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Das Blut der Mana-i

Der König von Kalaß
von

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Sündenfall

Weitere zwei Wochen vergehen, bis Ramon in seinen Nachforschungen einen entscheidenden Fortschritt macht. Er ist der Lösung zum Greifen nahe. Wahrscheinlich wird er schon morgen seine Theorie beweisen können, doch wenn er sein Wort hält, muss er infolge auch seine Geliebte freilassen. Er befürchtet, dass sie nicht bei ihm bleiben wird, wenn sie die freie Wahl erhält. Selbst wenn sie von Tag zu Tag immer sanfter zu ihm wird, so ist das nicht ausreichend, um sie bei sich halten zu können. Ihm läuft einfach die Zeit davon. Dem gefallenen König gehen die Ideen aus und er hält es für möglich, dass seine anfängliche Strategie für diese junge Frau wohl so ungeeignet war, dass er es nun nicht mehr ausgleichen kann. Trotzdem hat er Fortschritte gemacht, die nicht von der Hand zu weisen sind und auch wenn solche Aktionen bisher eher erfolglos waren, will er sich ein letztes Mal darin versuchen, sich ihr zu nähern. Er kennt ihren Charakter inzwischen recht gut und das ist vielleicht der fehlende und entscheidende Vorteil für ihn.
 

Direkt nachdem er von seinem allnächtlichen und finalen Forschungsausflug zurück gekehrt ist, geht er nicht wie üblich zu Prinzessin Siva in die Bibliothek oder in das Kaminzimmer, in dem sie sich meist aufhält, sondern in ihr inzwischen sauberes und recht gemütliches Schlafzimmer. Dort entwendet er das Windjuwel, welches er ihr anvertraut hat und verschwindet damit in den dunklen Tunnelgängen.
 

Die junge Frau benötigt einen Moment, bis sie den Ortswechsel ihres Windsiegels bemerkt. Sie sitzt, im Kaminzimmer in einem alten Buch über die Kosmologie vertieft. Scheinbar pflegte man zu früheren Zeiten in den Sternen zu lesen. Wie albern, aber ohne Zweifel interessant, findet sie. Gelangweilt In den Sessel gefläzt, auf dem er sonst zu sitzen pflegt, wartet die junge Frau schon auf ihren Entführer, der so langsam zurückkehren sollte. Sie ist schon vor zwei Stunden aufgestanden und muss sich nun allein die Zeit vertreiben, was sie gar nicht gut kann, denn sie ist ein geselliger Mensch.

Etwas genervt legt sie das uralte Buch behutsam bei Seite und schließt die Augen. In ihren geschlossenen Augenliedern sieht sie den neuen Standort des Windsiegels. Sie hat inzwischen Übung in dieser Disziplin und es fällt ihr nicht mehr schwer es ausfindig zu machen. Wenn sie das doch nur auch bei den anderen drei Siegeln beherrschen würde. Dann wäre sie in der Lage Ramons Weg hinaus ins Freie nachzuverfolgen. Auch wenn sie nicht weiß was er vorhat, so folgt sie der Spur in das stockdustere Gängesystem.

Ohne es zu wollen, wird sie immer aufgeregter. Die Öllampe in der Hand, leuchtet sie sich ihren Weg durch das schwarze Labyrinth. Diesen Pfad hat sie auf ihren fast täglichen Erkundungstouren noch nicht gefunden. Unterwegs hat sie daran gedacht, ob er ihr vielleicht den Weg nach draußen zeigen will, oder versucht er sie auch nur bei Laune zu halten? Wer weiß schon was in diesem Mann vorgeht? Schließlich hat er sich zu ihrer Unterhaltung in der letzten Zeit immer wieder etwas neues für sie einfallen lassen. Erst kürzlich hat er ihr ein altes Brettspiel beigebracht oder wundersame Karten nach ihrer Zukunft befragt. Das Ergebnis der Vorhersage war mehr als fraglich, denn er deutete sie jedes Mal so, dass die Prinzessin mit ihm ihr Glück finden werde. Das hätte er wohl gern, dachte sie. Merkwürdige Dinge hat man damals gemacht, um sich die Zeit zu vertreiben. Als Gegenleistung brachte sie ihm Schach bei, in dem er nach kurzer Zeit schon recht gut geworden ist. Siva musste das Schachbrett und die Figuren zwar aus Papier basteln, doch das war völlig ausreichend und verschlechtere den Spielspaß nicht im Geringsten. Die Rolle des Königs im Schach sagte Ramon gar nicht zu, weshalb er darauf bestand die Fähigkeiten von König und Königin zu vertauschen. Die beiden hatten mehr Spaß an diesem Spiel, als sie es mit ihm für möglich gehalten hatte. Die Prinzessin musste bereits mehrfach aufpassen, über die körperliche Anziehung hinaus, die der attraktive Mann nun mal auf sie ausstrahlt, nicht noch mehr für ihn zu empfinden. Sie gut zu behandeln ändert nichts an der Tatsachte, dass er sie immer noch gefangen hält.

Er verkörpert in ihrer Vorstellung so etwas wie das Böse selbst, dem sie nicht verfallen darf. Das alles nimmt sie als Prüfung wahr, um ihre Loyalität und Standhaftigkeit zu testen und was wäre sie für eine Kriegerprinzessin, wenn die dem Bösen am Ende erliegen würde?

Die rhetorische Frage im Gedanken behaltend, erreicht sie ihren Zielort. Etwa eine halbe Stunde war die Prinzessin, völlig gedankenversunken, unterwegs.
 

Eine recht große unterirdische Höhle tut sich vor ihr auf, die entgegen den Gängen vorher, natürlichen Ursprungs sein muss. Erst leise und dann immer lauter, hört sie das Geräusch von fließendem, nein sogar fallendem Gewässer. An einigen Stellen gibt es kleine Öffnungen in der höher werdenden Decke der Höhle, durch die etwas bläuliches Licht hinein scheint. Sie geht immer weiter hinein, um eine kleine Biegung herum und erblickt dann einen flachen See, in den ein dünner Wasserfall hinein mündet, den sie schon von weiter weg gehört hat. Unter ihm duscht sich, natürlich splitternackt, der vermisste Mann. Geschockt versteckt sich die Prinzessin hinter dem Felsen, der ihren Blick zunächst behindert hatte. Sie hofft, dass er sie noch nicht bemerkt hat, denn sie versucht sich wieder davon zu schleichen. Zwar war er bei ihrem Blick auf ihn noch ein ganzes Stück von ihr entfernt, doch hat sie trotzdem genug gesehen. Mit so einer schamlosen Dreistigkeit hatte sie nicht gerechnet. Leicht verärgert, zugegebenermaßen aber auch ein bisschen erregt, tritt sie lautlos den Rückweg an. Sie ist sich sicher, dass Ramon sie mit Absicht hierher gelockt hat, damit sie ihn in seiner ganzen Pracht bewundern kann. Aber wenn er glaubt sie lasse sich so leicht beeindrucken, dann hat er sich in ihr getäuscht. Es ändert rein gar nichts an ihrer Meinung zu ihm, denn ihr Mana-i Blut gerät in seiner Nähe auch ohne einer solchen Aktion in Wallung. Sich irgendwelchen primitiven Instinkten hinzugeben, ist jedoch nicht der Stil der eitlen Prinzessin und es wäre auch nicht im Sinne ihres Vaters. Zudem hat sie kein Interesse daran Aiven zu verraten, der ja schließlich immer noch ihr fester Freund ist.

