Phil die Stille.
 

„Weißt du, dass es für einen Vampir, so mächtig er auch sein mag, im Grunde nicht möglich ist, dem Geschmack von Blut zu widerstehen und dem Hunger nicht nachzugeben?

Wie er es vollbracht hat, wird wohl so lange sein Geheimnis bleiben, bis er sich dir offenbart.

Die viel wichtiger Frage ist allerdings, was will er?“
 

Liebe.

Es legte sich in sein Bewusstsein.

Leicht wie eine Feder, schwer wie Eisen.

Er konnte den Verdacht nicht aussprechen.

Die Angst damit Wahrheit zu schaffen, mit all ihren Konsequenzen war übermächtig.

Sein Verstand kämpfte.

Es war auch lächerlich.

Nur ein Moment des Kennenlernens. Ein kurzer Zauber der Zweisamkeit.

Nichts, was so nachhaltig Wellen schlagen konnte.
 

„Wenn ich das nur wüsste. Vielleicht erhofft er sich eine helfende Hand auf der anderen Seite?“

„Und Luc, würdest du uns verraten?“
 

Der Jäger war entsetzt über die Direktheit, mit der er gefragt wurde.

So, als ob es offensichtlich und nahe liegend wäre, genau das zu tun.
 

„Bei Gott nein! Ihn nicht töten zu können, heißt doch nicht, dass ich andere für sein Leben in den Tod schicken würde. Bitte Phil, du musst mir glauben! Ich würde nie sein Leben über das eines Menschen stellen.“

„Aber indirekt hast du das doch bereits.

Ich will dich nicht weiter quälen. Ich weiß, dass du dich bereits genug verdammst und auch, dass die Geheimnisse der Gilde bei dir sicher sind und sich deine Hand niemals gegen Unschuldige richten wird.

Aber du musst achtgeben, dass er dein Handeln nicht manipuliert.

Lasse dich nicht so blind führen, wie ich mich einst.“
 

Traurigkeit fing den Jäger nunmehr vollends ein.

Der anstehende Verlust, warf seine Schatten bereits bedrohlich über die Gegenwart.
 

„Ich verstehe. Ich kann es drehen und wenden wie ich will, ich bin eine Gefahr für euch.“
 

Sein Mentor seufzte.

„Mit dieser Markierung hat er dich als sein Eigentum gekennzeichnet. Das muss dir klar sein, Luc. Dass der Prinz das Band nicht vollständig besiegelt hat, weiß keiner. Und in deinem eigenen Interesse solltest du es dabei auch belassen. Menschen würden dir die Geschichte genauso wenig glauben, wie Vampire.“
 

Es war ihm gleich, solange es eine aufrichtige Seele gab, die an ihn glaubte und hinter ihm stand. Unsicherheit schwang in seiner Frage mit.

„Und du, Phil?“
 

Wie zur Bestätigung wurde er von seinem Ziehvater umarmt und auf die Stirn geküsst.

„Ich glaube dir.

Aber du musst dich entscheiden. Wenn die Gilde etwas davon erfährt, wirst du für Vogelfrei erklärt werden.

Solange du ihr angehörst, werden sie dich jagen und vernichten wollen. Wenn du überleben willst, hast du keine andere Wahl, als freiwillig zu gehen.

Den Treueschwur als gescheitert zu melden und um Gnade zu bitten.

Handle bevor dein Schicksal bekannt wird. Denn das wird es, früher oder später.“
 

Luc wusste, dass sein Lehrmeister recht hatte.

„Dann war's das. Ich werde nie wieder der Garde dienen können.“
 

„Nicht auf direktem Wege. Dennoch gibt es eine Chance, deinen Leumund reinzuwaschen.

Deine Markierung ist aus einem anderen Blickwinkel gesehen ein Geschenk.

Du wirst dich nun ungehindert in den Reihen der Vampire bewegen können.

Keiner der Blutsauger wird es mehr wagen, Hand an dich zu legen, sobald er die Markierung erkennt.

Ihre Instinkte sind feinfühlig genug um zu wissen, dass du dem Prinzen gehörst.“
 

Die Worte in sein Bewusstsein zu lassen, war Luc zu wider.

Er würde niemals einem Vampir gehören.

Der Jäger lachte bitter auf.

„Das also ist sein Alibi. Verteidigung seines Eigentums.“
 

Er hatte keine Wahl. Er musste die Chance nutzen, seine Treue der Gilde gegenüber beweisen.

„Ich werde also vom Elitejäger zum Spitzel degradiert. Erbärmlich und unbefriedigend.

Dennoch füge ich mich.

Aber glaubst du, der Prinz wird es sich bieten lassen, dass ich Geheimnisse auskundschafte und weitergebe?“

„Nun, ich denke er wird wissen, dass er deinen beruflichen Werdegang zerstört hat. Vielleicht rechnet er nicht damit, dass es jemand gibt, der weiterhin treu zu dir steht.“
 

Ja, vielleicht. Luc brauchte keine weiteren Gedanken daran verschwenden.

Solange er lebte, würde er Vampire bekämpfen.

Wenn dies der einzige Weg war, sinnvoll agieren zu können, dann würde er ihn gehen.
 

Der Jäger stand auf.

„Glaubst du es war geplant?

Ich meine, wenn er vorhatte, mich zu ihm zu treiben, dann hat alles doch nur allzu gut zusammengepasst und funktioniert.“

„Wenn es so ist, dann solltest du den Grund dafür herausfinden. Möglicherweise bietet sich dann eine Gelegenheit dein Schicksal umzumünzen.

Aber nimm dich in Acht. Seinen Ruf hat er nicht umsonst errungen.“
 

Luc wollte keine weitere Zeit verstreichen lassen.

Der Gedanke daran, bereits jetzt so zu handeln, wie Iven es vielleicht wollte, machte ihn wahnsinnig.

Er musste die Beweggründe offen legen. Nur dann konnte er einen Ausweg finden.
 

„Dann gehe ich zu ihm.“
 

„Zwei Dinge noch Luc.

Erstens. Ich weiß, dass es dir schwer fällt, aber du musst bald eine Entscheidung bezüglich der Gilde treffen. Vernon hat wirr im Schlaf geredet, aber ich bin mir sicher, dass er mit seinen Ahnungen der Wahrheit sehr nahe ist. Du solltest nicht darauf vertrauen, dass er eure Freundschaft über seine Loyalität stellt. Nicht in dieser Hinsicht. Er wird deine Gefühle nicht verstehen können, sonder sie verachten.

Zweitens. Die Markierung schützt dich vor Vampiren, aber halte sie dennoch verborgen, wenn möglich. Viele aus dem hohen Adel machen sich einen Spaß daraus, die Auserwählten eines anderen in ihre Fänge zu bekommen. Sie dürfen dich nicht zwingen, aber sie werden versuchen dich zu verführen und für sich zu gewinnen. Als Prestige und um den Prinzen eine Niederlage zu bescheren, die dieser hinnehmen müsste.“
 

„Ich vertraue Vernon. Er wird warten bis ich mit ihm gesprochen habe.

Was dieses lächerliche Ränkespiel der Vampire angeht, es interessiert mich nicht.

Ich habe bereits einem Vampir gestattet mein Gefühlsleben zu beeinflussen.

Das wird mir nicht noch einmal passieren. Das schwöre ich.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  whitePhobia
2012-04-13T16:09:39+00:00 13.04.2012 18:09
Armer Luc, Karriere runiert in nur einer Nacht. Allerdings gibt seine Arbeit als zukünftiger Spitzel der Geschichte ja eine völlig neue Richtung. Sehr schöne Kapitel bis hier her.


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