Der Student der Stunde
Autor: Ladeniel
Seit knapp zwei Monaten bin ich jetzt Studentin und meine Vorstellung vom Studium waren: Schule in besser.
Die Wahrheit über das Studium ist: Schule mit Schwänzen erlaubt (und Schriftarten werden vorgegeben).
Wirklich, manchmal WTFle ich mich so durch meine Vorlesungen/Seminare/Übungen... ich hab zum Bleistift eine Übung mit dem Thema "Ovids Metamorphosen". Da übersetzen wir dann alle zusammemn Ovids Metamorphosen. Klingt simpel, aber das überfordert schon viele.
Die Stunde läuft immer gleich ab: Wir kommen rein, holen unsere Büchli heraus und der knuffige Professor, der aussieht wie ein Nagetierchen, legt los. "Frau Ladeniel, lesen und übersetzen Sie bitte." Ich lese und übersetze. Innerhalb einer Minute. Weil ich ein Supergenie bin? Nein. Weil ich eine deutsch-lateinische Ausgabe habe? Nein. Weil ich mich zuhause vorbereitet habe? JA!
Für jede Stunde (die einmal in der Woche ist) müssen wir 50 Verse (Ovid ist ein Dichter, der schreibt in hexametrischen Versen. Um euch das zu verdeutlichen mal fünf Verse:
Spoiler
Ante mare et terras et quod tegit omnia caelum
unus erat toto naturae vultus in orbe,
quem dixere chaos: rudis indigestaque moles
nec quicquam nisi pondus iners congestaque eodem
non bene iunctarum discordia semina rerum.
Für 50 Verse brauche ich ungefähr eine bis eineinviertel Stunden, weil ich 80% der bekackten Vokabeln nicht weiß (denn Ovid ist ein Dichter, der ein Metrum einhalten muss und daher für jeden deutschen Ausdruck 7456238 lateinische Ausdrücke braucht)., das ist aber okay und sollte für die Klausur ausreichen.
In der Klausur dürfen wir kein Wörterbuch benutzeb, aber dafür gehen wir ja jetzt alle potentiell drankommen könnenden Verse durch (ca. 2000) und müssen die dann letztendlich können. Ich belege zwar momentan den Kurs, zweifele aber noch daran, ob ich wirklich an der Klausur teilnehmen sollte.
Wir waren beim Vorbereiten. Wieso schaffen es tatsächlich jede Woche 2/3 der Studenten unvorbereitet zur Übung zu kommen? Ich meine, die müssen nicht kommen, wenn sie keine Lust haben, aber sie haben doch Latein gewählt und es kotzt mich einfach an, wenn jeder von denen zehn Minuten für seine drei Zeilen braucht, weil er die nie zuvor gesehen hat. Immerhin will ich mit dem Scheiß durchkommen. Und im dazugehörigen Tutorium genauso. Wir sind zu DRITT(!) und einer ist nie vorbereitet und der andere immer so halb.
...
Mir ist es ernsthaft strunzegal, ob die ihr Studium schaffen oder nicht, aber gerade bei Übersetzungen, wo viele Professoren und Tutoren das Tempo nach den Schwächeren ausrichten, hänge ich einfach durch. Wenn jemand es nicht superschnell übersetzen kann, kein Ding, keiner muss Cicero sein, aber warum kann man sich nicht mal vorbereiten? Nö, muss nicht. Ist ja nur Uni, haha.
Hahaha! Dann bleib doch zuhause.
Andrerseits ist das Studium auch witzig.
"Was ist ein Dativ?"
"Was ist eine Syntax?"
"Was ist ein Ablativus Absolutus?"
"Was ist ein Attribut?"
- Vielleicht kann der Nicht-Lateiner mit den letzten drei nichts anfangen, aber für das Lateinstudium wird das Latinum vorausgesetzt. Wie kann man ein Latinum ohne Dativ und Ablativus Absolutus bestehen...?! (Ich hab es ohne Apposition bestanden.)
Abgesehen von diesen und anderen Störfaktoren ist das Studium EPISCH TOLL. Ich liebe diese nerdige Sprache, obwohl Latein im Gegensatz zu Altgriechisch richtig modern daherkommt. >.> ...und meine Griechischlehrerin ist ernsthaft bösartig (aber äußerst cool!). Habe schon gelernt, immer dann, wenn ich was weiß, einfach unbeteiligt daherzustarren, dann komme ich definitiv dran.
Ladeniel
PS: War letztes Wochenende zuhause. Supercat hat ein Viertel ihres Körpergewichts zugenommen. Sie ist zu schwer um sie hochzunehmen. Dafür kann ich jetzt hemmungslos mit ihr knuddeln, ohne Angst um sie zu haben. ♥