Auf leisen Sohlen hat sie sich schon ein paar Meter entfernt, als Ramons Stimme in der Höhle widerhallt:

„Wollt Ihr schon wieder gehen, Prinzessin? Ich hätte vermutet Ihr würdet Euch ebenfalls gern unter diesem Wasserfall duschen. Sich immer nur im kleinen Rinnsal bei den Aufenthaltsräumen zu waschen, ist sicherlich müßig. “

Sie bleibt ertappt stehen und hält inne, ohne ihm zu antworten.

„Ich würde dann selbstverständlich vorher verschwinden, falls Ihr das wünscht.“

fügt er erheitert hinzu.

Natürlich ist eine Dusche eine gute Idee, aber die hätte er auch schon Wochen früher haben können. Warum also jetzt? Allein ihr diesen Ort vorenthalten zu haben, macht die junge Frau ärgerlich. Empört dreht sie sich wieder in seine Richtung, um ihm ihre Meinung zuzurufen, doch er steht bereits direkt vor ihr. Erschreckt macht sie einen Schritt zurück und wirft instinktiv einen prüfenden Blick, den er selbstverständlich bemerkt, auf seinen Unterkörper. Zu ihrer großen Erleichterung hat er sich ein Leinentuch um die Hüfte gebunden. Siva pocht das Herz bis zum Hals. Aus ihrer Sicht liegt das aber nur am Schrecken, den er ihr eingejagt hat.

Frech lächelnd schlägt er vor:

„Ich kann aber auch bleiben, um Euch dabei zu helfen Euer wunderschönes Haar zu waschen, wenn es Euch beliebt.“

Spitz entgegnet sie nun endlich:

„Ich würde ja sagen, dass das die dümmste Idee ist, die Ihr je hattet, aber das wäre für Euch nicht zutreffend, denn anscheinend habt Ihr nur dumme Ideen.“

Sie sagt ihm diese harten Worte geradeheraus ins Gesicht. Der nasse, fast nackte Mann macht einen Schritt auf die junge Frau zu. Ein weiteres Mal lässt er sich nicht von ihren verbalen Angriffen beeindrucken.

„Prinzessin Siva, ich glaube langsam, dass Ihr solch verletzende Dinge nur aus Selbstschutz sagt und zwar immer genau dann, wenn Ihr Euch Gefühle für mich eingestehen müsstet. Ich weiß, dass es unerhört ist so etwas zu Euch zu sagen, aber ich möchte das nicht länger für mich behalten.“

„Ihr habt Recht,“

entgegnet sie ernst, was er zunächst positiv auffasst, bis sie ergänzt:

„Es ist unerhört von Euch das zu mir zu sagen.“

Für einen Moment ist es still und nur noch das plätschern des Wasserfalls erfüllt die Höhle.

Der frühere König spürt genau, dass diese starrköpfige, junge Frau leidenschaftliche Gefühle für ihn hegt, doch er kommt einfach nicht an ihr Herz heran. Seine Bemühungen erscheinen ihm zwecklos, denn ihm bleibt nicht mehr genügend Zeit, um eine Beziehung mit der misstrauischen Prinzessin aufzubauen. Er will sich gerade von ihr abwenden, als sie erneut das Wort erhebt. Ihre Stimme ist leiser als zuvor und etwas belegt.

„Wartet!... Vielleicht habt Ihr in dieser Sache recht. Vieles in mir verlangt nach Euch, aber das ist für mich kein Grund meine Würde zu verlieren.“

Er blickt sie überrascht an.

„Wie soll ich das verstehen, Prinzessin Siva?“

„Das braucht Ihr nicht zu verstehen. Es ist schon schlimm genug, dass ihr es jetzt wisst.“

entgegnet sie stur.

Damit hat sie nun den Bogen der schier unendlichen Geduld Ramons ein weiteres Mal überspannt, weshalb er laut das Wort erhebt, was in der Höhle widerhallt.

„Prinzessin, das hier ist kein Spiel. Von Eurer Entscheidung hängt mein Leben ab. Darüber hinaus ist das nicht der einzige Grund für mich Eure Zuneigung zu suchen. Ihr gebt mir das Gefühl mein früheres Leben und alle Fehler, die ich darin beging, seien bedeutungslos. Es gibt so vieles, das ich bereue. Mein Wunsch ist es von vorn zu beginnen, mit Euch an meiner Seite noch einmal jung zu sein...“

Er beruhigt sich etwas und erklärt dann weiter:

„Aber ich will Euch nicht schon wieder damit behelligen. Ich habe einmal gelebt und kein zweites Leben verdient. Das habt Ihr mir selbst gesagt, das war Euer Urteil. Damit muss ich mich einfach abfinden, so schwer es mir auch fallen mag.“

Wieder schweigen die beiden, doch nach Sivas Wahrnehmung ist es nicht leise in der Höhle. Das Plätschern des Wasserfalls wird in ihren Ohren immer lauter und Ramons Worte hallen in ihr nach. Sie legt eine Hand vor ihre Augen, um aufsteigende Tränen zurückzuhalten. Natürlich will sie nicht, dass Ramon stirbt. Sie steckt in einer Zwickmühle. Die Vorstellung am Tod des einzigen Mana-i schuld zu sein, der für sie geeignet wäre, ist inakzeptabel. Ebenso undenkbar ist es ihn als ihren Partner zu erwählen. Dabei weiß sie so langsam selbst nicht mehr wieso sie ihn ausschließt. Ihr Instinkt, der sie zu ihm zieht, ist so laut, dass sie schon lange nicht mehr hört, was ihr Herz ihr sagt. Egal was sie tut, sie wird in jedem Fall jemanden verletzten, der ihr wichtig ist. Das ist ihr inzwischen klar geworden.

Ramon wagt es nicht einen weiteren Schritt auf die verzweifelt aussehende junge Prinzessin zu zugehen. Es könnte erneut ein Fehler sein. Immerhin ist sie noch nicht empört davon gestürmt, was wohl heißen muss, dass sie seine Worte zum Denken angeregt haben. Anscheinend ist er dieses Mal wirklich bis zu ihrem Herzen vorgedrungen. Er hatte selbst nicht mehr daran geglaubt, dass das noch möglich ist.

Sie durchschneidet die Stille mit ihrer klaren, neu erstarkten Stimme:

„Ramon, ich weiß, ich bin ein schwieriges und zynisches Mädchen, das sich immer selbst das nächste ist und vor allem seinem Vater gefallen will, aber damit ist jetzt Schluss. Ich muss erwachsen werden und weitsichtiger handeln. Ich muss irre sein, so etwas zu sagen, denn der Altersunterschied zwischen uns ist erheblich, ehrlich gesagt ist er fast unvorstellbar für mich, doch ich werde über uns nachdenken.“

Tatsächlich hat sie das noch niemals ernsthaft getan.

Ihr Einlenken ist wie ein Zugeständnis ihrer Gefühle für ihn, doch das hilft ihm nun wohl auch nicht mehr weiter, denn die verwirrte Prinzessin wird Zeit brauchen, um eine Entscheidung zu fällen, die sie nicht mehr hat. Ramon schwor sich selbst sie nicht länger festzuhalten. Sie ist wie der Wind und diesen kann man nicht einsperren, jedenfalls nicht lange und nun hält er die Zeit für gekommen. Er gesteht ihr was er ihr bisher verschwiegen hat:

„Prinzessin, wahrscheinlich werde ich Euch bereits morgen in die Freiheit entlassen, denn es gibt nur noch einen Ort, den ich besuchen und mich von einer Sache überzeugen muss. Hinzu kommt, dass Euer Vater begonnen hat nach Tunnelsystemen graben zu lassen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis seine Leute auf dieses hier stoßen werden. Ich muss unbedingt vor ihm erfolgreich sein. Ich möchte damit sagen, dass Ihr Eure Entscheidung schnell treffen solltet.“

Siva war der Überzeugung noch ewig hier unten festzusitzen, deshalb kommt der neuerliche Zeitdruck völlig überraschend für sie. Freude und Trauer vermischen sich in einem undurchdringlichen Nebel der Gefühle. Unfähig irgendetwas darüber zu sagen, bleibt ihr nichts anderes übrig als vom Thema abzulenken. Distanziert, fast so als habe es das Gespräch eben gar nicht gegeben, sagt sie:

„Ihr habt mein Blut heute noch nicht erhalten, Majestät. Wir sollten das jetzt gleich hinter uns bringen, damit ich mich zum nachdenken zurück ziehen kann.“

Sie hält dem fast nackten Ramon ihren zarten Innenarm entgegen. Er, der ebenso angespannt war wie sie, schließt schwer ausatmend seine Augen. Ihre Formulierung war für ihn wenig schmeichelhaft, was ihm zu allem Überfluss auch noch die Lust an diesem, für ihn eigentlich erotischen, Akt raubt. Er tritt an sie heran und packt ihren Arm. Wenn es um den Flüssigkeitsaustausch geht, wird er immer etwas grob. Im Glauben eigentlich nichts mehr gewinnen oder verlieren zu können, entscheidet er sich einen seiner Wünsche auszusprechen:

„Würde es Euch etwas ausmachen, wenn ich Euch statt dessen küssen würde, Prinzessin?“

„Was?“

Sie versucht erfolglos ihrem Arm zurückzuziehen und fragt unüberlegt:

„R-reicht das auch aus?“

„Ganz ohne Blut geht es natürlich nicht, aber keine Sorge, ich mache es ganz schmerzlos.“

antwortet Ramon erregt über ihre leichte körperliche Gegenwehr und gleichzeitige verbale Annäherung. Er zieht sie an sich heran und beginnt sich begierig ihren Lippen zu nähern, als sie, gerade noch rechtzeitig, ihren freien Arm zwischen ihre sich annähernden Lippen schiebt.

„Das war keine Erlaubnis!“

schimpft sie, was ihn zum schmunzeln bringt. So gefällt ihm die Sache schon viel besser. Er nimmt ein weiteres Mal mit ihrem Arm Vorlieb, was ihn nun aber nicht mehr stört. Immerhin sind sie sich noch näher als sonst und nur durch ihren schmalen Arm voneinander getrennt.

Wie immer schweigt Siva, während des Vorgangs, doch dieses Mal schaut sie ihm aufmerksam dabei zu und auch er denkt gar nicht daran seine Augen zu schließen. So nah waren sie sich noch nie und dann ist dieser gut gebaute Mann, der zwar so viel älter ist als sie, aber aussieht als wäre er höchstens Mitte Dreißig, auch noch fast nackt.

Ihr rasender Puls sorgt dafür, dass er nicht lange braucht, um satt zu werden. Nach kurzer Zeit lässt er von ihr ab. Da er womöglich nie wieder von ihr kosten darf, hat er es besonders intensiv erlebt, was in ihm ein unerwartetes Glücksgefühl auslöst.

Schmunzelnd bedankt er sich und geht zum See zurück, um sich seinen Mund abzuwaschen. Seinen Gesichtsausdruck bemerkend kommentiert sie aus der Ferne:

„Zieht Euch endlich etwas an, Ramon! Das macht mich verrückt.“

„Hier vor Euren Augen, Prinzessin?“

grinst er satt und zufrieden, nachdem er sich wieder sauber gewaschen von der Wasserfläche erhoben hat. Er ist schon dabei das Tuch von seinen Hüften zu lösen, als sie zu ihm gerannt kommt, um es zu verhindern. Reflexartig greift sie nach seinen Händen, was in einen peinlichen Moment mündet, den sie von sich selbst erschrocken, versucht aufzulösen.

„Nicht vor mir, herrje!“

„Nichts, was Ihr nicht vorhin schon gesehen hättet, liebste Siva.“

reagiert er immer noch selbstsicher lächelnd.

Sie lässt entsetzt seine Hände los und dreht sich von ihm weg.

„Nun...nun könnt Ihr Euch umziehen, Majestät.“

entgegnet sie zögerlich fromm.

Wie befohlen, begibt er sich zu seiner Kleidung und beginnt sich anzuziehen. Inzwischen guter Dinge scherzt er:

„Nun, da Ihr mich nackt gesehen habt, müsst Ihr mich auch ehelichen, Prinzessin, um meine Ehre zu bewahren.“

Diese ausgelassene Seite von ihm hat Siva zwar schon kennengelernt, doch sie ist trotzdem noch ziemlich ungewohnt für sie. Fast ein bisschen verwirrt und sogar ein bisschen unsicher entgegnet sie:

„Das ist doch ein uraltes Gesetz, vielleicht zu Eurer Zeit noch gültig, aber nicht mehr heute. Es galt doch auch nur für Männer gegenüber unberührten Jungfrauen, oder nicht?“

Er beginnt erheitert zu lachen, was in der Höhle widerhallt. Das hat er überhaupt noch nie getan. Schließlich entgegnet er:

„Ihr wünscht Euch doch, dass ich die Maßstäbe eines Mannes bei Euch ansetze und das war ein gültiges Gesetz zu meiner Zeit. Ich würde sagen Ihr habt gar keine andere Wahl. Und vergesst nicht, auch ich habe Euch nackt gesehen, Prinzessin.“

Mit ihren eigenen Waffen will sich die kluge junge Frau nicht schlagen lassen.

„Ihr wart schon einmal verheiratet, habt Kinder und seid damit offensichtlich nicht mehr unberührt. Das Gesetz findet somit keine Anwendung in diesem Fall.“

Schlussfolgert sie, worauf er übermütig entgegnet:

„Das ist richtig und bei Euch ist mir, trotz Eurer Jugend, leider Prinz Aiven zuvor gekommen.“

„Dem Ihr Eure Wiederbelebung verdankt, vergesst das nicht. Außerdem geht Euch das überhaupt nichts an.“

zischt sie gereizt.

Seine Eifersucht hätte er wohl lieber für sich behalten sollen. So ausgelassen er die Stimmung auch empfand, so schnell ist sie wieder unterkühlt. Er hätte sich nicht so weit nach vorn wagen dürfen.

„Verzeiht das Übertreten meiner Befugnisse. Ich bin nicht in der Position über Euch zu richten.“

„So ist es, das seid ihr nicht. Jetzt lasst mich bitte allein, denn ich möchte ebenfalls duschen. Nehmt das Siegel mit, damit ich zurück finde!“ befiehlt sie.

Er lässt sie jetzt lieber in Ruhe, damit sie über alles nachsinnen kann. Seine Chancen bei ihr sind sicherlich angestiegen, aber der große Erfolg ist ausgeblieben. Mehr war wahrscheinlich nicht zu erwarten. Mit gemischten Gefühlen verlässt er sie.
 

Am nächsten Tag kehrt er verschlossen und nachdenklich von seiner letzten Tour zurück. Er behält sein siegelbesetztes Hemd an und bittet seine Prinzessin neben sich auf dem Sessel im, von Kerzen erhellten Kaminzimmer Platz zu nehmen.

Leiser als sonst sagt er zu ihr:

„Ich halte mein Wort. Ich bin bereit Euch gehen zu lassen, liebste Prinzessin Siva.“

Ein erleichtertes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus, als sie sich vorstellt endlich aus diesen fürchterlich dunklen Katakomben heraus zu kommen. Sie freut sich wieder an die Sonne gehen zu dürfen, ihren Vater und Aiven wieder sehen zu können. Der Gedanke an ihren Freund lässt sie jedoch unerwartet melancholisch werden. Was wird er über sie denken, wenn sie so lange mit einem anderen Mann allein war? Auch wenn sich Ramon einigermaßen anständig verhalten und sie ihren Prinzen auch nicht hintergangen hat, so haben Sivas nächtliche Träume einige Male merkwürdige Spielchen mit ihr getrieben, an denen ihr Entführer nicht mit seinen mentalen Fähigkeiten schuld gewesen sein kann. Besonders letzte Nacht war es schlimm. Was-wäre-wenn Gedanken haben sie nicht los gelassen. Der mächtige Mana-i Ramon ist es, nach dem es ihrem Körper verlangt. Ihr Instinkt hält diesen Mann für den geeignetsten Partner. Das fühlte sie aber schon als Ramon dem Grabe entstieg und das hat sie nicht ins Wanken gebracht, bis jetzt jedenfalls. Aiven zu hintergehen ist und bleibt jedenfalls trotzdem keine ihrer Optionen.
 

Sie setzt sich, immer noch lächelnd, in den Sessel. Der gefallene Kalaßer König hatte erwartet, dass sie sich freuen wird, doch trotzdem kränkt es ihn nun, wo er es erlebt. Er hatte gehofft, dass sie ihn statt dessen jetzt zu ihrem Mann erwählt. Dieser hier, wäre der geeignete Zeitpunkt dafür gewesen.

Vielleicht hat sie seine Anwesenheit ja doch nur ertragen, weil sie es musste. Die Zeit des Abschieds wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch seinen Tod besiegeln. Selbst wenn er inzwischen eine vage Vermutung hat wo sich die verschollenen Mana-i aufhalten könnten, so wird er diese ohne Siva nicht rechtzeitig finden. Er hat Angst davor ein weiteres Mal zu sterben, gerade jetzt wo er dem Verständnis dafür was Glück bedeuten könne, eines der Mysterien seines früheren Lebens, zum Greifen nahe gekommen ist.

Die Sache, die er herausgefunden hat, erschüttert ihn jedoch fast noch mehr als das und das mag schon etwas heißen. Verzweifelt hält er in sich zusammen gesunken die Hände vor sein Gesicht, aber auch wenn es ihm noch so schwer fällt, er muss es der rechtmäßigen Thronfolgerin erzählen, denn sie hat ein Anrecht dazu. Er nimmt seine Hände wieder herunter, bleibt aber in sich gesunken.

„Prinzessin Siva, wisst Ihr wer Euren Vater großgezogen hat?“

„Ja, seine Großmutter. Sie war auch eine Mana-i.“

antwortet sie, überzeugt davon die Wahrheit zu kennen.

Er schüttelt den Kopf.

„Amrea war nicht seine Großmutter, sondern seine Ahnin. Tatsächlich war sie die Gattin meines unnützen erstgeborenen Sohnes.“

Sich nicht über den Verwandtschaftsgrad wundernd fragt sie sich erinnernd:

„Warum sprecht ihr so abwertend über Eure Familie? Hat Eure unzufriedene Gattin Madlene sie gegen Euch aufgehetzt?“

„Das tut hier nichts zu Sache. Interessant ist die unverzeihliche Tat Amreas.“

antwortet er abschätzig, bevor er weiter ausführt:

„Sie war besessen von der Macht des Ersten Königs und studierte seine Geschichte bis ins kleinste Detail.“

Ramon holt tief Luft, steht auf und reicht seiner Liebsten entschlossen die Hand.

„Prinzessin Siva, ich begleite Euch hinaus aus diesen dunklen Katakomben. Ich möchte Euch den Rest der Geschichte an einem anderen Ort erzählen.“

Das lässt sie sich nicht zweimal sagen und springt von ihrem Sessel auf. Sie ergreift seine Hand und er zieht die junge Prinzessin forsch an sich heran. Dann nimmt er sie auf beide Arme und kommentiert:

„Verzeiht, aber so geht es schneller.“

Bevor er den Weg in die dunklen Gänge einschlägt, macht er einen Abstecher in ihr Zimmer. Die alles entscheidende Frage ist noch nicht beantwortet, die seine Entscheidung für seinen nächsten Schritt beeinflusst. Sie kommt ihm nur schwer über die Lippen.

„Prinzessin, wisst Ihr nun was Ihr tun wollt? Sagt, würdet Ihr mich begleiten zur Insel Ialana? Ich habe die Vermutung, dass dort...“

Er schwenkt zurück.

„Nein, es ist unwichtig. Vergesst was ich gesagt habe.“

Siva ist verwirrter denn je. Eine abschließende Entscheidung konnte sie in der Kürze der Zeit noch nicht treffen, doch sie runzelt die Stirn aus einem anderen Grund. Die Insel von der er sprach, liegt direkt vor Kalaß, aber sie ist unbetretbar. Vollständig von Klippen und gefährlichen Strömungen umgeben, soll noch kein Mensch einen Fuß auf sie gesetzt haben. Unmengen von Schiffen sind bereits an den Steilküsten der Insel zerschellt und haben unzählige Leben gefordert.

Ramon resigniert. Hätte Siva sich bereits für ihn entschieden, so wüsste er es. Da er vermutet, dass sie sich für ein Leben auf dem Festland mit dem ihr versprochenen Prinzen entscheiden wird, nimmt der Gefallene das Windsiegel an sich, welches er an seiner Brust anbringt. Das überrascht die junge Frau nun noch mehr, als seine Frage nach einer Flucht auf eine unbelebte Insel.

„Ramon, so wird mein Vater uns sofort finden.“

„Das weiß ich.“

antwortet er gelassen, bevor er mit ihr in der Dunkelheit des Gängelabyrinths verschwindet.
 

Die Prinzessin auf den Armen tragend, verlässt der gefallene König die Tunnel nach einiger Zeit, weit außerhalb der Stadtmauern von Kalaß. So weit hinaus hat es Siva bei ihren Erkundungstouren nie geschafft. Sie hielt es auch nicht für notwendig, denn es musste nach ihrer Vorstellung schließlich auch Ausgänge innerhalb der Stadt geben.

Das Ende dieses Ganges sieht für sie aus wie eine der vielen Sackgassen, die sie überall im Labyrinth verstreut gefunden hat. Anscheinend lassen sie sich alle nur mit Hilfe der Macht der Siegel öffnen. Ramon musste nur seine Hand auflegen und Druck darauf geben, damit sie vor ihm nachgab. Dazu musste er die junge Frau noch nicht einmal absetzen. Sie selbst hatte Stunden damit zugebracht solche Wände von oben bis unten abzusuchen, doch sie bleib stets erfolglos.

Von außen bemerkt sie, dass dieser Ausgang anscheinend erst vor kurzem benutzt wurde, denn er ist von erdigen Graskanten gesäumt. Offensichtlich war er vollständig mit Erde bedeckt. Als Ramon hinaustritt, wird Siva vom roten Licht der Morgensonne geblendet. Die Augen nach der langen Dunkelheit noch immer zukneifend, spürt sie wie ihre Haut von einer laue Brise gestreichelt wird, welche über die großen weiten Wiesen weht, auf denen sie sich jetzt befinden. Am liebsten würde sie erst einmal die Sonne genießen, doch sie hat keine Zeit entspannt durchzuatmen, denn Ramon setzt sich wieder schnellen, schwebenden Schrittes in Bewegung. Sie kann es nicht ausstehen von ihm getragen zu werden, denn es fühlt sich für sie an als sei sie vollkommen nutzlos. Sie tröstet sich damit, dass sie Ramons Bevormundung bald los sein wird. Lange muss sie es nicht mehr ertragen, denn wenn er sein Wort hält, wird er ihr heute noch die Freiheit schenken. Höchstens eine Stunde läuft er über Wiesen und Felder, bis sie an einem grünen Hügel ankommen, an dem er sie behutsam absetzt.

Endlich kann die Prinzessin richtig tief Luft holen und den feien Himmel über sich genießen. Noch niemals ist ihr die Natur so wunderschön vorgekommen wie gerade eben. Unmengen wunderschöner Wildblumen wachsen an diesem Ort und die Bienen summen laut.

Ernst richtet der gefallene König das Wort an die, von der Natur betörte Prinzessin und macht eine ausladende Armbewegung in Richtung des Erdwalls:

„Wisst Ihr wo Ihr seid, Prinzessin? Das hier ist das Hügelgrab des Ersten Königs, dem Halbgott und Urahn aller Mana-i, Torani-Colian.“

Siva lässt ihren Blick schweifen, kann aber nichts ungewöhnliches an der Erhebung vor ihr entdecken.

„Spürt Ihr etwas?“

fragt er geduldig.

Sie schließt die Augen und schüttelt den Kopf.

„Außer dem Windsiegel, das Ihr an Euch tragt, nichts. Sollte ich?“

„Zu meinen Lebzeiten war die göttliche Aura des Halbgottes in der ganzen Gegend deutlich spürbar.“

erläutert er und setzt seine vorhin begonnene Geschichte wie versprochen fort:

„Sechstausend Jahre ist seine Geburt nun her und dreitausend sein Tod. Doch der Erste König könnte heute noch unter uns weilen, wisst Ihr. Alle wahrlich unsterblichen Uralten entschieden sich einer nach dem anderen die irdische Welt freiwillig zu verlassen, so auch er. Nach dem Tod seiner geliebten menschlichen Frau, die er mit der Gunst seines Vaters, dem Gott Fuathel, unnatürlich lange leben ließ, beschloss er ihr zu folgen. Mein Vater war auch ein Uralter, der sich Jahrtausende später mit der ersten Tochter unseres Volkes verband. Bis zu meiner Hinrichtung war ich der letzte von uns, der wahrhaftige Unsterblichkeit besaß, ohne sich mit einem zweiten Mana-i ständig gegenseitig erneuern zu müssen. Anders als ich, verbot der Erste König seine Wiedererweckung. Zur Sicherheit verunreinigte er seinen Körper so stark, dass es ohnehin nicht mehr möglich gewesen wäre, ihn zurück zu holen, wie Ihr es bei mir tatet, Prinzessin. Sein ebenfalls unsterblicher Geist allerdings, verließ seinen zerstörten Körper nicht und band sich an diesen Ort. Das Volk der Gotteskinder, wie wir uns damals nannten, verehrte diese Gegend und sie wurde zu einer heiligen Pilgerstätte. Niemals wäre jemand auf die Idee gekommen Torani-Colians Gesetze zu verletzen und sein Andenken zu entehren. Doch wie Ihr nun selbst feststellt, Prinzessin, ist seine erhabene Aura von diesem Ort verschwunden.“

Wenig wirklich Gehaltvolles hat Ramon ihr in den letzen Wochen erzählt und nun überhäuft er sie mit neuen Details zur Geschichte und Natur der Mana-i. Sie ist seinen Worten aufmerksam gefolgt und schließt daraus, dass der Urahn diesen Ort verlassen haben muss. Was ihr nicht klar wird ist, warum es ihm so wichtig ist, dass sie den Verlust dieser heiligen Stätte unter so großer Gefahr für ihn, selbst spüren sollte.

„Worauf wollt Ihr hinaus, Ramon?“

„Zeitlebens suchte Amrea nach einer Möglichkeit unseren Urahn wiederzubeleben, um das alte Weltreich Kalaß wieder auferstehen zu lassen. Sie hielt mich zunächst für seine Reinkarnation, doch als ich gegen Nienna verlor, revidierte sie ihre Meinung. Ich scheiterte zwar, doch sie hatte Erfolg, denn sie--“

„RAMON!“

wird der gefallene König von einem weit entfernten, sehr kraftvollen Ruf unterbrochen.

Erschrocken drehen sich er und die junge Prinzessin um und erblicken zwei eilig auf Pferden heran galoppierende junge Männer. Es sind König Nico und Prinz Aiven, die so schnell es ging dem Windsiegel gefolgt sind. Sie nähern sich eilig.

Nico springt geschickt von seinem Hengst ab und landet genau zwischen Siva und ihrem Entführer. Der König stellt sich schützend vor seine Tochter, zieht sein kunstvoll gearbeitetes Schwert und bedroht den gefallenen König damit, der kaum eine Reaktion zu zeigen scheint.

„Wie geht es Eurer Wunde, Majestät?“

fragt Ramon spöttisch, was den aufgebrachten Nico ziemlich aus der Fassung bringt. Der Entführer seiner Tochter scheint ihn gar nicht ernst zu nehmen, was ihn nun noch mehr verärgert.

„Willst du dein Schwert nicht ziehen, Ramon?“

„Das ist nicht notwendig. In Eurem jetzigen Zustand könnt Ihr mich nicht verletzen, Euer Gnaden.“

antwortet dieser, während er ironisch ehrerbietend nickt.

Der junge Prinz rennt unterdessen zu seiner Liebsten, die er ein Stück vom Geschehen entfernt. Überraschenderweise beeindruckt sie Ramons Standhaftigkeit und es gefiel ihr die Auseinandersetzung aus dieser Nähe zu verfolgen. Aivens innige Umarmung reißt sie aus ihrer bewundernden Starre. Endlich sinkt sie erleichtert an seinen warmen Körper.

„Gott sei Dank geht es dir gut, Siva.“

flüstert er aufgelöst und ergänzt:

„Es tut mir so leid. Gegen diesen Übermenschen kann ich überhaupt nichts ausrichten. Oh Siva, wir haben dich überall gesucht, aber--“

„Ich weiß“

haucht sie, was ihn dazu bewegt sie noch fester an sich zu drücken. Er kann sein Glück kaum fassen seine Geliebte wieder in Armen zu halten. Nun muss Nico nur noch den Eindringling verbannen. Die beiden Königskinder wenden sich wieder den kämpfenden Königen zu, als Ramon versucht den bestehenden Pattzustand aufzulösen.

„Kommt Euch dieser Ort bekannt vor?“

„Wieso bist du so stark?“

ignoriert Nico die Frage angespannt, während seine Augen kurz violett aufleuten. Er schafft es nicht sein Schwert gegen seinen Feind zu erheben. Das lange Bangen um seine Tochter und seine Bauchverletzung haben ihn geschwächt, wohingegen sein Gegner noch deutlich an Stärke gewonnen zu haben scheint. Ramons Augen glühen türkis auf und er lächelt zynisch, denn nur zu gern beantwortet er diese Frage:

„Eure verehrte Tochter hat mir sehr viel von ihrer Kraft geliehen.“

Nico und Aiven wenden ihre Blicke geschockt der Prinzessin zu, welchen sie angestrengt ausweicht. Besonders Aiven macht diese Reaktion fassungslos. Er kennt sie gut genug. Hätte dieser widerliche Ramon gelogen, so hätte sie alles lautstark abgestritten. Sie hätte schreiend und keifend verkündet, dass ihr Mentor sie dazu gezwungen habe, aber all das tut sie nicht. Um genau zu sein erkennt er sie überhaupt nicht wieder. Seit wann weicht sie einer Konfrontation aus? Der Prinz lässt seine Liebste los und erkundigt sich verunsichert:

„Was hat er dir angetan?“

Bevor sich Ramon einmischen kann, antwortet sie befürchtend, dass ihr Freund sie dafür verurteilen wird:

„Er hat recht viel von meinem Blut getrunken und das hat ihn immer stärker gemacht. Ich konnte es nicht verhindern, Aiven.“

Er schließt sie erleichtert wieder in die Arme.

„Schon ok, Siva. Das ist ok.“

Ramon befeuchtet darauf begierig seine Lippen, weshalb Nico gleich vor Wut ausrastet. Das schwächt ihn allerdings nicht noch weiter, sondern macht ihn stärker. Der gefallene König von Kalaß muss aufpassen, dass sich der neue König nicht aus seiner Starre lösen kann. Ramon muss schließlich noch seine Theorie überprüfen, bevor er dies hier zu Ende bringt.

„Eure Majestät, hört jetzt auf mir auszuweichen. Beantwortet meine Fragen und ich verspreche, ich werde gehen und nicht mehr zurück kehren. Kennt Ihr diesen Ort nun, oder nicht?“

Nico hat die Frage vorhin nicht ohne Grund übergangen, denn über diesen Ort nachzudenken, ließ sich sein Inneres verkrampfen. Es ist, als sei da etwas tief in seiner Seele, das nicht ans Licht des Tages gelangen soll.

„Hör auf das zu fragen!“ brüllt er wieder mit einem Leuchten in den Augen.

Ramon lächelt erhaben. Seine ganze Gestalt scheint inzwischen in türkisen Flammen zu erleuchten. Erst jetzt zieht er sein Schwert.

„Wenn Ihr mir nicht antworten wollt, bin ich so frei Eure Seele erneut an diesem heiligen Ort zu binden, erhabener König.“
 

Ramon holt aus. Völlig bewegungsunfähig kann Nico nur zuschauen wie Ramons Macht sich immer bedrohlicher über ihn erhebt. Sein Bewusstsein scheint ihm langsam zu entschwinden und das entfernte Flehen seiner Tochter um Gnade, nimmt er kaum noch wahr. Wie in Zeitlupe kommt Ramons blaugrün lodernder tödlicher Hieb auf ihn zu geflogen.

Nico presst, geschockt über sein Versagen, die Augen zusammen, denn er weiß, das hier ist sein letzter Atemzug. Diesen Schlag kann er nicht überleben, doch ganz kurz bevor die Klinge auf seinen Körper trifft, stoppt sie plötzlich vor ihm.

Als er die Augen wieder öffnet, findet er sich auf einer völlig menschenleeren Wiese wieder. Siva und Aiven sind verschwunden und vor ihm steht auch nicht sein Mörder Ramon, sondern ein elegant, aber altertümlich gekleideter Mann, mit gesenktem Kopf, den er nun langsam beginnt diesen zu erheben. Je höher er ihn nimmt, desto stärker scheint Nicos Körper von innen heraus zu verbrennen. Sich unter gigantischen Schmerzen selbst umklammernd, hat er Mühe stehen zu bleiben.

Die Gestalt richtet das Wort mit einer Stimme an den leidenden König, die klingt als sei sie sehr weit von ihm entfernt und trotzdem in seinem Kopf widerhallt:

„Es reicht, Nico. Wir beide müssen uns der Realität stellen. Hör jetzt auf dich gegen mich zu wehren, dann tut es auch nicht mehr so weh.“

„Aber das wolltest du doch um jeden Preis vermeiden. Ich schütze dich bis in den Tod! Du musst das alles nicht noch einmal durchleben. Stirb mit mir! Hier und jetzt! Ich bin bereit dafür.“

keucht der sich mit letzter Kraft auf den Beinen haltende Nico, woraufhin er Antwort erhält:

„Ich habe es gesehen, dieses Leben. Dein Leben als König Nico und es ist wunderbar. Das werde ich auf keinen Fall aufgeben. Bitte, lass mich aus freien Stücken heraus. Wenn ich dich dazu zwingen muss, lösche ich dich vielleicht versehentlich aus und das möchte ich nicht.“

„Du bist so ein verdammter Sturkopf, Tora.“

Schreit Nico, der die Blockade loslässt. Augenblicklich enden seine Schmerzen und der Mann vor ihm erhebt seinen Kopf vollständig. Gütig und entschlossen blickt er mit violett leuchtenden Augen zu seinem jüngeren Ich. Die beiden gleichen sich aufs Haar, nehmen den gleichen Gesichtsausdruck an und werden eins.
 

Vereint schließen sie die Augen und als Nico sie sie erneut öffnet, findet er sich auf der spätsommerlichen Wiese wieder. Ramons Schwert ist im Begriff auf ihn zu zufliegen. Hart landet es auf seiner Brust und zerspringt in tausend kleine, wunderschön in der Sonne glänzende Teile. Nico erhebt sich violett leuchtend vor Ramon, der kein überraschtes Gesicht macht, sondern fast euphorisch ruft:

„Es ist also wahr. Ihr seid es, erhabener König Torani-Colian.“

Der gefallene Ewige König geht unfreiwillig vor dem auferstandenen Ersten König auf die Knie. Seine Macht ist so überwältigend, dass selbst Siva und Aiven Schwierigkeiten haben sich auf den Beinen zu halten, obwohl sie ein ganzes Stück weit entfernt von ihm stehen.

Zwischen den beiden Königen scheinen ganze Universen zu liegen. Ein Mann mit göttlichem Funken kniet einem wahrhaftigen Halbgott gegenüber. Ramons Kampfgeist verschwindet augenblicklich aus seinem Körper. Wie der Erste König selbst hatte er sich gefühlt, als er wie ein Racheengel über die Schlachtfelder zog, doch nun wird ihm klar, dass diese Macht nichts mit dem Wesen der Götter gemein hat. Warum hat Fuathel ihm dieses Wissen seinerzeit verwehrt? Warum verbarg er all seine Göttlichkeit vor ihm? Wie könnte er diesem Wesen, das ihm nun gegenüber steht, jemals ebenbürtig sein? Er erkennt die Nichtigkeit seiner Existenz und begreift, dass Siva einen so erbärmlichen, sich an sein elendes Leben krallenden, degenerierten Mana-i niemals lieben können wird. Auch die Insel Ialana hält er nur noch für eine Illusion. Verzweifelnd fleht er den wahrhaftigen Ersten König an:

„Führt mich meiner gerechten Strafe zu, Gottkönig! Von Euch will ich sie gern empfangen. Ich war so töricht zu glauben ich wäre so erhaben wie Ihr. Wie falsch ich doch lag.“

Fuathels auferstandener Sohn ist Ramon Mental so stark überlegen, dass er einen Kampf gewinnt, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen. Nach einiger Zeit der Stille richtet der Gottgleiche endlich das Wort an den untoten König, doch es ist vollkommen anders als dieser es sich vorgestellt hatte.

„Schön zu hören, dass du es einsiehst, Ramon. Nur zu gern gewähre ich dir, nach deinen vielen Sünden, die Gnade eines schnellen Todes.“

Immer noch am Boden kniend, brüllt dieser verzweifelt:

„Lasst mich mit dem Gottkönig sprechen, Nico!“

„Das tust du bereits. Tora hat meiner Persönlichkeit den Vortritt gewährt. Nimm mit mir vorlieb und stirb!“

Der Rosheanische König ist noch immer Herr seiner Sinne und nun hat er Zugriff zu unglaublichem Wissen und einer Macht, die bisher tief in ihm versiegelt war.

„Verabschiede dich von der Welt, gefallener König Ramon, denn wenn ich dich jetzt töte, kannst du nie wieder neu erstehen.“

Der Halbgott holt zum Schlag aus.
 

Sivas Herz droht stehen zu bleiben. Was macht ihr sonst so erhabener Mentor denn da? Er verhält sich in ihren Augen wie ein Idiot. Er versucht nicht einmal zu fliehen und bittet förmlich um seine Vernichtung. Mit aller Kraft kämpft sie gegen die auf sie einströmende Macht an, die von diesem unglaublichen Wesen in Gestalt ihres Vaters ausgeht. Schließlich hat sie Erfolg und erlang ihre Bewegungsfähigkeit zurück. So schnell sie kann, läuft sie auf die beiden Könige zu. Aiven hat keine Möglichkeit sie aufzuhalten. Er wird nicht von Nicos mentaler Macht gefesselt, sondern von einem von ihm ausgehenden Sturm zu Boden gedrückt.

Die Prinzessin wirft sich zwischen die Klinge und ihren Entführer, was Nico unmittelbar zum Abbruch seines Schlages bewegt. Verständnislos brüllt er befehligend:

„Hör auf ihn zu schützen, Siva! Es ist sein eigener Wille gerichtet zu werden.“

Entschlossen sieht sie zu ihrem mächtigen Vater auf, der nicht versteht warum sie das gerade getan hat. Gebeugt unter ihr, beginnt Ramon verzweifelt leise zu lachen.

„Ihr solltet tun was er sagt, liebste Prinzessin. Ich bin Eurer Gnade nicht würdig und ein schneller Tod ist allenfalls besser, als das langsame Dahinsiechen, welches mir ohne Euch bevorsteht.“

„Nimm die Waffe herunter, Vater! Ich ersuche dich.“

fleht sie, Ramons Aussage ignorierend.

Einmal tief durchatmend erfüllt Nico den Wunsch seiner geliebten Tochter, auch wenn er nicht weiß warum sie es wünscht. Er senkt sein Schwert und zügelt seine Aura. Nun ist er auf den ersten Blick wieder mit dem Mann vergleichbar, als der er hergekommen ist. Doch der Halbgott ist in ihm erwacht und das Wissen, auf das er nun vollständig zugreifen kann, ändert sein Weltverständnis. Er ist noch er selbst, doch ist er ebenso der Sohn Fuathels, der Erste König Tora, mit all seinen glücklichen und schmerzlichen Erinnerungen.

Alle Anwesenden sind wieder fähig frei durchzuatmen. Der junge Prinz Aiven, der bisher zum Zusehen verdammt war, läuft nun auch zum Ort des Geschehens. Er versucht zu erfassen was hier gerade passiert ist. Nico scheint magische Kräfte zu haben und seine Freundin Siva hat ihren eigenen Entführer vor dem Tod gerettet.

Er will zu ihr gehen, ihr aufhelfen und sie vom untoten König trennen, doch sie hebt die Hand in seine Richtung, um ihm Einhalt zu gebieten. Die junge Frau steht allein auf und reicht Ramon nun die Hand. Den Kopf gesenkt schüttelnd, ergreift er sie, richtet sich auf und flüstert:

„Versteht Ihr mich denn nicht, Prinzessin? Ein schneller Tod bedeutet die endgültige Erlösung für mich und mein unwürdiges Leben.“

Traurig zu Boden blickend lehnt sie sich an seine Brust. Der überraschte gefallene König weiß nicht, ob er seine Geliebte nun umarmen darf, oder ob er damit unnötig den Zorn der anderen beiden Männer auf sich ziehen wird. Er entscheidet sich dazu es zu unterlassen.

„Ich will nicht, dass Ihr sterbt.“

haucht sie leidend und fügt hinzu:

„Lieber bleibe ich für immer bei Euch.“

Alle drei Männer glauben ihren Ohren nicht trauen zu können, als sie ihre Wort hören.

Am schlimmsten trifft es den jungen Prinzen, der perplex kein Wort mehr heraus bekommt. Gestern hätte Nico wohl noch anders reagiert, doch mit all seiner neuen Lebenserfahrung, entscheidet er sich dazu sich herauszuhalten. Nur zur Not wird er eingreifen.

Verunsichert blickt Ramon zu der jungen Frau, deren Herz er in letzter Minute wohl doch noch für sich gewinnen konnte, oder gibt es noch eine andere Erklärung für ihr Handeln? Hat sie Verständnis für seine Situation entwickelt? Sollte sie so etwas ähnliches wie Mitleid für ihn empfinden, dann beleidigt ihn das jedenfalls zutiefst.

„Ist das Altruismus, Prinzessin? Den will ich nicht von Euch. Lieber sterbe ich, als täglich Eure Gunst zu erflehen.“

Nun meldet sich auch Aiven zu Wort. Er zittert am ganzen Körper. In einem Ton zwischen wütend und verzweifelnd schwankend, raunt er:

„Da hat der Untote ausnahmsweise mal recht, Siva. Wieso sagst du denn so etwas grausames? Ich dachte wir beide...wir beide würden zusammen gehören.“

Sie dreht sich zu ihrem Prinzen und sieht ihm tief in die Augen. Es fällt ihr unglaublich schwer das Folgende auszusprechen:

„Aiven, bitte versteh das nicht falsch. Es war eine schöne Zeit mit dir, die ich sehr genossen habe, doch das ändert nichts. Nichts kann die Zeit zurück drehen. Es ist zu viel passiert und ich habe mich entschlossen. Aiven, das mit uns…ist vorbei.“

Große Tränen laufen über die Wangen des jungen Prinzen, als er das hört. Nun völlig verzweifelt brüllt er:

„Ramon, du verdammtes Schwein, was hast du mit ihr gemacht?... Was hast du mit ihr...nur...“

Aiven senkt seinen Kopf und wischt sich die Tränen aus seinen Augen. Dann schuppst er Siva zu Seite und geht auf den selbst überraschten gefallenen König los. Der junge Mann holt zum Schlag aus, dem Ramon nicht einmal versucht auszuweichen oder sich zu wehren. Des Prinzen Faust landet hart im Gesicht seines Rivalen, dem kurz darauf etwas Blut aus dem Mundwinkel läuft.

Der harte Schlag mag heftig und gut gezielt gewesen sein, doch Aivens Stimme wird zunehmend zittriger.

„Hast du sie mit deinem Gedankenzauber verhext? Von Anfang an hattest es auf sie abgesehen. Gib sie mir zurück!“

Er will noch einmal ausholen, doch diesmal hält der kampferfahrene Mann Aivens Faust auf. Erneut schreit der Prinz verzweifelt:

„Gib sie mir zurück!“

Ramon zeigt großes Verständnis für den jungen Mann und bleibt ruhig.

„Ich verstehe Eure Trauer und Eure Wut, Prinz. Ich bin selbst überrascht über die Entscheidung der Prinzessin. Ich weiß Ihr liebt sie, aber wisst Ihr, ich tue es auch.“

Aiven lässt von ihm ab und wendet sich seiner verlorenen Liebe zu:

„Wieso, Siva? Was ist so falsch an mir?“

Er ist ihr so nah und doch so unerreichbar fern. Ihr Verrat ist für ihn wahrscheinlich unverzeihlich, doch sie ist sich jetzt völlig sicher. Die Konfrontation mit Ramons Tod hat es ihr vor Augen geführt.

„An dir ist gar nichts falsch, Aiven und ich bin auch nicht altruistisch. Ganz im Gegenteil, denn diese Art von Gefühl ist jenen wie mir völlig fremd, was Ramon auch eigentlich wissen sollte. Ich bin eine überhebliche und selbstsüchtige, unsterbliche Mana-i, die sich nach Meinesgleichen verzehrt und du, Aiven bist ein normaler, aber wunderbar herzlicher und mitfühlender Mensch. Wir passen einfach nicht zusammen. Du wirst in einigen Jahrzehnten sterben und wenn ich nicht bei Ramon bleibe, dann wird er das in kurzer Zeit auch und weißt du, dann wäre ich völlig allein auf dieser Welt.“

Noch immer weinend, fragt er verständnislos:

„Kannst du mich nicht zu einem von euch machen? Dann könnten wir für immer zusammen sein.“

Sie lächelt ihren Prinzen an, der zu einem wichtigen Menschen in ihrem Leben geworden ist und antwortet weich:

„Ich glaube nicht, dass das möglich ist und es wäre auch nicht richtig. Es hat keinen Sinn. Unsere Beziehung war schon immer ungleich. Sieh das endlich ein. Die Zeit mit dir war schön, doch sie ist vorüber. Wenn es dir dabei hilft es zu verkraften, dann hasse mich für meine Entscheidung.“

Immer noch kann Aiven ihr Urteil nicht akzeptieren und schreit sie an:

„Du liebst ihn doch gar nicht und gehst trotzdem mit ihm? Er ist ein Untoter und ein verdammter Mörder! Das kann nicht dein Ernst sein.“

Sie lächelt zärtlich und antwortet:

„Ich glaube du schätzt mich falsch ein. Ich bin eine Mana-i und ich bin grausam, vergiss das niemals. Ich wäre selbst eine Mörderin, hätte Vater mir eine andere Schwertkunst beigebracht. Ich kenne keine Gnade für meine Feinde. Du kennst mein Herz nicht, Aiven, aber Ramon kennt es. Er weiß um den Kampf, der immerzu in uns allen wütet. Ich gehöre zu ihm, nicht zu dir. Das war schon immer so. Ich musste es mir nur eingestehen und jetzt wo ich das alles weiß, kann ich nicht mehr zu dir zurück.

Dein Gesicht zeigt mir, dass du noch Hoffnung hegt, doch die werde ich dir nun nehmen. Eigentlich wollte ich dir diesen Anblick ersparen, aber ich muss es dir vor Augen führen. Auf das sich dieses Bild für immer in deinem Gedächtnis einbrennen möge, um mich endlich hassen zu können.“

Sie weiß, dass er sich erholen wird. Mag sein, dass sie seine erste große Liebe war, aber er ist ein hübscher und kluger junger Mann. Es wird eine Frau kommen, die seine Wunden heilen kann, da ist sie sich ganz sicher. Aus reiner Loyalität bei ihm zu bleiben, hält sie jedenfalls für den falschen Weg. Sie ist auf einmal ganz klar im Kopf und zweifelt nicht an ihrer Entscheidung. Der abtrünnige Weg ist ihr vorbestimmt.

Anmutig geht sie nah an ihren immer noch fassungslosen, aber glücklichen gefallenen König heran und sieht traurig, aber auch erregt zu ihm hinauf. Er ist den Tränen nahe. Wer hätte so viel Emotion in diesem berechnenden Mann erwartet?

Sie richtet sich auf, um ihn zärtlich zum allerersten Mal zu küssen. Durch Aivens Schlag, hat er noch immer etwas Blut im Mund, das nun in ihren gelangt. Eine Woge von Verlangen nach mehr erfasst die junge Frau. Einmal von seiner Macht gekostet, wird sie sich für immer nach ihm verzehren. Wie eine Droge beflügelt es ihr Inneres, lässt sie schweben. Wie final sie ihre Entscheidung für Ramon damit macht, war ihr vor dem Kuss nicht bewusst. Sie denkt darüber nach wie intensiv sich ihr Mentor wohl jeden Tag beherrschen musste, um nicht handgreiflich zu werden. Wie einfach wäre es gewesen sie für sich zu gewinnen, wenn er sie gezwungen hätte sein Blut zu kosten. Sie dichtet ihm Anstand an und bewundert seine psychische Belastbarkeit, was sie ihn nur noch mehr verehren lässt. Natürlich ist dieser Mann jedoch viel zu gerissen, um ihrem Ideal zu entsprechen. Selbstverständlich hat er ihr all die Wochen über kleine Mengen Blut in ihre Getränke geträufelt, um sie schleichend von sich abhängig zu machen. Dumm wäre er gewesen diese Chance nicht zu nutzen. Immerhin hat er ihre körperliche Integrität respektiert, wenn er sich auch über viele entgegengesetzte innere Impulse hinweg setzen musste.

Mit Mühe löst sie sich von den weichen Lippen ihres erhabenen Mentors. Siva genießt diesen Moment der Macht, auch wenn sie spürt, dass sie ihm selbst jetzt nicht ebenbürtig ist. Doch ihre Macht wird über die Jahre weiter anwachsen, das spürt sie und sie wird ihn überflügeln.
 

Aiven bricht vor ihren Augen zusammen und haucht tränenüberströmt und um Atem ringend.

„Wie sollte ich dich jemals hassen, meine kleine Kratzbürste...?“
 

Worauf sie sanft:

„Lebe wohl, Aiven.“ entgegnet, denn sie wird ihn nie wieder sehen.

Daraufhin schreitet sie zu ihrem Vater, der nur stiller Beobachter war. Sein eigener Plan, sie an den Prinzen zu binden, ist gescheitert. Dass er selbst die Verantwortung dafür trägt, dass er selbst seine Tochter in die Arme des gefallenen Königs getrieben hat, wird im nun klar. Tora hilft ihm dabei seinen Fehler einzugestehen. Er hat versucht den Wind zu kontrollieren und das ist unmöglich.

Eine zarte Sommerbriese umweht Vater und Tochter, als sie sich umarmen. Sanft streichelt er ihr durch ihr glänzendes, langes Haar und liest, ohne schlechten Gewissens, in ihren Gedanken, dass sie ihn nun verlassen wird. Vielleicht nicht für immer, aber für eine sehr lange Zeit, selbst für ihn. Auch ihm laufen nun Tränen des Abschieds über die Wangen.

Unendlich traurig, aber fest entschlossen, macht sich Prinzessin Siva von Roshea, Tochter eines Halbgottes gemeinsam mit dem gefallenen, wiederbelebten Ewigen König Ramon von Kalaß auf den Weg zur unerkundeten Insel Ialana.

Nico und Aiven bleibt nichts anderes übrig, als ihnen nachzuschauen, wie sie hinter den blühenden Hügeln der heiligen Stätte verschwinden.



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